einigkeit 02/2017
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Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten | Ausgabe 2-<strong>2017</strong> | www.ngg.net<br />
<strong>einigkeit</strong><br />
Das Magazin der NGG<br />
Arbeit der Zukunft:<br />
zwischen Tradition<br />
und Technik
<strong>einigkeit</strong>*<br />
*ist Solidarität!<br />
Claus-Harald Güster,<br />
Stellvertretender NGG-Vorsitzender
EDITORIAL<br />
Zukunft gestalten<br />
Foto: NGG<br />
Wie stellen wir sie uns vor, die Arbeit der Zukunft? Denken wir an<br />
menschenleere Produktionsstätten, in denen nur Maschinen miteinander<br />
kommunizieren? Nein, die Digitalisierung ist kein Schicksal.<br />
NGG hat eine andere Vorstellung. Gemeinsam wollen wir die fortschreitende<br />
Digitalisierung, die als „Arbeit 4.0“ in unserem Land<br />
diskutiert wird, konstruktiv mitgestalten. Das geht nur mit unserer<br />
NGG, die sich kraftvoll für die Belange der Arbeitnehmerinnen und<br />
Arbeitnehmer einsetzt, und nur mit betrieblicher Mitbestimmung,<br />
die dafür Sorge trägt, dass alle gleichermaßen vom technischen<br />
Fortschritt profitieren. In unserer Titelgeschichte ab Seite 6<br />
zeigen wir am Beispiel der Brauerei Paulaner und der Unilever-Zentrale,<br />
welche Auswirkungen die Automatisierung bereits heute hat<br />
und wie durch gezielte Aus- und Weiterbildung die Arbeit der Zukunft<br />
mitgestaltet werden kann.<br />
Auch bei den Großen der Brot- und Backwarenindustrie ist<br />
die Digitalisierung längst Realität. Am Beispiel des Marktführers Harry-Brot<br />
beleuchten wir ab Seite 22 eine Branche, in der jeder ins<br />
Hintertreffen gerät, der nicht in neue Technologien investiert.<br />
Einen wichtigen Dialog aller Akteure in der Ernährungswirtschaft<br />
konnte die NGG mit der ersten Lebensmittelpolitischen Konferenz<br />
in Berlin anstoßen. Wir berichten auf Seite 15.<br />
Auch im digitalen Zeitalter schreibt immer noch der Mensch die<br />
Geschichte und die Geschichten. Deshalb stehen auch in dieser<br />
Ausgabe der „<strong>einigkeit</strong>“ diejenigen im Vordergrund, die unsere NGG<br />
ausmachen – die Mitglieder, Betriebsräte und Ehrenamtlichen.<br />
Informative und anregende Lektüre wünscht<br />
Claus-Harald Güster<br />
Stellvertretender NGG-Vorsitzender<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
3
INHALT<br />
6 18<br />
Titelthema Arbeit der Zukunft: Manchmal erkennen sie ihren Beruf<br />
kaum wieder − in der vollautomatisierten Brauerei Paulaner greifen<br />
die Brauer nur noch bei Störungen in die Produktion ein<br />
Giesela Dost wechselte aus der<br />
Fleischerei zur „Brotmeisterei<br />
Steinecke“ und betreibt heute<br />
als Betriebsrätin erfolgreiche<br />
Überzeugungsarbeit<br />
FOKUS | Politik<br />
6 Digitale Arbeit<br />
Wo stehen wir, wenn die Automatisierung<br />
voranschreitet? Um die<br />
Zukunft der Arbeit mitzugestalten,<br />
braucht es Mitbestimmung und<br />
Qualifizierung<br />
11 Panik ist nicht angesagt<br />
NGG-Vize Guido Zeitler und<br />
Melanie Frerichs, Expertin in Sachen<br />
„Industrie 4.0“, im Interview<br />
BRANCHE<br />
22 Brot wird am Computer gebacken<br />
Die Deutschen lieben täglich<br />
frisches Brot. Doch in der Branche<br />
tobt der Verdrängungswettbewerb<br />
Menschen<br />
12 Das perfekte Team<br />
Beim Berliner Caterer PACE<br />
gehört zu einer guten JAV ein<br />
guter Betriebsrat!<br />
13 Service 24/7<br />
Als Leiterin des In-Room-Dining<br />
im Hamburger Nobelhotel „Vier<br />
Jahreszeiten“ kennt sich Maren<br />
Boddien mit den Eigenarten ihrer<br />
Gäste aus<br />
18 Porträt<br />
Die eigene Überzeugung weitergeben:<br />
Giesela Dost ist Betriebsrätin<br />
bei der „Brotmeisterei Steinecke“<br />
26 Jubilare<br />
Wir gratulieren!<br />
NGG AKTIV<br />
15 Lebensmittelpolitische Konferenz<br />
NGG will Dialog auf Augenhöhe<br />
16 Internationales<br />
Europa ist ein Gewinn: Wie viele<br />
deutsche Unternehmen setzen<br />
auch die Münsterländischen<br />
Margarine-Werke auf den Export<br />
28 Gleichstellung<br />
Mitreden von Arbeitszeit bis Lohnlücke:<br />
Suzann Dräther macht den<br />
Frauen Mut, sich zu beteiligen<br />
4<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
IN DIESER AUSGABE<br />
15<br />
Flexitarier oder Veganer: Spannende<br />
Food-Trends präsentierte<br />
Hanni Rützler auf der Lebensmittelpolitischen<br />
Konferenz der<br />
NGG in Berlin<br />
22<br />
„Wie geschnitten Brot“ und fast<br />
von ganz allein: Beim Marktführer<br />
Harry-Brot läuft alles digital,<br />
rund um die Uhr, an sieben<br />
Tagen in der Woche<br />
30<br />
„Großes entsteht hier im Saarland<br />
eben immer im Kleinen!“<br />
Das Team der NGG-Region Saar<br />
setzt sich ein − manchmal auch<br />
mit unkonventionellen Aktionen<br />
KOPF & BAUCH<br />
20 Frische Rezepte für gute Arbeit<br />
Genießer-Rezepte<br />
zum Nachkochen<br />
21 Einigkeit ist ...<br />
… wenn aus vielen Stimmen eine<br />
Melodie wird. Zu Besuch in der<br />
Sängerstadt Finsterwalde beim<br />
Männerchor „Einigkeit“ e.V.<br />
32 Der Vorleser<br />
Buch-Tipp: Sommerlektüre, empfohlen<br />
von der NGG-Region Saar<br />
NGG VOR ORT<br />
29 Neuer Mann an der Spitze<br />
„Wir müssen vor allem die jungen<br />
Menschen begeistern“. Ende März<br />
wurde Guido Zeitler zum neuen<br />
stellvertretenden NGG-Vorsitzenden<br />
gewählt<br />
30 NGG-Regionen vorgestellt<br />
Vom „Grillen für Kohle“ und anderen<br />
guten Ideen: Mark Baumeister,<br />
Geschäftsführer der NGG-Region<br />
Saar, und seine Kolleginnen sind<br />
mit ihren Aktionen auf Erfolgskurs<br />
KURZ NOTIERT<br />
33 Meldungen<br />
34 Nachlese und Ausblick<br />
35 Solidaritätsfonds<br />
35 Impressum<br />
„<strong>einigkeit</strong>“ im Netz<br />
Das Magazin der NGG digital lesen, als App und im Web.<br />
Hier gibt es weitere interessante Features: Bildergalerien,<br />
Videos und weiterführende Berichte.<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
5
Oben: Früher war das Berufsbild des Brauers von manuellen Tätigkeiten geprägt. Heute<br />
sitzen die Brauer bei Paulaner wie in einem Cockpit vor Computern und überwachen<br />
Temperaturen, Druck und Mengen. Alle Stationen des Bieres werden zentral gesteuert.<br />
Unten links: Ohne Computer läuft heute bei Paulaner keine Abfüllanlage mehr.<br />
Die Arbeit ist körperlich leichter, aber komplexer geworden.<br />
Unten rechts: Der elektronische Verladeauftrag kommt direkt im Display im Stapler an.<br />
6 <strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
Digitale Arbeit<br />
muss gute Arbeit sein<br />
Die vierte industrielle Revolution, das Internet der Dinge, Industrie 4.0, Smart Factory<br />
– neue Begriffe, neue Prozesse, neue Arbeitsrealitäten. Wo bleibt die Perspektive der Beschäftigten?<br />
Wo ist es möglich, durch betriebliche Mitbestimmung die Einführung neuer<br />
Technologien und Prozesse mitzugestalten? Klar ist: Weiterbildung und Qualifizierung sind<br />
die Schlüssel für gewerkschaftliche Interventionen in die Arbeitswelt der Zukunft.<br />
Kontrolle wächst<br />
Fokus | Politik<br />
Durch die Digitalisierung ist die<br />
Überwachung und Kontrolle Ihrer<br />
Arbeitsleistung…<br />
Fotos: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Die „<strong>einigkeit</strong>“ war vor Ort: In der Brauerei<br />
Paulaner in München sind mit Planungstools,<br />
ferngesteuerten Ventilen und lasergesteuerten<br />
Fahrzeugen ohne Fahrer viele<br />
Jobs anspruchsvoller geworden – aber auch<br />
eintöniger. Auch in der Hauptverwaltung von<br />
Unilever in Hamburg sind viele Prozesse digitalisiert.<br />
Von der Buchhaltung bis zum<br />
Marketing – die Bürojobs haben sich stark<br />
verändert. Und dadurch auch die Herausforderungen<br />
für den Betriebsrat.<br />
Brauen mit Kollege Computer<br />
Hunderte Rohre durchziehen die Hallen. Es<br />
sind so viele, dass kaum zu erkennen ist, wo<br />
sie münden und wo sie hinführen. Dazwischen<br />
riesige Tanks, unzählige Schalter und<br />
Apparaturen. Der Lagerkeller der Paulaner<br />
Brauerei ist voll. Jeder Meter scheint hier genutzt.<br />
Hier gärt und reift das Paulaner Bier,<br />
bevor es abgefüllt wird. Aber Brauer, die den<br />
Prozess überwachen, sieht man hier selten.<br />
Man muss über die Rohrbrücke laufen, die<br />
an den Produktionshallen vorbei führt, und<br />
einem langen Gang um eine Kurve folgen.<br />
Dann gelangt man ins Sudhaus, wo sich<br />
Sudgefäße aus Edelstahl aneinanderreihen<br />
und die Lufttemperatur schlagartig auf bestimmt<br />
50 Grad ansteigt. Dort ist im Nebenraum<br />
eine Art Cockpit zu sehen, ein gläserner<br />
Kasten mit Computern darin. Menschen<br />
blicken konzentriert auf Bildschirme.<br />
Es sind Brauer. Alles gelernte Facharbeiter.<br />
Früher sind sie gelegentlich in Gummistiefeln<br />
durch die Brauerei gelaufen und haben<br />
beispielsweise Schlauchverbindungen von<br />
Hand gelegt, wenn Bier vom Gär- in den Lagertank<br />
gepumpt wurde. Die Temperaturen<br />
in den Tanks haben sie von einem Thermometer<br />
abgelesen und in Listen eingetragen.<br />
Heute hat jeder der Brauer von Paulaner in<br />
München mehrere Bildschirme vor sich.<br />
Über diese schieben sich Zahlenreihen und<br />
Grafiken, auf einem sind die Sudgefäße grafisch<br />
nachgebildet. Durch die Brauerei laufen<br />
müssen sie deutlich seltener als früher,<br />
nur wenn beispielsweise Proben genommen<br />
werden müssen.<br />
Die Computer zeigen Parameter an, die zum<br />
Brauen benötigt werden: Temperaturen,<br />
Druck und Mengen. Gibt es eine Störung,<br />
alarmieren die Computer die Brauer, die<br />
dann eingreifen. Auch die nachfolgenden<br />
Abteilungen wie Gär- und Lagerkeller, Filtration<br />
und Drucktankkeller werden von der<br />
zentralen Schaltwarte aus gesteuert.<br />
Berufsbilder ändern sich rasant<br />
„Alles ist standardisiert und automatisiert.<br />
Wir überwachen nur noch – und greifen ein,<br />
wenn es irgendwo eine Störung gibt“, sagt<br />
Robert Schwarz. Er ist einer der Brauer, die<br />
hier im Drei-Schicht-System arbeiten. Seit<br />
1982 ist er schon Brauer. Er sagt, dass er<br />
seinen Beruf kaum noch wiedererkennt.<br />
Die Digitalisierung dauerte einige Jahre. Die<br />
Zeit, in der Brauer ein Beruf war, der schwere<br />
körperliche Arbeit verlangte, ist lange vorbei.<br />
Bei Paulaner hat die Technisierung aber<br />
vor zwei Jahren noch einmal zusätzliche Dynamik<br />
bekommen. Da ist das Werk umgezogen,<br />
vom Nockherberg in der Münchner Au<br />
auf die grüne Wiese in den Stadtteil Langwied.<br />
Die Brauerei wurde ganz neu konzipiert<br />
und gebaut – und auf technisch höchstem<br />
Standard in Betrieb genommen.<br />
Heute sind die Abläufe von der Malzannahme<br />
bis zur Logistik eng durchgetaktet. Vertrieb,<br />
Herstellung, Abfüllung und Logistik<br />
... eher geringer geworden<br />
... gleich geblieben<br />
... eher größer geworden<br />
Industrie 4.0 in der<br />
Ernährungsindustrie<br />
Die Bedeutung von Industrie 4.0 ist<br />
in der Ernährungsindustrie unklar<br />
bis unbekannt, da die Besonderheiten<br />
bisher kaum analysiert wurden.<br />
Bei einem hohen Automatisierungsgrad<br />
stellt sich aber die Frage, ob es<br />
sich um normale Automatisierungssprünge<br />
handelt oder um Ansätze<br />
von Industrie 4.0.<br />
Eine Publikation der Hans-Böckler-<br />
Stiftung und der NGG zeigt erste<br />
Ausprägungen. In sechs Betrieben<br />
wurden Interviews mit Betriebsräten<br />
und Arbeitgebern geführt.<br />
Download: www.ngg.net/Arbeiten40<br />
Quelle: DGB-Index Gute Arbeit 2016<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
7
Fotos: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Wie von Geisterhand: 50.000 Flaschen werden pro Stunde gereinigt, befüllt, verschlossen und etikettiert.<br />
Betriebsratsvorsitzender Hubert Jäger und<br />
Auszubildende Eva Seisenberger: Viele Jobs<br />
sind durch die Digitalisierung aufgewertet<br />
worden, können aber auch monotoner sein.<br />
sind über ein Planungstool miteinander<br />
vernetzt. Paulaner produziert über 20 verschiedene<br />
Getränke, neben Hellbier und Hefeweizen<br />
auch Biermischgetränke und alkoholfreie<br />
Getränke wie zum Beispiel Spezi.<br />
Wie viele Hektoliter von welchem Produkt an<br />
welchem Tage und auf welcher Anlage abgefüllt<br />
werden, wird abhängig von den Bestellungen<br />
der Kunden und den Voraussagen<br />
der Mitarbeiter im Vertrieb geplant. Mit diesen<br />
Daten steuern die Planer dann die Produktion.<br />
Sie entscheiden, wie<br />
viele Stunden am Tag sie ein<br />
Produkt herstellen und in welchen<br />
Gebinden das fertig gelagerte<br />
Bier abgefüllt wird. Die<br />
Brauer arbeiten Hand in Hand<br />
mit dem Kollegen Computer.<br />
beiten. Heute, sagt Hubert Jäger, „sind viele<br />
mit dem neuen Job sehr zufrieden. Gerade<br />
die Älteren, weil die Arbeit körperlich weniger<br />
belastend ist.“ Für manche der jüngeren<br />
Kollegen hingegen ist gerade das zum Problem<br />
geworden.<br />
Ende des klassischen Staplers<br />
Ist das Bier fertig und der Job der Brauer im<br />
Cockpit erledigt, geht der Prozess in der Abfüllhalle<br />
weiter. Dort steht Kathi Pitschulti<br />
mit einem Besen und kehrt Scherben zusammen.<br />
„Schlechtes Leergut heute“, ruft<br />
sie gegen den Lärm an, der die Halle füllt.<br />
„Geht viel kaputt“. Sie tritt an einen Monitor,<br />
der die durchlaufenden Flaschen automatisch<br />
zählt, und gibt etwas ein. In dieser Halle<br />
werden die Getränke in Flaschen, Dosen<br />
oder Fässer abgefüllt. Lange, verschlängelte<br />
Förderlinien transportieren Flaschen von einer<br />
Maschine zu nächsten, wo sie gereinigt,<br />
befüllt, verschlossen und etikettiert werden:<br />
50.000 Flaschen pro Stunde. Die Abläufe an<br />
den Abfüllanlagen unterscheiden sich nicht<br />
wesentlich von anderen Betrieben – mit einer<br />
Ausnahme: Die fertigen Biere auf Paletten<br />
am Ende der Abfülllinie übernimmt ein<br />
lasergesteuertes, unbemanntes Fahrzeug,<br />
das die Paletten langsam über einen 14 Meter<br />
breiten Korridor zu einer Übergabestation<br />
Richtung Vollgutlager transportiert.<br />
Dann kommen wieder Menschen ins Spiel:<br />
Gabelstaplerfahrer lagern die Paletten zunächst<br />
in der Vollguthalle ein. Für die Beladung<br />
der LKW und Container erhalten sie<br />
8<br />
Niemand bleibt<br />
auf der Strecke<br />
Vielen Kollegen hat die Digitalisierung<br />
zunächst Angst gemacht,<br />
erzählt Hubert Jäger,<br />
der Vorsitzende des Betriebsrates.<br />
Vor allem ältere Kollegen<br />
hätten Sorge gehabt, dass sie<br />
den neuen, technischen Voraussetzungen<br />
nicht gewachsen<br />
sind. Der Betriebsrat hatte<br />
mit dem Arbeitgeber aber vereinbart,<br />
dass niemand auf der<br />
Strecke bleiben würde. Alle<br />
Kollegen bekamen Schulungen,<br />
um sich in die neuen Programme<br />
und Systeme einzuar<strong>einigkeit</strong><br />
2-<strong>2017</strong>
FOKUS | POLITIK<br />
Mensch und Maschine: Zwei tun das Gleiche − noch, lasergesteuerten Farzeugen gehört die Zukunft.<br />
ihren elektronischen Verladeauftrag dann<br />
direkt ins Display im Stapler. Insgesamt sind<br />
in der neuen Brauerei ungefähr genauso viele<br />
Mitarbeiter tätig, wie am alten Standort.<br />
Kathi ist erst seit 2012 fertige Brauerin. Sie<br />
hat ihre Ausbildung bei Paulaner im alten<br />
Werk am Nockherberg abgeschlossen. Es<br />
hatte ihr gut gefallen. Die Brauerei gilt als guter<br />
Arbeitgeber, und die Mischung aus körperlicher<br />
Arbeit und geistiger Herausforderung<br />
war ganz nach Kathis Geschmack. In<br />
der Ausbildung hatte sie deshalb noch gedacht,<br />
dass sie bis zur Rente bei Paulaner<br />
arbeiten würde. Heute glaubt sie nicht mehr,<br />
dass sie noch lange bleibt. Zumindest nicht<br />
in der Abfüllung. Scherben wegkehren ist da<br />
noch eine der größeren Aktivitäten. Das<br />
reicht ihr nicht.<br />
Komplex − und monoton?<br />
Kontrolle, Überwachung, Einschreiten nur<br />
bei Alarm − Monotonie ist ein Begriff, der in<br />
Zusammenhang mit Industrie 4.0 oft fällt.<br />
Auch Kathis Brauerkollege Robert würde<br />
sich wünschen, wieder mehr in die Prozesse<br />
eingreifen zu können. „Mein Fachwissen ist<br />
nur noch gefragt, wenn etwas schief geht,“<br />
sagt er. Auf der anderen Seite gibt es aber<br />
auch viele Jobs, die durch die Digitalisierung<br />
erleichtert und aufgewertet wurden. Das betont<br />
der Betriebsratsvorsitzende Hubert Jäger:<br />
„Viele Arbeiten sind nicht nur körperlich<br />
einfacher, sondern auch anspruchsvoller<br />
geworden.“ Früher hätten die Facharbeiter<br />
an vielen Maschinen nur mechanische<br />
Knöpfe gedrückt. Heute bedienen sie komplexe<br />
Terminals. Außerdem tragen sie Verantwortung<br />
für die Maschine. Dass sie zudem<br />
weniger schwer heben müssen, hat<br />
nicht nur dazu geführt, dass ältere Kollegen<br />
den Job länger durchhalten können. Sondern<br />
auch dazu, dass der Anteil an Frauen<br />
unter den Azubis angestiegen ist. Heute sind<br />
fünf der rund 40 Brauerinnen und Brauer<br />
bei Paulaner Frauen. Auch das wäre noch<br />
vor wenigen Jahren undenkbar gewesen.<br />
Für die Programme, über die Produktion<br />
und Logistik gesteuert werden, werden die<br />
Kollegen bei Paulaner in Schulungen fit gemacht.<br />
Auch Robert wird vom Arbeitgeber<br />
immer wieder in Kurse geschickt, in denen<br />
er die Anwendung neuer Software lernt. Vor<br />
wenigen Wochen hat er<br />
gerade neue Details bei<br />
Excel gelernt. „Das hätte<br />
vor zehn Jahren auch<br />
noch niemand gedacht“,<br />
sagt er, „dass du als<br />
Brauer mal Excel<br />
brauchst“.<br />
Unilever: Im Büro neu<br />
aufgestellt<br />
Als Sandra Fischer<br />
(Name geändert) vor<br />
zwölf Jahren bei Unilever<br />
im Marketing angefangen<br />
hat, war sie für das<br />
Platzieren von Fernsehwerbung<br />
verantwortlich.<br />
Digitalisierung<br />
kann Vereinbarkeit verbessern<br />
Für Frauen mit Vollzeitstelle sind die Spielräume für die<br />
Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch die<br />
Digitalisierung ...<br />
22%<br />
größer<br />
geworden<br />
67%<br />
gleich<br />
geblieben<br />
12%<br />
geringer<br />
geworden<br />
Quelle: DGB-Index Gutre Arbeit, März <strong>2017</strong><br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
9
Foto: Peter Bisping<br />
Betriebsratsvorsitzende Anja Shakib: „Die klassischen<br />
Sachbearbeiter mit ihren Routineaufgaben<br />
gibt es nicht mehr. Übrig sind nur noch hochspezialisierte<br />
Tätigkeiten.“<br />
Mitgestalten<br />
Wer mehr über gute digitale Arbeit<br />
in der Ermährungsindustrie erfahren<br />
möchte, kann die NGG-Broschüre<br />
"Digitalisierung. Mitbestimmung.<br />
Mitgestaltung" unter: hv.werbung@ngg.net<br />
bestellen. Inhalt: Interview<br />
mit der Arbeitsdirektorin von<br />
Unilever, weitere Reportagen aus<br />
den Betrieben Karwendel Milchwerke<br />
und der Warsteiner Brauerei sowie<br />
Tipps aus dem Arbeitsrecht und<br />
eine Industrie 4.0-Checkliste.<br />
Sie hat gemeinsam mit Agenturen Spots<br />
geplant und mit den Sendern über Ausstrahlzeiten<br />
und Preise verhandelt.<br />
Heute schauen viele Kunden gar kein Fernsehen<br />
mehr. Sie lesen Blogs, scannen Nachrichten<br />
im Netz, Filme sehen sie im Streamingdienst.<br />
Die Aufgabe von Sandra Fischer<br />
besteht heute vor allem im Online-Marketing.<br />
Sie betreut den Auftritt von Unilever in den<br />
sozialen Medien mit. Sollen bestimmte Produkte<br />
beworben werden, kooperiert sie mit<br />
Bloggern, über die das Unternehmen viel<br />
treffsicherer an die passende Zielgruppe<br />
kommt: Wo schalte ich Banner? Was mache<br />
ich auf youtube?<br />
Globale Teams sind in Echtzeit vernetzt<br />
Und nicht nur das Marketing hat sich völlig<br />
neu aufgestellt. In der Unilever-Zentrale in<br />
Hamburg ist heute kaum<br />
mehr ein Bürojob wie früher.<br />
Wer vormals Unterlagen<br />
weggearbeitet hat,<br />
sitzt heute an Schnittstellen<br />
zu Dienstleistern und<br />
koordiniert den Arbeitsablauf.<br />
Wer früher Rechnungen<br />
verbucht hat,<br />
kommt heute nur noch<br />
zum Einsatz, wenn es<br />
Probleme mit den neuen<br />
Prozessen gibt.<br />
» Mit der Tätigkeit,<br />
für die ich eingestellt<br />
wurde, hat<br />
das heute nur noch<br />
wenig zu tun«<br />
Sandra Fischer<br />
In der Buchhaltung und im Customer Service,<br />
dem Kundendienst, wurden viele Tätigkeiten<br />
kürzlich nach Polen ausgelagert. Das<br />
wurde erst durch moderne Computersysteme<br />
möglich: Die Kolleginnen und Kollegen in<br />
Deutschland und Polen kommunizieren online.<br />
Über das Netz werden auch die Aufträge<br />
erteilt. Beim Kundendienst in Katowice<br />
läuft heute das standardisierte Geschäft.<br />
Dort werden Rechnungen geprüft und verbucht.<br />
Die Kolleginnen in Hamburg sind vor<br />
allem noch für den direkten Kontakt mit den<br />
Kunden zuständig und sorgen dafür, dass<br />
das System läuft.<br />
Die Digitalisierung macht es heute möglich,<br />
dass globale Teams jederzeit in Echtzeit miteinander<br />
konferieren können. Hat ein Kollege<br />
in einer Zeitzone Feierabend, führt die<br />
Kollegin in einer anderen das Projekt fort.<br />
Die Arbeit ist dadurch sehr viel effizienter geworden,<br />
aber auch entgrenzter – im wahrsten<br />
Sinne des Wortes.<br />
Betriebsräte sind gefordert<br />
Der Betriebsrat muss die Einführung neuer<br />
Technik und die Veränderung der Arbeitsbedingungen<br />
kontinuierlich begleiten. Da<br />
durch die Systeme nicht nur die Abteilungen<br />
im Haus in Hamburg vernetzt werden, sondern<br />
bei Unilever weltweit, wird auch die Mitbestimmung<br />
globalisiert. Die ist in den einzelnen<br />
Ländern aber unterschiedlich geregelt,<br />
und die deutschen Rechte werden bei<br />
Entscheidungen dort nicht automatisch berücksichtigt.<br />
Hierzulande arbeitet der Betriebsrat<br />
im sogenannten „Zentralen Personaldatenausschuss“<br />
eng mit dem Datenschutzbeauftragten<br />
und der Rechtsabteilung<br />
von Unilever zusammen und<br />
stellt mittels Konzernbetriebsvereinbarungen<br />
sicher, dass<br />
die Arbeit der Beschäftigten in<br />
Deutschland nicht andernorts<br />
ausgewertet werden kann.<br />
Schulungen beispielsweise<br />
werden oft global durchgeführt,<br />
an allen Standorten. Es sind<br />
Onlinetutorials, bei denen im<br />
Hintergrund komplexe Prozesse<br />
ablaufen. Der Betriebsrat<br />
muss immer wieder in Vereinbarungen regeln,<br />
wer wo welche Reports aus den Daten<br />
ziehen darf, die dabei anfallen. „Für uns ist<br />
es oft schwierig, da die Mitbestimmungsrechte<br />
geltend zu machen“, sagt Anja<br />
Shakib.<br />
Im Zuge der Digitalisierung wurden ganze<br />
Abteilungen ausgelagert. Viele Beschäftigte<br />
können ihre Jobs heute nur noch ausüben,<br />
weil sie sich dafür weiterqualifiziert haben.<br />
So wie Sandra Fischer, die gerade gelernt<br />
hat, wie sie mit externen Bloggern zusammenarbeiten<br />
kann. „Ohne die Weiterbildungen<br />
könnte ich den Job heute gar nicht mehr<br />
machen. „Mit der Tätigkeit, für die ich damals<br />
bei Unilever eingestellt wurde, hat das<br />
heute nur noch wenig zu tun.“<br />
10<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
FOKUS | POLITIK<br />
Panik ist nicht angesagt<br />
Die „<strong>einigkeit</strong>“ sprach mit zwei NGG-Experten, die „Arbeit der Zukunft“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln<br />
betrachten: Guido Zeitler ist stellvertretender Vorsitzender und verantwortlich für das Gastgewerbe. Melanie<br />
Frerichs ist Referatsleiterin für Grundsatzpolitik und Expertin für „Industrie 4.0“.<br />
Wie wird sich die Arbeit in der Ernährungsindustrie<br />
verändern?<br />
Frerichs: Sie hat sich bereits verändert. Viele Prozesse<br />
sind zuletzt deutlich effizienter geworden und die Arbeitsverdichtung<br />
ist gewachsen. Die weitere Digitalisierung<br />
von Maschinen und Produktionsabläufen wird das<br />
noch intensivieren. So wie bei Smartphones mit jeder<br />
neuen Generation mehr Funktionen zur Verfügung stehen,<br />
so verändert sich auch die Arbeit in den Fabriken:<br />
Immer mehr passiert gleichzeitig, die Geschwindigkeit<br />
nimmt zu.<br />
Was ist im Dienstleistungssektor, zum Beispiel im<br />
Gastgewerbe, zu erwarten?<br />
Zeitler: Auch da ist die ‚Arbeit der Zukunft‘ längst angekommen<br />
und die Digitalisierung ist nicht abgeschlossen,<br />
sondern ein Prozess,<br />
der noch an<br />
Tempo zulegt. Zum<br />
Beispiel buchen<br />
heute Millionen<br />
Menschen ihre<br />
Zimmer nicht mehr<br />
mit einem Anruf im<br />
Hotel, sondern per<br />
App. Die Buchung<br />
wird dann im Hotel<br />
digital verarbeitet<br />
und weitere Prozesse<br />
werden ganz automatisch<br />
angestoßen.<br />
Das hat natürlich<br />
Folgen: Ein<br />
Hotel, das früher<br />
150 Mitarbeiter hatte,<br />
braucht heute<br />
vielleicht noch 70 oder 80. Und diese Beschäftigten sehen<br />
sich ganz neuen Anforderungen gegenüber.<br />
Es gilt die Arbeit der Zukunft zu gestalten. Panikmache ist fehl am Platz.<br />
Darüber sind sich Melanie Frerichs und Guido Zeitler einig.<br />
Die Angst vieler Menschen, den Job zu verlieren, ist<br />
also berechtigt?<br />
Frerichs: Es ist klar, dass es zu Verschiebungen kommen<br />
wird, denn viele, auch sehr filigrane Tätigkeiten können<br />
künftig von Maschinen erledigt werden. Das muss aber<br />
nicht zwangsläufig heißen, dass die Zahl der Jobs in ei-<br />
nem Unternehmen sinkt. Die Beschäftigten müssen in<br />
die Lage versetzt werden, andere, neu entstehende Aufgaben,<br />
zum Beispiel in der Logistik, zu übernehmen. Es<br />
ist heute jedenfalls unseriös, konkrete Zahlen zu nennen,<br />
wie viele Arbeitsplätze der Digitalisierung zum Opfer<br />
fallen werden. Das kann heute niemand wissen und Panikmache<br />
bringt uns nicht weiter.<br />
Zeitler: Das Gastgewerbe sucht derzeit händeringend<br />
nach Personal. Auch, weil Deutschland als Reiseland<br />
immer beliebter wird. Solange der Boom anhält, ist nicht<br />
mit sinkenden Beschäftigtenzahlen zu rechnen. Aber<br />
was kommt dann? Ein branchenübergreifendes Problembewusstsein<br />
für die Fragen der Digitalisierung gibt es<br />
nicht. Gleichzeitig merken die Kolleginnen und Kollegen<br />
sehr deutlich, dass sich ihre Arbeit verändert und das<br />
Tempo weiter zunimmt.<br />
Leider lassen<br />
gerade im Gastgewerbe<br />
viele Arbeitgeber<br />
ihre Beschäftigten damit<br />
alleine und verschließen<br />
vor der Notwendigkeit<br />
die Augen,<br />
die Arbeit der Zukunft<br />
proaktiv anzugehen.<br />
Gibt es einen Ausweg<br />
aus dem Dilemma?<br />
Zeitler: Wie Melanie<br />
schon sagte, Panikmache<br />
ist nicht angesagt.<br />
Es kommt darauf<br />
an, die Arbeit der<br />
Zukunft im Sinne der Beschäftigten zu gestalten: Das<br />
macht die NGG gemeinsam mit den Betriebsräten vor<br />
Ort schon heute, zum Beispiel in Betriebsvereinbarungen<br />
zur Qualifizierung. Es wird auch neue gesetzliche<br />
Regelungen und politische Weichenstellungen brauchen<br />
– auch da ist die NGG dabei und vertritt die Interessen<br />
der Beschäftigten mit voller Kraft.<br />
Foto: Alexander Paul Englert<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
11
MENSCHEN<br />
Das perfekte Team<br />
Foto: Uwe Völkner /Fotoagentur FOX<br />
Teamarbeit sind für JAV und Betriebsrat selbstverständlich. Mit Thomas Kohn (rechts) haben Kevin Bock und Gesa Höhne einen engagierten<br />
Ansprechpartner.<br />
Ein Zweier-Gespann kümmert sich in dem Berliner Catering-Unternehmen PACE um gute Bedingungen für die<br />
acht Auszubildenden in dem Betrieb mit 184 Beschäftigten.<br />
Als Kevin Bock und Gesa Höhne ihre Ausbildung bei<br />
PACE – Paparazzi Catering & Event in Berlin begannen,<br />
war ihnen Gewerkschaftsarbeit fremd. Heute ist Kevin<br />
Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung<br />
und Gesa seine Stellvertreterin. Der 25-Jährige steht kurz<br />
vor dem Abschluss seiner Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann,<br />
die 26-jährige Gesa hat noch ein Ausbildungsjahr<br />
als Köchin vor sich. Ihr Engagement in der JAV<br />
begann im Herbst 2015. Die NGG lud sie zu Veranstaltungen<br />
ein, der Betriebsrat sprach sie an und informierte<br />
sie über die Arbeit der NGG und die Chancen, die eine<br />
Jugend- und Auszubildendenvertretung bietet. Gemeinsam<br />
mit dem Betriebsrat<br />
organisier-<br />
Kurz erklärt<br />
ten sie die JAV-Wahl.<br />
Die JAV ist die Jugend- und Die treibende Kraft<br />
Auszubildendenvertretung<br />
war der Gesamtbetriebsratsvorsitzende<br />
in einem Betrieb oder Unternehmen.<br />
Sie kümmert sich<br />
zum Beispiel um die Ausbildungsqualität<br />
oder verhan-<br />
Thomas Kohn.<br />
delt über die Übernahme Kevin und Gesa<br />
der Azubis mit. Weitere Infos konnte Kohn überzeugen.<br />
Das hört<br />
unter: www.jav-portal.de<br />
sich<br />
leichter an, als es im Alltag ist. Beide stellen fest, dass es<br />
ihnen kaum gelingt, mit ihren eigenen Erfolgen und ihrer<br />
Arbeit für die JAV beispielsweise ihre Mitschüler davon zu<br />
überzeugen, selbst aktiv zu werden. „Wünsche und Realität<br />
klaffen weit auseinander“, weiß Kohn. Das gilt nicht<br />
nur, aber vor allem für die Auszubildenden. Doch Klagen<br />
allein hilft wenig, wer nicht aktiv wird und sich beteiligt,<br />
wird auch nichts ändern. Das ist am leichtesten im eigenen<br />
Betrieb vermittelbar.<br />
Was zu einer guten JAV gehört ist für beide keine Frage:<br />
„Ein guter Betriebsrat“. Einer der sich nicht nur für die<br />
Wünsche der jungen Beschäftigten einsetzt, sondern Kollege<br />
und Ansprechpartner in jeder Hinsicht ist, so wie der<br />
34-jährige Kohn.<br />
„Wir sind hier nicht Arbeitnehmer zweiter Klasse“, betonen<br />
beide. Sie haben es in einem Ausbildungsbereich,<br />
der keineswegs immer die besten Bedingungen garantiert,<br />
gut getroffen. Die JAV hat einen Zuschuss für das<br />
Fahrgeld durchgesetzt. Bessere Arbeitsrahmenpläne sind<br />
in Arbeit. Die Möglichkeit, sich konzentriert auf Prüfungen<br />
vorzubereiten, sind ein weiteres JAV-Thema.<br />
12<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
Service 24/7<br />
MENSCHEN | MEIN ARBEITSPLATZ<br />
Frühstück im Bett, Champagner um Mitternacht:<br />
Betriebsratsmitglied Maren Boddien ist als Leiterin des<br />
In-Room-Dining-Service dafür zuständig, dass die<br />
mehr oder weniger ausgefallenen kulinarischen Wünsche<br />
der Gäste im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg<br />
rund um die Uhr erfüllt werden.<br />
Mit Menschen kennt Maren Boddien sich aus. Die<br />
38-Jährige ist Leiterin des Room-Service im Hamburger<br />
Hotel Vier Jahreszeiten. Das Luxushotel gehört zur Gruppe<br />
der Fairmont Hotels, die wiederum Ende 2015 von<br />
der AccorHotels Group gekauft wurde. Schon siebzehn<br />
Jahre arbeitet die gelernte Hotelfachfrau in dem traditionsreichen<br />
Haus an der Binnenalster. Fast zwei Jahrzehnte,<br />
in denen sie mit den Gästen einiges erleben<br />
durfte. Details über private Begegnungen, strengste Sicherheitsvorkehrungen,<br />
unverhoffte Missgeschicke hütet<br />
Maren Boddien wie einen Schatz. Der Gast steht im<br />
Mittelpunkt, der Rest ist Schweigen. „Ich liebe meinen<br />
Job, auch wenn er harte Arbeit ist!“ sagt sie lachend. „Es<br />
ist immer wieder aufregend und abwechslungsreich mit<br />
den Gästen, die in ihren Zimmern ja ganz privat sind. Mir<br />
macht es einfach Spaß, Menschen mit unserem Service<br />
glücklich zu machen.“<br />
Falafel zum Frühstück, Sushi nach Mitternacht: Die elektronische<br />
„In-Room-Dining-Karte“ in den Zimmern bedient<br />
alle kulinarischen Vorlieben der internationalen<br />
Hotelgäste. Wenn richtig viel zu tun ist, gehen bei Maren<br />
Boddiens Team bis zu 80 Bestellungen am Tag ein. Zudem<br />
trägt die Mutter zweier Kinder die Verantwortung für<br />
den reibungslosen Ablauf des 24-Stunden-Zimmerservices.<br />
Foto: Frank Krems / Fotoagentur FOX<br />
Bestellt werde zum Glück noch telefonisch, erzählt Maren<br />
Boddien, die sich ein Hotel mit immer weniger persönlichem<br />
Kontakt nicht vorstellen will. „In der Luxusklasse<br />
sind wir noch nicht unmittelbar von der Automatisierung<br />
betroffen, aber die Entwicklung schreitet voran.<br />
Viel Menschliches geht dann verloren ...“ Ein Grund<br />
mehr für die Betriebsrätin, sich in der NGG zu engagieren.<br />
Seit drei Jahren ist sie aktives Mitglied. „Gerade in<br />
einer so unterbezahlten Branche wie dem Hotel- und<br />
Gaststättengewerbe brauchen wir eine starke Gewerkschaft,<br />
die für Tarifverträge kämpft. Den Jungen muss<br />
man das heute erklären, deshalb wünsche ich mir von<br />
der NGG eine noch stärkere Außenwirkung“, sagt sie<br />
energisch und hofft, damit vielleicht endlich etwas gegen<br />
die Nachwuchssorgen in ihrem Beruf tun zu können.<br />
Maren Boddien, gelernte<br />
Hotelfachfrau, Leiterin<br />
In-Room-Dining, Fairmont<br />
Hotel Vier Jahreszeiten<br />
Hamburg, Vollzeit,<br />
zwei Kinder, NGG-Mitglied<br />
seit 2014<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
13
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Gute Lebensmittel − Gute Arbeit<br />
NGG AKTIV<br />
Die NGG hatte im Mai zu ihrer ersten Lebensmittelpolitischen Konferenz nach Berlin eingeladen – und 120<br />
Interessierte, Betriebsräte, Politikerinnen sowie Vertreter von Verbänden kamen. Die NGG will einen Dialog über<br />
nachhaltige Lebensmittelpolitik und eine Verantwortungspartnerschaft auf Augenhöhe etablieren.<br />
Obwohl die Themen Essen und gute Ernährung sehr populär<br />
sind und immer stärker zum Brennpunkt gesellschaftlicher<br />
Diskussionen werden, gab es bislang kaum<br />
einen Dialog zwischen den Akteuren – Beschäftigten,<br />
Verbrauchern, Politikern und Gewerkschaftern sowie<br />
Unternehmen der Ernährungsindustrie, der drittgrößten<br />
Branche in Deutschland.<br />
Der Auftakt für eine nachhaltige Verantwortungspartnerschaft<br />
mit all diesen Akteuren ist gelungen und war konstruktiv:<br />
Gute Arbeitsbedingungen hier und in den Ländern<br />
des Südens standen im Mittelpunkt der Konferenz.<br />
Die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger sprach sich<br />
für eine Allianz für eine nachhaltige Lebensmittelpolitik<br />
aus, die sowohl sozial, ökologisch und ökonomisch gerecht<br />
ist. „Soziale Arbeitsbedingungen sind ein notwendiger<br />
Bestandteil für die Produktion guter Lebensmittel.<br />
Umgekehrt sichert eine nachhaltige Ernährungswirtschaft<br />
Arbeitsplätze.“<br />
Die Themen, die unter dem Motto „Gutes Essen. Gute<br />
Arbeit.” diskutiert wurden, reichten vom Wandel der Esskultur,<br />
über die Regulierung von Nahrungsmitteln über<br />
Steuern, Lebensmittelkennzeichnung, internationale Lebensmittelpolitik,<br />
Übergewicht, Verbrauchertäuschung,<br />
bis hin zu Verbraucherbildung mit einem Schulfach Ernährung.<br />
Die Gestaltungsfelder für Gute Arbeit in einer<br />
nachhaltig produzierenden Lebensmittelindustrie sind<br />
vielfältig, darüber waren sich alle einig.<br />
Anregungen und Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten blieben<br />
viel zu oft ungehört, kritisierte Susanne Ferschl, Gesamtbetriebsratsvorsitzende<br />
von Nestlé.<br />
Interessant waren die Ausführungen zu den Marketingstrategien<br />
von Nestlé und Unilever, die auch aufgrund<br />
des schlechten Images ihrer Branche Überzeugungsarbeit<br />
leisten und transparenter agieren wollen.<br />
Die Unternehmen stellten heraus, dass auch soziale Verantwortung<br />
zu ihren Nachhaltigkeitsprojekten gehört. An<br />
diesen Aussagen über faire Arbeitsbedingungen werden<br />
sich die Arbeitgeber messen lassen müssen.<br />
Dass Gute Arbeit und gute Lebensmittel zusammengehören,<br />
sei immer noch viel zu wenig im Fokus der öffentlichen<br />
Aufmerksamkeit, betonte Michaela Rosenberger.<br />
Eine geteilte Verantwortung erfordere eine echte Partnerschaft<br />
und einen Dialog auf Augenhöhe. Zudem seien<br />
zufriedene Beschäftigte die besten Botschafter der Unternehmen,<br />
darin waren sich die an der Konferenz beteiligten<br />
Vertreter der Unternehmen und die Betriebsräte<br />
einig. Standards und Nachhaltigkeitskriterien für faire<br />
Beschäftigung gemeinsam zu erarbeiten, ist einer der<br />
Vorsätze für die zukünftige Zusammenarbeit.<br />
Fotos: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Wie eine Verantwortungspartnerschaft mit Leben erfüllt werden kann, darüber diskutierten Michaela Rosenberger (NGG-Vorsitzende),<br />
Elvira Drobinski-Weiß (MdB, SPD), Susanne Ferschl (Gesamtbetriebsratsvorsitzende Nestlé), Gitta Connemann (MdB, CDU), Stephan<br />
Nießner (Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde) und Dr. Franziska Humbert (Oxfam).<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
15
NGG AKTIV | INTERNATIONALES<br />
Fotos: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Betriebsrat Rainer Efsing weiß: „Export sichert unsere Arbeitsplätze.“ Geschäftsführerin Ulrike Castrup sorgt dafür, dass das seit Jahrzehnten<br />
starke Standbein Export stabil bleibt.<br />
Europa ist ein Gewinn<br />
Jeder dritte Euro wird in Deutschland durch Exporte verdient. Der wichtigste Absatzmarkt für die größten deutschen<br />
Familienunternehmen ist der europäische Binnenmarkt. Das zeigt eine Studie, die der Bundesverband der<br />
Deutschen Industrie (BDI) und die Deutsche Bank gemeinsam mit dem Institut für Mittelstandsforschung (IfM)<br />
Bonn jährlich durchführt.<br />
Auch die Münsterländischen Margarine-Werke J. Lülf<br />
GmbH, ein Familienunternehmen mit 100 Beschäftigten,<br />
das in der fünften Generation in Rosendahl ansässig<br />
ist, profitiert vom europäischen Binnenmarkt. „Wir exportieren<br />
unsere Produkte seit vielen Jahrzehnten.<br />
Schon mein Opa hat Milchmischgetränke zu den Bergarbeitern<br />
nach Chile exportiert und meine Mutter hat<br />
den Export unserer Biomargarine in Großbritannien mit<br />
unserem damaligen Partner dort etabliert. Export war<br />
immer schon ein Thema bei Münsterland – gerade der<br />
Export unserer Produkte in die europäischen Länder.<br />
Hier sind wir heute noch stark“, erzählt Ulrike Castrup,<br />
Geschäftsführerin und Vertriebsleiterin der Firma. Betriebsratsvorsitzender<br />
Rainer Efsing fügt hinzu: „Es war<br />
in den letzten Jahren unsere Rettung, dass wir auf den<br />
Export gesetzt haben. In Deutschland passen die Preise<br />
nicht mehr, die Discounter haben einen Preiskrieg<br />
in Gang gesetzt, der dazu führt,<br />
dass man jedem Becher<br />
78%<br />
Euro<br />
der deutschen Lebensmittelexporte<br />
gehen in die EU,<br />
damit werden 44 Milliarden<br />
umgesetzt (2016).<br />
Margarine Geld hinterherschiebt. Dass das Unternehmen<br />
also verstärkt auf den Export setzt, finden wir hier<br />
alle gut, weil es schlicht unsere Arbeitsplätze sichert.“<br />
Das Beispiel zeigt, wie abhängig viele deutsche Unternehmen<br />
von den europäischen Exporten sind. Für einen<br />
fairen Wettbewerb braucht es aber nicht nur einen gut<br />
funktionierenden Binnenmarkt, sondern auch starke europäische<br />
Marktteilnehmer. Denn alle Länder der Eurozone<br />
sind wechselseitig aufeinander angewiesen. Bräche<br />
die Europäische Union auseinander, wäre die deutsche<br />
Wirtschaft wohl am stärksten betroffen.<br />
Das Unternehmen passt die Produkte an die verschiedenen lokalen Märkte an und ist so nicht nur auf den schwierigen und übersättigten<br />
deutschen Markt angewiesen.<br />
16<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
Drei Fragen an ...<br />
NGG AKTIV | INTERNATIONALES<br />
Auch wenn sich der europafreundliche Emmanuel Macron<br />
bei den französischen Präsidentschaftswahlen klar gegen die<br />
Vorsitzende des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen,<br />
durchsetzen konnte, sind die Herausforderungen für Europa<br />
groß. Nach dem Brexit ist vielen klar, ohne Reform ist die europäische<br />
Idee in Gefahr.<br />
Warum liegt Dir das Thema Europa am Herzen?<br />
Die Generation unserer Eltern hat die furchtbaren Erlebnisse des<br />
Zweiten Weltkriegs verarbeiten müssen. Und auch für uns war<br />
noch vor dreißig Jahren das Thema „Frieden“ keine Selbstverständlichkeit,<br />
denn die Front zwischen NATO und Warschauer<br />
Pakt verlief als Grenze mitten durch unser Land. Die Idee eines<br />
geeinten Europas hat uns seit mehr als 70 Jahren Frieden gebracht<br />
– das dürfen wir nicht verspielen. Deshalb bin ich absolut<br />
für die Europäische Union, auch wenn ich mit ihrer neoliberalen<br />
Politik ganz und gar nicht einverstanden bin.<br />
Was sagst Du denen, die von der europäischen Politik enttäuscht<br />
sind und sich von Europa abwenden?<br />
Auch ich meine: Das undurchsichtige Zusammenspiel von Europäischem Rat<br />
und Kommission, Parlament sowie Gerichtshof muss demokratischer werden.<br />
Vor allem das Parlament muss als von den Völkern gewählte Institution noch<br />
mehr Entscheidungsbefugnisse erhalten. Es ist aber auch die Politik, die von<br />
Europa ausgeht und eher Wirtschaftsinteressen bedient. Seit Jahrzehnten sorgt<br />
sie für eine außerordentliche soziale Schieflage, die vor acht Jahren durch die<br />
Finanzkrise noch verschärft wurde. Leider spielt der Einfluss der Bundesregierung,<br />
insbesondere von Finanzminister Schäuble, dabei eine unrühmliche Rolle,<br />
die in sehr vielen Ländern Arbeitslosigkeit und soziale Unsicherheit hervorruft.<br />
Dass sich die Menschen deshalb von Europa abwenden, ist dann schon nachvollziehbar.<br />
Ich nehme aber auch wahr, dass es dennoch auch bei jungen Leuten<br />
eine große Zustimmung zur europäischen Idee gibt: Trotz des eklatanten Anstiegs<br />
der Jugendarbeitslosigkeit in Mittel- und Osteuropa stehen dort mehr als 70 Prozent<br />
der jungen Menschen hinter der EU und schätzen sie vor allem als Friedensgarant.<br />
Das ist ein sehr ermutigendes Signal.<br />
... die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger<br />
» Wir brauchen einen<br />
klaren Politikwechsel<br />
– ein soziales, gerechtes<br />
und demokratisches<br />
Europa.«<br />
Michaela Rosenberger<br />
Foto: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Wie könnte ein anderes Europa aussehen?<br />
Wir Gewerkschafter sagen schon seit Jahren: Europa muss sozial werden, ein<br />
Europa für die Menschen, nicht für die Konzerne. Wir brauchen deshalb schnell<br />
ein Ende der Sparpolitik und Investitionen in soziale Systeme, in Bildung und in<br />
Infrastruktur, die den Menschen direkt zugutekommen. Wir brauchen ein Bekenntnis<br />
der europäischen Institutionen zu guter Arbeit, fairer Mobilität und sozialer<br />
Sicherheit. Die sozialen Standards müssen über die wirtschaftlichen Grundfreiheiten<br />
der EU gestellt werden. Wichtig für Europa wäre auch die Stärkung von<br />
Europäischen Betriebsräten, die deutlich größere Einflussmöglichkeiten für die<br />
Beschäftigten erhalten müssen.<br />
Das bedeutet: Wir brauchen einen klaren Politikwechsel in Europa für Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer – ein soziales, gerechtes und demokratisches Europa.<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
17
» Weil ich zutiefst überzeugt<br />
bin, dass Gewerkschaften<br />
wichtig sind, kann ich<br />
auch andere überzeugen.«<br />
Giesela Dost,<br />
Betriebsratsvorsitzende von Steinecke<br />
18 <strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
MENSCHEN | PORTRÄT<br />
Die eigene Überzeugung<br />
weitergeben<br />
Knapp 2.000 Beschäftigte der „Brotmeisterei Steinecke“ betreut die Betriebsratsvorsitzende Giesela Dost.<br />
Bäckereien sind für die Gewerkschaft ein nicht ganz einfaches Feld, stellt die Fachverkäuferin fest.<br />
Foto: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Giesela Dost feiert bald ihre 25-jährige Mitgliedschaft bei<br />
der NGG. Einen erheblichen Teil dieser Zeit gehörte sie<br />
zu den passiven Gewerkschafterinnen, wie sie selbst einräumt.<br />
Als gelernte Fleischereifachverkäuferin liebte sie<br />
zwar ihren Beruf, doch engagierte gewerkschaftliche Arbeit<br />
kam ihr lange nicht in den Sinn. Das änderte sich<br />
2010. Zuerst einmal hatte sie beschlossen, ihren Arbeitsplatz<br />
zu wechseln. Sie hielt die Arbeit in der immer<br />
kühlen Metzgerei körperlich nicht mehr aus. „Ich wollte<br />
einfach ins Warme“, begründet sie ihren Wechsel in eine<br />
Bäckereilfiliale. Im Familienunternehmen Steinecke verkaufte<br />
sie nun warmes Brot statt kalter Wurst. Und dort<br />
sollte dann vor sieben Jahren der erste Betriebsrat gegründet<br />
werden. Die NGG sprach sie an und die heute<br />
60-Jährige stimmte zu.<br />
Mit überzeugenden Argumenten 50 neue Mitglieder<br />
Seit 2014 steht sie an der Spitze des Gremiums und sagt<br />
rückblickend: „Ohne die große Hilfe aus Braunschweig<br />
hätte ich das alles nicht geschafft.“ Schließlich gab es<br />
bislang keinen Betriebsrat in dem Unternehmen und so<br />
musste sie „erst das Laufen lernen“. In Braunschweig<br />
sitzt die NGG-Region Süd-Ost-Niedersachsen. Der Geschäftsführer<br />
Manfred Tessmann freut sich noch heute<br />
über die Zusage von Dost: „Sie hat ein natürliches Gerechtigkeitsgefühl“,<br />
lobt er. Zudem gelinge es ihr, in dem<br />
schwierigen Umfeld auch neue Mitglieder zu gewinnen.<br />
Das ist nicht immer ganz einfach, denn „viele wissen einfach<br />
nicht wirklich, was Gewerkschaft leisten kann“, hat<br />
Dost festgestellt. Da hilft nur stetiges Nachfragen und<br />
immer wieder miteinander reden. Bei ihren Besuchen in<br />
den einzelnen Filialen spricht sie ihre Kolleginnen und<br />
Kollegen deshalb immer wieder an. Mit Erfolg. Im vergangenen<br />
Jahr konnte sie 50 neue Mitglieder gewinnen.<br />
„Weil ich zutiefst überzeugt bin, dass Gewerkschaften<br />
wichtig sind, kann ich auch andere überzeugen“, ist ihre<br />
Erklärung.<br />
Bessere Arbeitszeiten dank „Mutti-Zeit“<br />
Die Betriebsratsvorsitzende kann auch mit Erfolgen<br />
punkten. Mit ihren 16 Kolleginnen und Kollegen hat sie<br />
gerade die Unterschrift der Geschäftsführung für eine<br />
Betriebsvereinbarung bekommen. Es geht um bessere<br />
Arbeitszeiten. Intern läuft das unter „Mutti-Zeit“ erläutert<br />
Dost lachend. Konkret heißt das: Es gibt eine zusätzliche<br />
mittlere Schicht, die besser zu den Kindergartenzeiten<br />
des Nachwuchses passt. Bei den wenig attraktiven Arbeitszeiten<br />
im Bäckereigeschäft ein wichtiger Punkt.<br />
Ausgehandelt wurde auch eine bessere Bezahlung für so<br />
genannte Springer. Ein Plus von fünf Prozent gibt es für<br />
alle, die kurzfristig Lücken füllen müssen. Zwei Jahre<br />
dauerten die Verhandlungen, nun ist die Betriebsratsvorsitzende<br />
„auch ein bisschen stolz“ auf das Erreichte.<br />
Der Frauenanteil ist in der Branche besonders hoch, die<br />
Arbeitszeiten sind nicht sehr familienfreundlich. Qualifiziertes<br />
Personal ist entsprechend schwer zu finden. Sie<br />
selbst hatte den Vorteil, wie sie betont, dass ihre Familie<br />
ihre Arbeit – sei es noch als Fachverkäuferin, aber auch<br />
die durchaus zeitaufwendige Betriebsratsarbeit – immer<br />
unterstützt hat. Lob gibt es auch für die Geschäftsführung.<br />
Sie sei immer ansprechbar. Giesela Dost ist mit<br />
vollem Engagement dabei, obwohl sie „mit Leib und Seele“<br />
Verkäuferin war und es durchaus Zeiten gab, in denen<br />
sie gerne beides miteinander verbunden hätte: Halb<br />
Verkauf, halb Betriebsrat. Denn manchmal denkt sie mit<br />
ein bisschen Wehmut an die Zeiten, zu denen es hieß:<br />
„Tag Frau Dost, ein Weißbrot bitte.“<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
19
Zutaten für vier Personen:<br />
5 Eier<br />
200 ml kaltes Wasser<br />
2 TL Salz<br />
2 EL Grieß<br />
500 g Mehl<br />
2 Bund frische Gartenkräuter<br />
50 g Spinat (frisch oder tiefgekühlt)<br />
150 g Landjäger oder gerauchte<br />
Landesbezirk Südwest // Region Baden-Württemberg Süd<br />
Ein Rezept von Susanne Heim<br />
Schinkenwurst<br />
2 EL Butter<br />
Grüne Knöpfle<br />
Zubereitung:<br />
Seit mehr als 150<br />
Jahren ...<br />
... steht die NGG für die richtigen<br />
Rezepte, für gerechte Bezahlung<br />
und faire Arbeitsbedingungen. Was<br />
wäre also die „Genussgewerkschaft“<br />
ohne stattliche Rezepte-<br />
Sammlung? Zum 150-jährigen Jubiläum<br />
füllte sich die „Bundes-Genuss-Karte“<br />
mit mehr als 1.000 Rezepten<br />
von Mitgliedern,<br />
Prominenten und Hobbyköchen<br />
aus allen 50 NGG-Regionen. Ausgewählte<br />
Rezepte findet Ihr in dem in<br />
den Regionalbüros erhältlichen<br />
Buch „150 Frische Rezepte für<br />
Gute Arbeit“ oder unter<br />
www.ngg.net/rezepte.<br />
Aus den Eiern, 200 ml kaltem Wasser, Salz, Grieß und Mehl einen weichen Spätzle-Teig<br />
herstellen und 15 bis 20 Minuten quellen lassen. Gartenkräuter und Spinat<br />
waschen, trocken schütteln, fein hacken. Die Wurst sehr fein würfeln. Butter<br />
in der Pfanne erhitzen und die Wurst und dann die Kräuter andünsten. Alles<br />
zusammen gut mit dem Teig verrühren.<br />
Mit einem Esslöffel oder vom Spätzle-Brett etwa daumengroße Teigstücke in<br />
reichlich kochendes Salzwasser geben. Wenn die Knöpfle oben schwimmen 2<br />
bis 3 Minuten garziehen lassen.<br />
Tipp: Besser heimische Kräuter wie Petersilie, Selleriegrün, Zwiebelrohre und<br />
Schnittlauch verwenden. Ohne die Wurst kann das Gericht auch vegetarisch genossen<br />
werden. Grüne Knöpfle sind lecker als Vorspeise in einer kräftigen Brühe<br />
oder als Hauptgericht: Angebraten mit oder ohne Ei. Als richtiger Schwabe isst<br />
man dazu Kartoffelsalat und einen Blattsalat. Oder mit geriebenem Bergkäse und<br />
geschmälzten Zwiebeln überbacken als Käsespätzle.<br />
Mehr Informationen online<br />
www.ngg.net/rezepte<br />
20 <strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
to: Fürcho GmbH
KOPF UND BAUCH<br />
Damit der Ton auch künftig stimmt, suchen die Sänger von Finsterwalde dringend junge Stimmen.<br />
Einigkeit ist ... wenn aus vielen<br />
Stimmen eine Melodie wird<br />
Besuch in der Sängerstadt Finsterwalde, im südlichen Brandenburg: Hier ist der Männerchor „Einigkeit“ e.V.<br />
(MCE) zuhause. Gegründet 1885 als Arbeitergesangverein, blickt der Chor auf eine wechselvolle Geschichte zurück,<br />
bis hin zum Verbot 1933.<br />
In Finsterwalde hat das Singen Tradition. Mit dem Lied<br />
"Wir sind die Sänger von Finsterwalde", einem Gassenhauer,<br />
der Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin gesungen<br />
wurde, hat sich die kleine Stadt deutschlandweit einen<br />
Ruf als Sängerhochburg verschafft. Bis heute gibt es<br />
hier zahlreiche Chöre, keiner ist jedoch so zur Institution<br />
geworden wie der Männerchor „Einigkeit“.<br />
Gleich nach dem Krieg, 1946, stimmten die Herren wieder<br />
an. Wenige Jahre später entwickelte sich auch eine<br />
Karnevals-Sektion, die seitdem den Finsterwalder Sängerkarneval<br />
ausrichtet. Zum Show-Programm gehören<br />
dann neben den „Vier Finsterwalder Sängern“ mit Frack<br />
und Zylinder, das „Finsterwalder Männerballett“, der<br />
Männerchor „Einigkeit“ und ein aufwendiges Nummernprogramm.<br />
„Das stellen wir heute alles mit 117 Mitgliedern auf die<br />
Beine, davon singen 37 im Männerchor und etwa 50<br />
sind karnevalistisch tätig“, erzählt Thomas Klaue, der<br />
länger als 30 Jahre Vorsitzender des MCE war und gerade<br />
erst sein Amt an den jüngeren „Karnevalisten“ Thomas<br />
Freudenberg abgegeben hat. Mehr als 30 Mal wurden<br />
die „Vier Finsterwalder Sänger“ im vergangenen<br />
Jahr zu verschiedenen Anlässen gebucht. Nachwuchssorgen<br />
habe man schon, bedauert Klaue, vor allem beim<br />
Männerchor, der mit einem Durchschnittsalter von 60<br />
Jahren dringend jugendliche Kehlen zur Verstärkung suche.<br />
Dabei halte das Vereinsleben jung und gesund, so der<br />
über 70-jährige Klaue. Obendrein sei das Programm des<br />
MCE unschlagbar: Zweimal wurde „Mann“ bereits mit<br />
dem Ballett Deutscher Meister ausgezeichnet und selbst<br />
die Kölner Karnevalisten von den „Fidelen Zunftbrüdern“<br />
waren so begeistert vom Finsterwalder Karneval, dass sie<br />
Klaue aus dem Stand zum Ehrenmitglied ernannten.<br />
Einigkeit macht stark!<br />
Für die deutschen Gewerkschaften steht „Einigkeit“<br />
seit jeher für Zusammenhalt und Übereinstimmung<br />
im Kampf um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen.<br />
Aber auch außerhalb der Arbeitswelt haben sich<br />
Menschen unter dem Namen Einigkeit zusammengeschlossen.<br />
Die Redaktion stellt sie Euch vor.<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
21
Im Reinraum für die keimfreie Verpackung von „Soft Bröd“: Der Anlagenfahrer bei Harry-Brot stellt am Bildschirm Parameter für die verschiedenen Sorten und die<br />
Geschwindigkeit ein. Umgerüstet wird bei laufender Produktion.<br />
Brot wird am Computer gebacken<br />
Zukunftsvision oder längst Realität? Ein Besuch beim Marktführer Harry-Brot zeigt, dass Digitalisierung und<br />
Industrie 4.0 in der Brot- und Backwarenindustrie angekommen sind. Die „<strong>einigkeit</strong>“ wirft einen Blick auf eine<br />
Branche, die wie keine zweite in der Ernährungsindustrie vor großen Umbrüchen steht.<br />
Fotos: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Die Deutschen lieben Brot. Mit 81 Kilogramm jährlichem<br />
Pro-Kopf-Konsum liegen wir international über dem<br />
Durchschnitt, auch wenn das Müsli zum Frühstück und<br />
die warme Mahlzeit am Abend den Verzehr im vergangenen<br />
Jahrzehnt (2006 waren es noch 86 Kilo jährlich) hat<br />
zurückgehen lassen. Rund um die Uhr frisch, abwechslungsreich,<br />
gesund und selbstverständlich frei von unerwünschten<br />
Inhaltsstoffen: Auch die Ansprüche der Verbraucher<br />
an Brot- und Backwaren haben sich stark verändert.<br />
Verbraucher und der Lebensmittelhandel erwarten,<br />
dass die Produkte auch abends in großer Auswahl<br />
verfügbar sind.<br />
und die rasant zunehmende Automatisierung. Unternehmen,<br />
die mit veralteten Anlagen produzieren, werden<br />
entweder investieren müssen oder vom Markt verschwinden.<br />
Dabei zeichnet sich eines klar ab: Ein Konzentrationsprozess<br />
ist in vollem Gang.<br />
Umsätze in der Ernährungsindustrie 2016 (in Mrd. Euro)<br />
Immer mehr Große<br />
In welch massivem Strukturwandel sich die gewichtige<br />
Industrie befindet, in der annähernd 200.000 Menschen<br />
beschäftigt sind, macht eine soeben veröffentlichte<br />
NGG-Branchenstudie* deutlich. Untersucht wurden<br />
nicht klassische Bäckereibetriebe, sondern industrielle<br />
Großbäckereien, die den Lebensmitteleinzelhandel,<br />
Großverbraucher oder mehr als 20 eigene Filialen mit frischen,<br />
teilgebackenen oder tiefgekühlten Brot- und<br />
Backwaren beliefern.<br />
Die Studie beschreibt die sich vielfältig verändernden<br />
Rahmenbedingungen wie Verbraucherverhalten, Preisdruck<br />
des Lebensmittelhandels, neue Vertriebskonzepte<br />
Das Brot- und Backwarengewerbe erwirtschaftete im<br />
Jahr 2016 einen Umsatz von 16,8 Milliarden Euro. Davon<br />
hatten die Großbäckereien gemeinsam einen Jahresumsatz<br />
von etwa 2,6 Milliarden Euro − also knapp ein<br />
Sechstel des Marktvolumens der Branche. Doch auch<br />
unter den großen industriell fertigenden Unternehmen<br />
fordert der Verdrängungswettbewerb Opfer, die sich regelmäßig<br />
in Umstrukturierungen, Sanierungsversuchen,<br />
Insolvenzen und Betriebsschließungen widerspiegeln.<br />
Quelle: BVE<br />
22<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
BRANCHE<br />
Die 50 Meter lange Backlinie läuft in drei Schichten an sieben Tagen der Woche. 200 Drei-Meter-Stangenbrote werden pro Stunde vollautomatisch geschnitten und<br />
verpackt. Die Teigzufuhr wird mit Sensoren gesteuert. Der Mensch überwacht den Prozess.<br />
So war beispielsweise 2009 die Lieken AG der umsatzstärkste<br />
Liefergroßbäcker in Deutschland. Seither<br />
schrumpfte der Umsatz um etwa ein Viertel von 953 Mio.<br />
auf 700 Mio. Euro in 2015. Im selben Zeitraum konnte<br />
Harry-Brot die Umsätze um 46 Prozent steigern und so<br />
die Marktführerschaft von Lieken übernehmen.<br />
Auf Platz drei liegt Aryzta Bakeries Deutschland und<br />
auch die Unternehmen Glockenbrot, Kronenbrot und<br />
Mestemacher konnten seit 2009 Umsatzzuwächse erwirtschaften.<br />
» Damit die Maschinen die<br />
Menschen nicht überholen, ist es<br />
möglich, das ‚Harry-Zertifikat‘ zu<br />
erwerben.«<br />
Norbert Schrader,<br />
Gesamtbetriebsratsvorsitzender<br />
gisch die Produktauswahl optimierte und insbesondere<br />
in den Wachstumsmarkt der Bake-off-Produkte investierte.<br />
Zweitens nahm Harry-Brot den intensiven Preisund<br />
Wettbewerbsdruck an und investierte kontinuierlich<br />
in Personal, Produktionsanlagen und -technologie.<br />
Zu Besuch bei Harry-Brot<br />
Im Werk Soltau, das 2009 in Betrieb gegangen ist, ist die<br />
Arbeit der Zukunft schon Gegenwart. Hier wird Brot am<br />
Computer gebacken. Keine der Zutaten werden mit der<br />
Hand zugeführt, alle Prozesse werden zentral gesteuert.<br />
Sensoren regeln die Teigzufuhr. Der Mensch überwacht<br />
nur noch. Selbst in der Verpackung legen Roboterarme<br />
das geschnittene und abgepackte Brot in die Transportkartons.<br />
Geplant ist, den Standort Soltau mit seinen zwei<br />
Werken „warm“ und „Tiefkühl“ bis Ende des Jahres weiter<br />
auszubauen und die Beschäftigung von 370 auf 400<br />
aufzustocken.<br />
In der Schaltwarte gibt Thomas Hewekerl, stellvertretender<br />
Schichtführer, die Taktung vor.<br />
Fort- und Weiterbildung hat einen hohen Stellenwert. 90<br />
Prozent der im Werk Beschäftigten können alle Anlagen<br />
fahren. Einfache Tätigkeiten gibt es kaum noch.<br />
Harry-Brot konnte auch deswegen seit 2009 wachsen,<br />
weil das Unternehmen erstens konsequent und strate<strong>einigkeit</strong><br />
2-<strong>2017</strong><br />
23
Pro Linie verlassen 3.000 Vital-Brote stündlich den Reinraum. An den vier Linien in der Verpackung arbeiten in einer Schicht nur noch 15 Leute.<br />
Während der Arbeitszeit werden im Werk Schenefeld<br />
ein halbes Jahr lang jeweils 15 Beschäftigte im Alter von<br />
25 bis 55 Jahren fit gemacht für neue Produkte sowie die<br />
Arbeit an modernisierten und neuen Anlagen. Mit dem<br />
begehrten Harry-Zertifikat ist es möglich, sich zu „bewerben”,<br />
wenn ein Platz als Maschinenführer frei wird.<br />
Neuartige Verkaufskonzepte ermöglichen es dem Verbraucher<br />
seit einigen Jahren, im Supermarkt frische Waren<br />
zum Preis industrieller Produkte zu erwerben. Der<br />
zusätzliche Gang zum Bäcker wird damit überflüssig,<br />
„One-Stop-Shopping” heißt das. Davon profieren vor allem<br />
die Liefergroßbäckereien.<br />
Akteure der Branche:<br />
Lieferbäckereien wie Harry-Brot, Lieken, Aryzta<br />
Bakeries Deutschland, Glockenbrot, BonBack,<br />
Mestemacher und Kronenbrot und Filialbäckereien<br />
wie z. B. K&U, Steinecke oder Kamps.<br />
Auch der Druck durch den Lebensmitteleinzelhandel<br />
(LEH) nimmt stetig zu. Zum einen produzieren LEH-Konzerne<br />
wie EDEKA und Lidl selbst Brot- und Backwaren.<br />
Zum anderen werden neben einer großen Produktvielfalt,<br />
hohe Qualität und Flexibilität sowie bundesweite Verfügbarkeit<br />
der Produkte erwartet. Das geht nur mit immer<br />
effizienteren Logistikkonzepten.<br />
Zudem drückt der Handel auch beim Brot stetig die Preise.<br />
Darauf reagieren die Produzenten mit Automatisierung,<br />
um so ihre Produktivität zu steigern. Betroffen sind<br />
dabei laut Branchenreport vor allem die Bereiche Anlieferung,<br />
Produktion, Verpackung, Logistik. Das Ziel ist<br />
klar: Effizienz- und Produktivität sollen zum einen über<br />
Geschwindigkeit bei der Fertigung und zum anderen<br />
durch Ersetzen von Handarbeit gesteigert werden. Noch<br />
ist kein Ende der Entwicklung abzusehen. Aufgrund des<br />
Wettbewerbsdrucks sind für die einzelnen Unternehmen<br />
Rationalisierungsinvestitionen unvermeidbar. Wer nicht<br />
nicht rechtzeitig und strategisch investiert, steht vor einer<br />
tiefgreifenden Reorganisationsphase.<br />
Bake-off: Brot- und Backwaren werden vorgebacken und anschließend schockgefroren oder frisch<br />
an die Filialen des Lebensmitteleinzelhandels oder Bäckereifilialen ausgeliefert und vor Ort aufgebacken.<br />
24<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
BRANCHE<br />
Praktikantin Laura Wejahn ist fasziniert von den Entwicklungsmöglichkeiten<br />
und wird ab August ihre Ausbildung zur Fachkraft für Lebensmitteltechnik<br />
beginnen. Immer mehr Frauen arbeiten in der Produktion.<br />
Norbert Schrader, GBR-Vorsitzender (r.), und Markuz Kerti, Betriebsratsvorsitzender<br />
im Harry-Werk Soltau, haben einen gewichtigen Anteil daran, dass<br />
es durch die Automatisierung keine betriebsbedingten Kündigungen gab.<br />
Innovative Personalentwicklung<br />
Und die Beschäftigten? Wie wirkt sich der Umbruch auf<br />
die Arbeitsverhältnisse aus? Während erfolgreiche Große<br />
wie Mestemacher oder Harry-Brot Fachkräfte anwerben,<br />
gehen bei den Wettbewerben Arbeitsplätze verloren.<br />
Auch die Art der Arbeit in der Brotindustrie verändert<br />
sich. Automatisierungsbedingt verlieren Tätigkeiten in<br />
der Fertigung und Verpackung an Bedeutung, während<br />
mehr qualifizierte Jobs in Bereichen wie Entwicklung,<br />
Qualitätssicherung, Administration, Vertrieb, Controlling,<br />
Einkauf, Dokumentation und Prozessplanung entstehen.<br />
Der klassisch handwerklich ausgebildete Bäcker oder<br />
Konditor spielt eine zunehmend untergeordnete Rolle,<br />
vielmehr sind flexible Fachkräfte gefragt, die bereit sind,<br />
sich stetig weiter zu qualifizieren: Industriemechaniker<br />
und -elektriker für die Instandhaltung, Lebensmitteltechniker<br />
für die Qualitätssicherung, Prozessingenieure, Verfahrenstechniker<br />
und Prozessplaner, Teigmacher oder<br />
Maschinenführer. Von den Unternehmen erfordert das<br />
innovative Maßnahmen zur Personalentwicklung und<br />
Mitarbeiterführung, um Fachkräfte zu binden.<br />
Auch die älteren Beschäftigten müssen beim technischen<br />
Wandel mitgenommen werden, während die Jungen<br />
gezielt durch Aus- und Weiterbildung gefördert werden<br />
sollen. Belastungen müssen in Form von spezifischen<br />
Arbeitszeitregelungen und neuen Konzepten zum<br />
Gesundheitsschutz minimiert werden. Die körperlichen<br />
und psychischen Belastungen am Arbeitsplatz müssen<br />
vor dem Hintergrund der Arbeitsverdichtung, Stress,<br />
ausufernden Arbeitszeiten und des demografischen<br />
Wandels durch die Gefährdungsbeurteilung ermittelt<br />
werden, damit Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung<br />
gezielt umgesetzt werden können.<br />
Endlich die Schalter umlegen<br />
Zu guten Arbeitsbedingungen zählen auch langfristige<br />
Perspektiven und faire Entlohnung, die es nicht zuletzt<br />
allen Beschäftigten möglich macht, von ihrer Arbeit auskömmlich<br />
zu leben. Das geht nicht ohne Tarifverträge,<br />
die den veränderten Bedingungen Rechnung tragen.<br />
Beim größten Filialbäcker K+U (Schwarzwaldbrot) mit<br />
800 Filialen haben die Kolleginnen und Kollegen lange<br />
dafür gekämpft. Das seit dem 1. April <strong>2017</strong> geltende,<br />
neue Tarifpaket sieht unter anderem eine überproportionale<br />
Erhöhung der Auszubildenden-Entgelte sowie moderne<br />
Regelungen zur Arbeitszeitgestaltung vor. „Wir<br />
wünschen uns, dass nun auch bei den anderen Bäckern<br />
mal die Schalter umgelegt werden“, sagt K+U Betriebsrat<br />
Oliver Wanke, der glücklich über das Erreichte ist und<br />
dennoch weiß: „Mit den Veränderungen sind wir noch<br />
ganz am Anfang, der Druck nimmt weiter zu.”<br />
*Die Branchenstudie ist im Auftrag der NGG von der<br />
Beratungsgesellschaft SUSTAIN | CONSULT erstellt<br />
worden. Es wurden 18 Expertengespräche mit Betriebsräten,<br />
Geschäftsleitungen der industriellen<br />
Großbäckereien und Verbandsvertretern geführt. Die<br />
Studie ist ab Mitte Juli online verfügbar.<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
25
Vielen Dank für Eure Treue!<br />
In dieser Ausgabe gratulieren wir Mitgliedern, die im zweiten Quartal der Jahre 1947 (vor 70 Jahren) und 1967<br />
(vor 50 Jahren) in die Gewerkschaft NGG eingetreten sind. Seit mehr als 150 Jahren sind es die Mitglieder, die<br />
unsere Organisation zum dem macht, was sie ist: Eine starke und lebendige Gewerkschaft, die mit vollem Einsatz<br />
für ihre Mitglieder einsteht. Viele halten ihrer NGG über Jahrzehnte die Treue: Dafür sind wir dankbar und darauf<br />
sind wir stolz.<br />
Seit 75 Jahren Mitglied<br />
Dortmund: Heinz Böcker<br />
Seit 70 Jahren Mitglied<br />
Baden-Württemberg-Süd: Erika Mende<br />
Bielefeld-Herford: Harald Herz, Rolf Kirchhoff,<br />
Helmut Weidenbrück<br />
Bremen-Weser-Elbe: Rolf Schäfer<br />
Darmstadt-Mainz: Walda Eberts, Albin Müller<br />
Detmold-Paderborn: Fritz Grothoff, Kurt Mellies<br />
Dortmund: Franz Göhr<br />
Dresden-Chemnitz: Herbert Engelmann,<br />
Helmut Lackert<br />
Hamburg-Elmshorn: Walter Boesch, Gustav Kibbert<br />
Mecklenburg-Vorpommern: Guenter Popp<br />
München: Erich Herbst<br />
Niederbayern: Peter Matzeder<br />
Nordrhein: Johann Gertzen, Josef Jansen<br />
Nürnberg-Fürth: Renate Hesslinger, Herbert Klemm,<br />
Georg Nether, Erhard Schuster, Berta Topsch<br />
Oberpfalz: Rudolf Koller, Elisabeth Maier<br />
Rosenheim-Oberbayern: Fritz Pfingstl<br />
Saar: Hans Schmitt<br />
Stuttgart: Alfred Ruehle<br />
Süd-Ost-Niedersachsen: Werner Krutzinna<br />
Südwestfalen: Gert Schroeder<br />
Ulm-Aalen/Göppingen: Erna Anwald<br />
Seit 50 Jahren Mitglied<br />
Aachen: Biserka Salz, Willi Schulz<br />
Allgäu: Fridolin Greither<br />
Baden-Württemberg-Süd: Hans Werner Axmann,<br />
Wolfgang Heinrich<br />
Berlin-Brandenburg: Günter Grabow, Rita Güldner,<br />
Alfred Schulz, Detlef Schünemann, Klaus Thust<br />
Bielefeld-Herford: Georg Keller, Wilhelm Miksch,<br />
Horst Peter Schmidt, Gabriele Teske<br />
Bremen-Weser-Elbe: Günther Ötting,<br />
Reinhold Peters, Gert Prange, Garmer Redenius,<br />
Friedhelm Vagt<br />
Bünde-Lübbecke-Minden: Klaus Brauswetter<br />
1947<br />
Vor 70 Jahren, im April 1947 wurde Hans Böckler<br />
in Bielefeld zum (aller-) ersten Vorsitzenden<br />
des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in der<br />
britischen Besatzungszone gewählt. Heute sind<br />
im DGB acht Gewerkschaften organisiert, auch<br />
die NGG. Weitere Infos:<br />
www.gewerkschaftsgeschichte.de<br />
26<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
Darmstadt-Mainz: Günther Feldmann,<br />
Martin Garcia, Angelika Scholz<br />
Detmold-Paderborn: Joachim Michler<br />
Dortmund: Heinrich Barg, Walter Diederich,<br />
Werner Haumann, Werner Hoevener,<br />
Rolf Neumann, Horst Tost, Günter Zelewski<br />
1967<br />
Dresden-Chemnitz: Marlene Demmrich,<br />
Marlies Müller, Joachim Pester, Marita Rädler<br />
Düsseldorf-Wuppertal: Gerd Heuer, Harald Hoffmann,<br />
Petronella Just, Stevan Nadidai, Wolfgang Schleberger<br />
Hamburg-Elmshorn: Bernd Heller, Clemens Müller,<br />
Jürgen Selke<br />
Hannover: Herbert Howind, Gero Pitschmann,<br />
Robert Siewecke, Edward Weirauch<br />
Köln: Marie-Luise Esch<br />
Krefeld-Neuss: Heinz Burbach, Ursula Herhold,<br />
Rolf Ohlenforst<br />
Lübeck: Rainer Narloch, Hugo Terk<br />
Lüneburg: Hermann Meyer, Henning Vesper,<br />
Kurt Ziech<br />
Magdeburg: Norbert Gorzny, Michael Müller<br />
Mannheim-Heidelberg: Hannelore Weber<br />
Mecklenburg-Vorpommern: Brigitte Boettner,<br />
Juergen Reinhard<br />
Mittelbaden-Nordschwarzwald: Georg Roller<br />
München: Irmgard Baumgärtner, Lothar Brandt,<br />
Matthias Fischer, Helmut Skant, Heinrich Zitzer<br />
Münsterland: August Robbe<br />
Niederbayern: Alois Osterkorn, Johann Schmideder<br />
Nord-Mittelhessen: Udo Ackermann, Günther Barth,<br />
Helmut Werner<br />
Oberfranken: Barbara Fischer<br />
Oberpfalz: Ernst Maier, Johann Vest<br />
Rhein-Main: Lothar Hillgaertner, Erika Seidel,<br />
Lydia Woelfinger<br />
Internationale Solidarität und der „Blick über den Tellerrand“ war<br />
und ist für die Gewerkschaft NGG selbstverständlich. Am 1. Juni<br />
1967 titelte die „<strong>einigkeit</strong>“: „Griechenland – das Ende der Demokratie“<br />
und informierte über den gewaltsamen Putsch durch<br />
das griechische Militär vom 21. April 1967.<br />
Schwarzwald-Hochrhein: Herta Ette, Siegfried Maier,<br />
Manfred Reisinger<br />
Stuttgart: Karl-Heinz Brettnich, Helmuth Lang<br />
Süd-Ost-Niedersachsen: Margrit Hennig,<br />
Ursula Kosinski, Klaus-Dieter Meyer, Hans-Josef Schan<br />
Südwestfalen: Heinz Borchardt, Ernst-Dieter Schwarze<br />
Thüringen: Wolfgang Puffky, Brigitte Schüler,<br />
Harry Teichmann<br />
Trier: Katharina Goerres, Walter Hoffeld<br />
Ulm-Aalen/Göppingen: Maria Freimeier<br />
Unterfranken: Dieter Schmidt<br />
Ruhrgebiet: Gerhard Kutta, Hans Mose,<br />
Norbert Putzig, Alfred Schwede<br />
Saar: Klaus Rink, Karl Triem<br />
Schleswig-Holstein Nord: Hermann Lassen<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
27
NGG AKTIV<br />
Mitreden von Arbeitszeit<br />
bis Lohnlücke<br />
In den acht DGB-Gewerkschaften sind rund zwei Millionen Frauen organisiert, das entspricht<br />
knapp 34 Prozent. Bei der NGG liegt ihr Anteil an der Mitgliedschaft bei 42 Prozent.<br />
Keine Frage also, dass die Gewerkschaft bei Frauenthemen besonders aktiv ist.<br />
In der NGG arbeiten viele daran, die Nachteile, die Frauen in den Betrieben hinnehmen<br />
müssen, abzubauen. Angewiesen ist die Gewerkschaft dabei nicht zuletzt auf ihre Mitglieder,<br />
die sich ehrenamtlich engagieren. Wie Suzann Dräther: Die 51-Jährige ist Betriebsratsvorsitzende<br />
bei Homann Feinkost in Bottrop. Darüber hinaus ist sie die stellvertretende Vorsitzende<br />
im Bundesfrauenausschuss und arbeitet ehrenamtlich auch im Hauptvorstand.<br />
Foto: NGG<br />
Suzann Dräther macht den Frauen Mut, sich zu<br />
beteiligen: „Mitmachen heißt mitentscheiden.“<br />
» Die jüngeren Frauen<br />
und Männer ziehen<br />
heute öfter an einem<br />
Strang als früher.«<br />
Suzann Dräther<br />
Zur Person<br />
Suzann Dräther (51) ist als ausgebildete<br />
Fachkraft für Lebensmitteltechnik<br />
heute Betriebsratsvorsitzende<br />
bei der Homann Feinkost GmbH<br />
in Bottrop, arbeitet ehrenamtlich im<br />
NGG-Hauptvorstand mit, ist stellvertretende<br />
Vorsitzende im Bundesfrauenausschuss<br />
und im NRW-Landesfrauenausschuss<br />
aktiv.<br />
Gerechter Lohn<br />
Bei den NGG-Frauen ist die ungerechte Bezahlung eines der Hauptthemen. Der sogenannte<br />
„Gender Pay Gap“: Frauen verdienen durchschnittlich 21 Prozent weniger als<br />
Männer und oft verdienen sie auch im eigenen Betrieb für die gleiche Arbeit weniger als<br />
ihre Kollegen. Entgeltgleichheit durchzusetzen, ist deshalb eine Zukunftsaufgabe. Ihre<br />
NGG, lobt Dräther, hat diese mit der "Initiative Lohngerechtigkeit: was uns zusteht", aufgegriffen.<br />
Suzann Dräther, die sich seit Jahren darum kümmert, die (Frauen-)Arbeitswelt zu verbessern,<br />
ist nicht nur über jede und jeden froh, der dabei mit hilft. Sie weiß aus eigener Erfahrung,<br />
dass Erfolge auch davon abhängen, wie stark die Gewerkschaft ist und wie engagiert<br />
ihre Mitglieder sind. Frauen müssen Überzeugungsarbeit leisten, trotz vieler Fortschritte und<br />
trotz Quoten. Denn die Männer stehen nicht nur auf Arbeitgeberseite meist an der Spitze,<br />
sondern auch in vielen Betriebsräten. Sie würden das Problem oft gar nicht sehen oder nicht<br />
als ungerecht empfinden. Auch die Frauen selbst begnügen sich zu oft mit einem achselzuckenden<br />
„das ist halt so“, bedauert die Betriebsratsvorsitzende. Aber, sie hat auch eine gute<br />
Nachricht: „Die jüngeren Frauen und Männer ziehen heute öfter an einem Strang als früher.“<br />
Derzeit kämpfen alle gemeinsam um den Erhalt der Homann-Standorte (siehe auch Seite 29).<br />
Engagement gefragt<br />
Bis die Ziele erreicht sind, braucht es noch einiges an Engagement: Ob im Betriebsrat, den<br />
NGG-Frauen-Netzwerken, den Frauenausschüssen der Regionen und Landesbezirke oder<br />
dem Bundesfrauenausschuss, den Tarifkommissionen oder in den NGG-Vorständen. Dabei<br />
geht es nicht nur um Lohngerechtigkeit. Das Thema Arbeitszeit gehört ebenfalls dazu und –<br />
nicht erst seit heute – die Arbeit 4.0. Bei der Gestaltung der digitalen Arbeit will die NGG<br />
gehört werden: Mitbestimmen wollen die Frauen ebenso wie die Männer. Damit es bei flexibler<br />
Arbeit künftig nicht um den 24-Stunden-Job geht, sondern um eine Arbeitszeit, die mit<br />
dem Beruf und der Familie vereinbar ist. Es ist sowohl eine gesellschafts- wie auch tarifpolitische<br />
Debatte, die geführt wird. Gefordert sind hier Betriebsräte, die Politik und die Frauen<br />
selbst. Denn es wird weiter viel Arbeit geben, an der sich jede beteiligen kann.<br />
Mehr erfahren über die Aktivitäten der NGG-Frauen und alle Landesbezirksfrauenkonferenzen<br />
unter: www.ngg.net/gleichstellung.<br />
28<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
Unser neuer Mann<br />
an der Spitze<br />
Der Beirat, das höchste Gremium der NGG zwischen den Gewerkschaftstagen, hat<br />
Guido Zeitler zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.<br />
„Für mich ist es wichtig,<br />
die Menschen zum Mitmachen<br />
zu bewegen und<br />
gemeinsam für faire Löhne<br />
und gute Arbeitsbedingungen<br />
zu kämpfen. Wir<br />
brauchen die Mitarbeit<br />
der Mitglieder, ohne das<br />
Engagement jedes Einzelnen<br />
entwickeln wir keine<br />
Durchsetzungskraft.“ Für<br />
Guido Zeitler, den neuen<br />
Mann im dreiköpfigen Geschäftsführenden<br />
Hauptvorstand,<br />
ist Gewerkschaftsarbeit<br />
eine echte Gemeinschaftaufgabe.<br />
Einen besonderen Fokus möchte Guido<br />
Guido Zeitler ist seit März stellvertretender<br />
NGG-Vorsitzender.<br />
Foto: Alexander Paul Englert<br />
Zeitler, der seit zehn<br />
Jahren das Referat<br />
Gastgewerbe leitet,<br />
darauf legen, junge<br />
Menschen für die<br />
NGG zu begeistern.<br />
Die Wahl eines neuen<br />
stellvertretenden Vorsitzenden<br />
war wegen<br />
des Rücktritts des<br />
bisherigen NGG-Vizes<br />
Burkhard Siebert notwendig<br />
geworden.<br />
Burkhard Siebert ist<br />
zurückgekehrt an seine<br />
alte Wirkungsstätte und arbeitet als Geschäftsführer<br />
der NGG-Region Heilbronn.<br />
» Wir müssen vor allem<br />
die jungen Menschen<br />
begeistern.«<br />
Guido Zeitler<br />
Zur Person<br />
• Gelernter Hotelfachmann<br />
• Seit 1993 NGG-Mitglied<br />
• Ab 2000 Gewerkschaftssekretär<br />
in der Region München<br />
• Seit 2007 Referatsleiter<br />
Gastgewerbe<br />
Mehr Informationen online<br />
www.ngg.net/interview-gz<br />
NGG VOR ORT<br />
Riesiger Protest<br />
Foto: NGG<br />
Am 30. April haben in Dissen mehrere Tausend Menschen gegen die drohende Werkschließung protestiert.<br />
Seit 140 Jahren werden im niedersächsischen<br />
Dissen im Namen des Firmengründers<br />
Fritz Homann Lebensmittel hergestellt.<br />
Heute werden im Homann-Stammwerk vor<br />
allem Feinkostsalate und Saucen produziert<br />
– noch. Ende April hat die Konzernmutter,<br />
die Theo-Müller-Unternehmensgruppe,<br />
überraschend die Schließung verkündet.<br />
Schon 2<strong>02</strong>0 soll in Dissen und an drei weiteren<br />
Standorten in Bad Essen-Lintdorf,<br />
Bottrop und Floh-Seligental Schluss sein,<br />
die Produktion soll in ein brandneues Werk<br />
bei Dresden verlegt werden, dort sind die<br />
Personalkosten niedriger. Der Protest gegen<br />
die Schließungspläne, von denen 1.550 Beschäftigte<br />
betroffen sind, ist riesig. Unter<br />
dem Motto „Dissen ist Homann“ haben<br />
Ende April mehrere Tausend Menschen gegen<br />
die Werkschließung protestiert. Die NGG<br />
und die Betriebsräte vor Ort wollen um jeden<br />
Arbeitsplatz kämpfen. Uwe Hildebrand, Geschäftsführer<br />
der NGG in Osnabrück: „Die<br />
Hoffnung ist noch nicht gestorben. Tarifnachverhandlungen<br />
und Arbeitskampf sind<br />
die vielversprechendsten Mittel, um den<br />
Druck zu erhöhen.“<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
29
Fotos: Oliver Dietze / Fotoagentur FOX<br />
Täglich auf allen Kanälen kommunizieren und Mitbestimmung stärken: Gewerkschaftssekretärin Jessica<br />
Reckler (l.) und Geschäftsführer Mark Baumeister haben im Saarland die Ziele für die NGG genau vor Augen.<br />
Vom „Grillen für Kohle“<br />
und anderen guten Ideen<br />
Wer im Saarland erfolgreich sein will, der muss wissen, wie die Wurst auf dem Rost<br />
geschwenkt wird. Oder besser gesagt, wie der Saarländer so tickt. Mark Baumeister, Geschäftsführer<br />
der NGG-Region Saar, und seine Kolleginnen können ein Lied davon singen<br />
und die „<strong>einigkeit</strong>“ hat gut zugehört.<br />
Fünf Landesbezirke, 50 Regionen:<br />
www.ngg.net/vorOrt<br />
Auf einen Blick<br />
Region Saar<br />
region.saar@ngg.net<br />
www.ngg.net/saar<br />
Mitglieder: ca. 3.000<br />
Fläche: ca. 2.569 km²<br />
Lebensgefühl:<br />
„Hauptsach gut gess!“<br />
„Wer zu uns kommt, hat ein existenzielles<br />
Anliegen“, weiß Mark Baumeister, der seit<br />
2010 für die NGG tätig und seit 2011 Geschäftsführer<br />
in Saarbrücken ist. Deshalb<br />
sorgt er gemeinsam mit seinen Kolleginnen<br />
Jessica Reckler, Inga Schneider, Karin Batz,<br />
Ute Weber und der Hündin Maggy dafür,<br />
dass das Büro eine helle und freundliche<br />
Wohlfühloase mit grünem Teppich, meditativen<br />
Bildern und reichlich gutem Kaffee ist.<br />
„Wir haben weit mehr als 600 Rechtsberatungen<br />
im Jahr“, gibt die Gewerkschaftssekretärin<br />
Jessica zu bedenken. „Wir wollen<br />
Barrieren ab- und Vertrauen aufbauen!“<br />
Zum Büro gehört ein Sitzungssaal, in dem<br />
auch Lesungen und andere kleine Kulturveranstaltungen<br />
stattfinden.<br />
Kommunizieren auf allen Kanälen<br />
Überhaupt die Außenwirkung. Sie ist Marks<br />
Steckenpferd. Pressearbeit, Netzwerken, soziale<br />
Medien bespielen: Der agile Rudersportler<br />
setzt sich unermüdlich für die etwa<br />
3000 NGG-Mitglieder im Saarland ein. Mit<br />
Erfolg: Zuwachs vier bis sechs Prozent jährlich.<br />
Gemeinsam mit Jessica und Inga beackert<br />
er Unternehmen und Verbände, Politik,<br />
Wirtschaftsförderung und – nach hartnäckigem<br />
Kampf – auch die Berufsschulen.<br />
Die NGG-Region Saarland ist industriell geprägt.<br />
Leuchtturmbetrieb ist Nestlé Wagner<br />
Pizza, wo innerhalb weniger Jahre 500 Mitglieder<br />
gewonnen werden konnten. Stehen<br />
Tarifverhandlungen an, so organisieren die<br />
Hauptamtlichen ihr „Grillen für Kohle“. So<br />
auch demnächst bei Schröder Fleischwaren,<br />
dem Produzenten der Lyoner Fleischwurst,<br />
die vom regionalen Speiseplan nicht wegzudenken<br />
ist. Drittes wichtiges Unternehmen<br />
im Land ist die Karlsberg Brauerei. Hier sind<br />
30<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
NGG VOR ORT<br />
Sorgen bei der NGG in Saarbrücken für ein „Wohlfühl“-Büro: (v.l.n.r.) Mark Baumeister, Inga Schneider,<br />
Jessica Reckler und Karin Batz<br />
38 Prozent der Beschäftigten NGG-Mitglieder.<br />
„Ein Jahr lang haben wir dort gemeinsam<br />
in Workshops die Themen für die anstehenden<br />
Tarifverhandlungen definiert“, erzählt<br />
Mark. „Wie auch bei Nestlé Wagner<br />
haben wir erreicht, dass Gefährdungs- und<br />
Demografie-Analysen erstellt werden.“ Bei<br />
Karlsberg sei im Übrigen der Geschäftsführer<br />
der Brauerei selbst NGG-Mitglied. Auch<br />
der ehrenamtliche Regionsvorstand, Dieter<br />
Schunck, ist von Karlsberg. Die Zusammenarbeit<br />
mit Geschäftsführer Baumeister sei<br />
super, erzählt er. Gerade mobilisiert der freigestellte<br />
Betriebsrat für die DGB-Aktion<br />
„Rente muss fürs Bierchen reichen“. Aber<br />
auch die Auswirkungen der zunehmenden<br />
Automatisierung sind für ihn ein wichtiges<br />
Anliegen.<br />
Die „Saarländische Lösung“<br />
Seit dem Niedergang von Bergbau und dem<br />
Kampf um die Stahlindustrie gilt die Region<br />
als strukturschwach. Nicht zuletzt das macht<br />
das Land zu einer rechten Hochburg, in der<br />
AFD und NPD oft gemeinsam auftreten. Hinzu<br />
kommen diverse Bauskandale und ausgeprägte<br />
politische Seilschaften. Nicht ganz<br />
einfache politische Verhältnisse, in denen<br />
man Probleme gern auf die „saarländische<br />
Art“ löst. „Für uns heißt das, täglich klar und<br />
auf allen Kanälen zu kommunizieren. Der<br />
Deutsche Hotel-und Gaststättenverband DE-<br />
HOGA zum Beispiel übt starken Druck auf<br />
die Politik aus. Da halten wir inzwischen erfolgreich<br />
dagegen“, erklärt Mark.<br />
Dass das Saarland auch in punkto Mitbestimmung<br />
„Entwicklungsland“ ist, wird<br />
schnell deutlich: Von 200 Hotels im Land hat<br />
nur Center Parcs einen Betriebsrat. Tarifvertrag<br />
Fehlanzeige, Fördergelder hingegen<br />
reichlich! „Vorrangiges Ziel muss die Stärkung<br />
der Mitbestimmung im Gastgewerbe<br />
sein. Bisher bringt fast jedes neu gewonnene<br />
Mitglied ein arbeitsrechtlich relevantes Anliegen<br />
mit!“, berichtet Jessica. Durchgesetzt<br />
hat sich die NGG bei dem seit 2016 geltenden<br />
Manteltarifvertrag im Hotel- und Gaststättengewerbe,<br />
der übrigens nur für Mitglieder<br />
gilt. Neben einem Arbeitszeitmodell gibt<br />
es ein Verbot von 12-Stunden-Schichten sowie<br />
moderne Regelungen zur Vereinbarkeit<br />
von Beruf und Familie. Bundesweit fordert<br />
der DEHOGA allerdings die Flexibilisierung<br />
der Arbeitszeit.<br />
Full-Time Gewerkschafter<br />
Großes entstehe hier im Saarland eben immer<br />
im Kleinen, deshalb entwickelte Mark<br />
Schwerpunkte für die Ziele in diesem Jahr:<br />
Betriebsräte schulen, Werber-Seminare organisieren,<br />
Bildungsarbeit, jungeNGG neu<br />
formieren, Frauen- und Seniorenarbeit unterstützen.<br />
Zum Thema Arbeit 4.0 wurden<br />
2016 zwei Betriebsrätekonferenzen organisiert.<br />
Mark, Inga und Jessica sind sich einig:<br />
„Gewerkschaftsarbeit ist ein Fulltime-Job. Irgendetwas<br />
passiert immer, häufig am Wochenende.<br />
Gemeinsam mit dem Service-<br />
Team der NGG in Hamburg sind wir halt immer<br />
da, wenn wir gebraucht werden!“<br />
» Die gesetzliche<br />
Alterssicherung ist<br />
derzeit unser<br />
drängendstes Thema.«<br />
Dieter Schunck,<br />
Betriebsratsvorsitzender der Karlsberg<br />
Brauerei GmbH und ehrenamtlicher<br />
Regionsvorstand der NGG-Region Saar<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
31
Auf (gar nicht so)<br />
fremdem Terrain<br />
Juli, August, September<br />
Nur noch wenige Seminarplätze<br />
frei:<br />
Großer Andrang, spannende Gespräche: NGG zu Gast auf dem Evangelischen Kirchentag.<br />
Foto: NGG<br />
ó Öffentlichkeitsarbeit des<br />
Betriebsrats<br />
2. bis 7. Juli <strong>2017</strong><br />
ó Redetechnik 1<br />
16. bis 21. Juli <strong>2017</strong><br />
ó Betriebsverfassung 1<br />
13. bis 18. August <strong>2017</strong><br />
ó Betriebsverfassung 2<br />
(in Bad Münder)<br />
17. bis 22. September <strong>2017</strong><br />
ó Jugend- und Auszubildendenvertretung<br />
2<br />
3. bis 8. September <strong>2017</strong><br />
ó Der PC im Betriebsratsbüro 1<br />
10. bis 15. September <strong>2017</strong><br />
Über 120.000 Menschen sind vom 24. bis 28. Mai zu den mehr als 2.500 Veranstaltungen<br />
des Deutschen Evangelischen Kirchentags nach Berlin und Wittenberg<br />
gekommen. Die NGG im Landesbezirk Ost hat die Gelegenheit genutzt, dem<br />
jungen und politisch interessierten Publikum die Ziele und Aufgaben unserer<br />
Gewerkschaft zu verdeutlichen. Am NGG-Stand wurden unzählige spannende<br />
Gespräche geführt: Immer wieder wurde festgestellt, dass es große Schnittmengen<br />
zwischen engagierten Gewerkschaftern und christlichen Kirchentagsbesuchern<br />
gibt: Ob unfaire Arbeitsbedingungen und Ausbeutung, Steuervermeidung<br />
von Konzernen oder Altersarmut – bei vielen Themen war man sich schnell einig.<br />
Kurswechsel jetzt!<br />
Bildungszentrum Oberjosbach<br />
info@bzo.de ó www.bzo.de<br />
Telefon 06127 9056-0<br />
Bildungspartner der Gewerkschaft<br />
Nahrung-Genuss-Gaststätten<br />
Die Gewerkschaften fordern einen Kurswechsel in der Rentenpolitik.<br />
An 300 Standorten waren am 31. Mai deutschlandweit engagierte Gewerkschaftsmitglieder<br />
zu frühmorgendlicher Stunde im Einsatz und haben über die<br />
Kampagne „Rente muss reichen“ informiert. Mit ihrer Kampagne wollen die Gewerkschaften<br />
im Deutschen Gewerkschaftsbund bis zur Bundestagswahl im<br />
Herbst Druck machen für einen echten Kurswechsel in der Rentenpolitik. Denn<br />
wenn das Rentenniveau, wie aktuell geplant, noch weiter sinkt, droht für viele<br />
Altersarmut und sozialer Abstieg.<br />
Viele weitere Infos: www.rente-muss-reichen.de<br />
Foto:Marta Krajinovic/DGB<br />
32 <strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
Vorlesen<br />
KOPF UND BAUCH<br />
Mark Baumeister, Geschäftsführer der NGG-Region Saarland, empfiehlt<br />
„Veronika beschließt zu sterben“ von Paulo Coelho.<br />
Die Geschichte einer jungen Frau, die sterben will und<br />
erst angesichts des Todes entdeckt, wie schön das Leben<br />
sein kann. Der 24-jährigen Veronika fehlt es an<br />
nichts. Und doch entschließt sie sich, Selbstmord zu<br />
begehen. Der Versuch scheitert; sie wird in eine Klinik<br />
eingewiesen. Hier prognostizieren die Ärzte, dass sie<br />
innerhalb einer Woche an den Spätfolgen der Tablettenüberdosis<br />
sterben wird. Angesichts der kurzen ihr<br />
noch verbleibenden Zeit erlaubt sich Veronika endlich<br />
so zu sein, wie sie es für richtig hält.<br />
Vorlesen lassen: „Veronika beschließt zu sterben“ ist auch als Hörbuch<br />
erschienen und sowohl auf CD, als auch als Download bei<br />
allen gängigen Online-Portalen erhältlich.<br />
Podcasts sind<br />
im Kommen<br />
Wer lässt sich nicht gern vorlesen? Immer mehr Deutsche hören „Podcasts“, also<br />
Hörbeiträge, die über das Internet abrufbar sind. Ob in der Bahn, beim Joggen<br />
oder Putzen – gut aufbereitete, spannende Themen und Informationen finden<br />
immer mehr Zuhörer. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk und überregionale<br />
Zeitungen investieren in Podcasts. Ausgewählte, kostenlose Podcasts:<br />
www.deutschlandfunk.de/podcasts<br />
Seit über 150 Jahren ...<br />
… ist der Vorleser das Symbol der<br />
NGG. Er geht auf die Zigarrenmacher<br />
im 19. Jahrhundert zurück.<br />
Weil ihre Arbeit monoton und leise<br />
war, bestimmten sie einen Vorleser<br />
aus ihren eigenen Reihen. Er trug<br />
aus Romanen, Zeitungen und politischen<br />
Schriften vor – die Zigarrenmacher<br />
wurden zu gut informierten<br />
Bürgern. So gestärkt gründeten sie<br />
den ersten zentral organisierten Verbund<br />
der deutschen Arbeiterbewegung,<br />
aus dem die NGG hervorging.<br />
Die „<strong>einigkeit</strong>“ stellt alte und neue<br />
Vertreter dieser Tradition vor und<br />
fragt NGG-Mitglieder, was sie gerade<br />
besonders gern (vor)lesen.<br />
Der neue<br />
Vorleser<br />
Die NGG-Region Aachen hat die Idee<br />
des Vorlesers neu belebt. Regelmäßig<br />
werden lokale Ereignisse rund um die<br />
Gewerkschaftsarbeit als Audio-Datei angeboten.<br />
Ergänzt durch interessante<br />
Links und Zusatzinformationen soll so<br />
nach und nach ein hörbares Wissens-<br />
Archiv entstehen.<br />
www.ngg-aachen.de/der-neue-vorleser<br />
Murmel<br />
Murmel<br />
Anders als heute waren Bibliotheken<br />
früher keine stillen Orte – man muss<br />
sich ein vielstimmiges Gemurmel vorstellen.<br />
Erst seit dem 9. Jahrhundert ist<br />
das stille Lesen üblich. Allerdings war<br />
die Kunst des Lesens damals nur wenigen<br />
vorbehalten.<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong><br />
33
KOPF UND BAUCH<br />
Nachlesen<br />
Wir freuen uns ...<br />
... auf Post via E-Mail an<br />
redaktion@ngg.net.<br />
Ihr habt Fragen, Anregungen oder<br />
Kritik? Dann diskutiert mit uns auf<br />
www.facebook.com/<br />
gewerkschaftNGG<br />
und<br />
www.twitter.com/<br />
gewerkschaftNGG<br />
Die Nachlese bietet Raum für die Leserinnen und Leser der „<strong>einigkeit</strong>“. Hier<br />
veröffentlichen wir Leserbriefe an die Redaktion und informieren, was sich seit<br />
der vorherigen "<strong>einigkeit</strong>" getan hat.<br />
Modern und informativ<br />
Die neue Aufmachung, modern und informativ,<br />
gefällt mir sehr gut – Lob für das Abschneiden<br />
alter Zöpfe.<br />
Peter Artzen zur neu gestalteten „<strong>einigkeit</strong>“<br />
Besser als 1987<br />
Herzlichen Glückwunsch zur neuen „<strong>einigkeit</strong>“.<br />
Besser als alles, was ich seit 50 Jahren gelesen<br />
habe, einschließlich der Ausgabe März 1987,<br />
in der ich auf dem Titelbild war.<br />
Uwe R. Westphal ebenfalls zur „<strong>einigkeit</strong>“<br />
Tarifrunde Systemgastronomie<br />
Ohne Ergebnis hat die NGG Anfang April die vierte Verhandlung für die 100.000<br />
in der Systemgastronomie Beschäftigten abgebrochen. „Das Angebot der Arbeitgeber<br />
von 8,90 Euro pro Stunde in der untersten Tarifgruppe ist völlig inakzeptabel“,<br />
hat Guido Zeitler, stellvertretender NGG-Vorsitzender und Verhandlungsführer,<br />
erklärt. Die NGG wird weiter mobilisieren.<br />
Coca-Cola – Abschluss!<br />
Für die 8.000 Beschäftigten hat NGG Ende April einen neuen Tarifvertrag abgeschlossen:<br />
Er sieht unter anderem die Erhöhung aller Entgelte und Auszubildendenvergütungen<br />
von 2,2 Prozent rückwirkend zum 1. Januar <strong>2017</strong> vor. Ab dem<br />
1. Januar 2018 steigen die Entgelte aller NGG-Mitglieder um weitere 100 Euro<br />
pro Monat. Das entspricht einer Erhöhung von 3,6 Prozent. Die Ausbildungsvergütungen<br />
steigen in 2018 um 50 Euro monatlich. Verhandlungsführer Freddy<br />
Adjan: „Die unteren Lohngruppen profitieren überdurchschnittlich. Ohne bundesweite<br />
Warnstreiks wäre das Ergebnis nicht möglich gewesen.“<br />
Ausblick<br />
Die Bundestagswahl kündigt sich an, der Wahlkampf hat bereits begonnen. Die<br />
Gewerkschaften werden genau prüfen, wie sich die Parteien zu Arbeitnehmerrechten<br />
und Mitbestimmung aufstellen.<br />
Titelthema in der nächsten „<strong>einigkeit</strong>“ wird „Rente muss zum Leben reichen“<br />
sein: Wir fordern einen Kurswechsel der Bundesregierung in der Rentenpolitik.<br />
Gute Tarifverträge sichern gute Renten. Altersarmut ist ein Frauenthema. Tarifliche<br />
Altersvorsorge – diesen Spannungsbogen werden wir in der Ausgabe 3/<strong>2017</strong><br />
im Fokus beleuchten. Näher unter die Lupe nehmen wir die Süßwarenbranche.<br />
Vorstellen werden wir unsere NGG-Region Oldenburg-Ostfriesland.<br />
34<br />
<strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
IMPRESSUM<br />
Michaela Vermeij<br />
In eigener Sache<br />
Wir wollen die Umwelt schonen, Kosten<br />
senken und deshalb Doppellieferungen<br />
vermeiden. Unsere Bitte: Teilt Eurer<br />
Region oder der Redaktion mit, wenn in<br />
Euren Haushalt mehrere Ausgaben der<br />
„<strong>einigkeit</strong>“ geliefert werden, beispielsweise<br />
bei Ehepartnern oder Lebensgemeinschaften,<br />
und ein Exemplar des<br />
Magazins ausreicht.<br />
redaktion@ngg.net<br />
Solidaritätsfonds<br />
Aus dem Solidaritätsfonds für internationale<br />
gewerkschaftliche Arbeit unterstützt<br />
die NGG verfolgte GewerkschafterInnen<br />
und ihre Familien. Bitte helft mit und<br />
überweist eine Geldspende auf unser<br />
NGG-Konto:<br />
Landesbank Hessen-Thüringen<br />
IBAN: DE88 5005 0000 0001 03<strong>02</strong> 04<br />
BIC: HELADEFFXXX<br />
Verwendungszweck: Solidaritätsfonds<br />
Herausgeber<br />
Hauptvorstand der Gewerkschaft<br />
Nahrung-Genuss-Gaststätten<br />
Haubachstraße 76, 22765 Hamburg<br />
Tel. (040) 380130<br />
Fax (040) 38013220<br />
hv.redaktion@ngg.net<br />
Redaktion<br />
Gabriele Becker<br />
Jonas Bohl<br />
Birgit Böhret<br />
Mascha Jacobs<br />
Elke Spanner<br />
Dr. Karin Vladimirov (V.i.S.d.P.)<br />
Redaktionsschluss<br />
31. Mai <strong>2017</strong><br />
Magazinkonzept<br />
hofAtelier und<br />
Wellenschlag Textkontor, Bremen<br />
Titelfoto<br />
Uwe Völkner / Fotoagentur FOX<br />
Satz<br />
Malena Bartel<br />
Maren Eilers-Baetu<br />
Erscheinungsweise<br />
4 x jährlich<br />
Druck<br />
BWH GmbH<br />
Der Verkaufspreis ist im<br />
Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />
35
Stress im Job?<br />
www.bessere-loesung.de<br />
<strong>einigkeit</strong>: Auch als App<br />
Die „<strong>einigkeit</strong>“ gibt es auch als App: Das E-Paper ist vollgepackt<br />
mit spannenden Infos, Bildergalerien und Videos. Hol dir jetzt die<br />
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Mehr Infos: ngg.net/<strong>einigkeit</strong>