Leseprobe_600511
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Otto Alfred Barbian u.a.<br />
Handbuch<br />
Automatisierte<br />
Ultraschall-Prüfsysteme<br />
IIW-Handbuch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der<br />
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im<br />
Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.<br />
Handbuch Automatisierte Ultraschall-Prüfsysteme<br />
DGZfP, Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung e.V.,<br />
Otto Alfred Barbian – 3. Aufl. – Berlin, DVS Media GmbH, 2017<br />
Herausgeber:<br />
DGZfP<br />
Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung e.V., Berlin<br />
Verlag:<br />
DVS Media GmbH, Düsseldorf<br />
3. Auflage, Berlin 2017<br />
© Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. Nachdruck<br />
oder Vervielfältigung nur mit Genehmigung durch DGZfP/DVS Media<br />
Druck:<br />
rewi Druckhaus Reiner Winters GmbH, Wissen/Sieg<br />
ISBN 978-3-945023-95-2
Was ist Zerstörungsfreie Prüfung?<br />
Der Wunsch, in die Dinge hineinzuschauen, Werkstoffe und Werkstücke so zu<br />
prüfen, dass ihre weitere Verwendung nicht beeinträchtigt und ihre Form nicht<br />
verändert wird – eben zerstörungsfrei –, ist so alt wie das Vermögen der<br />
Menschen, Material zu formen und Werkstücke zu schaffen.<br />
Über 100 Jahre ist es her, dass Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923) die „X-<br />
Strahlen“ entdeckte, mit denen das Durchdringen von Werkstoffen und das<br />
Sichtbarmachen von Inhomogenitäten möglich war. Durch diese Entdeckung<br />
war der Grundstein der modernen zerstörungsfreien Werkstoffprüfung (ZfP)<br />
gelegt. Die immer schnellere Entwicklung neuer Verfahren und moderner<br />
Geräte kann in der „Chronik der Zerstörungsfreien Materialprüfung“<br />
nachgelesen werden.<br />
Heute gehört die ZfP zu den wichtigsten Methoden der Qualitätskontrolle im<br />
Herstellungsprozess und während der sicherheitstechnischen Anlagenüberwachung.<br />
Vergleichbar mit der medizinischen Diagnostik sollen<br />
verborgene Fehler in Bauteilen und Konstruktionen vor und während des<br />
Betriebes so rechtzeitig erkannt werden, dass unvorhergesehenes Versagen<br />
verhütet wird.<br />
Der Start eines Flugzeuges, der Einsatz von Hochgeschwindigkeitszügen, die<br />
Fertigung sicherer Automobile, der Bau einer Brücke oder der Betrieb von<br />
komplexen Anlagen sind ohne die Kontrolle mittels ZfP nicht mehr denkbar.<br />
In fast allen Industriezweigen ist die ZfP zum unverzichtbaren Instrument für<br />
Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung geworden. Sie ist auch ein wichtiger<br />
Faktor zur Senkung der Kosten in Produktion und Betrieb.<br />
Zur Vermeidung von Unfällen mit Gefährdung von Menschenleben und<br />
schweren Sach- und Umweltschäden werden Röntgenverfahren,<br />
Ultraschallmethoden, thermographische Verfahren, Lecksuchmethoden und<br />
optische, elektrische und magnetische Oberflächenverfahren für die ZfP<br />
eingesetzt.<br />
Wer ist die DGZfP?<br />
Die DGZfP ist die älteste ZfP-Gesellschaft der Welt, 1933 in Berlin gegründet. Sie<br />
organisiert die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch zwischen<br />
Forschungs- und Entwicklungsinstituten und ZfP-Anwendern, Geräteherstellern<br />
und privaten Dienstleistern und informiert über neueste ZfP-Entwicklungen in<br />
der Gerätetechnik und den ZfP-Anwendungen.<br />
i
Zu den rund 1.600 Mitgliedern der DGZfP gehören die großen Konzerne und<br />
mittelständische Unternehmen die ZfP einsetzen, ebenso wie Forschungseinrichtungen,<br />
Universitäten und Behörden, aber auch einzelne Personen, die<br />
sich mit der Zerstörungsfreien Materialprüfung beschäftigen.<br />
Ziele der DGZfP sind Erforschung, Entwicklung, Anwendung und Verbreitung<br />
der zerstörungsfreien Prüfverfahren.<br />
Zur Lösung spezieller technischer Probleme hat die DGZfP Fachausschüsse<br />
eingerichtet. Der praxisnahe Erfahrungsaustausch und die kostenfreie fachliche<br />
Weiterbildung finden in 18 regionalen Arbeitskreisen statt.<br />
Die DGZfP veranstaltet regelmäßig Konferenzen, Symposien und Seminare.<br />
Höhepunkt ist die DGZfP Jahrestagung mit über 500 Teilnehmern. Die DGZfP ist<br />
Mitglied des EFNDT und ICNDT, der europäischen und der weltweiten<br />
Dachorganisation der nationalen ZfP-Gesellschaften und war Organisator der<br />
19. WCNDT, 13. - 17. Juni 2016 in München, www.wcndt2016.com.<br />
Die DGZfP versorgt die ZfP-Fachleute durch die Herausgabe von Publikationen<br />
mit aktuellen und ausführlichen Informationen. Sie bietet diverse Online-<br />
Service-Dienste über die Homepage der DGZfP im Internet.<br />
Die Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung e.V. (DGZfP) betreut seit<br />
mehr als 60 Jahren Fachpersonal der Zerstörungsfreien Prüfung. Seit etwa 30<br />
Jahren existiert ein geordnetes System zur Qualifizierung von Fachpersonal.<br />
Zertifikate werden seit 1990 ausgestellt.<br />
Als 1993 die europäische Norm DIN EN 473 gültig wurde, wurde eine<br />
unabhängige Personal-Zertifizierungsstelle (DPZ) nach den Anforderungen der<br />
EN 45013 eingerichtet und diese im Juni 2004 auf ISO/IEC 17024 umgestellt. Im<br />
Januar 2013 wurde die DIN EN 473 durch die DIN EN ISO 9712 ersetzt.<br />
Die Arbeit der DPZ wird von einem Lenkungsausschuss überwacht. Sie ist von<br />
der Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) als anerkannte,<br />
unabhängige Prüfstelle nach Artikel 13 der europäischen Richtlinie 97/23/EG<br />
(Druckgeräterichtlinie „DGR“) anerkannt und für den nicht geregelten Bereich<br />
von der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS) als Zertifizierungsstelle<br />
für Personal der Zerstörungsfreien Prüfung akkreditiert. Weiterhin garantieren<br />
Verträge mit vielen Ländern Europas und Ländern in Übersee dem DGZfP-<br />
Zertifikat weltweite Anerkennung.<br />
ii
Der DGZfP-Fachausschuss Ultraschallprüfung (FA U)<br />
Der FA U wurde als erstes verfahrensbezogenes Gremium der DGZfP e.V. 1967<br />
unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Dr.-Ing. E. Mundry (vormals BAM, Berlin)<br />
gegründet. 1987 übernahm Herr Prof. Dr.-Ing. H. Wüstenberg (vormals BAM,<br />
Berlin), dieses Amt. Seit 2003 ist Herr Dipl.-Phys. O.A. Barbian (vormals NDT<br />
Systems & Services AG, Stutensee) der Vorsitzende des Fachausschusses.<br />
Der FA U führt derzeit folgende Unterausschüsse:<br />
- Unterausschuss Ausbildung UT<br />
- Unterausschuss Automatisierte Ultraschall-Prüfsysteme<br />
- Unterausschuss Modellierung und Bildgebung<br />
- Unterausschuss Phased Array<br />
- Unterausschuss Resonanzverfahren<br />
Im Vordergrund steht der Erfahrungs- und Meinungsaustausch der ZfP-<br />
Fachleute aus Wirtschaft und Forschung auf internationaler Ebene, aber auch<br />
Arbeiten im Vorfeld von Normen sowie die Erarbeitung von Richtlinien,<br />
Merkblättern und Handbüchern gehören zu den Aufgaben der Mitarbeiter<br />
dieses Fachausschusses.<br />
Seit 1988 findet jährlich ein öffentliches Ultraschall-Seminar statt. Die<br />
Fachbeiträge werden als Berichtsband herausgegeben.<br />
Weitere Veröffentlichungen des FA U:<br />
US 1 Dickenmessung mit Ultraschall, 1998<br />
US 1e Thickness Measurement with Ultrasound, 1998<br />
US 2<br />
US 3<br />
US 4<br />
Richtlinie Bildgebende Ultraschallprüfung von Neuen<br />
Werkstoffen, 1993<br />
Richtlinie zur Ultraschallprüfung des prüfkopfnahen<br />
Oberflächen-Bereiches, 1999<br />
Handbuch Automatisierte Ultraschall-Prüfsysteme<br />
2. Auflage, DVS-Verlag, 2007<br />
iii
US 4e<br />
US 5e<br />
US 6<br />
US 7<br />
Handbook Automated Ultrasonic Testing Systems - IIW Handbook<br />
DVS-Verlag, 2nd edition 2008<br />
Handbook on the Ultrasonic Examination of Austenitic and Dissimilar<br />
Welds, First edition 2008<br />
Akustische Resonanzverfahren zur Zerstörungsfreien Prüfung<br />
Prinzip, Vorgehensweise, Merkmale, Validierung, 2009<br />
Richtlinie zur Festlegung des Prüfrasters bei der automatisierten<br />
Ultraschallprüfung großer Schmiedestücke, 2014<br />
Vorsitzender des Unterausschusses<br />
„Automatisierte Ultraschall-Prüfsysteme“<br />
Dipl.-Phys. Herbert Willems<br />
(NDT Global GmbH & Co. KG, Stutensee)<br />
iv
Vorwort<br />
Den automatisierten Ultraschallprüfsystemen, d. h. Systemen mit<br />
automatisiertem und, durch mechanisierte Führungen, ortsbezogenen<br />
Dateneinzug, kommt eine immer größer werdende Bedeutung innerhalb der<br />
zerstörungsfreien Prüfung mit Ultraschall zu. Als Beispiele für sowohl stationäre<br />
als auch mobile Prüfanlagen seien hier nur die in der Fertigung in Werken<br />
(Brammen, Bleche, Rohre), auf Baustellen (Schweißnähte) und die für die<br />
wiederkehrenden Prüfungen (Kraftwerksbereiche, Fernrohrleitungen u. a.)<br />
genannt. Das Angebot an automatisierten Ultraschallprüfsystemen ist sehr<br />
umfangreich, oft komplex und für den Anwender nicht immer einfach zu<br />
überschauen.<br />
Aus diesen Gründen hat der DGZfP-Fachausschuss Ultraschallprüfung<br />
beschlossen, einen Unterausschuss „Automatisierte Ultraschallprüfsysteme“<br />
einzurichten und das Thema dort so aufzubereiten, dass den möglichen<br />
Anwendern ein Handbuch als Hilfestellung bei der Spezifikation, Auswahl und<br />
Verwendung derartiger Anlagen zur Verfügung gestellt werden kann.<br />
Das vorliegende Handbuch ist das Ergebnis dieser Zusammenarbeit. Ein<br />
besonderer Dank gilt den Autoren:<br />
Dipl.-Phys. Otto Alfred Barbian<br />
Dr.-Ing. Rudolf Bilgram<br />
Dr. Gerhard Brekow*<br />
Dr. Wolfram A. Karl Deutsch*<br />
Dipl.-Ing. Heiner Eggers<br />
Dipl.-Ing. Bruno Eser<br />
Dipl.-Phys. Wolfgang Kappes<br />
Dr. sc.techn. Dipl.-Phys. ETH Peter Kreier<br />
Bjarne Larsen X<br />
Dipl.-Ing. Roland Reimann*<br />
Udo Schlengermann*<br />
Dipl.-Ing. Joachim Staudt<br />
Dipl.-Phys. Herbert Willems*<br />
v
An der Revision der 3. Auflage des Handbuches haben neben den vorstehend<br />
mit (*) gekennzeichneten Autoren folgende Mitglieder des Unterausschusses<br />
mitgearbeitet:<br />
Peter Archinger<br />
Dipl.-Phys. Mathias Böwe<br />
Dipl.-Ing. Kay Drewitz<br />
Dr.-Ing. Werner Heinrich<br />
Ing. Carsten Köhler<br />
Dipl.-Ing. Hans Rieder<br />
Dr. Johannes Vrana<br />
Dr.-Ing. Alexander Zimmer<br />
Juli 2015<br />
Unterausschuss Automatisierte Ultraschall-Prüfsysteme<br />
vi
1 Zweck und Anwendungsbereich<br />
Das Handbuch soll dem Anwender, unter Berücksichtigung der Anforderungen<br />
des Kunden (kundenspezifische Prüf- und Qualitätsnormen) und vorhandener,<br />
nationaler und internationaler Prüf- bzw. Qualitätsnormen (siehe Kapitel 10),<br />
eine durch Beispiele veranschaulichte Hilfe geben und ihm ermöglichen<br />
- Prüfköpfe, Prüfkopfsysteme und Sensoren<br />
- Manipulationssysteme inkl. Steuerung<br />
- Ultraschallelektronik<br />
- Datenaufzeichnungs- und Darstellungssysteme<br />
- Auswertungs- und Bewertungstechniken<br />
in ihren Fähigkeiten zu spezifizieren und vorhandene Systeme danach zu<br />
bewerten und auszuwählen. Zudem werden Anregungen zu einem<br />
aufgabenorientierten Leistungsnachweis gegeben.<br />
Angesprochen werden alle Anbieter und Anwender von automatisierten<br />
Ultraschallprüfsystemen. Dies schließt ein sowohl<br />
- die Prüfungen in der Fertigung von Vor-, Fertigprodukten und Anlagen in<br />
Werken (stationäre Prüfanlagen) als auch<br />
- die Prüfungen mit mobilen, mechanisierten Prüfanlagen.<br />
Außerdem kann das Handbuch als eine Ausbildungsunterlage dienen.<br />
2 Definitionen und Begriffe<br />
Es gelten die Festlegungen der Normen DIN EN 1330-2 und -4. Darüberhinausgehende<br />
Definitionen und Begriffe werden im Text beschrieben.<br />
3 Prinzipieller Aufbau der Prüfsysteme<br />
3.1 Systeme<br />
Es werden Systeme für die Prüfung auf Fehler (Risse, Poren, Geometrie usw.)<br />
und für die Erfassung von Werkstoffeigenschaften (z. B. über Schallgeschwindigkeit,<br />
Schallschwächung und Schallstreuung) betrachtet.<br />
Wesentliche Merkmale automatisierter Systeme sind:<br />
- Mechanisierte Bewegung von Prüfköpfen und/oder Prüfobjekt<br />
- automatisierter Dateneinzug<br />
- Ortsbezug der Prüfdaten und des Prüfergebnisses<br />
5
Definition:<br />
Ein System umfasst alle Einzelkomponenten, die zur Durchführung einer<br />
automatisierten Prüfung üblicherweise verwendet werden. Dies sind:<br />
- Handhabungssystem<br />
- Prüfköpfe und -kabel<br />
- Koppeltechniken<br />
- Ultraschallelektronik<br />
- Datenerfassung und -verarbeitung<br />
- Datendarstellung und -bewertung<br />
- System-Steuerung<br />
Die Anforderungen an die Auslegung des Systems für eine spezielle<br />
Prüfanwendung werden von dem Prüfziel (einfache Prüfaussage bis hin zur<br />
quantitativen Prüfaussage) und dem Einsatzbereich des Prüfsystems (Art und<br />
Geometrie des Prüfobjektes, Prüfumfang, Umgebungsbedingungen) bestimmt.<br />
Prüfsysteme können in stationäre und mobile Systeme eingeteilt werden.<br />
Merkmale stationärer Systeme:<br />
- ortsfest installiert<br />
- in der Regel speziell zur Fertigungsprüfung einer bestimmten Produktgruppe<br />
ausgelegt<br />
- hoher Automatisierungsgrad<br />
- Auswertung automatisiert<br />
- hohe Prüfgeschwindigkeit<br />
Beispiele für stationäre Systeme:<br />
- Systeme für die kontinuierliche Fertigungsprüfung von Stahlerzeugnissen wie<br />
Knüppel, Bleche, Rohre, Schienen<br />
- Stückprüfautomaten für Bauteile wie Achsschenkel, Rollen, Kugeln,<br />
Schrauben, Bolzen, Druckzylinder etc.<br />
- Systeme für die Fertigungsprüfung von Bauteilen des allgemeinen<br />
Maschinenbaus wie z. B. Wellen, Radscheiben<br />
- Systeme für die Fertigungsprüfung von Flugzeugteilen z. B. aus Verbundmaterial,<br />
CFK und GFK<br />
- Systeme für die Stichprobenkontrolle (Chargenprüfung) wie prozessbegleitende<br />
Kontrollen z. B. die Prüfung von HIC-Proben<br />
6
Merkmale mobiler Systeme:<br />
- nicht ortsfest<br />
- meist für unterschiedliche Prüfaufgaben durch Anpassung oder Austausch<br />
von Einzelkomponenten konfigurierbar<br />
Beispiele für mobile Systeme:<br />
- Systeme zur Basis- und wiederkehrenden Prüfung von Komponenten wie<br />
Armaturen, Rohrleitungen, Behältern, Schrauben, Turbinenteilen in<br />
Kraftwerken und Chemieanlagen<br />
- Systeme zur Basis- und wiederkehrenden Prüfung von Verkehrsmitteln<br />
(Flugzeuge, Behälterwagen der Eisenbahn, usw.)<br />
- Systeme zur Basis- und wiederkehrenden Prüfung von Rohrleitungen wie z. B.<br />
Öl- und Gaspipelines<br />
- Systeme zur Prüfung von Eisenbahnschienen (Schienenprüfzug)<br />
Beispiele für Prüfsystemkonfigurationen befinden sich in Kapitel 3.2<br />
- Einkanalsysteme<br />
- Mehrkanalsysteme mit Multiplexbetrieb der Einzelkanäle<br />
- Mehrkanalsysteme mit Parallelbetrieb der Einzelkanäle<br />
- Systeme mit Parallelbetrieb von Mehrkanalsystemen mit Multiplexbetrieb der<br />
Einzelkanäle (s. a. Kapitel 4.2.1 und 5)<br />
Der Aufwand für das Handhabungssystem ist abhängig von der Prüfaufgabe<br />
und reicht von einfachen Hilfsmitteln für die Prüfkopfführung bis hin zu<br />
komplexen Prüfrobotern mit simultaner Bewegung mehrerer Achsen (siehe<br />
Kapitel 3.3 „Stufen der Automatisierung“). Grundsätzlich gilt für das<br />
Datenerfassungs- und Auswertesystem, dass der Aufwand mit der Anzahl der<br />
Prüfkanäle, der Prüfgeschwindigkeit und dem Anspruch an das Prüfergebnis<br />
steigt.<br />
3.2 Grundstruktur<br />
Die Abb. 3.2.1 zeigt die wesentlichen Komponenten eines automatisierten<br />
Prüfsystems. Eine detaillierte Beschreibung der Funktionen der Einzelkomponenten<br />
enthält Kapitel 5.<br />
Ein wesentliches Merkmal der automatisierten Prüfung ist die Erfassung des<br />
Ortsbezugs der Ultraschalldaten. Um eine eindeutige Zuordnung der<br />
7
Einschallorte und der zugehörigen Ultraschalldaten zu erhalten, können z. B.<br />
Positionsgeber auf der Basis von Winkelencodern, optische Erkennungssysteme<br />
oder Systeme mit Ultraschallortung eingesetzt werden. Bei Anlagen, bei denen<br />
nur eine Bewegungsrichtung erfasst werden muss, wird auch mit Zeitmarken<br />
gearbeitet, aus denen bei gleichzeitiger Erfassung der Vorschubgeschwindigkeit<br />
die Einschallposition bestimmt werden kann.<br />
Abb. 3.2.1:<br />
Grundstruktur automatisierter Ultraschallprüfsysteme<br />
Mittels einer Prüfmechanik (Handhabungssystem) werden Sensoren relativ zum<br />
Prüfobjekt bewegt. Die einfachste Ausführung einer Prüfmechanik ist gegeben,<br />
wenn ein Sensor manuell über das Prüfobjekt geführt wird und über einfache<br />
Hilfsmittel der Ortsbezug hergestellt wird. In diesem Fall ersetzt der Prüfer die<br />
ansonsten notwendige Prüfmechaniksteuerung durch das Führen von Hand.<br />
Mehrachsensysteme erfordern in der Regel aufwendige rechnergestützte<br />
Steuerungen.<br />
Ein Ultraschall-Prüfkopfsystem enthält im einfachsten Fall nur einen Prüfkopf<br />
(Abb. 3.2.2). Je nach den Anforderungen der Prüfaufgabe kann ein System sogar<br />
einige hundert Prüfköpfe umfassen, wie z. B. bei der Pipelineprüfung mit<br />
Rissprüfmolchen (Abb. 3.2.3).<br />
8<br />
Abb. 3.2.2:<br />
Einfaches Handhabungssystem mit einem Prüfkopf
Die Ultraschall-Elektronik stellt den Kern des Prüfsystems dar. Ein Blockbild mit<br />
den üblichen Komponenten einer Ultraschallelektronik zeigt Abb. 3.2.4. Je nach<br />
Prüfanwendung reicht das Spektrum der einsetzbaren Ultraschallelektroniken<br />
von handelsüblichen analogen und digitalen Prüfgeräten für den Aufbau von<br />
Einkanalsystemen bis hin zu modularen Systemen für den Aufbau von<br />
Vielkanalsystemen im Multiplex- oder Parallelbetrieb von Einzelkanälen. Es<br />
werden auch Einsteckkarten für Personal-Computer angeboten, die auf einer<br />
Platine alle analogen und digitalen Baugruppen eines Ultraschallgerätes<br />
vereinigen. Diese Karten können als Basis für den Aufbau von automatisierten<br />
Prüfsystemen mit einem oder mehreren Prüfkanälen eingesetzt werden.<br />
Abb. 3.2.3:<br />
Sensorträger eines 24“-<br />
Rissprüfmolches für Öl- und Gas-<br />
Pipelines mit 384 Prüfköpfen<br />
Abb. 3.2.4:<br />
Blockbild einer Ultraschall-Elektronik<br />
Abhängig von der Prüfaufgabe, die ein automatisiertes Prüfsystem erfüllen soll,<br />
liefert die Ultraschallelektronik unterschiedliche Messwerte, die von der<br />
9
Datenerfassungseinheit übernommen und auf geeigneten Speichermedien<br />
aufgezeichnet werden können.<br />
Viele digitale Prüfsysteme, die heute im mobilen Prüfservice zur Prüfung<br />
sicherheitsrelevanter Bauteile, z. B. im Bereich von Kraftwerksanlagen oder<br />
Chemieanlagen eingesetzt werden, sind in der Lage, das hochfrequente<br />
Empfangssignal in digitalisierter Form aufzuzeichnen. Die Erfassung von HF-<br />
Daten bietet gegenüber allen anderen Datenaufzeichnungsverfahren den<br />
höchsten Informationsgehalt.<br />
Bei der Prüfung großer Komponenten im Bereich von Industrieanlagen, bei der<br />
Pipelineprüfung mit Molchsystemen sowie im Bereich der Fertigungsprüfung<br />
unterschiedlichster Industrieprodukte (z. B. Stahlerzeugnisse, Kunststoffe,<br />
Verbundwerkstoffe) werden aufgrund der großen Prüfumfänge bzw. hoher<br />
Prüfgeschwindigkeiten Datenreduktionsverfahren eingesetzt. Diese Verfahren<br />
sind in Kapitel 5.5.4 ausführlich beschrieben.<br />
Die Daten, die von der Ultraschalleinheit an die Datenerfassungseinheit<br />
übertragen werden, bezeichnet man als Prüfdaten. In der Datenverarbeitungseinheit<br />
werden diese Prüfdaten derart aufbereitet, dass sie in einer<br />
geeigneten Form über die Darstellungseinheit visualisiert werden können und<br />
damit dem Auswerter zur Bewertung zur Verfügung stehen. Bei<br />
Fertigungsprüfungen z. B. durch Stückprüfautomaten oder bei der<br />
kontinuierlichen Prüfung von Stahlerzeugnissen erfolgt in der Regel eine<br />
automatische Bewertung nach Bewertungsrichtlinien bzw. Lieferstandards, die<br />
für das betreffende Produkt in einer Norm beschrieben sind, oder mit dem<br />
Kunden vereinbart werden.<br />
Individuelle und zum Teil auch sehr aufwendige Bewertungen durch erfahrenes<br />
Prüfpersonal sind z. B. erforderlich bei der Schweißnahtprüfung an Behältern<br />
und Rohrleitungen, bei der Prüfung von Schmiedeteilen des Schwermaschinenbaus<br />
sowie sicherheitsrelevanten Teilen im Bereich der Luft- und<br />
Raumfahrt. In diesem Fall hat die Datenverarbeitungseinheit beispielsweise die<br />
Aufgabe aus den Urdaten Bilddaten zu berechnen, die dem Auswerter als<br />
Projektionsbild oder Schnittbild präsentiert werden und es können<br />
Amplitudenkorrekturen, z. B. entsprechend einer AVG- oder DAC-Kurve<br />
erfolgen. Weitere mögliche Aufgaben sind Prüfdatenfilterungen, die<br />
Anwendung von Bildverarbeitungsverfahren oder der Einsatz spezieller<br />
Algorithmen zur Fehleranalyse. Die Datenverarbeitungseinheit kann aus einem<br />
Rechner mit entsprechender Software bestehen, aber auch für spezielle<br />
Verarbeitungsschritte über Hardwarekomponenten realisiert sein.<br />
10
Die Datenspeicherung ist in unterschiedlichen Stadien der Prüfsignalverarbeitung<br />
möglich, wie Abb. 3.2.1 zeigt. Bei Stückprüfautomaten genügt<br />
z. B. meist die Speicherung des Bewertungsergebnisses in Form einer<br />
„gut/schlecht“-Aussage, bei Prüfungen von sicherheitsrelevanten Bauteilen<br />
werden üblicherweise die Prüfdaten gemeinsam mit bildlichen Darstellungen<br />
der Werte oder weiterverarbeiteter Werte sowie dem Ergebnis der Bewertung<br />
gespeichert.<br />
Die Steuerung und Synchronisation der einzelnen Prüfsystemkomponenten<br />
erfolgt über eine Ablaufsteuerung. Diese gewährleistet z. B.<br />
- den korrekten Ablauf eines Prüfzyklus, in dem in vorgegebener Reihenfolge<br />
alle eingesetzten Prüfköpfe mit den richtigen Parametern angesteuert werden<br />
- die korrekte Zuordnung von Prüfort und Ultraschallprüfdaten<br />
- die Synchronisation der Datenübertragung zwischen Ultraschall- und<br />
Datenerfassungseinheit.<br />
Bei vielen Fertigungsprüfanlagen mit automatischer Bewertung sorgt die<br />
Ablaufsteuerung auch für die Aussonderung fehlerhafter Teile oder für die<br />
Kennzeichnung von Bereichen mit nicht zulässigen Fehlern, z. B. durch<br />
Farbspritzpistolen.<br />
Abb. 3.2.5 zeigt die Grundstruktur eines automatisierten Prüfsystems am<br />
Beispiel einer Mehrkanal-Prüfanordnung mit xy-Handhabungssystem, wie sie<br />
z. B. für die Prüfung von Behältern und Rohrleitungen eingesetzt wird.<br />
Abb. 3.2.5:<br />
Aufbau eines Mehrkanalprüfsystems für den mobilen Prüfservice<br />
11