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Leseprobe "Ich will mein Leben zurück" von Erdinç Aydın

Dies ist nicht nur die Geschichte eines Eilzelnen. Dies ist viel mehr die Geschichte von zehntausenden und sogar von hunderttausenden jungen Muslimen, die in einem Land groß werden, wo die Freiheit des Einzelnen ganz groß auf die Fahne geschrieben wird. Unter dem Schirm der Demokratie Schutz suchen, unter dem Schrim der Demokratie Freiheit genießen. Das ist der Wunsch vieler vieler Menschen aus der ganzen Welt. Nun, hier wird eine Geschichte erzählt, dessen Verfasser die Vorzüge der Freiheiten in der Demokratie genossen hat und zum Teil immer noch geniesst. Was aber ist es, was die Hauptfigur der Erzählung dazu bringt, sich von all den Vorteilen und Genüssen der Freiheiten in der Demokratie abzuwenden und sich fünfmal am Tag gegen Mekka vor Allah niederzuwerfen? Was muss sich denn so alles abgespielt haben, damit ein Mann anfängt, das Fasten in dem Monat Ramadan einzuhalten? Und überhaupt: Wie findet ein Mann des Westens, Mitten im Westen, zu seinem Gott, den er Allah nennt, zurück? Wieso kehrt ein Mann des Westens, nach vielen vielen Jahren, zu einer Religio zurück, die aktueller nicht werden kann, als sie jetzt ist? Der Islam.

Dies ist nicht nur die Geschichte eines Eilzelnen.
Dies ist viel mehr die Geschichte von zehntausenden und sogar von hunderttausenden jungen Muslimen, die in einem Land groß werden, wo die Freiheit des Einzelnen ganz groß auf die Fahne geschrieben wird. Unter dem Schirm der Demokratie Schutz suchen, unter dem Schrim der Demokratie Freiheit genießen. Das ist der Wunsch vieler vieler Menschen aus der ganzen Welt.

Nun, hier wird eine Geschichte erzählt, dessen Verfasser die Vorzüge der Freiheiten in der Demokratie genossen hat und zum Teil immer noch geniesst.

Was aber ist es, was die Hauptfigur der Erzählung dazu bringt, sich von all den Vorteilen und Genüssen der Freiheiten in der Demokratie abzuwenden und sich fünfmal am Tag gegen Mekka vor Allah niederzuwerfen? Was muss sich denn so alles abgespielt haben, damit ein Mann anfängt, das Fasten in dem Monat Ramadan einzuhalten?
Und überhaupt:
Wie findet ein Mann des Westens, Mitten im Westen, zu seinem Gott, den er Allah nennt, zurück?
Wieso kehrt ein Mann des Westens, nach vielen vielen Jahren, zu einer Religio zurück, die aktueller nicht werden kann, als sie jetzt ist?
Der Islam.

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<strong>Leseprobe</strong><br />

Taschenbuch<br />

12 x 19 cm<br />

232 Seiten<br />

ISBN 978-3-7431-8003-1<br />

1


١ Der Beginn<br />

... ich überlegte mir, wie ich <strong>mein</strong> Buch nennen<br />

müsste, um das wieder zu geben, was es<br />

beinhaltete. <strong>Ich</strong> überlegte lange. Doch fand ich<br />

keinen passenden Ausdruck. Stattdessen fing ich<br />

an zu schreiben. <strong>Ich</strong> war mir sicher, dass mir<br />

während des Schreibens etwas Gescheites<br />

einfallen würde. Vielleicht heute noch. Wer<br />

wusste es schon?<br />

<strong>Ich</strong> überlegte aber nicht lange, womit ich am<br />

liebsten anfangen würde und müsste. Also<br />

begann ich <strong>mein</strong> Buch zu schreiben, mit:<br />

Assalam alaikum,<br />

es war sehr lange her, dass ich das letzte Mal ein<br />

Buch in die Hände genommen hatte. Vielleicht<br />

eine Ewigkeit, vielleicht mehrere Ewigkeiten.<br />

Wer wusste es schon?<br />

Ein Analphabet war ich gerade nicht. Aber<br />

irgendwie lebte ich all die Jahre wie ein<br />

Analphabet. Nur den Trieben nachjagend. Nun,<br />

ich <strong>will</strong> mich, den Helden, nicht ganz schwarz<br />

malen. <strong>Ich</strong> bin ein junger Mann in den<br />

allerbesten Jahren. Irgendwo in der Fremde.<br />

2


Lebe wie der König in Frankreich. Gelegentlich<br />

mache ich Übersetzungen und gebe<br />

Nachhilfeunterricht. Also dumm bin ich nicht.<br />

Aber ich lebte all die Jahre wie ein Dummer vor<br />

mich hin. Nur den Trieben nachjagend. <strong>Ich</strong> bin<br />

verheiratet und habe drei Kinder. Eine<br />

bildhübsche Frau.<br />

<strong>Ich</strong> habe in den letzten fünf Jahren keine einzige<br />

Minute vor dem Fernseher gesessen. Vor fünf<br />

Jahren verlor ich den Glauben an die<br />

Unterhaltung im Fernsehen. Nun, mir geht es<br />

gut. <strong>Ich</strong> verdiene selber etwas, ich erhalte<br />

Leistungen vom Staat und ich habe einen<br />

vermögenden Vater, der mir hier und da den<br />

einen oder den anderen Wunsch erfüllt. Also<br />

habe ich keinen Grund, mich zu beklagen.<br />

Die Tage, die Wochen, die Monate und die<br />

Jahreszeiten kamen und gingen. <strong>Ich</strong> ging <strong>mein</strong>en<br />

Weg vor mich hin. Mit <strong>mein</strong>er Familie. Meinen<br />

Weg?<br />

Mein Weg ging jeden Samstagabend in die<br />

Kneipe. <strong>Ich</strong> trank. <strong>Ich</strong> trank. <strong>Ich</strong> trank. Dann ließ<br />

ich mich mit dem Taxi nach Hause fahren. Schon<br />

mehrmals erbrach ich mich im Wagen und<br />

musste zu den Fahrtkosten noch die<br />

Reinigungskosten übernehmen. Manchmal ging<br />

ich zu Fuß nach Hause. Schaukelnd und<br />

stolpernd. Damit hatte ich keinerlei Probleme.<br />

3


Selbst wenn ich nach Hause kriechen müsste,<br />

glaubte ich nicht, dass es mir etwas ausgemacht<br />

hätte. <strong>Ich</strong> war cool. Der Gang in die Kneipe war<br />

ein festes Programm in <strong>mein</strong>em <strong>Leben</strong>.<br />

Manchmal musste ich auf dem Weg <strong>von</strong> der<br />

Kneipe zurück nach Hause dringend pinkeln.<br />

Das war für mich kein Thema. <strong>Ich</strong> fand immer<br />

einen passenden Platz. Glaubte ich. Aber wer<br />

wusste es schon?<br />

<strong>Ich</strong> bin ein Akademiker. Ein Mann mit einem<br />

Hochschulabschluss. <strong>Ich</strong> genoss Anerkennung<br />

<strong>von</strong> diversen Kreisen. <strong>Ich</strong> wurde in bestimmten<br />

Kreisen akzeptiert und sogar zum Teil auch<br />

respektiert. <strong>Ich</strong> hatte ganz große Ziele. Mit 50<br />

Jahren wollte ich mich irgendwo in den Süden<br />

absetzen und dort unter der Sonne am Strand alt<br />

werden. <strong>Ich</strong> war durchaus immer gepflegt. Die<br />

tägliche Rasur war wie eine Pflicht. Ohne mich<br />

nicht rasiert zu haben, war ich nicht aus der<br />

Wohnung zu kriegen. Schwarze Socken und<br />

schwarze Schuhe. Immer. Haare hatte ich nicht<br />

mehr viel. Aber selbst die wenigen Haare hatten<br />

eine Frisur. Trotz, dass ich täglich mit Menschen<br />

zu tun hatte, die sich zum Islam bekennen,<br />

konnte ich nicht nachvollziehen, warum man<br />

einen ganzen Monat hungern sollte. Oder warum<br />

man jeden Tag fünf mal beten musste. Jeden<br />

4


Tag. <strong>Ich</strong> lebte ohne zu fasten und ohne zu beten.<br />

Und nach Mekka? Und etwas abgeben <strong>von</strong><br />

<strong>mein</strong>em Gewinn? <strong>Ich</strong> hatte einfach keine Zeit<br />

und keine Lust, mich mit etwas zu beschäftigen,<br />

woran ich ohnehin zweifelte, ja, sogar nicht<br />

glaubte. Meine Eltern sind Muslime, und ich?<br />

Weiß ich es? Aber wer wusste es schon?<br />

<strong>Ich</strong> war in der Fremde politisch sehr aktiv. War<br />

Mitglied in diversen Vereinen und Institutionen.<br />

<strong>Ich</strong> war in öffentlichen Veranstaltungen meistens<br />

anwesend. Hielt in dem und jenem Abend auch<br />

schon eine Rede, die immer gut ankam. <strong>Ich</strong><br />

wusste nicht, wie oft ich bei solchen<br />

Veranstaltungen schon ein Glas Sekt oder ein<br />

Glas Wein getrunken hatte. Es waren einfach<br />

viel zu viele. Wein schmeckte mir. Sekt und Bier<br />

dagegen nicht. <strong>Ich</strong> trank in der Öffentlichkeit, ich<br />

trank zu Hause, ich trank in der Kneipe. Ein<br />

Alkoholiker war ich nicht. Aber ich war auf dem<br />

besten Wege dorthin. Meine Frau hatte es nicht<br />

so gern, wenn ich betrunken nach Hause kam.<br />

Immer wenn ich betrunken nach Hause kam,<br />

musste ich auf dem Sofa schlafen. Meine Frau<br />

ließ mich einfach nicht ins Bett. So kam es, dass<br />

ich die meisten Nächte auf dem Sofa verbrachte,<br />

statt im Bett neben <strong>mein</strong>er Frau. Aber auch das<br />

war für mich kein Thema. Dann schlafe ich eben<br />

auf dem Sofa. Und?<br />

5


Es kam des Öfteren vor, dass ich ausging.<br />

Ausgehen hieß für mich im Übrigen in die<br />

Kneipe gehen. <strong>Ich</strong> ging aus. Trank. Und noch<br />

einen. Und noch einen. Irgendwann in der Nacht<br />

wurde ich entweder vom Wirt rausgeworfen oder<br />

ich hatte kein Geld mehr. Also ging ich wieder<br />

nach Hause. <strong>Ich</strong> war so betrunken, dass ich nicht<br />

merkte, dass ich in die Hose gemacht hatte.<br />

Meine Hose war <strong>von</strong> der Gürtellinie an, bis zu<br />

den Fußgelenken voll mit Urin. So ging ich nach<br />

Hause. Stürzend und stolpernd. Quer durch die<br />

Stadt. Mir machte es nichts aus. <strong>Ich</strong> ging nach<br />

Hause, legte mich auf das Sofa und schlief ein.<br />

Mitten unter <strong>mein</strong>er Familie.<br />

<strong>Ich</strong> verkehrte mit den wichtigsten<br />

Persönlichkeiten der Stadt, wo ich lebte, in der<br />

Fremde. Politiker, Direktoren, Journalisten,<br />

Kommissare der Polizei, Lehrer, Geschäftsleute<br />

usw.<br />

<strong>Ich</strong> würde nicht übertreiben, wenn ich sagen<br />

würde, ich verkehrte mit der Elite der Stadt. Und<br />

man kann sogar sagen, ich gehörte auch dazu.<br />

Man ging ge<strong>mein</strong>sam essen, ge<strong>mein</strong>sam trinken,<br />

ge<strong>mein</strong>sam etwas unternehmen. Alle Journalisten<br />

der Stadt hatten bereits etwas über mich<br />

berichtet. Auf der kommunalen Ebene war ich<br />

schon bekannt. <strong>Ich</strong> verkehrte auch mit dem<br />

6


mit <strong>mein</strong>er Familie auch schon mal essen oder<br />

ins Kino oder ins Schwimmbad oder wir machten<br />

Fahrradtouren. Oder wir gingen einfach mal so<br />

raus. Etwas herumgehen. Uns die Gegend<br />

ansehen. Ein Eis essen. In den Kletterwald, ins<br />

Phantasialand. Die Kinder wuchsen auf...Tag für<br />

Tag. <strong>Ich</strong> wusste etwas über die Psychologie des<br />

Kindes. Glaubte ich. Aber was wusste ich schon?<br />

Wer wusste schon was?<br />

<strong>Ich</strong> war schon fast in jeder Kanzlei der Stadt und<br />

hatte dort für die Ausländer gedolmetscht. Auch<br />

bei den Notaren verkehrte ich hier und da. Bei<br />

den meisten Anwälten der Stadt war ich dadurch<br />

bekannt geworden. Sie kannten mich fast alle.<br />

Wenn ich eine Person in der Stadt nicht kannte,<br />

dann lag das daran, dass diese Person wirklich<br />

ein Niemand war. Irgendwie bewegte ich mich<br />

oder verkehrte ich mit den wichtigsten<br />

Persönlichkeiten der Stadt. <strong>Ich</strong> glaube den<br />

schlechtesten Umgang hatte ich mit dem Imam<br />

der Moschee. Nur da ließ ich mich nicht blicken.<br />

Nicht einmal zu den großen zwei Festen der<br />

Muslime war ich bereit, die Moschee <strong>von</strong> innen<br />

zu betreten. <strong>Ich</strong> fand nichts, was mich mit dem<br />

Imam der Moschee verband. Nichts. Auch der<br />

Imam war ein studierter Mann <strong>von</strong> Welt. Er hatte<br />

schon in diversen Städten sein Amt als Imam<br />

8


oder Vorbeter angetreten. Konnte viel <strong>von</strong> den<br />

Kulturen dieser Länder erzählen, aber ich konnte<br />

ihm einfach keine Nähe zeigen. Es gab da etwas,<br />

was mich da<strong>von</strong> abhielt, mich hinter den Imam<br />

zu stellen, und vielleicht einmal im Jahr ein<br />

Gebet mitzumachen. Nein, der Imam der<br />

Moschee war einfach wie ein Stiefbruder für<br />

mich. <strong>Ich</strong> war ein Muslim, aber was wusste ich<br />

denn? Wer weiss schon was? Und überhaupt,<br />

kümmerte mich das denn? Hatte die Tatsache,<br />

dass ich auch ein Muslim war, für mich ein<br />

Gewicht? Interessierte der Islam mich denn?<br />

Mir war egal, wer ich war. Es hätte mir nichts<br />

ausgemacht, ein Buddhist zu sein, oder ein<br />

Schamane oder ein Christ oder ein Jude. Der<br />

Ausdruck, den ich am wenigsten aussprach war,<br />

Islam oder Allah oder Muhammad. Eine fest<br />

eingefahrene Einstellung nistete in <strong>mein</strong>en<br />

Gedanken, dass das Übel der Erde nur eine<br />

einzige Ursache hatte, nämlich die Religion.<br />

Daher waren alle, die sich aus religiösen<br />

Gründen eine Enthaltsamkeit unterzogen, einfach<br />

Spielverderber und Spießer. <strong>Ich</strong> hielt <strong>von</strong><br />

Religionen nicht viel, wenn man die <strong>mein</strong>ige mir<br />

überließ. Religionen kümmerten mich nicht<br />

besonders, wenn ich <strong>mein</strong> <strong>Leben</strong> leben durfte.<br />

Und überhaupt: Wer braucht schon eine<br />

Religion? Wozu?<br />

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