Rundbrief 1-2010 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit
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Part. Einige der Frauen sagten, dass sie in der DDR<br />
ganz selten wirklich eine Berufswahl hatten, gerade<br />
als Frauen. Ganz viele waren auch in Männerberufen<br />
tätig, was etwas mit dem regionalen <strong>Arbeit</strong>smarkt zu<br />
tun hatte. Aber sie meinten, wenn sie in der damaligen<br />
neuen Situation 10 oder 20 Jahre jünger gewesen<br />
wären und ihren Beruf selber hätten bestimmen können,<br />
dann hätten sie einen anderen Beruf ausgeübt.<br />
Der individuelle Berufswunsch war bei uns im Westen<br />
ja auch schwierig umzusetzen. Aber in den 70er und<br />
80er Jahren war die Selbstfindung sehr ausgeprägt,<br />
was man wirklich wollte, und mit welchen finanziellen<br />
Mitteln man das verwirklichen konnte. Was die Frauen<br />
jetzt wirklich möchten, diese Frage ist jedenfalls auch<br />
gekommen. Wir dachten damals, dass Frauen im Bezug<br />
auf <strong>Arbeit</strong> deutlich besser dran waren als im Westen.<br />
Aber es ist ja nicht nur die <strong>Arbeit</strong> allein.<br />
TN: Wir wissen alle: was im Gesetz steht und was wirklich<br />
ist, das sind zweierlei Sachen. Selbst wenn gesetzlich<br />
klar war, dass Männer und Frauen arbeiten gehen<br />
mussten, hieß das aber auch: wenn ich mich außerhalb<br />
eines Rollenbildes bewege, bekomme ich Sanktionen zu<br />
spüren. Sich zu entscheiden, nicht zu arbeiten oder nicht<br />
sofort nach der Geburt eines Kindes arbeiten zu gehen<br />
oder aber wo anders leben zu wollen, das war schon nicht<br />
so einfach. Die Frage ist, wo und wie Frauen auf Rollen<br />
festgelegt werden. Ich frage mich, in welche Richtung wir<br />
heute an diesen Punkt gehen.<br />
TN: Ich will es noch einmal unterstreichen, dass es wirklich<br />
sehr schwierig war, nicht arbeiten zu gehen. Ich lebte<br />
in einer Partnerschaft und wagte, ein ganzes Jahr nicht<br />
zu arbeiten, was mir Schwierigkeiten gemacht hat, weil<br />
ich dadurch nicht versichert war. Die andere Seite ist,<br />
das fand ich in der DDR wirklich bemerkenswert: wenn<br />
man alleinerziehend war, war man genauso gleichgestellt<br />
und abgesichert wie jede verheiratete Frau. Das ist etwas<br />
unheimlich Positives gewesen.<br />
TN: Das empfi nde ich auch so.<br />
TN: In der DDR konnten sich weder Mädchen noch Jungen<br />
einen Beruf aussuchen. Man stellte Hochrechnungen an,<br />
wie viele Lehrer gebraucht werden, wie viele Ingenieure<br />
oder Menschen in der Landwirtschaft. Diese Ausbildungsplätze<br />
hat man kontingentiert, also das wurde gelenkt.<br />
Der Vorteil daran war, dass man fast mit 100 prozentiger<br />
Sicherheit, wenn man den Beruf erlernt hatte, danach<br />
eine Tätigkeit hatte. Wenn man sich das in den alten<br />
Bundesländern anschaut, da konnte man vielleicht den<br />
Beruf erlernen, den man wollte, aber ob man dann eine<br />
Tätigkeit bekommen hat? Ich will einfach nur sagen: Es<br />
hat alles zwei Seiten.<br />
Ich habe seit 1991/92 in der <strong>sozial</strong>-<strong>kulturelle</strong>n <strong>Arbeit</strong><br />
festgestellt, dass Frauen, was das Sozialengagement<br />
angeht, die Aktiven sind. Kurz nach der Wende habe ich<br />
auch festgestellt, dass Spezialbereiche eingerichtet wurden<br />
wie Frauenladen, Mädchenladen, Frauentreff, Frauengruppen.<br />
Man hat dann relativ schnell erkannt, dass<br />
man mit Spezialeinrichtungen alleine nicht so eine gute<br />
Überlebenschance hat. Wenn man aber diese Spezialaufgaben<br />
in ein Nachbarschaftszentrum integriert, kommen<br />
sie besser zum Tragen, weil diese Umgebung nicht stigmatisiert<br />
und nichts verfestigt, wie wenn zum Beispiel<br />
zum <strong>Arbeit</strong>slosenfrühstück nur <strong>Arbeit</strong>slose kommen.<br />
Aber ich kann nur meinen Hut ziehen vor allen aus dieser<br />
Runde, die sich nicht haben unterkriegen lassen, sondern<br />
überlegen, wie sie die Lebensqualität der Menschen verbessern<br />
können. Und was ist jetzt aktuell?<br />
TN: Wir haben übrigens keine Gleichstellungsbeauftragte<br />
mehr, sondern Gender-Beauftragte. Das ist von oben initiiert<br />
worden. Meine Frage dabei ist, ob es bewusst initiiert<br />
wurde, weil Frauen an einen Punkt gekommen sind, wo<br />
vielleicht die Gefahr bestand, dass sie weiterkommen?<br />
Aber aus meiner Sicht sind sie noch lange nicht da angekommen,<br />
wo sie hätten ankommen müssen, nämlich bei<br />
echter Gleichwertigkeit.<br />
TN: Gender ist ja ein bisschen mehr als Mann und Frau.<br />
Und weil der Begriff so sperrig ist, ziehen jetzt unentwegt<br />
Berater durch die Gegend und erklären einem, was<br />
das ist. Weil man kein Geld mehr von der Bundesre-<br />
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