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COMPACT Spezial 14 "Verrat am Wähler"

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<strong>COMPACT</strong><strong>Spezial</strong><br />

_ CSU<br />

diesem Punkt nachgibt. Dennoch sagte ein CSU-<br />

Vorstandsmitglied nach dem Unionsgipfel der beiden:<br />

«Zwischen Merkel und Seehofer passt kein<br />

Blatt mehr.»<br />

Diese Mischung aus vollmundigen Forderungen<br />

und stillem Einlenken erinnert an den Januar 20<strong>14</strong>.<br />

Mit den Worten «Wer betrügt, fliegt» verlangte die<br />

CSU auf ihrer traditionellen Klausurtagung in Wildbad<br />

Kreuth Härte gegen die d<strong>am</strong>als schon massiv<br />

zunehmende Masseneinwanderung. Konkret ging<br />

es um Wiedereinreisesperren bei Sozialbetrug und<br />

die Streichung von Kindergeld für Ausländer in den<br />

ersten drei Monaten ihres Aufenthalts. Der Mainstre<strong>am</strong><br />

von Bionade-Bourgeoisie bis hin zur Multikulti-CDU<br />

kreischte vor Entsetzen. Im Kabinett konnten<br />

sich die Christsozialen d<strong>am</strong>als mit keiner ihrer<br />

Forderungen durchsetzen. Und auch in Bayern fliegt<br />

bis heute kaum ein Scheinasylant raus.<br />

König von Bayern<br />

Seit 2008 ist Horst Seehofer Ministerpräsident<br />

des Freistaates – und daran dürfte sich so schnell<br />

nichts ändern. Ein ursprünglich angekündigter Rückzug<br />

ist vom Tisch – er bleibt CSU-Chef und wird<br />

auch zur Landtagswahl 2018 als Spitzenkandidat<br />

ins Rennen gehen. Seine einstige Kronprinzessin<br />

Ilse Aigner ließ er 20<strong>14</strong> abblitzen, als sie die Energiewende<br />

auf Pump finanzieren wollte. Auch seinen<br />

Finanzminister Markus Söder will Seehofer partout<br />

nicht als Nachfolger, beide verbindet eine offene<br />

Feindschaft. Er wisse, dass dessen Ehefrau «Riesiges<br />

aushalten» müsse, giftete der Ministerpräsident<br />

zu Söders 50. Geburtstag im Januar 2017.<br />

Einzig Innenminister Joachim Herrmann hätte sich<br />

wohl zum potentiellen Königsmörder aufschwingen<br />

können – doch Seehofer lancierte ihn auf die<br />

Bundestagsliste. In Berlin gilt er als aussichtsreicher<br />

Nachfolger von Bundesinnenminister Thomas<br />

de Maizière, den Merkel während des Höhepunkts<br />

der Asylkatastrophe praktisch entmachtet hat.<br />

Seehofer ist der König von Bayern. Im Freistaat<br />

herrscht zwar nicht der demokratische Sozialismus,<br />

sondern der demokratische Monarchismus, aber die<br />

Staatspartei kann man auch als KPcSU buchstabieren.<br />

Zwar schwächelte diese zwischenzeitlich und<br />

fiel bei der Wahl 2008 unter die absolute Mehrheit,<br />

aber unter König Horst ging im September 2013<br />

wieder alles glatt. 2017 verheißen ihm die Sonntagsumfragen<br />

eine erneute Alleinregierung nach<br />

der nächsten Landtagswahl – die SPD käme derweil<br />

auf gerade einmal <strong>14</strong> Prozent.<br />

Nun steht Seehofer im Zenit seiner Macht, in einer<br />

Reihe mit den ganz Großen der Parteigeschichte,<br />

mit Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber. Der erste<br />

machte aus dem Agrarland eine Rüstungsschmiede<br />

und trieb Helmut Kohl vor sich her. Dem zweiten<br />

gelang «mit Laptop und Lederhose» der Hightech-<br />

Durchbruch. Und er war 2002 der letzte in der Union,<br />

der Angela Merkel von der Macht fernhalten konnte.<br />

Auf den ersten Blick sind die Unterschiede zwischen<br />

den Dreien beträchtlich: Strauß war ein Volkstribun,<br />

der im Duktus eines Catilina gegen die «Ratten<br />

und Schmeissfliegen» der Linken wetterte und<br />

promillegeschwängerte Bierzelte mit Lateinzitaten<br />

und Blasmusik zur Raserei bringen konnte. Stoiber<br />

hingegen war alles andere als ein Redner. Legendär<br />

waren vielmehr seine Verhaspler – Harald<br />

Schmidt zehrte jahrelang davon. Seine Macht verdankte<br />

Stoiber nicht Rhetorik und Charisma, sondern<br />

weitgespannten Amigo-Netzwerken. Dass die Sozis<br />

immer gegen diese Vettern-Wirtschaft wetterten,<br />

hat ihnen wenig genützt – denn diese Seilschaften<br />

steckten sich nicht in erster Linie selbst die Taschen<br />

voll, sondern arbeiteten zum Nutzen des Landes.<br />

Münchner Seismograf<br />

Seehofers Thron steht fest. Er zieht die Menschen<br />

als gütiger Landesvater in seinen Bann. Sein<br />

Nachteil gereicht ihm gleichzeitig zum Vorteil: Seine<br />

politischen Visionen sind vage. Er führt das Volk<br />

nicht, sondern er wird von ihm geführt. Er ist nicht<br />

Steuermann, sondern Seismograf. «Drehhofer» spottet<br />

die Opposition, aber d<strong>am</strong>it kommen sie gerade<br />

nicht gegen ihn an. Dass er Stimmungen aufgreift<br />

und seine Segel in den Wind dreht – legendäres<br />

Beispiel: Studiengebühren – gereicht ihm nämlich<br />

zum Vorteil, genauso wie bei Angela Merkel, die auf<br />

den ersten Blick ähnlich windschnittig auf den Mei-<br />

<strong>COMPACT</strong> 2/20<strong>14</strong>. Foto: <strong>COMPACT</strong><br />

«Drehhofer» spottete<br />

die Opposition.<br />

Horst Seehofer und Ilse Aigner 2017<br />

beim Nockherberg-Singspiel. Vorsicht:<br />

Zu sehen sind die Politiker mit<br />

ihren Darstellern Christoph Zrenner<br />

und Angela Ascher. Foto: picture<br />

alliance / Tobias Hase/dpa<br />

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