ig_2-2017
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LEBEN [ PFLEGE ]<br />
Auswirkungen auf die stationäre Pflege<br />
Im Gespräch mit Christian Grösche, dem Residenzleiter der Göttinger Pro Seniore<br />
Residenz Posthof, und Residenzberater Markus Conrady<br />
Herr, Grösche, Herr Conrady, ich<br />
nehme an, das letzte Jahr stand auch<br />
in Ihrem Haus ganz im Zeichen des<br />
Pflegestärkungsgesetzes II?<br />
Grösche (G): Die Umsetzung des<br />
Pflegestärkungsgesetzes II war in der<br />
Tat mit einer der größten Umstellungen<br />
verbunden, die wir je durchgeführt<br />
haben, und hat entsprechend viel<br />
Zeit in Anspruch genommen. Aber wir<br />
haben rechtzeit<strong>ig</strong> alle Vorbereitungen<br />
eingeleitet, so dass die Umgruppierung<br />
unserer Bewohnerinnen und<br />
Bewohner von einer Pflegestufe in<br />
einen Pflegegrad e<strong>ig</strong>entlich problemlos<br />
verlief.<br />
Wie lief der Prozess ab?<br />
Conrady (C): Größere Komplikationen<br />
gab es nicht. Da sich insbesondere<br />
bei größeren Pflegekassen die Arbeit<br />
phasenweise natürlich stapelte, dauerte<br />
es aber manchmal ein<strong>ig</strong>e Wochen,<br />
bis wir unsere Leistungen nach der<br />
Umstellung wieder mit den Kassen<br />
abrechnen konnten. Denn auch die<br />
Leistungsbescheide wurden verzögert<br />
versendet. Wir haben diese Situation<br />
unseren Bewohnern und Angehör<strong>ig</strong>en<br />
erklärt. Dafür gab es Verständnis.<br />
Wie ging die e<strong>ig</strong>entliche Umgruppierung<br />
vonstatten?<br />
G: Grundsätzlich erfolgten die Umgruppierungen<br />
durch die Pflegekassen<br />
nach Aktenlage. Es wurde also<br />
nicht jeder Bewohner noch einmal<br />
durch den Medizinischen Dienst der<br />
Krankenkassen begutachtet. Das wäre<br />
personell für die Pflegekassen beziehungsweise<br />
den Medizinischen Dienst<br />
der Krankenkassen ja auch gar nicht<br />
möglich gewesen.<br />
Bei vielen Bewohnern wurde im Rahmen<br />
des Prozesses geprüft, ob aufgrund<br />
kognitiver Einschränkungen eine eingeschränkte<br />
Alltagskompetenz mit in die<br />
Umgruppierung einfließen konnte. In<br />
diesem Fall galt nicht die vorgesehene,<br />
automatische Umgruppierung von zum<br />
Beispiel Pflegestufe 2 in Pflegegrad 3,<br />
sondern stattdessen eine Umgruppierung<br />
von etwa Pflegestufe 2 in Pflegegrad 4.<br />
Das ist daher ein positiver Aspekt, weil<br />
uns für diese Bewohner jetzt mehr Zeit<br />
zur Verfügung steht.<br />
Christian Grösche (r.), Markus Conrady<br />
Foto:Kreide<br />
Sehen Sie auch negative Aspekte des<br />
Pflegestärkungsgesetzes II?<br />
G: In den unteren Pflegegraden gibt es<br />
im stationären Bereich wen<strong>ig</strong>er Leistungen<br />
der Pflegekassen. Versicherte,<br />
die seit diesem Jahr neu zu uns kommen<br />
und zum Beispiel in Pflegegrad<br />
zwei eingruppiert werden, erhalten fast<br />
300 Euro wen<strong>ig</strong>er pro Monat als diejen<strong>ig</strong>en,<br />
die noch im letzten Jahr in Pflegestufe<br />
1, die ja dem neuen Pflegegrad<br />
2 entspricht, waren.<br />
C: Wir hatten Ende letzten Jahres ein<strong>ig</strong>e<br />
Anfragen von Interessierten mit<br />
niedr<strong>ig</strong>en Pflegegraden, die sich dieser<br />
Problematik bewusst waren und daher<br />
lieber noch im Dezember, also unter<br />
dem alten System, bei uns einziehen<br />
wollten. Denn für die, die bereits vor<br />
dem 1. Januar eine Pflegestufe hatten,<br />
gilt ja ein Bestandsschutz, sodass sie<br />
durch die Umstellung finanziell nicht<br />
schlechter gestellt wurden.<br />
G: Unter dem alten System stieg<br />
mit jeder Erhöhung der Pflegestufe<br />
der E<strong>ig</strong>enanteil eines Bewohners, so<br />
sodass Bewohner mit einer höheren<br />
Pflegestufe beim E<strong>ig</strong>enanteil eine<br />
höhere Zuzahlung leisten mussten.<br />
Seit diesem Jahr gibt es nun den sogenannten<br />
„einrichtungseinheitlichen<br />
E<strong>ig</strong>enanteil“. Er sorgt dafür, dass alle<br />
Bewohner in einer bestimmten Einrichtung,<br />
unabhäng<strong>ig</strong> davon, welchen<br />
Pflegegrad sie haben, den gleichen<br />
Betrag dazu zahlen. Durch den neuen<br />
einheitlichen Anteil kommt es auch<br />
wieder in den unteren Pflegegraden<br />
zu einer höheren Zuzahlung. Was also<br />
ein großer Vorteil für Bewohner mit<br />
hohen Pflegegraden ist, ist eben ein<br />
Nachteil für Menschen mit niedr<strong>ig</strong>en<br />
Pflegegraden. Selbstverständlich gab<br />
es auch hier den Bestandsschutz für<br />
Bewohner, die bereits vor <strong>2017</strong> eine<br />
Pflegestufe hatten.<br />
Die von Ihnen angesprochenen finanziellen<br />
Verschiebungen sind seitens<br />
des Gesetzgebers ja durchaus<br />
gewollt. Den geringeren Leistungen<br />
für Menschen mit niedr<strong>ig</strong>em Pflegegrad<br />
im stationären Bereich steht<br />
eine Verbesserung für Menschen<br />
gegenüber, die ambulant gepflegt<br />
werden.<br />
G: In der Tat sollen Menschen mit<br />
niedr<strong>ig</strong>en Pflegegraden mit der Umstellung<br />
ambulant besser gestellt werden.<br />
Der Gesetzgeber folgt hier dem<br />
Grundsatz „ambulant vor stationär“<br />
und möchte den Anreiz erhöhen, trotz<br />
einer Pflegebedürft<strong>ig</strong>keit zu Hause<br />
wohnen zu bleiben. Natürlich können<br />
Menschen mit niedr<strong>ig</strong>en Pflegegraden<br />
oft auch in den e<strong>ig</strong>enen vier Wänden<br />
versorgt werden. Ein<strong>ig</strong>e möchten<br />
aber auch bewusst in eine stationäre<br />
Einrichtung ziehen. Häuf<strong>ig</strong> spielt das<br />
Erleben von Gemeinschaft und viele<br />
soziale Kontakte eine große Rolle<br />
für den Einzug und stellt eine enorme<br />
Lebensqualität dar, die zuhause häuf<strong>ig</strong><br />
nicht mehr gegeben ist. Diesen Aspekt<br />
sehe ich bei der gesetzgeberischen Intention<br />
gefährdet. Noch ist allerdings<br />
nichts von einer Veränderung der Bewohnerstruktur<br />
zu sehen. Wir haben<br />
nach wie vor viele Anfragen von Interessenten<br />
– auch mit niedr<strong>ig</strong>en Pflegegraden.<br />
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