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Der Mensch ist ein Fußgänger, davon<br />
ist Hans Thurner überzeugt.<br />
„Die Fortbewegung mit eigener<br />
Muskelkraft entspricht am ehesten der<br />
menschlichen Aufnahmefähigkeit“,<br />
formuliert er seine These. Als Bergund<br />
Skiführer sowie Fotograf war der<br />
53-Jährige in praktisch allen großen<br />
Gebirgen der Welt unterwegs. In den<br />
Anden und Rocky Mountains, im Himalaya<br />
und Karakorum, im Kilimanjaro<br />
und Atlas-Gebirge, um nur einige zu<br />
nennen. Zuletzt zog es ihn zu einer<br />
Expedition nach Grönland. Aber seine<br />
Alpen-Längsüberquerung, bei der er<br />
1.800 Kilometer von Wien nach Nizza<br />
wanderte, hat dennoch in seinem Leben<br />
eine Sonderstellung.<br />
„Vor der Haustür weggehen, ohne<br />
Zeitlimit. Bloß das Ziel zu kennen, aber<br />
nicht den Weg dorthin“, erklärt Thurner<br />
Besonderheiten, die dieses Unternehmen<br />
von anderen Reisen unterscheiden.<br />
„Freiheit ist ein etwas abgedroschenes<br />
Wort“, sagt er auch – aber trotzdem<br />
gebe kein Besseres für das Gefühl, das<br />
sich bei so einer Weitwanderung einstellt.<br />
„2.000 Kilometer Freiheit“ heißt<br />
auch das Buch über die Tour, die der<br />
Wiener gemeinsam mit seiner Partnerin<br />
Anita unternahm.<br />
Die Fernsicht vom Schneeberg<br />
Die Idee, über den gesamten Alpenbogen<br />
zu wandern, trug Thurner schon<br />
lange mit sich herum. Gekommen ist<br />
ihm der Gedanke am Schneeberg-Gipfel,<br />
bei fantastischer Fernsicht. Diesen<br />
Traum zu leben, war für ihn als Selbstständiger<br />
einfacher als für seine Begleiterin,<br />
die sich als Krankenpflegerin unbezahlten<br />
Urlaub nahm. Im April starteten<br />
beide am Wiener Donauufer. Knapp<br />
IMMER MEHR ZIEHT<br />
ES HEUTE WIEDER AUF<br />
MEHRTÄGIGE WANDERUN-<br />
GEN – DIE MEISTEN FÜR<br />
DREI, FÜNF ODER MAXI-<br />
MAL SIEBEN TAGE. DER<br />
WIENER BERGFÜHRER<br />
HANS THURNER HAT SICH<br />
SEINEN WEITWANDER-<br />
LEBENSTRAUM SCHON<br />
ERFÜLLT: AUF EINER<br />
1.800-KILOMETER-TOUR<br />
LÄNGS DES ALPENBOGENS<br />
ÜBER 101 TAGE.<br />
VON CHRISTOF DOMENIG<br />
vier Monate oder genau 101 Marschtage<br />
später standen sie in Nizza und ließen<br />
sich am Strand die Wandererfüße von<br />
der Meeresgischt umspülen.<br />
Dazwischen lag die intensivste Zeit<br />
seines Lebens, meint Thurner. Herzliche<br />
Begegnungen, rührende Hilfsbereitschaft<br />
von allen möglichen Menschen.<br />
Die Erkenntnis, wie unglaublich vielfältig<br />
die Alpenregion ist – auch wenn<br />
der Bergführer viele Regionen zuvor<br />
schon einzeln bereist hatte. Das Gefühl,<br />
endlos Zeit zu haben. Wenngleich sich<br />
das Wandererpaar daran erst gewöhnen<br />
musste. „Der nächste Fixtermin im<br />
Terminkalender war der 12. November.<br />
Dennoch hatten wir in der ersten Zeit<br />
der Tour nach dem Start im April oft<br />
das Gefühl, getrieben zu sein, weiter zu<br />
müssen. Obwohl es doch objektiv gesehen<br />
keine Rolle spielte, ob wir drei Wochen<br />
mehr oder weniger brauchen.“ Es<br />
dauerte einige Zeit, bis die Gelassenheit<br />
kam – als würde sich auch die Psyche an<br />
den langsamen Rhythmus beim Gehen<br />
erst anpassen.<br />
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