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ALFRED SCHLACHER - Willingshofer EDV

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Lenz 1929<br />

Ach, wie ist die Zeit jetzt der Wunder voll! Die Zeit des jungen Lenzes.<br />

Lenz – man erlebt ihn nicht in der Stadt, seine wilde Schönheit<br />

hat nichts gemein mit den Steinen der Straße. Auch auf ebenem Land<br />

draußen magst du nicht seine ganze Herbe und Kraft spüren. Die<br />

lernst du erst in jenen tiefen Tälern kennen, in denen noch jungferlich<br />

wild die Wässerlein rauschen, vor einigen Stunden erst entsprungen<br />

der großen Mutter Erde, auf jenen Hängen und Höhen, auf denen der<br />

Bergbauer seine Schweißtropfen dem heiligen Boden opfert. Dort<br />

oben spürst du besonders, was Lenz eigentlich ist, merkst, dass es<br />

nicht der zarte Hauch erster Veilchen ist, die auf dem Busen schöner<br />

Stadtdamen duften, nicht die weiche Stimmung lauer Nachwinterstage,<br />

nicht der blauere Himmel, über den der Föhn einige Wölkchen<br />

steuert – das alles ist wohl Frühling, wie ihn stimmungsvolle Gedichte<br />

zeichnen, nicht aber der Lenz, der Lenz, der nichts ist als der urgewaltige<br />

Anfang des neuen Lebens, das Gott der Erde schenkt; der echtester<br />

Kampf ist des Neuen gegen das Alte, der so Kraftspender wird<br />

allen, die Kraft brauchen, Kraft des Kampfes im Kampf des Lebens.<br />

Das ist Lenz. Ich hab ihn erlebt. Und kann’s noch nicht fassen, dass<br />

ich ihn erleben durfte. Du Stadtkind, hineingestellt ins Ringen der reinen,<br />

heiligen Natur – welch Recht rühmst du dir zu, zu lauschen ihrem<br />

Leben, ihr Freundeshand zu bieten, du, aus einer Welt, die ihr feindlich<br />

ist, teilzuhaben an ihren Geheimnissen, mitzufühlen die Hochfeste<br />

ihres Kampfes ums heilige Leben?<br />

Der Sturm tobt um die Schindeldächer, unter dem Sternenhimmel<br />

jagen Nebelfetzen und in der Stube zieht der Rauch schwelend dem<br />

Kamin zu. Das war die Stunde, da ich Freundschaft schloss mit ihr,<br />

der Furchtbaren, der Erhabenen, der Segensspenderin, der großen<br />

Schweigenden, alles in einem in den Wechselzeiten des Jahres. Sie hat<br />

mir mit rauer Hand den Namen verlöscht, der ihr Leid war und mich<br />

in ihrem Mutterschoß empfangen zu neuer seliger Geburt.<br />

Nach der Messe – es ist der Freitag nach dem Weißen Sonntag – steige<br />

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