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Asha Rajashekhar

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disability studies<br />

chen erfahren gegenüber den eigenen<br />

afrikanischen Muttersprachen<br />

eine deutliche Aufwertung. Sie hat<br />

man in der Lebenspraxis als prestigevoll<br />

erfahren. Der Wert der eigenen<br />

afrikanischen Muttersprachen hingegen<br />

wird von den Sprechern deutlich<br />

geringer eingeschätzt. So erzählt<br />

der 20-jährige Patrik aus Sierra Leone<br />

im Interview: „Ah, ich spreche [lacht]<br />

meine Sprache Zime und Krio und<br />

ja, ein bisschen Limba und ein bisschen<br />

Mende, nur ein bisschen, nicht<br />

ganz gut. Ja, und Englisch, meine Liebe!“<br />

(Niedrig 2003, 309). Auf die Frage,<br />

ob er Englisch besonders möge,<br />

antwortet Patrik: „Ja, ich liebe Englisch<br />

mehr als Zime. Weil wenn du<br />

in Sierra Leone in die Schule gehst<br />

oder in den Kindergarten, kannst du<br />

nur Englisch reden. Ja, wenn du zur<br />

Schule gehst, redest du nur Englisch.<br />

Kein Zime oder andere Sprachen, andere<br />

als Englisch“ (ebd.). Dass dieser<br />

Zustand ein negatives Gefühl gegenüber<br />

der eigenen Sprache hervorruft<br />

und tiefe Brüche in die eigene Identität<br />

reißt, liegt m. E. auf der Hand.<br />

Die Kolonialsprachen haben eigentlich<br />

nichts mit der eigenen, afrikanischen<br />

Identität zu tun, sondern stehen<br />

im Kontext der kolonialen Unterdrückungserfahrung.<br />

Diese wiederum<br />

ist zwangsläufig natürlich auch<br />

Teil der eigenen Identität geworden,<br />

ruft jedoch zahlreiche widersprüchliche<br />

und schmerzhafte Gefühle hervor.<br />

Das Verhältnis zur eigenen afrikanischen<br />

Sprache ist ebenfalls völlig<br />

schräg, wird sie doch, wie die Interviews<br />

mit den Jugendlichen zeigen,<br />

von vielen Sprechern nicht als<br />

prestigevoll und nützlich empfunden,<br />

sondern zur ‚Sprache für Zuhause‘<br />

degradiert.<br />

Liest man diese postkoloniale Erfahrung<br />

und dieses Gefühl zur eigenen<br />

Muttersprache der afrikanischen<br />

Jugendlichen im Kontext von Gebärdensprachen,<br />

werden auch hier wieder<br />

gewisse Parallelen sichtbar. So erfuhr<br />

die Lautsprache gegenüber der<br />

Gebärdensprache über zahlreiche<br />

Jahrhunderte hinweg eine allgemeine<br />

Aufwertung, sodass sowohl bei Hörenden<br />

als auch bei den Tauben selbst die<br />

Lautsprache als höherwertig und die<br />

Gebärdensprache nicht als Sprache<br />

wahrgenommen wurde. Viele Taube<br />

waren davon überzeugt, wie z. B. der<br />

taube Louie Fant (1980, 193) erklärt,<br />

dass ihre Gebärdensprache nur eine<br />

„ungrammatische Parodie“ der Lautsprache<br />

sei. Von diesem Irrtum haben<br />

sich auch die Gebärdensprachverwender<br />

selbst befreien müssen.<br />

Erst in jüngerer Zeit wird die Gebärdensprache<br />

als natürliche Sprache<br />

– zunehmend auch ganz offiziell<br />

– anerkannt. Diese Anerkennung<br />

führt zum einen dazu, dass sowohl<br />

Hörende als auch Taube ihre<br />

Vorurteile – Aufwertung der Lautsprache<br />

und Abwertung der Gebärdensprache<br />

– langsam abbauen, zum<br />

anderen geht sie mit einer Emanzipierung<br />

der Taubengemeinschaft 6<br />

einher. Taube haben durch die Jahrhunderte<br />

währende Degradierung<br />

ihrer eigenen Sprache die Achtung<br />

gegenüber dieser Sprache und somit<br />

gegenüber sich selbst verloren. Ein<br />

solcher Schritt führt bis zu einem gewissen<br />

Grad von Selbstverlust, der<br />

die Tauben auch nach der Anerkennung<br />

der Gebärdensprache tief prägt.<br />

6<br />

Am Rande sei erwähnt: Auch für die Hörendengemeinschaft impliziert dieser Schritt gewissermaßen<br />

eine Emanzipation von bisher gültigen und fehlgeleiteten Ressentiments<br />

gegenüber der Gebärdensprache und Taubenkultur.<br />

Für das Selbstwertgefühl und die eigene<br />

Identitätsfindung war die Anerkennung<br />

der Gebärdensprache in<br />

Deutschland ein großer Schritt.<br />

„White Privileges“ – „Hearing<br />

Privileges“?<br />

Der Diskurs rund um das Konzept<br />

„White Privileges“ begann in den USA<br />

in den 90er-Jahren. Die Strukturen<br />

der Unterdrückung, die dabei demaskiert<br />

und diskutiert werden, lassen<br />

sich an vielen Stellen auf das Verhältnis<br />

zwischen Hörenden und Tauben<br />

übertragen. Es soll in diesem Artikel<br />

deshalb von „Hearing Privileges“ gesprochen<br />

werden. Die Auseinandersetzung<br />

mit diesem Konzept und der<br />

Hörend-/Tauben-Gesellschaft gibt<br />

vielfach wichtige Hinweise und Antworten<br />

auf die einleitend provokativ<br />

gestellten Fragen und Hypothesen.<br />

Der Diskurs um die Auswirkungen<br />

von Leid und Unterprivilegierung<br />

von z. B. Schwarzen, Frauen und Homosexuellen<br />

wird bereits seit den<br />

60er-Jahren intensiv, kontrovers<br />

und immer wieder auch öffentlich<br />

geführt. So ist dazu in den vergangenen<br />

50 Jahren auch eine beachtliche<br />

Ansammlung an wissenschaftlicher<br />

Literatur verfasst worden und es haben<br />

sich zahlreiche universitäre und<br />

außeruniversitäre Forschungszentren<br />

und Studiengänge etabliert, die<br />

vielen unter den Namen „Black Studies“,<br />

„Queer Studies“ usw. vertraut<br />

sind. Man fragt sich, warum innerhalb<br />

dieses Diskurses die Unterdrückung<br />

der Tauben durch die hörende<br />

Mehrheitsgesellschaft in den vergangenen<br />

Jahrzehnten derart unterrepräsentiert<br />

war.<br />

Wie verhält es sich mit den Strukturen<br />

und Auswirkungen der „Hearing<br />

Privileges“ und wie verhält es sich<br />

DZ 88 11<br />

293<br />

Beitrag aus: DAS ZEICHEN 88/2011 • Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehörloser (www.sign-lang.uni-hamburg.de/signum/zeichen/)

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