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Freies Kurdistan Buch

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oder Volk) mit einheitlicher Kultur. Die Gruppe der kurdischen Menschen haben zwar bisher<br />

keine einheitliche Standard- bzw. Schriftsprache (sondern zwei „Schriftdialekte“: Kurmanci und<br />

Sorani bzw. Nord- und Südkurdisch), aber sie besitzen offenkundig eine gemeinsame Kultur, sie<br />

sind durch das Zugehörigkeitsgefühl miteinander verbunden und sie unterscheiden sich in dieser<br />

Hinsicht von allen anderen benachbarten Ethnien, die sie und ihr Siedlungsgebiet zwischen<br />

sich – innerhalb ihren „Nationalstaaten“ – aufteilen. Die Kurden stellen daher eine selbständige<br />

Ethnie dar. Ihr Bevölkerungsanteil ist zwar – zahlenmäßig – in allen vier Teilungsstaaten kleiner<br />

als der Anteil der dominanten Ethnie (Araber, Türken oder Perser), sie sind aber zusammen mehr<br />

als die Perser im Iran und die Araber im Irak oder Syrien und sie sind ungefähr soviel wie die<br />

Türken in der Türkei. Außerdem leben sie seit Jahrtausenden in ihrem angestammten<br />

Siedlungsgebiet und lange Zeit vor den Türken in der heutigen Türkei und vor vielen Arabern im<br />

heutigen Irak und im heutigen Syrien, deswegen stellen sie keine ethnische Minderheit im<br />

eigentlichen Sinne des Wortes dar.<br />

Das Wort Volk bedeutet: Große Gemeinschaft von Menschen, welche durch gemeinsame Kultur<br />

und Geschichte verbunden ist. Bei den Kurden handelt es sich zweifelsohne historisch, kulturell<br />

und hinsichtlich der Größe und Bedeutung um ein Volk. 1<br />

Sind die Kurden auch eine Nation?<br />

Sie konnten bisher – aus verschiedenen Gründen – keinen eigenen „Nationalstaat“ erfolgreich in<br />

Anspruch nehmen – wie Karl Deutsch als Voraussetzung dafür betrachtet. Und sie leben nicht in<br />

einem gemeinsamen Staat – wegen ihrer Aufteilung durch fremde Herrscher, deshalb besitzen sie<br />

auch keine gemeinsame Wirtschaft – wie Anthony Smith als Bedingung dafür sieht.<br />

Das französische Wort nation stammt ursprünglich aus dem lateinischen Wort natio =<br />

Geschlecht, Volk(sstamm) und sie ist: Eine mehrdeutige Bezeichnung einer in einem<br />

Sozialverband zusammengeschlossenen Großgruppe von Menschen, die sich von anderen<br />

Großgruppen entweder durch Abstammung, Sprache, Wohngebiet, kulturelle Gepflogenheiten<br />

oder Zugehörigkeitsgefühl unterscheiden – im Sinne der „Staatsnation“ in einem gemeinsamen<br />

„Nationalstaat“ bzw. Nationalitätenstaat und im Sinne von „Volksnation“ oder „Kulturnation“,<br />

auch wenn ihre Mitglieder nicht in einem gemeinsamen Staat leben. 1<br />

Die Kurden sind also eine geteilte staatslose (Volks-)Nation oder „non state-nation“. Ihr<br />

kurdisches Bewusstsein ist allerdings eine ihrer stärksten Waffen – neben ihren Bergen, mit<br />

denen sie ihre kurdische Identität gegen die Zwangsassimilierung und ihre Existenz gegen die<br />

Vernichtungsfeldzuge ihrer Nachbarvölker – seit Jahrhunderten – verteidigen. Sie verfügen nun<br />

1 Vgl. Stuby, 1994, S.55.<br />

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