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Ovids Erotodidaktika<br />
als Trilogie<br />
– Von Yannick Spies –<br />
1 Und zwar in der Reihenfolge: Med. – Ars – Remed., die<br />
sich u. a. aus dem Rückbezug auf die Med. in Ars<br />
3,205 f. ergibt.<br />
2 Ich nehme hier gegen T. J. Leary an, dass die Med. ein<br />
vollständiges, normallanges Buch umfassten.<br />
3 Natürlich mit Ausnahme der unechten oder zumindest<br />
einer späteren Schaffensperiode zuzuordnenden<br />
Halieutica.<br />
Die drei Artes des Ovid werden zumeist<br />
als Einzelwerke betrachtet; wohl wird<br />
die engere Bindung, die zwischen<br />
Ars amatoria und Remedia amoris<br />
herrscht, allgemein anerkannt – doch<br />
gehören nicht auch die Medicamina faciei femineae<br />
sehr eng zu diesen beiden? Im folgenden<br />
möchte ich versuchen, diese literarischen Interdependenzen<br />
weit in eine Richtung auszuloten und<br />
die drei genannten Werke als Trilogie betrachten,<br />
also als aus drei Teilwerken zusammengesetztes<br />
Einzelwerk 1 ; dazu betrachte ich einerseits die äußere<br />
und dann die innere Einheit, d. h. lege dar,<br />
welche Gemeinsamkeiten die drei Werke gegenüber<br />
der Gattungstradition und dem Gesamtwerk<br />
Ovids auszeichnen und somit als Einheit erscheinen<br />
lassen, und werfe anderseits einen Blick auf<br />
die Bezüge zwischen den Teilwerken, die so weit<br />
kohärenzstiftend wirken, dass sie als kompositorische<br />
Merkmale gelesen werden können. Wegen<br />
der Enge des hier zur Verfügung stehenden Raumes<br />
denke ich hier nur einiges bezüglich der Makrostrukturen<br />
an und lasse die vielfältigen Einzelbezüge<br />
unberücksichtigt – und wenn man nicht<br />
unter die Ebene des Einzelbuches geht, ist nebenbei<br />
ja auch die Schwierigkeit zunächst eliminiert,<br />
dass die Med. nur fragmentarisch überliefert<br />
sind. 2 Ich möchte hier zudem lineare Kohärenzstrukturen<br />
– die fortlaufenden Textteile zu einem<br />
Ganzen verknüpfen – von hypertextuellen unterscheiden,<br />
die mehrere Werke über andere hinweg<br />
in Klammerstellung miteinander in Beziehung<br />
setzen. Dadurch, dass diese Bindungen im Falle<br />
der Ars einzelne von deren Büchern teils enger an<br />
eins der beiden anderen Teilwerke knüpfen als an<br />
die anderen Bücher desselben Teilwerks, wird die<br />
innere Einheit des Gesamtwerkes gegenüber der<br />
äußeren Einheit der Teilwerke sehr stark betont.<br />
Zunächst einmal setzt sich die Trilogie vom sonstigen<br />
Schaffen Ovids 3 dadurch ab, dass ihre Teilwerke<br />
in der Tradition des hellenistischen Lehrgedichts<br />
stehen; in diese Gattung aber bettet sie<br />
nicht nur der Inhalt, sondern auch die Titel Med.<br />
und Remed. ein, die mit ihrem pharmakologischen<br />
Vokabular die beiden äußeren Werke innerhalb<br />
des Gesamtwerks miteinander verklammern und<br />
sich zugleich gemeinsam auf zwei herausragende<br />
Vertreter der Gattung beziehen, nämlich auf die<br />
Θηριακά und die Άλεξιφάρμακα des Nikander<br />
von Kolophon.<br />
Von der Gattungstradition abgegrenzt und mehr<br />
dem übrigen Schaffen Ovids angenähert ist die<br />
Trilogie dagegen dadurch, dass sie das Lehrgedicht<br />
metrisch und inhaltlich in der erotischen<br />
Halbwelt der Elegie ausspielt. So wird die Trilogie<br />
in ovidianischer Ironie zu etwas Halbseidenem:<br />
außen Lehrgedicht, innen Elegie.<br />
Was die innere Einheit der Trilogie betrifft, so ist<br />
die thematische Einheit wohl evident; dagegen<br />
scheidet eine Einheit der Handlung, die sicheres<br />
Zeichen eines Gesamtwerkes wäre, natürlich aus,<br />
© Steve Delamare – Pygmalion, 2009<br />
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