Vom Verbot zur Gleichberechtigung - Hirschfeld-Eddy-Stiftung
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2. Die Sexuelle Orientierung als Prüfstein der Gleichheitsdogmatik<br />
Das Gericht hat nämlich später seine Haltung zum Grundrechtsschutz sexueller Orientierung<br />
grundlegend geändert, die sexuelle Orientierung hat sogar <strong>zur</strong> Klärung<br />
der Dogmatik des Gleichheitsgrundrechts beigetragen.<br />
Das zeigte sich zunächst in seiner Rechtsprechung zu einer ganz kleinen Gruppe<br />
ohne Chance, auf den politischen Prozess einzuwirken, nämlich den Transsexuellen.<br />
Der besonders großen Schwierigkeiten dieser Gruppe, ihre sexuelle Identität mit der<br />
Rechtsordnung in Übereinstimmung zu bringen, hat das Gericht sich wiederholt angenommen.<br />
In der grundlegenden Entscheidung von 1978 9 ging es um das Begehren einer<br />
Transsexuellen, die nach Geschlechtsumwandlung auch rechtlich durch Änderung<br />
der amtlichen Register als Frau gelten wollte. Das Gericht bekräftigt nicht nur die<br />
Zugehörigkeit des Begehrens, die eigene sexuelle Identität zu leben, mit dem Kern<br />
des Persönlichkeitsrechts, sondern beschäftigt sich auch noch einmal mit der von<br />
den Verteidigern der bisherigen Rechtslage herangezogenen Schranke des Sittengesetzes,<br />
nun aber mit völlig anderer Tendenz. Die mit der Berichtigung des Geschlechtseintrags<br />
verbundene Folge, dass der Beschwerdeführer nunmehr als Frau<br />
einen Angehörigen seines früheren Geschlechts heiraten kann, verstößt nicht gegen<br />
das Sittengesetz. Weder Zeugungsfähigkeit des Mannes noch Gebärfähigkeit<br />
der Frau seien Voraussetzung für eine Eheschließung. „Es mag sein, daß in der Bevölkerung<br />
die Eheschließung eines männlichen Transsexuellen mit einem Mann aus<br />
der unterschwelligen Vorstellung heraus abgelehnt wird, dies sei sittlich zu mißbilligen.<br />
Rational nicht zu begründende Auffassungen können dem Abschluß einer Ehe<br />
aber nicht entgegenstehen.“ 10<br />
Das 2. Transsexuellen-Urteil 11 ist für unser Thema noch wichtiger. Das Gericht benutzt<br />
den Fall nämlich, um seine Dogmatik des Gleichheitssatzes zu präzisieren.<br />
Art. 3 GG unterscheidet ja den allgemeinen Gleichheitssatz in Abs. 1, wo das Gericht<br />
dem Gesetzgeber lange Zeit Differenzierungen bis <strong>zur</strong> Willkürgrenze erlaubte, und<br />
die Diskriminierungsverbote von Abs. 2 und 3, in denen Differenzierungen grundsätzlich<br />
verboten sind und die es zunehmend strenger handhabte. Das Gericht hatte<br />
diese Unterscheidung bereits mit der sogenannten neuen Formel relativiert, nach<br />
der Ungleichbehandlung von Personengruppen strenger geprüft wird als die unterschiedliche<br />
Behandlung von Sachverhalten. 12 In dieser Abstraktheit ist die Differenzierung<br />
noch nicht sehr fruchtbar, da Gesetze immer menschliches Verhalten re-