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diabeteszeitung · 2. Jahrgang · Nr. 5 · 23. Mai <strong>2017</strong><br />
Forum Literatur<br />
19<br />
Füllige Kinder: Risikofaktor<br />
für Typ-1-Diabetes<br />
Übergewichtige Mädchen sind besonders gefährdet<br />
Den BMI<br />
in Schach<br />
halten –<br />
essenziell für die<br />
Gesundheit!<br />
Fotos: fotolia/Olivier Le Moal, thinkstock<br />
SAN FRANCISCO. Ein erhöhter BMI ist bei AK-positiven Kindern<br />
mit einem gesteigerten Risiko für Typ-1-Diabetes assoziiert.<br />
Doch der Effekt variiert je nach Alter und Geschlecht.<br />
Welche Rolle spielt das Gewicht<br />
bzw. Adipositas in<br />
Bezug auf das Risiko für<br />
Typ-1-Diabetes? Hierzu gibt es widersprüchliche<br />
Studiendaten – wobei<br />
in den meisten Studien der BMI<br />
nur an einem einzigen Zeitpunkt vor<br />
der Diabetesdiagnose erfasst wurde.<br />
Zudem wurde der Einfluss von Geschlecht<br />
und Alter bisher kaum untersucht.<br />
Welchen Effekt hat ein<br />
anhaltend erhöhter BMI?<br />
US-Wissenschaftler analysierten<br />
deshalb die Daten von 1117 Kindern<br />
und Jugendlichen der TrialNet<br />
Pathway to Prevention(PTP)-Kohorte<br />
(AK-positive Angehörige von<br />
Patienten mit Typ-1-Diabetes). Bei<br />
der ersten BMI-Ermittlung waren<br />
die Teilnehmer zwischen zwei und<br />
18 Jahre alt, bis zum 20. Lebensjahr<br />
erfolgten mindestens zwei BMI-<br />
Messungen. Bei jedem Kontrolltermin<br />
unterzogen sich die Probanden<br />
einem oralen Glukosetoleranztest<br />
und einer HbA 1c -Messung.<br />
Ein langfristig akkumulierter BMI<br />
über der 85. alters- und geschlechtsadjustierten<br />
Perzentile diente als<br />
Basis für die Berechnung des „kumulativen<br />
Exzess-BMI“(ceBMI)-<br />
Indexes. Die Forscher ermittelten<br />
geschlechts- und altersspezifische<br />
ceBMI-Schwellenwerte für das<br />
höchste Typ-1-Diabetes-Risiko.<br />
20 % der untersuchten Kinder entwickelten<br />
einen Diabetes. Bei der<br />
ersten BMI-Messung waren 14 %<br />
der Teilnehmer übergewichtig (BMI<br />
≥ 85. bis < 95. Perzentile) und 11 %<br />
adipös (≥ 95. Perzentile). Der ceBMI<br />
variierte zwischen -10 und +15,1 kg/<br />
m 2 . Fast 25 % der Kinder und Jugendlichen<br />
hatten ceBMI-Werte<br />
≥ 0 kg/m 2 , was einem anhaltenden<br />
Exzess-BMI entspricht (oberhalb der<br />
Schwellenwerte für Übergewicht/<br />
Adipositas der Centers for Disease<br />
Control and Prevention).<br />
Ein höherer ceBMI war mit einem<br />
signifikant erhöhten Risiko für Typ-<br />
1-Diabetes assoziiert. Jede Erhöhung<br />
des ceBMI um 1 kg/m 2 ging mit einer<br />
Zunahme des relativen Risikos<br />
für Typ-1-Diabetes um 6,3 % einher.<br />
Kinder und Jugendliche, die dauerhaft<br />
übergewichtig oder adipös waren<br />
(ceBMI ≥ 0), hatten ein um 63 %<br />
erhöhtes Risiko für die Entwicklung<br />
eines Typ-1-Diabetes, adjustiert für<br />
Alter, Geschlecht und Anzahl der<br />
Antikörper.<br />
Höheres Risiko für Jüngere<br />
Das Alter zu Beginn der Studie (erste<br />
BMI-Messung) war ein signifikanter unabhängiger<br />
Risikofaktor für die Entwicklung<br />
eines Typ-1-Diabetes. Der ceBMI-Schwellenwert<br />
für das Diabetesrisiko war bei<br />
Kindern unter zwölf Jahren unabhängig<br />
vom Geschlecht niedriger (-1,4 kg/m 2 ) als<br />
bei älteren Kindern (+4,6 kg/m 2 ). Bei jüngeren<br />
Kindern wird demnach bereits bei<br />
niedrigeren dauerhaften Exzess-BMI-Werten<br />
ein erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes<br />
beobachtet.<br />
Insgesamt zeigten Jungen einen<br />
deutlich höheren ceBMI-Diabetesrisiko-Schwellenwert,<br />
der die Progredienz<br />
zu einem Typ-1-Diabetes<br />
beeinflusste, als Mädchen. Dies weist<br />
darauf hin, dass sich ein erhöhter<br />
BMI bei Mädchen stärker auf das<br />
Diabetesrisiko auswirkt als bei Jungen.<br />
Der Erkrankungsbeginn<br />
lässt sich hinauszögern<br />
Die Daten weisen darauf hin, dass<br />
Lebensstilmodifikationen in einer<br />
Risikopopulation den Krankheitsbeginn<br />
hinauszögern können, und sie<br />
sprechen für alters- und geschlechtsspezifische<br />
ceBMI-Schwellenwerte<br />
zur Implementierung solcher Maßnahm<br />
en. Dr. Andrea Wülker<br />
Ferrara CT et al. Diabetes Care <strong>2017</strong>; online first<br />
Glykämische Kontrolle in der Pubertät<br />
Unterschiedliche HbA 1c -Verlaufsgruppen bei Typ-1-Diabetes<br />
ULM. Die HbA 1c -Werte verschlechtern sich bei vielen Teenagern<br />
mit Typ-1-Diabetes. Bei manchen Jugendlichen bleibt die Stoffwechsellage<br />
jedoch stabil oder sie verbessert sich sogar. Woran<br />
liegt das?<br />
Das Team um Anke Schwandt<br />
vom Deutschen Zentrum für<br />
Diabetesforschung (DZD),<br />
Universität Ulm, setzte es sich zum<br />
Ziel, verschiedene HbA 1c -Verlaufskurven<br />
bei Diabetes-Patienten im<br />
Alter von 8–19 Jahren zu identifizieren.<br />
Für ihre Studie wählten sie<br />
6433 Kinder und Jugendliche mit<br />
Typ-1-Diabetes aus einem deutschösterreichischen<br />
Patientenregister<br />
aus (Diabetesdauer zu Studienbeginn<br />
mind. zwei Jahre).<br />
Die Forscher konnten fünf Verlaufskurven<br />
der metabolischen Kontrolle<br />
identifizieren:<br />
• Gruppe 1: „intermediär stabil“<br />
(40 % der Patienten; stabile, gute<br />
metabolische Kontrolle)<br />
• Gruppe 2: „niedrig stabil“ (26,9 %;<br />
niedriger Anfangs-HbA 1c , leichter<br />
HbA 1c -Anstieg )<br />
HbA 1c-Verlaufskurven<br />
HbA 1c , %<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
Gruppe 1<br />
Gruppe 2<br />
Gruppe 3<br />
Gruppe 4<br />
Gruppe 5<br />
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19<br />
Alter in Jahren<br />
• Gruppe 3: „hoch stabil“ (14,6 %;<br />
stabile, aber hohe HbA 1c -Werte)<br />
• Gruppe 4: „intermediäre Zunahme“<br />
(13,0 %; anfangs intermediäre<br />
glykämische Kontrolle, Anstieg<br />
des HbA 1c )<br />
• Gruppe 5: „starke Zunahme“<br />
(5,4 %; hoher Baseline-HbA 1c ,<br />
Anstieg vom 8.–19. Lebensjahr)<br />
Zu Beginn der Studie wurden in den<br />
Gruppen 1 und 4 ähnliche HbA 1c -<br />
Werte beobachtet, doch der Wert<br />
verschlechterte sich in Gruppe 4 im<br />
weiteren Verlauf deutlich stärker.<br />
Ähnliches konnten die Wissenschaftler<br />
auch für die Gruppen 3 und 5<br />
feststellen.<br />
Insgesamt wiesen etwa 80 % der<br />
Patienten ein relativ stabiles Muster<br />
bei unterschiedlichen HbA 1c -Leveln<br />
auf, während 20 % der untersuchten<br />
Kinder bei unterschiedlichen initialen<br />
HbA 1c -Niveaus eine progrediente<br />
Verschlechterung der metabolischen<br />
Kontrolle zeigten.<br />
In allen fünf HbA 1c -Verlaufskurven<br />
fanden sich Unterschiede hinsichtlich<br />
verschiedener Parameter wie<br />
u.a. BZ-Selbstmessungen, Insulintherapie,<br />
Insulin-Tagesdosis, körperliche<br />
Aktivität und Migrationshintergrund.<br />
Beim Vergleich von<br />
119<br />
108<br />
97<br />
86<br />
75<br />
64<br />
53<br />
42<br />
HbA 1c , mmol/mol<br />
Quelle: Schwandt A et al. Diabetes Care <strong>2017</strong>; 40: 309-316, MT-Grafik<br />
Schwierige Teenagerjahre<br />
In Deutschland sind rund 30 000<br />
Kinder und junge Erwachsene von<br />
Typ-1-Diabetes betroffen. Ein wichtiges<br />
Therapieziel ist es, während der<br />
Pubertät eine gute Stoffwechselkontrolle<br />
aufrechtzuerhalten. Leitlinien<br />
empfehlen einen HbA 1c -Zielwert von<br />
< 7,5 %. Doch verschlechtert sich die<br />
glykämische Kontrolle in der frühen<br />
Adoleszenz häufig, sodass die HbA 1c -<br />
Werte bei Sechzehnjährigen einen<br />
Peak aufweisen (8,5 %).<br />
Gruppen mit ähnlichem Ausgangs-<br />
HbA 1c , aber unterschiedlichen Verläufen<br />
fiel auf, dass Gruppen mit<br />
größeren HbA 1c -Zunahmen seltener<br />
ihre BZ-Werte überprüften, körperlich<br />
weniger aktiv waren und eine<br />
geringere Körpergröße aufwiesen.<br />
In den Gruppen mit stabilem, gutem<br />
HbA 1c -Verlauf waren weniger<br />
Jugendliche mit Migrationshintergrund<br />
vertreten. Sprachbarrieren,<br />
Kommunikationsprobleme und ein<br />
heterogener Gesundheitsstatus in<br />
verschiedenen Ethnien tragen möglicherweise<br />
zu Schwierigkeiten in<br />
der Routineversorgung bei, mit der<br />
Folge einer suboptimalen Stoffwechsellage.<br />
AW<br />
Schwandt A et al. Diabetes Care <strong>2017</strong>;<br />
40: 309–316