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homes<br />

Das Schweizer Immobilienmagazin<br />

3/<strong>2012</strong><br />

www.bilanzhomes.ch<br />

homesEXKLUSIV<br />

ALPENBLICK Das Traumhaus von<br />

Architekt Arnd Küchel in Sils Baselgia<br />

BÄDER Die Wellness-Oase zu Hause<br />

KÜCHEN Die High-End-Anbieter<br />

PATRICIA URQUIOLA Die spanische<br />

Top-Designerin im Interview<br />

60 Seiten<br />

Immobilien-<br />

Angebote<br />

Hang zur Moderne<br />

Das Haus am Waldrand – neu interpretiert<br />

über dem oberen Zürichsee


Fotos: Reto Guntli / zapaimages, Gian Marco Castelberg, PR<br />

<strong>BILANZ</strong> <strong>Homes</strong><br />

Axel Springer Schweiz AG<br />

Förrlibuckstrasse 70<br />

CH-8021 Zürich<br />

Tel. +41 (0)43 444 55 20<br />

Tel. Abo: +41 (0)43 444 55 22<br />

Fax +41 (0)43 444 55 15<br />

E-Mail: homes@bilanz.ch<br />

Internet: www.bilanzhomes.ch<br />

Auflage: 55 000 Exemplare<br />

Chefredaktor: Dirk Schütz<br />

Stellvertretender Chefredaktor:<br />

Stefan Barmettler<br />

Redaktion: Corinne Amacher,<br />

Marie Halter-Opelt, Ruth Händler,<br />

Iris Kuhn-Spogat<br />

Produktion: Christian Wapp<br />

Art Direction: Wernie Baumeler,<br />

Catharina Clajus<br />

Bildredaktion: Lucie Clement,<br />

Susanne Borer<br />

Korrektorat: Thomas Basler,<br />

Cornelia Lautenschütz, Andreas Ritter<br />

Verlag: Jörg Tobuschat (Leitung, 5540),<br />

Maike Juchler (stv. Leitung, 5557)<br />

Anzeigenverkauf:<br />

Oliver Haab (Leitung, 5869),<br />

oliver.haab@axelspringer.ch<br />

Reservationen: Jda Hess (5518),<br />

Désirée Michel (5514)<br />

anzeigenid@bilanz.ch<br />

Lesermarkt: Patrizia Serra<br />

(Leitung, 5890),<br />

Sabine Carrieu (Product Manager, 5914)<br />

Anzeigenverkauf Westschweiz:<br />

Axel Springer Suisse SA<br />

Rue de Lyon 109, CH-1203 Genève<br />

Tel. +41 (0)22 949 06 60<br />

Fax +41 (0)22 949 06 64<br />

contact@axelspringer.ch<br />

Servais Micolot<br />

Anzeigenverkauf International:<br />

IMV Internationale Medien<br />

Vermarktung GmbH<br />

Hauptstrasse 29<br />

D-82319 Starnberg<br />

Tel. +49 8151 550 8959<br />

Fax +49 8151 550 9180<br />

w.jaeger@imv-media.com<br />

Wolfgang Jäger<br />

Einzelverkaufspreis:<br />

Fr. 6.– inkl. MWSt<br />

Erscheint: 4-mal im Jahr<br />

Druck und Versand:<br />

Swissprinters Zofingen AG,<br />

www.swissprinters.ch<br />

Herausgeberin:<br />

Axel Springer Schweiz AG, Zürich.<br />

Bekanntgabe von namhaften<br />

Beteiligungen im Sinne von Art. 322<br />

StGB: Verlag Sport Wochenzeitung AG,<br />

Tourmedia AG.<br />

Titelbild Essraum mit Küche im<br />

Schindelhaus in Tuggen (Seite 16).<br />

Foto: Peter Tillessen<br />

8 26<br />

impressum // inhalt<br />

Wie der Architekt Arnd Küchel sein eigenes Heim<br />

mit einem bunten Stilmix eingerichtet hat (Seite 8).<br />

Warum die Top-Designerin Patricia Urquiola mit<br />

Wow-Effekten auf Kriegsfuss steht (Seite 28).<br />

Wie die Küche zum sozialen Epizentrum wird (Seite 26).<br />

4 // News_Dritte Kollektion von Atelier P� ster;<br />

eine Insel für Bruce Li; neues Museum von<br />

Bisazza; Immobilien-Nachrichten.<br />

8 // Holzhaus im Engadin_Der Bündner<br />

Architekt Arnd Küchel baute sein Traumhaus<br />

in Sils Baselgia – und wählte eine Mischung aus<br />

formaler Reduktion und luxuriösem Wohnstil.<br />

16 // Schindelhaus in Tuggen_Aussen<br />

Schindeln, innen Sichtbeton und Holz: das Modell<br />

eines Hauses am Waldrand – neu interpretiert<br />

vom Architekten Herbert Bruhin.<br />

24 // Bäder_Freistehende Wannen bieten immer<br />

mehr Komfort – und vermitteln den Räumen<br />

Grosszügigkeit und Eleganz.<br />

28<br />

26 // Küchen_Neue massgeschneiderte<br />

Lösungen der High-End-Anbieter.<br />

28 // Patricia Urquiola_Die spanische Top-<br />

Designerin aus Mailand entwirft Möbel und<br />

gestaltet Läden oder Hotels: das Interview.<br />

32 // Kolumne_Hans Vontobel, der Doyen der<br />

gleichnamigen Privatbank, über seinen Garten.<br />

34 // Immobilienangebote_<strong>BILANZ</strong> <strong>Homes</strong><br />

präsentiert auf über 60 Seiten Wohnungen und<br />

Häuser zum Mieten oder Kaufen.<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 3


news<br />

REALP<br />

Die neuen Sessel von<br />

Nicole Benz und Stefan<br />

Stauffacher gehören zur<br />

dritten Kollekton von<br />

Atelier Pfister.<br />

Straffe Linienführung<br />

Das Designer­Duo StauffacherBenz, bestehend aus Nicole Benz und Stefan Stauffacher, hat den klassischen Ledersessel<br />

entstaubt und verschlankt. Das Modell Realp wirkt behaglich und luxuriös und unterscheidet sich dennoch von den ausladenden<br />

Modellen der Vergangenheit. «Realp verbindet bequemes Sitzen mit straffer Linienführung, strahlt Grosszügigkeit aus und ist<br />

doch sehr kompakt», heisst es im Produktbeschrieb. Der Sessel ist Teil der soeben erschienenen dritten Kollek tion von Atelier<br />

Pfister, der von Alfredo Häberli fürs Möbelhaus Pfister kuratierten Linie mit zeitgenössichem Schweizer Design, von der jedes<br />

Stück nach einer hiesigen Ortschaft benannt ist. Realp ist in drei Lederqualitäten<br />

4 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

Gelbe Welle<br />

Chinesen sind hinter den Kana diern<br />

die zweitwichtigsten ausländischen<br />

Immobilienkäufer in den USA und<br />

die mit Abstand am stärks ten wachsende<br />

Käufergruppe. Neun Milliarden<br />

Dollar gaben sie zwischen März 2011 und März <strong>2012</strong> für Immobilien<br />

aus, wie der Nationale Maklerverband der USA (NAR)<br />

berichtet. Im Rest der Welt machen sich die wohlhabenden Investoren<br />

aus Fernost in ähnlichem Ausmass breit, etwa in Venedig, Genf<br />

oder Engelberg, wo ein Chinese das Hotel Europäischer Hof<br />

gekauft hat. Nun werden die Chinesen auch von der Sehnsucht nach<br />

der eigenen Insel erfasst. Laut Farhad Vladi (Bild o.r.), dem von<br />

Ham burg aus operierenden grössten Inselhändler der Welt, erwächst<br />

aus China ein «neuer starker Markt». Von seiner Repräsentanz in<br />

Shanghai aus vermittelte er zum ersten Mal in der 40­jährigen Firmengeschichte<br />

eine Privatinsel an einen Chinesen. Der Geschäftsmann<br />

Bruce Li erwarb für rund 400 000 US­Dollar die Küsteninsel<br />

Gravel Island in der kanadischen Provinz Nova Scotia. In einem<br />

Interview sagte Li, er habe sich damit einen Kindheitstraum erfüllt<br />

und plane, sich in Halifax niederzulassen. Li befindet sich in illustrer<br />

Gesellschaft – auch Unternehmer wie Larry Ellison, Richard Branson<br />

oder Dietrich Mateschitz nennen ein Eiland ihr Eigen.<br />

Mobimo wächst und wächst<br />

Die Mobimo Holding ist in beneidenswerter Verfassung:<br />

Im ersten Halbjahr stieg der Reingewinn um 15 Prozent<br />

(39,6 Millionen Franken), das Ebit um 32 Prozent (60,8 Millionen),<br />

der Gewinn vor Neu bewertungen um 37 Prozent (22,6 Millionen).<br />

Treiber dieser positiven Entwicklung<br />

sind gemäss Mobimo die stabile<br />

Konjunktur, die anhaltende Zuwanderung,<br />

das wachsende Raumbedürfnis.<br />

Die Tiefzinsphase und die<br />

Unsicherheiten an den Börsen lassen<br />

die Nachfrage nach Wohneigentum<br />

und Hypotheken weiter steigen.<br />

Das Immobilienportfolio wies per<br />

Referenzobjekt: Mobimo Tower 30. Juli einen Gesamtwert von<br />

in Zürich West.<br />

2,269 Milliarden Franken aus.<br />

und sieben Farben erhältlich und kostet ab 1990 Franken. •<br />

Fotos: PR<br />

Ausserdem<br />

CS kauft Hotels in Basel und Zürich<br />

Zwei bekannte Stadthotels der Schweiz haben einen neuen<br />

Besitzer: Der Immobilienfonds Credit Suisse Real Estate Fund<br />

Hospitality hat die Immobilien des Swissôtel Zürich (1) und<br />

des Swissôtel Le Plaza Basel (2) gekauft und damit «ein<br />

strategisch wichtiges Ziel erreicht», so die Verantwortlichen.<br />

Der im November 2010 mit einem Emissions volumen von<br />

900 Millionen Franken lancierte Fund sei nun voll inves tiert.<br />

Beide Häuser wurden 1972 eröffnet und in den letzten Jahren<br />

modernisiert. Für<br />

1<br />

das Zürcher Hotel<br />

besteht ein bis 2032<br />

laufender Pachtvertrag<br />

mit der Hotel International<br />

Oerlikon AG, für<br />

das Basler Hotel ein<br />

ebenso lang laufender<br />

Pachtvertrag mit der<br />

Le Plaza Basel-Stadt<br />

2<br />

AG. Die Hotel kette<br />

Swissôtel Hotels &<br />

Resorts soll Betreiberin<br />

der Hotels bleiben. Sie<br />

gehört seit dem Swissair-<br />

Grounding 2001 zur<br />

Fairmont Raffles<br />

Holdings International.<br />

PSP erhöht Prognose<br />

Die Immobiliengesellschaft PSP Swiss Property steigerte den<br />

Reingewinn im ersten Halbjahr <strong>2012</strong> gegenüber der Vorjahresperiode<br />

von 77 auf 86 Millionen Franken. Der Anstieg<br />

wird vor allem auf den Verkauf der Kunstflächen auf dem<br />

Löwenbräu-Areal (unten) in Zürich zurückgeführt. Wegen<br />

der positiven Entwicklung hat das Unternehmen die Ertragsprognose<br />

für das Geschäftsjahr <strong>2012</strong> erhöht. Zentrale<br />

Projekte sind der Umbau des Hürlimann-Areals in Zürich,<br />

des Gurtenareals in Wabern bei Bern, der Neubau «Vorderer<br />

Sternen» in Zürich sowie der Neubau «Lido» in Locarno.<br />

Löwenbräu-Areal<br />

in Zürich<br />

Starke Baukonjunktur<br />

Der Bauindex Schweiz steigt im dritten Quartal <strong>2012</strong> auf<br />

rekordhohe 137 Punkte und sendet damit starke Wachstumssignale<br />

aus. Im Vergleich zum Vorquartal entspricht dies<br />

einem Wachstum von 5,6 Prozent; gegenüber dem Vorjahreswert<br />

legte der Index um 6,6 Prozent zu. Zum ersten Mal seit<br />

zwei Jahren verzeichneten der Wohnungsbau, der Wirtschaftsbau<br />

und der Tiefbau gleichzeitig ein sattes Plus, was<br />

auf hohe Umsätze im dritten Quartal schliessen lässt. Der<br />

Index wird von der Credit Suisse und dem Schweizerischen<br />

Baumeisterverband erhoben.<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 5


news<br />

PwC: neuer Chef<br />

Die Geschäftsstellen Zürich und Basel des Beratungsunternehmens<br />

PricewaterhouseCoopers (PwC) arbeiten<br />

unter neuer Leitung. In Zürich hat Kurt Ritz (49, Bild)<br />

die Führung übernommen, in Basel Philippe Bingert<br />

(44). Kurt Ritz arbeitet seit 1995 bei PwC und wurde<br />

2004 zum Partner ernannt. Der Ökonom, diplomierte<br />

Architekt HTL/FH und eidgenössisch diplomierte<br />

Immo bilientreuhänder ist zugleich Leiter des<br />

Branchensektors Immobilien von PwC<br />

Schweiz und war vorher stellvertretender<br />

Geschäftsstellenleiter des<br />

Standorts Zürich, an dem 1400 Mitarbeitende<br />

beschäftigt sind. Die<br />

Vorgänger Matthias Schweighauser<br />

in Basel und Stefan Gerber in Zürich<br />

wollen sich wieder auf ihre Kundenmandate<br />

konzentrieren.<br />

6 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

Stein um Stein<br />

Die Palladio­Stadt Vicenza ist für Architektur­ und<br />

Designfans immer eine Reise wert. Jetzt umso mehr, als<br />

vor ihren Toren ein glanzvoller neuer Ausstellungsort<br />

zu entdecken ist. In Montecchio Maggiore hat das<br />

Glasmosaik­Unternehmen Bisazza seine Stiftung für<br />

Architektur, Design und zeitgenössische Kunst eröffnet.<br />

Die früheren Fertigungshallen aus der Gründerzeit<br />

der fünfziger Jahre wurden von Architekt Carlo Dal<br />

Bianco in lichte Präsentationsräume verwandelt. Auf<br />

über 6000 Quadratmetern sind Installationen und<br />

Objekte zu sehen, die Künstler und Architekten wie<br />

Patricia Urquiola (siehe Interview auf Seite 28), Marcel<br />

Wanders (1) Edward Van Vliet (2) oder speziell für<br />

Messe­Auftritte und die Flagship Stores des Familienunternehmens<br />

geschaffen haben. Ein besonderer Platz<br />

gebührt dem ehemaligen künstlerischen Berater<br />

Alessandro Mendini, der seine vielfarbige Poltrona di<br />

Proust in eine monumentale Mosaikversion übertrug.<br />

1 2<br />

UBS: Römerhof verkaufen<br />

Die Grossbanken sind daran, nicht betriebsnotwendige Liegenschaften<br />

zu verkaufen, um ihre Kapitalbasis zu stärken. Die CS will<br />

gemäss Zürcher Brachenkennern den Immobilienkomplex Uetlihof,<br />

die Immobilie Bahnhofstrassse 53, das Haus Metropol und<br />

allenfalls die CS­Towers in Oerlikon abstossen. Die UBS ihrerseits<br />

will offenbar in Zürich den klassizistischen Bau Römerhofplatz<br />

(Bild) verkaufen. Das Gebäude mit einer Nutzfläche von 2500<br />

Quadratmetern wurde 2007 durch Allreal totalsaniert. Der Umbau<br />

soll rund zwölf Millionen Franken gekostet haben. Das sechsstöckige<br />

Gebäude beherbergt die Talstation der Dolderbahn.<br />

Fotos: RDB, PR (3)


ubrik interiors // // thema haus in sils<br />

Endstation<br />

Sehnsucht<br />

Der Engadiner Architekt Arnd Küchel baute für sich und<br />

seine Familie ein Haus, das formale Reduktion und luxuriösen<br />

Wohnstil harmonisch vereint.<br />

CHRISTINE MARIE HALTER-OPPELT, ZAPAIMAGES, TEXT // RETO GUNTLI, ZAPAIMAGES, FOTOS<br />

VERTRÄUMT: Das Haus von Arnd Küchel<br />

steht in einer Hochebene im Silser Ortsteil<br />

Baselgia. Im Untergeschoss sind die Zimmer<br />

der beiden Söhne untergebracht. Darüber befindet<br />

sich das Wohnzimmer.<br />

rubrik // thema<br />

8 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong> 3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 9


10 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

KUNTERBUNT:<br />

Design klassiker, rote<br />

Kissen, Felle und goldene<br />

Accessoires setzen im<br />

Wohnzimmer Akzente<br />

(linke Seite).<br />

KREATIV: Der<br />

53- jährige Architekt und<br />

Bauherr Arnd Küchel lebt<br />

seit seinem fünften Lebensjahr<br />

im Engadin (oben<br />

links).<br />

KARG: Die Rückseite des<br />

Hauses beschränkt sich auf<br />

drei schmale Fenster und<br />

zwei Türen.<br />

Die Magie der Oberengadiner<br />

Berglandschaft schlägt jeden in<br />

ihren Bann.<br />

Es ist schmal, das<br />

Stück Land zwischen<br />

dem Silsersee<br />

und dem Silvaplanersee.<br />

Die<br />

Einheimischen sagen<br />

dieser Ebene<br />

besondere Eigenschaften<br />

nach; sie<br />

sprechen von einem Kraftort, dessen Energie<br />

sich angeblich messen lässt. Wem der<br />

Glauben dazu fehlt, der ist ohnehin überwältigt,<br />

denn die Magie der Oberengadiner<br />

Berglandschaft schlägt jeden in ihren Bann.<br />

Auch Arnd Küchel spricht immer wieder<br />

von der Stärke, die ihm Sils gibt. Vor einigen<br />

Jahren baute er im Ortsteil Baselgia<br />

ein Haus für sich und seine Familie. Der<br />

Architekt unterhält das grösste Planungsbüro<br />

in St. Moritz sowie ein Studio in<br />

Zürich. Nachdem er sich als junger Architekt<br />

1991 im Anschluss an sein Studium in<br />

Lausanne und an der ETH Zürich hier niedergelassen<br />

hatte, war einer seiner ersten<br />

Aufträge der Rückbau der bis dahin von<br />

Gunter Sachs bewohnten Turmsuite im<br />

Palace Hotel. Vor einigen Jahren baute er<br />

auch für dessen Sohn Rolf das historische<br />

Olympiastadion von 1928 zum Wohnhaus<br />

um. Auf der Kundenliste stehen noch<br />

weitere prominente Namen: Modedesigner<br />

Giorgio Armani und Moncler-Gründer<br />

Remo Ruffini. Internationale Anerkennung<br />

brachte Arnd Küchel nicht zuletzt<br />

die Zusammenarbeit mit dem britischen<br />

Stararchitekten Norman Foster, mit dem<br />

er in den letzten Jahren mehrere spektakuläre<br />

Projekte in der Schweiz realisierte.<br />

Formaler Rückzug. Eher leise Töne<br />

schlägt der Architekt mit deutschen Wurzeln,<br />

der schon als kleiner Junge ins Engadin<br />

kam, bei seinem eigenen Haus an. Auch<br />

seine Frau, eine gebürtige Silserin, wollte es<br />

so: «Wir leben sehr zurückgezogen und im<br />

Einklang mit unserer Umgebung.» Das<br />

2800 Quadratmeter grosse Grundstück, auf<br />

dem der Neubau zu liegen kam, schliesst<br />

direkt an ihr Elternhaus an und grenzt<br />

längsseitig an die grosse unbebaute Wiese<br />

der Silser Ebene. Ganz unprätentiös<br />

schmiegt sich der auf Grundformen reduzierte<br />

Bau in die flache Ebene. Er ist unterteilt<br />

in einen zweistöckigen Kubus mit Giebeldach<br />

und einen eingeschossigen flachen<br />

Anbau. Als Fassadenmaterialien wählte der<br />

Architekt grauen Splüger Stein für den Sockel<br />

und längsgerichtete Lärchenholz- •<br />

interiors // haus in sils<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 11


ubrik // thema<br />

12 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

GERÄUMIG: Das Wohnzimmer<br />

im ersten Stock<br />

erstreckt sich über die<br />

ganze Länge des Hauses.<br />

Neben dem Seiten fenster<br />

kombinierte Arnd Küchel<br />

einen selbst entworfenen<br />

Tisch mit einem alten<br />

Engadiner Stuhl und<br />

Design klassikern. An der<br />

Wand hängt eine historische<br />

Schwarz-Weiss-<br />

Fotografie (linke Seite).<br />

SCHLICHT: Die Treppe<br />

verbindet das Untergeschoss<br />

mit der Eingangshalle<br />

(oben links).<br />

LAUSCHIG: Die in<br />

die Holzfassade eingelassene<br />

Veranda ist<br />

nur vom Schlafzimmer<br />

aus begehbar.<br />

Arnd Küchel schuf «Zonen, die<br />

Ausblicke geben, und Zonen, die<br />

den Blick nach innen lenken».<br />

• bretter, die das leicht vorspringende<br />

obere Stockwerk markieren. Zur Strasse<br />

und nach Nordwesten hin vollzieht der Bau<br />

einen formalen Rückzug. Nur wenige<br />

Fens terausschnitte brechen die Fassade auf.<br />

Auch die hölzerne Haustüre betont diesen<br />

zurückhaltenden Charakter: So wie bei den<br />

alten Engadiner Häusern üblich, kann der<br />

Besucher durch eine Luke begrüsst werden.<br />

Wer Zutritt erlangt, steht in einer grossen<br />

Halle, deren Decke von einer umlaufenden,<br />

indirekten Beleuchtung gerahmt<br />

ist. Eingelassene Strahler sorgen für zusätzliches<br />

Licht. Wichtigster Bezugspunkt<br />

des nackten Raumes ist ein Werk von Mauro<br />

Perucchetti, das ganz am Ende in einer<br />

Nische hängt. Von hier aus erschliessen<br />

sich die 800 Quadratmeter Wohnfläche des<br />

Hauses: Treppen führen nach oben und<br />

unten, hinter Türen liegen die Zimmer der<br />

beiden Söhne, und ein Durchgang führt in<br />

den Anbau. Dort befinden sich die Küche<br />

von Bulthaup – in Kastanie und Edelstahl<br />

realisiert – und ein grosser Tisch aus<br />

Kastanienholz mit von Wand zu Wand reichender<br />

Sitzbank und roten Stühlen von<br />

Arne Jacobsen.<br />

Das Haus öffnet sich schliesslich nach<br />

Südosten. Im Wohnzimmer im ersten<br />

Stock fällt der Blick durch ein grosszügiges,<br />

dreigeteiltes Fenster über die freie<br />

Fläche hinweg auf Sils Maria mit dem über<br />

dem Ort thronenden Waldhotel und dem<br />

sich darüber aufbauenden 3451 Meter hohen<br />

Corvatsch-Massiv. Die Reduktion auf<br />

diesen einzigen Ausschnitt steigert die<br />

Dramaturgie des Raumes und erhöht das<br />

Panorama zum Triptychon. An den Wänden<br />

innen beschränkt sich der Architekt<br />

auf historische Schwarz-Weiss-Fotografien<br />

– Momentaufnahmen aus einer<br />

anderen Zeit –, ganz im Gegensatz zu der<br />

sich ständig verändernden Landschaft vor<br />

dem Haus.<br />

Von einer Sitzgruppe aus, die der mit<br />

Arnd Küchel befreundete italienische Designer<br />

Antonio Citterio für Flexform entworfen<br />

hat, lässt sich dieses Schauspiel beobachten.<br />

Ein zweites Sofa gruppiert sich<br />

vor dem Cheminée. Kuhfell und Fuchspelz<br />

geben dem Raum die Wärme und Behaglichkeit,<br />

nach der ein Haus in den Bergen<br />

verlangt. Vor einem weiteren Fenster im<br />

Südwesten stehen ein massiver, roher<br />

Holztisch – ein Entwurf des Architekten –<br />

und ein alter Engadiner Stuhl, deren<br />

archaische Ausstrahlung von zwei dazu<br />

arrangierten Charles-Eames-Klassi- •<br />

interiors // haus in sils<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 13


ubrik // thema<br />

14 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

EXQUISIT: Der<br />

Küchenausbau aus Edelstahl<br />

und Kastanienholz<br />

stammt von Bulthaup<br />

(linke Seite oben).<br />

ERQUICKEND: Durch<br />

das grosse Fenster im<br />

Wohnzimmer fällt der<br />

Blick auf Sils Maria, das<br />

Hotel Waldhaus und das<br />

Corvatsch-Massiv (linke<br />

Seite unten).<br />

GEMÜTLICH: Der<br />

spekta kuläre Wein keller<br />

mit einem von hinten<br />

beleuchteten Flaschenregal<br />

(oben links).<br />

HAARIG: Auch die Gäste<br />

werden bei Arnd Küchel in<br />

Fuchspelz gebettet.<br />

Ein Wünschel rutengänger<br />

suchte das Grundstück vor dem<br />

Bau nach Wasseradern ab.<br />

• kern gebrochen wird. Der Raum reicht<br />

bis in den Giebel. Auf der rückwärtigen<br />

Seite befindet sich eine schmale Galerie,<br />

auf der sämtliche Unterhaltungselektronik<br />

untergebracht ist. Darunter liegen Schlafzimmer<br />

und Bad der Hausherren. Ein in<br />

die Holzverkleidung eingelassener Balkon<br />

an der Giebelseite und drei schmale Fensterausschnitte<br />

bilden die einzige Tageslichtquelle.<br />

Arnd Küchel schuf ganz bewusst<br />

«Zonen, die Ausblicke geben, und<br />

Zonen, die den Blick nach innen lenken».<br />

Energetische Umsicht. Es gibt nur wenig<br />

Überflüssiges. «Das Haus ist voll von Einbauschränken,<br />

in denen alles verstaut werden<br />

kann», erklärt der Architekt. Zudem<br />

wurde das Untergeschoss für eine vielseitige<br />

Nutzung geplant. Ein grosser Aufenthaltsraum<br />

bietet praktische Arbeitstische<br />

neben einer gemütlichen Sitzlandschaft.<br />

Hier kann man eines der Bücher lesen, die<br />

im Regal stehen, das den Gang zu Büro<br />

und Sauna flankiert. Das Schmuckstück<br />

hier unten ist allerdings der Weinkeller mit<br />

einem effektvoll von hinten beleuchteten<br />

Flaschenregal.<br />

Vor dem Bau liess Arnd Küchel das<br />

Grundstück von einem Wünschelruten-<br />

gänger nach Wasseradern absuchen. So<br />

konnte er die Zimmer entsprechend ihrer<br />

Nutzung auch nach energetischen Gesichtspunkten<br />

anordnen. Zudem war es<br />

ihm wichtig, Schadstoffe so weit wie möglich<br />

vor der Türe zu lassen. Die Wände des<br />

Hauses mit betoniertem Untergeschoss<br />

und vorgefertigtem Holzaufbau sind mit<br />

Holz- und Schafwolle gedämmt und mit<br />

Gipsplatten verkleidet. Elektrokabel wurden<br />

sparsam verlegt und Steckdosen nur<br />

da installiert, wo sie tatsächlich gebraucht<br />

werden. In der Nähe der Betten verzichtete<br />

Küchel ganz auf Elektrizität. Anstelle<br />

von Halogenspots setzte er Glühbirnen<br />

ein. Selbst die Eichenholzböden sind nicht<br />

verklebt, sondern auf traditionelle Art verzapft<br />

und verschraubt. Die Heizenergie<br />

wird von einer Wärmepumpe mit Erdsonde<br />

gewonnen, alles Brauchwasser fliesst<br />

durch spezielle Chromstahlleitungen.<br />

Arnd Küchel glaubt fest an den Wert<br />

dieser Massnahmen und deren Steigerung<br />

der Wohn- und Lebensqualität. Schliesslich<br />

betont er: «Ich fühle mich hier stärker<br />

als anderswo. Dieser Ort hat mir immer<br />

geholfen.» Es scheint so, als könne man in<br />

Sils tatsächlich Kraft schöpfen. Inspiration<br />

für gute Architektur gibt es wohl auch. •<br />

interiors // haus in sils<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 15


interiors // haus in tuggen<br />

KONTRASTE. Zwischen Sichtbetondecke und gebürstetem Eichenboden hat der Architekt muntere Farbakzente in den hohen<br />

offenen Wohnbereich gesetzt. Der Betonkern, in den Kamin, Küchenschränke und Nischen integriert sind, ist mit einem Pigment getönt.<br />

Frühlingsgrüner Glanz gibt dem langen Regal vor der Galerie einen stets frischen Charakter.<br />

16 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

Frei<br />

nach<br />

Polanski<br />

Moderne im Schindel-<br />

kleid: Am Hang über<br />

Tuggen hat Architekt<br />

Herbert Bruhin<br />

das Modell eines<br />

Hauses am Waldrand<br />

neu interpretiert.<br />

RUTH HÄNDLER, TEXT<br />

PETER TILLESSEN, FOTOS<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 17


interiors // haus in tuggen<br />

Die Schindeln waren zunächst sehr<br />

umstritten in der Gemeinde.<br />

18 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

SHang<br />

eit Yvonne Huber ihr neues Domizil am<br />

in Tuggen SZ bezogen hat, kriegt sie abends oft Besuch. Die<br />

Gäste kommen direkt aus dem Wald und sind, wenn sie ums Haus<br />

herumziehen, alles andere als scheu. Das Menschen-Habitat, das in<br />

ihrer Nachbarschaft gewachsen ist und so fein nach Holz riecht,<br />

scheint selbst den Rehen zu gefallen. Mit der geschin delten Fassade<br />

aus Western Red Cedar stellt der modern geschnittene Bau den<br />

traditionellen Bauernhäusern des Kantons Schwyz, die man auf<br />

den umliegenden Hängen sieht, eine zeitgemässe Interpretation<br />

zur Seite. Was jetzt auf der obersten Parzelle am überbauten Südhang<br />

des Buchbergs ebenso selbstverständlich wie selbstbewusst<br />

wirkt, war nicht ganz einfach durchzusetzen.<br />

«Am Anfang wollte ich ein Betonhaus bauen», erzählt Yvonne<br />

Huber. Aufgewachsen in Tuggen am oberen Zürichsee, war sie als<br />

Jugendliche in die Grossstadt Zürich gezogen. Als sich nun die<br />

Gelegenheit bot, in der Heimatgemeinde ein Grundstück zu<br />

rubrik // thema<br />

FERNBLICK. Die tief eingeschnittenen Loggien an der Südfassade erweitern den Innenraum<br />

und bewähren sich dank Überdachung und seitlichen Scheiben als Allwetterplätze im Freien.<br />

Das Dachgeschoss ragt über die Nachbargebäude hinaus und bietet freie Aussicht auf das Dorf<br />

Tuggen, die Linthebene und die Voralpen.<br />

erwerben, griff die Relationship-Managerin bei einer Schweizer<br />

Grossbank zu. Natürliche Materialien und warme Farben – das<br />

waren Yvonne Hubers erste Wünsche an ihren Architekten Herbert<br />

Bruhin. «Nachdem ich mich näher mit dem Thema beschäftigt<br />

hatte, bin ich vom reinen Betonhaus etwas abgekommen und<br />

merkte, dass mir auch Holzhäuser gut gefallen.»<br />

Eine geschuppte Fassade hatte die Bauherrin nicht im Sinn. Die<br />

brachte ihr Architekt ins Spiel, und dazu gab es für Yvonne Huber<br />

und ihren Partner noch eine besondere Hausaufgabe: «Wir sollten<br />

uns Roman Polanskis Film ‹The Ghost Writer› anschauen.»<br />

Historische Vorbilder. Das elegante Inselhaus mit der Schindeloberfläche,<br />

das in Polanskis Politthriller einen zentralen Platz<br />

einnimmt, überzeugte nachhaltig. Auch im wirklichen Leben sah<br />

Yvonne Huber «überall nur noch Schindeln». Eine gute Voraussetzung<br />

für den Architekten, nun seinerseits mit einer Foto- •<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 19


interiors // haus in tuggen<br />

Es ist schön, am Abend aus der Stadt zu fahren<br />

und hier die Ruhe zu finden.<br />

20 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

• dokumentation bei den Behörden zu beweisen, dass eine<br />

Fassadengestaltung, die in der Region historisch verankert ist,<br />

auch in eine neue Überbauung passt. «In der Gemeinde waren die<br />

Schindeln zunächst sehr umstritten», sagt Herbert Bruhin, «weil<br />

die meisten Neubauten hier eine Putzfassade haben.»<br />

Wie die Oberfläche hat der Architekt auch die Form der natürlichen<br />

Umgebung angepasst. Zwar war er im Gebiet Laui an einen<br />

Gestaltungsplan gebunden, der die Gebäude relativ nahe zueinander<br />

ordnet. Die schöne Aussicht aber hat er dennoch gerettet – mit<br />

dem Haus, das sich leicht dem Hang zuneigt und dessen Linie mit<br />

seinem schrägen Dach nachzeichnet.<br />

Um nach Süden den Blick auf die Linthebene und die Glarner<br />

Alpen zu geniessen, wurde die Wohnebene ins hohe, offene Dachgeschoss<br />

gelegt. Die tief eingeschnittene Loggia, auf der auch ein<br />

Tisch für vier Personen Raum findet, hat sich als geschützter<br />

Freiluftplatz bewährt und ihre Allwettertauglichkeit bewiesen.<br />

«Im Winter», erzählt Yvonne Huber, «sitzen wir bei Sonnenschein<br />

auf Schaffellen draussen und fühlen uns wie im Skiurlaub.»<br />

Die untere Loggia vor Gästezimmer, Arbeitszimmer und Bad<br />

ist durch die Neigung des Hauses etwas weniger tief und hat als<br />

Gegenüber die Rückseite des Gebäudes, in dem Yvonne Hubers<br />

Bruder mit seiner Familie wohnt. Dank der langen Fassadenöff-<br />

rubrik // thema<br />

AUF MASS. Der weisse Küchenblock (links) mit dem Aufsatz, der gleichzeitig Sichtschutz und<br />

Bar ist, wurde wie alle Einbauten im Haus vom Architekten entworfen. Die Galerie des Dachgeschosses<br />

bietet einen Rückzugsraum mit Naturanschluss: Das sieben Meter lange Panoramafenster<br />

ist der Wiese und dem Waldrand zugewandt.<br />

nung kann man aber links und rechts am Nachbarn vorbeischauen<br />

oder aber den Aussenbereich mit einem Sonnenschutz in eine<br />

Laube verwandeln.<br />

Versetzte Ebenen. Die Westfassade mit dem Eingang von der Aussentreppe<br />

her, die am Gebäude entlang nach oben führt, hat der<br />

Architekt weitgehend geschlossen. An der Ostseite, wo der Wald<br />

Hang und Haus begleitet, sieht man aus dem schmalen hohen<br />

Fenster des Wohnbereichs und aus dem breiten tiefen Fenster des<br />

Schlafzimmers in die Natur hinaus. Die abwechslungsreiche Typologie<br />

ganz unterschiedlicher Ausblicke ergänzt auf der Galerie des<br />

Dachgeschosses das sieben Meter lange Atelierfenster Richtung<br />

Norden zum Buchberg hin, wo die Wiese des Grundstücks übergeht<br />

in eine landwirtschaftliche Zone bis zum Waldrand.<br />

«Damit die Wege im Hanghaus kurz sind, habe ich mich für die<br />

Split-Level-Bauweise entschieden», erklärt Architekt Bruhin. Auf<br />

den halb versetzten Ebenen bleiben die Bewohner nah an der<br />

Natur, vom Erdgeschoss mit dem dichten Grundriss und der Zimmerstruktur<br />

bis hinauf zum loftartigen Wohn- und Essbereich.<br />

Herbert Bruhin hat gleich nach dem ETH-Abschluss 1997 sein<br />

eigenes Büro in Siebnen gegründet und verbindet hier Architektur,<br />

Innenarchitektur und Ausstellungsdesign. Er hat Optiker- •<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 21


interiors // haus in tuggen<br />

• läden ein frisches Aussehen verpasst, die Raiffeisenbank in<br />

Gommiswald neu gestaltet und die Messeauftritte der Firma<br />

Wogg beim Mailänder Salone del Mobile inszeniert.<br />

Sein Gespür für das Zusammenspiel von Oberflächen, Farben<br />

und Licht macht das Interieur von Yvonne Hubers Haus zu einem<br />

Wohnerlebnis. Die Reduktion auf wenige edle und ehrliche<br />

Materialien wie Sichtbeton für die Decken, Eichenholz für die<br />

Böden und Stufenplatten sowie tiefgrauen brasilianischen<br />

Mustang-Schiefer für die Bäder verleiht den Räumen ihre ruhige<br />

und gelassene Prägung. Aufgepeppt wird das Ganze mit mutigen<br />

Farbakzenten, an die sich viele von Bruhins Kollegen und auch<br />

deren Bauherren nicht so recht heranwagen.<br />

Farbenklang. Im Schlafzimmer etwa korrespondiert eine auberginefarbene<br />

Wand mit den Grünklängen vor dem Fenster. Der<br />

dunkle Ton stammt aus Le Corbusiers Farbpalette mit natürlichen<br />

Erd- und Mineralpigmenten, die von der Schweizer Farbmanufaktur<br />

Kt. Color wieder aufgelegt wurde. Auch der Betonkern im<br />

Dachgeschoss, der im Gegensatz zu den rauen Sichtbetondecken<br />

eine glatte Haut hat, ist mit einem Pigment eingefärbt. In dem<br />

weichen Pflaumenton leuchten rotglänzende Nischen für Reisesouvenirs<br />

an der Rückseite des Raumteilers auf und rotglänzende<br />

22 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

NACHHALTIG. Der brasilianische Mustang-Schiefer für das Badezimmer gehört mit den<br />

Eichenholzböden und dem Sichtbeton zu den wenigen Naturmaterialien, die grossflächig<br />

eingesetzt sind. In der hinterlüfteten Fassade des Hauses, das nach Minergiestandard gebaut ist,<br />

steckt eine 30 Zentimeter dicke Isolierung.<br />

Schleiflackfronten der Küchenschränke an der Vorderseite. Einen<br />

kräftigen Kontrast dazu bildet die grüne Rückwand des hohen<br />

weissen Regals zwischen Wohnraum und Galerie. Dort, an der<br />

höchsten Stelle des Hauses, haben Yvonne Huber und ihr Partner<br />

einen weiteren Ort für Mussestunden eingerichtet. Mit der offenen<br />

Terrasse und dem Garten seitlich des Gebäudes gibt es auf den<br />

diversen Ebenen stimmungsvolle Plätze, die zum Verweilen einladen.<br />

«Es ist schön, am Abend herzufahren und hier die Ruhe zu<br />

finden», sagt Yvonne Huber. Dank guten Verkehrsanbindungen<br />

ist sie von ihrem Zürcher Arbeitsort in etwa einer Stunde daheim.<br />

Nach dem ersten Jahr im eigenen Haus zeigt sich, dass die<br />

intensiven Diskussionen während der Bauphase zu einem rundum<br />

gelungenen Ergebnis geführt haben. «Viele Freunde fragen mich:<br />

Was würdest du heute anders machen?», erzählt Yvonne Huber.<br />

«Bis jetzt fällt mir aber nichts ein.»<br />

Auch für künftige Komfortsteigerung ist gesorgt. Ein grosser,<br />

roh belassener Raum im Untergeschoss enthält die Anschlüsse für<br />

den Ausbau zu einem Wellness-Bereich. Auf einen Pool im Garten<br />

hat Yvonne Huber verzichtet. «Eine Energieschleuder zu einem<br />

Haus nach Minergiestandard passt nicht», sagt sie. «Wir haben<br />

zum Schwimmen den See in der Nähe und den Linthkanal –<br />

das ist perfekt.»<br />


style // bäder<br />

1: 3: 5:<br />

In the Mood!<br />

Die Wanne löst sich von der Wand und rückt wieder<br />

ins Zentrum des Bads. Dort bietet sie immer mehr Finessen.<br />

CORINNE AMACHER, TEXT<br />

Von wegen Badewanne: Die neuen freistehenden<br />

Modelle sehen aus wie Minipools. Mitten im<br />

Raum stehend, vermitteln sie Grosszügigkeit<br />

und Eleganz, sind zum Teil mehr als zwei Meter<br />

lang oder bieten in kreisrunder Ausführung<br />

Platz für eine ganze Familie. Per Fernbedienung lassen sich<br />

Warmluft- oder Ultraschallmassagen einstellen, eine Zusatzheizung<br />

sorgt für wohlige Wärme, Musik erklingt aus den integrierten<br />

Laut sprechern. Wechselnde Mood-Lichter erzeugen eine<br />

heimelige Stimmung im Wasser, Lichtleisten am Rand lassen die<br />

Wanne wie eine Skulptur erscheinen.<br />

Naturmaterialien wie Holz oder Stein kommen immer<br />

häufiger zum Einsatz. Das Bündner Unternehmen Bagno Sasso<br />

24 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

hat sich in der Herstellung von luxuriösen Badewannen aus Holz<br />

einen Namen gemacht, die indes nichts gemeinsam haben mit<br />

Grossmutters Zuber. Die Wannen basieren auf dem Handwerk<br />

des Yachtbaus und auf Technologien aus der Formel 1. Die<br />

Wannen der Serie Ocean Shell in Form einer Bademuschel<br />

werden in der Schweiz oder in Deutschland handgefertigt und<br />

können in nahezu jeder Holzart bestellt werden.<br />

Sogar eine Wanne aus Beton wirkt freistehend elegant. Das<br />

Modell Wave von Dade-Design ist mehrere hundert Kilogramm<br />

schwer, wirkt aber durch eine Fuge in der Mitte ausgesprochen<br />

leicht. Auch Hightech-Materialien der neusten Generation fühlen<br />

sich an wie Naturstein. Neue Materialverbindungen sind aus<br />

einem Guss und haben nichts mehr mit dem kalten emaillierten<br />

Fotos: PR<br />

Stahl aus Grossmutters Zeiten oder dem klebrigen Acryl der<br />

siebziger Jahre gemein. Im hohen Preissegment fühlen sich die<br />

Oberflächen genauso samtig an, wie sie klingen: Cristal plant,<br />

Quaryl oder Varicor. Solche Mineralwerkstoffe sind porenfrei,<br />

robust, angenehm in der Haptik und rezyklierbar.<br />

Nicht immer braucht eine freistehende Wanne opulente<br />

Platzverhältnisse. Beim Modell Exelen des italienischen Herstellers<br />

Antonio Lupi, im Frühling auf dem Salone Internazionale<br />

del Bagno in Mailand präsentiert, wurden Badeinsel und Waschplatz<br />

kompakt kombiniert. Der Rand der Badewanne ist so breit,<br />

dass ein Waschbecken darauf Platz findet. Nachdem sich die<br />

Grenzen zwischen Bad- und Wohnräumen aufgelöst haben,<br />

vermischen sich allmählich auch die Funktionsbereiche.<br />

2:<br />

4:<br />

1: Waschblock mit Wanne und Becken aus dem Programm Exelen von<br />

Antonio Lupi, Grösse: 160×160 cm, Preis: auf Anfrage, www.antoniolupi.com<br />

2: Kos Minipool, Grösse: Ø 230 cm, Preis: auf Anfrage, www.kositalia.com<br />

3: Badewanne Wave aus Beton von Dade-Design, Grösse 202×94 cm,<br />

Preis: auf Anfrage, www.dade-design.com<br />

4: Badewanne Ocean Shell in Birnbaumholz von Bagno Sasso,<br />

Grösse: ca. 230×140 cm, Preis: 36 200 Franken, www.bagnosasso.ch<br />

5: Im Boden versenkte Whirlwanne Sorgente von Teuco,<br />

Grösse: 240×156 cm, Preis: ab ca. 14 000 Euro, www.teuco.de<br />

In den puristischen Designs verschwinden Armaturen und<br />

Düsen aus dem Blickfeld. Bei den Hydroline-Massagedüsen des<br />

italienischen Sanitärherstellers Teuco wurden die Düsenöffnungen<br />

zu kaum spür- und sichtbaren Schlitzen verengt. Sie<br />

funktionieren sanft, lautlos und vibrieren nicht.<br />

Noch weiter geht der japanische Foam Spa, der als Entdeckung<br />

der Saison gefeiert wird. Der japanische Designer<br />

Kenya Hara, Art Director des japanischen Designhauses Muji,<br />

hob das private Spa für den Badhersteller Lixil in eine neue<br />

Dimension. In einem innovativen Verfahren werden Wasser und<br />

Luft so vermischt, dass das Badewasser ohne Zusätze eine<br />

Konsistenz erhält, die sich wie feinster Cappuccino-Milchschaum<br />

anfühlen soll.<br />

•<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 25


style // küchen<br />

1:<br />

Bühne frei!<br />

Die Küche ist zum Kochen da? Falsch. Die Küche ist viel mehr:<br />

Sie ist zum gesellschaftlichen Epizentrum avanciert – und<br />

zum Statussymbol, mit allem, was dazugehört: massgeschneiderte<br />

Lösungen und Preise nur auf Anfrage. IRIS KUHN-SPOGAT, TEXT<br />

1: Duemilaotto von Boffi: Das Edelstahldesign wird mit einer unbehandelten Holzplatte durchbrochen. www.boffi.com<br />

2: Die Küche für den Vipp-Treteimer: Sie besteht aus Modulen – aus demselben Edelstahl wie der Eimer. www.vipp.com/de<br />

3: Everest Sky von Wiesmann Küchen: Schlichter Kubus mit Walzstahlabdeckung. www.wiesmann-kuechen.ch<br />

4: b3 von Bulthaup: Die High-End-Variante mit riesiger Auswahl an Materialien, Farben und Finessen. www.bulthaup.de<br />

26 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

Fotos: PR<br />

2:<br />

3:<br />

4:<br />

Ganz oben auf der Liste der Küchenbauer mit den<br />

edelsten und teuersten Küchen steht Boffi,<br />

«der Ferrari unter den Küchenbauern», sagt<br />

Christoph Hablützel, Geschäftsführer von Dreba<br />

Küchen in Basel. 1934 in Lentate sul Seveso,<br />

einem Städtchen in der Nähe von Monza, gegründet, hat Boffi in<br />

den letzten zehn Jahren für die Erweiterung der Kochzone neue<br />

Standards gesetzt und ist selbst zum Inbegriff für luxuriöse<br />

Küchen geworden.<br />

Ein Blick in Boffis Lookbook: wandweise Einbauschränke,<br />

Korpusse mit breiten Schubladen, schneeweiss glänzend oder<br />

dunkel lackiert, klare Linien, viele rechte Winkel, glänzender<br />

Chromstahl und viel freie Fläche – Farben und Formen aufs Minimum<br />

reduziert. Wer mag da verweilen? «Die Leute wollen es<br />

tatsächlich wieder etwas weniger geschniegelt, dafür wohnlicher»,<br />

kommentiert Hablützel. Das Material für mehr Wärme heisst<br />

Holz und erlebt derzeit ein Revival. Die Boffi-Küchenkombination<br />

Aprile beispielsweise gibt es auch mit Fronten aus Akazienholz,<br />

und beim Modell Duemilaotto wird das clean-sterile Edelstahldesign<br />

mit einer zentimeterdicken, unbehandelten Holzplatte<br />

durchbrochen. Preis auf Anfrage.<br />

Auch der deutsche Küchenbauer Bulthaup setzt auf Holz,<br />

schlägt für Fronten sogar sägeraue (ungehobelte) Eiche vor. Die<br />

High-End-Variante einer Bulthaup-Küche heisst b3. Die Auswahl<br />

an Ausstattung, Materialien, Farben, Elementen und Finessen ist<br />

riesig, die Möglichkeiten sind schier unendlich – und jede b3 am<br />

Ende ein Unikat. Hier ein fugenlos umhüllter Monolith, dort<br />

eine durchgehende Funktionswand, die Wasser-, Strom- und Gasleitungen<br />

verbirgt und an der Schränke befestigt werden können,<br />

sodass sie wirken, als schwebten sie. Preis auf Anfrage.<br />

«Die Küche ist eine Bühne, wo der Vorhang nie fällt», stützt<br />

Thomas Wiesmann, Präsident des Küchen-Verbands Schweiz<br />

(KVS) und Inhaber von Wiesmann Küchen im Zürcher Seefeld,<br />

die These der Küche als Plattform, sich zu profilieren. Wiesmann<br />

hat sich in seiner «Manufaktur für individuelle Lösungen» vor<br />

rund 30 Jahren der individuellen Küche verschrieben und ist insbesondere<br />

an der Zürcher Goldküste ein gefragter Mann. An der<br />

letztjährigen Designmesse «Neue Räume 11» in Zürich hat er mit<br />

Everest Sky brilliert, einem schlichten Kubus mit Walzstahlabdeckung.<br />

Für Entzücken sorgte insbesondere sein Einfall, die alte<br />

Speisekammer wieder aufleben zu lassen, in Form eines kleinen<br />

Réduits. Hier kann verstaut werden, was nicht herumstehen soll.<br />

Preis auf Anfrage.<br />

Eine individuelle Luxusküche erfordert unzählige individuelle<br />

Entscheide. Nicht viel mehr als ein Ja oder Nein braucht es dagegen<br />

für die Küche von Vipp. Der dänische Hersteller von Produkten<br />

für Küche und Bad ist berühmt geworden mit dem klassischen<br />

Vipp-Treteimer aus Edelstahl. Anfang Jahr stellte das<br />

Unternehmen «die Küche zum Eimer» (O-Ton Firmenslogan)<br />

vor. Das Konzept besteht aus vier Modulen aus demselben Edelstahl<br />

wie der Eimer. Die einzelnen Module sind bis ins letzte Detail<br />

– von den Knöpfen am Herd über die Armaturen bis zur<br />

Dunstabzugshaube – durchdesignt. «Wir haben alle Entscheidungen<br />

für den Kunden getroffen», sagt Morten Bo Jensen, Vipp-<br />

Chefdesigner, «entstanden ist ein solides Produkt, das der täglichen<br />

Nutzung standhält.» Preis: Ein Schrankmöbel kostet 4300<br />

Euro, die Kücheninsel 27 000 Euro.<br />

•<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 27


interview // patricia urquiola<br />

«Stil killt alles»<br />

Möbel, Läden, Hotels, Vasen: Patricia Urquiola entwirft Schönes<br />

für Auftraggeber aus aller Welt. Die spanische Architektin<br />

und Designerin über ihren Weg zum Erfolg, ihre Arbeits weise<br />

und den Grund, warum ihr Wow-Effekte zuwider sind.<br />

IRIS KUHN-SPOGAT, INTERVIEW // GIAN MARCO CASTELBERG, FOTOS<br />

<strong>BILANZ</strong> <strong>Homes</strong>: Frau Urquiola, was für einen Eindruck<br />

haben Sie von Zürich?<br />

Patricia Urquiola: Eine schöne Stadt, ich bin oft da, mein Bruder,<br />

ein Banker, lebt hier im Niederdorf. Ich besuche ihn regelmässig.<br />

Nichts, was Sie stört, was Sie neu designen würden?<br />

Das habe ich mir noch nie überlegt, und spontan fällt mir nichts<br />

ein. Was mir immer wieder auffällt: Wer hier in der Schweiz lebt,<br />

hat mehr als andere, aber es scheint dafür wesentlich schwieriger,<br />

mit Menschen in Kontakt zu kommen.<br />

Haben Sie einen Lieblingsort?<br />

Nein. Meine Wurzeln kann ich überallhin mitnehmen, so gesehen<br />

bin ich eine gute Reisende. Ein Teil meiner Familie lebt in den<br />

USA, ein Teil in Spanien und eben in der Schweiz. Europa ist aber<br />

gewiss ein sehr guter Ort zum Leben. Trotz der Krise.<br />

Spüren Sie die Krise?<br />

Nicht kommerziell, mein Geschäft läuft sehr gut. Aber sonst überall.<br />

Es geht nicht nur um Geld, sondern um Identität, und ich<br />

denke, die Jungen sind jetzt gefordert, haben eine einmalige<br />

Chance, Dinge neu zu gestalten.<br />

An was für Projekten arbeiten Sie zurzeit?<br />

An einem Spa im Four Seasons Hotel in Mailand. Dann waren wir<br />

gerade in Japan bei einer kleinen Porzellanmanufaktur, für die ich<br />

nun bis Oktober eine Kollektion entwerfen werde. Das ist sehr<br />

28 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

aufwendig, aber wir haben mit dem Material inzwischen unsere<br />

Erfahrungen; für Rosenthal haben wir kürzlich 70 verschiedene<br />

Objekte gemacht und dieses Jahr eine Kollektion für Baccarat.<br />

Und wir sind dabei, die Läden von Missoni neu zu gestalten sowie<br />

ein Fünfsternehotel in der Karibik.<br />

Ein Hotel?<br />

Oh ja, bereits das zweite. Das erste war das Mandarin Oriental in<br />

Barcelona. Das in der Karibik ist für mich eine ziemliche Knacknuss,<br />

denn der Auftrag lautet in etwa: Macht ein Flip-Flop-Hotel<br />

mit Wow-Faktor. Flip-Flop ist okay, aber mit dem Wow-Faktor<br />

stehe ich seit je auf Kriegsfuss, das hat mich noch nie interessiert.<br />

Ich will, dass die Leute denken, «das Sofa, das in meinem Zimmer<br />

stand, will ich kaufen, weil ich mich darin so wohlgefühlt habe».<br />

Möbel, Läden, Hotels und Vasen – sagen Sie auch mal Nein?<br />

Oh ja, eigentlich immer. Aber wenn Leute dann Argumente haben<br />

und es schaffen, mich für ihr Projekt zu interessieren, schwenke<br />

ich oft um zu Ja.<br />

Was interessiert Sie?<br />

Dinge out of order, Dinge, die nicht mehr funktionieren, die einen<br />

Reload brauchen.<br />

Und was beeindruckt Sie?<br />

Menschen, die den Mut nicht verlieren, wenn nichts mehr zu<br />

gehen scheint. Diesen Frühling ist in der Marmorfabrik, die<br />

•<br />

Patricia Urquiola, 1961 im<br />

spanischen Oviedo geboren, lebt seit<br />

ihrer Ausbildung zur Architektin<br />

vor 28 Jahren in Mailand.<br />

Bevor sie sich selbständig machte,<br />

arbeitete sie hinter den Kulissen<br />

von italienischen Marken wie<br />

De Padova und Lissoni Associati.<br />

2001 eröffnete sie das Studio<br />

Urquiola und arbeitet für Auftraggeber<br />

wie Alessi, Axor Hansgrohe,<br />

Baccarat, Kartell, Rosenthal, B&B<br />

Italia. Urquiola ist Mutter von<br />

zwei Töchtern und mit dem Italiener<br />

Alberto Zontone verheiratet,<br />

dem CEO ihres Studios.<br />

rubrik // thema<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 29


interview // patricia urquiola<br />

• mich beliefert, durch das Erdbeben das Gebäude massiv beschädigt<br />

worden, und das Ende einer Ära schien gekommen. Als ich<br />

einen Tag später dort anrief, um mich zu erkundigen, wie es den<br />

Leuten gehe, hatten sie bereits einen Plan B und entschieden, das<br />

Dach abzubrechen und den Sommer unter offenem Himmel weiterzumachen,<br />

da es ja sowieso immer schönes Wetter ist. Dieser<br />

Pragmatismus, dieser Blick nach vorn hat mich fast umgehauen.<br />

Interessiert es Sie, wie die Leute mit Ihren Dingen leben?<br />

Und wie! Zu Leuten nach Hause zu gehen und meinen kleinen<br />

Tisch in ihrer Umgebung integriert zu sehen, fasziniert mich.<br />

Und wenn er total falsch kombiniert ist?<br />

Was heisst das schon? Ich habe die Kontrolle, solange der Designprozess<br />

läuft. Wie die Leute die Kreationen interpretieren, ist<br />

dann ihre Sache.<br />

Womit haben Sie den Durchbruch geschafft?<br />

Keine Ahnung, es hat ja fast 20 Jahre und unzählige erfolgreiche<br />

Designstücke gebraucht, bis ich das Gefühl hatte, dass ich glaubwürdig<br />

genug bin, um ein eigenes Studio zu eröffnen.<br />

Warum haben Sie dafür so lange gebraucht?<br />

Ganz Frau, dachte ich, für jemanden zu arbeiten, sei mehr als<br />

genug für mich.<br />

Elf Jahre nach Ihrem Start als selbständige Designerin<br />

sind Sie eine der erfolgreichsten und gefragtesten der Branche<br />

weltweit. Wie kommen Sie an Aufträge?<br />

Ich werde angerufen.<br />

Und dann?<br />

Ich höre mir an, worum es geht, und wenn ich es interessant finde,<br />

gehe ich vorbei, schaue mir alles an, sehe mich um, studiere, wie<br />

die arbeiten, will die Produkte sehen und die Atmosphäre spüren.<br />

Ich muss die Leute, für die ich arbeite, mögen. Das ist das A und<br />

O. Bei der Marmorfirma, die ich vorher kurz erwähnt habe, war<br />

ich anfangs sehr skeptisch, Marmor war bis dahin gar nicht mein<br />

Ding. Doch die wollten unbedingt, dass ich für sie arbeite, und sie<br />

waren so charmant, dass ich hingegangen bin. Kaum war ich dort,<br />

hatte ich auch schon die Idee: Bei der Herstellung von Marmorplatten<br />

gibt es sehr viel Ausschuss. Damit arbeite ich nun.<br />

Gibt es Firmen, für die Sie nicht arbeiten würden?<br />

Sicher, aber diese Namen behalte ich selbstverständlich für mich.<br />

Was ist die Basis Ihres Erfolgs?<br />

Meine Zuverlässigkeit und meine Persönlichkeit. Ich bin immer<br />

auf der Suche nach neuen Gedanken, und die hat nur, wer offen<br />

ist. Das predige ich meinen Leuten jeden Tag.<br />

Wie viele Leute beschäftigen Sie?<br />

Wir sind 25 bis 30 Leute, das wechselt.<br />

30 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

«Ich bin immer auf der Suche<br />

nach neuen Gedanken,<br />

und die hat nur, wer offen ist»:<br />

Patricia Urquiola.<br />

Je mehr Leute, desto mehr Aufträge?<br />

Das ist nicht so. Meine eigene Kapazität ist die Grenze. Ich muss<br />

das eigene Tempo und die eigenen Möglichkeiten im Auge behalten,<br />

wir können nicht mehr annehmen, als ich bewältigen kann.<br />

Und was machen Sie konkret?<br />

Ich bin in sämtliche Projekte involviert, sehr direkt, physisch, ich<br />

arbeite am Computer, ich modelliere und so weiter. Es ist nicht so,<br />

dass ich einen Auftrag fasse, nach Hause gehe und ihn dann umsetze.<br />

Alle Projekte sind Prozesse, bei denen vieles parallel läuft.<br />

Eine meiner wichtigsten Aufgaben hier ist, Ideen zu haben.<br />

Und die haben Sie immer?<br />

Ich habe Training. Ich arbeite seit vielen Jahren als Designerin,<br />

und hier ist es wie im Sport: Wenn man jeden Tag fünf Kilometer<br />

rennt, dann schafft man irgendwann den Marathon. Ich bin aufmerksam<br />

in Bezug auf ganz viel Verschiedenes wie alte Objekte,<br />

Kunst, Mode, Musik, Grafik, Musik – auf alles, was die Kultur<br />

ausmacht in der Welt, in der ich lebe.<br />

Haben Sie je Angst, irgendwann keine Ideen mehr zu haben?<br />

Oh nein, davor habe ich keine Angst. Ideen kommen aus mir<br />

heraus, darauf kann ich mich verlassen. Wenn schon Furcht, dann<br />

eher davor, dass meine Ideen nicht ankommen oder sich als falsch<br />

herausstellen. Aber auch diese Angst wird immer geringer.<br />

Ihr Erfolg – Glück oder Arbeit?<br />

Beides. Als Designerin Glaubwürdigkeit zu bekommen, ist Glück.<br />

Glück ist auch, wenn ein Kunde einem das Vertrauen ausspricht.<br />

Alles andere ist Arbeit, und ich bin immer bereit zu arbeiten.<br />

«Ganz Frau, dachte ich, für jemanden<br />

zu arbeiten, sei mehr als genug für mich.»<br />

Fotos: PR<br />

Wie lange brauchen Sie von der Idee bis zum grossen Wurf?<br />

Ich würde sagen, da arbeiten wir im Schnitt ein Jahr dran. Aber<br />

kein Projekt ist gleich. Die einen verändern sich von der Idee bis<br />

zum Produkt vollkommen. Andere sind am Ende, was sie schon<br />

am Anfang waren.<br />

Worauf sind Sie stolz?<br />

Nicht auf ein spezielles Projekt, sondern wenn ich zurückschaue<br />

und Dinge von mir sehe, die nicht unnütz sind.<br />

Was kostet es eigentlich, Sie zu engagieren?<br />

Das ist sehr unterschiedlich, in der Regel rechnen wir mit Lizenzgebühren.<br />

Aber darum kümmere ich mich nicht, das macht Alberto,<br />

mein Mann und der CEO hier.<br />

Sie leben und arbeiten zusammen?<br />

Ja, wir teilen sehr viele Sachen, gute und schlechte. Diesen Sommer<br />

sind wir umgezogen und haben nun Studio und Wohnen am<br />

gleichen Ort beisammen. Das macht mein Leben nochmals<br />

wesentlich einfacher.<br />

Wie sind die Aufgaben aufgeteilt?<br />

Mein Mann ist CEO und managt mein Studio. Ich sage immer,<br />

er ist der grosse Raum, in dem ich mich frei bewegen kann. Seine<br />

Aufgaben sind auf ihn zugeschnitten, aber keineswegs einfach.<br />

Wie oft müssen wir uns für ein Projekt entscheiden, ohne zu wissen,<br />

was am Ende herauskommt und ob wir überhaupt an ein<br />

Ende kommen!<br />

Ihre Kundenliste lässt mit Namen wie Alessi, Emu<br />

und B&B Italia mehr an einen Safe Haven denken als<br />

an ein risikobehaftetes Unternehmen.<br />

Wir haben tatsächlich einige sehr gute und vor allem langjährige<br />

Kontakte, was für einen Designer per se schon fabelhaft ist, da in<br />

diesem Geschäft meist alles sehr kurzlebig ist. Die Beziehungen<br />

mussten aber auch erst geformt werden. Beispiel B&B Italia: Das<br />

erste Design, das ich für sie machte, war Fat Fat, ein Zwischending<br />

zwischen Hocker und Tisch, eine Art Container. Die hatten zu mir<br />

gesagt, ich könne machen, was ich wolle, und ich wollte sehen, wie<br />

ernst es ihnen damit war. Mit Fat Fat schuf ich einen Kontrapunkt<br />

zu all der Eleganz der sonstigen Produkte. Das war eine bewusste<br />

Provokation. Mit Fat Fat testete ich sie quasi. Sie bestanden.<br />

Haben Sie so etwas wie eine Mission?<br />

Dieses Wort brauche ich nur, um Witze zu machen. Sonst habe ich<br />

es nicht in meinem Vokabular.<br />

Einen roten Faden?<br />

Schön, dass Sie nicht nach meinem Stil fragen! Denn Stil killt alles.<br />

Was sich bei mir durchzieht, ist meine Haltung, ich bin rigoros und<br />

höre nicht auf, bis etwas genau so ist, wie es sein soll. Das Herausfordernde<br />

daran: Ich weiss in der Regel am Anfang eines Projektes<br />

nicht, was herauskommen wird. Das Einzige, was ich einem Kunden<br />

garantiere, ist, dass ich mich um die Dinge kümmern werde.<br />

Und dann muss er Sie machen lassen?<br />

Genau. Meine Kunden müssen an mich glauben. Ich nehme nicht<br />

mehr als einen Kompass in die Hand mit der Richtungsvorgabe.<br />

Alles andere entsteht.<br />

•<br />

Moderne Klassiker<br />

von Patricia Urquiola<br />

Einige Kreationen sind<br />

zu Ikonen geworden<br />

und fanden den Weg ins<br />

Museum of Modern Art.<br />

1.<br />

Erst elf Jahre im Geschäft, hat Patricia Urquiola die Designwelt<br />

im Sturm erobert. Ihr Aufstieg fing an mit Fat Fat –<br />

Lady Fat (1), einem Beistelltisch mit Stauraum, lanciert<br />

2002, den sie für B&B Italia entwarf. Seither hat sie für B&B<br />

Italia unzählige Möbel designt und prägt das Image der Marke<br />

wesentlich mit. Die Outdoorlinien Crinoline, Ravel, Canasta<br />

und Husk stammen von ihr sowie auch Stubenmöbel wie die<br />

Sofas Bend, Tufty-Time und Tufty-Too. Urquiola arbeitet für<br />

unzählige namhafte Unternehmen und hat schon einige<br />

Ikonen geschaffen. Der H-förmige Armsessel Fjord, den sie im<br />

Jahr 2002 für das italienische Unternehmen Moroso designte,<br />

gehört bereits in die Kollektion<br />

des Museum of Modern<br />

2.<br />

Art in New York. Fjord ist<br />

typisch Urquiola: Er sieht<br />

aus wie eine Skulptur, ist<br />

aber urbequem. Urquiola ist<br />

vielseitig. Sie arbeitet auch<br />

mit Materialien wie Glas<br />

und Porzellan. Den Lampenklassiker<br />

Caboche (2)<br />

heckte sie für Foscarini aus.<br />

Für Rosenthal designte sie<br />

2008 ein Tafelkonzept aus Glas, Besteck und Accessoires, für<br />

Baccarat dieses Jahr eine Kollektion aus Gläsern und Vasen<br />

(3). Und im Mandarin Oriental Hotel (4) in Barcelona ist<br />

drinnen von oben bis unten alles Urquiola.<br />

3.<br />

4.<br />

3 // <strong>2012</strong> // <strong>BILANZ</strong>homes 31


kolumne // hans vontobel<br />

Mein Garten bedeutet<br />

mir sehr viel, er verbindet<br />

mich mit der<br />

Natur, und das gibt<br />

mir Energie und<br />

Lebensfreude. Ich liebe die Natur seit<br />

eh und je – und auch das Gärtnern. Als<br />

Gymnasiast hatte ich einen kleinen<br />

Schrebergarten, 200 Quadratmeter<br />

gross. Ich stand im Sommer jeden<br />

Morgen um fünf Uhr auf und ging dort-<br />

32 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

BANKIER.<br />

Hans Vontobel<br />

(95) prägte<br />

über Jahrzehnte<br />

die<br />

Bank Vontobel<br />

in Zürich.<br />

Heute ist er<br />

Präsident<br />

der Vontobel-<br />

Stiftung.<br />

«MeineWelt<br />

für mich»<br />

Sein Garten spende ihm Energie und<br />

Lebensfreude, sagt Hans Vontobel,<br />

Doyen der gleichnamigen Privatbank.<br />

hin, um zu arbeiten. In der Schule<br />

schlief ich dann ab und zu ein, und weil<br />

zudem meine Noten nicht die besten<br />

waren, bekam ich Schwierigkeiten:<br />

Mein Vater schaltete sich eines Tages<br />

ein, sprach ein Machtwort, und ich<br />

musste meinen Garten aufgeben.<br />

Viele Jahre später fing ich wieder<br />

damit an. Damals lebte und arbeitete<br />

ich in der Stadt, wollte aber aufs Land<br />

und begann zu suchen. Schliesslich<br />

fand ich eine Parzelle, etwas erhöht, am<br />

Zürichsee. Ich liess mir von meinem<br />

Freund Hasi Hubacher Baupläne für<br />

einen neuen Familienwohnsitz machen.<br />

Als sie fertig waren, zogen unsere Kinder<br />

aber gerade von zu Hause aus. Und<br />

weil meine Frau mit dem Ländlichen<br />

nie so verbunden war wie ich, sondern<br />

sich vielmehr für Kunst und Literatur<br />

interessierte und daher in der Stadt am<br />

richtigen Ort war, entstand auf dieser<br />

Parzelle schliesslich ein kleines Wochenendhäuschen<br />

mit einem grossen<br />

Garten. Es ist mein Refugium und dasjenige<br />

vieler Tiere: Es leben Füchse da,<br />

und in den Reisighaufen, die ich angelegt<br />

habe, nisten Igel. Auf den grossen<br />

alten Bäumen entdecke ich auch immer<br />

mal wieder einen Raubvogel.<br />

Meine Inspirationsquelle. Das ist mein<br />

Stück Natur, meine Welt für mich. Hier<br />

finde ich meine Zufriedenheit und kann<br />

über die Dinge nachdenken. Hier verbringe<br />

ich viel Zeit, wenn ich nicht<br />

arbeite. Mein Garten inspiriert mich.<br />

Ich lese viel Gartenliteratur, und wenn<br />

ich darin etwas Spannendes entdecke,<br />

probiere ich es aus. Ich setze zum<br />

Beispiel Kapuzinerkressesamen rund<br />

um die Stangenbohnen, das verscheucht<br />

die Blattläuse.<br />

Anderes, was ich ausprobiere, klappt<br />

nicht. Ich habe viel über Schmetterlingsgärten<br />

gelesen und versuche seit<br />

drei Jahren, aus meinem Garten ebenfalls<br />

einen Schmetterlingsgarten zu<br />

machen. Bislang mit wenig Erfolg. Aber<br />

ich gebe noch nicht auf, probiere weiter.<br />

Das entspricht meinem Naturell, ich<br />

bin ein neugieriger Mensch, einer, der<br />

sehr gern und immer wieder Dinge zum<br />

ersten Mal tut.<br />

Mit der Natur zu arbeiten, ist das<br />

eine. Mit ihr zu wachsen, etwas anderes.<br />

Vielen Menschen fehlt heute der<br />

Bezug zur Natur. Dabei ist er so wichtig.<br />

Zum Beispiel, weil man von der Natur<br />

auf seine Grenzen aufmerksam gemacht<br />

wird. Ich habe kürzlich ein Buch gesehen<br />

mit Bildern der Alpen, wie sie vor<br />

fünf Millionen Jahren ausgesehen<br />

haben könnten. Und ich frage mich: Wo<br />

ist da der Hans Vontobel? Solche Gedanken<br />

helfen in einer Welt, in der man dazu<br />

tendiert, sich hier und da allzu sehr in<br />

den Mittelpunkt zu stellen.»<br />

•<br />

AUFGEZEICHNET VON<br />

IRIS KUHN-SPOGAT<br />

Foto: Vera Hartmann / 13 Photo


34 <strong>BILANZ</strong>homes // 3 // <strong>2012</strong><br />

Immobilienpräsentationen<br />

Schweiz<br />

Kanton Aargau (4 Angebote),<br />

Appenzell Ausserrhoden (1), Bern (3),<br />

Fribourg (2), Graubünden (5),<br />

Luzern (3), Schwyz (5), Solothurn(1),<br />

St. Gallen (4), Tessin (1), Thurgau (1),<br />

Wallis (1), Zug (1), Zürich (21)<br />

Renommierte Immobilienfirmen<br />

zeigen ihre Top-Angebote.<br />

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