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8 KÖLN / DÜSSELDORF<br />
SEXARBEIT<br />
Studienergebnisse zur Situation männlicher<br />
ESCORTS<br />
Der Anteil von männlichen Sexarbeitern<br />
ist deutlich gestiegen.<br />
Darüber hinaus sind männliche<br />
Escorts an schwulen Szeneorten oder<br />
an öffentlichen Plätzen immer weniger<br />
anzutreffen, vielmehr verlagern<br />
sich ihre Anbahnungsaktivitäten<br />
fast vollständig in die einschlägigen<br />
Internetportale. Dies ist das Ergebnis<br />
einer Studie der Aidshilfe NRW zur<br />
Lebenslage von Escorts in Dortmund,<br />
Essen, Düsseldorf und Köln.<br />
Die 125 Befragten waren von 17 bis 54<br />
Jahre alt, im Durchschnitt 28,6 Jahre und<br />
damit über fünf Jahre älter als in der Studie<br />
von 2008 (23 Jahre). Etwa die Hälfte der<br />
Befragten gibt an, auch privat am liebsten<br />
nur mit Männern Sex zu haben. Die andere<br />
Hälfte erklärt, privat gerne mit Männern<br />
und Frauen (28%) oder nur mit Frauen<br />
(24%) Sex zu haben.<br />
Mit der aktuellen Befragung ist es gelungen,<br />
mehr ausländische Escorts zu erreichen,<br />
insgesamt 41,4% der Befragten. Sie stammen<br />
aus anderen EU-Ländern (25,6% aus<br />
Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Rumänien)<br />
und aus West-Balkanländern, die nicht in<br />
der EU sind (8,8%). Personen aus anderen<br />
EU-Staaten, insbesondere aus Bulgarien<br />
und Rumänien bilden den größten Teil<br />
der Escorts in den Szenetreffpunkten der<br />
Erhebungsorte. Sie leben in der Mehrheit<br />
in prekären Lebensverhältnissen und<br />
ohne Krankenversicherung. Der Anteil<br />
von Escorts mit Migrationshintergrund ist<br />
deutlich gestiegen.<br />
Die befragten Escorts haben sehr unterschiedliche<br />
Einstellungen zur Sexarbeit.<br />
Diese reichen von Sexarbeit als Erwerbstätigkeit<br />
über Sexarbeit als homosexueller<br />
Lebensstil, hierunter auch Migranten aus<br />
anderen EU-Ländern, bis zur Sexarbeit als<br />
Überlebensstrategie. Die sexuelle Orientierung<br />
spielt dabei eine entscheidende Rolle,<br />
insbesondere für heterosexuell orientierte<br />
Escorts ist das Thema Sexarbeit ein kaum<br />
berührbares Tabu.<br />
Auch der biografische Zugang zur Welt<br />
der Sexarbeit erweist sich als prägend für<br />
Einstellungen und Handlungskompetenz.<br />
Einige Interviewpartner waren Opfer von<br />
sexuellem Missbrauch, sexueller Ausbeutung<br />
und Vernachlässigung in Kindheit<br />
und Jugend. Viele leiden bis heute unter<br />
multiplen gesundheitlichen Belastungen.<br />
Andere Interviewpartner nennen als Motiv<br />
den Wunsch, Spaß mit Geldverdienen zu<br />
verbinden. Weitere Interviewpartner hatten<br />
schon vor ihrem Einstieg eine positive Einstellung<br />
zu Sexarbeit, fanden die Verdienstmöglichkeit<br />
attraktiv oder wollten Schulden<br />
begleichen. 11% der Befragten haben<br />
angegeben, mit der Sexarbeit in erster Linie<br />
ihren Drogenkonsum zu finanzieren.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass<br />
es sich um Individuen in sehr unterschiedlichen<br />
Lebenslagen handelt, die<br />
drei Gruppen zuzuordnen sind: 1. Heterosexuell<br />
orientierte Migranten in prekären<br />
Lebensverhältnissen, überwiegend ohne<br />
Krankenversicherung und mit eher geringer<br />
Schulbildung. 2. Personen mit multiplen<br />
gesundheitlichen und sozialen Belastungen,<br />
zum Teil aus Kindheit und Jugend. 3. Homound<br />
bisexuelle Escorts in eher gesicherten<br />
Lebensverhältnissen.<br />
Insgesamt gaben 62,4% an, „immer“<br />
Kondome zu benutzen, das sind ca. 5%<br />
weniger als in der Studie 2008. In der<br />
Studie 2008 gab es einen Zusammenhang<br />
zwischen dem Grad der Informiertheit<br />
über HIV/Aids und Safer Sex. Das heißt<br />
je höher das „Wissensniveau“ zu Übertragungswegen<br />
und Präventionsmöglichkeiten<br />
war, desto höher war die Anwendung<br />
von Kondomen und Safer Sex Regeln. Die<br />
Interviewpartner weisen zum Thema Prävention<br />
eine Vielfalt von Verhaltens- und<br />
Denkmustern auf. Diese reichen von der<br />
konsequenten Anwendung des Kondoms,<br />
dem Eingehen mehr oder weniger<br />
bewusster Risiken auf Grund der prekären<br />
Lebensverhältnisse bis zu der Auffassung,<br />
die Kunden seien selbst schuld, wenn sie<br />
sich nicht schützen. Es wurde deutlich,<br />
dass in der Gruppe mit dem höchsten<br />
Wissensniveau und den im Vergleich stabileren<br />
Lebensverhältnissen die Bereitschaft<br />
zur Verwendung von Kondomen<br />
und Safer Sex stark gesunken ist.