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Cornelia Feyrer* Communication, Code, Compliance, Culture ...

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<strong>Cornelia</strong> <strong>Feyrer*</strong><br />

<strong>Communication</strong>, <strong>Code</strong>, <strong>Compliance</strong>, <strong>Culture</strong>: Medical Translation and<br />

Its Didactics in a Globalized Context<br />

Abstract<br />

The specialized fi eld of medicine and health communication is a fi eld that, in times of globalization and<br />

internationalization, is characterized by tremendous cross-linkage and information fl ow between specialists inside<br />

and recipients outside the fi eld. Medical communication covers a large spectrum of technical degrees, text genres<br />

and constellations of interactants and is thus of unquestioned social relevance. Therefore, knowledge management,<br />

understandability, interdisciplinarity and interculturality are basic concepts of modern communication and LSP<br />

research as well as of cultural and translation studies.<br />

Translators are involved in distinctive interactional frames in medical communication with specifi cally determined<br />

(specialized) cultures. They are confronted with divergent demands of clients and recipients and must cope with a<br />

stratifi ed dynamic working context in their professional practice. Therefore, the fi eld of medicine is especially suitable<br />

in research and teaching to demonstrate the complexity of the language-, speciality-, and culture-specifi c knowledge<br />

transfer in translation.<br />

The contribution discusses from a didactic point of view some parameters of knowledge management and transfer in<br />

medical communication and translation. With the aim of pointing out cultural and social dimensions, it presents results<br />

and approaches taken from teaching units on medical translation. In this context the term compliance refers – beyond<br />

the medical concept – to the reality of students in the training situation and to the reality of translation practice and its<br />

specifi c quality demands in specialized communication.<br />

Kommunikation, <strong>Code</strong>, <strong>Compliance</strong>, Kultur: Medizinische (Fach)<br />

Kommunikation und Translation(sdidatik) im Kontext der<br />

Globalisierung<br />

1. Zielgruppen- und situationsadäquates Wissensmanagement<br />

Bei einem meiner letzten Tagungsbesuche präsentierte eine Kollegin eine Analyse von Lexikoneinträgen<br />

aus dem Bereich der Medizin, nämlich der Anatomie. Ausgesucht hatte sie sich dasjenige<br />

Sinnesorgan, das bei uns Menschen als erstes seine Funktion aufnimmt und als letztes seine<br />

Funktion einstellt, nämlich das Ohr. In Erinnerung geblieben ist mir der Beitrag, weil die Kollegin<br />

einen Vergleich zwischen Lexika für Erwachsene und Lexika für Kinder angestellt hatte, bei<br />

dem sie die Frage aufwarf, warum die jeweiligen Illustrationen sich im Eintrag für Erwachsene<br />

auf die Anatomie des Ohres beschränkten, wohingegen der Eintrag für Kinder neben einer Schemadarstellung<br />

des Ohres auch eine Zeichnung von einem Seiltänzer und einem Delphin aufwies.<br />

Die Erklärung liegt auf der Hand: Das Hören splittet sich in eine Reihe sehr komplexer Vorgänge,<br />

die bis heute noch nicht bis ins letzte Detail erforscht sind. Das Ohr ist das einzige Sinnesorgan,<br />

das zwei völlig verschiedene Aufgaben erfüllt: Es nimmt Geräusche auf und ist gleichzeitig für<br />

den Gleichgewichtssinn verantwortlich (siehe Liebrich 2009: 59). Für Kinder wurde also die Information<br />

mittels Vergleich und Metaphern aus der ihnen bekannten Lebenswelt aufbereitet und<br />

zugänglich gemacht.<br />

* <strong>Cornelia</strong> Feyrer<br />

Institut für Translationswissenschaft<br />

Innsbruck<br />

Austria<br />

<strong>Cornelia</strong>.Feyrer@uibk.ac.at<br />

Heine, Carmen/Engberg, Jan (eds.): Reconceptualizing LSP.<br />

Online proceedings of the XVII European LSP Symposium 2009. Aarhus 2010<br />

1


2<br />

Damit befi nden wir uns mitten in einem der großen Bereiche der Medizinischen Kommunikation,<br />

nämlich der Popularisierung. Die Medizinische Kommunikation umfasst ganz unterschiedliche<br />

Dimensionen, auch der fachexterne Bereich ist hier sehr produktiv – und damit, gerade im<br />

Zeitalter der Globalisierung, ein weites Einsatzgebiet für TranslatorInnen. TranslatorInnen benötigen<br />

ein adäquates Informations- und Wissensmanagement, um zielgruppen- und situations- bzw.<br />

kontextadäquate Produkte erstellen zu können und müssen in und zwischen den unterschiedlichen<br />

Bereichen von Fach- und Alltagskulturen und -sprachen agieren können. Es bedarf also in<br />

vielfacher Hinsicht einer Art <strong>Code</strong> switching im übertragenen Sinne (siehe dazu Feyrer 2009b).<br />

Aber bleiben wir also noch beim Thema Sinneswahrnehmung. Nicht nur für Kinder wird mittels<br />

Vergleichen und Metaphern aus nahen Lebensbereichen der Zielgruppe medizinisches Wissen<br />

vermittelt. In ihrem exzellent für Laien aufbereiteten Buch Körperwissen (2007) lädt Marion<br />

Grillparzer ihre LeserInnen dazu ein, ihre „innere Welt“ (Grillparzer 2007: Klappentext) zu entdecken.<br />

Auf diese Entdeckungsreise nimmt die Autorin ihr Publikum mittels einer Reihe anschaulicher,<br />

durchaus real motivierter Vergleiche und Metaphern mit. So wird z.B. ein weißes Blutkörperchen<br />

mit einem Raffaello (Grillparzer 2007: 238), also einer aus der Werbung bekannten Süßigkeit,<br />

und das Gefäßsystem der Niere mit einer Koralle aus dem Meer (Grillparzer 2007: 312)<br />

verglichen. Im Kapitel Sinnesorgane wiederum werden Ohr und Gehörssinn folgendermaßen vorgestellt:<br />

Die aufmerksamsten Schnecken der Welt<br />

Sie haben einen Mann im Ohr. Der macht Muskeltraining, wenn Sie Mozart hören, schwingt Hämmerchen,<br />

Amboss und Steigbügel. In den Schnecken fl immern die Härchen. Im Gehirn tanzen die<br />

Glückshormone. Also vergraulen Sie den kleinen Mann nicht mit Lärm. Aber sorgen Sie dafür, dass er<br />

im Training bleibt. (Grillparzer 2007: 113)<br />

Und sogar in einer durchaus medizinisch angehauchten Internetseite (Medizininfo 2009) ist von<br />

der ‚Schmiedewerkstatt’ in der Paukenhöhle die Rede. Terminologie, Bilder und Metaphern sind<br />

also alle der Alltagssprache, und hier wieder den unterschiedlichsten, fachlichen oder alltagsspezifi<br />

schen Lebensbereichen, entnommen – ein Versuch, <strong>Compliance</strong> beim Verstehen und der Umsetzung<br />

der eigentlichen ‚Message’, (nämlich: überlaste Deinen Gehörssinn nicht, aber trainiere<br />

ihn auch, damit er nicht verkümmert), zu erreichen. Aber was hat das mit Translation im engeren<br />

Sinne zu tun? – Wahrnehmung ist auch in der Translation ‚das’ zentrale Kriterium für eine<br />

sprach-, text- und interaktantInnen- bzw. kultursensitive Transferleistung. (Informations- und<br />

Wissens-)Transfer fi ndet jedoch auf ganz unterschiedlichen Ebenen und in den verschiedensten<br />

Repräsentationsformen statt und kann nur dann gelingen, wenn gewisse Verstehens- – oder wollen<br />

wir sie hier lieber medizinisch betiteln – ‚<strong>Compliance</strong>bedingungen’ gegeben sind.<br />

2. <strong>Compliance</strong> als Faktor in Medizin und Translation<br />

Die eingangs beschriebene Form der zielgruppengerechten Aufbereitung von Information und<br />

Wissen hat mit dem, was MedizinerInnen <strong>Compliance</strong> nennen, zu tun, nämlich mit der „Befolgung<br />

der Anweisungen des Arztes, des Apothekers oder der Gebrauchsanweisung bei Anwendung<br />

eines Arzneimittels, damit es seine Wirkung optimal entfalten kann und Nebenwirkungen<br />

vermindert werden können“ (Schweitzer 2009). Die optimale Wirkungsentfaltung und die Vermeidung<br />

von Nebenwirkungen ist auch ein Anliegen jedes Translates bzw. von TranslatorInnen.<br />

Wie die „Qualität eines Arzneimittels nicht nur von seiner Erfi ndung, Entwicklung und Herstellung<br />

bestimmt [wird]“, so hängt auch jene eines Texts in einer anderssprachigen Variante von<br />

der des Translates ab (Schweitzer 2009). Texte müssen kohärent und sprach- und kulturadäquat<br />

sein, denn wie „der Patient leicht die Lust [verliert] und die Tabletteneinnahme lieber sein<br />

[lässt]“, „wenn die vorgeschriebene ½ Tablette beim Zerteilen regelmäßig zerbröselt“ (gesundheit.de<br />

2009), so verlieren die LeserInnen eines Textes/Translates die Lust an bzw. Bereitschaft<br />

zur aktiven Textrezeption, wenn Verstehens- und Verständlichkeitsbedingungen bei der Textproduktion<br />

nicht ausreichend Berücksichtigung fi nden. Analog dazu bedarf es wohl auch einer ent-


sprechenden <strong>Compliance</strong> des Translates bzw. einer <strong>Compliance</strong>-Orientierung im Translationsprozess.<br />

Die Verträglichkeitsbedingungen in Bezug auf HandlungsteilnehmerInnen, Situation,<br />

(Textsorten)Konventionen, Sprache und Kultur müssen stimmen (siehe Feyrer 2009a: 201).<br />

Dementsprechend heißt es auch weiter in einem Internet-Beitrag zur Bedeutung der <strong>Compliance</strong><br />

in der Therapie: „<strong>Compliance</strong> […] stellt ein allgemeines medizinisches Problem dar. Wir<br />

wissen, dass viele der verordneten Medikamente zwar aus der Apotheke bezogen, aber teilweise<br />

nicht oder nur unvollständig oder auch falsch eingesetzt Verwendung fi nden.“ (Strasser-Fuchs<br />

2009). Auch diese Problematik kennt der Translator/die Translatorin: Übersetzungen werden zwar<br />

angefertigt und den KonsumentInnen zugänglich gemacht, fi nden aber nicht immer die richtige<br />

Verwendung bzw. sind nicht immer adäquat an die letztendlichen VerwenderInnen und deren Verwendungsbedingungen<br />

angepasst. Tritt beim Medikament der gewünschte therapeutische Effekt<br />

nicht ein, so wird im Fall des Translats der intendierte Skopos nicht umgesetzt bzw. nicht erfüllt<br />

und die Kommunikation schlägt fehl, es kommt zu dem, was in der Medizin als Non-<strong>Compliance</strong><br />

betrachtet wird. Text und TextempfängerInnen „werden non-compliant“ (ÖAZ 2005), was, ganz<br />

wie in der Medizin, unter Umständen auch sehr kostspielig werden kann. Will der Translator/die<br />

Translatorin dem vorbeugen, muss in seinem/ihrem Qualitätsmanagement dem Translationsprozess<br />

besonderes Augenmerk geschenkt werden, damit auch die Nutzungsqualität hoch sein kann<br />

(siehe Feyrer 2005). Und damit das gewährleistet werden kann, bedarf es der entsprechenden Codierung,<br />

will heißen der entsprechenden sprachlichen und außersprachlichen, kultur- und interaktantInnensensitiv<br />

adaptierten Aufbereitung von Information und Wissen in Text und Translat.<br />

3. <strong>Compliance</strong> im Translationsmanagement: Zur Realisierung translatorischer<br />

<strong>Compliance</strong>-Bedingungen<br />

Grundanforderung in der Ausbildung angehender TranslatorInnen ist es, eine Basis für den Erwerb<br />

und den Umgang mit Informations-, Wissens- und Qualitätsmanagement(prozessen) zu ermöglichen.<br />

TranslatorInnen sind auf sehr verschiedenen Ebenen in Wissensmanagementprozesse<br />

eingebunden. Dies betrifft im Zeitalter der Globalisierung auch verstärkt den Bereich der Fachkommunikation.<br />

Schreiber (2004: 273) meint dazu treffend: „Ein Fachübersetzer muss oft mehr<br />

tun, als den Ausgangstext ‚textgetreu’ zu übersetzen“. In der Medizin ist zudem der fachexterne<br />

Sektor sehr produktiv. Vieles wird v.a. in der fachinternen, aber auch in der fachexternen Vermittlung<br />

medizinischer Inhalte schon von vorne herein in der Lingua franca der Medizin, dem<br />

Englischen, vermittelt. Bei der Rezeption dieser Inhalte kommt es nicht selten, und hier meist<br />

implizit, ohne dass sich die SprachbenutzerInnen dessen eigentlich bewusst sind, zu einer Art<br />

<strong>Code</strong>-Switching zwischen der domänenspezifi schen Sprache und der eigenen Mutter- oder Bildungssprache.<br />

Deutlich wird dies u.a. im fachexternen Bereich, wo Informationsvermittlung in<br />

der Landessprache erforderlich ist, also eine Lokalisierung bzw. kulturell-pragmatische Anpassung<br />

notwendig wird. Aber auch im fachinternen Bereich gibt es durchaus einzelkulturell determinierte<br />

Faktoren und Normen in Interaktion und Kommunikation, die gerade im sprach- und<br />

kulturübergreifenden Bereich relevant werden. Damit beruht das, was z.B. auch Holz-Mänttäri<br />

(1984: 21) unter der „pragmatischen Qualifi kation“ für Translation versteht, auf „einer Theorie<br />

sozialen menschlichen Handelns“. Dieses soziale menschliche Handeln äußert sich u.a. in Phänomenen<br />

von bestimmten Fachkulturcodes auf unterschiedlichen Ebenen in Kommunikation und<br />

Translation – und ist hier wie dort identitätsbildend.<br />

Wie laufen Verstehens- und Verständlichkeitsprozesse nun im Alltag – und in der Translation<br />

– ab? Wie werden translatorische <strong>Compliance</strong>bedingungen geschaffen? Eine nicht unbedeutende<br />

Relevanz liegt dabei in Divergenz- aber auch in Konvergenzfaktoren. Gehen wir von einem<br />

Beispiel aus der Alltagssprache aus. Langenscheidt brachte 2008 unter dem Titel Übelsetzungen<br />

ein gerne rezipiertes Büchlein heraus, in dem Übersetzungsfehler humoristisch aufgearbeitet und<br />

präsentiert werden. U.a. fi ndet sich in dem erwähnten Band ein Foto, welches ein Schild mit dem<br />

Text „Zanhartz. Kiefer Ortöphedie. Deutsch. Englisch“ (Amazon 2009: 6) zeigt. Hier wird von<br />

den BetrachterInnen, wie auch der Kommentar, mit dem das Foto versehen wurde (Den sozialen<br />

3


4<br />

Status eines Menschen sollte man nicht an den Zähnen ablesen können, […] Zum Glück gibt es<br />

vor Ort den sprachbegabten „Zanhartz“, […]. (Amazon 2009: 6) zeigt, sofort ein Bezug zur (eigenen)<br />

Alltagskultur und Politik hergestellt, ausgelöst durch einen bzw. mehrere simple Tippfehler,<br />

die aber sogleich implizite Schlussfolgerungen und Konnexe zu lexikalischem Wissen, pragmatisch-situativen<br />

Rahmenbedingen und der Tagespolitik hervorrufen. Die Funktion von „Sprache<br />

als Kulturträger und Identitätsstifter“ (Frantzen 2004: 93) wird deutlich – genauso wie die<br />

Bedeutung der InteraktantInnen, ihrer Lebenswelt, ihrer Denk- und Orientierungsmuster, – die in<br />

diesem Fall zu humorigen Rückschlüssen führen –, und ihres sprachlichen, kulturellen und sozialen<br />

Umfeldes. Dies sind Faktoren, die die linguistisch-kontrastive Betrachtung von Sprach-<br />

Phänomenen mit translationsrelevanten – und hier wieder v.a. mit translationssoziologischen –<br />

Betrachtungsweisen von Transferphänomenen gemeinsam haben: Es geht um „Handlungen in<br />

Welten“ (Holz-Mänttäri 1984: 6).<br />

Wie sehen nun diese Handlungen in der Medizin und ihrer Fachsprache und Fachkultur bzw.<br />

die unterschiedlichen Codierungsformen je nach fachinterner oder fachexterner Kommunikation<br />

aus? Sie erweisen sich als geprägt von Kontrasten und Kontrastierungen, Divergenzen aber auch<br />

Konvergenzen, alles Faktoren, die für die fachsprachliche Translation und damit auch für die entsprechende<br />

Didaktik relevant sind. Auch in der Ausbildung angehender TranslatorInnen spielt<br />

das kontrastive Element eine Rolle. Zwar dominiert für TranslatorInnen die Transferkomponente,<br />

dennoch lebt Translation, zumindest prozessual betrachtet, in mancherlei Hinsicht auch von<br />

Kontrastivität. Sprachbewusstsein in Eigen- und Fremdkultur wird damit zur Steuerungsinstanz<br />

unseres Kultur-, Sozial- und Sprachverhaltens. Dies betrifft sowohl den allgemeinsprachlichen<br />

Bereich wie auch die Fachbereiche, letztere vielleicht aufgrund ihrer immer noch markanter werdenden<br />

Komplexität noch um einiges mehr. Daher soll auch im Folgenden die prozessorientierte<br />

Transferkomponente von Translation im Mittelpunkt stehen, die in der praktischen Umsetzung<br />

zur Erstellung eines qualitativ hochwertigen, compliance-gerechten Translates als Produkt des<br />

translatorischen Handelns führt. Dazu kommt schlussendlich noch der didaktische Anspruch in<br />

der Ausbildungssituation.<br />

Auch im Fachbereich Medizin werden von unseren angehenden TranslatorInnen auf den ersten<br />

Blick in erster Linie kontrastive Beobachtungen gemacht. Die Konsequenzen und Schlussfolgerungen<br />

sind aber um einiges weitreichender und betreffen, über kulturelle und pragmatische Kontextualisierungsprozesse<br />

hinaus, v.a. auch den für das Fachübersetzen notwendigen Umgang mit<br />

Wissensmanagement und Wissenstransferprozessen, die unterschiedlich strukturiert sind: „Domänenübergreifende<br />

Wissensfl üsse können eine lineare, modulare oder holistische Struktur besitzen<br />

[…]“ (Schulz 2005: 86). Auch angehenden TranslatorInnen fallen beim vergleichenden<br />

Arbeiten in erster Linie neben sprachlichen kulturell bedingte Unterschiede auf. Divergenzen<br />

werden als Übersetzungsfehler wahrgenommen oder aber als Inkohärenzen auf pragmatisch-kultureller<br />

Ebene. Das Nonverbale spielt hier ebenso noch vor dem Sprachlichen eine bedeutende<br />

Rolle in der Bewertung. Nonverbale Elemente werden als kulturgebundene Indikatoren wahrgenommen<br />

– die im Translat dann auch adäquat sein müssen (siehe dazu Feyrer, im Druck).<br />

4. <strong>Compliance</strong>bedingungen in der medizinischen Fachkommunikation und<br />

-translation<br />

Im Folgenden soll es nun um einige Erfahrungen mit Fachkulturen, ihren <strong>Code</strong>s, <strong>Compliance</strong>bedingungen<br />

bzw. um einige Anwendungsbereiche, Divergenzen und Konvergenzen im fachsprachlichen<br />

Translationsunterricht zur medizinischen Kommunikation gehen. Die Medizin und<br />

Gesundheitskommunikation umfasst ein Gebiet, auf dem eine immense Vernetzung und Interdependenz<br />

zwischen Fachwelt(en) und -kulturen und der Laienöffentlichkeit herrscht und die Aufrechterhaltung<br />

des Informationsfl usses fachintern wie auch fachextern ein Grundinteresse von<br />

Gesellschaft und Einzelpersonen darstellt. Auch Fachwelten sind nicht linear ausgerichtet, sondern<br />

mit anderen Lebensbereichen zu komplexen Interaktionsgefügen vernetzt. Je nach InteraktantInnen-<br />

und Situationsspezifi k kann die Medizin unterschiedliche Repräsentationsformen um-


fassen, in die translatorisches Handeln auf verschiedenen Ebenen eingebunden ist. Mudersbach<br />

(2002: 169) bespielsweise geht sogar, was den kulturellen Aspekt betrifft, so weit, die Frage zu<br />

stellen, ob Übersetzen nicht per se für Kulturverständnis notwendig ist. TranslatorInnen müssen<br />

sich in ihrer berufl ichen Praxis „semi-professionelles Wissen“ (siehe Löning 1994: 105) sowohl<br />

zum entsprechenden Fach wie auch zum entsprechenden Diskurs und dessen fachlichen wie auch<br />

sozialen Orientierungsmustern aneignen. Dieses semiprofessionelle Wissen kann wiederum sehr<br />

heterogene Wissens- und damit auch Lebensbereiche der berufl ichen Aktivität im Fach tangieren.<br />

Sehen wir uns dazu exemplarisch ein Beispiel aus der Lehre an.<br />

4.1. Metaphorik, Stereotype und Emotionen<br />

In einem sprachübergreifenden Projektunterricht zum Thema Osteopathie beschäftigten wir uns<br />

am Intrawi Innsbruck mit einem Handbuch zur Osteopathie (Mondoloni 2006), dessen französischer<br />

Ausgangstext von einem französischen Osteopathen verfasst und dann ins Spanische<br />

übersetzt worden war. Unser Ziel war es nun, einen Teil einer deutschen Version des Textes in<br />

Angriff zu nehmen, die es ja noch nicht gab. In der sich im sprach- und fachübergreifenden Unterricht<br />

ergebenden synoptischen Arbeit traten, vor allem, was den Bereich der Semantik anbelangt,<br />

interessante Ergebnisse zutage. So ergab sich ein Fokus der Diskussionen zur Thematik Ausdrucksweisen<br />

von Schmerzempfi ndungen in der Einzelsprache und dann in der medizinischen Nomenklatur.<br />

Des Weiteren erwies sich, vor allem auf der Grundlage der Analyse von Paralleltexten<br />

in den verschiedenen Sprachen, der Bereich der Metaphorik als relevant für die übersetzungsspezifi<br />

sche Diskussion. Die ineinandergreifenden Bereiche der Osteopathie werden im Allgemeinen<br />

mit einem Uhrwerk verglichen und auch bildlich meist so dargestellt. In der spanischen Version<br />

(Mondoloni 2007) wurde nun aber im Gegensatz zum Deutschen und Französischen das Bild vom<br />

Osteopathen als Uhrmacher durch das eines Goldschmiedes wiedergegeben, was unüblich ist und<br />

eben nicht den universellen Symbolen für Osteopathie – den Zahn- oder Uhrrädern, die die einzelnen<br />

ineinandergreifenden Bereiche der Therapieform symbolisieren – entspricht. Didaktisch<br />

von Interesse war dabei, dass dadurch bei der sprachübergreifenden Arbeit in Verschnittgruppen<br />

auch die ÜbersetzerInnen des Originaltextes von der Übersetzung in den Relaistext profi tierten.<br />

Dies alles hat natürlich auch mit Wissensmanagement zu tun und mit der Aneignung und Aufbereitung<br />

relevanter Wissensstrukturen aus dem entsprechenden Fachbereich und vor allem auch<br />

aus der Fachkultur. Was unseren Osteopathietext aus der Lehre anbelangt, muss man z.B., um den<br />

Text sinnvoll lokalisieren und kontextualisieren zu können, um den speziellen Status der Osteopathie<br />

bzw. der OsteopathInnen in den einzelnen Ländern wissen, will man die entsprechenden<br />

Ausdrucksformen, Vertextungsarten und vor allem die impliziten Hintergrundinformationen erschließen<br />

können. Ein Grundproblem ist hier beispielsweise der unterschiedliche Status der Osteopathie<br />

in den einzelnen Ländern. Während im anglophonen Bereich die Osteopathie als Medizinform<br />

anerkannt ist, ist sie in Westeuropa eine Therapieform, die oft dem Bereich der Alternativmedizin<br />

zugeordnet wird, d.h. das Standesbewusstsein ist ein grundlegend anderes. So entspricht<br />

z.B. in den USA die Ausbildung zum Osteopathen weitgehend der medizinischen Ausbildung, die<br />

osteopathische Ausbildung in Australien verläuft in Form eines Universitätsstudiums, in Europa<br />

hingegen sind die Regelungen derzeit noch unterschiedlich (siehe dazu WSO 2009). Dies erklärt<br />

auch den vielfach emotionalen Charakter bzw. die ‚emotionale Fracht’ mancher Texte und lässt<br />

die auch für den Laien oftmals durchaus wahrnehmbaren emotionalen Aspekte vor dem pragmatisch-situativen<br />

Hintergrund und den damit einhergehenden Normen kontextualisierbar werden.<br />

Dazu kommt, dass vieles vor allem in der fachinternen, aber auch in der fachexternen Vermittlung<br />

medizinischer Inhalte, schon von vorne herein auf Englisch, also in der Lingua franca der Medizin<br />

vermittelt wird, unabhängig von der jeweiligen Mutter- oder Bildungssprache der AutorInnen<br />

oder RezipientInnen. Bei der Rezeption dieser Inhalte wird oft, und hier meist implizit, ohne dass<br />

sich die SprachbenutzerInnen dessen bewusst sind, kontrastiv gearbeitet oder zumindest gedacht,<br />

sodass es zwangsweise zu einer Art <strong>Code</strong>-Switching zwischen der domänenspezifi schen Sprache<br />

und der eigenen Mutter- oder Bildungssprache kommt. Dieses Switching hängt sowohl von<br />

5


6<br />

inhaltlichen wie aber auch maßgeblich von situativen und pragmatischen Faktoren ab. Deutlich<br />

wird dies u.a., wie oben schon angeführt, im fachexternen Bereich, der Informationsvermittlung<br />

in der Landessprache erfordert.<br />

Durch solche Herangehensweisen an komplexe thematische Medizin-Themen-in-Situation sehen<br />

die Studierenden einerseits, dass Wissensmanagement heutzutage vielfach ganz selbstverständlich<br />

über eine Fremdsprache oder eben eine Übersetzung läuft, ohne dass man sich dessen<br />

explizit bewusst wird. Andererseits erfolgt eine gewisse Sensibilisierung für semantische oder<br />

auch kulturell-pragmatische Unterschiede und das, was wir im vorhergehenden translationsrelevante<br />

<strong>Compliance</strong>bedingungen genannt haben.<br />

4.2. Zum ‚<strong>Compliance</strong>-Management’ in der Translationsdidaktik<br />

Es ist Faktum, dass die Mehrzahl medizinischer Fachtranslation nicht von übersetzenden MedizinerInnen,<br />

sondern von ÜbersetzerInnen erstellt wird, die nicht auf ein Medizinstudium zurückgreifen<br />

können. Dies stellt spezifi sche Anforderungen an Ausbildungsinstitute und Curricula,<br />

umso mehr, als der Bedarf an medizinischer (Fach)Übersetzung konstant gegeben ist bzw. ansteigt<br />

(siehe dazu Feyrer 2009a). Für die Studierenden ist es wichtig, ein Selbstmanagement für<br />

Qualität im Sinne des adäquaten Translatorischen-Handelns-in-Situation zu entwickeln, dieses<br />

aber auch in übergeordnete Handlungsmuster mit Blick auf die Sicherung von Prozess-, Produkt-,<br />

und Nutzungsqualität – drei Komponenten, die eine Wirkungskette ergeben (siehe Feyrer 2005)<br />

– integrieren zu können. Das entsprechende Translationsmanagement (siehe Risku 2004) bzw.<br />

die Herstellung translationsrelevanter <strong>Compliance</strong>bedingungen nicht nur in sprachlicher, sondern<br />

auch in pragmatisch-(trans)kultureller Hinsicht betrifft dabei auch die didaktische Umsetzung in<br />

der Ausbildung. Dabei können kontrastive Herangehensweisen hilfreich sein und das Herausarbeiten<br />

von Divergenzen, aber auch von Konvergenzen und Analogien von Vorteil sein. Die Zusammenführung<br />

und das Aufeinandertreffen unterschiedlicher kultureller oder sprachlicher Orientierungsmuster<br />

sichern oftmals erst das Gelingen von Interaktion und Kommunikation und die<br />

Wirkung eines in einer bestimmten Situation zu einem bestimmte Zweck mit einer bestimmten<br />

Intention generierten Textes.<br />

Eine interessante Textsorte sind in diesem Kontext Besuchsdokumente aus der Praxis von<br />

PharmareferentInnen (siehe Feyrer 2002), da sich hier ein komplexer Interaktionsrahmen nebst<br />

unterschiedlichen Fachlichkeitsgraden fi ndet. PharmareferentInnen sind in den meisten Fällen<br />

keine MedizinerInnen, müssen aber in einem Fachdiskurs Fachleute von einem Produkt überzeugen<br />

bzw. dieses Produkt gegenüber Konkurrenzprodukten als das bessere verkaufen. Dies funktioniert<br />

in der fachinternen Kommunikation nicht nur auf der Grundlage von Werbestrategien und<br />

selling skills – auch einer besonderen Form der Codierung und Herstellung von <strong>Compliance</strong>bedingungen.<br />

PharmareferentInnen benötigen vor allem Fachwissen, und zwar strukturiertes Fachwissen,<br />

um in dieser Interaktionssituation bestehen zu können. Dieses medizinische Wissen muss<br />

– in adäquater Codierung – zur Verfügung gestellt werden bzw. im Rahmen des Gesprächs abrufbar<br />

sein. Hier kommt die Textsorte Besuchsdokument ins Spiel. Die Texte weisen neben extremer<br />

Informationsdichte hohen Appellcharakter auf, d.h. der translatorische Handlungsrahmen<br />

erfordert eine besondere Form von Informations- und Wissensmanagement. Als eine Mischung<br />

aus Werbetext, Marketingkonzept und medizinisch-wissenschaftlich fundiertem und auch so dargebotenem<br />

Faktenwissen verlangen Besuchsdokumente auch unterschiedliche interaktantenspezifi<br />

sche Diskursformen. Aufzeigen lassen sich solche Parameter in der Didaktik z.B. gut anhand<br />

der Gegenüberstellungen von Besuchsdokumenten zu ein- und demselben Produkt für verschiedene<br />

Länder, die sich aus pragmatischen und daher produktstrategischen Gründen oftmals stark<br />

in der visuellen Darstellung, der Aufl adung mit (implizit vermittelten) Emotionen wie auch der<br />

Auswahl der präsentierten Teilthemen unterscheiden (siehe dazu Feyrer, im Druck). Es liegt auf<br />

der Hand, dass die bewusste Wahl solcher Trägerstrukturen kulturelle, pragmatische und translationssoziologische<br />

Fragen aufwerfen kann.


5. (Sinnes)Wahrnehmung, <strong>Compliance</strong> und Translation<br />

„Was uns unsere Sinne über Jahrmillionen mitteilten, müssen wir heute neu und anders interpretieren“<br />

(Schröder 2009: 16). Dies gilt im Zeitalter der Globalisierung und internationalen multilingualen<br />

Vernetzung nicht nur für die medizinische Sichtweise unserer (Sinnes)Wahrnehmung,<br />

sondern auch für die Translation – und ebenso für die Fachkommunikation und -translation.<br />

5.1. Konvergenz in der Symbolik<br />

Auch in der Medizin wird in vielen Bereichen – und damit in ganz unterschiedlichen Situationen<br />

und den damit verbundenen Textsorten – mit kulturellen Mustern und der Übertragung von<br />

Bildern und Stereotypen gearbeitet, die Medizin ist keine „kulturneutrale Größe“ (siehe Reinart<br />

2009: 272). Konvergenz auf pragmatisch-kultureller Ebene funktioniert meist auch intersprachlich.<br />

Nehmen wir als Beispiel ein in der Medizin – und in anderen Lebensbereichen – gern verwendetes<br />

und universell bekanntes Motiv: Albert Einstein. Einstein fi ndet sich als sprach- und kulturübergreifendes<br />

Werbetestimonial in einer Vielzahl von Produktpaletten und Lebensbereichen.<br />

Mit den Stichworten Intelligenz, Nanotechnik und Genialität sind auch die entsprechenden Emotionen<br />

und Assoziationen bzw. Konnotationen verbunden – und das sprach- und kulturübergreifend.<br />

So wird beispielsweise ein Hörgerät der Firma Interton, das schon nicht mehr als solches,<br />

sondern als „hörintelligenter Mikroprozessor“ (members 2009) eingeführt wird, mit einer Illustration,<br />

die das ‚Werbetestimonial Einstein‘ zeigt, promotet, was auch im Sprach- und Kulturtransfer<br />

problemlos funktioniert. Der entsprechende Text dazu lautet folgendermaßen:<br />

Klein, genial und unglaublich komfortabel<br />

Mit einem neu entwickelten, hörintelligenten Mikroprozessor und zwei Mikrofonen bietet das IQ-Nano<br />

optimale Voraussetzungen für zielgerichtetes Hören – gerade auch unter schwierigen Bedingungen.<br />

[…] (members 2009)<br />

Auf diese Weise entstehen kulturbeeinfl ussende Konvergenzen. In der Didaktik zur medizinischen<br />

Fachkommunikation und -translation lassen sich, wie auch in der Didaktik zu anderen<br />

Fachbereichen, generell gut über PR- und Medientexte Bezüge zur Vernetzung zwischen Laien-<br />

und Fachwelt und der Übertragung von Stereotypen und Konnotationen vom Allgemein- in den<br />

Fachbereich herstellen. So werden beispielsweise Hörgeräte in einer anderen Fachinformation für<br />

den Laien zu den neuesten Entwicklungen am Markt für Hörgeräte-Akustik mit einer, auch bildlich<br />

dargestellten, Analogie zu Gummibären als die „ersten weichen Hörsysteme“ (Interton o.J.)<br />

beschrieben. Es wird also über Sinneswahrnehmungen ein Bezug zu anderen Lebensbereichen<br />

wie dem der Kulinarik oder der Kindheit hergestellt. Typische Eigenschaften wie klein, weich, etwas<br />

zum genießen, die in den Bereich der Haptik fallen, auch das ist symptomatisch, werden auf<br />

das Gerät übertragen. Solche Bezüge fi nden sich sowohl auf der visuellen (siehe Interton o.J.) wie<br />

auch auf der verbalisierten sprachlichen Ebene. Schon der folgende kurze Textausschnitt zeigt,<br />

wie vielfältig hier die emotionale Ebene angesprochen wird und so <strong>Compliance</strong>bedingungen hergestellt<br />

werden:<br />

Hörsystem für Kunden, die einfach besser und komfortabler hören wollen.<br />

Tragekomfort so weich wie Gummibärchen<br />

Sie hat bereits begonnen – die Zeit einer Avantgarde von Hörgeräteträgern, deren Ansprüche alles bisher<br />

Dagewesene übersteigen. Sie sind oft erst 30 Jahre alt und noch im Aufwind ihrer Karriere. Und<br />

gerade deshalb kompromisslos und unerbittlich. Von der Qualität ihrer Hörhilfe hängt alles ab: Karriere,<br />

Anerkennung, Zukunft, Zufriedenheit. „Und es darf nicht zu sehen sein.“ Bernhard G. gehört zu<br />

der Generation, die technologischen Entwicklungen alles abverlangen. (Avantgarde Creations 2009)<br />

Oder aber es wird mit der uralten Faszination von Schokolade gearbeitet, wie hier (siehe den Auszug<br />

aus dem entsprechenden Pressetext unten) anhand der transnational bekannten Marke Nutella:<br />

Nutella hinterm Ohr: Hörgeräte-Hersteller GN ReSound wirbt mit Top-Marke<br />

7


8<br />

Was haben winzige Hinter-dem-Ohr-Hörsysteme mit Nuss-Nugat-Creme zu tun? Wenn es nach Hörgeräte-Hersteller<br />

GN ReSound geht, sogar eine ganze Menge: Der Münsteraner Hightech-Anbieter, in<br />

der Audiologie-Branche bekannt für seine originellen Marketing-Aktivitäten, wirbt derzeit mit einer<br />

Kampagne rund um den süßen Brotaufstrich für seinen Mini-HdO-Klassiker ReSoundAIR Plus.<br />

„Es gibt viele gute Gründe, sich für ein Original zu entscheiden“, so der Slogan der GN ReSound Aktion.<br />

Anzeigen in der Audiologie-Fachpresse fordern die Leser auf, zwischen einem Glas herkömmlicher<br />

Nuss-Nugat-Creme und dem Vorläufer aller Nuss-Nugat-Cremes, Nutella, zu wählen. Ein breit<br />

angelegtes „Nutella-Mailing“ zum Original ReSoundAIR Plus ging an sämtliche Kunden des Herstellers.<br />

[…] (Resound 2009)<br />

Wie man sieht, ist der Bereich der Kulinarik als Symbolspender für werbetechnische Zwecke sehr<br />

produktiv. Wenn es jedoch um länder- und kulturspezifi sche kulinarische Kultureme geht, so ist<br />

aus dem Blickwinkel des Translators/der Translatorin jedoch genau abzuklären, ob im jeweiligen<br />

Fall ein Transfer möglich ist oder im Translat mit anderen, den Angehörigen der Zielsprache und<br />

-kultur näheren, Kulturemen gearbeitet werden muss. Auch darin liegen für die Didaktik relevante<br />

Elemente und Trägerstrukturen.<br />

5.2. Konvergenz im Interaktionsmanagement<br />

Meist wird ja mit Divergenzen gearbeitet, aber bleiben wir diesmal bei den Konvergenzen. Konvergenzen<br />

können in der Translationsdidaktik aufschlussreich und für die Auswahl adäquater<br />

Translationsstrategien dienlich sein, wie auch hinter Text und Bild stehende Muster, Vertextungsstrategien<br />

und vor allem angewendete Strategien aus dem Bereich des professionellen Interaktionsmanagements<br />

transparent – und damit auch im nächsten Übersetzungsauftrag transferierbar<br />

– machen. Aus translationsdidaktischer Sicht heißt dies, es sind für die Studierenden einerseits<br />

wie Universalien wirkende kulturübergreifende Elemente im Sprach- und Kulturvergleich auszumachen<br />

und zudem Kultureme, die kulturspezifi sch wirken und auch so im Translationsprozess<br />

behandelt werden müssen.<br />

Gehen wir zu diesem Zweck in den Fachbereich Diabetes hinein. Seit der Entdeckung des Insulins<br />

in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts kommen immer wirkungsvollere Therapien und<br />

technische Hilfsmittel zum Einsatz. Zur neuesten Generation gehören Insulinpens zur einfachen<br />

und anwendungssicheren Verabreichung. Auffallend ist hier im kontrastiven Vergleich die Dominanz<br />

von Konvergenzen sowohl auf sprachlicher wie auch auf visueller bzw. interaktiver Ebene,<br />

konsultiert man die entsprechenden Homepages. Die mehrsprachige Fachwerbung zu Gluco-<br />

Touch (siehe LifeScan 1997) verdeutlicht z.B., wie weit das Merkmal der Konvergenz und parallelen<br />

Strukturierung im Sprachvergleich dominiert.<br />

Sieht man sich mit Blick auf Konvergenzfaktoren die im Bereich Medizin bzw. in unserem<br />

Themenbereich Diabetes gewählten Strategien der Informationsvermittlung etwas genauer an,<br />

fällt auf, dass hier wohl strukturiert, aber eben erst auf den zweiten Blick – oder gar nicht – wahrnehmbar,<br />

mit Steuerungselementen aus dem NLP gearbeitet wird. O’ Connor/Seymour (2002:<br />

62-63) fassen den Bezug zwischen Sprache, Denken und ikonographischer Metaphorik folgendermaßen<br />

in Worte: „Wir verwenden Sprache, um unsere Gedanken mitzuteilen. […] Menschen<br />

[machen sich] Bilder von der Bedeutung der Wörter, die du benutzt.“ Die Firma Novo Nordisk<br />

(2008) bewirbt z.B. ihren Insulinpen wie folgt: NovoPen® 4 – Den Unterschied... Sehen: 3x größeres<br />

Display / Fühlen: Vereinfachter Patronenwechsel, 50% geringerer Kraftaufwand / Hören:<br />

(hörbare Bestätigung für Do siswahl und Dosisabgabe (Novo Nordisk 2008).<br />

Auffallend ist, wie klar und stringent sämtliche Repräsentationssysteme (siehe O’Connor/Seymour<br />

2002: 55-61), also die Pforten unserer Wahr nehmung (O’Connor/Seymour 2002: 55) angesprochen<br />

werden. Damit wird auf die unterschiedliche Ausrichtung des Führungssystems, mit<br />

dem wir denken, nämlich Hören, Fühlen bzw. Sehen, konsequent eingegangen und – werbewirksame<br />

– Synästhesien entstehen: „Wir nehmen also Informationen in einem Sinn auf, aber repräsentieren<br />

sie innerlich durch einen anderen“ (O’Connor/Seymour 2002: 68). Für die Studierenden<br />

wurden diese werbestrategischen und insofern auch text(sorten)- und strukturdeterminierenden


Faktoren und Konventionen erst im kontrastiven Vergleich mit anderssprachigen Paralleltexten,<br />

die sich als völlig strukturgleich erwiesen und sich durch eine idente Verbwahl auszeichneten,<br />

deutlich. Dies ermöglichte den Studierenden wiederum wertvolle Rückschlüsse für ihre Entscheidungen<br />

im Translatorischen Handeln und vor allem professionelle Argumentationsmöglichkeiten<br />

in ihrem ExpertInnenhandeln.<br />

6. Sinneswahrnehmung und <strong>Compliance</strong> in Beruf und Ausbildung<br />

Die bewusste Arbeit mit Konvergenzen im Sinne translationsrelevanter <strong>Compliance</strong>faktoren ist<br />

sowohl für die berufl iche Tätigkeit und das Translationsmanagement von TranslatorInnen wie<br />

auch für DidaktikerInnen und Studierende in der Ausbildungssituation von Relevanz. Konvergenzen<br />

erweisen sich in der Translationsdidaktik vor einem linguistisch geprägten Hintergrund<br />

als produktive und prozessorientierte Instrumentarien, um für die angehenden TranslatorInnen<br />

kulturelle, pragmatische und interaktionsstrategische Aspekte fassbar und damit in den Translationsprozess<br />

als Steuerungsinstanz integrierbar zu machen. Wichtig ist, die für Sprach- und Kulturvergleiche<br />

mit Blick auf die für ein Bestehen im Berufsalltag erforderliche Sensibilität für<br />

Sprach- und Kulturphänomene bei den angehenden TranslatorInnen zu entwickeln und ihnen ein<br />

eigenständiges professionelles Arbeiten, das zu qualitativ hochwertigen Produkten führt, zu ermöglichen.<br />

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