» Weil ich zutiefst überzeugt bin, dass Gewerkschaften wichtig sind, kann ich auch andere überzeugen.« Giesela Dost, Betriebsratsvorsitzende von Steinecke 18 <strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong>
MENSCHEN | PORTRÄT Die eigene Überzeugung weitergeben Knapp 2.000 Beschäftigte der „Brotmeisterei Steinecke“ betreut die Betriebsratsvorsitzende Giesela Dost. Bäckereien sind für die Gewerkschaft ein nicht ganz einfaches Feld, stellt die Fachverkäuferin fest. Foto: Uwe Völkner / Fotoagentur FOX Giesela Dost feiert bald ihre 25-jährige Mitgliedschaft bei der NGG. Einen erheblichen Teil dieser Zeit gehörte sie zu den passiven Gewerkschafterinnen, wie sie selbst einräumt. Als gelernte Fleischereifachverkäuferin liebte sie zwar ihren Beruf, doch engagierte gewerkschaftliche Arbeit kam ihr lange nicht in den Sinn. Das änderte sich 2010. Zuerst einmal hatte sie beschlossen, ihren Arbeitsplatz zu wechseln. Sie hielt die Arbeit in der immer kühlen Metzgerei körperlich nicht mehr aus. „Ich wollte einfach ins Warme“, begründet sie ihren Wechsel in eine Bäckereilfiliale. Im Familienunternehmen Steinecke verkaufte sie nun warmes Brot statt kalter Wurst. Und dort sollte dann vor sieben Jahren der erste Betriebsrat gegründet werden. Die NGG sprach sie an und die heute 60-Jährige stimmte zu. Mit überzeugenden Argumenten 50 neue Mitglieder Seit 2014 steht sie an der Spitze des Gremiums und sagt rückblickend: „Ohne die große Hilfe aus Braunschweig hätte ich das alles nicht geschafft.“ Schließlich gab es bislang keinen Betriebsrat in dem Unternehmen und so musste sie „erst das Laufen lernen“. In Braunschweig sitzt die NGG-Region Süd-Ost-Niedersachsen. Der Geschäftsführer Manfred Tessmann freut sich noch heute über die Zusage von Dost: „Sie hat ein natürliches Gerechtigkeitsgefühl“, lobt er. Zudem gelinge es ihr, in dem schwierigen Umfeld auch neue Mitglieder zu gewinnen. Das ist nicht immer ganz einfach, denn „viele wissen einfach nicht wirklich, was Gewerkschaft leisten kann“, hat Dost festgestellt. Da hilft nur stetiges Nachfragen und immer wieder miteinander reden. Bei ihren Besuchen in den einzelnen Filialen spricht sie ihre Kolleginnen und Kollegen deshalb immer wieder an. Mit Erfolg. Im vergangenen Jahr konnte sie 50 neue Mitglieder gewinnen. „Weil ich zutiefst überzeugt bin, dass Gewerkschaften wichtig sind, kann ich auch andere überzeugen“, ist ihre Erklärung. Bessere Arbeitszeiten dank „Mutti-Zeit“ Die Betriebsratsvorsitzende kann auch mit Erfolgen punkten. Mit ihren 16 Kolleginnen und Kollegen hat sie gerade die Unterschrift der Geschäftsführung für eine Betriebsvereinbarung bekommen. Es geht um bessere Arbeitszeiten. Intern läuft das unter „Mutti-Zeit“ erläutert Dost lachend. Konkret heißt das: Es gibt eine zusätzliche mittlere Schicht, die besser zu den Kindergartenzeiten des Nachwuchses passt. Bei den wenig attraktiven Arbeitszeiten im Bäckereigeschäft ein wichtiger Punkt. Ausgehandelt wurde auch eine bessere Bezahlung für so genannte Springer. Ein Plus von fünf Prozent gibt es für alle, die kurzfristig Lücken füllen müssen. Zwei Jahre dauerten die Verhandlungen, nun ist die Betriebsratsvorsitzende „auch ein bisschen stolz“ auf das Erreichte. Der Frauenanteil ist in der Branche besonders hoch, die Arbeitszeiten sind nicht sehr familienfreundlich. Qualifiziertes Personal ist entsprechend schwer zu finden. Sie selbst hatte den Vorteil, wie sie betont, dass ihre Familie ihre Arbeit – sei es noch als Fachverkäuferin, aber auch die durchaus zeitaufwendige Betriebsratsarbeit – immer unterstützt hat. Lob gibt es auch für die Geschäftsführung. Sie sei immer ansprechbar. Giesela Dost ist mit vollem Engagement dabei, obwohl sie „mit Leib und Seele“ Verkäuferin war und es durchaus Zeiten gab, in denen sie gerne beides miteinander verbunden hätte: Halb Verkauf, halb Betriebsrat. Denn manchmal denkt sie mit ein bisschen Wehmut an die Zeiten, zu denen es hieß: „Tag Frau Dost, ein Weißbrot bitte.“ <strong>einigkeit</strong> 2-<strong>2017</strong> 19