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Band39

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Deutsche Schwimmtrainer – Vereinigung e.V.<br />

S C H W I M M E N<br />

LERNEN UND OPTIMIEREN<br />

Band 39<br />

2016<br />

Hrsg./ Red.: Werner Freitag


2


3<br />

Deutsche Schwimmtrainer – Vereinigung e.V.<br />

S C H WI M M E N<br />

LERNEN UND OPTIMIEREN<br />

Band 39<br />

2016<br />

ISBN-Nr. 3-934706-38-X<br />

Hrsg./Red.: Werner Freitag<br />

Bearbeitung für den Druck: Winfried Leopold


4<br />

Redaktionsadresse<br />

Dr. Werner Freitag<br />

Tannenstr. 46<br />

65428 Rüsselsheim<br />

w.w.freitag@web.de


5<br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

Seite<br />

Ana Vasari 7<br />

Die mentale Stärke - ein entscheidender Faktor im Breiten- & Spitzensport<br />

Thomas Lurz 16<br />

„Grenzen sprengen“ - Motivation für Topleistungen<br />

Manfred Thiesmann 22<br />

Motivation der Masters-Schwimmer<br />

Witt, M., Köhler, H.-P., Polenz, Chr., Hartenstein, A. 28<br />

Roll- oder Verwringungstechnik im Freistilschwimmen – welchen Einfluss<br />

hat die Schwimmgeschwindigkeit auf die technische Ausführung?<br />

Klaus Rudolph 38<br />

USRPT oder der Glaube macht‘s?<br />

Hans-Wolfgang Döttling 45<br />

Podiumsdiskussion bei der diesjährigen Jahrestagung des DSTV<br />

Ruth Niehaus 47<br />

Training mit geistig behinderten Athleten<br />

Mareike Rittweg 59<br />

Landtraining Schwimmen–vom Bundestützpunkt bis zum kleinen Verein<br />

Rene´Decker 64<br />

Schwimmen lernen: Neue Konzepte und neues Programm<br />

Kim van Malderen 79<br />

Trainieren aus einem physiotherapeutischen Blickwinkel<br />

Winfried Leopold 86<br />

Zur Renneinteilung ausgewählter Weltbester im Schwimmen


6


7<br />

Ana Vasari<br />

DIE MENTALE STÄRKE – EIN ENTSCHEIDENDER FAKTOR IM<br />

BREITEN- & SPITZENSPORT<br />

Nicht nur physische und technische sondern auch mentale Fähigkeiten sind entscheidend, um<br />

die optimale Leistung am Tag X abrufen zu können.<br />

In keinem anderen Lebensbereich liegen Erfolg und Misserfolg, Freude und Enttäuschung so<br />

nahe beisammen wie im Sport.<br />

Bruchteile von Sekunden sind oft entscheidend ob man mit einem strahlenden oder enttäuschten<br />

Gesicht das Becken verlässt.<br />

Es ist bekannt: Schwimmer investieren unzählige Trainingsstunden um ihre technischen und<br />

physischen Fähigkeiten zu verbessern.<br />

Die Frage ist:<br />

wie viel Zeit investieren Athleten aber um an ihren mentalen Fähigkeiten zu arbeiten?<br />

Was sind Mentale Fähigkeiten und wie kann man sie verbessern?<br />

Welche mentalen Techniken kann man anwenden um die Sportler zu motivieren, um<br />

ihren Fokus und ihre Konzentration in die richtigen Bahnen zu lenken, um ihr Selbstbewusstsein<br />

zu stärken damit sie ihre Ängste und Emotionen besser kontrollieren können<br />

und um Niederlagen besser wegstecken zu können?<br />

Trotz steigender Bedeutung der Thematik wird Mentaltraining nach wie vor noch immer viel<br />

zu selten (regelmäßig) praktiziert.<br />

Es gibt eine Vielzahl von Definitionen für den Begriff „Mentale Stärke“.<br />

Eine der Definitionen, die viele der bestehenden Definitionen zusammenfasst könnte lauten:<br />

„Mentale Stärke bedeutet den Vorteil zu besitzen, der es einem ermöglicht a) generell: mit<br />

Herausforderungen/ Stressoren (Wettkampf, Training Alltag) besser umzugehen und b) speziell:<br />

unter erhöhtem Druck konsequenter und besser zu sein, wenn es darum geht entschlossen,<br />

fokussiert und selbstbewusst zu bleiben.<br />

Wie man in der oben angeführten Definition lesen kann, spielt (der Umgang mit) Stress im<br />

Bezug zur Mentalen Stärke eine entscheidende Rolle.<br />

Folgende Schlüsselfaktoren beeinflussen die Stresstoleranz eines Athleten:<br />

- Persönlichkeit<br />

- Alter<br />

- Geschlecht<br />

- Soziales Umfeld bzw. – Unterstützung<br />

- Individuelle Fitness / körperliche Leistungsfähigkeit<br />

- MENTALE STÄRKE<br />

Mental starke Personen können besser mit Stresssituationen, Druck und Herausforderungen<br />

umgehen als mental sensible Personen und werden demzufolge in Stresssituationen eher ihre<br />

Bestleistungen hervorrufen können.


8<br />

Aufgrund von Stress kann es zu einer Aufmerksamkeitsverengung kommen, was einen<br />

Informationsverlust zur Folge hat. Ist der Stress-Level niedrig gehen unwichtige Informationen<br />

verloren. Ist der Stress-Level allerdings zu hoch, gehen relevante Informationen verloren, was<br />

in weiterer Folge zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit führt.<br />

Der Zusammenhang zwischen Erregung und Leistung wird in der Literatur durch das „Yerkes-<br />

Dodson Gesetz“ bzw. die „Inverted-U.Theory“ erklärt:<br />

In beiden Fällen geht es darum, dass Bestleitungen nur dann erbracht werden können, wenn das<br />

Erregungspotential optimal ist. Ist der Athlet überfordert, unterfordert, zu entspannt/gestresst,<br />

zu wenig entspannt/gestresst, zu viel oder zu wenig gefordert bzw. motiviert wird er nicht seine<br />

optimale Leistung (=“Peak Performance“) erbringen können. Nur wenn all diese Faktoren im<br />

richtigen Maß vorhanden sind kann der Athlet seine Höchstleistung abrufen.


9<br />

Dass (mangelnde) körperliche und technische Fähigkeiten und Fertigkeiten den sportlichen<br />

Erfolg beeinflussen, steht außer Frage. Die 3. Mittlerweile anerkannte wichtige Prämisse für<br />

sportliche Erfolge sind die mentalen Fähigkeiten. Nick Baker spricht im Schwimmsport vom<br />

so genannten „Swimming Triangle“ (Buch: Nick Baker: „The Swimming Triangle“, 2013).<br />

Laut Literatur sind sich Trainer und Athleten einig, dass ein sehr hoher Prozentsatz des Erfolgs<br />

von mentalen Fähigkeiten (MF) abhängt. Amerikanische Studien geben an, dass Athleten und<br />

Trainer meinen, dass mindestens (!) 50% des Erfolgs von MF abhängt.<br />

Obwohl sich allerdings alle einig sind, dass psychologische Komponenten eine entscheidende<br />

Rolle spielen, arbeiten aber laut amerikanischen Studien nur 9%(!!!) mit hilfreichen Methoden,<br />

um diese MF zu verbessern bzw. zu schulen.<br />

Des Weiteren geben Trainer und Athleten an, dass sie nur 5-10% der Trainingszeit zur Stärkung<br />

der MF aufbringen.<br />

Die Frage, die ich mir hier gestellt habe war: „Wieso ist das so?! Warum wird Mentales Training<br />

nicht öfter praktiziert???“<br />

In meiner Studie, in der ich mit einigen amerikanischen College-Teams gearbeitet habe, gaben<br />

alle Teilnehmer folgende 3 Gründe für das Nicht-Einsetzen bzw. geringe Einsetzen von<br />

Mentalen Trainingstechniken an:<br />

‣ Einschränkung in der Trainingszeit<br />

‣ Mangelndes Wissen<br />

‣ Messbarkeit und Untersuchungsinstrumente<br />

Um möglichst praxisorientiert arbeiten zu können, ist es wichtig Methoden zu finden bzw. zu<br />

wählen, die anwendbar sind und diese 3 Probleme berücksichtigen bzw. lösen.<br />

Das bedeutet, dass die gewählten Mentalen Trainingsmethoden schnell und leicht anwendbar,<br />

messbar und nicht zu zeitintensiv sein dürfen.<br />

Alle Mentalen Trainingsmethoden sollen dazu dienen um die unten angeführten wichtigsten<br />

MF zu verbessern bzw. zu schulen:<br />

1. Motivation<br />

2. Zielorientiertheit<br />

3. Glaube an sich selbst = Selbstbewusstsein, positives Selbstbild<br />

4. Fokus und Konzentration<br />

5. Angst und Emotionale Kontrolle<br />

Ad 1. )<br />

Die Motivation gliedert sich in eine intrinsische- und extrinsische Motivation (+ Amotivation<br />

= das Nichtvorhandensein jeglicher Motivation).<br />

Die intrinsische Motivation kommt, wie der Name schon sagt, aus dem Inneren eines Menschen<br />

und der Mensch verspürt hier eine Motivation gegenüber Wissen, Reizerfahrung und<br />

Bewältigung.<br />

Die extrinsische Motivation hingegen kommt von einer externen Quelle. Beispiele hierfür<br />

wären u.a. Auszeichnung, Trophäen, Pokale, Siegesprämien, Sponsoren, Lob, soziale<br />

Anerkennung bzw. Angst vor Strafe (Trainer/Coach, Eltern, Umfeld....).


10<br />

Ad 2.)<br />

Ziele steuern unser Verhalten und geben unseren Handlungen einen Sinn. Sie geben dem<br />

Sportler Energie um das zu erreichen was er/sie sich vorgenommen hat.<br />

Ohne Ziele geht auch die Motivation verloren und vice versa, was wiederum zu keinem Erfolg<br />

führt. Deshalb ist es auch wichtig die unterschiedlichen Zielformen zu kennen und diese auch<br />

im Zielsetzungstraining zu berücksichtigen:<br />

Zielunterteilung:<br />

Subjektive und objektive Ziele<br />

Kurz-, mittel- und langfristige Ziele<br />

Aufgaben- (Selbstverbesserung steht im Vordergrund) und ego-orientiert Ziele (andere<br />

besiegen)<br />

Ergebnis- (ego-bezogen, Gewinnen steht im Vordergrund), Leistungs- (eigenes Ergebnis,<br />

z.B. geschwommene Zeiten) und Prozessziele (Technik)<br />

Grundsätzlich sollten immer jene Ziele im Vordergrund stehen, die vom Individuum selbst<br />

beeinflussbar sind (kursiv geschriebene Ziele).<br />

Ad 3.)<br />

Das Selbstbewusstsein wird stark vom Umfeld / von der Umgebung beeinflusst. Middleton et<br />

al. (2005) unterteilt das Selbstbewusstsein in 3 Bereiche:<br />

- Der Glaube an seine eigene Mentale Stärke (MS)<br />

- Der Glaube an die Fähigkeit eine Aufgabe zu meistern<br />

- Der Glaube an die Zukunft<br />

Ad 4.)<br />

Um Misserfolge zu vermeiden ist es wichtig, dass der Sportler seinen Fokus und seine<br />

Konzentration bewahrt. Entscheidend dabei ist, dass man<br />

- seine Aufmerksamkeit auf die Aufgabe richtet<br />

- fähig ist bei Störfaktoren dementsprechend zu reagieren + sich zu refokussieren<br />

- äußere und innere Störfaktoren ausklammert<br />

- in einen Zustand der passiven Konzentration = „Flow“ kommt<br />

Diesen Flow- Zustand kann man<br />

nur erreichen, wenn die<br />

Anforderungen an den Sportler<br />

weder zu hoch noch zu niedrig<br />

sind. Sowohl hoher Stress und<br />

Angst als auch Langeweile und<br />

Frust hindern den Sportler den<br />

Flow-Zustand zu erreichen.


11<br />

Ad 5.)<br />

Um mit Emotionen gut umgehen zu können, ist es notwendig die Ängste und Emotionen richtig<br />

zu kanalisieren, diese zu deuten und in weiterer Folge zu versuchen einen Nutzen daraus zu<br />

ziehen um die Leistungsfähigkeit zu verbessern.<br />

Angst kann viele Auswirkungen haben, die sich negativ auf die Leistung auswirken können:<br />

- der Bewegungsfluss wird gestört<br />

- die Koordination wird schwächer<br />

- die Entscheidungsfähigkeit sinkt<br />

- die Fehler häufen sich<br />

- es kommt zu einem Leistungsabfall bzw. –abbruch<br />

-<br />

Deshalb ist es wichtig, dass man in Angstsituationen dementsprechend richtig agiert und seine<br />

Emotionen und Ängste im Griff bekommt. Dies allerdings ist oftmals eine sehr komplexe und<br />

schwierige Sache, die jedoch durch regelmäßiges Mentaltraining (zum Beispiel mit<br />

verschiedenen Entspannungstechniken und Strategien) verbessert werden kann.<br />

Mentale Trainingstechniken dienen im Allgemeinen unter anderem dazu, die Leistungsfähigkeit<br />

zu steigern, schneller neue Bewegungen zu erlernen bzw. alte umzulernen und während<br />

Verletzungs- oder/und Saisonpausen den Leistungsabfall zu minimieren. Zusätzlich wird<br />

Mentaltraining auch als Wettkampf- und Trainingsvorbereitung angewendet.<br />

Anbei werden die wichtigsten und meist verwendeten Mentalen Trainingstechniken<br />

aufgelistet und beschrieben:<br />

1.) Zielsetzungstraining<br />

2.) Positive Selbstgesprächsregulation<br />

3.) Imagination und Visualisierung<br />

4.) Entspannungstechniken<br />

5.) Rituale<br />

6.) Coach-Richtlinien & Teamphilosophie<br />

Ad 1.)<br />

Das Zielsetzungstraining ist eine leicht anwendbare und praktikable Methode die schon bei<br />

Kindern und Jugendlichen gut angewendet werden kann und auch zur Steigerung der<br />

intrinsischen Motivation führen kann.<br />

Beim Zielsetzungstraining müssen folgende Schritte beachtet werden:<br />

- Ziele definieren<br />

- Kurze Formulierungen verwenden<br />

- Regelmäßige Kontrolle<br />

- Ziele an die Situation anpassen<br />

- Ziele mit dem Trainer besprechen und eventuell neu definieren<br />

Charakteristik von Zielen:<br />

- Spezifisch und gut definiert<br />

- Messbar (quantitative Formulierungen)<br />

- Erreichbar<br />

- Realistisch und relevant (möglich, herausfordernd, positiv, wichtig)


12<br />

- Zeitlich begrenzt (Monat, Jahr, Wettkampf)<br />

- Flexibel (für unerwartete Geschehnisse)<br />

- Individuell (persönlich, identifizierbar)<br />

Ad 2.)<br />

Bei der Selbstgesprächsregulation geht es um innere Dialoge (Gefühle, Wahrnehmungen,<br />

Überzeugungen werden hierbei interpretiert).<br />

Dabei ist es wichtig negative Gedanken/Sätze/Worte in positive umzulenken bzw.<br />

umzuformulieren. Dabei sollte es sich um kurze, antreibende Formulierungen handeln. Der<br />

Sportler sollte sich durch die aktive Erinnerung an vergangene Erfolge aktivieren und in eine<br />

positive Stimmung versetzen. Diese Erinnerungen sollten dem Sportler helfen positiv,<br />

zielorientiert und fokussiert zu bleiben. Wenn negative Gedanken auftauchen ist es wichtig,<br />

dass der Sportler Gedankenstopps anwenden kann, die er zuvor beim Mentaltraining geübt und<br />

gefestigt hat.<br />

Ad 3.)<br />

Imagination und Visualisierung<br />

- fördern die Entwicklung eines optimalen emotionalen Zustandes<br />

- reduzieren die Aktivierung des Sympathikus<br />

- verbessern die Aufmerksamkeit, den Fokus und die Konzentration<br />

- versprechen einen besseren Umgang mit Fehlern<br />

- erleichtern das Erlernen neuer Bewegungen<br />

- können als Wettkampfvorbereitung und zur Entspannung eingesetzt werden<br />

Anwendungsratschläge:<br />

• Augen schließen, Körper bewegen<br />

• alle Sinne<br />

• Positive Bilder


13<br />

• Interne- & externe Perspektive<br />

• hauptsächlich in Echtzeit<br />

• 5-15min täglich<br />

• Vom Einfachen zum Komplexen<br />

• Im Training und WK<br />

Imagination im Training:<br />

• Bewegungen erlernen/korrigieren<br />

• Richtige Bewegung vorstellen (3-10“)<br />

• Bewegung mental durchgehen<br />

• Training muss nicht gestoppt werden<br />

• kurze Bilder verwenden<br />

Imagination für bzw. nach dem Wettkampf:<br />

• fehlerfreie Bewegungen vorstellen<br />

• Ort, Umgebung visualisieren<br />

• auf eigene „Performance“ fokussieren<br />

• Unmittelbar vor WK: “Last Minute Reminder“<br />

• Direkt nach WK => pos. Gefühle, Hilfe für zukünftige Bewerbe<br />

Ad 4.)<br />

Zu den bekanntesten und meist verwendeten Entspannungstechniken zählen:<br />

- Progressive Muskelrelaxation (PMR)<br />

- Autogenes Training (AT)<br />

- Atemtechniken<br />

Die PMR hat das Ziel körperliche Entspannung durch geleitete Spannung und Entspannung von<br />

Muskeln bzw. Muskelgruppen möglichst schnell hervorzurufen. Die ursprüngliche Jacobson-<br />

Methode dauert zwar in etwa 60min, es gibt allerdings eine Vielzahl von verkürzten Varianten<br />

die nur 15-40min dauern und ebenfalls effektiv sind.<br />

Anwendungsratschläge für PMR:<br />

‣ Die festgelegte Reihenfolge sollte beachtet werden:<br />

Linker Arm – rechter Arm – linkes Bein – rechtes Bein – Bauch – Rücken –<br />

Brust – Schultern – Nacken – Gesicht<br />

‣ PMR sollte folgendermaßen angewendet werden:<br />

• regelmäßig, oft<br />

• von einer Person oder einem Tonband geführt<br />

• Liegend, sitzend und mit geschlossenen Augen<br />

• große Muskelgruppen sollten länger angespannt werden<br />

Autogenes Training ist eine Aktivierungs-.Regulierungs-Technik nach Schulz und funktioniert<br />

durch Selbstsuggestionen.<br />

Anwendungsratschläge für AT:<br />

• Liegend oder sitzend (Schultern, Arme hängend)<br />

• Augen geschlossen<br />

• jeden Satz 5-6x wiederholen<br />

• Zwischen den Stufen: Autosuggestion (“Ich bin entspannt“)


14<br />

• Schwierigkeiten beim Spüren von Wärme => z.B. Hände in warmes Wasser<br />

• große Muskelgruppen – länger anspannen<br />

Atemtechniken sind eine sehr einfache und leicht anwendbare Methode, die zur Beruhigung<br />

und Entspannung angewendet werden kann. Sie dienen zur (Re-)Fokushilfe, Angstreduktion<br />

und reduzieren das Erregungsniveau.<br />

Anwendungsratschläge für Atemtechniken:<br />

• Gemütliche Sitzposition, Rücken gerade<br />

• Tiefe Bauchatmung<br />

• Hände auf Bauch & Brustkorb<br />

• Einatmen durch die Nase (Hand auf Bauch hebt sich)<br />

• Ausatmen durch den Mund (Hand auf Bauch bewegt sich nach innen)<br />

• beim Ausatmen: langsam zählen<br />

Ad 5.)<br />

Rituale helfen konzentriert, motiviert, leistungsstark sowie fokussiert zu bleiben und können<br />

das Erregungsniveau ebenfalls steuern. Sie können entspannend und erregend wirken und<br />

individuell ausgearbeitet werden. Viele Sportler verwenden immer die selben Aufwärmrituale<br />

bzw. Regenerationsrituale, da sie mit diesen gute Erfahrungen gemacht haben und sich damit<br />

sicherer fühlen. Weiter helfen Rituale sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen und bei<br />

etwaigen Störeinflüssen bei sich zu bleiben. Dabei verwenden Sportler oft so genannte<br />

„Ankertechniken“; das sind kleine Gesten, mit denen man binnen kürzester Zeit etwas Positives<br />

assoziiert bzw. mit denen der Körper sofort in einen anderen Zustand gebracht wird (Zum<br />

Beispiel: Vorstartzustand beim Schwimmen: Abklopfen der Muskulatur, Blick zum Trainer,<br />

etc.).<br />

Ad 6.)<br />

Coach Richtlinien und Team-Philosophien sind Regeln die m sowohl für jeden einzelnen<br />

Schwimmer in der Gruppe als auch für den Trainer und die gesamte Mannschaft ausgearbeitet<br />

und aufgestellt werden können. Wichtig dabei ist, dass man sie regelmäßig und basierend auf<br />

die Gruppensituation und – konstellation updatet.<br />

Beispiel für eine Richtlinienliste:<br />

• Respekt<br />

• Perfekte Anwesenheit & Pünktlichkeit<br />

• Ausrüstung dabei haben<br />

• Nicht sprechen wenn Trainer spricht<br />

• Kein Jammern + Bahnen auslassen<br />

• Beste Leistung im Training + Becken anstreben<br />

• Wettkampfteilnahme & Teamunterstützung<br />

• „Problem Solver“ (kein „Trouble-Maker“)<br />

• Positiver Lifestyle außerhalb des Becken


15<br />

Literatur:<br />

Abrams, M. & Hale, B. (2005). Anger: how to moderate hot buttons. In Murphy, S. (Ed.). The<br />

Sport Psych Handbook (pp. 93-112). USA: Human Kinetics.<br />

Baker, N. (2013). The Swimming Triangle: A Hollistic Approach to Competitive Swimming.<br />

Balague, G. (2005). Anxiety: from pumped to panicked. In Murphy, S. (Ed.). The Sport Psych<br />

Handbook (pp. 73-91). USA: Human Kinetics.<br />

Baumann, S. (2006). Psychologie im Sport. Aachen: Meyer & Meyer Verlag (1st published in<br />

1993).<br />

Clough, P.J., Earle, K., Sewell, D. (2002). Mental toughness: The concept and its measurement.<br />

In I. Cockerill (Ed.). Solutions in Sport Psychology (pp. 32-46). London: Thomson.<br />

Cox, R. H. (2007). Sports Psychology: Concepts and application. (6th ed.). New York:<br />

McGraw-Hill (First published in 1985).<br />

Crust, L. (2007). Mental toughness in sport: A review. International Journal of Sport and<br />

Exercise Psychology, 5, 270-290.<br />

Csikszentmihalyi, M., Jackson, S.A. (2000). Flow im Sport: Der Schlüssel zur optimalen<br />

Erfahrung und Leistung (Deutschsprachige Ausgabe). München: BLV Verlagsgesellschaft mbH.<br />

Eberspächer, H. (2007). Mentales Training: Das Handbuch für Trainer und Sportler (7th ed.).<br />

München: Copress Verlag in der Stebner Verlag GmbH (First published in 1990).<br />

Eggetsberger, G. H. (1994). Biofeedback: Heilung durch Körpersignale. Wien; München;<br />

Zürich: Verlag Perlen-Reihe.<br />

Gould, D., Dieffenbach, K., & Moffett, A. (2002). Psychological characteristics and their<br />

development in Olympic champions. Journal of Applied Sport Psychology, 14, 172-204.<br />

Hainbuch, F. (2004). Muskelentspannung nach Jacobson. München: Gräfe und Unzer Verlag<br />

GmbH.<br />

Jones, G., Hanton, S., Connaughton, D. (2007). A Framework of Mental Toughness in the<br />

World`s Best Performers. The Sport Psychologist, 21, 243-264.<br />

Jones, G., Hanton, S., Connaughton, D. (2002). What is this thing called mental toughness? An<br />

investigation of elite sport performers. Journal of Applied Sport Psychology, 205-218.<br />

Jones, G., & Moorhouse, A. (2008). Developing Mental Toughness: Gold Medal Strategies for<br />

Transforming Your Business Performance (2nd ed.). Begbroke, Oxford: Spring Hill.<br />

Loehr, J. E. (1994). The new toughness training for sports: mental, emotional, and physical<br />

conditioning from one of the world`s premier sports psychologists. New York, USA: Dutton.<br />

Loehr, J. E. (1988). Persönliche Bestformdurch Mentaltraining für Sport, Beruf und Ausbildung.<br />

München: BLV.<br />

Loehr, J. E. (1986). Mental Toughness Training for Sports- Achieving Athletic Excellence. The<br />

Stephen Greene Press, Inc., Lexington, Massachusetts/USA).


16<br />

Mack, G., & Casstevens, D. (2001). Mind Gym. An Athlete's Guide to Inner Excellence. New<br />

York: McGraw-Hill.<br />

Middleton, S. C., Marsh, H. B., Martin, A. J., Richards, G. E., & Perry, C. (2005). Discovering<br />

Mental Toughness: A Qualitative Study of Mental Toughness in Elite Athletes [R]. Psychology<br />

Today, 22, 60-72.<br />

Middleton, S. C., Marsh, H. W., Martin, A. J., Richards, G. E., Savis, J., Perry JR, C., & Brown,<br />

R. (2004). The Psychological Performance Inventory: Is the mental toughness test tough<br />

enough?. International Journal of Sport Psychology. 35, 91-108.<br />

Murphy, S. (2005). The Sport Psych Handbook. USA: Human Kinetics.<br />

Perry, C. (2005). Concentration: focus under pressure. In Murphy, S. (Ed.). The Sports Psych<br />

Handbook (pp. 113-126). USA: Human Kinetics<br />

Sugarman, K. (1999). Winnning the Mental Way. A practical guide to team building and mental<br />

training. Burlingame, CA: Step Up Publishing.<br />

Vasari, A. (2010). Assessment of Mental Toughness in Sports and Training Techniques to<br />

Enhance this Psychological Skill.<br />

Williams, J.M., & Harris, D.V. (2001). Relaxation and energizing techniques for regulation of<br />

arousal. In Williams, J.M. (Ed.). Applied Sport Psychology. Personal Growth to Peak<br />

Performance (4th ed., pp. 229-246). Mountain View, California: Mayfield Publishing Company.<br />

Autorin:<br />

Ana Vasari<br />

Ana.vasari@icloud.com


Thomas Lurz<br />

„Grenzen sprengen“ - Motivation für Topleistungen<br />

17


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23<br />

Manfred Thiesmann<br />

Motivation der Masters-Schwimmer<br />

Masters-Entwicklung – eigenes Erleben – persönlicher Rückblick<br />

Ich möchte meine Ausführungen zum o.g. Thema mit einem kleinen Rückblick beginnen, damit<br />

sie verstehen warum ich gebeten, wurde zum Thema „Motivation der Master-Schwimmer“ bei<br />

dieser DST-Tagung vorzutragen, obschon ich DSV intern als auch in der Öffentlichkeit, wegen<br />

meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als DSV-Bundestrainer, dem Hochleistungssport und<br />

nicht dem Masters-Schwimmsport zu zuordnet werde bzw. wurde.<br />

Seit meinem 6. Lebensjahr bis zu meinem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben war ich im<br />

Leistungssport bzw. Hochleistungssport Schwimmen aktiv. Zunächst als Aktiver in<br />

unterschiedlichen Sportarten bis hin zum Schwimmen und im direkten Anschluss daran als<br />

Schwimm-Trainer.<br />

Zu meiner Aktiven-Zeit steckte die Masters-Bewegung grundsätzlich und so auch im DSV wohl<br />

noch in ihren Anfängen – ich habe sie damals überhaupt nicht wirklich wahrgenommen.<br />

Später als Schwimm-Vereinstrainer bin ich dann mit der immer größer werdenden Masters-<br />

Bewegung konfrontiert worden, weil sie zum Leidwesen der Leistungs- wie Hochleistungs-<br />

Schwimmer für ihr Training in den meist städtischen Schwimmbädern immer mehr<br />

Trainingszeiten und Trainingsbahnen beanspruchten und sie auch bekamen.<br />

Bahnverteilungs-Kriterien und öffentliche Ehrungen<br />

Die „Master“ erfüllten in konkurrenzloser Anzahl die für die Bahn-Vergabe aufgestellten<br />

Kriterien, nämlich die dafür nötigen Wettkampfplatzierungen bei Meisterschaften jeglicher Art<br />

zu erreichen. Ihr System, bei Wettkämpfen in 14 Altersklasseneinteilungen in jeweils fünf<br />

Jahrgängen zusammengefasst an den Start gehen zu können, machte dies möglich.<br />

Auch die damals jährlich von den Verbänden und Stadtverwaltungen durchgeführten<br />

Sportlerehrungen zeigten ein völlig verzerrtes Bild in der öffentlichen Aufmerksamkeit zu<br />

Gunsten der Masters-Schwimmer gegenüber den Hochleistungssportlern – eine analoge<br />

Situation zur Vergabepraxis der Schwimmzeiten- und Schwimmbahnen-Verteilung.<br />

Diese beiden Situationen - Schwimmbahnen- bzw. Schwimmzeiten Beanspruchungen und<br />

öffentliche Meisterschafts-Ehrungen - haben der Masters-Bewegung innerhalb des DSV damals<br />

sehr geschadet, sie waren damit die erklärten Feinde des übrigen Hochleistungssports in den<br />

Landes-Schwimmverbänden wie im DSV und so wurden sie jedenfalls über Jahre gesehen und<br />

wohl auch behandelt.<br />

Konfliktauflösung / Entspannung<br />

Es brauchte einige Zeit, bis sich die Verantwortlichen der betroffenen Verbände und der<br />

Kommunen einig waren, dass diese Konkurrenzsituation zwischen Masters- und<br />

Hochleistungs-Schwimmern zu entflechten war. Dies führte zur Entspannung auf allen Ebenen<br />

des Schwimmsports im gesamten DSV.


24<br />

Beginn meiner Zusammenarbeit mit den „Masters“<br />

1980 wurde ich Bundestrainer im DSV, in den folgenden 10 Jahren hatte ich, abgesehen von<br />

den gerade beschriebenen Problemen als Vereinstrainer, auf der DSV-Arbeitsebene dann<br />

keinerlei Kontakte zu den Masters, meine Aufgabenstellung war die Führung und<br />

Leistungsentwicklung der Hochleistungsschwimmer im DSV und da gab es keine<br />

Schnittmengen zum Masters-Bereich.<br />

Auf einer Tagung der gesamten Fachsparte Schwimmen 1990 in Baunatal wurde ich von einem<br />

leitenden DSV-Masters-Vertreter angesprochen und inständig gebeten, einen<br />

Wochenendlehrgang mit Masterschwimmern durchzuführen, mit dem Argument - „es würde<br />

der Masters-Bewegung sicherlich einen gehörigen Schub geben“ – ich möge ihn doch der Sache<br />

wegen unterstützen. Nach längerem Zögern habe ich mich dann irgendwann später doch dazu<br />

überreden lassen und zugesagt.<br />

Im Münchener Raum wurden in einigen Bädern und bei Schwimm-Veranstaltungen<br />

Ausschreibungen zu einem Masters-Lehrgang in München ausgelegt bzw. gezielt verteilt ohne<br />

Angaben zum durchführenden Lehrgangstrainer. Dies aber war meine damalige Bedingung,<br />

den Lehrgang überhaupt durchzuführen. Wohl wissend, dass mein zwar privater und nicht<br />

dienstlicher Einsatz bei diesem Lehrgang, sollte er im DSV bekannt werden, mir keine Freunde<br />

im gesamten Hochleistungsbereich des DSV bringen würde. Natürlich dauerte es nicht sehr<br />

lange, bis sich mein zweimal jährlich stattfindendes Lehrgangs Engagement bei den Masters<br />

herumgesprochen hatte und ich musste mir in den weiteren Jahren schon recht häufig<br />

dementsprechende „nette Sprüche“ im meinem Arbeitsumfeld dazu anhören.<br />

Masters-Schwimmer - größte aktive Sportlergruppe im DSV<br />

Heute sind die Masters-Schwimmer wohl mit Abstand die zahlenmäßig größte<br />

Schwimmsportgruppe im DSV und haben solche „Geheimniskrämereien“ nicht mehr nötig. Sie<br />

sind als zahlende Mitglieder im DSV unverzichtbar, zahlen sie doch wie jedes Leistungssport-<br />

Mitglied im DSV ihren Mitgliederbeitrag, kosten dem Verband jedoch quasi nichts, weil jeder<br />

seine Wettkampf-,Trainer oder Trainingslagerkosten selber trägt.<br />

Darüber hinaus sind Masters-Schwimmer, schon wegen ihrer ambitionierten sportlichen<br />

Aktivitäten und deutlich zu sehenden körperlichen Fitness, die besten „Lobbyisten“ für den<br />

Schwimm-Sport allgemein sowie für den DSV im Besonderen. Darüber hinaus tragen sie ihre<br />

innere Einstellung zum sportlich gesunden Leben über alle Altersgruppen hinweg selbstbewusst<br />

und dogmatisch in die Gesellschaft.<br />

Ich bin davon überzeugt, dass die tolle Entwicklung des Masters-Schwimmen dem Verband<br />

lange gefehlt hat und ihm heute richtig gut tut.<br />

Gründe für weitere Zusammenarbeit mit Masters<br />

Mir hat der erste Lehrgang aus den verschieden Gründen Spaß gemacht und auch deshalb war<br />

ich motiviert und habe nach diesem Lehrgang in München eingewilligt, ein bis zweimal pro<br />

Jahr solche Wochenendlehrgänge durchzuführen. Es hat mir Spaß und Freude bereitet mit hoch<br />

engagierten, lernwilligen Athleten – jawohl Athleten – zusammen zu arbeiten.


25<br />

Die Teilnehmer meines ersten Masters-Lehrgang waren so wissbegierig, aufmerksam und<br />

emotional ambitioniert, dass es mir die Sprache verschlagen hat. Leider musste ich aber auch<br />

feststellen, dass bei fast allen Beteiligten nur wenig bzw. überhaupt kein schwimm-spezifisches<br />

Wissen vorhanden war.<br />

Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass ich in jedem weiteren Lehrgang in sehr individueller<br />

Form das Techniktraining und in gruppendynamischer Weise die Vermittlung der<br />

Trainingslehre als Scherpunktaufgaben meiner jeweiligen Lehrgangsplanung eingebaut habe.<br />

Zwei fundamentale Bereiche im Leistungssport, will man effektiv richtig und nachhaltig<br />

trainieren. Das zum großen Teil nicht vorhandene oder nicht ausgeprägte Wissen in diesen zwei<br />

Bereichen beschäftigt die Masters sehr, sie reagieren immer sofort positiv und hochmotiviert<br />

und versuchten im Training umfänglich wie inhaltlich alles zu geben.<br />

Sie sollten wenigstens Grundvorstellungen von den einzelnen Schwimmtechniken und den<br />

dazugehörigen Wenden, sowie dem Startsprung incl. Tauchphase mitbekommen fürs<br />

Heimtraining. Das Masters-Lehrgangs-Training sollte also immer auf Nachhaltigkeit und nicht<br />

auf geschwommene Km-Leistung ausgerichtet sein.<br />

Wichtig war mir aber auch, dass sie die Unterschiedlichkeit der aeroben und anaeroben<br />

Trainingsbelastungen verstehen, incl. der dazugehörigen Herzfrequenzmessungen und deren<br />

Umsetzung bei der Bewältigung der unterschiedlichen Belastungsaufgaben eines<br />

Trainingsplans.<br />

Tolle Trainingsbedingungen = hoher Motivations-Auslöser bei Masters-Schwimmern<br />

Meine heutigen Lehrgänge sind in der Regel keine Wochenlehrgänge mehr und haben allein<br />

dadurch schon einen ganz anderen Charakter bekommen. Sie dauern im Winter wie im Sommer<br />

jeweils ca. eine Woche. Im Winter wird das Schwimmtraining – Technik, Starts, Wenden,<br />

Tauchphasen Schnellschwimmen (anaerobe Aufgaben) - mit dem Ski-Langlauf kombiniert,<br />

wobei hier das Ausdauer- und Kraftausdauertraining (aerobe Arbeit) im Fokus der<br />

Lehrgangsplanung steht.<br />

Bei der Suche nach dem richtigen Lehrgangsort sollten immer drei Grundvoraussetzungen<br />

erfüllt sein, um so die Vorfreude auf den Lehrgang noch zu erhöhen und die ohnehin vorhandene<br />

hohe Motivation auch während der Maßnahme stabil halten zu können.<br />

1. Die „Lehrgangsunterkunft“ ist immer ein qualitativ gutes Hotel, mit Einrichtungen<br />

ausgestattet, damit nach den täglichen sportlichen Belastungen ausreichend relaxt und<br />

regeneriert werden kann. Die Teilnehmer entscheiden selber zwischen Einzel- und<br />

Doppelzimmerbelegung und selbstverständlich können Lebenspartner mitgenommen werden,<br />

die nicht am Lehrgangbetrieb beteiligt sind.<br />

2. Die Trainingsstätte muss natürlich alle Voraussetzungen für ein professionelles<br />

Trainingslager erfüllen<br />

- die Wassertemperaturen sollten zu jeder Zeit „garantiert“ Wettkampftemperaturen<br />

entsprechen<br />

- es sollen nicht mehr als maximal fünf Athleten pro Bahn zusammen trainieren<br />

- maximal 4 Bahnen benutzen (Bahn 1 bis 4 oder 7 bis 10) – für ständiges Techniktraining<br />

- ein Trainer sollte maximal 20 Athleten betreuen<br />

- die aktuellen Wettkampf-Startblöcke (mindesten zwei ) sollten vorhanden sein


26<br />

- mindestens zwei, besser vier große synchron laufende Trainingsuhren sind „Pflicht“<br />

- Fehlstart-Leinen und Bodenmarkierungen sind eine Selbstverständlichkeit<br />

3. ein vorhandener Kraftraum sollte mit genügend vielen und den „richtigen<br />

Geräte“ ausgestattet sein,<br />

- für Gymnastik und Dehnung solle ein entsprechend ausgestatteter großer Raum vorhanden<br />

sein,<br />

- für Vorträge und Besprechungen entsprechend ausgestatteter Seminarraum vorhanden<br />

sein.<br />

4. Der Lehrgangsort und das landschaftliche Umland sollte wenn möglich interessant sein,<br />

verbunden mit nahen Ausflugzielen, die in der trainingsfreien Zeit angesteuert werden können.<br />

Masters Athleten sollte man ein bei Lehrgängen ein Ambiente anbieten, in dem sie zwar gut<br />

trainieren können aber trotzdem das Gefühl haben auch gleichzeitig Urlaub zu machen.<br />

Wer wird Masters-Schwimmer<br />

Woher kommt der Wunsch und der Wille der Masters-Schwimmer so aktiv zu sein, bei zum<br />

Teil kargen Bedingungen wie fehlende Trainingsuhren, keinen wirklichen „Trainer“, schlechte<br />

oder keine Trennleinen, zu viele Athleten auf der Bahn, späte Trainingszeiten etc.<br />

1. Wer als Kind, Jugendlicher das Schwimmen als „seine Sportart“ entdeckt hat und hier mehr<br />

Spaß und Interesse gespürt hat als bei anderen Sportarten, wird sich zu einem späteren<br />

Zeitpunkt in seinem Leben in der Regel wieder fürs Schwimmen entscheiden, wenn er sich<br />

wieder sportlich anstrengen bzw. betätigen will.<br />

2. Das Wasser bzw. der Wunsch sich im Wasser zu bewegen übt grundsätzlich eine hohe<br />

Anziehungskraft auf viele Menschen aus.<br />

3. Ehemalige Leistungs- bzw. Hochleistungsschwimmer – haben dem Schwimmen doch ihre<br />

individuellen „sportlichen Erfolge“ zu verdanken – schwimmen fällt ihnen leichter als andere<br />

Sportarten, also geht man um fit und gesund zu bleiben irgendwann wieder „ins Wasser“ und<br />

somit zu den Masters.<br />

Was motiviert und treibt die Masters-Schwimmer wirklich an,<br />

sich im Training zum Teil ziemlich zu belasten, den Aufwand und die dafür nötige Zeit in die<br />

Masters-Schwimmerei zu investieren?<br />

Auf die gestellten Fragen hätte ich sicherlich selber eine ganze Reihe von Antworten geben<br />

können. Ich fand es aber viel authentischer wenn aktive Masters-Schwimmer selber die<br />

Antworten dazu geben.<br />

Meinen Teilnehmer der beiden letzten Masters-Lehrgängen habe ich erklärt, dass ich ihre<br />

Antworten gern in diesen Vortrag einbringen wollte - viele haben geliefert.<br />

Eine Reihe der abgegebenen Beantwortungen waren sehr deckungsgleich in ihren Aussagen.<br />

Sieben Antworten habe ich herausgesucht und sie ein wenig redaktionell überarbeitet, diese<br />

möchte ich hier vorstellen.


27<br />

Schwimmer - A<br />

- Treue zum Verein, der mir das Wettkampfschwimmen ermöglicht hat und weiterhin<br />

ermöglicht<br />

- Teilnahme an Mannschaftswettbewerben – fördert den Zusammenhalt verschiedener<br />

AK-Schwimmer.<br />

- Erhalt der eigenen Leistungsfähigkeit, Gesundheit und Vorsorge vor Pflegebedürftigkeit<br />

im hohen Alter.<br />

- Der Vergleich der eigenen Leistungsfähigkeit mit Gleichaltrigen.<br />

- Vorbilder (viel Ältere mit z. T. Super Leistungen) anschauen.<br />

Schwimmer - B<br />

1. Sport treiben ist für mich grundsätzlich wichtig und angenehm für meine innere Zufriedenheit.<br />

2. Schwimmen geht einher mit hohem gesundheitlichem, psychologisch- und gesellschaftlichem<br />

Stellenwert.<br />

1. 3 Ältere AK-Mitglieder zeigen mir, welche positiven Auswirkungen das Schwimmen<br />

aufs Älterwerden hat.<br />

3. Wettkampfziele brauche ich als Herausforderung und Motivation fürs Training.<br />

4. Masters-Lehrgänge nutze ich wegen meiner Wettkampfziele, etwas dazulernen zu können,<br />

intelligenter zu trainieren und um besser auf WK vorbereitet zu sein.<br />

Schwimmer - C<br />

1. Motivation für den Schwimmsport ist mir genetisch in die Wiege gelegt worden – mit<br />

8 Jahren erster WK und so ging es immer weiter und dann übergangslos ins Masters-<br />

Schwimmen.<br />

2. Lernprozesse durchlaufen, auch wenn man schon ein älterer AK-Masters-Schwimmer<br />

ist.<br />

3. Durchs Schwimmen behalten Körper und Geist weiterhin die nötige Spannung fürs Leben<br />

(Gesundheit, Wohlgefühl und Feeling fürs Tun).<br />

4. Mit Gleichgesinnten trainieren macht einfach Spaß und hält einen bei der „Stange“ (inneren<br />

Schweinehund besiegen).<br />

5. 5 Schwimmen erfordert Selbstdisziplin aber auch Disziplin im Umgang mit anderen<br />

Menschen (Schwimmern).<br />

6. 6 Ohne die Masters-Schwimmerei wäre ich „ärmer“ oder krank.<br />

Schwimmer -- D<br />

1. Bin immer motiviert körperlich anspruchsvolle Leistungen erbringen zu wollen, deshalb<br />

betreibe ich so gern den Schwimmsport.<br />

2. Am liebsten trainiere ich in der Gruppe, es inspiriert mich mehr zu leisten.<br />

3. Trainieren ist für mich, mir ein Wohlgefühl zu geben.<br />

4. Immer etwas mehr lernen, erfahren über das Schwimmtraining und was sonst noch für<br />

den Sport wichtig ist.<br />

Schwimmer - E<br />

1. Ich bewege mich grundsätzlich gern im Wasser und somit trainiere ich unglaublich gern<br />

im Wasser.<br />

2. Freunde treffen, neue Freunde finden mit gleichem Hobby.


28<br />

3. Gesund und fit bleiben und wenn möglich draußen in der Sonne trainieren und dabei<br />

Stress abbauen.<br />

4. Ich möchte mich im Schwimmen immer weiterentwickeln wollen.<br />

Schwimmer - F<br />

1. Schwimmen / Trainieren begeistert, fasziniert, belebt und erfrischt mich.<br />

2. Der Kopf wird frei von Problemen und frei für Neues.<br />

3. Ich schöpfe aus dem Schwimmen / Training innere Kraft, Inspiration und kann meinen<br />

Ehrgeiz in Wettkämpfen wunderbar ausleben.<br />

4. Treffe beim Schwimmen auf Gleichgesinnte und ähnlich Alternde und kann mich wunderbar<br />

sozial austauschen.<br />

5. Ich fühle und genieße es – das Wasser unter mir trägt mich - und neben mir begleitet<br />

es mich und nimmt mich mit.<br />

Schwimmer - G<br />

1. Ich liebe das Wasser und das Schwimmen mit optimalen Bewegungsabläufen, ich will<br />

immer den von mir selber erzeugten Vortrieb spüren.<br />

2. Weil Schwimmen ein technisch anspruchsvoller, körperlich anstrengender und herausfordernder<br />

Sport ist.<br />

3. Ich bin gern im Schwimmtraining, auch weil man dabei nicht merklich schwitzt.<br />

4. Schwimmtraining hält körperlich fit – siehe die „Vorbilder“ der AK 70.<br />

5. Schwimmwettkämpfe mag ich, auch weil ich Freunde und Bekannte treffe und ich mich<br />

wunderbar mit ihnen austauschen kann.<br />

6. Mein Hobby mit Gleichgesinnten durchführen, vor allem in Lehrgängen.<br />

Schwimmer - H<br />

1. Mit 11 Jahren im Schwimmkurs, mit 18 zum Leistungssport, mit 22 Landesmeister und<br />

1. Bundesliga, die Schwimmerei hatte mich (eigentlich sofort) eingefangen und zu meinem<br />

Glück nie wieder losgelassen.<br />

2. Die Schwimmerei hat mir nach schweren gesundheitlichen Problemen geholfen, wieder<br />

auf die Beine zu kommen.<br />

3. Durch die Schwimmerei habe ich neue Freundschaften geschlossen, die sonst nicht<br />

möglich gewesen wären.<br />

Autor<br />

Manfred Thiesmann<br />

Manfred.thiesmann@gmail.com


29<br />

Witt, M., Köhler, H.-P., Polenz, Chr., Hartenstein, A.<br />

Roll- oder Verwringungstechnik im Freistilschwimmen – welchen<br />

Einfluss hat die Schwimmgeschwindigkeit auf die technische<br />

Ausführung?<br />

In den letzten Jahren wurden im Bereich von Start und Wende im Schwimmen erhebliche<br />

Leistungsreserven erschlossen. Dies war mit der Erhöhung der Geschwindigkeiten in diesen<br />

Bereichen verbunden. Um diesen Geschwindigkeitsvorteil auch in der eigentlichen<br />

Schwimmbewegung nutzen zu können, ist die weitere Optimierung der Antriebsbewegungen<br />

zu prüfen. In diesem Zusammenhang erschien die Analyse der Rumpfbewegung, insbesondere<br />

der Bewegungen von Hüft- und Schulterachse, von besonderem Interesse. Bisher war dies nur<br />

mit Hilfe eines hohen untersuchungstechnischen Aufwands möglich bzw. zeigte die eingesetzte<br />

Technologie einige Ungenauigkeiten. Es bestand das Ziel, dieses untersuchungsmethodische<br />

Problem mit dem Einsatz von Inertialsensoren zu überwinden. Es wurde erwartet, dass mit der<br />

Analyse der Schulter- und Hüftbewegungen beim Freistilschwimmen Aussagen über<br />

geschwindigkeitsabhängige Veränderungen in der Amplitude, der Bewegungsgeschwindigkeit<br />

und des zeitlichen Versatzes beider Bewegungen quantifiziert werden können.<br />

1 Zusammenhang der Rumpf- und Extremitätenbewegung beim Schwimmen<br />

Im Schwimmen besteht, aufgrund des zyklischen Charakters der Bewegung, die Notwendigkeit<br />

zur Kopplung der Extremitätenbewegungen in einem optimalen zeitlichen Ablauf. Die<br />

Kopplung variiert dabei von einer nacheinander ausgeführten Hauptantriebsbewegung der<br />

Arme und Beine beim Brustschwimmen bis zur Kombination von zwei einzelnen Arm- mit<br />

sechs Beinbewegungen im Kraulschwimmen. Die Übertragung der Antriebsbewegungen der<br />

Extremitäten auf das Gesamtsystem ist wesentlich von der Art und Weise des Rumpfeinsatzes<br />

abhängig. Dieser bildet einerseits das Widerlager für die Extremitätenbewegung, kann aber<br />

auch selbst zum Antrieb beitragen. Die Bewegungsamplituden des Rumpfes im Schwimmen<br />

variieren von ca. 50° in der Sagittal- bis zu 140° in der Transversalebene. Bewegungen in der<br />

Frontalebene treten vor allem in den alternierenden Schwimmarten auf. Jedoch sind diese bisher<br />

aber nicht quantifiziert worden.<br />

In der Praxis können unterschiedliche Lösungsverfahren für die Kopplung der<br />

Extremitätenbewegung beobachtet werden, die auch Unterschiede im Rumpfeinsatz<br />

hervorrufen. Für das Schwimmen wird das z. B. in den unterschiedlichen Techniken des<br />

Brustschwimmens (Undulationstechnik nach Wilke & Daniel vs. Gleittechnik nach Counsilman)<br />

oder des Kraulschwimmens (Kopplung des Armeinsatzes mit dem unilateralen bzw.<br />

kontralateralen Bein, unterschiedliche Anzahl von Beinschlägen pro Armzug) dokumentiert.<br />

Auch die Rumpfbewegung selbst weist in den alternierenden Bewegungstechniken deutliche<br />

Unterschiede auf. Man kann zwischen einer Rollbewegung (synchrone Bewegung von Beckenund<br />

Schulterachse) und der Verwringungstechnik (alternierende Bewegung von Becken- und<br />

Schulterachse) differenzieren.


30<br />

Kinematische Untersuchungen der Kraulbewegung weisen auf den engen Zusammenhang der<br />

Antriebsbewegung der Hand mit der Rumpfbewegung hin. So werden die medio-lateralen<br />

Bewegungen der Hand zum überwiegenden Teil (bis zu 74 %) durch die Rollbewegung des<br />

Rumpfes generiert (Payton, Baltzopoulos & Bartlett, 2002; Hay, Lui & Andrews, 1993). In<br />

Abhängigkeit von der Expertise der untersuchten Schwimmer treten mehr oder weniger große<br />

Unterschiede zwischen der Atemseite und der kontralateralen Bewegung auf (Kippenhan &<br />

Hay, 1994). Neuere Untersuchungen zur zeitlichen Abfolge der Rollbewegung zeigen eine<br />

Bewegungseinleitung durch Rotation der Hüfte vor der Schulter mit zunehmender<br />

Geschwindigkeit (McCabe, 2008). Dieser Effekt ist bei Sprintern ausgeprägter als bei<br />

Langstrecklern und kann mit der Nutzung der Vorspannung erklärt werden. Dagegen nutzen<br />

Langstreckler die Schulterrotation zur Bewegungseinleitung bei niedrigeren<br />

Geschwindigkeiten ausgeprägter als Sprinter (ebenda). Übereinstimmende Aussagen gibt es in<br />

der Literatur zu den Vorteilen der Rotationsbewegung des Rumpfes.<br />

Die Rotationsbewegung erleichtert das Vorbringen des Armes in der Rückholphase. Durch die<br />

Rotation im Oberkörper wird die Schulter des rückzuführenden Armes aus dem Wasser gehoben.<br />

Das führt dazu, dass die obere Extremität widerstandsärmer, dem entsprechend mit weniger<br />

Kraftaufwand und geringerem Energieverbrauch schneller in die Ausgangsposition<br />

zurückgeführt werden kann (Psycharakis& Sanders, 2010). Außerdem ermöglicht die<br />

Rumpfrotation das Bewegen der Hand in tiefere Wasserschichten, wodurch günstigere<br />

Druckbedingungen ausgenutzt werden können (Wick, 2005). Castro, Minghelli, Floss &<br />

Guimarães (2003) weisen darauf hin, dass die Oberkörperrotation den Vortrieb erhöht und die<br />

Bremswirkung des Wassers reduziert.<br />

Weiterhin erleichtert die Rollbewegung des Oberkörpers die Atmung im Kraulschwimmen<br />

(Reischle, 1988; Psycharakis & Sanders, 2010). Weiterführende, videobasierte Untersuchungen<br />

ergaben Unterschiede in der Amplitude von Schulter- und Hüftrotation bezogen auf die<br />

Ausatem- und Nichtausatemseite (Psycharakis & McCabe, 2011). Die Rollbewegung<br />

ermöglicht außerdem eine Verlängerung des Antriebswegs durch ein weites Vorgreifen der<br />

Hand beim Wasserfassen sowie in der Zug- und Druckphase. Darüber hinaus führen die<br />

Rotationsbewegungen zu einer Reduktion der Belastung auf die Schulter und minimieren damit<br />

das Verletzungsrisiko im Schulterbereich (Weldon & Richardson, 2001). Neben diesen<br />

Vorteilen zeigen Payton et al. (2002) in ihren Untersuchungen, dass die Vergrößerung der<br />

Rumpfrotation mit kleineren Ellenbogenwinkeln verbunden war und zu geringeren<br />

Handgeschwindigkeiten führte.<br />

Für die Rumpfbewegungen lassen sich zwei gegensätzliche Tendenzen erkennen, die sich in<br />

zwei Extremvarianten äußern:<br />

i) Einsatz einer Rollbewegung des Rumpfes (Rolltechnik bzw. body roll)<br />

Diese Technikvariante beinhaltet eine Rotation des gesamten Oberkörpers um die<br />

Körperlängsachse hin zur Aktionsseite des Armes (Abb. 1). Die Ganzkörperrotation führt zu<br />

einer Änderung der Richtung der Beinaktion, die neben der auf- und abwärts Bewegung<br />

zusätzlich eine Querkomponente aufweist. Trotz dieser im ersten Augenblick ungünstig<br />

erscheinenden Begleiterscheinung, wird angenommen, dass die seitwärts gerichtete<br />

Komponente der Beinbewegung als Ausgleich der seitlich wirkenden Kraftanteile des Armes<br />

in der Rückführphase dient (Psycharakis & Sanders, 2010). Es wird weiter davon ausgegangen,<br />

dass die Kick-Aktion der Beine die Hüftrotation dämpft (Sanders und Pyscharakis, 2009).


31<br />

Abb. 1: Oberkörperrotation um die Longitudinalachse mit seitwärts gerichtetem Beinschlag (www.swimsmooth.com/intermediate.php.)<br />

ii)<br />

Verwringung von Hüft- und Schulterachse (Verwringungstechnik bzw. shoulder and<br />

hip rotation)<br />

Bei der alternativen Technikvariante findet vorwiegend eine Längsachsenrotation des<br />

Schultergürtels bei relativ stabiler Beckenposition statt (Abb. 2). Ein größeres<br />

Rotationsverhalten im Schulterbereich im Vergleich zur Hüfte bestätigen die Untersuchungen<br />

von Psycharakis und Sanders (2010) sowie Psycharakis, Coleman, Connaboy, Kelly, McCabe,<br />

Naemi& Sanders (2007). Als Grund nennen sie zum einen die geringere Mobilität im<br />

Beckenbereich. Ebenso denkbar sind aber auch Erklärungsansätze aus der Strömungsmechanik,<br />

die die Ausbildung einer stehenden Welle zur Verbesserung der Antriebsgestaltung bzw. der<br />

Verringerung des Widerstands diskutieren. Aus der Literatur (Yanai, 2003) bekannt sind<br />

Rotationswinkel in Bezug zur Wasseroberfläche von 58° für die Schulterbewegung und 36° in<br />

der Beckenrotation bei einer Schwimmgeschwindigkeit von 1,6 m/s. Der Vorteil dieser Technik<br />

liegt aus muskelmechanischer Sicht wahrscheinlich in der Vordehnung, der für die<br />

Oberkörperrotation eingesetzten Muskelgruppen (Alexander, Hayward, Li, 2011).<br />

Querbewegungen werden über das Becken ausgeglichen, welches als Widerlager dient.<br />

Abb. 2: Verwringungstechnik im Kraulschwimmen<br />

http://mytriathlontraining.com/category/wordpress-tag/swim-technique)<br />

Rotationsbewegungen des Rumpfes bieten klare Vorteile hinsichtlich der Antriebsgestaltung in<br />

Bezug auf die Länge des Antriebsweges der Hand und die medio-laterale Bewegungsamplitude<br />

(Hay, Lui & Andrews, 1993) sowie in der Verletzungsprophylaxe (Kaneoka, Shimizu, Hangai,<br />

Okuwaki, Mamizuka, Sakane, et al., 2007). Die Aussagen zur Amplitude und zeitlichen<br />

Koordination der Rotationsbewegungen von Hüfte und Schulter müssen vor allem im Hinblick<br />

auf die deutliche Erhöhung der Wettkampfgeschwindigkeiten und die damit verbundene<br />

Diskussion zu Antriebskonzepten kritisch hinterfragt werden.


32<br />

2 Anatomische Bewegungsmöglichkeiten des<br />

Rumpfes und der Schulter<br />

Bewegungsamplituden in sportlichen Bewegungen müssen immer unter Berücksichtigung der<br />

grundsätzlichen anatomischen Möglichkeiten und der individuellen Ausprägung beurteilt<br />

werden. Dabei wird die aktive Beweglichkeit sowohl von den passiven Möglichkeiten (neben<br />

den Gelenkbegrenzungen vor allem durch Begrenzung durch Muskeln und Sehnen) als auch<br />

von den Kraftvoraussetzungen der antagonistisch arbeitenden Muskulatur beeinflusst.<br />

Grundsätzlich gilt, dass längere Bewegungswege die Vortriebssituation günstig beeinflussen,<br />

sich unter Zeitzwang (z. B. bei Frequenzerhöhung) die Bewegungsamplituden jedoch eher<br />

verringern.<br />

Die Bewegungsmöglichkeiten der Wirbelsäule unterscheiden sich in verschiedenen<br />

Abschnitten (vgl. Tab. 1). Die Brustwirbelsäule ermöglicht vor allem Rotationsbewegungen<br />

(bis zu 40° in eine Richtung) während die Lendenwirbelsäule den größeren Anteil der Beugebzw.<br />

Streckbewegungen (bis zu 50 °) realisiert. Wichtig dabei ist in jedem Fall die freie<br />

Bewegung der einzelnen Wirbelkörper gegeneinander.<br />

Tab. 1: Dreidimensionale Aufschlüsselung der Bewegungsradien von Brust- und Lendenwirbelsäule (vgl. Aumüller<br />

et al., 2006)<br />

Bewegungsebene Brustwirbelsäule Lendenwirbelsäule Achse<br />

Transversalachse 40° 10° Längsachse<br />

Frontalebene 20° 30° Tiefenachse<br />

Sagittalebene 35°<br />

25°<br />

50°<br />

30°<br />

Breitenachse<br />

Die Rotation des Schultergürtels wird ergänzt durch den Beitrag des Schultergelenks (vgl. Abb.<br />

3), der die Bewegungsamplitude um ca. 25-30° erweitert. Damit ist eine maximale<br />

Rotationsamplitude in der Schulter von 70° möglich. Die Bewegung um die Tiefenachse<br />

(Seitneigung) werden vorrangig durch die Schulter selbst ermöglicht (40°), der Beitrag der<br />

Brustwirbelsäule fällt mit maximal 20° deutlich geringer aus.<br />

Abb. 3: Bewegungsausmaße des Schultergürtels in frontaler Bewegungsebene (links) und<br />

transversaler Bewegungsebene (rechts) (Aumüller et al., 2006)


33<br />

Zusammenfassend können wir feststellen, dass die Rumpfrotation vorrangig über die<br />

Brustwirbelsäule, die Rumpfbeugung vor allem durch die Lendenwirbelsäule und die<br />

Streckbewegung über die Schulter selbst realisiert werden muss.<br />

3 Untersuchungsmethode<br />

Wir haben gemeinsam mit der Firma 2D (Debus & Diebold Messsysteme GmbH) ein<br />

wasserfestes Messsystem mit vier interialen Messeinheiten und jeweils 6 Freiheitsgraden<br />

(Gyroskope ± 2000 °/s, Accelerometer ± 8 g) entwickelt. Die Sensoren sind kabelgebunden mit<br />

der Mastereinheit (einer der Sensoren) verknüpft. Über die Mastereinheit erfolgt die<br />

Stromversorgung der Sensoren und die Aufzeichnung der Messdaten (Aufnahmefrequenz 200<br />

Hz).<br />

Abb. 4:Komplettes Messsystem<br />

mit den vier Inertialsensoren.<br />

Mastereinheit (Mitte) mit drei weiteren<br />

Inertialsensoren.<br />

Abb. 5: Befestigung der vier Sensoren an der<br />

Wirbelsäule<br />

Im Test schwammen 28 Schwimmerinnen und<br />

Schwimmer aus verschiedenen Leistungsgruppen<br />

jeweils 50 m mit den Geschwindigkeiten GA I, GA II,<br />

Übergangs- und Wettkampfgeschwindigkeit und einen<br />

15 m Sprint. Mit Hilfe von Kinesiotape wurden die<br />

Sensoren auf der Wirbelsäule (2., 5. und 12.<br />

Brustwirbel und auf dem Kreuzbein) befestigt. Dabei<br />

wurden die Achsen der Sensoren an der<br />

Körperlängsachse ausgerichtet. Aus den Sensordaten<br />

wurden die relevanten Teilstücke extrahiert und mit<br />

Hilfe einer Auswertroutine (Dobner & Schmid,<br />

HTWK Leipzig) verarbeitet. Nach einer Glättung der<br />

Gyroskopsignale (siehe Abb. 6) und einer Auftrennung in Einzelzyklen erfolgte eine<br />

Bestimmung der maximalen und mittleren Winkelgeschwindigkeiten für die Hüft- und<br />

Schulterachse sowie der


34<br />

entsprechenden Bewegungsamplituden und der Phasenverschiebung zwischen Hüft- und<br />

Schulterachse. Die anschließende Mittelung erfolgte über 10 aufeinanderfolgende Zyklen.<br />

Abb. 6: Messwertverlauf eines Gyroskops mit eingesetzten Glättungsroutinen<br />

4 Ergebnisse<br />

Die beobachteten Rotationswinkel liegen, bezogen auf eine Rotationsseite, im Bereich der<br />

Schulter zwischen 45 und 60° und im Bereich der Hüfte bei 25 bis 40° (vgl. Abb. 7). Damit<br />

ergibt sich eine Rotationsdifferenz zwischen Schulter- und Hüftachse von etwa 20 bis 30°. Für<br />

beide Achsen ist eine Abnahme der Rotationsamplitude bei steigender<br />

Schwimmgeschwindigkeit zu beobachten. Relativ gesehen ist die Abnahme der<br />

Schulterrotation geringer als die der Hüftrotation.<br />

Abb. 7: Bewegungsamplituden<br />

der Hüfte<br />

und Schulter (beidseitig)<br />

bei Geschwindigkeitserhöhung<br />

Die Rotationsgeschwindigkeit erreicht maximale Werte zwischen 230 und 380°/s für die<br />

Schulterachse und 185 bis 215°/s für die Hüftachse (vgl. Abb. 8). Im Gegensatz zur


35<br />

Rotationsamplitude erhöhen sich die Werte mit Geschwindigkeitssteigerung. Durch die<br />

Erhöhung der Bewegungsfrequenz steht für einen Bewegungszyklus eine geringere Zeit zur<br />

Verfügung. Daher muss die Bewegung mit einer höheren Geschwindigkeit ausgeführt werden.<br />

Die Erhöhung der Rotationsgeschwindigkeit fällt für die Schulterachse deutlich größer aus<br />

(Differenz von mehr als 150°/s) als für die Hüftbewegung, da sich die Bewegungsamplitude<br />

der Hüfte stark verringert hat. Die Hüfte wird also bei höheren Geschwindigkeiten deutlich<br />

stärker stabilisiert.<br />

Abb. 8:Maximale<br />

Rotationsgeschwindigkeiten<br />

der Hüfte und<br />

Schulter bei Geschwindigkeitserhöhung<br />

Abschließend soll das zeitliche Zusammenspiel der Rotation von Hüft- und Schulterachse<br />

betrachtet werden. In allen Schwimmgeschwindigkeiten wird die Rotationsbewegung des<br />

Rumpfes durch die Hüfte eingeleitet. Mit dem Beginn der Hüftrotation wird eine Verwringung<br />

zwischen Hüft- und Schulterachse eingeleitet, wie wir sie auch von anderen sportlichen<br />

Bewegungen kennen (z. B. von Wurfbewegungen). Die Phasendifferenz zwischen beiden<br />

Bewegungen vergrößert sich mit Geschwindigkeitserhöhung von ca. 40 auf 90 ms (vgl. Abb.<br />

9). Das bedeutet, dass es im Zusammenwirken mit der Erhöhung der<br />

Bewegungsgeschwindigkeit zu einer deutlich stärkeren Verwringung mit Zunahme der<br />

Bewegungsfrequenz kommt.<br />

Abb. 9: Zunahme des Phasenversatzes<br />

zwischen dem<br />

Bewegungsbeginn der Hüfte<br />

und Schulter bei Geschwindigkeitserhöhung


36<br />

5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen<br />

Zusammenfassend kann man feststellen:<br />

- eine Geschwindigkeitserhöhung führt im Freistilschwimmen auf der einen Seite zu einer<br />

Verringerung der Rotationsamplituden, auf der anderen Seite jedoch zu einer Vergrößerung<br />

der Rotationsgeschwindigkeiten sowohl in der Schulter- als auch in der<br />

Hüftachse<br />

- die Bedeutung der Verwringungstechnik nimmt mit steigender Schwimmgeschwindigkeit<br />

zu<br />

-<br />

Die Ausbildung der Verwringungstechnik erfordert die Bewegungseinleitung durch die Hüfte<br />

und die Schaffung entsprechender Leistungsvoraussetzungen im Bereich der Rumpfkraft und<br />

der Rumpfbeweglichkeit. Bisher sind die Rumpfkraftvoraussetzungen bezüglich der Rotation<br />

bei vielen Schwimmerinnen und Schwimmern noch unterdurchschnittlich. Die Aufarbeitung<br />

der Defizite erscheint ein vorrangiges Trainingsziel zu sein. Für den Erhalt der Beweglichkeit<br />

im Bereich der Brustwirbelsäule ist deren Aufrichtung von entscheidender Bedeutung. Der<br />

Tendenz zum Rundrücken und dem Vorfall der Schultern muss aktiv entgegengewirkt werden.<br />

Unklar erscheint aus gegenwärtiger Perspektive zu sein, in welchem Alter mit der technischen<br />

Ausbildung der Verwringungstechnik begonnen werden sollte. Für niedrige<br />

Bewegungsgeschwindigkeiten im Nachwuchstraining ist sie sicherlich nicht zwingend<br />

notwendig, allerdings lassen sich Bewegungsstereotypen und Einschränkungen in der<br />

Beweglichkeit in späteren Trainingsetappen nur schwer überwinden.<br />

Im Rumpfkrafttraining sollten in allen Ausbildungsetappen Übungen mit Rotationsanteil<br />

eingesetzt werden. Dabei ist auf die Verwringung zwischen Schulter- und Hüftachse und die<br />

Stabilität des Beckens zu achten. Eine Steigerung der Anforderungen kann durch die Erhöhung<br />

der Bewegungsgeschwindigkeit erreicht werden. Wichtig ist, dass diese Voraussetzungen<br />

schrittweise auch ins Wasser übertragen werden. Dazu sind Schwimmkombinationen besonders<br />

geeignet. Für fortgeschrittenere Schwimmerinnen und Schwimmer kann auch das angebundene<br />

Schwimmen oder Übungen gegen strömendes Wasser genutzt werden.<br />

6 Literatur<br />

Alexander, M., Hayward, J., Li, Y. (2011) The Role of Hip Rotation in Freestyle Swimming.<br />

[Internet] Verfügbar unter: http://umanitoba.ca/faculties/kinrec/research/media/<br />

HipRotationSwim.pdf [Zugriff am: 15.02.2013].<br />

Aumüller, Aust, Doll, Engele, Kirsch, Mense, Reißig, Salvetter, Schmidt, Schmitz, Schulte,<br />

Spanel-Browoski, Wolff, Wurzinger und Zileh (2006). Anatomie. DualeReihe.<br />

Stuttgart: Thieme<br />

Castro, F., Minghelli, F., Floss, J. &Guimaraes, A.: Body roll angles in front crawl swimming<br />

at different velocities. In J. C. Chatard (Ed.), Biomechanics and Medicine in<br />

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Hay, J. G., Lui, Q. & Andrews, J. G. (1993). Body Roll and Handpath in Freestyle<br />

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237.<br />

Kaneoka, K., Shimizu, K., Hangai, M., Okuwaki, T., Mamizuka, N., Sakane, M., et al. (2007).<br />

Lumbar intervertebral disk degeneration in elite competitive swimmers: a case control<br />

study. Am J Sports Med, 35(8), 1341-1345. doi: 0363546507300259 [pii]<br />

10.1177/0363546507300259


37<br />

Kippenhan, C. & Hay, J. G: Body roll and breathing action in skilled and unskilled front crawl<br />

swimmers. Communication to the 18th Annual Meeting of the American Society of<br />

Biomechanics.Columbus, Ohio, 1994.<br />

McCabe, C.B. (2008). Effects of 50m and 400m Race Paces on Three-Dimensional<br />

Kinematics and Linear Kinetics of Sprint and Distance Front Crawl Swimmers.<br />

UnpublishedPhD, Unversityof Edinburgh, Edinburgh.<br />

Payton, C. J., Baltzopoulos, V. & Bartlett, R. M. (2002). Contributions of rotations of the<br />

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Psycharakis, S., Coleman, S., Connaboy, C., Kelly, J., McCabe, C., Naemi, R. & Sanders, R.<br />

(2007). Rolling action of shoulders and hips in freestyle swimming. In: XXV ISBS<br />

Symposium 2007. pp. 83-86.<br />

Psycharakis, S. G. & Sanders, R. H. (2010). Body roll in swimming: A review. J Sports Sci,<br />

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Psycharakis, S. G. & McCabe, C. (2011). Shoulder and hip roll differences between breathing<br />

and non-breathing conditions in front crawl swimming. J Biomech, 44(9), 1752-1756.<br />

doi: 10.1016/j.jbiomech.2011.04.004S0021-9290(11)00309-5 [pii]<br />

Reischle, K. (1988) Biomechanik des Schwimmens. Bockenem: Sport Fahnemann.<br />

Sanders, R. H. &Psycharakis, S. G. (2009).Rolling rhythms in front crawl swimming with sixbeat<br />

kick. J Biomech, 42(3), 273-279. doi: 10.1016/j.jbiomech.2008.10.037S0021-<br />

9290(08)00553-8 [pii]<br />

Weldon, E. J. & Richardson, A. B. (2001). Upper extremity overuse injuries in swimming:<br />

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Wick, D. (2005). Biomechanische Grundlagen sportlicher Bewegung. Lehrbuch der<br />

Biomechanik.173-175. Balingen: Spitta Verlag.<br />

Yanai, T. (2003). Stroke frequency in front crawl: Its mechanical link to the fluid forces<br />

required in non-propulsive directions. Journal of Biomechanics 38(1), 53-62.<br />

Autoren:<br />

Prof. Dr. Maren Witt, Universität Leipzig, Abteilung Biomechanik<br />

unter Mitarbeit folgender wissenschaftlichen Mitarbeiter bzw. Doktoranden:<br />

Hans-Peter Köhler, Christine Polenz & Astrid Hartenstein<br />

Kooperationspartner:<br />

IAT Leipzig, Dr. J. Küchler & Dr. J. Graumnitz<br />

HTWK Leipzig, Prof. H.-J. Dobner & Julia Schmid<br />

Das Projekt wurde vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft unter dem AZ ZMVI1-<br />

070607/15 gefördert.


38<br />

Klaus Rudolph<br />

SEITDEM DIE MENSCHEN NICHT MEHR AN GOTT GLAUBEN SOLLTE MAN MEINEN,<br />

SIE GLAUBEN AN NICHTS MEHR, STATTDESSEN GLAUBEN SIE AN ALLES! (UNBEKANNT)<br />

USRPT oder der Glaube macht‘s?<br />

(Kurzfassung und zeitliche Anpassung zum gleichnamigen Vortrag am 14.05.2016 in Trier)<br />

Als 1895 der deutsche Anatom Wilhelm Roux seine Reizstufenregel aufstellte 0F1 , schuf er die<br />

wissenschaftliche Grundlage des Trainings, obwohl der Sport erst in seinen Anfängen steckte<br />

(1896 fanden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt). Die ROUXsche Reizstufenregel<br />

verpflichtet jeden Trainer zumindest im Leistungssport nach neuen Belastungsformen (Reizen)<br />

zu suchen, um die Leistungsentwicklung seiner Athleten zu gewährleisten. Deshalb sollte er<br />

neuen Trainingsmethoden gegenüber aufgeschlossen, aber auch immer kritisch sein, zumal die<br />

heutige Zeit dazu neigt, alles in höchsten Tönen zu preisen. Ähnlich verhält es sich mit den<br />

beiden aus den USA importierten Trainingsmethoden High-Intensity-Training (HIT) und Ultrashort-race-pace-Training<br />

(USRPT), die aus der Sicht eines altgedienten Trainers kritisch zu<br />

hinterfragen sind.<br />

Zum aus der Bodybuilder Szene übernommenem HIT ist in den letzten Jahren viel geschrieben<br />

und diskutiert worden. In den Ausdauersportarten wurde plötzlich alles, was relativ intensiv<br />

war unter „HIT“ geführt, vom klassischen Schnelligkeitstraining, über Schnelligkeitsausdauer<br />

bis zu intensivem GA-Training. Seit der Initialzündung durch das Tabata-Protokoll des<br />

Sportinstituts Tokio sind 20 Jahre vergangen und es liegen immer noch keine ausreichend<br />

wissenschaftlich fundierten Belastungsprotokolle vor, besonders mit Hochleistungssportlern.<br />

Die Tatsache, dass vor allem intensives Ausdauertraining die maximale Sauerstoffaufnahme<br />

steigert ist vielleicht für unerfahrene Trainer und Wissenschaftler interessantes Neuland,<br />

ansonsten ein „alter Hut“. Nicht umsonst betitelten wir unter diesem Aspekt das GAII-Training<br />

als „GA-Entwicklung“ gegenüber dem GAI-Training (GA-Ökonomisierung).<br />

Die Australier bezeichnen das intensive Ausdauertraining bei einem Puls bis unter 10 vom<br />

Maximum mal gleich als MVO2-Training. Wenn MARTIN (SPIEGEL online 4.04.14) unter<br />

dem klassischen Ausdauertraining der DDR „Wohlfühltraining“ versteht, dann würde ich ihn<br />

gern einmal zu einer Trainingseinheit einladen, damit er seine Meinung nicht nach dem Wind,<br />

sondern nach eigener körperlicher Erfahrung bildet …und dann wohl ändert. Auch die wenigen<br />

Untersuchungen in Deutschland zum Hit im Schwimmen (Kölner Experiment bei Kindern,<br />

BRAUN bei Masters, Uni Saarland/Paderborn bei Wettkampfschwimmern) können kaum<br />

signifikante Unterschiede zwischen Volumen- und Intensitätstraining nachweisen und flüchten<br />

sich in eine mit Zeitersparnis begründete Effektivität. Dabei wird zu wenig beachtet, dass<br />

intensiveres Training auch größerer Pausen bedarf. Ungeachtet der unscharfen Bestimmung des<br />

HIT auf der Grundlage der klassischen Belastungskategorien sollten wir uns zumindest im<br />

Hochleistungstraining mehr einem wettkampfnahen Training zuwenden. Denn hier sind viele<br />

unserer Schwimmer/innen von dem polarisierten Training nach Seiler & Tonnessen von 80 %<br />

(GAI) und 20% (intensivem Ausdauertraining) weit entfernt. Aber auch der Kampf um mehr<br />

als 15% Anteil intensiven Trainings ist im Schwimmen nicht neu, er muss nur geführt werden,<br />

erst mit dem Kopf und dann mit dem ganzen Körper.<br />

1<br />

Wilhelm Roux: Gesammelte Abhandlungen über die Entwicklungsmechanik der Organismen. Band I: Funktionelle<br />

Anpassung. Wilhelm Engelmann, Leipzig, 1895


39<br />

Inzwischen ist die HIT-Welle ausgelaufen bzw. als „Heiligtum“ den Freizeitsportlern überlassen<br />

worden, da treiben die Amerikaner (oder besser „ein Amerikaner“) mit dem USRPT eine „neue<br />

Sau durchs Dorf“. Auf dieser Sau reitet der emeritierte Professor aus San Diego Brent<br />

RUSHALL, der sich-glaubt man seiner Biographie- als genialer Alleskönner entpuppt,<br />

zumindest lässt seine Seite auf WIKIPEDIA keine Aktivität aus. Nun sollten wir jeden<br />

Wissenschaftler begrüßen, der uns Trainern weiterhilft, aber hier stößt RUSHALLS arrogante<br />

Vorgehensweise ab. So scheut er sich nicht, anlässlich der ASCA-Tagung 2009 der<br />

versammelten amerikanischen Trainerelite unwissenschaftliches Training zu bescheinigen 1F2<br />

.<br />

Sein Hauptargument ist, dass das USRPT keine Theorie, sondern ein „evidenzbasiertes<br />

Trainingsprogramm“ sei, dass sich in der Praxis dem traditionellen Schwimmtraining<br />

gegenüber als überlegen überwiesen habe 2F3 . Dazu folgender Exkurs:<br />

Definiert wird die evidenzbasierte Medizin (EbM oder EBM) ursprünglich als der<br />

„gewissenhafte, ausdrückliche und umsichtige Gebrauch der aktuell besten<br />

Beweise für Entscheidungen in der Versorgung eines individuellen Patienten“ 3F4<br />

.<br />

EbM beruht demnach auf dem jeweiligen aktuellen Stand der klinischen Medizin<br />

auf der Grundlage klinischer Studien und medizinischer Veröffentlichungen, die<br />

einen Sachverhalt erhärten oder widerlegen – die sogenannte externe Evidenz.<br />

Damit wird von Medizinern gefordert, Quellen ihrer Entscheidungen ständig zu<br />

überprüfen, da sie sich nicht immer auf das verlassen können, was sie einmal<br />

gelernt haben. Das gilt unwiderrufen auch für Trainer und ist theoretisch<br />

einleuchtend. Aber wie sieht die Praxis aus:<br />

• Um aus einer Studie Evidenz abzuleiten, bedarf es hinreichender statistischer<br />

Sicherheit, die häufig formal nicht erreicht wird.<br />

• Viele Studien werden von Pharmafirmen gesponsert und somit oft gezielt<br />

positiv bewertet. So gibt es ungefähr 20 Studien, die der Frage nachgegangen<br />

sind, ob der Verzehr von gesättigten Fettsäuren zu Arteriosklerose<br />

oder Herzinfarkt führt. Von diesen 20 Studien gibt es drei, die einen Zusammenhang<br />

gefunden haben. Diese drei Studien werden ständig, auch<br />

von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), zitiert. Die restlichen<br />

17, die keinen Zusammenhang feststellen konnten, wurden einfach unter<br />

den Tisch gekehrt.<br />

• Kritisch ist die evidenzbasierte Methodik nicht an sich zu sehen, sondern<br />

deren ideologische Überhöhung. ‚Evidenzbasierte Medizin‘, wenn sie richtig<br />

verstanden wird, beschreibt also etwas Selbstverständliches, nämlich<br />

die Berücksichtigung wissenschaftlicher Grundsätze in Diagnostik und<br />

Therapie. Der Begriff wird gegenwärtig nicht so gebraucht, sondern ihm<br />

wird eine unbegründete Sonderstellung gegeben.4F5<br />

• Eine Gratwanderung kann auch eine zu enge Auslegung von EbM darstellen.<br />

So gibt es Sachverhalte, die seit langem und vollkommen geklärt sind,<br />

für die aber im Sinne der EbM keine ausreichenden Nachweise vorliegen.<br />

2<br />

Brent, R.S. (2009). The Future of Swimming- Myths and Science. (http://coachsci.sdsu.edu/swim/bullets/ASCA2009.pdf)<br />

3<br />

Rushall, B. (2016). Step-by-step usrpt planning and decision-making processes. swimming science bulletin, nr. 47<br />

4<br />

D. L. Sackett, W. M. C. Rosenberg, J. A. M. Gray, R. B. Haynes, W. S. Richardson: Evidence-based Medicine: What It Is and<br />

What It Isn’t. In: British Medical Journal. 312, 1996, S. 71–72.<br />

5<br />

v. Wichert, P. (2005): Evidenzbasierte Medizin (EbM): Begriff entideologisieren. In: Deutsches Ärzteblatt. 102(22),S. A-1569.


40<br />

Angeführt wird in diesem Zusammenhang auch, dass eine gute Beweisführung in<br />

vielen Bereichen der Medizin nicht durchführbar oder zu umständlich sei. Fast<br />

alle ärztlichen Handlungen, die komplett unstrittig sind (also „konsensbasiert“),<br />

seien nicht nachweisbasiert (also nicht „evidence based“) und würden es nie sein.<br />

Das Fehlen von bewiesenem Nutzen und Fehlen von Nutzen seien nicht das<br />

Gleiche.<br />

Diese Diskussion ist mir aus zahlreichen Disputen mit Sportwissenschaftlern<br />

vertraut, wenn der angewandten Trainingswissenschaft wieder einmal<br />

Unwissenschaftlichkeit vorgeworfen wurde. Natürlich lässt sich an 20 Phelps die<br />

Wirksamkeit einer Trainingsmethodik von Bob Bowman statistisch besser<br />

belegen, aber wir haben nun mal nur einen Phelps.<br />

Die Wissenschaften sind in den vergangenen Jahrzehnten für das Trainerhandeln<br />

immer bedeutender geworden. Gute Trainer zeichnen sich dadurch aus, dass sie<br />

zur Rezeption wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Lage sind und dass es ihnen<br />

gelingt, wissenschaftliches Wissen in praktisches Wissen zu überführen, will<br />

heißen: praxisrelevantes Wissen von unnötigen Wissensbeständen zu<br />

6<br />

differenzieren.5F Dazu fehlt den meisten die Zeit. Deshalb sollte die<br />

Sportwissenschaft weniger im Sinne eines Oberlehrers den „wissenschaftlichen<br />

Nachholbedarf“ der Trainer einfordern, sondern – wie in der Medizin üblich –<br />

über Reviews die gebündelten wissenschaftlichen Erkenntnisse an den Praktiker<br />

bringen.<br />

Doch zurück zu RUSHALL, der als praktischen Beweis für seine evidenzgestützte<br />

Trainingslehre den amerikanischen Wunderschwimmer Michael Andrew bemüht. Dieser hat<br />

mit 7 Jahren begonnen zu trainieren, absolvierte mit 8 die ersten Wettkämpfe, wird ab dem 9.<br />

Lebensjahr vom Vater trainiert, mit 14 Jahren schließt er seinen ersten Profivertrag, mit 16<br />

Jahren wird er Junioren-Weltmeister über 50m Rücken. Zu seinen 78 Altersklassenrekorden,<br />

wobei er alle AK-R von Phelps löscht, twittert Bob Bowman „Vergiss alle Rekorde im<br />

Kindesalter, im Weltmaßstab wird abgerechnet“. Dazu sei daran erinnert, dass Phelps bereits<br />

mit 15 Jahren an seinen ersten Olympischen Spielen teilnahm, wenig später über 200m<br />

Schmetterling Weltrekord schwamm und mit 31 Jahren das vierte Mal zu olympischen<br />

Schwimmwettkämpfen starten wird. Andrew hingegen konnte sich trotz guter Leistungen (z.B.<br />

Juniorenweltrekord über 200m Lagen) nicht bei den Trials vom 26.06.-3.07.2016 für die<br />

Olympischen Spiele qualifizieren. Das kann er zwar auch vier Jahre später (mit 21 Jahren hat<br />

er dann das Hochleistungsalter der Schwimmer immer noch nicht erreicht), aber es ist zu<br />

befürchten, dass er das Schicksal vieler Wunderkinder erleidet, die „ihr Pulver zu zeitig<br />

verschossen haben“. Denn ausgerechnet im ersten Jahr einer möglichen (und auch<br />

beabsichtigten) Olympiaqualifikation stagniert Andrew in seiner Entwicklung, legt man die<br />

mittlere Zeit seiner Paradedisziplinen zugrunde (s. Abb.1).<br />

Wesentliche Triebkraft dieser beeindruckenden Entwicklung ist Andrews Motivation (besser<br />

sein Glauben). Zweifelsohne ist Andrew mit einer Körperhöhe von 194 cm (2015) und einem<br />

BMI von 23,9 körperbaulich für Schwimmen gut geeignet. Hinzu kommt ein auf seine Ziele<br />

6<br />

Digel, H. (2016). Der Beitrag der Wissenschaften für Coaching-Tätigkeiten im Sport. Leistungssport 2 (46), 26-29


41<br />

abgestimmtes Umfeld (Sponsoring, Vater als Trainer, Mutter als Managerin, eigenes Bad,<br />

Fernunterricht usw.). Entscheidend ist aber sein Glaube, indem er sich quasi als Stellvertreter<br />

Jesu empfindet: „Jesus ist ein Teil von mir - wenn sie also mehr über mich wissen wollen, dann<br />

erfahren sie auch mehr über Jesus“.<br />

Abb.1: Leistungsentwicklung im Mittel aller 50/100m-Disziplinen und 200m Lagen vom 9. bis<br />

17. Lebensjahr von Michael Andrew (USA) und dem Mittel der 10 gleichaltrigen deutschen<br />

Schwimmer<br />

Doch wenden wir uns seinem „evidenzbasiertem Trainingsprogramm“ (Rushall) zu.<br />

Tab 1.: Empfohlene Teilstrecken-Wiederholungen für Intervallserien nach RUSHALLs US-<br />

RPT<br />

Beispiel: HS 100S BZ 51,0 (10,9 -12,9 -13,4 -13,8) = Ø 12,8<br />

50 x 25 S ↑30‘‘ 12,5‘‘ (>13,0 = Aussetzer und zählt nicht)<br />

Dann 2 x überspringen und weiter versuchen mit 0:12,5‘‘<br />

bei 3 Aussetzern oder 2. Fehler wird abgebrochen<br />

Teilstrecke<br />

Wettkampfdistanz<br />

50 100 200 400 800 1500<br />

12,5 3 x 6 - - - - -<br />

25 individuell 30 40 40 50 -<br />

50 - 20 30 30 40 50<br />

75,5 - - 20 24 30 30-35<br />

100 - - - - - 25-30<br />

RUSHALLs Beweisführung stützt sich auf eine Studie von Astrand & Rodahl (1977), die mit<br />

Radfahrern nachwiesen, dass trotz intensiver Belastungen von 10-30 Sekunden und kurzer


42<br />

Pause Laktat nicht akkumulierte und somit die Sportler nicht so stark ermüdeten (s. Abb.2).<br />

Eigene Untersuchungen hingegen haben selbst beim Schnelligkeitstraining (Belastungsdauer<br />

8-10 sec) Laktatwerte von 5 bis 7 mmol/l ergeben und damit die Mär vom „alaktaziden<br />

Training“ ad acta geführt. Nach 50m-Wettkämpfen (von 22,5 bis 32 Sekunden) waren es<br />

12,1 ± 0,9 mmol/l bei den Schwimmern und 10,1 ± 0,8 mmol/l bei den Schwimmerinnen<br />

(Signifikanz P = 0,001) (Rudolph, 2014, S.175). Wenn aber RUSHALL sich auf die Theorie<br />

stützt, dass bei diesen Belastungen um 10-15 Sekunden und adäquat kurzen Pausen kaum Laktat<br />

gebildet (oder gemessen?) würde, dann könnte es sein, dass das Laktat sofort wieder<br />

verstoffwechselt wird. Darauf deutete schon eine Studie von Maaßen et al 6F7<br />

hin, wonach bei<br />

hochintensiver Intervallarbeit die intrazelluläre Laktatkonzentration während der Belastung<br />

sinkt. Hier gibt es Forschungsbedarf (ein interessantes Thema für die Hausarbeit in der A-<br />

Lizenz-Ausbildung).<br />

Abb.2: Laktatbildung und Muskelglykogenabbau bei verschiedenen Intervallserien (Astrand &<br />

Rohdahl, 1977. Textbook of work physiology. McGraw-Hill, New York).<br />

Nun wäre USRPT einmal eine interessante Trainingsvariante, wenn sie nicht<br />

durch ständige Wiederholung zum Fetisch gekürt würde,<br />

in Wirklichkeit nicht die wahre Renngeschwindigkeit, sondern ein imaginäres Mittel<br />

trifft,<br />

die Geschwindigkeitsvielfalt, sondern Monotonie schult (Geschwindigkeitsbarriere) 7F8 ,<br />

das athletische Training so unterschätzen würde (zumindest Andrew),<br />

durch die Einseitigkeit an Nachhaltigkeit vermissen lässt und<br />

durch Monotonie und (durch Statuten US-Swimming bedingte) Abkapslung psychisch<br />

wohl Jesus‘ Kräfte übermäßig strapazieren wird.<br />

Treffend die Einschätzung von Goldmedaillengewinner (WM 2009 4x100F) und Coach Erik<br />

McGinnis8F9 :<br />

7<br />

Maassen N, Schneider G*, Krückeberg O, Breyer M, Koch H°; Leibfritz D°:<br />

http://www.zeitschrift-sportmedizin.de/fileadmin/content/archiv2001/heft07_08/Abstractbandneu.pdf<br />

8<br />

Einschätzung von Trainervater Andrew nach den Trials 2016: "Ich denke, der größte Fehler, den ich in seiner Ausbildung<br />

gemacht habewar die ganze Zeit im Renntempo zu schwimmen“<br />

9<br />

https://swimswam.com/tag/eric-mcginnis/


43<br />

„Viele Trainer fragen, ist USRPT gut oder schlecht? Jedes Thema unter dem Dach der Fitness<br />

schwingt immer wie ein Pendel von einer Seite auf die andere. Die Leute wollen wissen, ob<br />

Gewichte heben gut ist oder schlecht, ob Lauf gut ist oder schlecht, und ob statisches Dehnen<br />

gut ist oder schlecht?! Ein guter Coach plant eine Saison mit mehreren Meso- und Mikrozyklen.<br />

Er versteht auch, dass es verschiedene Methoden gibt, um verschiedene Anpassungen zu<br />

erreichen und die Variablen müssen manipuliert werden, um Fortschritte zu erzielen. Es gibt<br />

keine falsche Weise der Ausbildung an sich, abgesehen von der Möglichkeit, dass der Athlet<br />

nicht in der Lage oder nicht willens ist, sie anzunehmen. Alles kann in der richtigen Dosierung<br />

wirksam sein, zum richtigen Zeitpunkt und für die richtige Person. Versuchen sie USRPT ruhig<br />

einmal, aber geben Sie nicht alles auf, was sie gelernt haben, weil im Internet jemand etwas<br />

propagiert. Ich bin sicher, man könnte auch die gleiche Entwicklung mit einem völlig anderen<br />

Trainingsprogramm erreichen…. Ich bin mir über die Rolle von Doc Rushall nicht sicher, aber<br />

wenn jemand von etwas profitiert, und er sagt mir, ich sollte sein Produkt, und nur sein Produkt<br />

das ganze Jahr, jedes Jahr nutzen, dann bin ich skeptisch. Ist das zu meinem Vorteil oder seinem?<br />

Sie können nicht leugnen, dass USRPT gut war für Michael Andrew. Sie können auch nicht<br />

leugnen, dass Michael Andrew ein großes, talentiertes Kind ist, das professionell trainiert und<br />

wahrscheinlich ebenso gut mit anderen Programmen schwimmen würde. Am Ende des Tages<br />

finden talentierte und motivierte Sportler ihren Weg, um ihre Ziele zu erreichen.“<br />

Schließen wir mit der Frage „Was lernt uns das?“ (Dialekt):<br />

„Reizloses“ Training führt zu Leistungsstagnation, deshalb sei kreativ<br />

Sei offen für Neues, filtere es aber durch deine Erfahrung<br />

Irren ist menschlich; Wissenschaftler sind Menschen<br />

Sei dabei argwöhnisch, wenn zu sehr die Geschäftsidee durchschimmert<br />

Mit einem großen Talent lässt sich viel „beweisen“<br />

Trainiere das was du im Wettkampf brauchst (aber nicht nur die Intensität, sondern<br />

auch die Dauer).<br />

Vielseitigkeit äußert sich nicht nur in Distanzen (50m bis 1500m), sondern auch in<br />

Schwimmarten (was Andrew seit dem neunten Lebensjahr konsequent umsetzt)<br />

Bei bedingungsloser Konzentration auf wettkampfnahe Technik und Geschwindigkeit<br />

lassen sich sehr gute Leistungen bis 100m (Ausnahme 200m Lagen) erreichen,<br />

aber wie lange?<br />

Geht es auch ohne spezifische Kraft (an Land) weiter im Erwachsenenalter, was die<br />

nächsten Jahre beweisen müssen<br />

Und Kreislauf und Muskel sind nichts ohne Steuerzentrale „Kopf<br />

Darauf verwies der Nestor des Schwimmtrainings Doc Counsilman bereits vor 30 Jahren:<br />

„Die Verbesserungen der Schwimmleistungen in unmittelbarer Zukunft werden möglicherweise<br />

nicht als Folge besserer körperlicher Vorbereitung zustande kommen, sondern wegen der<br />

besseren geistigen und psychologischen Vorbereitung“ (1980, S. 268)<br />

P.S. Mit diesem Beitrag soll die Leistung von Michael Andrew keineswegs geschmälert werden.<br />

Es steht uns als deutsche Schwimmgemeinde auch nicht gut zu Gesicht, herablassend auf einen<br />

Schwimmer zu blicken, der 100 m Brust in 0:59,82 min und 200m Lagen in 1:59,44 min<br />

schwimmt. Es steht nur die Frage im Raum, hat das große Schwimmtalent Andrew die Zeiten<br />

durch oder trotz USRPT erreicht? Oder durch Gott als Hauptsponsor?<br />

Autor:<br />

Dr. Klaus Rudolph


44<br />

krudolph@mediadolphine.de<br />

HaWo Döttling<br />

Podiumsdiskussion bei der diesjährigen Jahrestagung des DSTV<br />

Bei der diesjährigen Tagung stand das Thema „Motivation im Schwimmsport“ im Vordergrund.<br />

Wie immer zum Abschluss der Jahrestagung der DSTV hat HaWo Döttling drei erlesene Gäste<br />

zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, um verschiedene Aspekte des Themas zu beleuchten.<br />

Der Einladung gefolgt sind:<br />

Thomas Lurz (Freiwasserschwimmer und mehrfacher Europa- , Weltmeister und<br />

Olympiamedaillengewinner aus Würzburg),<br />

Clemens Rapp (200m und 400m Freistilschwimmer, Europameister und Olympiateilnehmer<br />

London und Rio aus Heidelberg)<br />

Dr. Klaus Rudolph (Trainingswissenschaftler und Herausgeber des Buches: „Lexikon des<br />

Schwimmtrainings“ aus Rostock)<br />

Die Einstiegsfrage galt den beiden Sportlern, wie sie zum Schwimmsport gekommen sind und<br />

welchen Einfluss dabei das Elternhaus, Freunde, Trainer und soziales Umfeld gespielt haben.<br />

Dabei kam klar zum Vorschein, dass das soziale Umfeld einen ganz wichtigen und<br />

entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung zum Schwimmsport gehabt hat. Teilweise von<br />

anderen Sportarten kommend, wurde der Schwimmsport von mehreren Seiten gefördert. Mit<br />

den ersten Erfolgen kam auch die Motivation erfolgreich zu sein hinzu.<br />

Es wurde aber auch deutlich, dass der erfolgreiche Weg im Schwimmsport, zumeist nur über<br />

ein professionelles Trainingssystem gehen kann. Dies bedeutete zum Beispiel für Clemens<br />

Rapp der Wechsel von einem kleinen Verein mit begrenzten Trainingsbedingungen zum<br />

Bundesstützpunkt in Heidelberg mit optimalen Rahmenbedingungen. Durch das professionelle<br />

Umfeld am Stützpunkt ist der Tagesablauf dem Sport angepasst. Man findet Gleichgesinnte, die<br />

denselben Weg gehen. Hinzu kommt die Unterstützung des Olympiastützpunktes am<br />

Trainingsstandort durch trainingswissenschaftliche Betreuung, medizinische Begleitung und<br />

Laufbahnberatung.<br />

Dies konnte Dr. Klaus Rudolph nur bestätigen. Um auf bestimmte Umfänge zu kommen, muss<br />

das Umfeld auf den Sport abgestimmt werden. Nur bedingt können kleine Vereine den Sportler<br />

auf ein internationales Niveau bringen. Doch sobald die Trainingseinheiten häufiger und länger<br />

werden, muss entsprechende Wasserfläche zur Verfügung stehen und das Landtraining<br />

spezialisiert werden. Nicht zu unterschätzen sind ebenbürtige Trainingspartner, die die gleichen<br />

Serien schwimmen und an denen man sich jeden Tag messen kann und muss.<br />

Weder für Thomas Lurz noch für Clemens Rapp standen Anreizsysteme wie Geld und<br />

Anerkennung am Anfang ihrer Sportkarriere im Vordergrund. Durch den Übergang zu<br />

internationalen Wettkämpfen, das Tragen der Nationalmannschaftsbekleidung und das Reisen<br />

in ferne Länder wurde neue Motivation generiert. Keiner der Sportler hat jemals an der Sportart<br />

gezweifelt, selbst wenn bei anderen Sportarten um ein mehrfaches an Geld zu verdienen wäre.


45<br />

Beim Thema Olympia konnten alle drei Diskussionspartner die Olympischen Spiele als Ziel<br />

und als sportliches Highlight jeden Sportlers bestätigen. Die Faszination Olympia greift auch<br />

schon bei jungen Athleten.<br />

Nach der Frage, ob der Traum Olympische Spiele auf Kosten der Kindheit oder als Hilfe in der<br />

Kindheit verstanden wird, kam ein klares Votum für die Hilfe in der Kindheit. Erlernen von<br />

Zielstrebigkeit, immer neue Motivation zu generieren um eine sportliche Leistung abzugeben,<br />

Erfolge und Niederlagen zu verarbeiten, sind nur einige positive Punkten von vielen, die in der<br />

Diskussion genannt wurden. Somit hatte der Leistungssport einen großen Einfluss auf die<br />

Lebensperspektive. Keiner der Anwesenden bereute es, den Weg des Leistungssports<br />

beschritten zu haben.<br />

Sehr plastisch beschrieb diese Zielstrebigkeit Thomas Lurz als Notwendigkeit, um sich immer<br />

wieder für diese doch stundenlangen Trainingseinheiten und Rennen im Freiwasser zu<br />

motivieren. Für ihn stand an jeder Wende im Becken der angestrebte Titel vor Augen. Er wollte<br />

immer besser sein als seine Konkurrenten. Ging deshalb früher ins Wasser und trainierte mehr<br />

als die Konkurrenz. Diese Zielstrebigkeit hat Thomas Lurz auch in einem Buch beschrieben,<br />

welches er mit Jasmin Fargel geschrieben hat. Der Titel lautet: „Auf der Erfolgswelle<br />

schwimmen – was junge Menschen wissen müssen“. Hierbei beschreibt er die Motivation<br />

besondere Leistungen abzugeben und einem Ziel zu folgen, welches Erfolg heißt.<br />

Interessant waren auch die Antworten auf die Frage der mentalen Einstellung und des Trainings<br />

dazu. Die Wertigkeit hinkt hier dem Trainingsumfang doch deutlich hinterher. So wird nur ein<br />

ganz geringer Teil der Trainingszeit der mentalen Stärke gewidmet, obwohl das subjektive<br />

Empfinden über die Wertigkeit der mentalen Stärke im Wettkampf deutlich höher ist.<br />

Auf die Frage, wie mit persönlichen Niederlagen umgegangen wird, hat jeder der<br />

Diskussionspartner seine eigene Herangehensweise für sich entwickelt. So versuchte zum<br />

Beispiel Clemens Rapp nach der knapp verpassten ersten Qualifikation für Olympia bei der<br />

DM 2016 sich voll auf die zweite Möglichkeit der Qualifikation während der German Open zu<br />

konzentrieren. Er konnte kleine Fehler in der Vorbereitung der DM ausmachen, welche er<br />

schnell behoben hatte und damit den Kopf wieder frei für die zweite Chance hatte.<br />

Auf die Frage, wie man auf die Idee kommt, ein Lexikon des Schwimmsports zu schreiben,<br />

antwortete Dr. Klaus Rudolph mit einem Lächeln. Er hat so viele Dinge rund um den<br />

Schwimmsport gelesen und selber geschrieben, dass es an der Zeit war, diese zu einem Lexikon<br />

zusammen zu fassen. Dass dies dann aber doch so viel Arbeit werden würde, hatte er nicht<br />

gedacht. Mit einem Applaus wurde der Arbeit von Dr. Klaus Rudolph gedankt.<br />

Ein festes Ziel vor Augen und dieses mit aller Kraft und Einsatz zu verfolgen, scheint bei allen<br />

der Weg zum Erfolg zu sein. Die Diskussionsrunde hat gezeigt, welche interessanten Dingen<br />

die Diskussionspartner über sich und den Schwimmsport erzählen. Es macht immer wieder<br />

Spaß, Persönliches von unserer Topsportlern und Trainern zu erfahren.<br />

HaWo Döttling<br />

H.Doettling@osp-mrn.de


46<br />

Ruth Niehaus<br />

Training mit geistig behinderten Athleten<br />

Was ist eine geistige Behinderung?<br />

Unter einer geistigen Behinderung versteht man eine Einschränkung der geistigen Funktionen,<br />

wie Lernen, Denken, Probleme lösen und des anpassungsfähigen Verhaltens. Die geistige Behinderung<br />

wird über den IQ definiert. Liegt der IQ zwischen 70 und 85 haben die Menschen<br />

eine Lernbehinderung. Menschen mit einem IQ unter 70 haben eine geistige Behinderung.<br />

Personen mit einer geistigen Behinderung meinen was sie sagen und zeigen oft wenig verstellte<br />

Emotionen. Emotionen wie Freude, Trauer, Ärger und Freundschaft werden meistens deutlich<br />

stärker gezeigt als bei Menschen ohne eine geistige Behinderung. Im Umgang mit anderen sind<br />

sie unkomplizierter, einfacher und offener. Von dieser Echtheit und Leichtigkeit kann man viel<br />

lernen und für das eigene Leben viel mitnehmen.<br />

Was ist Special Olympics?<br />

Special Olympics Deutschland ist die deutsche Organisation der weltweit größten - vom Internationalen<br />

Olympischen Komitee offiziell anerkannten - Sportbewegung für Menschen mit<br />

geistiger und mehrfacher Behinderung. Im Jahr 1968 durch Eunice Kennedy-Shriver, einer<br />

Schwester von US-Präsident John F. Kennedy ins Leben gerufen, ist Special Olympics heute<br />

mit nahezu 5 Millionen Athleten in 175 Ländern vertreten.<br />

Special Olympics Deutschland ist als Verband mit besonderen Aufgaben Mitglied im Deutschen<br />

Olympischen Sportbund und verschafft heute mehr als 40.000 Menschen mit geistiger<br />

Behinderung selbstbestimmte Wahlmöglichkeiten von behinderungsspezifischen bis hin zu inklusiven<br />

Angeboten. (1)<br />

Abb. 1: Die Deutsche Mannschaft<br />

bei der Eröffnungsfeier der Weltspiele<br />

2015 in Los Angeles


47<br />

Special Olympics International richtet alle vier Jahre Weltsommer- und Weltwinterspiele aus.<br />

Diese Veranstaltungen sind vergleichbar mit den Olympischen- oder Paralympischenspielen<br />

und sind das absolute Highlight für jeden Teilnehmer. Bei allen Spielen von Special Olympics<br />

gehört eine Eröffnungsfeier, der Eid, die Olympische Flamme, die Fahne und natürlich auch<br />

eine Abschlussfeier dazu. Die letzten Weltsommerspiele haben 2015 in Los Angeles stattgefunden.<br />

An diesen Spielen haben fast 7000 Athleten und Unified-Partner aus 165 Ländern in<br />

25 Sportarten um Medaillen und persönliche Erfolge gekämpft. Die Deutsche Mannschaft bestand<br />

aus fast 140 Athleten und Unified-Partner und 60 Trainern und Delegationsmitgliedern.<br />

Special Olympics Deutschland richtet im jährlichen Wechsel Nationale Sommer- und Winterspiele<br />

aus. Anfang Juni 2016 fanden in Hannover die Nationalen Sommerspiele statt. An diesen<br />

Spielen nahmen circa 4800 Athleten und Unified-Partner teil. Dazu kamen noch ungefähr 2000<br />

Trainer und Betreuer und über 2500 Helfer. Die Nationalen Sommerspiele zählen zu einer der<br />

größten Sportveranstaltungen in Deutschland.<br />

Unified Sport ist das gemeinsame Sporttreiben von geistig Behinderten und nicht geistig Behinderten.<br />

Ziel ist es, dass die Sportler regelmäßig gemeinsam trainieren und wenn gewünscht,<br />

auch zusammen auf Wettkämpfe gehen. Ein Trainer oder Betreuer kann nie gleichzeitig ein<br />

Unified Partner sein.<br />

Ziele und Aufgaben von Special Olympics<br />

Special Olympics hat das Ziel, mit Hilfe des Sportes, die Lebensqualität von Menschen mit<br />

geistiger Behinderung zu verbessern und die Integration und Inklusion zu fördern.<br />

Erreicht soll dieses Ziel durch die Förderung des Sportes in Einrichtungen der Behindertenhilfe,<br />

Kooperationen mit Behindertensportvereinen und eine Inklusion von Menschen mit geistiger<br />

Behinderung in lokalen Sportvereinen.<br />

Natürlich steht auch jeder einzelne Athlet im Fokus von Special Olympics. Die Athleten sollen<br />

im und durch den Sport gefördert werden. Hier steht die sportliche Leistung im Vordergrund<br />

(durch homogene Leistungsgruppe) und nicht die Behinderung.<br />

Aber auch Bereiche des alltäglichen Lebens werden von Special Olympics Deutschland vertreten.<br />

So setzt sich Special Olympics für die Schaffung von Zugangs- und Wahlmöglichkeiten<br />

für Menschen mit einer geistigen Behinderung ein.<br />

„Special Kids auf Schwimmkurs“<br />

Special Kids auf Schwimmkurs ist ein deutschlandweites Projekt zur Förderung des Schulschwimmunterrichts<br />

für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung.<br />

Seit Jahren lernen immer mehr Kinder und Jugendliche gar nicht oder nur unzureichend<br />

schwimmen. Besonders für Kinder und Jugendliche mit einer geistigen Behinderung fehlt es<br />

derzeit an Angeboten, die diesem Trend entgegenwirken.


48<br />

Deshalb setzen sich Sky Stiftung, Special Olympics Deutschland und ...für Kinder e.V. dafür<br />

ein, dass auch Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung eine Schwimmunterricht<br />

erhalten, der ihnen die nötige Sicherheit im Umgang mit dem Element Wasser vermitteln.<br />

Der Schwimmunterricht soll Spaß machen und motivieren. Lernerfolge sollen mit Spaß erreicht<br />

werden und ausreichend gewürdigt werden.<br />

Special Kids auf Schwimmkurs hat ein Abzeichensystem entwickelt, das es den Kindern ermöglicht,<br />

ihre Fähigkeiten im Wasser mit Spaß weiterzuentwickeln und stolz auf das Erreichte<br />

zu sein.<br />

In vier Stufen machen die Schülerinnen und Schüler spielerische Bekanntschaft mit dem Element<br />

Wasser und werden auf die Anforderungen für das Seepferdchen vorbereitet. Mit jeder<br />

erfolgreich absolvierten Stufe erhalten die Kinder ein Abzeichen und einen Stempel in ihrem<br />

Schwimmpass. (2)<br />

1. Abzeichen<br />

- Vom Klassenzimmer in das Schwimmbad<br />

- In der Umkleide/Dusche<br />

- Der Weg zum Schwimmbecken<br />

- In der Schwimmhalle/im Wasser<br />

- Nach dem Schwimmen<br />

2. Abzeichen<br />

- Atmen durch den Mund und die Nase<br />

- Tauchen nach dem Ring<br />

- Springender Fisch<br />

- Öffnen der Augen unter Wasser<br />

- Sprung in schultertiefes Wasser<br />

3. Abzeichen<br />

- Seestern auf dem Bauch<br />

- Seestern auf dem Rücken<br />

- Rakete auf dem Bauch<br />

- Rakete auf dem Rücken<br />

- Delfinsprünge auf dem Bauch


49<br />

4. Abzeichen<br />

- Delfinsprünge seitwärts/rückwärts<br />

- Kraulbeine ohne Brett<br />

- Rückenbein<br />

- Brustbeine ohne Brett<br />

- Brustarme<br />

Abb. 2 Abzeichen „Special Kids auf Schwimmkurs“<br />

Training mit den Athleten<br />

Voraussetzungen<br />

Die allgemeinen Voraussetzungen im Training mit geistig Behinderten sind ähnlich wie bei<br />

Trainingsgruppen mit nicht behinderten Schwimmern. Es gibt aber auch ein paar ganz wichtige<br />

Unterschiede.<br />

Ein ganz wichtiger Unterschied ist die Gruppengröße bzw. die Anzahl der Trainer/Betreuer bei<br />

einer größeren Gruppe. Im Training wird ein Betreuungsverhältnis von maximal 6:1 empfohlen.<br />

Das heißt auf den Trainer kommen maximal 6 Aktive. Die Trainingsgruppe kann durchaus größer<br />

sein, aber dann werden entsprechend mehr Trainer bzw. Betreuer benötigt. Bei Wettkämpfen<br />

wird sogar ein Verhältnis von maximal 4:1 vorgeschrieben. Sollten in der Gruppe Epileptiker<br />

sein, ist das Betreuungsverhältnis noch geringer, damit jederzeit dem/den Epileptiker (n)<br />

geholfen werden kann.<br />

Weiter muss ein Rettungsschwimmer anwesend sein, der nicht gleichzeitig als Trainer aktiv<br />

sein darf, damit er jederzeit eingreifen kann, wenn es notwendig ist. Sollte das Training parallel<br />

zum öffentlichen Badebetrieb stattfinden, kann dies auch ein Schwimmmeister übernehmen.<br />

Der dritte wichtige Unterschied sind die Besonderheiten der Athleten. Viele Athleten haben<br />

neben der geistigen Einschränkung noch andere körperlichen Beeinträchtigungen bzw. Besonderheiten.<br />

Dies kann von Angst über Zwänge bis hin zu Krampfanfällen (z.B. Epileptischen<br />

Anfällen) gehen. Diese Besonderheiten müssen dem Trainer bzw. Betreuer bekannt sein, damit<br />

in einer entsprechenden Situation richtig reagiert werden kann.<br />

Sollten Athleten mit dem Down Syndrom in der Gruppe sein, sollte bekannt sein, ob eine atlantoaxiale<br />

Instabilität vorhanden ist bzw. ausgeschlossen werden kann. Dies hat Auswirkungen<br />

darauf, ob der Schwimmer Delphin schwimmen bzw. springen darf. Sollte der Schwimmer<br />

trotzdem beides machen wollen, sollte eine schriftliche Erlaubnis vorhanden sein, da eine atlantoaxiale<br />

Instabilität zu körperlichen Einschränkungen führen kann, wenn Delphin geschwommen<br />

bzw. gesprungen wird.<br />

Trainingsgestaltung


50<br />

In der Trainingsgestaltung ist alles erlaubt was Spaß macht und auch mal eine Herausforderung<br />

darstellt. Dies sollte nicht viel anders sein, als bei Gruppen mit Schwimmern ohne Behinderung.<br />

Es gibt aber auch ein paar entscheidende Unterschiede in der Trainingsgestaltung.<br />

Die meisten Athleten mit einer geistigen Behinderung werden nie in einer Wettkampfmannschaft<br />

mitschwimmen können, da die Trainingsintensität für diese Athleten nicht machbar ist.<br />

Viele würden es gerne machen, aber nach ein paar Einheiten wird die Überforderung deutlich.<br />

Das Leistungsniveau und die Trainingsumfänge entsprechen meist Breitensportgruppen, die<br />

eine gute Technikausbildung machen.<br />

Für die Athleten sind viele Wiederholungen notwendig, ehe sie eine Übung verstanden haben<br />

und auch umsetzen können. Der Trainingsplan sollte nicht mehr als zwei oder drei neue Übungen<br />

pro Einheit haben. Die Übungen der letzten Einheiten sollten immer wiederholt werden,<br />

damit diese Übungen bzw. Bewegungsmuster verinnerlicht werden.<br />

Die Übungen müssen sehr genau aber einfach erklärt werden. Einfach erklären heißt in kurzen<br />

Sätzen sprechen ohne Fremdwörter. Viele Athleten signalisieren, ob sie eine Erklärung verstanden<br />

haben und mit etwas Übung fällt die leichte Sprache auch nicht mehr schwer. Die Umsetzung<br />

einer verstandenen Erklärung ist dann eine neue Herausforderung, da das Körpergefühl<br />

nicht so stark ausgebildet ist, wie bei Leistungssportlern.<br />

Nachfolgend ein Beispiel für eine Technikbeschreibung in leichter Sprache.<br />

Brust-Schwimmen<br />

Man schwimmt in Brust-Lage, also mit dem Bauch nach unten im Wasser.<br />

Die Bewegungs-Folge „Armzug – Beinschlag“<br />

1. Der Armzug<br />

Die Arme sind nach vorn gestreckt im Wasser. Man bewegt die Arme seitlich zurück bis zur<br />

Schulterhöhe. Dann führt man die Arme unter dem Oberkörper wieder nach vorn.<br />

2. Der Beinschlag [auch Grätsch-Beinschlag genannt]<br />

Man zieht die Beine an, drückt sie seitlich auseinander, schließt sie gestreckt zusammen und<br />

zieht sie zurück zum Körper.<br />

Das sind die Fehler beim Brust-Schwimmen:<br />

- Arme und Beine sind nicht unter Wasser.<br />

- Arme und Beine machen aktive Auf- und Ab-Bewegungen.<br />

- Die Arme werden zu weit nach hinten geführt.<br />

- Die Arme bewegen sich nicht gleichmäßig und gleichzeitig.<br />

- Die Beine bewegen sich nicht gleichmäßig und gleichzeitig – genannt „Schere“. (3)


51<br />

Abb 3 Technische Unterstützung einer Athletin im Wasser<br />

Ganz wichtig für die Athleten ist eine Visualisierung der Bewegung. Eine Kombination aus<br />

einer Erklärung und das gleichzeitige Vormachender Übung hilft den Athleten am meisten um<br />

die Übung zu verstehen. Die Feinheiten werden durch eine Unterstützung des Athleten im Wasser<br />

verdeutlich. Je kleiner das Betreuungsverhältnis ist, um so mehr kann sich ein Trainer um<br />

einen Schwimmer kümmern, um die Aufgabe richtig umsetzen zu können. In Integrativen<br />

Gruppen (behinderte und nicht behinderte Sportler) können die Leistungsstärkeren den Leistungsschwächeren<br />

aktiv im Wasser helfen.<br />

Im Training sollte der Spaß zu keinem Zeitpunkt zu kurz kommen und das Selbstbewusstsein<br />

fördern. Selbstbewusstsein fördere ich nicht nur durch Erfolgserlebnisse sondern auch durch<br />

den richtigen Umgang mit Niederlagen. Spiele in denen jeder, egal wie leistungsstark oder -<br />

schwach ein Athlet ist, gewinnen und verlieren kann sind hier sehr gute Möglichkeiten.<br />

Helfen und Unterstützen<br />

Einige Athleten benötigen Hilfe oder Unterstützung. Damit der Umfang der benötigten Hilfe<br />

richtig eingeschätzt werden kann, sollte zu Beginn die Familie oder der Betreuer dabei sein.<br />

Diese Personen kennen den Sportler sehr genau und können daher die benötigte Unterstützung<br />

am besten einschätzen und dies auch weitergeben bzw. die benötigte Hilfe genau beschreiben.<br />

Gerade zu Beginn kann es passieren, dass sich die Athleten nicht helfen lassen wollen. Dies<br />

wird sich schnell ändern, wenn das Vertrauensverhältnis aufgebaut worden ist. Hilfe immer<br />

erst anbieten aber nie aufdrängen. Auch sollten die Sportler nur die Unterstützung bekommen,<br />

die sie wirklich benötigen und nicht die, die sie gerne hätten, weil sie einfach etwas bequem<br />

sind. Diese Informationen können die Familie oder die Betreuer an den Trainer weitergeben.<br />

Bei Gefahren können die Athleten nicht immer richtig einschätzen, wie gefährlich die Situation<br />

wirklich ist. Hier heißt es die Sportler bestimmt aber höflich, auf die Gefahr aufmerksam zu<br />

machen und ihnen zu helfen.<br />

Wettkämpfe bei Special Olympics


52<br />

Bei Special Olympics gibt es neben den großen Wettkämpfen - die Nationalen Spiele oder die<br />

Weltspiele - auch auf regionaler Ebene Wettkämpfe, die als Qualifikationswettkämpfe für die<br />

nächst höhere Ebene gelten.<br />

Die möglichen Wettkampfstrecken sind umfangreicher als im nichtbehinderten Wettkampfsport.<br />

Da es für alle Leistungsklassen die Möglichkeit geben soll, an Wettkämpfen teilzunehmen<br />

gibt es auch Wettkampfstrecken mit Hilfsmitteln oder Hilfestellungen.<br />

Das Wettkampfprogramm der meisten Wettkämpfe umfasst folgende Strecken:<br />

- 25m Freistil, Rücken, Brust und Delphin<br />

- 50m Freistil, Rücken, Brust und Delphin<br />

- 100m Freistil, Rücken, Brust, Delphin und Lagen<br />

- 200m Freistil, Rücken, Brust und Lagen<br />

- 400m und 800m Freistil<br />

- 4x25m und 4x50m Freistil, Lagen und Unified (2 geistig Behinderte und 2 nichtgeistig Behinderte)<br />

Das Regelwerk entspricht den Wettkampfbestimmungen der FINA, mit einer Ausnahme. Bei<br />

Special Olympics dürfen alle Athleten, egal welches Alter, aus dem Wasser starten. In Deutschland<br />

gibt es noch eine weitere Ausnahme. Da es einige Athleten gibt, die ihre Fussgelenke nicht<br />

nach außen drehen können, dürfen die Schwimmer ihre Füsse aber nicht nach innen drehen<br />

beim Brustschwimmen.<br />

Das Ziel von Special Olympics ist es, Wettkämpfe in homogenen Leistungsgruppen auszutragen.<br />

Aus diesem Grund findet zunächst immer eine Klassifizierung statt und mit Hilfe dieser<br />

Ergebnisse werden homogene Leistungsgruppen gebildet. Diese Leistungsgruppen haben eine<br />

maximale Größe von 8 Athleten. Bei Schwimmbädern mit weniger Schwimmbahnen wird die<br />

Größe entsprechend verringert, sodass eine Leistungsgruppe immer eine Finale bildet. Der<br />

Leistungsunterschied in einer solchen Gruppe sollte nicht größer als 15% sein. In jeder Leistungsgruppe<br />

wird anschließend ein Finale geschwommen und alle Teilnehmer eines Finales<br />

werden bei einer Siegerehrung geehrt.


53<br />

Damit es zu keinen extremen Leistungsunterschieden zwischen der Klassifizierung und dem<br />

Finale kommt, dürfen sich die Athleten nur um maximal 15% zur Klassifizierung steigern.<br />

Sollte der Unterschied größer sein, wird ein Athlet disqualifiziert. Gleiches gilt bei technischen<br />

Fehlern im Finale (Im Vorlauf wird eine Verwarnung ausgesprochen). Auch diese Athleten<br />

werden bei der Siegerehrung geehrt.<br />

Abb 4 Staffel-Siegerehrung bei Special Olympics<br />

Anders als bei den Wettkämpfen der nichtbehinderten haben die Trainer und Betreuer keinen<br />

unmittelbaren Kontakt zum Athlet beim Rennen. Bei Special Olympics werden die Sportler vor<br />

jedem einzelnen Rennen an einen Helfer übergeben, der mit den Sportler zum Start geht und<br />

ihn hier auch im notwendigen Umfang unterstützt. Nach dem Rennen wird der Sportler zur<br />

Siegerehrung begleitet und erst dann wird der Sportler wieder an den Trainer bzw. Betreuer<br />

übergeben. Dies ist notwendig, damit der Athlet nicht unmittelbar vor dem Start noch vom<br />

Trainer beeinflusst wird und er sich so auf sein Rennen konzentrieren kann.<br />

Neben den Wettkämpfen im Schwimmbecken gibt es auch bei Special Olympics Wettkämpfe<br />

im Freiwasser. Hier werden Strecken ab 1000 m geschwommen. Diese Veranstaltungen werden<br />

meistern als inklusive Veranstaltung durchgeführt, da die Sicherheitsvorgaben sehr ähnlich<br />

sind. Da hier meist keine Klassifizierung geschwommen wird, werden die Leistungsgruppen<br />

mit Hilfe der gezeigten Leistungen gebildet.<br />

Geistig Behinderte Schwimmer können auch an Paralympischen Wettkämpfen teilnehmen. Anders<br />

als bei Special Olympics Veranstaltungen werden hier keine homogenen Leistungsgruppen<br />

gebildet, sondern alle Athleten werden gemeinsam bewertet. Je schwere die körperlichen Einschränkungen<br />

sind, umso höher ist der Klassifizierungsfaktor. Die geistige Behinderung wird<br />

hier ohne Faktor bewertet, sodass die geistig Behinderten wenig Chancen haben, da sie einfach<br />

nicht in den gleichen Umfängen trainieren können wie Körperbe-hinderte.<br />

Abbildungsverzeichnis


54<br />

Abb 1 Special Olympics Deutschland e.V./ Jörg Brüggemann<br />

Abb 2 Special Olympics Deutschland e.V.<br />

Abb 3 Special Olympics Deutschland e.V./ Luca Siermann<br />

App 4 privat<br />

Literaturangaben<br />

Special Olympics Deutschland e.V.<br />

www.specialolympics.de<br />

Special Olympics Deutschland e.V.<br />

Schulungsunterlagen „Special Kids auf Schwimmkurs“<br />

Special Olympics Deutschland e.V.<br />

Sport Regeln von Special Olympics in Leichter Sprache<br />

„Schwimmen“<br />

Autor<br />

Ruth Niehaus<br />

ruthniehaus@web.de<br />

Engel Mathias Koch<br />

Sich neu entdecken- kreativ und frisch neue Wege beschreiten mit Hilfe von<br />

afrikanischem Trommeln und Tanz<br />

1. Prägung und Rhythmus<br />

2. Trommeln und Tanzen allgemein<br />

3. Trommeln bei der DSTV<br />

4. Fazit und Schlussbewertung<br />

1. Prägung und Rhythmus


55<br />

Unsere Sicht der Welt, unser Denken und Fühlen wird bestimmt durch Erfahrungen und durch<br />

das Verinnerlichen bestimmter Größenordnungen. Raum und Zeit werden in verständliche<br />

Proportionen unterteilt -Sinneseindrücke wie Sehen und Hören sind nicht absolut, sondern<br />

werden gefiltert durch Gelerntes, Erlebtes, Bekanntes. Ganz wesentlich ist der Rhythmus:<br />

Tages- Atem-Schlaf-Bewegungs-Bio-Herzrhythmus, usw.<br />

Um die Welt zu verstehen und sich im täglichen Leben zurechtzufinden, ist es notwendig sich<br />

einen bestimmten Rhythmus anzueignen. Das gibt Halt und Sicherheit. Dazu gehören alle oben<br />

erwähnten Facetten des Lebens die sich rhythmisch wiederholen. Der Halt an Eingeübtem und<br />

Bekannten ist andererseits jedoch begrenzend und einengend.<br />

Musik und gemeinsames Musizieren stärkt den Zusammenhalt und wirkt- ebenso wie Sex und<br />

Drogen- direkt auf den Instinkt.<br />

Wir sind als Teil unserer Gesellschaft geprägt durch ein bestimmtes Harmonieverständnis. Das<br />

betrifft nicht nur Klang und Töne sondern auch die plastische Wirklichkeit (Kunst, Bauwerke,<br />

Gebrauchsgegenstände).<br />

2. Trommeln und Tanzen allgemein<br />

Musik und Tanz ist -nicht nur in Afrika - eine uralte Methode zur Kommunikation und Stärkung<br />

der Gemeinsamkeit, sowie zum Verarbeiten und darstellen von Gefühlen, Wünschen, Hoffnung.<br />

Beim Trommeln hierzulande steht dabei besonders auch das freud-volle, spielerische Erleben<br />

von etwas Neuem, das laut sein dürfen, das sich zeigen dürfen im Vordergrund. Menschen, die<br />

sich selbst als „unmusikalisch“ bezeichnen, wird beim Trommeln bewusst, dass Musik nichts<br />

mit Notenlesen und Theorie zu tun haben muss.<br />

Nach mehr als 30 Jahren Erfahrung im Spiel und Unterricht westafrikanischer Trommelmusik<br />

stelle ich die folgenden Thesen auf:<br />

1.) Die Beschäftigung mit neuen Rhythmen hat nicht nur eine musikalische Dimension sondern<br />

trägt zu einer anderen Weltsicht bei, bzw. erweitert den Horizont des eigenen Denkens<br />

und Fühlens.<br />

2.) Es gibt keine vergleichbare Disziplin in der Musik, bei der sich nach kürzester Zeit gemeinsam<br />

in einer Gruppe mit Anfängern ohne jegliche Vorkenntnisse vergleichbare Ergebnisse<br />

erzielen lassen.<br />

3.) Trommeln fördert die Feinmotorik und Koordination, Atmung und Bewegung werden<br />

synchronisiert, möglicherweise bestehende Blockaden oder koordinative Mängel werden<br />

sichtbar und dadurch oft schon beseitigt.<br />

4.) Gruppen finden auf unmittelbare Art zusammen,- bis hin zum gemeinsamen Atem und<br />

Herzrhythmus (dies wurde bei Chören festgestellt).


56<br />

5.) Trommeln fördert die Gruppendynamik, aktiviert den Kreislauf und belebt, in dem Moment<br />

des Tuns und auch im Nachklang.<br />

Meine Erfahrung mit den verschiedensten Kursteilnehmern in den unterschiedlichsten<br />

Zusammenhängen und Altersstufen sind die Folgenden:<br />

Das Erlernen der Grundschläge, die unabhängige, gegengleiche und gleichmäßige Bewegung<br />

der Hände und Unterarme stellt für Viele eine gewisse Herausforderung dar. Hier zeigt sich,<br />

dass die Dimensionen des Trommelns oftmals zuerst unterschätzt werden.<br />

Dann - nach kürzester Einführung bzw. Übungszeit „groovt“ sich die Gruppe ein, einfache<br />

Abfolgen klingen schon gut und reißen mit, die Gruppe und alle Einzelnen sind positiv<br />

stimuliert.<br />

Die schnellen Lernerfolge nach kurzer Einführung bringt Tagungsgruppen in Schwung und<br />

schweißt die Gruppe zusammen.<br />

Tanz<br />

„Tanz ist die rhythmische Bewegung des Körpers in Raum und Zeit“. (Definition eines Tanz<br />

und Choreographie-Lehrers aus Osogbo, Nigeria). So kann aus dieser Sicht auch Schwimmen<br />

als Tanz im Wasser bezeichnet werden, und Tanzübungen an Land als allgemeines<br />

Trockentraining zur Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten, zum Stärken der<br />

Persönlichkeit gesehen werden.<br />

3. Trommeln bei der DSTV<br />

Trommeln bei den DSTV-Tagungen ist seit 2007 Tradition.<br />

Erstmalig in Miesbach, dann in Braunschweig und Zeuthen, dieses Jahr in Trier. Im Vordergrund<br />

steht die Auflockerung und das gemeinsame Erleben, das inspiriert sein durch Bewegung<br />

und neue Rhythmen, das gemeinsame Musizieren. Grund dafür ist das praktische Tun.<br />

Selbst einfachste Übungen bieten ein großes Potential für Gruppen jeglicher Art und sollten<br />

unbedingt in die Trainingsroutine mit aufgenommen werden. Bei Fragen stehe ich jederzeit<br />

gerne zur Verfügung.<br />

4. Fazit und Schlussbewertung<br />

Trommeln und Tanzen, Musik überhaupt, wurde, bzw. wird in vielen Kulturen – auch bei unsschon<br />

seit Hunderten, z. T, schon seit tausenden von Jahren als Medium zur Selbststimulation<br />

und Leistungssteigerung benutzt, insbesondere das aktive selbst Ausüben von Musik.<br />

Trommeln wirkt auf verschiedenen Ebenen und Kanälen positiv und stimulierend, trägt zur<br />

Verbesserung der allgemeinen Koordination bei und hilft Stress abzubauen.<br />

Insbesondere gleichmäßige, unabhängige rechts- links Bewegungen tragen zur Vernetzung der<br />

beiden Gehirnhälften bei.<br />

Durch Innervierung auf neuromuskulärer Ebene wird die inter- und intramuskuläre<br />

Koordination verbessert, der Wechsel von Anspannung und Entspannung kann reibungsloser<br />

funktionieren, das gesamte Reizleitungssystem wird „wacher“ und sensibler.


57<br />

Das Erlernen neuer Rhythmen, die nicht so sehr wie die “Westlichen“ Rhythmen von 4/4 als<br />

eher von ¾, 6/8, bzw. 12/8 Einteilungen geprägt sind, birgt das Erschließen neuer<br />

Erfahrungswelten in sich. Ein Rhythmus ist mehr als die mechanische Abfolge von Tönen, er<br />

beinhaltet Erfahrungen / Sichtweisen und Weisheiten.<br />

Die dargestellten Maßnahmen sind äußerst wirkungsvoll.<br />

Autor<br />

Engel Mathias Koch<br />

engelmk@online.de<br />

Mareike Rittweg<br />

Landtraining Schwimmen–vom Bundestützpunkt bis zum kleinen Verein<br />

Möglichkeiten, Herausforderungen, Individualität<br />

Einleitung<br />

Die Landeinheiten haben im Schwimmsport in der jüngeren Vergangenheit zunehmend eine<br />

wichtigere Rolle eingenommen. Die Literatur empfiehlt dahingehend diverse<br />

Trainingsmethoden und –mittel, die bevorzugt zur Leistungssteigerung eingesetzt werden. Eine<br />

Verbesserung der Kraftfähigkeiten, insbesondere der Maximalkraft kann sich positiv auf<br />

Start/Wende, den Raumgewinn pro Einzelzug, die Ermüdungswiderstandsfähigkeit und die<br />

Bewegungsfrequenz auswirken (Hilgner-Recht, Wirth 2011). Durch ein strukturiertes<br />

Widerstandstraining können ebenfalls schwimmtypische Verletzungen (Schwimmschulter,<br />

Knie-/Rückenschmerzen) und degenerative Schäden vermieden werden. Theoretische


58<br />

Grundlagen für das Erstellen eines adäquaten Landtrainings existieren gegenwärtig ausreichend.<br />

Die praktische Umsetzung kann die Trainer zum Teil allerdings vor einige Schwierigkeiten<br />

stellen.<br />

Abb.<br />

1:Vereinfachte Darstellung ausgewählter Einflussgrößen auf das Krafttraining<br />

(Rittweg OSP MRN)<br />

Um das Landtraining gewinnbringend einzusetzen sind im Vorfeld der Konzeptionierung<br />

verschiedene Punkte zu berücksichtigen. Eine vereinfachte Übersicht zeigt Abb1.<br />

Beispielsweise sind die Wahl der Methoden, Inhalte und Belastungsnormative von einer<br />

Vielzahl von Faktoren abhängig und bezüglich der Zielstellung (Hypertrophie, IK-Training),<br />

der Altersgruppe und der individuellen Voraussetzungen (Defizite/Verletzungen) hinreichend<br />

zu differenzieren (Gottlob 2001).<br />

Für die Umsetzung eines erarbeiteten Konzeptes spielen die Möglichkeiten vor Ort an den<br />

Trainingsstätten eine entscheidende Rolle. Dementsprechend sind mehrere Fragen zu klären:<br />

<br />

<br />

<br />

Welche Möglichkeiten habe ich an einem Bundesstützpunkt oder einem kleinen Verein?<br />

Welche Herausforderungen sind zu bewältigen?<br />

Wie kann ich mit den Gegebenheiten vor Ort ein individuelles, den Zielstellungen angepasstes<br />

Landtraining gestalten?<br />

In den einzelnen Stützpunkten bzw. Vereinen kann nicht von den gleichen Voraussetzungen<br />

ausgegangen werden. Während ein Bundesstützpunkt mit separaten Räumlichkeiten und ggf.<br />

Langhanteln sowie Kraftgeräten ausgestattet ist, ist in kleinen Vereinen zum Teil nur ein<br />

Training am Beckenrand mit dem eigenen Körpergewicht möglich. Die Ziele des Landtrainings<br />

sind teilweise an das vorhandene Equipment anzupassen. Stehen nur Gymnastikbänder und das<br />

eigene Körpergewicht zur Verfügung, ist beispielsweise ein Maximalkraft- oder IK-Training<br />

ausgeschlossen bzw. nur eingeschränkt durchführbar. Sollten die vorhandenen Möglichkeiten<br />

ausgeschöpft sein, ist es sinnvoll sich externe Partner, wie Fitnessstudios mit der<br />

entsprechenden Expertise zu suchen, um eine Leistungsentwicklung gewährleisten zu können.<br />

Oder die Trainer stellen sich diesen Herausforderungen selbst und lassen ihrer Kreativität freien


59<br />

Lauf, wie sie mit den vorhandenen Optionen ein adäquates und individuelles Training erstellen<br />

zu können.<br />

In diesem Zusammenhang sind neben den Trainingszielen (z.B. Hypertrophie-Training,<br />

Rumpfstabilität) die Muskeln bzw. Muskelgruppen (z.B. Training der Antriebsmuskulatur) zu<br />

berücksichtigen, die beansprucht werden sollen. Trotz einer zum Teil mangelnden Flexibilität<br />

in der Auswahl der Trainingsmittel (eigenes Körpergewicht, Gummiband, Freihantel) auf<br />

Grund des fehlenden Equipments sollten sich die verantwortlichen Trainer kritisch mit den Vorund<br />

Nachteilen der gewählten Übungen auseinandersetzen. Unabhängig vom Trainingsmittel<br />

oder den Inhalten ist immer auf eine hohe Bewegungsqualität zu achten, um Verletzungen zu<br />

vermeiden und den Trainingseffekt zu optimieren.<br />

Im diesem Artikel erfolgt ein kurzer Überblick bezüglich Trainingsmittel, Übungsbeispielen<br />

sowie Hinweisen zu Ausführung aus praktischen Erfahrungen einzelner Trainer, die sich im<br />

Trainingsalltag als geeignet erwiesen haben. Es ist lediglich eine kleine Auswahl der bei der<br />

Tagung genannten Übungen. An dieser Stelle soll keine detailliert Betrachtung oder Beurteilung<br />

der Beispiele hinsichtlich der Wirksamkeit mit Hilfe der Literatur erfolgen. Ziel sollte vielmehr<br />

ein Erfahrungsaustausch und Denkanstoß sein, auf dessen Basis diskutiert werden kann.<br />

Beispiele Armtraining<br />

Klimmzüge<br />

Klimmzüge werden häufig als einfaches Tool für das Widerstandstraining benannt, da das<br />

notwendige Equipment – der Körper – immer mit dabei ist und eine Klimmzugstange nahezu<br />

in jeder Schwimmhalle vorzufinden ist. Allerdings erfolgt diese Aussage oft zu leichtfertig. Es<br />

ist zu berücksichtigen, dass diese Übung ein hohes Maß an Kraftfähigkeit voraussetzt. Bei<br />

einem Klimmzug sind mehr als 90% des eigenen Körpergewichts zu bewältigen. (Ehlenz et al,<br />

1985).<br />

Unterstützend kann in diesem Fall ein Gummiband eingesetzt werden. Mit Hilfe der<br />

Klimmzüge können die schulterextendierende und die adduzierende Rückenmuskulatur sowie<br />

der Armbeuger trainiert werden. (Gottlob 2001). Allerdings gestaltet es sich bei Anfängern und<br />

schwächeren Athleten schwierig auf Grund des hohen Widerstandes die einzelnen Muskeln<br />

differenziert anzusteuern. Häufig verrichtet der Armbeuger die meiste Arbeit und die weiteren<br />

Muskeln im Bereich der Schulterblätter, welche die Schulterstabilität fördern werden nur sehr<br />

geringfügig trainiert. In diesem Zusammenhang stellt sich dann die Frage, ob es das Ziel ist die<br />

Übung per se oder bestimmte Muskeln zu trainieren. An einem Gymnastikband, perspektivisch<br />

an einem Lastzug-Gerät kann die schulterextendierende und adduzierende Rückenmuskulatur<br />

zum Teil wesentlich besser involviert werden. Dennoch sind auch bei diesen vermeintlich<br />

einfacheren Trainingsmitteln einige Punkte zu beachten. Die Schulterblattadduktion erfolgt<br />

aktiv zu Beginn der Übung. die Brustwirbelsäule bleibt dabei aufrecht und die Schultern sind<br />

zentriert im Gelenk. Es ist gegebenenfalls sinnvoll beide Übungsvarianten ins Training zu<br />

integrieren, um die jeweiligen Vorteile zu nutzen.<br />

Kräftigung der Schulter- und Armmuskulatur mit Sand<br />

Ein sehr interessanter und kreativer Ansatz für das Training der schultergelenksumgebenden<br />

Muskulatur ist die Nutzung von Sand. Zur Kräftigung und als angenehme Abwechslung zum<br />

normalen Training mit Gymnastikbändern ist es möglich Sand als Widerstand einzusetzen.<br />

Durch entsprechende lineare und rotatorische Bewegungen kann bei technisch guter


60<br />

Ausführung die Stabilität des Schultergelenks und die Armkraft verbessert werden. Im<br />

Gegensatz zu Gummibändern bleibt der zu überwindende Widerstand über das gesamte<br />

Bewegungsausmaß nahezu gleich. Der Widerstand kann durch ein unterschiedlich tiefes<br />

Eintauchen der Extremitäten in den Sand variiert werden.<br />

Beispiele Beintraining<br />

Kniebeuge<br />

Auf Grund ihrer hohen Muskelaktivierung (Gottlob 2001) sind Kniebeugen als Komplexübung<br />

sehr empfehlenswert. Insbesondere die inter- und intramuskuläre Koordination kann dadurch<br />

verbessert werden. Trainiert wird neben der Beinmuskulatur der gerade Rückenstrecker, der als<br />

Stabilisator dient. Der lumbale Bereich wird bei tiefen Kniebeugen intensiver beansprucht als<br />

bei Halben. Entsprechend ist die Aktivierung gewisser Beinmuskeln in bestimmten<br />

Gelenkwinkeln höher als in anderen. An dieser Stelle soll allerdings keine Auflistung von Vorund<br />

Nachteilen bestimmter Kniewinkel hinsichtlich Trainingseffekt und Belastungen einzelner<br />

Strukturen erfolgen. Es ist jedoch wichtig abzuschätzen, ob die Kniebeuge im Hinblick auf<br />

anatomische Gegebenheiten bzw. aktuelle Kraftvoraussetzungen ein geeignetes Mittel ist die<br />

Beinmuskulatur intensiv zu trainieren. Ist eine technisch saubere Kniebeuge auf Grund von<br />

Beinachsenfehlstellungen, Schwächen in der unteren Rückenregion und mangelnder<br />

Beweglichkeit nicht durchführbar, sollte temporär eine andere Übung gewählt werden. Neben<br />

der klassischen Kniebeuge an der Langhantel, ist auch ein Training mit Kurzhanteln möglich.<br />

Zu berücksichtigen ist, dass verschiedene Varianten der Kniebeugen die Muskeln der unteren<br />

Extremitäten und des Rumpfes unterschiedlich beanspruchen.<br />

Die Trainer haben verschiedene Erfahrungen gemacht, ob halbe, ganze oder tiefe Kniebeugen<br />

für die Leistungsentwicklung und die Gesundheit ihrer Sportler praktikabel sind. Es wurde auch<br />

zum Teil ein Training an der Beinpresse integriert.<br />

Kniestrecker und Kniebeuger<br />

Neben den komplexen Übungen wie Kniebeugen lassen die Trainer die Beinmuskulatur auch<br />

isoliert kräftigen. Neben der Antriebsmuskulatur, dem Kniestrecker erfolgt mit Hilfe von<br />

Geräten oder Gummibändern ebenfalls ein Training der Beugemuskulatur. Eine übermäßig<br />

starke Streckmuskulatur und ein erhöhter Anpressdruck der Kniescheibe kann Schmerzen<br />

hervorrufen. Insbesondere Schwimmerinnen neigen durch Hypermobilität, u.a. zu einer<br />

deutlichen Überstreckung der Kniegelenke. Die Beugemuskulatur dient als Stabilisator und ist<br />

adäquat zur Streckmuskulatur zu trainieren. Für einen entsprechenden Trainingseffekt ist es<br />

notwendig, das Becken während der Übung stabil zu halten und ein Hohlkreuz zu vermeiden.<br />

Das Training sollte in beide Bewegungsrichtungen ohne Schwung erfolgen.<br />

Beispiele Rumpftraining<br />

Stabilisation über andere Kraftübungen<br />

Langhantelübungen sind wie bereits erwähnt komplexe Übungen mit einer hohen<br />

Muskelaktivierung, bei denen der Rückenstrecker als Stabilisator dient (Gottlob 2001).<br />

Vorgeschlagen wurde auch das Hanteltraining beispielsweise auf instabilen Untergründen<br />

durchzuführen, um die Aktivierung der Rumpfmuskulatur noch weiter zu erhöhen als bei<br />

herkömmlichen Übungen. Zu beachten ist, dass dadurch gegebenenfalls das eigentliche Ziel,<br />

wie z.B. bei den Kniebeugen das Training der Beinkraft nicht mehr im Vordergrund steht,


61<br />

sondern die Stabilisation des Rumpfes und die Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit. Ohne<br />

instabile Unterlagen ist es möglich höhere Lasten an Freihanteln zu bewältigen und den<br />

Trainingsreiz für die Beinkraftentwicklung zu erhöhen. Es ist abzuwägen welche Variante<br />

wirksamer für die eigentliche Zielleistung ist.<br />

Rumpfaufrichten mit Hilfe des Startblocks<br />

Ein interessanter Hinweise zur Kräftigung der Rückenmuskulatur war es das Rumpfaufrichten<br />

mit Hilfe des Startblocks zu trainieren. Die Sportler liegen bäuchlings über dem Startblock mit<br />

der Kante auf Höhe des Darmbeinkammes. Die Beine sind von einem Partner zu fixieren. Das<br />

Einstellen der Drehachse auf Höhe des Hüftgelenks bedeutet eine Mitinnervierung der Gesäßsowie<br />

der Kniebeugemuskulatur. Der Wirkung für die Rückenmuskulatur würde dadurch<br />

reduziert. Die dynamische Kräftigung des Rückenstreckers ist am effektivsten durch ein<br />

Training über das gesamte Bewegungsausmaß. Dies hilft dem Körper die Rumpfstabilität in<br />

jeder Haltung zu verbessern (Gottlob 2001). Statische Übungen in Bauchlage oder mit einer<br />

geringen Bewegungsamplitude reduzieren die Trainingseffekte.<br />

Lateralflexion/Rumpfrotation<br />

Frau Prof. Dr. Witt zeigte in ihrem Vortrag zur Roll- oder Verwringungstechnik im<br />

Freistilschwimmen, dass Schwimmer im Vergleich zu anderen Sportarten ein Defizit in der<br />

Lateralflexion und Rumpfrotation aufweisen. Dies ist durchaus als Leistungsreserve anzusehen.<br />

Von Seiten der Schwimmtrainer wurde auch keine konkrete Übung für diese Muskelgruppen<br />

benannt.<br />

Fazit<br />

Jeder Stützpunkt hat andere Möglichkeiten, die das Training mitbestimmen. Diese stellen den<br />

Trainer vor die Herausforderung, ein adäquates Programm zu erarbeiten. Bei der<br />

Erstellung eines Konzeptes ist es notwendig festzulegen welche Inhalte, Mittel und Methoden<br />

passend sind, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Es existieren unzählige Übungen, die sowohl<br />

an einem Bundesstützpunkt als auch in einem kleinen Verein gewinnbringend eingesetzt<br />

werden können. In diesem Zusammenhang besteht die Notwendigkeit sich damit<br />

auseinanderzusetzen, ob mit diesen die Ziele realisiert werden können und für das eigene<br />

Training geeignet sind.<br />

Quellen<br />

Ehlenz, H.; Grosser, M.; Zimmermann, E. (1985) Krafttraining. BLV Verlagsgesellschaft<br />

München Wien Zürich<br />

Gottlob, A. (2001). Differenziertes Krafttraining mit Schwerpunkt Wirbelsäule. Urban &<br />

Fischer<br />

Hilgner-Recht, M. & Wirth, K. (2011) Krafttraining im Schwimmsport. Leistungssport 1/2011<br />

Autor:


62<br />

Mareike Rittweg<br />

OSP Metropolregion Rhein-Neckar<br />

Email: m.rittweg@osp-mrn.de<br />

René Dekker<br />

Schwimmen lernen:<br />

Neue Konzepte und neues Programm. ***<br />

(Schul)Schwimmen aus Sicherheitsgründen<br />

Das Thema des Schulschwimmens ist sehr wichtig. Aus mehreren Gründen müssen wir uns<br />

damit beschäftigen. In den Medien wird oft veröffentlicht, wie die Qualität des Schwimmens<br />

der Kinder ist. Oft geht es darum, dass viele Kinder ertrinken, nicht nur in Deutschland sondern<br />

in vielen Ländern. Zum Beispiel sind in Norwegen in den letzten zwei Jahre 234 Menschen<br />

ertrunken (Johanesson, 2015) und in den Niederlanden kritisiert „Expertise Centrum<br />

Zwemonderwijs“ (Experten - Zentrum Schwimmunterricht) die Schwimmfähigkeit der Kinder<br />

im Grundschulalter (Metro, 2014).<br />

In Deutschland hat die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft festgestellt, dass 50% der<br />

Kinder im Wasser nicht sicher sind (Hottenrott, 2015). Im Jahre 2014 sind in Deutschland 20<br />

Kinder im Lebensalter von 0-15 Jahre ertrunken (DLRG, 2015). Die negative Entwicklung der<br />

Rahmenbedingungen für eine qualifizierte Schwimmausbildung in der Schule hat nachteilige<br />

Auswirkungen (Robert – Koch - Institut, 2015, S. 2; Seidel, 2016, S. 6)<br />

Damit kommt auch der Verein ins Blickfeld. Wenn sich die Ausbildung verschlechtert, hat der<br />

Verein eine geringere Chance neue Mitglieder zu bekommen.


63<br />

Swim2Play ist mehr als ein Sicherheitsverfahren<br />

Spaß<br />

Aus der Sicht von Swim2Play ist nicht nur die Wassersicherheit ein Ziel, sondern auch das<br />

spielerisches Lernen der Kinder im Alter von 4 – 12 Jahren. In den USA gibt es das Institute<br />

für Spiele (National Institute of Play), der Gründer ist Dr. Stuart Brown. In einen Ted X Beitrag<br />

erklärt er, warum es für Menschen so wichtig ist, zu spielen.<br />

Zusammenfassend: „Wir haben in unserer Kultur etwas verloren“. (Brown, 2008 in<br />

https://www.ted.com/talks/stuart_brown_says_play_is_more_than_fun_it_s_vital?)<br />

Geschichte<br />

Aus der Geschichte lernen wir, dass das spielerische Lernen schon seit langem propagiert wurde.<br />

Kurt Wiessner schrieb, dass Kinder im Alter 6-9 Jahren noch vorwiegend Phantasie- und<br />

Spielkinder sind. Also keine Einzelbewegungen üben, sondern die Gesamtbewegungen.<br />

Zweites Zitat: „Aus den Spielen wird sich eine dem Einzelnen angepasste freie Art des<br />

Schwimmens herausbilden, die durchaus keine Stilgerechte zu sein braucht….“ (Wiessner,<br />

1925, S. 59).<br />

In „Homo Ludens“ (Huizinga, 1938, Deutsche Ausgabe, 1939) betont Huizinga die<br />

Notwendigkeit des Spielens. Einmal gespielt bleibt es in Erinnerung, wird überliefert, und kann<br />

immer wiederholt werden. Der Mensch hat eine spielerische Art und dies hilft, neue Konzepte,<br />

Ideen zu konzipieren, kritisch zu sein, Humor zu entwickeln, mit Freude Arbeiten zu wollen<br />

usw. (Gould, 1977; Montagu, 1981).<br />

Huizinga geht in seinen Gedanken so weit, dass der Krieg als ein Spiel angesehen werden kann.<br />

Krieg ist eine Prüfung des Gewinnens oder Verlierens. (Huizinga, 1938, S. 132). Dies ist ein<br />

interessantes Thema, weil das Spiel auf jeder Ebene und in jeder Situation für alle Menschen<br />

offensichtlich wichtig ist.<br />

Gesundheit<br />

Zuletzt möchte ich betonen, dass Psychologen seit Freud eine Korrelation zwischen früh-kindlichen<br />

Erfahrungen und der geistlicher Gesundheit der Erwachsene gefunden haben. Doch erst<br />

in den letzten 50 Jahren wurde die Bedeutung des Spieles im frühkindlichen Alter für die Entwicklung<br />

der Gesundheit stärker berücksichtigt. (Erikson, 1963; Piaget, 1962; Vygotsky, 1986<br />

in American Journal of Play, 2014, S.238)<br />

Das Konzept Swim2Play ist nicht auf diese Gesundheitsproblematik gerichtet. Aber der<br />

Gedanke ist wichtig, weil ein Mensch ein Leben lang lernen kann und soll (Motivation) und<br />

dadurch so gesund und fit wie möglich bleiben wird.<br />

Spiel<br />

Zuerst richten wir uns auf das Spiel als Soziales, das heißt:<br />

Spiel zwischen Kindern und Erwachsenen und Spiel zwischen den Kindern. Abhängig vom<br />

Lebensalter beschäftigt sich ein Kind zuerst mit den Objekten. Es braucht die physische<br />

Kapazitäten, das Objekt zu beherrschen und die Möglichkeit, diese Objekte zu manipulieren,<br />

bevor es damit Spielen kann (Hughes, 1999).<br />

Im Rahmen des Schwimmunterrichts, wenn die Kinder mit 3 bis 4 Jahren ins Becken kommen,<br />

spielen sie alleine oder mit den Eltern. Die Kinder leben in einer Phantasiewelt, wobei die<br />

Erfahrungen wichtig sind für die weitere Entwicklung. Erwachsenen sollen Spiele bei den<br />

Kindern initiieren, aber ihnen die Freiheit lassen, wie sie das ausfüllen. Im Verein nennt man


64<br />

das Wassergewöhnung. Wenn die Kinder auf ihre eigen Weise die „Probleme des<br />

Wassers“ selbst erfahren dürfen, entsteht das divergente Lernen. Probleme auf verschiedene Art<br />

und Weise lösen zu können, verstärkt die Kreativität! (Hirsch-Pasek, Golinkoff, 2003). Kinder<br />

können im Spiel neue Ideen entwickeln und mehrere Ideen kombinieren, so dass eine neue<br />

Lösung entsteht (Pearson, Russ, Spangel, 2008). Für Swim2Play ist es wichtig, dass die Kinder<br />

von Anfang an mit eigenem Stil, Art und Weise sowie in eigener Zeit und Tempo lernen können.<br />

Die Phantasie soll genutzt werden, weil es den Kinder die Kontrolle über das Umfeld, ihre<br />

Gedanken und Gefühle (Johnson et al., 2005) gibt. Kinder entwickeln sich besser in<br />

heterogenen- statt homogenen Gruppen, ein wichtiger Unterschied zwischen privaten<br />

Schwimmunterricht und Schulschwimmen. Auch in den Vereinen gibt es beim Breitensport<br />

mehrere Niveaus. Wir denken, dass nicht nur Nicht-Schwimmer in der<br />

Wassergewöhnungsphase (1-4 Jahre) wegen dieser Erkenntnis spielerisch ausgebildet werden<br />

müssen, sondern auch die Kinder in der nächsten Phase (5-12 Jahre).<br />

Metapher der Brillen<br />

In den Niederlanden hören viele Kinder im Alter 6 Jahre mit dem Schwimmen auf. Das<br />

Leitmotiv ist sehr oft: „Es macht kein Spaß mehr“ oder die Eltern sagen: „Zuerst Seepferdchen<br />

und dann darfst du Fußball spielen“.<br />

Als Metapher nutzen wir hier die Brillen. Sicherheit heißt die Brille der Eltern und Spaß die<br />

Brille der Kinder. So schnell wie möglich schwimmen lernen, damit die Kinder schwimmfähig<br />

sind und nicht ertrinken können. Heut zu Tage gibt es viele Schnellkurse, in denen die Kinder<br />

in weniger als 3 Monaten Schwimmen lernen. Eine kurze Zeit, in der die Kinder komplexe<br />

Fähigkeiten lernen müssen, obwohl das Gehirn noch nicht ganz in der Lage ist, die Muskulatur<br />

richtig anzusteuern. Damit wird die Motivation zumindest für die Bewegungsschwächeren<br />

schon am Anfang negativ beeinflusst. Wie sollen die Kinder dauerhaft Freude erleben?<br />

Das Problem liegt darin, dass die Fähigkeit zwar in diesem Moment klappt (für das<br />

„Diplom“/die Urkunde), leider werden die Fähigkeiten nicht auf längere Zeit gefestigt. Dieses<br />

„Diplomdenken“ hat deswegen einige Nachteile, auch aus didaktischen- und pädagogischen<br />

Gesichtspunkten.<br />

Inhaltlich richtet das Diplom/ die Urkunde sich fast nur auf das Schwimmen. Johanna Seidel<br />

hat in ihrer Masterarbeit über die Begriffsdefinition des Schwimmens als Art der Fortbewegung<br />

geschrieben: „ Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass von Schwimmen als eine Art der<br />

Fortbewegung nur dann gesprochen werden kann, wenn sowohl die vier Kernelemente als auch<br />

die Kernbewegungen: Arm-, Bein-, Körper- und Atembewegung beherrscht werden und<br />

abschließend in eine Zielform, wie beispielsweise dem Brustschwimmen, übergehen“ (Seidel,<br />

2016).<br />

Die Kernelemente Atmen – Schweben – Antreiben – Gleiten (Bissig; Gröbli; Amos; Cserépy,<br />

2004a, S. 5.), wobei Widerstand und Auftrieb die Lage beeinflussen und deswegen wichtig sind,<br />

bedeuten mehr als Schwimmen. Die Notwendigkeit dieser Elemente wird nicht in Frage gestellt.<br />

Wir bilden nicht nur für das Wettkampfschwimmen aus, sondern auch für alle Sportarten in und<br />

ums Wasser: Diese Vielseitig- und Vielfältigkeit sollen betont werden.


65<br />

Die Brille der Eltern und meistens auch eines Teils der Bademeister und Bademeisterinnen ist<br />

aus diesem Grund auf die Sicherheit gerichtet. Wie schaut man durch die Brille der Kinder? Die<br />

Kinder gehen nicht mit den Gedanken ins Schwimmbad, jetzt übe ich die Sicherheit, nein, das<br />

Kind möchte Spaß haben!<br />

Ein kleines Beispiel. In den Ferien war ich auf Korsika und einmal war ich auf einem<br />

Campingplatz mit einem kleinen Freizeitbad. Ich setzte mich hin und habe mir die Kinder<br />

angeguckt. Was machten die Kinder? Springen, unter Wasser verbleiben, Spiele wie Judo und<br />

Ballspiele. Keiner hat ein oder zwei Bahnen hintereinander geschwommen. Wenn diese<br />

Erfahrung oder Beobachtung richtig ist, warum sollen die Kinder am Anfang<br />

Schwimmtechniken üben und warum orientieren die Lehrer beim „Diplomschwimmen“ und im<br />

Sportunterricht auf die Techniken der unterschiedlichen Schwimmarten? Kommt das Üben<br />

nicht zu früh? (außerhalb den motorischen Fähigkeiten des symmetrischen Fortbewegen), hat<br />

das Kind eine intrinsischen Motivation, iess zu üben, was „wir“ von ihnen erwarten?<br />

Wenn Spielen so wichtig ist, warum dann nicht im Schwimmunterricht und im Training in den<br />

Vereinen. Spiel macht in den Vereinen auch den Kindern Spaß, die schon Schwimmen gelernt<br />

haben. Die Zielstellung im Training bleibt die Vielseitigkeit.<br />

Durch die dritte Brille, die des Vereins, sehen wir in allen Wassersportarten<br />

(Wettkampschwimmen, Wasserball, Springen, aber auch Segeln, Kite surfen usw.). Wenn es<br />

dem Kind Spaß gemacht hat, die Eltern zufrieden sind (weil sich das Kind sicher im Wasser<br />

bewegt), hoffen wir, dass das Kind sich entscheidet, Mitglied eines Vereins zu werden. Damit<br />

kommt das Kind in eine Welt, zumindest dort wo Wettkämpfe stattfinden, in der die Protokolle,<br />

Regeln usw. wichtig geworden sind.<br />

Der Weg und die Zielstellung (Lernen mit Spaß) wird damit nicht versperrt, sondern geändert.<br />

Zielstellung der Trainer und Sportler sind abhängig von der „Trainingsgeschichte“ des Sportlers.<br />

Wie das Thomas Lurz (Olympia Bronzegewinner 10 KM, Peking, 2008) in dieser Tagung<br />

gesagt hat: Training macht keinen Spaß, zumindest nicht immer! Das hat dann mit Zielstellung<br />

und Alter zu tun (damals war er 28 Jahre alt). Er hat mehr als 4 Jahre trainiert, um ein Ziel zu<br />

erreichen, dass kann man von Kindern (und Eltern) nicht verlangen. Zu gegebenen Zeit soll der<br />

Trainer oder die Trainerin das natürlich erklären können und müssen. Es geht darum, dass die<br />

Kinder motiviert sind!<br />

Schwimmen als Teil des Bewegungsunterricht in der Schule<br />

Im Unterricht haben wir ein einfaches Modell<br />

In dieser didaktischen Landschaft stehen drei Türme. Der Trainer kann in seinem Training einen<br />

Turm beleuchten oder betonen aber er/sie weiß, dass die anderen Türme immer da sind und<br />

wichtig sind für den Erfolg im Training.


66<br />

Bei „Läuft es“ geht es meistens um die Organisation, wie wir Swim2Play einbinden können.<br />

Auch im Verein soll man darüber nachdenken, wie man spielerisches Lernen einbinden kann.<br />

Eine Vereinbarung mit der Schule wäre natürlich ideal.<br />

Ein Beispiel für eine Organisationsform:


67<br />

Bei „GeLingt es“ geht es um das Niveau der Aktivität und die Fähigkeiten des Kindes oder der<br />

Gruppe der Kinder. Die Trainer müssen den Kindern Raum geben, um zu entdecken, aber auch<br />

(Lern)Hilfen anbieten, manchmal auch Korrekturen, damit sich das Lernvermögen der Kinder<br />

steigert. Das Lehrresultat wird länger anhalten, wenn der Trainer einem induktiven<br />

Lehrverhalten als Lehrmethode den Vorrang gibt.<br />

Bei „Lebt es“ geht es darum, dass die Motivation hoch bleibt. Das erreicht man, wenn die<br />

Aufgaben gesteigert werden können, das heißt, mit derselben Zielstellung die Schwierigkeit zu<br />

erhöhen. Die 3-Einheit: Denken – Tun – Spüren hilft dabei, die Aufgaben so authentisch wie<br />

möglich zu halten.


Diese „Lebt es“ Erfahrung ist unterschiedlich: Demotivation – Extrinsische Motivation –<br />

Intrinsische Motivation. Abhängig vom Alter der Kinder muss die Dauer der Demotivation und<br />

Extrinsische Motivation so kurz wie möglich sein; das heißt, dass die Trainingseinheiten so oft<br />

wie möglich Spaß machen sollen. Es gibt ein „Aber“. Wenn die Kinder schon länger trainieren,<br />

so ab 9-10 Jahre, ist es möglich, dass die Kinder nicht jede Trainingseinheit interessant finden<br />

und weniger Spaß daran haben. Die pädagogischen und didaktischen Qualitäten der Trainer<br />

helfen den Kindern zu erklären, was die Zielstellung der Arbeit ist. Wobei das Verständnis zur<br />

intrinsischen Motivation führen kann. Die Zielstellung soll in der Begriffswelt der Kinder<br />

erklärt werden, kurzfristig ist besser als langfristige Pläne. Ob ein Kind für die Aufgabe lebt,<br />

ist meistens sehr davon abhängig, ob die Lösung der Aufgabe dem Kind gelingen kann. Das<br />

heißt, dass die Zielstellung eine Herausforderung sein muss, wobei es die Chancen hat, dass es<br />

gelingt – oder misslingt. Wenn die Trainingseinheiten immer gelingen, gibt es keine<br />

Anforderung mehr und die Einheit muss für das bestimmte Kind oder die Gruppe angepasst<br />

werden, sonst verlieren sie die Motivation.<br />

Einheiten, in denen die Kinder spielerisch miteinander arbeiten können, sind wichtig für diese<br />

Motivation. Auch in der National (Jugend) Mannschafft ist ein Spiel manchmal gut für<br />

Entspannung, Mannschafftbildung und Ablenkung (Mannschaftsatmosphäre).<br />

68


69<br />

Nach Walinga, 2014<br />

Training in unseren Vereinen ist mehr als Instruktion. Aufgaben im Rahmen der Technik, Tests<br />

und „Übungsreihen“ sind notwendig. Die Trainer sollen immer berücksichtigen, dass wir mit<br />

Kindern arbeiten (kalendarisches und biologisches Alter) und deswegen die pädagogische<br />

Aspekte nicht aus den Augen verlieren.<br />

Vereinbarung Sport und Schule<br />

In der Schule fördern die Lehrer die Kinder, um ihre Qualitäten zu verbessern. Das heißt, die<br />

Kinder sollen Fähigkeiten für das 21. Jahrhundert entwickeln. Können wir für den Prozess der<br />

körperlichen Entwicklung ein gemeinsames Angebot der Schule und der Schwimmvereine<br />

erarbeiten?


70<br />

In unserem Konzept beschäftigen wir uns (noch) nicht mit Computer-Fähigkeiten, aber in den<br />

Vereinen können Techniken der Schwimmarten durch Sportler selbst aufgenommen und<br />

beobachtet werden. Damit erhalten sie Kenntnisse über die Art und Weise, wie sie sich im<br />

Wasser (oder Startsprung / Wende) bewegen.<br />

Ich rede hier nicht von Leistungs- sondern vom Breitensport, wo die Kinder vom Medium<br />

Wasser begeistert sind. Als Trainer müssen wir nicht nur dafür sorgen, dass der Nachwuchs<br />

begeistert bleibt, sondern dass sie sich so entwickeln, dass mehr Kinder als Talente weiter in<br />

die National- (Jugend-) Mannschaft weitergeleitet werden.<br />

Die Motivation ist dabei am wichtigsten, das ist schon klar geworden, aber es gibt mehrere<br />

Gründe das Training zu variieren. Mit dem Modell „Geldig“ (auf Deutsch Gültig) versuchen<br />

wir das zu erklären.<br />

Jedes Training hat eine Zielstellung. Diese Zielstellung ist wichtig, weil auch die Kinder<br />

verstehen sollen, worum es „heute“ geht. Kinder leben in der Gegenwart und abhängig vom<br />

Alter müssen die Trainer den Kindern helfen, sich Ziele zu stellen: zuerst kurzfristig und nach<br />

dem 12. Lebensjahr auch langfristiger.<br />

Trainer sind Lehrer mit Qualitäten als Psychologe und Pädagoge, mit Kenntnissen über die<br />

Sportart. Sie müssen ihr Wissen sowohl an Kinder, als auch an ihre Eltern weiterleiten.<br />

Kommunikationsfähigkeiten sind sehr wichtig, um die Ziele klar zu machen. Das Buch: „Mein<br />

Kind schwimmt …“ (Rudolph, 2014) ist deswegen sehr lesenswürdig!<br />

Erfahrungs- und entwicklungsgerichtetes Lernen


71<br />

Diese Folie aus meiner Präsentation macht klar, worauf wir in der Nachwuchsarbeit achten<br />

müssen. Es verdeutlicht, dass Arbeiten und Trainieren mit Kindern ein Beruf ist. Der DSTV hat<br />

sich darum schon lange gekümmert.<br />

Motorisches Lernen<br />

Wir müssen als Trainer die Schwimmarten sehr gut analysieren können. Es gibt jedoch nicht<br />

nur eine Technik. Jeder Schwimmer oder jede Schwimmerin hat eine eigene Technik. Wir<br />

müssen miteinander versuchen, das Optimum zu erreichen. Dafür brauchen wir Zeit und Raum,<br />

die Kinder experimentieren zu lassen. Oft beachten wir nicht die Aspekte des motorisches<br />

Lernens bzw. des implizites Lernens und eingebunden das differentielles Lernen (Schollhorn<br />

u.a.). Die Forschung beschäftigt sich schon lange mit diesem Thema. Jens Kleinert hat in 2012<br />

(Band 33) am Beispiel des Schrittstarts dazu referiert.<br />

In diesem Bereich ist es wichtig, viel mit Übungen zur Entwicklung der koordinativen<br />

Fähigkeiten zu arbeiten. Das Buch von Günther Frank mit Ideen für die Praxis kann dabei helfen.<br />

Kinder sollen das wissen und Erfahrungen sammeln. Erfahrungen werden besser behalten!<br />

Differentielles Lernen im Training muss in jedem Alter durchgeführt werden, weil der Körper<br />

sich ändert und damit auch die Technik. Anpassungsfähigkeit, Anspruchsniveau und Motorik<br />

sind sehr unterschiedlich. Dafür ist es notwendig, alle Trainingsmittel und Methoden zu nutzen<br />

um das Optimum realisieren zu können. Viele diese Fähigkeiten kann man durch Spiele<br />

vermitteln, der eigenen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.<br />

Hat Swim2Play eine Zukunft im neuen Schwimmunterricht?<br />

Üben auf eine spielerische Weise (Game Play) hat gute Aussichten. In unserer Praxis haben wir<br />

„Spaß“ gemessen. Eine Frage der Fragebögen war:<br />

Wenn du eine Note geben müsstest von 1 bis 10, wieviel Spaß macht das Schulschwimmen?<br />

(Die Note 1 ist sehr niedrig, im Vergleich die Note 6 in Deutschland) und die Note 10 ist<br />

ausgezeichnet (Wie in Deutschland die Note 1).


72<br />

Frage A N=83 :<br />

ISK ist eine Gruppe Nichtschwimmer (12-18 Jahre) mit Migrationshintergrund<br />

Ichthus ist die Gruppe 5 (9-10 Jahre)<br />

Montessori ist die Klasse 6,7 und 8 (10-12 Jahre)<br />

Wir haben auch nach den Gefühlen gefragt (Frage B), N= 85:


Masterthesis<br />

Johanna Seidel (2016) hat an der Technischen Universität München ihre Masterthesis über<br />

Swim2Play geschrieben. Zwei Folien (Abbildung 11 und 16) zeigen, dass der Anteil Game Play<br />

und körperliche Aktivität hoch sind. So wie wir es erwarteten.<br />

73


74<br />

Fazit und Ausblick<br />

Diskussion:<br />

Bemerkungen:


75<br />

Schluss<br />

Mit Swim2Play haben wir in der Praxis einfach angefangen, weil die Zeit dafür reif war. Wegen<br />

finanzieller Einschränkung und politischer Ideen über Schwimmen können immer weniger<br />

Kinder Schwimmen und / oder die Fähigkeiten werden niedriger. Auch die Deutsche<br />

Vereinigung für Sportwissenschaft macht sich Sorge so wie wir.<br />

Wir sind auf der Suche nach einem Modell, während wir in der Praxis tätig sind. Wir werden<br />

immer mehr darin bestätigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Statt einer Literaturliste habe<br />

ich ein Bild von einem Haus als Fundament unsere Ideen.


76<br />

Seit 2013 arbeiten mittlerweile 12 Gemeinten mit dem Swim2Play Konzept. Ich glaube dass<br />

dieses Konzept Freude für alle Beteiligten bringt. Wichtig ist die Ausbildung der Trainer,<br />

(Sport)Lehrer und Aller die Unterricht im Schwimmbereich geben, um die Ideen und Ziele<br />

erklären zu können. Das Konzept ist wirklich anders und man braucht Zeit und Kenntnis, um<br />

durch diese neue Brille auf den Schwimmunterricht und das Training schauen zu können.<br />

Es ist nicht einfach Änderungen durchzuführen. Ich möchte meinen Vortrag mit Arthur<br />

Schopenhauer (1788-1860) beenden<br />

René Dekker<br />

E-Mail: rene@swim2play.nl<br />

Website: www.swim2play.nl<br />

1981 - 1992 Vereinstrainer<br />

1986 – 1991 Assistenz Bundestrainer Nachwuchs und National Mannschafft<br />

1993 – 1998 Bundestrainer National Mannschaft<br />

2004 – 2006 Team Manager National Mannschafft<br />

2009 – 2012 Team leader National Mannschafft<br />

2013 - Swim2Play (Entwicklung neue Konzepte des Schulschwimmens)<br />

*** Das Manuskript des Autors wurde bearbeitet, Zitate und Abbildungen wurden ohne<br />

Korrekturen übernommen


77<br />

Kim van Malderen<br />

Trainieren aus einem physiotherapeutischen Blickwinkel *<br />

Gelenkigkeit bei Jugendschwimmern<br />

Seit 10 Jahren arbeite ich bei dem Vlämischen Schwimmverband als Physiotherapeutin. Ich<br />

habe bereits mehrere hunderte Schwimmer betreut, um unter anderem die Gelenkigkeit zu<br />

überprüfen. Screening von Jugendschwimmern ist einer meiner Prioritäten. Wenn wir<br />

Gelenkigkeit im Allgemeinen betrachten, dann müssen wir leider feststellen, dass dieser<br />

wichtige physische Parameter für das Leistungsschwimmen immer schlechter wird. Im jungen<br />

Alter werden andere Sportarten zu wenig berücksichtig und wegen der Ablenkungen durch<br />

Laptop/Ipad/Handies usw. fehlt die Zeit für spezielle Übungen.<br />

Gleichwohl sieht man gegenwärtig im Internet, dass „Yoga“ absolut für die Spitzenschwimmer<br />

empfohlen wird, um zum Beispiel Gleichgewicht, Kraft und Gelenkigkeit im Zusammenspiel<br />

zu verbessern. Gutes Atmen bei diesen Übungen hat einen doppelten Vorteil.<br />

Wenn wir die 4 Schwimmarten betrachten, dann stellen wir die Notwendigkeit der<br />

Überstreckung in den Knien und Füßen fest. Um mit der 5. Schwimmart, den „Delfinkicks“, in<br />

der internationalen Spitze gut mithalten zu können, ist es wichtig, dass diese physischen<br />

Parameter ausreichend vorhanden sind.<br />

Die Überstreckung der Knie und Füße können auf folgende Art einfach getestet werden:<br />

- Überstreckung der Knie<br />

Sitzen: Beine gestreckt, Füße in maximaler Dorsiflexi (Zehe aufwärts), Knie und Füße gegen<br />

einander<br />

Rumpf: Aufrechter Sitz, Hände stützen hinter dem Rumpf auf den Boden<br />

Kopf: neutrale Position<br />

Bewegung: maximale (Hyper) Extension des Kniegelenks (bringe die Fersen so hoch wie<br />

möglich vom Boden)<br />

4 Sekunden die maximale Position festhalten.<br />

Score 14


78<br />

- Überstreckung Füße<br />

Sitzen: Beine gestreckt, Knie und Fersen gegeneinander<br />

Rumpf: Aufrechter Sitz, Hände stützen hinter dem Rumpf auf dem Boden<br />

Kopf: neutrale Position<br />

Bewegung: maximale Streckung vom Sprunggelenk<br />

4 Sekunden die maximale Position festhalten.<br />

Score 14<br />

Leider sehen wir immer öfter bei den Schwimmern eine Position 1/2 statt 3/4. Überstreckung<br />

in beiden Gelenken hat man natürlich bei der Geburt als Kind schon mitbekommen oder man<br />

hat es nicht. Trainieren der Streckung in den Füßen und Knien kann aber positive Resultate<br />

bringen. Man darf aber keine Wunder erwarten. Natürliche Veranlagung für die Überstreckung<br />

ist wichtig.<br />

Um bei den 4 Schwimmarten mit dem Schwimmzug eine gute Effektivität (Reach) zu erreichen,<br />

ist ausreichende Gelenkigkeit im Schultergelenk und im Thorax eine Voraussetzung.


79<br />

Aufwachsende Kinder haben oft eine Verkürzung des M.Lattisimus Dorsi (großer Rückenmuskel),<br />

wodurch das Gleiten wie ein Pfeil nicht gut gelingt. Dehnen dieser Muskulatur ist dann<br />

sehr wichtig.<br />

Sowohl passiv als auch aktiv kann daran gearbeitet werden:<br />

Ausreichende Extension im Schultergelenk ist mit ausreichender Gelenkigkeit im Thorax möglich.<br />

Durch eine falsche Körperhaltung im täglichen Leben kann der Thorax zu rund sein und<br />

dadurch zu steif werden. Das kann dann wiederum zu geringerer Mobilität im Schulter- und<br />

Nackenbereich führen. Mobilisierung mit Hilfe eines Foamrollers können gute Übungen sein,<br />

um die Extension in diesem Bereich zu fördern.


80<br />

Um das Wasserfassen bei jeder Schwimmart gut ausüben zu können, ist eine ausreichende Endorotation<br />

im Schultergelenk notwendig. Eine derartige Bewegung kann auf folgende Art aktiv<br />

geübt werden:<br />

Bei allen Schwimmarten ist es wichtig, eine ausreichende Extension in den Hüften zu erzielen.<br />

Der M.Psoas (Hüftbeuger) ist oft verkürzt und mit der häufig entsprechenden vergrößerten lumbalen<br />

Krümmung bekommen wir folgendes Bild:<br />

Das Dehnen dieser Muskel kann durch eine „Schützenhaltung“ (s. Bild rechts) ohne ein Hohlkreuz<br />

erzielt werden. Dabei muss zuerst das Becken nach hinten gekippt werden und dann das<br />

ganze Becken nach vorne bewegt werden. Oben genannte Übung ist in Kombination mit dem<br />

Dehnen des Quadrizeps durchzuführen.<br />

Beim Brustschwimmen beobachten wir eine sehr spezifische<br />

Hüftbewegung, die Knie und die Hüften werden stark<br />

belastet. Ausreichende Gelenkigkeit in den Hüften und im<br />

Rücken ist deshalb wichtig. Die typische Brusthaltung auf<br />

dem Trockenen ist dann auch keine alltägliche einfache<br />

Haltung. Mit dieser Bewegung muss man bei den wachsenden<br />

Kindern aufpassen, weil es Schäden am Hüftgelenk<br />

verursachen kann!


81<br />

Sowohl beim Delfin- als auch beim Brustschwimmen wird viel Extension im Rumpf benötigt.<br />

Dieser Bewegungsumfang (range of motion) kann mit der kompletten Sphinx-haltung (s. Bild<br />

unten) getestet und geübt werden:<br />

Je schöner die C-Kurve, desto besser. Dabei muss das Becken<br />

auf dem Boden bleiben. Beim Brustschwimmen ist die Länge der<br />

Adduktoren sehr wichtig. Viele Kinder dehnen diesen Muskel<br />

im Sitzen, wobei die Rückenhaltung zu konvex ist. Es ist besser<br />

Übungen zu suchen, bei denen der Rücken entspannt wird, zum<br />

Beispiel auf dem Rücken liegend.<br />

Auf dem Rücken liegend ist es sehr gut möglich, die<br />

Adduktoren zu dehnen. Diese Übung kann auch mit gebeugten<br />

Knien für zu kurze Adduktoren ausgeführt<br />

werden. Auf diese Art können auch asymmetrische<br />

Haltungen/Bewegungen korrigiert und verbessert werden.<br />

In einem späteren Stadium ist es auch möglich, mit der<br />

Froschhaltung eine andere Ausgangshaltung anzunehmen.<br />

In dieser Haltung muss der Rücken kontrolliert<br />

werden (neutrale Krümmung lumbal). Diese Haltung<br />

ist natürlich viel schwieriger. Die Knie müssen auf<br />

Hüfthöhe bleiben und dabei so weit wie möglich nach<br />

außen geöffnet werden. Das Interessante dieser Übung<br />

ist, dass die Kinder die Breite der Knie als Parameter<br />

nutzen können, ob eine Verbesserung erreicht wurde.<br />

Der Muskel, der bei den wachsenden Kindern am meisten Nachteile aufzeigt, ist der Hamstring<br />

(hinterer Oberschenkelmuskel). Die hintere Kette (vor allem bei Jungen) kann dermaßen verkürzt<br />

sein, dass Rückenbeschwerden entstehen können. Dadurch kann zum Beispiel beim<br />

Schwimmen das Starten und Wenden sehr schwer fallen. Häufig sehen wir, dass die Dehnübungen<br />

für den Hamstring falsch ausgeführt werden - mit zu hoher Belastung


82<br />

für den Rücken. Die Kinder spüren den Schmerz im Rücken, das ist nicht das Ziel der Übungen.<br />

Die Dehnübungen dürfen keine Belastung im Rückenbereich bewirken. Einige Beispiele sind<br />

folgende:<br />

Wenn wir unilateral dehnen wollen,<br />

legen wir ein Bein durch die Türöffnung<br />

und das andere platzieren<br />

wir gegen die Wand.<br />

Beim Rückenstart sehen wir erneut die Notwendigkeit von ausreichender Extensionmobilität in<br />

den Hüften und im Rücken. Eine geeignete Dehnübung beim Landtraining sieht wie folgt aus.<br />

Wichtig hierbei ist, dass die Bewegung nicht mit einem hohlen Unterrücken, sondern über die<br />

Hinterbacke/Hüfte gestartet wird. Zuerst wird das Gesäß angespannt und danach werden die<br />

Hüften nach vorne bewegt. Kompensierung im Unterrücken darf dabei nicht stattfinden.


83<br />

Beim Schwimmen werden vor allem die vorderen und hinteren Muskelketten aktiviert. Wenn<br />

die Muskeln im Jugendbereich eine ausreichende Länge haben, ist das Dehnen dieser Ketten zu<br />

üben und analytisch zu beobachten. Mehrere Verbindungen/Gelenke/Muskeln zusammen zu<br />

dehnen ist sehr wichtig für eine gute Schwimmtechnik im Wasser und hilft vor allem auch, um<br />

Verletzungen vorzubeugen.<br />

Einige Beispiele zum Dehnen von Muskelschlingen sind:<br />

Autorin:<br />

Kim van Malderen<br />

kimvanmalderen@zwemfed.be<br />

* Übersetzung drs. Marcel Ekkelboom, Waspo Nordhorn.


84<br />

Winfried Leopold<br />

Zur Renneinteilung ausgewählter Weltbester im Schwimmen<br />

1. Vorbemerkungen:<br />

1. Es ist erfreulich, dass die Redaktion von „SWIM & MORE“ diesen Beitrag, der auf<br />

einem Referat zur Jahrestagung der Deutschen Schwimmtrainer-Vereinigung (DSTV)<br />

fußt, zur Veröffentlichung in der Rubrik „Wissenschaft und Lehre“ angefordert hat.<br />

Unter einem Bereich „Zur Diskussion“ oder „Zum Überdenken“ würde er zutreffender<br />

zugeordnet sein. Es soll gleich auch am Beginn klar gestellt werden, dass der Autor, der<br />

sich seit vielen Jahren mit der Thematik auseinandersetzt, die Ergebnisse als Tendenzen<br />

verstanden wissen möchte.<br />

2. Wie jeder Trainer im Nachwuchs- und Spitzenbereich beschäftigte sich der Verfasser<br />

mit der Leistungsentwicklung und den möglichen Ursachen für Fortschritte der eigenen<br />

Athleten und er hat beobachtet, wie sich die Gegner verbessern, wie die Leistungen im<br />

Weltschwimmsport insgesamt gesteigert wurden.<br />

Die Beobachtungen betrafen Technikfragen, einschließlich Start und Wende,<br />

Auswahlfragen, also Talentsuche und Talententwicklung, den langfristigen<br />

Leistungsaufbau und Belastungsfragen, die psychologische Steuerung im<br />

Vorstart“modus“ - besonders jedoch Fragen der Taktik im Wettkampf, speziell der<br />

Renneinteilung, anfangs der längeren Kraulstrecken, zunehmend der 200 m Strecken,<br />

für die eine Renngestaltung im Gleichmaß nicht auf der Hand lag.<br />

3. Ein wichtiger Impuls für die Arbeiten zur Renntaktik liegt dabei über 40 Jahre zurück.<br />

In Belgrad fanden 1973 die ersten Weltmeisterschaften im Schwimmen statt. Eine<br />

Beobachtergruppe des DSSV hatte die Aufgabe, das Training vor und während der<br />

Wettkämpfe zu verfolgen und nach Ursachen für besondere Wettkampfleistungen zu<br />

suchen. Ein Ergebnis war, dass Spitzenathleten in ihrem Training innerhalb der Serien<br />

von Teilstrecke zu Teilstrecke höhere Geschwindig-keiten erreichten, dass sie ihre<br />

Geschwindigkeiten innerhalb der Teilstrecken verbesserten und z.B. die<br />

Geschwindigkeiten auf immer längeren Stecken konstant hielten. Aus den<br />

Wettkampfabläufen ergab sich ein weiterer Hinweis: Der Sieger über die 400 m Freistil<br />

der Männer, der Amerikaner Rick DeMont schwamm „langsam“ an, steigerte die<br />

Geschwindigkeit und gewann sein Rennen souverän. Im Beobachterbericht wurde<br />

zusammengefasst, dass die oben genannten Trainingsbe-lastungen (Seriengestaltung)<br />

für die Wettkampfgestaltung auf den längeren Strecken (kontrollierte<br />

Anfangsgeschwindigkeit und gleichmäßigeres Renntempo) eine besondere Grundlage<br />

darstellen können.<br />

4. Aus den langjährigen Beobachtungen und Analysen entwickelte sich die folgende These:<br />

Durch eine Renneinteilung mit<br />

. geringen Geschwindigkeitsschwankungen,<br />

. basierend auf einer Geschwindigkeitsreserve,<br />

. und einem sehr gut entwickelten Tempogefühl,<br />

. immer auch angepasst auf die individuellen Voraussetzungen<br />

. und beeinflussbar durch die Trainingsgestaltung<br />

können höhere Leistungen erzielt werden.


85<br />

2. Beispiele für die Renneinteilung<br />

In den letzten Jahren, besonders nach 2012, galt es bei den Untersuchungen auch Unterschiede<br />

in der Renneinteilung zwischen den Weltbesten und den DSV-Schwimmern zu ermitteln, um<br />

bei neuen Erkenntnissen möglicherweise auf Veränderungen hin zu wirken. Noch immer<br />

entsprechen die Leistungen der deutschen Schwimmer nicht den (zum Teil auch zu hochgestellten)<br />

Erwartungen – z.B., wenn die Vorgaben des DOSB bzw. des BMI zu Grunde gelegt werden.<br />

In der Tabelle 1 werden aus genanntem Grund die für eine Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften 2015<br />

notwendigen Zeiten dem Leistungsstand bei den Deutschen Meisterschaften 2016 gegenüber gestellt.<br />

Tab.: 1: Prozentuale Abstände der bei den Deutschen Meisterschaften 2016 erzielten Resultate<br />

zu den Leistungen, die bei den WM 2015 zur einer Bronzemedaille gereicht haben<br />

Herausgehoben wurden durch<br />

– gelbe Felder die Leistungen, die im Medaillenbereich liegen<br />

– grüne Felder, die bei erreichbaren Leistungssprüngen im Medaillenbereich liegen<br />

können<br />

– rote Felder mit Rückständen über 3 %


86<br />

Wenn der Chefbundestrainer (SWIM&MORE, Heft 4/2016, S. 9) den DSV auf dem halben<br />

Weg zu den Olympischen Spielen 2020 sieht, werden in Rio 2016, bei der zu erwartenden<br />

abermaligen Leistungsexplosion (ebenda), deutliche Entwicklungsraten notwendig sein.<br />

Neben der Darstellung der Renneinteilung der Weltbesten werden neben den Vergleichen zu<br />

den Finalteilnehmern bei den jährlichen internationalen Höhepunkten auch direkte Vergleiche<br />

zu den deutschen Startern hergestellt.<br />

1. 800 m und 1500 m Freistil - Wettkämpfe<br />

Die langen Freistilstrecken wurden bei den Olympischen Spielen 2012 und bei den<br />

Weltmeisterschaften 2015 von SUN (CHN) und LEDECKY (USA) gewonnen. Das<br />

hohe Gleichmaß und das perfekte Gefühl für das Renntempo erkennen wir bei SUN<br />

(Abb. 1 und 2) die Zeitdifferenz der zweiten bis zur vorletzten 100m-Strecke beträgt<br />

weniger als eine Sekunde (0:58,12 bis 0:58,91 Min).<br />

Die LEDECKY-Abbildung (Abb. 3) zeigt ihre Renneinteilung bei ihren Siegen 2012<br />

und 2015. Während wir 2012 bis zur 11. Teilstrecke einen Geschwindigkeitsabfall<br />

beobachten (2. bis 11 Bahn 1,13 Sekunden ) beträgt die Differenz 2015 zwischen der<br />

2. und 13. Bahn lediglich 0,81 Sekunden – die letzte Bahn wird 2/10Sek. schneller<br />

als die erste Bahn zurück gelegt und die erste Bahn 25/100 Sekunden langsamer<br />

als 3 Jahre zuvor (2015 in 0:28,83 Min.).<br />

Abb. 1:Rennverlauf SUN (CHN) bei seinem Olympiasieg 2012 über 1500 m Freistil


87<br />

Abb. 2: SUN (CHN) – die 100m Teilstrecken bei seinem Olympiasieg 2012 über 1500 m Freistil<br />

Abb. 3: LEDECKY (USA) – Rennverläufe 800 m Freistil (50m-Zwischenzeiten)<br />

Erfreulich festzustellen, dass SARAH KÖHLER mit ihren 8:22,80 Min. bei den Deutschen<br />

Meisterschaften 2015 den Abstand zu einer Medaillenleistung reduzieren konnte – und das mit<br />

einem sehr gleichmäßig gestalteten Rennen. Die Differenz ihrer 50 m Abschntte (31,14 –<br />

32,15 Sek.) beträgt somit 1,01 Sekunden. Zu überdenken bleibt die Zeit für die erste Bahn,<br />

die sie in 0:28,83 Min. zurück legte, damit schneller als LEDECKY (s.o.).


88<br />

2. 400 m Freistil Wettkämpfe<br />

Wir beschränken uns auf Beispiele aus den Jahren 2012 und 2016. Der Chinese SUN<br />

gewann die 400 m Freistil in 3:40,14 Min. (Abb. 4), seine 50m Zwischenzeiten fielen<br />

bis 200 m, er schwamm die ersten 200 m in 1:50,52 Min., die zweiten 200 m in 1:49,62<br />

Min. (0.90 Sek. schneller). Die mittlere 50 m Zeit ab der 2. Bahn betrug 0:27,76 Min., damit<br />

1,93 Sek. langsamer als auf der ersten Bahn.<br />

Er<br />

m<br />

In der Abb. 4. ist außerdem der Rennverlauf von BIEDERMANN gegenüber gestellt.<br />

schwamm 3:48,50 Min., seine Zwischenzeiten fielen bis 300 m ab, er schwamm die 2oo<br />

Abschnitte in 1:52,41 Min. und 1:56,09 Min. (die zweiten 200 m somit 3,68 Sek.<br />

langsamer). Die mittlere Zeit ab der zweiten Bahn betrug 0:28,88 Min., damit 2,56 Sek.<br />

langsamer als auf der ersten Bahn.<br />

Abb. 5 zeigt den Rennverlauf von FLORIAN VOGEL bei den Deutschen<br />

Meisterschaften 2916. Er schwamm 3:44,89 Min., er konnte seine Meisterschaftsleistung<br />

aus dem Jahre 2015 (3:46,53 Min.) wesentlich steigern.<br />

Er schwamm die ersten 200 m in 1:51,14 Min., die zweiten in 1:53,75 Min., die 50 m<br />

Zwischenzeiten fielen bis 250 m ab. Die mittlere Zeit ab der zweiten Bahn betrug<br />

0:28,43 Min., damit 2,54 Sek. langsamer als auf der ersten Bahn.<br />

Fassen wir zusammen: SUN (CHN) als Weltbester gestaltete sein Rennen nicht nur<br />

gleichmäßiger – er schwamm die zweiten 200 m schneller als die ersten, das gelang<br />

weder Biedermann* noch Vogel. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht in der<br />

Differenz zwischen der ersten Bahn und der mittleren 50 m Zeit der 2. bis 8. Bahn.<br />

Sie betrug bei SUN weniger als 2 Sekunden (1,93 Sek.) und lag bei Biedermann (2,56<br />

Sek.) und Vogel (2,54 Sek.) deutlich darüber.<br />

Abb.4: Rennverläufe von SUN (CHN) 3:40,14 Min. und Biedermann (GER) 3:48,50<br />

Min. bei den Olympischen Spielen 2012<br />

_____<br />

Die Aussage betrifft das Rennen bei den OS 2012, von P.B. sind auch gleichmäßigere Renngestaltungen bekannt.


89<br />

Abb. 5: Rennverlauf FLORIAN VOGEL (GER) 3:44, 89 Min. bei den Deutschen<br />

Meisterschaften 2016<br />

3. 200 m Strecken, außer Lagenschwimmen<br />

Beginnen wir mit einem Beispiel aus den Jahren 2000 und 2002. IAN THORPE (AUS)<br />

dominierte auf der 200 m Freistilstrecke und schwamm Weltrekorde auf den 25- und<br />

50m Bahnen. In der Abb. 6 (Werte aus den Auswerteberichten des DSV/IAT/OSP)<br />

werden seine Geschwindigkeitsverläufe (in m/s) bei den Weltrekordrennen abgebildet.<br />

Er erreicht seine Renngeschwindigkeit auf den Teilabschnitten bis 50 m nach dem<br />

Start und schwimmt mit höchstem Geschwindigkeitsgleichmaß, besonders<br />

deutlich beim Rekord auf der kurzen Bahn.<br />

Die offiziellen Zwischenzeiten, aus dem Wettkampfprotokoll, der 50-m-Abschnitte<br />

lauten 24,04 / 25,69 / 25,70 / 25,67 Sekunden, die Differenzen der 2.-4. Bahn betragen<br />

3/100 Sekunden – ohne Elektronik nicht messbar.<br />

Abb. 6: Geschwindigkeitsverlauf (m/s) von THORPE (AUS) bei seinen Weltrekorden<br />

über 200 m Freistil


90<br />

In den weiteren Überlegungen arbeiten wir für die Analyse der Renngestaltung mit der<br />

„Abfallrate“. Vom Mittelwert der 2.-4. Teilstreckenzeit wird die Zeit der ersten<br />

Teilstrecke subtrahiert. Das Ergebnis wird in Sekunden oder in Prozent dargestellt.<br />

Im oben genannten Beispiel<br />

Mittelwert 2.-4. 50 m Strecken<br />

25,69 Sek.<br />

Erste Bahn<br />

24,04 Sek.<br />

Differenz / Abfallrate 1,65 Sekunden (6,83 %)<br />

Abb. 7. und 8. zeigen aus einer Analyse der Olympischen Wettkämpfe 2012 die<br />

Abfallraten der 4 Schwimmarten auf den 200 m Strecken für die Sieger, für die DSV -<br />

Vertreter und den Mittelwert der Endlaufteilnehmer für die Männer bzw. für die Frauen.<br />

Die Sieger erreichen in allen Schwimmarten die geringsten Raten, unter denen des<br />

Mittelwertes und mit Ausnahme der 200 m Freistil der DSV-Vertreter (ohne Starter über<br />

200 m Schmetterling bzw. 200 m Brust und Schmetterling)<br />

Abb. 7: Gegenüberstellung der Abfallraten auf den 200 m Strecken bei den<br />

Olympischen Spielen 2012 – Männer<br />

Abb.8:Gegenüberstellung der Abfallraten auf den 200 m Strecken bei den Olympischen<br />

Spielen 2012 – Frauen


91<br />

In weitere Beispielen vergleichen wir die Rennverläufe der Olympiasieger 2012 mit<br />

denen der deutschen Schwimmer. Für die Abb. 9. sind die 200 m Rücken der Männer<br />

ausgewählt. Die Zwischenzeiten unterscheiden sich bei 50 m um weniger als 5/10<br />

Sekunden, die Unterschiede steigen von 50 zu 50 m, sie liegen bei 200 m schließlich<br />

bei 2 Sekunden. Die Abfallrate liegt beim Olympiasieger bei 1,24 Sekunden, Lebherz<br />

erreicht 2,35 Sekunden.<br />

Ein ähnliches Bild vermittelt Abb. 10. Die Siegerin schwimmt die 50 m um 34/100<br />

Sekunden schneller als die Deutsche an, bei 100 m liegt die Deutsche bereits 1,74<br />

Sekunden zurück, die Abfallrate der Siegerin SCHMITT(USA) liegt bei 1,63 Sekunden,<br />

die der deutschen Schwimmerin Lippok beträgt 2,72 Sekunden.<br />

Abb. 9: Olympische Spiele 2012, Rennverläufe des Olympiasiegers und der deutschen<br />

Starter im 200 m Rückenschwimmen<br />

Abb. 10: Olympische Spiele 2012, Rennverläufe der Olympiasiegerin und der<br />

deutschen Starterin im 200 m Freistilschwimmen


92<br />

Welche Veränderungen in der Renngestaltung ergaben sich bei den Weltmeisterschaften<br />

2015 zwischen den Siegern und den deutschen Teilnehmern? In den Abb. 11 und 12<br />

stehen die blauen Säulen für die Zeit der ersten 50 Meter, die roten Säulen für die<br />

Mittelwerte der 2. bis 4. Bahn.<br />

Fassen wir zusammen:<br />

In 5 der 8 Rennen sind die Sieger ihre Rennen gleichmäßiger geschwommen, als die<br />

DSV-Starter (die Differenz zwischen den blauen und den roten Säulen ist bei ihnen<br />

geringer). Es betrifft die 200 Brust und die 200 m Rücken der Männer, sowie die 200 m<br />

Freistil, die 200 m Rücken und die 200 m Schmetterling der Frauen. In zwei weiteren<br />

Rennen haben sich die Deutschen (Biedermann und Mensing) ihre Rennen<br />

gleichmäßiger eingeteilt<br />

Abb. 11: Renneinteilung der 200 m Strecken der Männer bei den WM 2015<br />

Abb. 12: Renneinteilung der 200 m Strecken der Frauen bei den WM 2015


93<br />

Die Renneinteilung spielte in verschiedenen Interviews im Fernsehen und in der Presse<br />

mit Trainern und Sportlern eine Rolle.<br />

MARCO KOCH und sein Trainer ALEXANDER KREISEL haben<br />

unabhängigvoneinander betont, dass die geplante Renneinteilung perfekt umgesetzt<br />

wurde, die erste Bahn nicht zu schnell absolviert wurde und auf der letzten Bahn ein<br />

hohes Tempo gehalten werden konnte.<br />

FRANZISKA HENTKE sprach es deutlich an: „Ich bin zu schnell angegangen, das hat<br />

am Schluss einige Körner gekostet“ (SWIM&MORE, Heft 9, 2015, S. 5 ).<br />

Wie veränderte FRANZISKA HENTKE bei den Wettkämpfen nach den WM 2015 ihre<br />

Renneinteilung?<br />

Nach dem starken Abfall der Schwimmgeschwindigkeit bei den WM 2015 konnte sie<br />

bei den nachfolgenden Weltcups in Moskau und Paris (50m Bahn) und bei<br />

Wettkämpfen auf der 25 m Bahn mit „langsameren“ Anschwimmen einen<br />

gleichmäßigeren Rennverlauf realisieren und bessere Leistungen als bei den<br />

Weltmeisterschaften 2015 erzielen (Abb. 13). Während sie bei den WM 2015 die<br />

ersten 50 Meter in 0:28,76 Min. zurücklegte, schwamm sie beim folgenden Weltcup<br />

in Moskau mit 0:29,45 Min. an, fast 7/10 Sekunden langsamer. Bei den Deutschen<br />

Meisterschaften 2016 erreichte F. H. eine Verbesserung auf 2:05,77 Min., mit<br />

ihren Zwischenzeiten 28,70 / 32,40 / 32,51 /32,16 Sekunden und einer Abfallrate von<br />

3,66 Sekunden.<br />

Zum Vergleich: HOSHI/JPN beim WM-Sieg 2015 mit einer Abfallrate von 3,44<br />

Sekunden, HENTKE bei WC in Moskau 2015 nur 2,91 Sek..<br />

Abb. 13: Renneinteilung von FRANZISKA HENTKE bei 200 m Schmetterlingswettkämpfen<br />

(beim WC Paris schwamm sie 2:06,58 Min.)


94<br />

4. 100 m Strecken<br />

Auch bei den 100 m Strecken wird mittels der Abfallrate die Gleichmäßigkeit in der<br />

Renneinteilung bewertet. Zusätzlich führen wir die „Schondifferenz“ ein, dieser Wert<br />

entspricht der Differenz der Zwischenzeit bei 50 Metern und der Bestleistung auf der 50<br />

m Strecke.<br />

In diesem Beitrag nur ein Beispiel für eine Wettkampfgestaltung über eine 100 m<br />

Strecke genannt werden, es betrifft die Renngestaltung der deutschen Olympiasiegerin<br />

von 2008 über 50 m und 100 m Freistil, Britta Steffen.<br />

In der Abb. 14. sind ihre Rennen bei den Jahreshöhepunkten 2006 – 2008 dargestellt.<br />

Zu verweisen ist auf die geringe Höhe der gelben Säule bei den OS 2008 (geringste<br />

Abfallrate) und die hohe blauen Säule (höchste Schondifferenz). Ein weiteres<br />

Säulenpaar zeigt die Mittelwerte beider Parameter der Finalisten (2.-8. Platz).<br />

Während B. ST. beinahe 2 Sekunden langsamer als ihre Bestzeit anschwimmt (die<br />

Schondifferenz beträgt 1,98 Sekunden), liegt dieser Wert bei den Finalistinnen bei 1,07<br />

Sekunden, die Silber- und Bronzemedaillengewinnerinnen (vgl. Tab. 2) schwimmen nur<br />

0,93 bzw. 0,60 Sekunden langsamer an, als ihre Bestzeit.<br />

Abb. 14: Abfallraten und Schondifferenzen der Finalistinnen des 100 m<br />

Freistilwettkampfes bei den Olympischen Spielen 2008


95<br />

Tab. 2: Zur Taktik im 100 m Freistilwettkampf „Abfallraten“ und „Schondifferenz“<br />

(Britta Steffen)<br />

WK-Zeit<br />

(Min.)<br />

Erste Bahn<br />

(Min.)<br />

Zweite Bahn<br />

(Min.)<br />

„Abfallrate“<br />

(Sek.)<br />

„Schondiff.<br />

(Sek.)<br />

EM 2006 00:53,30 Gold 00:25,84 00:27,46 1,62 1,12<br />

WM 2007 00:53,74 3. Platz 00:25,76 00:27,98 2,22 0,97<br />

OS 2008 00:53,12 Gold 00:26,04 00:27,08 1,04 1,98<br />

OS 208<br />

Finalistinnen<br />

2,4 1,07<br />

TRICKET 00:53,16 Silber 00:25,18 00:27,98 2,8 0,93<br />

COUGHLIN 00:53,39 Bronze 00:25,52 00:27,87 2,35 0,6<br />

5. Zusammenfassend zu den Renneinteilungen<br />

„Die Mehrzahl der Sieger in den Disziplinen von 200 bis 1500 m gestalten ihre Rennen im<br />

höheren Gleichmaß als die Platzierten“ (Leopold im „Leistungssport 2004), sie erreichen ihre<br />

mittlere Renngeschwindigkeit oft bereits am Ende der ersten Bahn und haben ein sehr gut<br />

entwickeltes Gefühl für ihre Schwimmgeschwindigkeit. Ihre hoch entwickelten Ausdauerund<br />

Kraft-ausdauerfähigkeiten begünstigen den gleichmäßigen Rennverlauf, unterstützt wird<br />

ihre gleichmäßige Renneinteilung offensichtlich durch eine geplante und geübte geringere<br />

Schwimmgeschwindigkeit – geringer als möglich – auf den ersten Wettkampfabschnitten, eine<br />

Schondifferenz wird eingehalten.<br />

Mit der hier dargestellten Renneinteilung mit hohem Gleichmaß treffen wir auf eine stark<br />

abweichende Meinung, die die Position vertritt, dass die Rennen „vorn vorn“ geschwommen<br />

werden sollen. Leider zeigen die Erfahrungen, dass dem oft nicht das „Gewinnen“, sondern das<br />

„Eingehen“ folgt. Und die Journalisten lobten oft genug das „mutige“ Angehen, wenigstens<br />

haben sie die erste Bahn mit den späteren Siegern „mitgehalten“ - sie sollten sich mit oben<br />

genannten Aussagen von KOCH und HENTKE beschäftigen.<br />

Ein solch taktisches Verhalten erfordert Trainingsübungen, wie sie in der Einleitungbeschrieben<br />

wurden.<br />

Von Katie Ledecky werden folgende Serien genannt:<br />

1 x 800 m negativ plus 2 x 200 m schnell<br />

1 x 600 m negativ plus 4x 100m schnell<br />

1 x 400 m negativ plus 8 x 50 m schnell<br />

1 x 200 m negativ plus 16 x 25 m schnell<br />

- es wurden weder Zeiten noch andere Parameter angegeben<br />

- allein der jeweils 2. Teil der Serie misst 1600 m


96<br />

- aus weiteren Ausführungen lässt sich ableiten, dass meist das Renntempo<br />

angestrebt wurde<br />

- die Verkürzung der Teilstrecken führt „automatisch“ zum schnelleren<br />

Schwimmen<br />

Aus dem Bericht von Mark Jayasundara von der USA World Clinic im September 2012 geht<br />

hervor, dass „Negativ“ geschwommene Serien zum wesentlichen Bestandteil des<br />

Trainings gehören. Genannt werden:<br />

- David Salo Trainer von Soni und Hardy<br />

- Bill Sweetenham<br />

- Dave Durden Trainer von Adrian und Ervin<br />

- David March Trainer von Greers und Thoman<br />

- Yuri Sugiyama Trainer von Katie Ledecky<br />

- Steve Bultman Trainer von zweiOlympia-Teilnehmern<br />

3. Ansatzpunkte für Leistungssteigerungen<br />

Die Grundlage für hohe Leistungen im Wettkampf bleibt ein umfangreiches Hochleistungstraining,<br />

basierend auf einem planmäßig langfristig angelegten Nachwuchstraining.<br />

Reserven finden sich in einer veränderten Ausrichtung des wettkampfspezifischen<br />

Trainings mit folgenden Inhalten:<br />

– Schaffen einer genauen Vorstellung für den angestrebten Rennverlauf<br />

– Festlegen von Details für das Training<br />

– Festlegen von Kontrollkriterien<br />

– Festlegungen von Details für den Rennverlauf (Planung)<br />

– Zielzeiten für den Startabschnitt (7,5 m / 10 m / 15 m)<br />

– Zielzeiten für die Wendenabschnitte (5 m vor und nach der Wand, Drehzeit, 7,5<br />

und 15 m nach der Wand)<br />

– Geschwindigkeiten auf Teilstrecken, z.B. für alle 25m Strecken<br />

– Frequenzen auf Teilstrecken, wie oben<br />

– z.B. Anzahl der Delfinbewegungen nach Start und Wenden<br />

Planung von speziellen Trainingsinhalten<br />

– Gefühl für Geschwindigkeiten, Krafteinsätze, Bewegungsfrequenzen<br />

– Wie bisher für Erreichen der Zielvorstellungen für Start u. Wende unter<br />

Ermüdungsbedingungen (wie im Wettkampf)<br />

– Planung von Teilaufgaben für Trainings- bzw. Aufbauwettkämpfe<br />

– Insbesondere der Geschwindigkeiten auf einzelnen Abschnitten<br />

oder der Bewegungsfrequenzen<br />

– oder von Beschleunigungen auf Teilabschnitten (Variabilität)<br />

Künftige Aufgaben<br />

Prüft die Inhalte der Leistungsdiagnostik und wenn ihr die Meinung teilt, dass das<br />

wettkampfspezifische Training neue Impulse benötigt, unterstützt dies durch neue<br />

Tests.


97<br />

Es scheint an der Zeit zu sein, für das der Leistung zu Grunde liegende Ausdauertraining<br />

die möglichen Belastungsformen auf ihre Wirksamkeit bzw. auf ihre Wirkrichtungen<br />

wissenschaftlich zu untersuchen. Das sollte interdisziplinär erfolgen, unter<br />

Beteiligung von Physiologen, Medizinern, Psychologen und weiteren Fachkräften.<br />

Leistungssprünge gab es in der Vergangenheit insbesondere durch eine weiterentwickelte<br />

Trainingsmethodik, die meist erst nachträglich wissenschaftlich begründet<br />

wurde.<br />

Literatur:<br />

Küchler, J.,Leopold, H. & Leopold, W. (1996). Ergebnisse aus einer Wettkampf-beobachtung<br />

bei den Europameisterschaften im Sportschwimmen Wien 1995. Schwimmtrainer 81,<br />

S.65-93<br />

Leopold, W. (2001). Das Abschneiden des DSV bei den Olympischen Spielen 2000 – Ursachen<br />

und notwendige Veränderungen. In DSTV/ Werner Freitag (Hrsg.), Schwimmen –<br />

Lernen und Optimieren .Band 19, 68 – 109<br />

Küchler, J. & Graumnitz, J. (2002). Ergebnisse aus einer Wettkampfbeobachtung bei den<br />

XXVI. Schwimm-Europameisterschaften vom 29.7.-4.8.2002 in Berlin.<br />

Beobachterbericht. DSV-Material.<br />

Leopold, Winfried (2002). Das Abschneiden des DSV bei den Olympischen Spielen 2000 -<br />

Ursachen und notwendige Veränderungen. In DSTV/ Werner Freitag (Hrsg.),<br />

Schwimmen – Lernen und Optimieren .Band 20, 7-57.<br />

Leopold, W. & Küchler, J. (2003). Nachbetrachtung zu den Deutschen Meisterschaften 2003<br />

im Schwimmen. SWIM & MORE (2003) 9, 44-47.<br />

Leopold, Winfried (2004). Leistungsreserven für das Sportschwimmen aus<br />

trainingsmethodischer Sicht. In DSTV/ Werner Freitag (Hrsg.), Schwimmen –<br />

Lernen und Optimieren .Band 23, 73 - 91<br />

Leopold, W. & Küchler, J. (2004). Zur Situation im internationalen Schwimmsport nach den<br />

Weltmeisterschaften in Barcelona 2003. Leistungssport, 34 (3), 42 -48<br />

Küchler, J. & Graumnitz, J. (2006). Ergebnisse aus einer Wettkampfbeobachtung bei den<br />

XI. Weltmeisterschaften im Schwimmen. In W. Leopold In DSTV/ (Hrsg.),<br />

Schwimmen – Lernen und Optimieren .Band 26, 7 – 38<br />

Leopold, W., Küchler, J. & Graumnitz, J (2006). Ausgewählte Ansatzpunkte zur<br />

Überwindung der Leistungsdefizite der Schwimmer des DSV. Der Schwimmtrainer<br />

Graumnitz, J. & Küchler, J. (2007) In DSTV/ Winfried Leopold (Hrsg.), Schwimmen –<br />

Lernen und Optimieren .Band 28, 102 – 131


98<br />

Küchler, J., Graumnitz, J., Schnabel, U. & Buck, M. (2010). Ergebnisse einer Beobachtung<br />

der Schwimmwettbewerbe bei den 30. Schwimm-Europameisterschaften im<br />

Budapest 2010. Der Schwimmtrainer<br />

Leopold, W. (2011). Wie kann Leistungsstagnation überwunden werden? Zum Einfluss der<br />

Körperübungen und zur Wirksamkeit von Trainingsmitteln. In DSTV/ Werner Freitag<br />

(Hrsg.), Schwimmen – Lernen und Optimieren .Band 32, 48 – 63<br />

Küchler, J., Graumnitz, J. & Buck, M. (2012). Ergebnisse aus der Analyse der<br />

Schwimmwettbewerbe bei den Olympischen Spielen in London 2012. Der<br />

Schwimmtrainer<br />

Leopold, W. (2013). Überlegungen aus dem Ruhestand. In DSTV/ Werner Freitag (Hrsg.),<br />

Schwimmen – Lernen und Optimieren .Band 34, 118 – 143<br />

Leopold, W. (2013). Eine Nachbetrachtung zu den Weltmeisterschaften 2013 im Schwimmen.<br />

Der Schwimmtrainer<br />

Sick, H-P., (2015) Leichter Aufwind nach olympischer „Nullnummer“ vor zwei Jahren.<br />

SWIM & MORE, Heft 9, S. 5 .<br />

Weise, K., (2016) Unsere Rio-Strategie baut auf drei Säulen auf“. SWIM & MORE, Heft<br />

4/2016, S. 9)<br />

Autor:<br />

Winfried Leopold<br />

w.leopold@gmx.de

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