01.06.2017 Aufrufe

Mixology - Magazin für Barkultur 3-17

Endlich wieder Vodka! Nach über einem Jahrzehnt in der Versenkung der aromatischen Bedeutungslosigkeit darf Vodka wieder nach etwas schmecken. Wir haben mit ambitionierten Brennern gesprochen, warum sie sich wieder für den klaren Brand entscheiden, außerdem lassen wir führende Bartender zu Worte kommen – denn noch immer ist Vodka ein schwieriges Feld. Verpassen Sie nicht die beiden großen Titelgeschichten! Dazu vielleicht ein Bier? Zum zweiten Mal schaut das MIXOLOGY TASTE FORUM auf das Heiligtum der Deutschen – Pils. Wer macht das Rennen? Und brauen die neuen Craft-Brauer eigentlich einen anderen Pils-Stil als die Traditionshäuser? Außerdem: In Zürich gab es schon immer hervorragende Bars. Doch die größte Stadt der Schweiz verjüngt sich. Die alten Institutionen bekommen neue Nachbarn, und alt wie neu bieten tolle Drinks. Das große Update in den Stadtgeschichten.

Endlich wieder Vodka! Nach über einem Jahrzehnt in der Versenkung der aromatischen Bedeutungslosigkeit darf Vodka wieder nach etwas schmecken. Wir haben mit ambitionierten Brennern gesprochen, warum sie sich wieder für den klaren Brand entscheiden, außerdem lassen wir führende Bartender zu Worte kommen – denn noch immer ist Vodka ein schwieriges Feld. Verpassen Sie nicht die beiden großen Titelgeschichten!
Dazu vielleicht ein Bier? Zum zweiten Mal schaut das MIXOLOGY TASTE FORUM auf das Heiligtum der Deutschen – Pils. Wer macht das Rennen? Und brauen die neuen Craft-Brauer eigentlich einen anderen Pils-Stil als die Traditionshäuser?
Außerdem: In Zürich gab es schon immer hervorragende Bars. Doch die größte Stadt der Schweiz verjüngt sich. Die alten Institutionen bekommen neue Nachbarn, und alt wie neu bieten tolle Drinks. Das große Update in den Stadtgeschichten.

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APERITIF<br />

VEREHRTE LESER!<br />

Auch ich muss mich schuldig bekennen: Vodka<br />

kann ziemlich großartig sein. Kann, wohlgemerkt.<br />

Ich trinke tatsächlich ganz gern ab und zu ein<br />

Gläschen davon. Dann natürlich pur. Und nein, das<br />

ist keine kalte Affirmation da<strong>für</strong>, dass der vermeintlich<br />

geschmack- und gesichtslose Brand in ungewohnt<br />

plakativer Manier unseren Titel ziert – vielmehr<br />

ist es wohl eine Folge der in Wirklichkeit von<br />

vielen gehegten Sympathie <strong>für</strong> Vodka, dass es von<br />

Zeit zu Zeit einfach nötig ist, über ihn zu sprechen.<br />

Ihn, den schwierigen Dauergast. In und mit der<br />

Fachwelt über Vodka zu sprechen, ist das große<br />

zweischneidige Schwert unserer Zeit. Freilich spalten<br />

auch andere Spirituosen die Gemüter. Dann<br />

aber eher aufgrund ihres Wesens, nicht durch<br />

ihre Aura. Eine stärker polarisierende Gattung als<br />

Vodka gibt es unter allen anderen Spirituosen mit<br />

ziemlicher Sicherheit nicht: Einerseits verpönt als<br />

zur Neutralität verdammter Wirkungsbeschleuniger<br />

in faden Cocktails, als Verkörperung des Schnaps gewordenen Marketings,<br />

als »Cash Cow« der Branche. Andererseits eine Spirituose mit<br />

jahrhundertealter Tradition, mit Identität, mit Kraft und Wucht. Man<br />

darf ihm nicht dadurch Unrecht tun, dass man ihn auf Teilaspekte seines<br />

Daseins reduziert.<br />

Nils Wrage<br />

Chefredakteur<br />

Neuem zu verleihen. Vor rund zwei Monaten gar<br />

hielt jene neue Garde der Vodkabrenner in London<br />

den ersten »Vodka Summit« ab, ein offenes<br />

Forum mit Diskussionen rund um die Frage, wie<br />

sich die eigentlichen Inhalte der Kategorie wieder<br />

kommunizieren und – natürlich – auch wieder<br />

mehr in die Gläser jener Menschen bringen lassen,<br />

die nach charaktervollen Aromen suchen.<br />

Denn in seinem Kern ist der Vodka genau das,<br />

auch heute: Er ist charaktervoll, ausdrucksstark,<br />

charismatisch, er zeigt stolz auf seine Herkunft.<br />

Und nicht zuletzt verlangt er auch vom Genießer<br />

oft etwas mehr Aufmerksamkeit, als es vielleicht<br />

Scotch oder Rum tun – sein Zauber liegt schließlich<br />

oft im Filigranen, im zweiten Blick, in den Andeutungen.<br />

Diesen Aspekt und viele andere haben<br />

wir in unseren beiden großen Titelgeschichten<br />

versucht aufzugreifen, im Gespräch mit führenden<br />

Innovatoren der Gattung, aber auch an den heimischen Tresen, wo nach<br />

wie vor die Probleme deutlich werden, auch die Vorwürfe, denen sich<br />

Vodka im Jahre 20<strong>17</strong> unter vielen Bargängern noch gegenübersieht. Hoffen<br />

wir, dass er Stück <strong>für</strong> Stück seine Würde wiedererlangt. Denn nicht<br />

nur Mezcal und Rye Whiskey haben unsere Wertschätzung verdient!<br />

Aber gerade weil Vodka ein solch schwieriges Thema ist, macht es stets<br />

besondere Freude, sich mit ihm auseinanderzusetzen, speziell in diesen<br />

Tagen. Denn es tut sich etwas beim klaren, reinen Brand. Die Tage<br />

des mit teurem Design maskierten Neutralalkohols scheinen zwar nicht<br />

gezählt, doch zunächst klammheimlich, dann aber immer merklicher<br />

hat sich eine neue Garde junger, qualitäts- und vor allem geschmacksbewusster<br />

Brenner daran gemacht, dem Vodka seine Salonfähigkeit von<br />

Mit den herzlichsten Grüßen aus der Redaktion<br />

Ihr Nils Wrage<br />

Bildstrecke: studio grau<br />

»EINFACH MAL<br />

WAS AUSMALEN!«<br />

Es heißt, das gute alte Malbuch feiere neue Beliebtheit<br />

auch bei gestressten, erwachsenen Großstädtern. Nur<br />

zu gut nachvollziehbar! Denn schon lange wissen etwa<br />

buddhistische Mönche, dass man bei dieser manchmal<br />

geradezu meditativen Tätigkeit seine Mitte wiederfindet.<br />

Was liegt da näher, als das ganze mit einer anderen<br />

Entspannung zu flankieren – dem gepflegten Drink?<br />

Die wunderbare Inga Israel, die immer wieder mit<br />

ihren herr lichen Illustrationen in unserem <strong>Magazin</strong> präsent<br />

ist, hat genau da<strong>für</strong> die wunderbare Bildstrecke<br />

am Anfang dieses Heftes geschaffen.<br />

Doch damit nicht genug: Wer wirklich zum Stift greift,<br />

kann sogar noch etwas gewinnen. Wer uns Fotos von<br />

seiner farbigen Interpretation an verlosung@mixology.<br />

eu schickt, nimmt an einem Gewinnspiel teil.<br />

Unter den schönsten Einsendungen verlosen wir ein<br />

Jahres- Abonnement des <strong>Magazin</strong>s, einen MIXOLOGY BAR<br />

GUIDE No. 7 oder ein Exemplar des Buches »Cocktailian<br />

3 – Bier & Craft Beer«. Schreiben Sie uns einfach dazu,<br />

welche Prämie Ihr Favorit ist. Viel Glück!<br />

5


Bars & Menschen<br />

MIXOLOGY INTERN<br />

Die Redaktion und ihr liebster Biergarten<br />

................................................................................ 8<br />

ZEHN<br />

Neue Brennereiperlen aus Schottland<br />

.............................................................................. 18<br />

STADTGESCHICHTEN<br />

Bars in Zürich: Zwischen Klassik und Innovation<br />

.............................................................................. 22<br />

Neue Bars<br />

Die neue Noblesse: Das Josef in Wien<br />

.............................................................................. 32<br />

STARS IN BARS<br />

René Soffner: Zauberer aus Frankfurt<br />

.............................................................................. 34<br />

NACHTRAUSCHEN<br />

Ohne Kitsch ins Kitch<br />

.............................................................................. 36<br />

Flüssiges<br />

MIXTUR<br />

Neue Produkte aus dem Baruniversum<br />

.............................................................................. 10<br />

MEINUNG<br />

Bartender verraten ihr liebstes Pils<br />

.............................................................................. 16<br />

MADE IN GSA<br />

Frisches aus heimischen Gefi lden<br />

.............................................................................. 20<br />

FOOD & DRINK<br />

Beschwipste Ceviche <strong>für</strong> Alle!<br />

.............................................................................. 38<br />

TITEL<br />

Craft Vodka: endlich wieder Geschmack<br />

.............................................................................. 42<br />

TRINKWELT<br />

Elfen, Elixiere und Ewiges Eis: Trinken in Island<br />

.............................................................................. 48<br />

MARKENPORTRÄT<br />

Mamont – Nicht irgendein Vodka<br />

.............................................................................. 54<br />

BACK TO BASICS<br />

Frische Beeren Galore an der Bar<br />

.............................................................................. 58<br />

ALCHEMIST<br />

Die Idee vom Konzept: Wie geht das?<br />

.............................................................................. 62<br />

MIXOLOGY TASTE FORUM<br />

Pils & Pisco im großen Test<br />

.............................................................................. 68<br />

FOUR OF A KIND<br />

Viermal trockener Wermut im Vergleich<br />

.............................................................................. 78<br />

KLIMEK’S KAUFBEFEHL<br />

Über schwarzen Riesling<br />

.............................................................................. 79<br />

COCKTAILKULTUR<br />

Wird die Bar dem neuen Vodka gerecht?<br />

Eine Suche<br />

.............................................................................. 80<br />

22 STADTGESCHICHTEN<br />

Zu den Bar-Klassikern in Zürich gesellen sich immer mehr frische, moderne und höchst<br />

urbane Konzepte. Die Limmatstadt gelingt das Kunststück, ihre <strong>Barkultur</strong> neu zu erfinden,<br />

ohne das Bewährte zu vernachlässigen. Zwischen »Apero«, Old Fashioned und Highballs.<br />

TRINKWELT 48<br />

Ein Land, so abgeschieden, dass die<br />

Offenheit seiner Bevölkerung geradezu<br />

verblüfft. Eine Tour durch Islands<br />

Trinkstätten, befeuert durch ordentlich<br />

Brennivín.<br />

BUSINESS 102<br />

Pisco kommt. Wahrscheinlich mehr, als<br />

es der vielbeschworene Mezcal bislang<br />

je getan hat. Über die Wurzeln einer der<br />

vielseitigsten Spirituosen überhaupt.<br />

6


MIXOLOGY<br />

TASTE FORUM 68<br />

Gleich zwei Nationalheiligtümer<br />

stehen diesmal auf dem<br />

Prüfstand: Die große, objektive<br />

Bewertungsrunde zu deutschem<br />

Pils und dem südamerikanischen<br />

Traubenbrand Pisco. Wer<br />

macht das Rennen?<br />

HOW TO COCKTAIL<br />

Der perfekte Vodka Martini<br />

.............................................................................. 83<br />

WHISKEY NEWS<br />

Neue Drams aus Schottland, Deutschland und<br />

den USA<br />

.............................................................................. 86<br />

BIER<br />

Craft Beer und die »Drinkability« – passt das?<br />

.............................................................................. 88<br />

BIERNOTIZEN<br />

Neue Hopfi gkeiten <strong>für</strong> den Sommer<br />

.............................................................................. 92<br />

BRAUER-INTERVIEW<br />

Vom Blogger zum Brauer: Felix Vom Endt und<br />

Orca Brau<br />

.............................................................................. 94<br />

KAFFEE<br />

Wie man Katzenkaffee richtig kauft<br />

.............................................................................. 98<br />

KAFFEENOTIZEN<br />

Die wichtigsten Neuheiten der Kaffeewelt<br />

........................................................................... 100<br />

MARKENPORTRÄT<br />

Chrüter Chraft: Appenzeller Alpenbitter im<br />

Kaffeecocktail<br />

........................................................................... 101<br />

42 TITEL<br />

Vodka will nicht nur<br />

mehr als man ihm zutraut.<br />

Er kann es auch.<br />

Mit Recht! Der große<br />

Einblick in die neue<br />

Welle jener Brenner,<br />

<strong>für</strong> die der klare<br />

Brand nicht mehr aus<br />

Lifestyle, Marketing<br />

und Instagram besteht<br />

– sondern aus Geschmack,<br />

Handwerk<br />

und Charakter.<br />

Wirtschaft & Kultur<br />

BUSINESS<br />

Der Weg des Pisco ins Heute<br />

........................................................................... 102<br />

DIE FLASCHE IN ZAHLEN<br />

Absolut Vodka<br />

........................................................................... 107<br />

MIXOLOGY ON THE ROAD<br />

Licht & Schatten: Eine Tour auf dem Whiskey Trail<br />

........................................................................... 108<br />

ESSENTIAL CULTURE<br />

Literarische & musikalische Begleitung <strong>für</strong><br />

den Drink<br />

........................................................................... 111<br />

HOMEBAR<br />

Für jeden Anlass das richtige Rührglas<br />

........................................................................... 112<br />

MUSIK<br />

Jarvis Cocker & Chilly Gonzales mit ihrem<br />

»Room 29«<br />

Neues & Notizen<br />

62 ALCHEMIST<br />

Wie baut man eigentlich ein Konzept?<br />

Fast jeder Gastronom führt diese Vokabel<br />

heutzutage im Munde – nur selten<br />

hat er wirklich eins. Ideen zur richtigen<br />

Ideenfindung.<br />

VERANSTALTUNGEN & WETTBEWERBE<br />

Termine, Events, Wettbewerbe & aktuelle News<br />

........................................................................... 116<br />

IMPRESSUM<br />

........................................................................... 120<br />

7


STADTGESCHICHTEN<br />

ZÜRICH<br />

TAG UND NACHT<br />

Text Michaela Bavandi<br />

Foto: ullstein bild - AllOver<br />

23


Kronenhalle<br />

Rämisstrasse 4, 8001 Zürich<br />

— kronenhalle.ch/bar<br />

Foto: Aus dem Bilder-Archiv der Kronenhalle<br />

Ein Ort, der eigentlich keine Worte mehr braucht. Christian Heiss führt ihn derzeit in eine neue Ära<br />

Augenhöhe und hohe Bälle<br />

Bar-Adressen<br />

Tales Bar<br />

Selnaustrasse 29<br />

8001 Zürich<br />

— tales-bar.ch<br />

Cinchona Bar<br />

Langstrasse 150<br />

8004 Zürich<br />

— cinchona.bar<br />

Onyx Bar<br />

im Park Hyatt Zürich<br />

Beethoven-Strasse 21<br />

8002 Zürich<br />

— zurich.park.hyatt.com<br />

Kronenhalle<br />

Rämisstrasse 4<br />

8001 Zürich<br />

— kronenhalle.ch/bar<br />

Old Crow<br />

Schwanengasse 4, 8001 Zürich<br />

— oldcrow.ch<br />

4 Tiere<br />

Feldstrasse 6<br />

8004 Zürich<br />

— viertiere.ch<br />

Der Stuttgarter und Wahlschweizer Felix Haag beispielsweise hat sich<br />

mit der Eröffnung seines »Felix« Anfang März dieses Jahres einen Traum<br />

erfüllt. Die kleine Nachbarschaftsbar mit 25 Sitzplätzen im Inneren, aber<br />

50 im Terrassenbereich befindet sich in der belebten Kalkbreite-Überbauung<br />

in Kreis 3, in angrenzender Nähe zum Café Bebek mit orientalischer<br />

Küche und Bar im Obergeschoss, zum Houdini Kino und zum<br />

Sobre Mesa von Laura Schälchli. Die studierte Gastro-Wissenschaftlerin<br />

lädt dort abends auch zu Begegnungen rund um Esskultur in Form<br />

von Workshops und Themenabenden und lässt Experten zu Schaum-,<br />

Natur- oder schlichtweg (Schweizer) Wein, Craft Beer oder Insekten<br />

als Lebensmittel zu Wort kommen. Felix Haag setzt auf »Gastronomie<br />

auf Augenhöhe mit Persönlichkeit und individueller Betreuung eines<br />

jeden Gastes, egal ob dieser in Shorts oder Anzug zu uns kommt«. Mit<br />

einer breiten Auswahl an Gin, Rum oder Whisky sei zwar alles machbar,<br />

doch abholen möchte das Barteam seine Gäste vorwiegend mit speziellen<br />

Drink-Kreationen, Longdrinks zu moderaten Preisen, Aperol-Spritz,<br />

gespritztem Weißwein und Bier samt Apéro-Häppchen. Mit an Bord:<br />

Gönke Hansen. Die gebürtige Husumerin, als Bartenderin der Onyx<br />

Bar im Zürcher Park Hyatt bei den <strong>Mixology</strong> Bar Awards 2016 als<br />

Newcomerin des Jahres nominiert, hat den Schwung nach 13 Monaten<br />

im Eau de Vie in Sydney in die Limmatstadt mitgenommen. Motiviert<br />

und von der »viel verrückteren <strong>Barkultur</strong> in Australien« inspiriert, tüftelt<br />

die Barchefin gemeinsam mit Haag an einer neuen kleinen Barkarte.<br />

28 Stadtgeschichten — Zürich


NEUE BARS<br />

Foto: Jean Van Luelik<br />

32<br />

LÄSSIG WIE DER OPA<br />

Mitten im Bermudadreieck, das ein Schatten seiner einstigen Bedeutung <strong>für</strong> das Wiener Bar-Leben<br />

ist, haben Andrea Hörzer und Philipp Ernst das »Josef« aufgemacht. Man liest ein unsichtbares<br />

»Herr« vor diesem Namen mit, denn bis zum Handtuchspender herrscht Noblesse. Da<strong>für</strong> zeugen<br />

die Drinks von viel Humor.


STARS IN BARS<br />

KINLY, NICHT<br />

KINGLY<br />

Text Roland Graf<br />

Wirtshauskinder haben zu viel Selbstausbeutung<br />

gesehen, um in der Branche<br />

bleiben zu wollen. In dieser Hinsicht ist<br />

René Soffner mit seinem Weg hinter den<br />

Tresen der eigenen »The Kinly Bar« eine<br />

Ausnahme. Das liegt an seiner reflektierten<br />

Persönlichkeit. Ein bisschen aber auch<br />

an Uschi Obermaier.<br />

Unter den vielen nunmehr posthum publizierten Gedanken, denen<br />

der deutsche Denker Friedrich Kittler am Baggersee nachhing, betrafen<br />

einige das Tresenleben. »Die Dekorationen vieler Bars entstammen<br />

dem Formenschatz des Unterirdischen«, notierte er etwa. Und zu wenig<br />

Lokalen der Bundesrepublik passt diese Beobachtung, die in einer<br />

Parallelisierung der Rückzugsräume Höhle und Bar gipfelt, so gut wie<br />

zum Frankfurter »Kinly«. Die Bar René Soffners steht mit ihrem Hinabschreiten<br />

in die Tiefe, sobald das Licht unten einen Gast signalisiert<br />

hat, <strong>für</strong> eine Parallelwelt. Es ist die Welt der »Kinly Boys«, die trotz<br />

ihres maskulinen Namens den Machismo verabscheuen. Warum das so<br />

ist, halten wir jetzt dramaturgisch noch zurück, nur so viel: Es hat mit<br />

den prägenden Personen des Frankfurter Barchefs zu tun.<br />

The Kinly Bar<br />

Elbestraße 34<br />

60329 Frankfurt/Main<br />

Di bis Sa: 20 – 3 Uhr<br />

Kartenzahlung: Ja<br />

Rauchen: Ja<br />

— kinlybar.com<br />

34


TITEL<br />

ER DARF WIEDER<br />

SCHMECKEN!<br />

Text Marianne Julia Strauss Fotos Tim Klöcker<br />

Von wegen Wässerchen. Wenn die Craft-Bewegung<br />

die industrialisierteste aller Spirituosen erreicht, kann<br />

nur Spannendes dabei herauskommen. Vodka, lang im<br />

Windschatten von Gin und Konsorten, segelt in Richtung<br />

Augenhöhe mit der hochprozentigen Konkurrenz. Heute<br />

traut er sich Geschmack und Experimente. Ein Kandidat,<br />

auf den gern Wetten abgeschlossen werden dürfen.<br />

Vorbei die Zeiten, in denen die glorreichste Rolle<br />

des Vodkas darin bestand, die halbleere Mate-Flasche<br />

wieder aufzufüllen. Nach dem Gin-Zeitalter zeigt nun<br />

der Kollege aus dem Osten, was er hat: Erfindergeist,<br />

Facettenreichtum und vor allem Potenzial. Während<br />

die einen Brenner endlich Gehör <strong>für</strong> ihr über Jahre<br />

angesammeltes Vodkawissen finden, experimentieren<br />

die anderen schon mit abenteuerlichen Zutaten.<br />

Interessanterweise scheint die noch leise Bewegung<br />

diesmal nicht aus den Vereinigten Staaten herüberzuschwappen.<br />

»Vodka? Ich höre gar nichts darüber in den<br />

USA …«, berichtet Bar-Seismograph Angus Winchester.<br />

»Ich kenne hier kaum einen Bartender, der an<br />

dem Thema interessiert ist, geschweige denn intensiver<br />

mit Vodka arbeitet.«<br />

Bemerkenswert, handelt es sich doch um die derzeit<br />

meistverkaufte Spirituose der Welt. Schätzungsweise<br />

200 Flaschen Vodka werden weltweit pro Sekunde (!)<br />

konsumiert. Doch bevor wir uns anschauen, wie und<br />

wo junge Brenner in Europa frischen Wind in die Kategorie<br />

bringen, begeben wir uns auf einen Schnell-Exkurs<br />

durch Geschichte und Fakten.<br />

42<br />

Foto: Tim Klöcker, Model: Anette Levin


Entgegen der Annahme Vieler ist die Kartoffel nicht die Ur-Basis <strong>für</strong> Vodka. Köstliche Brände bringt sie trotzdem hervor.<br />

43


TRINKWELT<br />

Island<br />

DIE NOBELPREIS-<br />

TRINKER<br />

Text Markus Orschiedt<br />

Illustrationen: studio grau<br />

49


ALCHEMIST<br />

IDEE.<br />

GESCHICHTE.<br />

IDEENGESCHICHTE.<br />

Text Reinhard Pohorec<br />

62<br />

Illustrationen & Fotos: studio grau


Brand Ambassador müsste man sein. Oder Consultant. Die Bar als<br />

Sprungbrett. Das Hinterm-Tresen-Stehen als Zwischenstopp auf dem<br />

Weg zur Erfüllung. In der Tat zücken viele Ex-Bartender heute flott<br />

die Visitenkarte eines Konzerns und deklarieren sich als Markenbotschafter.<br />

Wird man von der nachbarschaftlichen Eckkneipe um ein paar<br />

Drinkideen gebeten, hat man die höheren Weihen des Beraters erreicht.<br />

Was dahintersteckt, ist zweitrangig – jedes Kind braucht einen Namen.<br />

Deutschsprachige Titelverbrunztheit (excuse my French!), tradiert in<br />

den Kosmos von Bar und Spirituosen. Dass zu beidem etwas mehr<br />

gehört, wissen all jene zu berichten, die seit Jahren und Jahrzehnten<br />

erfolgreich in diesen Bereichen tätig sind. Da reicht es nicht, einfach<br />

ein bisschen über Gin zu plaudern oder vier Drinks auf ein Klemmbrett<br />

zu schreiben. Was es braucht, ist ein Konzept – in jedem Bereich. Für<br />

das eigene Handeln, <strong>für</strong> die eigene Marke, <strong>für</strong> die eigene Bar.<br />

»Fließendes Konzept« ist gemeinhin eine<br />

charmante Umschreibung <strong>für</strong> »Scheißidee«.<br />

»Jemanden aus dem Konzept bringen« ist<br />

etymologisch nicht viel positiver konnotiert.<br />

Stets vorausgesetzt natürlich, man hat überhaupt<br />

eines. Also Konzept. Über das Hin und<br />

Her oder Für und Wider einer Idee, eines<br />

konzeptionellen Grundprinzips.<br />

Des Pudels Kern<br />

Grundsätze, Werte, eine Philosophie. »Ich brauche keinen Marketingquatsch«,<br />

sinniert Jörg Meyer. Wenn einer wissen muss, was erfolgreiche<br />

Konzept-Implementierung heißt, dann der Unternehmer aus Hamburg.<br />

In den letzten Jahren sind Le Lion, Boilerman und Meyer selbst<br />

zu Brands avanciert – international erfolgreiche und wiedererkennbare<br />

Marken, denen eines zugrunde liegt: ein Konzept.<br />

Dieses ist zentrales Element, das stringent funktionieren und überzeugen<br />

muss. Egal ob als Drink, Trinkstätte oder Person. »Jeder hat<br />

eine Idee«, attestiert Meyer. »Die Frage ist immer, wie sehr diese und<br />

die Außenwahrnehmung auseinanderklaffen.« Im Kopf entsteht eine<br />

Vision, ein Bild dessen, was die eigene Person oder das eigene Business<br />

ausmacht und von Mitbewerbern differenziert. Hat man dies definiert,<br />

stellt die Implementierung die nächste Hürde dar. Schlussendlich aber<br />

ist alles verlorene Liebesmühe, wenn sich ein Konzept nicht auf die<br />

»Rezipienten« (also am Ende die Kundschaft) überträgt. Was hilft die<br />

beste Idee, wird sie gänzlich anders aufgenommen oder gar missverstanden?<br />

Allesamt Zweifel, über die Bettina<br />

Kupsa und ihr Chug Club bereits kurz<br />

nach Eröffnung erhaben sind. Die quirlige<br />

Wahl-Hamburgerin mit österreichischen<br />

Wurzeln hat eine konkrete Herangehensweise<br />

<strong>für</strong> ihre Projekte definiert:<br />

»(Inspiration) – Idee – Inspiration – Vision – Visualisierung – Überarbeitung<br />

– Anpassung. Dabei ist dies nie ein abgeschlossener Prozess,<br />

sondern er läuft in einer Endlosschleife.« Schließlich sei ein Konzept,<br />

so Kupsa, ein Prozess, der permanente Entwicklung und Flexibilität<br />

erfordere. Dabei die unterschiedlichsten Blickwinkel einzunehmen,<br />

sei schier unerlässlich. Wegbegleiter und Freunde wie eben Jörg Meyer<br />

oder Thorsten Husmann hätten wesentlich zur Schärfung des Profils<br />

beigetragen.<br />

63


MIXOLOGY<br />

TASTE FORUM<br />

20<strong>17</strong>


MIXOLOGY TASTE FORUM<br />

Pils und Pisco<br />

HEILIGTÜMER<br />

UNTER SICH<br />

Text Peter Eichhorn<br />

Pisco. Der ewige Streit zwischen Peru und Chile<br />

über die Urheberschaft ändert nichts daran, dass<br />

beide Länder in dem Traubendestillat ihr jeweiliges<br />

Nationalgetränk sehen. Das MTF betrachtet die<br />

Pouring-Varianten aus Peru und Chile. Bei Peru<br />

kommen dabei vornehmlich jene Destillate ins Glas,<br />

die aus der Quebranta-Traube destilliert wurden.<br />

Wenn die Fetzen fliegen zwischen Peru und Chile, wer denn nun die<br />

Urheberschaft des Piscos <strong>für</strong> sich beanspruchen darf, erinnert dies<br />

zuweilen an die Vodka-Auseinandersetzungen zwischen Polen und<br />

Russland. Zahlreiche Quellen verweisen darauf, dass der Ursprung<br />

wohl tatsächlich ein peruanischer ist, aber Chile möchte den Begriff<br />

»Pisco« eben auch verwenden, auch wenn die Hafenstadt Pisco, die oft<br />

als Ursprungsbeweis herangezogen wird, in Peru liegt.<br />

Jedenfalls dürfen nur diese beiden Länder Erzeugnisse als »Pisco«<br />

deklarieren. Es waren wohl die spanischen Eroberer und Plünderer<br />

des Inkareiches, welche die Andenregionen ab Mitte des 16. Jahrhunderts<br />

in Besitz nahmen, besiedelten und die auch Rebstöcke sowie<br />

die Destillierkunst nach Südamerika trugen. Wein zu keltern war der<br />

erste Schritt. In der Folge, wohl im Verlauf des <strong>17</strong>. Jahrhunderts, begannen<br />

die Weinbauern dann auch mit dem Brennen von Destillaten aus<br />

Wein bzw. Traubenmost. Die früheste Quelle, die einen Aguardiente<br />

als »Pisco« bezeichnet, stammt aus dem Jahr <strong>17</strong>64, wie Pablo Lacoste<br />

in einer Abhandlung belegt. Der Ursprung der frühen Destillate liegt<br />

wohl tatsächlich im heutigen Peru, wenngleich in früheren Zeiten die<br />

Staatsgrenzen nicht in ihrer heutigen Form existierten: Chile erlangte<br />

die Unabhängigkeit im Jahre 1818, Perus Loslösung von Spanien folgte<br />

1821. Zur Entstehungszeit muss man also noch in Regionen der spanischen<br />

Kolonialgebiete denken.<br />

Ein Weinbrand – zwei Welten<br />

Wie <strong>für</strong> Weinbrand üblich, entsteht das Destillat aus dem vergorenen<br />

Saft von Trauben. Hier sind sich Peru und Chile einig. Dennoch formulieren<br />

die beiden Länder unterschiedliche Gesetze <strong>für</strong> die Herstellung<br />

ihrer jeweiligen Piscos. In Peru gibt es im Wesentlichen drei unterschiedliche<br />

Gattungen. Der »Pisco Puro« ist in etwa einem Single Malt<br />

vergleichbar. Es wird jeweils nur eine einzige Rebsorte zur Herstellung<br />

eines Puro verwendet. Die zweite Gattung ist der »Pisco Acholado«, bei<br />

dem ein Blend aus mehreren Traubensorten komponiert wird. Eine<br />

besondere Spezialität stellt der »Mosto Verde« dar. Mosto Verde bedeutet:<br />

grüner Most. Hier wird die Fermentation der Trauben vorzeitig<br />

unterbrochen und eine höhere Restsüße verbleibt im Extrakt, der somit<br />

eben nicht als Wein, sondern als Most klassifiziert wird.<br />

Pisco darf nur einfach in kupfernen Brennblasen destilliert werden, und<br />

zwar – ein wesentlicher Unterschied zu den meisten anderen Spirituosen!<br />

– gleich in Trinkstärke zwischen 38 % und 48 % Vol. Nachträglich<br />

Wasser zur Verdünnung zuzufügen, ist verboten. Eine Reifungszeit von<br />

mindestens drei Monaten in Glas- oder Stahltanks ist vorgeschrieben. Im<br />

Gegensatz zum chilenischen Pisco darf das peruanische Destillat unter<br />

keinen Umständen in Holzfässern ruhen und das Lagerungs-Gefäß keinen<br />

Einfluss auf die Aromatik nehmen. Die zugelassenen Rebsorten<br />

werden in aromatische und nicht-aromatische Traubengattungen aufgeteilt.<br />

Mollar, Negra Criolla, Uvina und Quebranta sind die nicht-aromatischen,<br />

Moscatel, Albilla, Torontel und Italia die aromatischen. Pisco<br />

aus Peru gilt im Allgemeinen als handwerklicher und ursprünglicher als<br />

jener aus dem Nachbarland.<br />

69


COCKTAIL<br />

WARUM SO<br />

BESCHEIDEN?<br />

Moscow Mule<br />

5 cl Vodka, 1 cl frischer Limettensaft,<br />

10 – 15 cl Ginger Beer<br />

Auf Eiswürfeln im Highballglas oder Kupferbecher<br />

bauen. Nach Wunsch mit einer Limettenspalte oder<br />

Gurkenscheibe garnieren.<br />

80


Vodka wird wieder charakterstark – das wissen wir.<br />

Doch findet dieses Profil auch schon Beachtung an<br />

der Bar? Oder bleibt er der dienstbare Träger anderer<br />

Aromen, der Rauschkatalysator? Eine Recherche<br />

in den Bars der Hauptstadt.<br />

Text Juliane E. Reichert<br />

Ich habe noch nie einen Hehl daraus gemacht,<br />

keinen Vodka zu mögen. Ganz im Gegenteil.<br />

Nach einer jugendlichen Katastrophe aus<br />

Kartoffeln und Übermut haben die Getränke<br />

meiner Wahl zwei Grundeigenschaften: Ich<br />

vertrage sie und sie schmecken mir. Beides<br />

trifft auf Vodka nicht zu.<br />

Im Zuge eines Textes über Vodka in Highballs<br />

sollte allerdings Vodka verkostet werden,<br />

bestenfalls in einem Highball. Im allerbesten<br />

Falle sollten das sogar verschiedene sein, um<br />

dem Text die nötige Differenziertheit zu verleihen.<br />

Und da geht es auch schon los mit den Problemen<br />

– wie, zur Hölle, schmeckt Vodka? »Gut<br />

ist, wenn’s nicht brennt«, ist das Fazit einer privaten<br />

Feldstudie. Und der Geschmack? »Mild.«<br />

Nur wenige Menschen mögen es vermutlich,<br />

wenn es richtig sprittig ist, und die Vorzüge<br />

eines milden Destillats leuchten durchaus ein:<br />

Man mischt es mit einem Filler seiner Wahl<br />

und danach schmeckt dann der Drink – voilà!<br />

Insgeheim ist das seit Jahren mein Vorwurf<br />

an Vodka gewesen: Der will ja gar nicht schmecken,<br />

bloß betrunken machen. Tut so, als<br />

gehöre er an die Bar – wo all die aromenverliebten<br />

Anwärter auf ein Acajlikörpatent sitzen –<br />

und schmeckt einfach nur mild? Im Vertrauen<br />

auf eine kaum überschaubare Hochkultur des<br />

Getreidebrandes und eine Unmenge fähiger<br />

Bartender kann es das nicht gewesen sein.<br />

Immerhin etwas los im Glas<br />

Der Plan: verschiedene Vodkas an den Tresen<br />

dieser Stadt, dazu ein Filler, dazu ein<br />

Mensch vom Fach. Los geht es mit einem polnischen<br />

Belvedere aus Roggen. Er riecht nach<br />

Vodka und schmeckt ... ja, mild. Mit einem<br />

Schweppes Tonic Water schmeckt er nach<br />

Schnaps-Schweppes und mit einer Limette<br />

nach Schnaps-Schweppes mit Limette. Die<br />

Verzauberung könnte größer sein. Dominic<br />

an der Thelonious Bar stimmt zu: »Ich denke<br />

nicht, dass das Gros der Gäste große Unterschiede<br />

beim Vodka schmeckt.« Als Shot wird<br />

Vodka kaum noch bestellt, seine Bühne bleibt<br />

heute vor allem der Moscow Mule. Wie um<br />

meine Ressentiments des Nichtgeschmacks<br />

zu widerlegen, gibt es danach den Smokecraft<br />

Edelholzvodka. In einem Curacionsverfahren<br />

werden hier ätherische Öle aus Zedern-,<br />

Kirsch-, Buchen- und Eichenholz gewonnen<br />

und mit Vodka aus Sommerweizen vermengt<br />

und danach schmeckt es, als sei Fasching und<br />

Vodka hätte sich als ein Islay Whisky verkleidet<br />

– allerdings mit etwas schräg sitzender<br />

Perücke. Auch mit Tonic noch fragwürdig.<br />

Aber: Immerhin ist etwas los – also, im Glas.<br />

Anders der Chopin in Weizenausführung, der<br />

schmeckt nämlich süß und nach Getreide,<br />

beinahe wie eine auf dem Pausenhof verputzte<br />

Packung Kellogg’s Smacks. In einem<br />

Vodka Martini kann ich erstmals verstehen,<br />

dass Menschen Vodka trinken. Immerhin das<br />

wäre geschafft.<br />

Lammfell im Walbauch<br />

Weiter geht es mit einem »Owls» der Liquor<br />

Company aus Berlin-Neukölln. So schön und<br />

neuköllsch das Design auch sein mag – der<br />

Weizenvodka schmeckt mit etwas Wohlwollen<br />

kantig und ohne Wohlwollen sprittig, auf<br />

einen Highball mit ihm wird daher verzichtet.<br />

Artem, Besitzer der Neuköllner Vater Bar<br />

hilft weiter mit einem Quartett aus Chopin<br />

in Kartoffelausführung, dem fünffach destillierten<br />

Berliner Weizenvodka Abyme und<br />

einer Einliterflasche russischen Vodkas, der<br />

übersetzt etwas wie »brotig« heißt. Seine Maische<br />

wurde mit Brot und Zwiebeln angesetzt,<br />

entsprechend ehrlich schmeckt er. Außerdem<br />

gibt es den sibirischen Grain-Klassiker Beluga.<br />

Diesen in Pur-Version als Favoriten erkoren,<br />

wird er mit Thomas Henry Tonic aufgefüllt<br />

und in dieser Form gegen den Kartoffel-Chopin<br />

angetrunken – er gewinnt! Weil er nach<br />

mehr schmeckt als »mild«. Weil er erdig und<br />

würzig schmeckt, dabei wohlig warm macht<br />

und dem Tonic ein weiches Mundgefühl verleiht.<br />

Laura Maria Marsueschke, Besitzerin<br />

der Thelonious Bar, fühlt sich beim<br />

Beluga »wie in einem Lammfell. In einem<br />

Walbauch«. Geborgen und wohlig, möchte sie<br />

damit sagen, und ich pflichte ihr bei. Allerdings<br />

müssen wir nicht drei Tage und drei<br />

Nächte in einem Walbauch beten wie Jonas<br />

– drei weitere Vodkas tun es auch. Nämlich<br />

ein Mietowa, ein Orzech Wloski und Green<br />

Mark. Nummer eins schmeckt wie ein Pfeffi<br />

aus Vodka, Nummer zwei nach Walnuss, alle<br />

beide möchte man sich in einem Highball<br />

nicht so recht vorstellen. Anders ist das mit<br />

Green Mark. Friedemann Klock aus dem<br />

Würgeengel kredenzt ihn mit Cointreau, und<br />

in der Tat mischt sich der russische Klassiker<br />

ausgezeichnet mit dem Orangenaroma. Siehe<br />

da: Dort ergänzen sich Aromen.<br />

Clubland<br />

4 cl Vodka, 4,5 cl White Port, 1 Dash Angostura Bitters.<br />

Im Rührglas auf Eis verrühren und in eine vorgekühlte<br />

Coupette abseihen. Mit einer Zitronenzeste aromatisieren.<br />

Fotos: Tim Klöcker<br />

81


HOW TO COCKTAIL<br />

VODKA<br />

MARTINI<br />

Manchmal muss es einfach ein Vodka Martini sein, das wusste schon James Bond. Weil man<br />

nicht immer Lust auf Gin hat. Weil es auch aromatischen, hochkomplexen Vodka gibt, der durch<br />

einen Spritzer Wermut und eine Idee Cocktail Bitters noch bereichert wird. Es gilt: Weniger ist<br />

mehr, gerade im Vergleich zum Gin Martini. In jedem Fall: gerührt!<br />

6 cl würziger Vodka<br />

1 cl trockener Wermut<br />

2–3 Tropfen Orange Bitters<br />

Glas: Cocktailschale<br />

Garnitur: Zitronenzeste<br />

Die Zutaten in einem Rührglas mischen und auf kompaktem,<br />

klarem Eis mindestens 30 Sekunden lang gründlich kaltrühren.<br />

Ins vorgekühlte Glas abseihen und mit einer Zitronenzeste<br />

aromatisieren.<br />

Fotos: Constantin Falk, Drink-Design: Nils Wrage, Location: Weinhandlung von Eisen, Berlin<br />

83


Nicht vergessen:<br />

Bier soll ja immer noch Spaß machen!<br />

Foto: ullstein bild – mirrorpix<br />

89


BRAUER-INTERVIEW<br />

DER SCHWERTWAL<br />

IN FRANKEN<br />

Foto: Susa vom Endt<br />

Vom Blogger zum Brauer. Bei diesem neuen Bierprojekt aus Nürnberg dürfen wir uns auf<br />

manche Überraschung freuen. 2016 rief Felix Vom Endt sein Brauprojekt Orca Brau ins<br />

Leben und errichtete seine Brauerei, fast unmittelbar, nachdem er Berlin verlassen hatte und<br />

Vater geworden war. Ein Gespräch mit einem Mann, der früher als Rebell galt und heute<br />

seine Mitte gefunden hat.<br />

94


BUSINESS<br />

VON PISCO.<br />

UND PISCO.<br />

Text Stefan Adrian<br />

Pisco ist die Nationalspirituose zweier Länder. Trotzdem trinken Peruaner<br />

und Chilenen nicht das Gleiche. Und sie streiten sich, wer »richtig«<br />

trinkt. Doch irgendwie ist beides richtig. Warum nur?<br />

»<br />

Pisco ist in Peru keine<br />

Folklore, sondern ein<br />

gelebtes Getränk, das<br />

ist keine Frage.<br />

«<br />

Keine Frage: Chile und Peru sind Länder, die im<br />

Schatten ihrer großen Nachbarn Argentinien und Brasilien<br />

stehen. Die beiden Big Player geben zumeist den<br />

Ton an, wenn es darum geht, was aus Südamerika nach<br />

Europa dringt, sei es im Bereich Film, in der Musik<br />

oder im Sport. Die einen haben Cachaça, den Zuckerhut<br />

– und besseren Fußball. Die anderen haben Tango,<br />

Beef – und besseren Fußball. Wobei zumindest das mit<br />

dem Fußball nicht mehr so sehr in Stein gemeißelt ist<br />

wie früher.<br />

Chile und Peru? Da muss man schon eine Weile<br />

überlegen, und oft kommt man über Standardnamen<br />

wie Isabel Allende oder Pablo Neruda nicht hinaus.<br />

Zumindest aber hat, was Peru anbelangt, in den letzten<br />

Jahren ein Umdenken eingesetzt. Angeheizt von<br />

einem Hype der peruanischen Küche, ist in einigen<br />

europäischen Metropolen die Einsicht gestiegen, dass<br />

die peruanische Küche die vielleicht interessanteste<br />

auf dem südamerikanischen Kontinent ist. Belegt wird<br />

das nicht zuletzt durch die Tatsache, dass sich mit dem<br />

»Central« (Nr. 5), dem »Maido« (Nr. 8) sowie dem »Astrid<br />

y Gastón« (Nr. 33) gleich drei Restaurants aus der<br />

peruanischen Hauptstadt Lima auf der Liste »World’s<br />

50 Best Restaurants 20<strong>17</strong>« finden.<br />

Peru drauf, Pisco drin<br />

Und wo peruanische Küche draufsteht, darf auch ein<br />

Name nicht fehlen: jener der Nationalspirituose Pisco.<br />

Nun ist das freilich so eine Sache mit Nationalspirituosen.<br />

Gesprochen wird gerne davon, aber was heißt<br />

es in der Wirklichkeit? Ist es nicht oft nur weiterverzapftes<br />

Wikipedia-Wissen oder ein Stille-Post-Spiel<br />

mit Klischees? In Österreich läuft ja auch nicht jeder<br />

mit einem Obstler durch die Gegend, und es gibt Orte<br />

in Italien, wo weit und breit keine Campariflasche zu<br />

sehen ist.<br />

»Pisco ist in Peru keine Folklore, sondern ein gelebtes<br />

Getränk, das ist keine Frage«, stellt Jürgen Deibel<br />

102<br />

Illustrationen: studio grau


103


DIGESTIF<br />

LEINEN LOS!<br />

WERTE LESER,<br />

das Reich der Mitte in seiner Gesamtheit zu<br />

ergründen ist ein Ding der Unmöglichkeit.<br />

Dennoch wollen wir uns <strong>für</strong> die flirrend heißen<br />

Sommertage zumindest vornehmen, den<br />

Trinksitten in China einen detaillierten Blick<br />

zu schenken: Was ist in den Zentren derzeit en<br />

vogue, welche westlichen Drinks sind gefragt,<br />

und was macht eigentlich der heimische Baijiu?<br />

Zudem schauen wir in ein weiteres kommunistisches<br />

Land: Havana ist ein Mekka <strong>für</strong><br />

Barfreunde – doch wird die Stadt diesem Ruf<br />

eigentlich noch immer gerecht? Wir finden es<br />

heraus.<br />

Ein ganz anderes Thema hingegen sind fassgereifte<br />

Biere: Hierzulande noch immer eine<br />

Nische. Das liegt auch daran, dass viele Fehler<br />

begangen werden. Welchen Weg hat gereifter<br />

Gerstensaft noch vor sich? Wir zeigen ihn!<br />

Genießen Sie bis dahin die warmen Abende.<br />

Cheers!<br />

Kommende Themen<br />

Gut gefiltert<br />

Filterkaffee ist wieder wer. Doch welche Tücken birgt<br />

das klare Gebräu?<br />

Fruchtige Versuchung<br />

Bei Fruchtlikören liegen Graus und Glorie eng beisammen.<br />

Ein Überblick über die Entwicklungen.<br />

Mehr als Margarita<br />

Kommt Tequila weiter? Eine Spurensuche nach neuen<br />

Cocktailheimaten <strong>für</strong> die Agave.<br />

Foto: Flickr / Juancolado3 »Gran Muralla China«<br />

Standards sind im Prinzip etwas Wunder bares.<br />

Gerade in der Gastronomie. Sie sind nicht<br />

leicht umzusetzen (und beim üblicherweise<br />

egostarken Barpersonal unbeliebt), bieten aber<br />

dem Gast oft einen nicht zu unterschätzenden<br />

Mehrwert. Das gilt jedoch nur, solange sie<br />

hausintern gelten – zum Beispiel <strong>für</strong> Rezepte<br />

klassischer Drinks, die nicht auf der Karte<br />

stehen. Leider stößt man aber auch immer<br />

wieder, und zwar besonders in Gastronomien<br />

großer Hotelketten, auf einen mitunter skurrilen<br />

Reglementierungswahn – sowohl intern als<br />

auch unternehmensweit. Frei nach dem Motto:<br />

Kontrolle ist gut, Kontrollwahn ist besser. Und<br />

da hört der Spaß auf.<br />

Es gab eine Zeit, da dachten sich Hotelketten:<br />

Wenn wir einen Gast in einem Haus mit<br />

bestimmten Aspekten zufriedengestellt haben,<br />

dann kommt der auf lange Sicht auch in alle<br />

anderen unserer Hotels. Also wird am besten<br />

jedes noch so unbedeutende Detailchen mit<br />

einer Prozessbeschreibung geregelt. Das Standardisierungsnirvana<br />

nahm seinen Anfang. Es<br />

kraxelt dann als stilles Drangsal und Kreativitätshemmer<br />

über Reporting-Ebenen einmal<br />

durch den Konzern, damit der oberste F&B<br />

Manager sich sicher sein kann, dass in Kuala<br />

Lumpur genauso viele Erdnüsse zum Bier<br />

gereicht werden wie in Orlando. Irrsinnige,<br />

teils international geschlossene Schankverträge<br />

runden den Graus ab.<br />

Doch wonach suchen immer mehr Gäste<br />

gerade im hochpreisigen Bereich? Sie suchen<br />

IMPRESSUM<br />

office@mixology.eu, www.mixology.eu,<br />

facebook.com/mixology, twitter.com/mixology<br />

REDAKTION:<br />

<strong>Mixology</strong> Verlags GmbH<br />

Höfe am Osthafen, Schlesische Str. 28, 10997 Berlin<br />

Tel +49 30 2332 99430, Fax +49 30 2332 99439<br />

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<strong>Mixology</strong> Verlags GmbH<br />

Schloss Kletzke, Dorfstr. 60, 19339 Plattenburg<br />

Tel +49 38796 90064, Fax +49 38796 90065<br />

AUTOREN: Stefan Adrian, Michaela Bavandi, Kathrin Bischoff,<br />

Gabriel Daun, Peter Eichhorn, Konrad Friedemann, Roland<br />

Graf (RG), Maximilian Heidenreich, Timon Kaufmann, Manfred<br />

Klimek, Tim Klöcker, Samir H. Köck, Kit Kriewaldt, Sarah Liewehr<br />

(SL), Laura Maria Marsueschke, Markus Orschiedt, Stevan Paul,<br />

Reinhard Pohorec, Juliane E. Reichert, Bastian Renner, Marianne<br />

Julia Strauss, Nils Wrage (NW)<br />

MANAGING DIRECTOR: Jens Hasenbein<br />

HERAUSGEBER: Helmut Adam<br />

Text Nils Wrage<br />

CHEFREDAKTION: Nils Wrage (V.i.S.d.P.)<br />

REDAKTIONSMANAGEMENT: Kathrin Bischoff<br />

REDAKTION: Sarah Liewehr<br />

ADVERTISING MANAGEMENT: Susan Dusin, Tina Gnauck,<br />

susan@mixology.eu, tina@mixology.eu<br />

KORREKTORAT: Gerrit Koy<br />

FOTOGRAFEN: Susa Vom Endt, Constantin Falk, Patrick Felber,<br />

Katja Hiendlmayer, Manfred Klimek, Tim Klöcker, Jean<br />

Van Luelik, Stevan Paul, Michael Rennies, Felix Rolf, Volker<br />

Seibert, Joey Timmann<br />

BILDER: Shutterstock (S. 98), ullstein bild – AllOver<br />

(S. 22/23), ullstein bild – mirrorpix (S. 89), Flickr / Juancolado3<br />

»Gran Muralla China« (S. 120)<br />

ART DIREKTION: Christine Gundelach (studio grau)<br />

GRAFIK, LAYOUT & ILLUSTRATION: studio grau<br />

das Besondere, das Einzigartige, das Charakteristische.<br />

Sie wollen ein lokales Bier trinken,<br />

nicht den Sud vom Multi. Sie wollen ein<br />

Barteam, das in seiner Arbeit den Ort seines<br />

Wirkens abbilden darf, die Einflüsse dahinter<br />

– auch seine Persönlichkeit. Gäste von teuren<br />

Hotels, so zeigen unterschiedliche Umfragen,<br />

buchen immer stärker auch mit Blick auf<br />

eigenständige Gastronomiekonzepte. Sie wollen<br />

kein Abziehbild. Sie wollen Authentizität.<br />

Zwar besinnen sich inzwischen fühlbar einige<br />

Firmen darauf, ihre Köche und Bartender<br />

nicht mehr an der kurzen Leine zu führen,<br />

ihnen Luft zu lassen. Aber es sind noch längst<br />

nicht alle zu der Erkenntnis gekommen, dass<br />

darin ein Mehrwert liegt.<br />

Und noch etwas anderes vergessen die Kontrollwahnsinnigen:<br />

Sie können alles Greifbare<br />

standardisieren. In welchem Winkel die Serviette<br />

auf den Tisch kommt. Wie viele Eiswürfel<br />

ins Wasser geplatscht werden sollen. Welche<br />

Dicke die Zitronenscheiben haben sollen. Aber<br />

sie können niemals den Menschen, den Bartender,<br />

den Gastgeber standardisieren. Sie können<br />

ihm vielleicht Grußfloskeln vorschreiben.<br />

Aber am Ende bleibt jeder gute Bartender ein<br />

Charakter, dessen Stammgäste gar nicht wegen<br />

der Drinks kommen, sondern weil sie sich bei<br />

ihm willkommen fühlen. Und so jemanden<br />

kann man nicht vereinheitlichen.<br />

Weder in Berlin noch in Kuala<br />

Lumpur oder Orlando. Zum<br />

Glück!<br />

COVERBILD: Brian Storm<br />

DRUCKEREI: Silberdruck<br />

VERTRIEB: Der Tagesspiegel Verlags GmbH<br />

Angeschlossen der Informationsgemeinschaft zur<br />

Fest stellung der Verbreitung von Werbeträgern<br />

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Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt<br />

die Meinung der Redaktion wieder. Nachdruck und<br />

Vervielfältigung, auch im Internet, bedarf der schriftlichen<br />

Genehmigung des Verlages.<br />

© 20<strong>17</strong> <strong>Mixology</strong> <strong>Magazin</strong>, Berlin<br />

ISSN 1613-6020<br />

Die nächste<br />

<strong>Mixology</strong> erscheint am<br />

3. August 20<strong>17</strong><br />

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