Der Rechtsanwalt als Vertauensperson in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
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Anwalts<br />
ÖSTERREICHISCHES<br />
07-08 2017<br />
413–472<br />
blatt<br />
423 ABHANDLUNGEN<br />
<strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson<br />
<strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong><br />
<strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />
„Wrongful birth“ und<br />
„wrongful conception“ II<br />
637 SERVICE<br />
Für & Wider – Freiheit vs<br />
Sicherheit<br />
422 PORTRAIT DES<br />
MONATS<br />
Hon.-Prof. Dr. Georg Kathre<strong>in</strong><br />
www.rechtsanwaelte.at<br />
Österreichische Post AG · MZ 02Z032542 M · Österreichischer <strong>Rechtsanwalt</strong>skammertag, Wollzeile 1–3, 1010 Wien · ISSN 1605-2544
424<br />
Abhandlungen<br />
<strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson<br />
<strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong><br />
<strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />
MARTIN HUEMER<br />
<strong>Der</strong> Autor ist <strong>Rechtsanwalt</strong><br />
bei Abpurg + Huemer<br />
Rechtsanwälte <strong>in</strong> Kooperation<br />
<strong>in</strong> Wien. Davor<br />
war er Mitarbeiter des<br />
Verfahrensrichters im sog<br />
„Hypo-Untersuchungsausschuss“<br />
des Nationalrats.<br />
2017/23<br />
Die nachstehende Abhandlung beschäftigt sich mit dem E<strong>in</strong>schreiten e<strong>in</strong>es <strong>Rechtsanwalt</strong>s, e<strong>in</strong>er Rechtsanwält<strong>in</strong> <strong>als</strong> sog<br />
„Vertrauensperson“ iSd § 46 VO-UA <strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong>.<br />
I. EINLEITUNG<br />
Das Untersuchungsrecht ist e<strong>in</strong> Instrument der politischen<br />
Kontrolle. Es gilt <strong>als</strong> das stärkste parlamentarische Kontrollrecht,<br />
weil es das Recht auf umfassende Information im<br />
Rahmen des Untersuchungsgegenstands gewährleistet und<br />
weil dieses Recht (teilweise) auch mit Zwang durchgesetzt<br />
werden kann. 1<br />
Am 25. 2. 2015 wurde vom Nationalrat der sog „Hypo-<br />
Untersuchungsausschuss“ (eigentlich „Untersuchungsausschuss<br />
zur Untersuchung der politischen Verantwortung<br />
für die Vorgänge rund um die Hypo Group Alpe-Adria“)<br />
e<strong>in</strong>gesetzt. 2<br />
Die letzte von 79 Ausschusssitzungen fand am 10. 10. 2016<br />
statt. 3 Am 12. 10. 2016 behandelte der Nationalrat den Abschlussbericht.<br />
Damit endete der sog „Hypo-Untersuchungsausschuss“.<br />
4 <strong>Der</strong> Ausschuss tagte <strong>in</strong>sgesamt 670 Stunden. 142<br />
Befragungen von 124 Auskunftspersonen fanden statt. 5<br />
<strong>Der</strong> „Hypo-Untersuchungsausschuss“ war der erste Untersuchungsausschuss,<br />
welcher nach der neuen Verfahrensordnung<br />
6 (VO-UA) durchgeführt wurde. Die VO-UA bildet<br />
gem § 33 Abs 3 GOG-NR <strong>als</strong> Anlage e<strong>in</strong>en Bestandteil<br />
des GOG-NR. Sie ist ke<strong>in</strong> eigenständiges Bundesgesetz. E<strong>in</strong>e<br />
Änderung der VO-UA ist folglich e<strong>in</strong>e Änderung des<br />
GOG-NR. 7<br />
Am 28. 9. 2017 wurde vom Nationalrat der sog „Eurofighter-Untersuchungsausschuss<br />
II“ (eigentlich „Untersuchungsausschuss<br />
über das Kampfflugzeugsystem ‚Eurofighter<br />
Typhoon‘“ e<strong>in</strong>gesetzt. 8<br />
Gem § 46 Abs 1 VO-UA kann jede Auskunftsperson bei ihrer<br />
Befragung vor dem Untersuchungsausschuss e<strong>in</strong>e „Vertrauensperson“<br />
beiziehen. E<strong>in</strong>e Verpflichtung e<strong>in</strong>er Auskunftsperson,<br />
e<strong>in</strong>e Vertrauensperson beizuziehen, besteht<br />
nicht.<br />
Welche persönlichen oder fachlichen Qualifikationen e<strong>in</strong>e<br />
Vertrauensperson erfüllen muss, wurde vom Gesetzgeber<br />
nicht geregelt. Soh<strong>in</strong> kommt mE jede natürliche Person,<br />
welche voll geschäftsfähig ist, <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong><br />
Frage.<br />
Im „Hypo-Untersuchungsausschuss“ hat sich <strong>in</strong> der Praxis<br />
gezeigt, dass Auskunftspersonen vor allem Universitätsprofessoren<br />
und Rechtsanwälte <strong>als</strong> Vertrauensperson beigezogen<br />
haben.<br />
Zu beobachten war, dass Dienstnehmer e<strong>in</strong> und derselben<br />
Institution oft die gleiche Vertrauensperson beigezogen<br />
haben. Oft wurde diese Vertrauensperson auch von der Institution<br />
dem Dienstnehmer zur Seite gestellt. Dies wurde<br />
von Abgeordneten kritisiert, 9 ist aber mE zulässig. Ich<br />
erachte es nämlich für zweckmäßig, dass sich Dienstnehmer<br />
e<strong>in</strong>er Institution bzw e<strong>in</strong>es Unternehmens von e<strong>in</strong> und<br />
demselben <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson vertreten<br />
lassen, zeigt doch die Vergangenheit, dass im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />
Untersuchungsausschusses oft komplexe Sachverhalte aufgearbeitet<br />
werden bzw die „politische Verantwortung“ geklärt<br />
werden soll.<br />
E<strong>in</strong>em Wechsel der Vertrauensperson während der Befragung<br />
e<strong>in</strong>er Auskunftsperson haben die Abgeordneten im<br />
„Hypo-Untersuchungsausschuss“ unpräjudiziell zugestimmt<br />
(e<strong>in</strong>e gesetzliche Grundlage sieht die VO-UA nicht<br />
vor), jedoch empfiehlt sich, e<strong>in</strong>en solchen angedachten<br />
Wechsel (zB: aus Term<strong>in</strong>gründen) zuvor der Parlamentsdirektion,<br />
welche im Auftrag des Ausschusses Informationen<br />
über die Beiziehung e<strong>in</strong>er Vertrauensperson e<strong>in</strong>holt(e), bekannt<br />
zu geben. 10<br />
III. BERATUNG DER AUSKUNFTSPERSON<br />
Nach§46Abs3Satz1VO-UAistzentraleAufgabeder<br />
Vertrauensperson die Beratung der Auskunftsperson. Für<br />
II. RECHT AUF BEIZIEHUNG EINER<br />
VERTRAUENSPERSON<br />
1 Konrath, Reform der Untersuchungsausschüsse und Überlegungen zur<br />
E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Organstreitverfahrens, JBöffR 2010, 25 (26ff); Konrath/<br />
Neugebauer/Posenik, Das neue Untersuchungsausschussverfahren im Nationalrat,<br />
JRP 2015, 2016 (216f).<br />
2 www.parlament.gv.at/pakt/vhg/xxv/fvus/fvus_00001/fname_386233.pdf<br />
(abgerufen am 15. 11. 2016).<br />
3 www.parlament.gv.at/pakt/vhg/xxv/a-usa/a-usa_00002_00383/<br />
to_03137152.pdf (abgerufen am 15. 11. 2016).<br />
4 www.parlament.gv.at/pakt/vhg/xxv/fvus/fvus_00002/fname_565248.pdf<br />
(abgerufen am 15. 11. 2016).<br />
5 www.parlament.gv.at/pakt/pr/jahr_2016/pk1055/<strong>in</strong>dex.shtml (abgerufen<br />
am 15. 11. 2016).<br />
6 Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-<br />
UA), Anlage 1 zum GOG-NR, BGBl 1975/410 idF BGBl 2016/41.<br />
7 Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat<br />
(2017) Rz 169.<br />
8 www.parlament.gv.at/pakt/vhg/xxv/fvus/fvus_00003/fname_625145.pdf<br />
(abgerufen am 30. 3. 2017).<br />
9 96/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 48; 113/KOMM<br />
25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 4ff.<br />
10 218/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 37ff.<br />
Mart<strong>in</strong> Huemer <strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />
07-08_2017 österreichisches anwaltsblatt
425<br />
Abhandlungen<br />
Rechtsanwälte gilt mE <strong>in</strong> diesem Zusammenhang § 9 Abs 1 Gegenstand der Untersuchung ist nach Art 53 Abs 2 B-<br />
RAO. 11<br />
VG 23 e<strong>in</strong> bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich<br />
Im „Hypo-Untersuchungsausschuss“ erregte schon e<strong>in</strong> der Vollziehung des Bundes. Im sog „Hypo-Untersuchungsausschuss“<br />
wurde der Untersuchungsgegenstand<br />
„Nicken“ der Vertrauensperson den Unmut e<strong>in</strong>es Abgeordneten.<br />
12 E<strong>in</strong> anderer kritisierte das „E<strong>in</strong>sagen“ durch die von Verfahrensrichter und Vorsitzenden weit ausgelegt.<br />
Vertrauensperson. 13 Auch e<strong>in</strong> „zweifaches Stoßen“ der Auskunftsperson<br />
durch die Vertrauensperson wurde themati-<br />
e<strong>in</strong>er Rendite aus e<strong>in</strong>em von der Auskunftsperson mit der<br />
Nach Ansicht des Verfahrensrichters war zB die Frage nach<br />
siert. 14 Nach Ansicht von Abgeordneten sollen Vertrauenspersonen<br />
nicht <strong>als</strong> „Souffleure“ <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung treten. 15 chungsgegenstand gedeckt. <strong>Der</strong> Verfahrensanwalt vertrat<br />
Bank abgeschlossenen Vermögensgeschäft vom Untersu-<br />
E<strong>in</strong> Abgeordneter <strong>in</strong>teressierte sich sogar dafür, ob vor hier – mE zu Recht – e<strong>in</strong>e andere Rechtsansicht. 24<br />
der Befragung durch den Untersuchungsausschuss die Vertrauensperson<br />
bei entsprechenden Besprechungen dabei son“ 25 s<strong>in</strong>d unzulässig, weil e<strong>in</strong>e solche nicht vom Untersu-<br />
Fragen wie zB „Wer bezahlt denn die Vertrauensper-<br />
war. 16<br />
chungsgegenstand gedeckt ist. 26<br />
Immer wieder wurde von den Abgeordneten kritisiert, Die Prüfung, ob e<strong>in</strong>e Frage zulässig ist, ist vor allem deshalb<br />
von Relevanz, weil sich im Hypo-Untersuchungsaus-<br />
dass sich e<strong>in</strong>e Vertrauensperson aktiv an die Auskunftsperson<br />
wandte, um diese zu beraten. Von Abgeordneten wurde schuss gezeigt hat, dass unter bestimmten Umständen auch<br />
die Rechtsansicht vertreten, dass sich die Auskunftsperson andere <strong>als</strong> Wahrnehmungsfragen toleriert wurden. 27<br />
an die Vertrauensperson zu wenden habe, um deren Beratung<br />
e<strong>in</strong>zuholen. E<strong>in</strong> aktives Ansprechen der Auskunftsperdeutig,<br />
verfänglich, beleidigend oder unterstellend s<strong>in</strong>d und<br />
Ebenso s<strong>in</strong>d Fragen unzulässig, die unbestimmt, mehrson<br />
durch die Vertrauensperson sei nicht zulässig. 17 Grund- und Persönlichkeitsrechte (zB §§ 16 und 1330<br />
Von der Vorsitzenden und vom Verfahrensrichter wurde<br />
aber zu Recht festgestellt, dass es das Recht e<strong>in</strong>er Ver-<br />
Fragen unzulässig, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e von der Auskunftsperson<br />
ABGB und § 111 StGB) verletzen. Insb s<strong>in</strong>d solche (Fang-)<br />
trauensperson ist, die Auskunftsperson – aus eigener Initiative<br />
heraus – zu beraten. 18 Dazu hielt auch die Vorsitzende nommen wird (§ 41 Abs 2 VO-UA).<br />
nicht zugestandene Tatsache <strong>als</strong> bereits zugestanden ange-<br />
des Untersuchungsausschusses fest: „Die Vertrauensperson Suggestivfragen, <strong>als</strong>o Fragen, die e<strong>in</strong>er Auskunftsperson<br />
ist nicht dazu da, die Hand der Auskunftsperson zu halten, Umstände vorhalten, die erst durch deren Antwort festgestellt<br />
werden sollen, s<strong>in</strong>d nur dann zulässig, wenn die Aus-<br />
sondern zu beraten; das muss möglich se<strong>in</strong>.“ 19<br />
<strong>Der</strong> Verfahrensrichter hielt darüber h<strong>in</strong>aus fest, dass e<strong>in</strong>e<br />
Beratung nur dann S<strong>in</strong>n machen kann, wenn der Bera-<br />
Abs 3 VO-UA).<br />
kunft nicht <strong>in</strong> anderer Weise erlangt werden kann (§ 41<br />
tende dazu auch die Initiative ergreifen kann. 20<br />
Die Vertrauensperson kann sich bei E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> die<br />
In diesem Zusammenhang ist aber festzuhalten, dass die Grund- oder Persönlichkeitsrechte der Auskunftsperson<br />
Vertrauensperson selbst ke<strong>in</strong>e Erklärungen vor dem Untersuchungsausschuss<br />
abgeben oder an Stelle der Auskunfts-<br />
unmittelbar an Verfahrensrichter oder den Verfahrensanperson<br />
antworten darf (§ 46 Abs 3 Satz 2 VO-UA). <strong>Der</strong><br />
Vertrauensperson kommt <strong>als</strong>o ke<strong>in</strong> Rederecht zu. 21 11<br />
Diesbezüglich<br />
ist aber darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass sich die Ver-<br />
se<strong>in</strong>er Partei gegen jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu ver-<br />
§ 9 Abs 1 RAO idF BGBl I 2013/159: „<strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> ist verpflichtet, die<br />
übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und die Rechte<br />
treten. Er ist befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung se<strong>in</strong>er Partei<br />
trauensperson bei Verletzungen der Verfahrensordnung für dienlich erachtet, unumwunden vorzubr<strong>in</strong>gen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />
<strong>in</strong> jeder Weise zu gebrauchen, welche se<strong>in</strong>em Auftrag, se<strong>in</strong>em Ge-<br />
oder E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> die Grund- oder Persönlichkeitsrechte<br />
wissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.“<br />
der Auskunftsperson unmittelbar an den Verfahrensrichter 12 40/KOMM 25. GP- Ausschuss NR – Kommuniqué, S 71.<br />
13<br />
oder den Verfahrensanwalt wenden kann (§ 46 Abs 3 Satz 2 239/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 33.<br />
14 211/ KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 6.<br />
und 3 VO-UA).<br />
15 113/KOMM 25. GP- Ausschuss NR – Kommuniqué, S 4ff.<br />
16 240/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 78.<br />
17 218/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 19ff.<br />
18 219/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S. 17ff; 219/KOMM<br />
IV. ZULÄSSIGKEIT VON FRAGEN<br />
25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 24.<br />
19 183/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 37.<br />
20 218/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 20.<br />
E<strong>in</strong>e Auskunftsperson hat der Ladung des Untersuchungsausschusses<br />
Folge zu leisten und <strong>in</strong> der Befragung wahr-<br />
25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 9; 333/KOMM 25. GP – Aus-<br />
21 213/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 32; 153/KOMM<br />
schuss NR – Kommuniqué, S 7.<br />
heitsgemäß zu antworten (§ 33 Abs 1 Satz 1 VO-UA).<br />
22 AB 439 BlgNR 25. GP 4.<br />
23 IdF BGBl I 2014/101.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> hat <strong>als</strong> Vertrauensperson darauf zu 24 333/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 27.<br />
25<br />
achten, dass die Fragen der Abgeordneten vom Untersuchungsgegenstand<br />
bzw durch das <strong>in</strong> der Ladung festgelegte 27 298/KOMM 25. GP- Ausschuss NR – Kommuniqué, S 23. Verfahrens-<br />
96/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 48.<br />
26 96/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 49.<br />
richter Dr. Walter Pilgermair: „In der letzten Fassung haben Sie e<strong>in</strong>e konkrete<br />
Beweisthema gedeckt s<strong>in</strong>d (§ 41 Abs 1 VO-UA). Die Ladung<br />
ist daher vor der Befragung entsprechend zu prüfen. ich schon des Öfteren gesagt habe: Solange e<strong>in</strong>e Auskunftsperson toleriert, dass<br />
Wahrnehmungsfrage gestellt, die kann man zulassen. Ansonsten gilt das, was<br />
sie andere Fragen <strong>als</strong> Wahrnehmungsfragen gestellt bekommt und diese von<br />
Aus dem Untersuchungsgegenstand folgt nämlich die Beurteilung<br />
der Zulässigkeit von Fragen an Auskunftspersokunftsperson<br />
sich zu Recht dagegen verwahrt, dann ist das das Ende dieses<br />
sich aus freiwillig beantwortet, haben wir das zugelassen. Wenn e<strong>in</strong>e Ausnen.<br />
22 Modus. – Das ist jetzt der Fall, aber die letzte Fassung, diese Konkretisierung,<br />
die ist zulässig.“<br />
Mart<strong>in</strong> Huemer <strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />
österreichisches anwaltsblatt 07-08_2017
426<br />
Abhandlungen<br />
walt wenden (§ 46 Abs 3 VO-UA). Gem § 6 Abs 3 VO-UA<br />
handhabt der Vorsitzende die Geschäftsordnung und achtet<br />
auf die Wahrung des Grundrechts- und Persönlichkeitsschutzes.<br />
Bei der Wahrung des Grundrechts- und Persönlichkeitsschutzes<br />
kommt auch Verfahrensrichter und Verfahrensanwalt<br />
e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle zu. 28 E<strong>in</strong>e Vertrauensperson<br />
sollte mE jedenfalls dann e<strong>in</strong>schreiten, wenn versucht<br />
wird, der Auskunftsperson die Antwort <strong>in</strong> den<br />
Mund zu legen. In e<strong>in</strong>em solchen Fall liegt nämlich unzweifelhaft<br />
e<strong>in</strong>e unzulässige Suggestivfrage vor.<br />
<strong>Der</strong> Vorsitzende entscheidet nach Beratung mit dem<br />
Verfahrensrichter über die Unzulässigkeit e<strong>in</strong>er Frage. <strong>Der</strong><br />
Vorsitzende hat auf Verlangen e<strong>in</strong>es Mitglieds des Untersuchungsausschusses,<br />
des Verfahrensanwalts oder e<strong>in</strong>er Auskunftsperson<br />
über die Unzulässigkeit e<strong>in</strong>er Frage zu entscheiden<br />
(§ 41 Abs 4 VO-UA). <strong>Der</strong> Vertrauensperson<br />
kommt ke<strong>in</strong> Recht zu, die Unzulässigkeit e<strong>in</strong>er Frage vom<br />
Vorsitzenden feststellen zu lassen.<br />
Entscheidet der Vorsitzende, dass die Frage zulässig ist,<br />
hat die Auskunftsperson diese aber dennoch nicht beantwortet,<br />
kommt <strong>als</strong> Beugestrafe wegen ungerechtfertigter<br />
Verweigerung der Aussage e<strong>in</strong>e Geldstrafe von bis zu<br />
€ 1.000,– <strong>in</strong> Betracht. Die Entscheidung hierüber kommt<br />
gem § 56 Abs 1 VO-UA aber nicht dem Untersuchungsausschuss,<br />
sondern dem BVwG durch Senat zu.<br />
Gegen Beschlüsse des BVwG kann gem Art 144 Abs 4 B-<br />
VG Beschwerde beim VfGH und/oder gem Art 133 Abs 9<br />
B-VG e<strong>in</strong>e ordentliche oder außerordentliche Revision<br />
beim VwGH erhoben werden (§ 56 Abs 3 VO-UA).<br />
V. AUSSAGEVERWEIGERUNGSGRÜNDE<br />
E<strong>in</strong>er vor den Untersuchungsausschuss geladenen Auskunftsperson<br />
kommen nachstehende, <strong>in</strong> § 43 VO-UA taxativ<br />
aufgezählte Aussageverweigerungsgründe zu:<br />
1. über Fragen, deren Beantwortung die Privatsphäre der<br />
Auskunftsperson oder e<strong>in</strong>es Angehörigen (§ 72 StGB) 29 betreffen<br />
oder für sie oder e<strong>in</strong>en Angehörigen die Gefahr<br />
strafgerichtlicher Verfolgung nach sich ziehen würde (auch<br />
wenn die Ehe oder e<strong>in</strong>getragene Partnerschaft, welche die<br />
Angehörigkeit begründet, nicht mehr besteht);<br />
2. über Fragen, deren Beantwortung für die Auskunftsperson<br />
oder e<strong>in</strong>en Angehörigen e<strong>in</strong>en unmittelbaren bedeutenden<br />
vermögensrechtlichen Nachteil nach sich ziehen<br />
würde (auch wenn die Ehe oder e<strong>in</strong>getragene Partnerschaft,<br />
welche die Angehörigkeit begründet, nicht mehr besteht).<br />
E<strong>in</strong> unmittelbarer bedeutender vermögensrechtlicher<br />
Nachteil liegt im Allgeme<strong>in</strong>en vor, wenn e<strong>in</strong>e auf längere<br />
Zeit wirksame nachhaltige Bee<strong>in</strong>trächtigung der wirtschaftlichen<br />
Gesamtsituation gegeben ist, zB durch Entlassung,<br />
Kündigung der Stellung oder e<strong>in</strong>es Bestandverhältnisses,<br />
Enterbung, Aufdeckung von Geschäfts-, Bank- oder Betriebsgeheimnissen.<br />
E<strong>in</strong>e bloße E<strong>in</strong>kommensbelastung<br />
durch mehrere Monate ohne schwerwiegende Auswirkungen<br />
ist nicht ausreichend; 30<br />
3. <strong>in</strong> Bezug auf Tatsachen, über welche sie nicht aussagen<br />
können würde, ohne e<strong>in</strong>e gesetzlich anerkannte Pflicht zur<br />
Verschwiegenheit zu verletzen, sofern sie nicht von der<br />
Pflicht zur Geheimhaltung gültig entbunden wurde oder<br />
<strong>als</strong> öffentlich Bediensteter gem § 35 VO-UA zur Aussage<br />
verpflichtet ist;<br />
4. <strong>in</strong> Ansehung desjenigen, was ihr <strong>in</strong> ihrer Eigenschaft<br />
<strong>als</strong> Verteidiger oder <strong>Rechtsanwalt</strong> bekannt geworden ist;<br />
5. über Fragen, welche die Auskunftsperson nicht beantworten<br />
können würde, ohne e<strong>in</strong> Kunst- oder Geschäftsgeheimnis<br />
zu offenbaren;<br />
6. über die Frage, wie die Auskunftsperson ihr Wahlrecht<br />
oder Stimmrecht ausgeübt hat, wenn dessen Ausübung<br />
gesetzlich für geheim erklärt ist;<br />
7. über Fragen, deren Beantwortung Quellen iSd Art 52a<br />
Abs 2 B-VG gefährden würde.<br />
Das Vorliegen der Gründe für die Aussageverweigerung<br />
ist glaubhaft zu machen (§ 45 Abs 1 VO-UA). <strong>Der</strong> Vorsitzende<br />
entscheidet nach Beratung mit dem Verfahrensrichter<br />
über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung. Kommt der<br />
Vorsitzende zur Auffassung, dass die Verweigerung der<br />
Aussage nicht gerechtfertigt ist, kann er bei fortgesetzter<br />
Verweigerung beim BVwG die Verhängung e<strong>in</strong>er Beugestrafe<br />
gem § 55 VO-UA beantragen (§ 45 Abs 2 VO-UA).<br />
<strong>Der</strong> Antrag ist zu begründen. Es kommt e<strong>in</strong>e Geldstrafe <strong>in</strong><br />
der Höhe von bis zu € 1.000,– <strong>in</strong> Betracht. <strong>Der</strong> zuständige<br />
Senat des BVwG hat gem § 56 Abs 2 VO-UA b<strong>in</strong>nen 14 Tagen<br />
zu entscheiden. Für die Bemessung der Beugestrafe hat<br />
das BVwG § 19 VStG s<strong>in</strong>ngemäß anzuwenden (§ 56 Abs 4<br />
VO-UA).<br />
Gegen Beschlüsse des BVwG kann, wie bereits ausgeführt,gemArt144Abs4B-VGBeschwerdebeimVfGH<br />
und/oder gem Art 133 Abs 9 B-VG e<strong>in</strong>e ordentliche oder<br />
außerordentliche Revision beim VwGH erhoben werden<br />
(§ 56 Abs 3 VO-UA).<br />
E<strong>in</strong>e weitere zentrale Aufgabe des <strong>Rechtsanwalt</strong>s <strong>als</strong> Vertrauensperson<br />
ist es daher, die Auskunftsperson betreffend<br />
deren Aussageverweigerungsrechte zu beraten.<br />
VI. RECHTSSCHUTZ BETREFFEND<br />
VERLETZUNG VON<br />
PERSÖNLICHKEITSRECHTEN<br />
Gem Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG iVm § 56i Abs 1 Z 4 VfGG<br />
erkennt der VfGH über Beschwerden e<strong>in</strong>er Person, die<br />
durch e<strong>in</strong> Verhalten e<strong>in</strong>es Untersuchungsausschusses des<br />
Nationalrats (lit a), e<strong>in</strong>es Mitglieds e<strong>in</strong>es solchen Ausschusses<br />
<strong>in</strong> Ausübung se<strong>in</strong>es Berufs <strong>als</strong> Mitglied des Nationalrats<br />
28 Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat<br />
(2017) Rz 89.<br />
29 Angehörige e<strong>in</strong>er Person s<strong>in</strong>d „ihre Verwandten und Verschwägerten <strong>in</strong><br />
gerader L<strong>in</strong>ie, ihr Ehegatte oder e<strong>in</strong>getragener Partner und die Geschwister<br />
des Ehegatten oder e<strong>in</strong>getragenen Partners, ihre Geschwister und deren Ehegatten<br />
oder e<strong>in</strong>getragene Partner, K<strong>in</strong>der und Enkel, die Geschwister ihrer Eltern<br />
und Großeltern, ihre Vettern und Basen, der Vater oder die Mutter ihres<br />
K<strong>in</strong>des, ihre Wahl- und Pflegeeltern, ihre Wahl- und Pflegek<strong>in</strong>der, sowie Personen,<br />
über die ihnen die Obsorge zusteht oder unter deren Obsorge sie stehen“.<br />
30 Fabrizy, Die österreichische Strafprozessordnung 12 (2014) § 158 Rz 2.<br />
Mart<strong>in</strong> Huemer <strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />
07-08_2017 österreichisches anwaltsblatt
427<br />
Abhandlungen<br />
(lit b) oder gesetzlich zu bestimmender Personen <strong>in</strong> Ausübung<br />
ihrer Funktion im Verfahren vor dem Untersuchungsausschuss<br />
(lit c) <strong>in</strong> ihren Persönlichkeitsrechten verletzt<br />
zu se<strong>in</strong> behauptet.<br />
Wurden die vorgebrachten Persönlichkeitsrechte verletzt,<br />
ist die Beschwerde begründet und hat der VfGH das<br />
angefochtene Verhalten für rechtswidrig zu erklären. Dabei<br />
handelt es sich um e<strong>in</strong>e bloße Feststellung, die – sofern gesetzlich<br />
nicht anderes angeordnet ist – ke<strong>in</strong>e darüber h<strong>in</strong>ausgehenden<br />
Rechtswirkungen entfaltet. 31<br />
Auffallend ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang, dass der VfGH<br />
nach dem Wortlaut des Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG nur zur<br />
Prüfung der Frage, ob e<strong>in</strong>e Auskunftsperson <strong>in</strong> ihren Persönlichkeitsrechten<br />
verletzt worden ist, berufen ist, nicht<br />
aber zur Prüfung der Frage, ob e<strong>in</strong> Grundrecht verletzt worden<br />
ist. Dies ist <strong>in</strong>sofern bemerkenswert, <strong>als</strong> die VO-UA<br />
durchgehend von „Grund- und Persönlichkeitsrechten“<br />
bzw „Grundrechts- und Persönlichkeitsschutz“ spricht (s<br />
§ 6 Abs 3, § 8 Abs 2, § 10 Abs 1, § 11 Abs 2, § 41 Abs 2,<br />
§ 46 Abs 3 VO-UA). E<strong>in</strong>e Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung<br />
beim VfGH besteht aber nur <strong>in</strong> Bezug auf (verfassungs-<br />
oder e<strong>in</strong>fachgesetzlich garantierte) Persönlichkeitsrechte.<br />
32<br />
Betreffend die Verletzung von Persönlichkeitsrechten<br />
wandte sich e<strong>in</strong>e Beschwerdeführer<strong>in</strong> an den VfGH und<br />
brachte vor, dass sie durch die nachstehenden Fragen bzw<br />
Äußerungen von Abgeordneten <strong>in</strong> ihren Persönlichkeitsrechten<br />
iSd §§ 16, 1330 ABGB und § 111 StGB verletzt worden<br />
sei:<br />
• „Und es kommt dann aus me<strong>in</strong>er Sicht noch schlimmer:<br />
Wenn man e<strong>in</strong> bisschen weiterblättert, kommt man<br />
drauf, dass Sie vor den wichtigen D<strong>in</strong>gen, zum Beispiel<br />
da s<strong>in</strong>d die Skiper-Kredite, <strong>als</strong>o die großen Verluste, die<br />
dann letztlich den Steuerzahler treffen, auch verhandelt<br />
worden, den Sitzungssaal verlassen haben, und Sie s<strong>in</strong>d<br />
erst nachher wieder gekommen.“<br />
• „Wie können Sie Ihre gesetzliche Pflicht, eben die Aufsicht,<br />
wahrnehmen, wenn Sie die wichtigen Punkte gar<br />
nicht mitbekommen?“<br />
• „Das heißt, Sie haben laut Gesetz Ihre Aufgabe, Schaden<br />
abzuwenden – was ja nicht funktioniert hat –, eben nicht<br />
wahrgenommen und gehofft, dass es andere tun.“<br />
• „Also das heißt, wenn man das zusammenfasst, war Ihre<br />
Tätigkeit dort nicht von Nutzen, was jetzt diese Kontrolle<br />
betrifft.“<br />
• „Ich glaube, wenn man all das hört, kann man den E<strong>in</strong>druck<br />
gew<strong>in</strong>nen, Sie wurden <strong>als</strong> politisches Feigenblatt <strong>in</strong><br />
die Bank geschickt und Sie haben sich auf das verlassen,<br />
was man Ihnen gesagt hat.“<br />
• „Das ist aus me<strong>in</strong>er Sicht unglaubwürdig.“<br />
• „Ja, ja. Also Sie haben gleich gesagt, die Er<strong>in</strong>nerung könnte<br />
Sie trügen, aber jetzt können Sie ja trotzdem aus der<br />
Er<strong>in</strong>nerung plaudern. Jetzt haben wir schon festgestellt,<br />
dass das dann nicht immer e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s mit der Realität<br />
zu tun hat. Ist <strong>in</strong> Ordnung, geschenkt.“<br />
• „Ich frage mich: Was ist das jetzt für e<strong>in</strong> Auge und Ohr<br />
der F<strong>in</strong>anzmarktaufsicht, mit dem man offenbar nicht<br />
e<strong>in</strong>mal redet? Haben Sie sich nicht sehr e<strong>in</strong>sam gefühlt?<br />
Sie s<strong>in</strong>d Organ der F<strong>in</strong>anzmarktaufsicht, aber Sie s<strong>in</strong>d<br />
nirgends e<strong>in</strong>gebunden und niemand redet mit Ihnen.“ 33<br />
<strong>Der</strong> VfGH 34 führte aus, dass die Beschwerde gegen obige<br />
Fragen zulässig war, weil ke<strong>in</strong> Zweifel bestehe, dass es sich<br />
bei §§ 16, 1330 ABGB und § 111 StGB um Persönlichkeitsrechte<br />
handelt. <strong>Der</strong> VfGH wies die Beschwerde trotzdem <strong>als</strong><br />
unbegründet zurück.<br />
<strong>Der</strong> VfGH begründete die Zurückweisung im Wesentlichen<br />
damit, dass §§ 16 und 1330 ABGB sowie § 111 StGB<br />
im Spannungsfeld zwischen der Me<strong>in</strong>ungsfreiheit (Art 10<br />
EMRK) und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte (Art 8<br />
EMRK) stehen und daher im Lichte dieser beiden verfassungsgesetzlich<br />
gewährleisteten Rechte auszulegen seien.<br />
Die erforderliche Abwägung zwischen den Schutzgütern<br />
habe stets vor dem H<strong>in</strong>tergrund der Kontrollfunktion und<br />
dem im E<strong>in</strong>zelfall festgesetzten Gegenstand zu erfolgen. 35<br />
Für die Abwägung sei die Unterscheidung von Tatsachenbehauptungen<br />
e<strong>in</strong>erseits und Werturteilen andererseits<br />
von grundlegender Bedeutung. Tatsachenbehauptungen,<br />
deren Unwahrheit der Äußernde kannte oder kennen musste,<br />
seien mit Art 10 EMRK nicht zu rechtfertigen. Werturteile<br />
seien h<strong>in</strong>gegen grundsätzlich nach Art 10 EMRK zulässig,<br />
sofern dabei ke<strong>in</strong> „Wertungsexzess“ vorliege. 36<br />
VII. AUSSCHLUSS EINER VERTRAUENSPERSON<br />
Bezüglich des Ausschlusses e<strong>in</strong>er Vertrauensperson gilt § 46<br />
Abs 4 VO-UA:<br />
Als Vertrauensperson kann ausgeschlossen werden,<br />
1. wer voraussichtlich <strong>als</strong> Auskunftsperson im Verfahren<br />
vor dem Untersuchungsausschuss geladen wird,<br />
2. wer die Auskunftsperson bei der Ablegung e<strong>in</strong>er freien<br />
und vollständigen Aussage bee<strong>in</strong>flussen könnte,<br />
3. wer gegen die Bestimmungen des Abs 3 (s oben) verstößt.<br />
Die Auskunftsperson hat im Fall des Ausschlusses das<br />
Recht, die Befragung <strong>in</strong> Anwesenheit e<strong>in</strong>er anderen Vertrauensperson<br />
fortzusetzen, was mE jedenfalls zu empfehlen<br />
ist. <strong>Der</strong> Vorsitzende bestimmt <strong>in</strong> diesem Fall den Zeitpunkt<br />
der Fortsetzung der Befragung.<br />
<strong>Der</strong> Ausschluss gilt für die aktuelle und alle weiteren Befragungen<br />
dieser Auskunftsperson. 37<br />
Erhebliche praktische Bedeutung kam aber im „Hypo-<br />
Untersuchungsausschuss“ dem Ausschlussgrund der Z 2<br />
zu. Oft wurde von den Abgeordneten kritisiert, dass Rechtsanwälte<br />
<strong>als</strong> Vertrauenspersonen beigezogen wurden, welche<br />
31 AB 439 BlgNR 25. GP 9.<br />
32 Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat<br />
(2017) Rz 223.<br />
33 JBl 2016, Heft 1, S. 31.<br />
34 VfGH 8. 10. 2015, UA 3/2015.<br />
35 VfGH 8. 10. 2015, UA 3/2015 Rz 30ff.<br />
36 VfGH 8. 10. 2015, UA 3/2015 Rz 37ff.<br />
37 VfGH 6. 10. 2015, UA 9/2015; 8. 10. 2015, UA 8/2015.<br />
Mart<strong>in</strong> Huemer <strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />
österreichisches anwaltsblatt 07-08_2017
428<br />
Abhandlungen<br />
bereits zuvor <strong>in</strong> den Hypo-Komplex <strong>in</strong>volviert waren und<br />
dieser Umstand <strong>als</strong> Ausschließungsgrund releviert. 38<br />
Es gab diesbezüglich Auskunftspersonen, welche nach<br />
entsprechender Kritik von Abgeordneten an der Beiziehung<br />
e<strong>in</strong>er Rechtsanwält<strong>in</strong> bzw e<strong>in</strong>es <strong>Rechtsanwalt</strong>s <strong>als</strong> Vertrauensperson<br />
freiwillig auf deren Beiziehung verzichtet haben.<br />
39 In diesen Fällen wurden <strong>in</strong> der Folge die Auskunftspersonen<br />
ohne Beiziehung dieser bzw e<strong>in</strong>er anderen Vertrauensperson<br />
e<strong>in</strong>vernommen.<br />
Ich empfehle im Falle des Ausschlusses e<strong>in</strong>er Rechtsanwält<strong>in</strong><br />
bzw e<strong>in</strong>es <strong>Rechtsanwalt</strong>s, jedenfalls geme<strong>in</strong>sam mit<br />
der Auskunftsperson den Untersuchungsausschuss zu verlassen.<br />
Die Befragung ist dann unter Beiziehung e<strong>in</strong>er anderen<br />
Vertrauensperson fortzusetzen. Möchte die Auskunftsperson<br />
die Befragung ohne den ursprünglich beigezogenen<br />
<strong>Rechtsanwalt</strong> fortsetzen, ist sie zum<strong>in</strong>dest entsprechend<br />
über ihre Rechte nach der VO-UA vom ausgeschlossenen<br />
<strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>in</strong> Erfüllung se<strong>in</strong>er Standespflicht iSd § 9<br />
Abs 1 RAO zu belehren.<br />
Es gab aber auch Auskunftspersonen, die trotz der Interventionen<br />
von Abgeordneten nicht auf die Beiziehung e<strong>in</strong>es<br />
<strong>Rechtsanwalt</strong>s <strong>als</strong> Vertrauensperson freiwillig verzichtet haben.<br />
In der Folge wurde bspw e<strong>in</strong> Antrag auf Ausschluss<br />
e<strong>in</strong>es <strong>Rechtsanwalt</strong>s <strong>als</strong> Vertrauensperson nach § 46 Abs 4<br />
VO-UA abgelehnt; 40 e<strong>in</strong> anderer Antrag auf Ausschluss e<strong>in</strong>es<br />
<strong>Rechtsanwalt</strong>s <strong>als</strong> Vertrauensperson nach § 46 Abs 4<br />
VO-UA wurde aber angenommen. 41<br />
1. <strong>Der</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson<br />
ausgeschlossene <strong>Rechtsanwalt</strong><br />
Wie bereits oben ausgeführt, handelte es sich bei e<strong>in</strong>er ausgeschlossenen<br />
Vertrauensperson um e<strong>in</strong>en <strong>Rechtsanwalt</strong>. 42<br />
<strong>Der</strong> Ausschluss wurde mit den Ausschlussgründen nach<br />
§ 46 Abs 4 Z 1 und Z 2 VO-UA begründet. <strong>Der</strong> Verfahrensrichter<br />
führte zuvor aus, dass se<strong>in</strong>er Ansicht nach die Ausschlussgründe<br />
nach § 46 Abs 4 Z 1 und Z 2 VO-UA vorlagen.<br />
43<br />
a) Beschwerde der Auskunftsperson<br />
Gegen den Ausschluss se<strong>in</strong>er Vertrauensperson erhob die<br />
Auskunftsperson rechtzeitig Beschwerde an den VfGH iSd<br />
Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG.<br />
<strong>Der</strong> Beschwerdeführer brachte vor, er sei im verfassungsgesetzlich<br />
gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller<br />
Staatsbürger vor dem Gesetz dadurch verletzt, dass auch<br />
Vertrauenspersonen anderer Auskunftspersonen rechtsvertretend<br />
für die Hypo bzw für deren Rechtsnachfolger tätig<br />
gewesen und nicht <strong>als</strong> Vertrauenspersonen ausgeschlossen<br />
worden seien. E<strong>in</strong>e weitere Vertrauensperson sei gleichzeitig<br />
auf der Verfahrensrichterliste gestanden und für mehrere<br />
Auskunftspersonen <strong>als</strong> Vertrauensperson herangezogen<br />
und ebenfalls nicht ausgeschlossen worden. Über den Ausschluss<br />
jener Vertrauensperson sei trotz erheblicher Zweifel<br />
verschiedener Mitglieder des Untersuchungsausschusses<br />
nicht e<strong>in</strong>mal abgestimmt bzw sei auf die Möglichkeit e<strong>in</strong>es<br />
Ausschlusses zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt h<strong>in</strong>gewiesen<br />
worden. Dass bei der von ihm herangezogenen Vertrauensperson<br />
nicht <strong>in</strong> ähnlicher Weise zugewartet worden sei, verletze<br />
den Beschwerdeführer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em verfassungsgesetzlich<br />
gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor<br />
dem Gesetz.<br />
Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf e<strong>in</strong><br />
faires Verfahren gem Art 6 EMRK sah sich der Beschwerdeführer<br />
verletzt, weil er durch den Ausschluss nicht den „Anwalt<br />
se<strong>in</strong>er Wahl“ heranziehen habe können.<br />
<strong>Der</strong> VfGH 44 wies die Beschwerde <strong>als</strong> unzulässig mit der<br />
Begründung zurück, dass e<strong>in</strong> Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers<br />
iSd Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG nicht berührt<br />
wird: Die – vom Beschwerdeführer behauptete – unterschiedliche<br />
Vorgangsweise des Untersuchungsausschusses<br />
bei der Frage e<strong>in</strong>es etwaigen Ausschlusses von Vertrauenspersonen<br />
von Auskunftspersonen kann von<br />
vornhere<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Verletzung von Persönlichkeitsrechten<br />
des Beschwerdeführers durch den ihn betreffenden Beschluss<br />
des Untersuchungsausschusses über den Ausschluss<br />
der von ihm herangezogenen Vertrauensperson bewirken,<br />
weil der Beschwerdeführer ke<strong>in</strong>en Anspruch auf e<strong>in</strong> bestimmtes,<br />
<strong>in</strong> anderen Fällen geübtes Verhalten des Untersuchungsausschusses<br />
hat.<br />
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />
verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf e<strong>in</strong> faires<br />
Verfahren gem Art 6 EMRK geltend machte, weil er durch<br />
den Ausschluss nicht den „Anwalt se<strong>in</strong>er Wahl“ heranziehen<br />
habe können, machte er nach Ansicht des VfGH ebenso<br />
wenig die Verletzung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Persönlichkeitsrecht iSd<br />
Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG geltend.<br />
Die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse<br />
räumt nach Ansicht des VfGH der Auskunftsperson<br />
das Recht e<strong>in</strong>, nach Maßgabe des § 46 VO-UA<br />
e<strong>in</strong>e Vertrauensperson beizuziehen, nicht aber das Recht,<br />
e<strong>in</strong>e nach § 46 Abs 4 VO-UA ausgeschlossene Person <strong>als</strong><br />
Vertrauensperson beizuziehen. Für diesen Fall hat die Auskunftsperson<br />
nach § 46 Abs 4 letzter Satz VO-UA das<br />
Recht, die Befragung <strong>in</strong> Anwesenheit e<strong>in</strong>er anderen Vertrauensperson<br />
fortzusetzen. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund war<br />
es für den VfGH im vorliegenden Fall ausgeschlossen, dass<br />
der Beschwerdeführer durch den Ausschluss der von ihm<br />
beigezogenen Person <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Persönlichkeitsrecht<br />
iSd Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG verletzt se<strong>in</strong><br />
konnte.<br />
38 183/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 4; 249/KOMM<br />
25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 53; 283/KOMM 25. GP – Ausschuss<br />
NR – Kommuniqué S 3; 211/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué,<br />
S 4ff.<br />
39 116/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 3ff; 157/KOMM<br />
25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 4ff.<br />
40 183/KOMM 25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 4ff; 219/KOMM<br />
25. GP – Ausschuss NR – Kommuniqué, S 23.<br />
41 VfGH 6. 10. 2015, UA 9/2015–9.<br />
42 VfGH 6. 10. 2015, UA 9/2015–9.<br />
43 VfGH 6. 10. 2015, UA 9/2015–9 Rz6.<br />
44 VfGH 8. 10. 2015, UA 8/2015–13.<br />
Mart<strong>in</strong> Huemer <strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />
07-08_2017 österreichisches anwaltsblatt
429<br />
Abhandlungen<br />
b) Beschwerde des ausgeschlossenen <strong>Rechtsanwalt</strong>s<br />
Gegense<strong>in</strong>enAusschlusserhobauchder<strong>Rechtsanwalt</strong><br />
rechtzeitig Beschwerde an den VfGH iSd Art 138b Abs 1<br />
Z 7 B-VG. <strong>Der</strong> Beschwerdeführer brachte vor, er sei durch<br />
den Ausschluss <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en verfassungsgesetzlich<br />
gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Erwerbsausübung<br />
gem Art 6 StGG sowie auf Gleichheit aller<br />
Staatsbürger vor dem Gesetz gem Art 7 B-VG und Art 2<br />
StGG verletzt.<br />
<strong>Der</strong> VfGH 45 wies auch diese Beschwerde <strong>als</strong> unzulässig<br />
mit der Begründung zurück, der Beschwerdeführer habe<br />
nicht die Verletzung e<strong>in</strong>es ihm zustehenden Persönlichkeitsrechts<br />
iSd Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG geltend gemacht:<br />
<strong>Der</strong> Beschluss des Untersuchungsausschusses über den<br />
Ausschluss des Beschwerdeführers <strong>als</strong> Vertrauensperson<br />
der geladenen Auskunftsperson kann von vornhere<strong>in</strong> nicht<br />
<strong>in</strong> die Rechtssphäre des Beschwerdeführers e<strong>in</strong>greifen. <strong>Der</strong><br />
Beschluss des Untersuchungsausschusses richtet sich an die<br />
vom Untersuchungsausschuss geladene Auskunftsperson<br />
und entfaltet ke<strong>in</strong>e rechtlichen, sondern bloße Reflexwirkungen<br />
für den Beschwerdeführer. E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die<br />
Rechtssphäre des Beschwerdeführers ist somit im vorliegenden<br />
Fall von vornhere<strong>in</strong> ausgeschlossen.<br />
VIII. KOSTENERSATZ DER<br />
AUSKUNFTSPERSON<br />
Lässt sich e<strong>in</strong>e Auskunftsperson von e<strong>in</strong>er Vertrauensperson<br />
begleiten, kann die Auskunftsperson den Ersatz der<br />
durch die Beratung entstandenen Kosten beantragen<br />
(§ 59 Abs 3 VO-UA). Unklar ist, ob der Begriff „Ersatz<br />
für die Beratung“ lediglich den Zeitraum der Befragung<br />
oder auch schon etwaige Beratungsgespräche im Vorfeld<br />
betrifft. 46<br />
<strong>Der</strong> Antrag auf Kostenersatz der Auskunftsperson hat<br />
e<strong>in</strong>e Darlegung der E<strong>in</strong>kommens- und Vermögensverhältnisse<br />
dieser sowie Angaben zum Bedarf e<strong>in</strong>er f<strong>in</strong>anziellen<br />
Unterstützung zu enthalten und ist spätestens bis zum Beg<strong>in</strong>n<br />
der Befragung zu stellen. E<strong>in</strong> Kostenverzeichnis ist<br />
nach Beendigung der Befragung unverzüglich nachzureichen<br />
(§ 59 Abs 3 VO-UA).<br />
Über den Antrag auf Kostenersatz entscheidet der Vorsitzende<br />
nach Vorlage der erforderlichen Unterlagen und<br />
nach Beratung mit dem Verfahrensrichter ohne unnötigen<br />
Aufschub. <strong>Der</strong> Auskunftsperson s<strong>in</strong>d die angemessenen<br />
Kosten für die Beratung unter Berücksichtigung der f<strong>in</strong>anziellen<br />
Verhältnisse der Auskunftsperson zu ersetzen,<br />
höchstens aber jener Betrag, den der Verfahrensanwalt<br />
gem § 60 Abs 1 für die Dauer der Befragung dieser Auskunftsperson<br />
erhält (§ 59 Abs 4 VO-UA). <strong>Der</strong> Kostenersatz<br />
ist <strong>als</strong>o „gedeckelt“.<br />
Gem § 60 Abs 1 VO-UA gebühren dem Verfahrensrichter,<br />
dem Verfahrensanwalt und deren Stellvertretern <strong>als</strong><br />
Entschädigung für die Erfüllung ihrer Aufgaben für jede begonnene<br />
Stunde e<strong>in</strong> Zehntel der Entschädigung e<strong>in</strong>es Ersatzmitglieds<br />
des VfGH für e<strong>in</strong>en Sitzungstag (§ 4 Abs 3<br />
VfGG), 47 soh<strong>in</strong> € 66,77.<br />
Die maximale Befragungszeit e<strong>in</strong>er Auskunftsperson beträgt<br />
vier Stunden (§ 37 Abs 4 VO-UA). Berücksichtigt man<br />
das Recht e<strong>in</strong>er Auskunftsperson, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>leitende Stellungnahme<br />
im Ausmaß von 20 M<strong>in</strong>uten abzugeben (§ 39 Abs 1<br />
VO-UA), sowie das Recht des Verfahrensrichters zur Erstbefragung<br />
im Ausmaß von zehn M<strong>in</strong>uten (§ 39 Abs 1 VO-<br />
UA) sowie die Belehrung der Auskunftsperson (§ 38 VO-<br />
UA), musste man im Hypo-Untersuchungsausschuss pro<br />
Auskunftsperson von e<strong>in</strong>er Bruttobefragungszeit von rund<br />
sechs Stunden ausgehen. Zu berücksichtigen ist weiters,<br />
dass aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit e<strong>in</strong>er verspäteten<br />
Befragungszeit zwischen der vormittäglichen und der<br />
nachmittäglichen Auskunftsperson zu rechnen ist.<br />
Diese Art des außerordentlichen Kostenersatzes für Auskunftspersonen<br />
ist neu und hat vor allem <strong>in</strong> all jenen Fällen<br />
Bedeutung, wo sich Auskunftspersonen bei der ihrer Befragung<br />
von e<strong>in</strong>em <strong>Rechtsanwalt</strong>/e<strong>in</strong>er Rechtsanwält<strong>in</strong> begleiten<br />
lassen. Die Regelungen über den Kostenersatz s<strong>in</strong>d den<br />
Bestimmungen der ZPO über die Gewährung der Verfahrenshilfe<br />
nachempfunden, allerd<strong>in</strong>gs soll für die Zuerkennung<br />
e<strong>in</strong> weniger strenger Maßstab gelten, da es sich um<br />
e<strong>in</strong>e Auskunftsperson und nicht um e<strong>in</strong>e Partei <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Verfahren vor Gericht handelt. E<strong>in</strong> wesentlicher Unterschied<br />
ist auch, dass die Auskunftsperson frei entscheiden<br />
kann, von welcher Vertrauensperson sie sich begleiten lassen<br />
will. 48<br />
Die Regelungen des Kostenersatzes stellen aber für e<strong>in</strong>e<br />
Auskunftsperson mE e<strong>in</strong>e völlig unbefriedigende Lösung<br />
dar, bedarf es doch jedenfalls e<strong>in</strong>er rechtsanwaltlichen Beratung<br />
und Vertretung vor und vor allem während der Befragung<br />
durch den Untersuchungsausschuss.<br />
45 VfGH 6. 10. 2015, UA 9/2015–9.<br />
46 Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat<br />
(2014) Rz 439.<br />
47 IdF BGBl I 2017/24.<br />
48 Handbuch zum Recht der Untersuchungsausschüsse im Nationalrat<br />
(2017) Rz 439.<br />
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Mart<strong>in</strong> Huemer <strong>Der</strong> <strong>Rechtsanwalt</strong> <strong>als</strong> Vertrauensperson <strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong><br />
österreichisches anwaltsblatt 07-08_2017
430<br />
Abhandlungen<br />
IX. REISEKOSTENERSATZ DER<br />
VERTRAUENSPERSON<br />
Die Vertrauensperson hat e<strong>in</strong>en eigenen (Reise-) Kostenersatzanspruch<br />
(§ 46 Abs 5 VO-UA).<br />
E<strong>in</strong>er Vertrauensperson, die e<strong>in</strong>e Auskunftsperson gem<br />
§ 46 VO-UA begleitet und zu diesem Zweck von ihrem<br />
Wohn- bzw Dienstort an den Sitz des Nationalrats reisen<br />
muss, gebührt e<strong>in</strong> Ersatz der Kosten. Die Parlamentsdirektion<br />
hat bei Nachweis solcher Kosten diese nach Genehmigung<br />
durch den Präsidenten des Nationalrats zu ersetzen.<br />
Die für Bundesbedienstete geltenden Reisegebührenvorschriften<br />
s<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>ngemäß anzuwenden (§ 59 Abs 2 VO-UA).<br />
X. ZUSAMMENFASSUNG<br />
Zentrale Aufgabe des <strong>Rechtsanwalt</strong>s <strong>als</strong> Vertrauensperson<br />
<strong>in</strong> <strong>parlamentarischen</strong> <strong>Untersuchungsausschüssen</strong> ist die Beratung<br />
der Auskunftsperson während deren Befragung vor<br />
allem im H<strong>in</strong>blick auf die Zulässigkeit bzw Unzulässigkeit<br />
von Fragen der Abgeordneten. Darüber h<strong>in</strong>aus ist e<strong>in</strong>e weitere<br />
zentrale Aufgabe die Beratung der Auskunftsperson betreffend<br />
die dieser zukommenden Aussageverweigerungsrechte.<br />
Für Vertrauenspersonen besteht die Gefahr, dass<br />
sie ausgeschlossen werden können. Es besteht <strong>in</strong> der VO-<br />
UA mE e<strong>in</strong> ungeklärter Widerspruch zwischen der Aufgabe<br />
der „positiven“ Beratung und der „negativen“ Bee<strong>in</strong>flussung<br />
durch die Vertrauensperson. Wird die Vertrauensperson<br />
ausgeschlossen, sollte die Auskunftsperson von ihrem Recht<br />
Gebrauch machen, den Untersuchungsausschuss zu verlassen<br />
und zur nächsten Befragung mit e<strong>in</strong>er neuen Vertrauensperson<br />
zu ersche<strong>in</strong>en. <strong>Der</strong> Ausschluss e<strong>in</strong>er Vertrauensperson<br />
verletzt aufgrund der bisherigen Judikatur<br />
des VfGH ke<strong>in</strong> Persönlichkeitsrecht. <strong>Der</strong> VfGH kann e<strong>in</strong><br />
Verhalten nur dann für rechtswidrig erklären, wenn e<strong>in</strong><br />
Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist. Für Rechtsanwälte<br />
gelten im Falle ihres E<strong>in</strong>schreitens <strong>als</strong> Vertrauensperson die<br />
Standespflichten des § 9 Abs 1 RAO.<br />
ADRIAN ZWETTLER<br />
<strong>Der</strong> Autor ist <strong>Rechtsanwalt</strong>sanwärter<br />
bei<br />
BINDER GRÖSSWANG<br />
Rechtsanwälte GmbH <strong>in</strong><br />
Wien.<br />
2017/24<br />
„Wrongful birth“ und<br />
„wrongful conception“ II<br />
Warten auf den „Park<strong>in</strong>son Case“<br />
Das Thema „wrongful birth“ und „wrongful conception“ beschäftigt Rsp und Literatur seit rund 20 Jahren. Zuletzt hat<br />
Swoboda 1 an dieser Stelle anhand der Judikatur des OGH – allerd<strong>in</strong>gs unter Aussparung der seit 2008 ergangenen<br />
Entscheidungen – darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass diese „ke<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen Rechtsansicht“ folgt. Diese Divergenz zwischen<br />
der Zulassung von „wrongful birth“ und der Ablehnung von „wrongful conception“ wurde bereits vielfach <strong>als</strong> widersprüchlich<br />
kritisiert. 2<br />
Die rezenteren Entscheidungen des OGH haben die Widersprüche allerd<strong>in</strong>gs noch verschärft. Angesichts der Erfolglosigkeit<br />
sämtlicher Appelle zur E<strong>in</strong>berufung e<strong>in</strong>es verstärkten Senats 3 ist e<strong>in</strong>e Klärung erst zu erwarten, wenn e<strong>in</strong>e<br />
besondere Fallkonstellation den OGH zw<strong>in</strong>gt, Stellung zu beziehen. Kommt es, wie im Fall der englischen Entscheidung<br />
zu Park<strong>in</strong>son, 4 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em „wrongful conception“-Szenario auch zu e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung des K<strong>in</strong>des, könnte die<br />
bislang vom OGH verfolgte Lösung, die une<strong>in</strong>heitliche Rsp mit verme<strong>in</strong>tlich „nicht vergleichbare[n] Sachverhalte[n]“ 5<br />
zu rechtfertigen, nicht aufrechterhalten werden.<br />
I. DIFFERENZIERUNG UND<br />
ERKLÄRUNGSANSÄTZE<br />
Führt das rechtswidrige Verhalten e<strong>in</strong>es Arztes zu e<strong>in</strong>er ungewollten<br />
Schwangerschaft, spricht man von „wrongful<br />
conception“. Relevanz haben hier <strong>in</strong>sb Aufklärungs- und<br />
Durchführungsfehler im Zuge von Sterilisationse<strong>in</strong>griffen.<br />
In dieser Konstellation besteht laut OGH ke<strong>in</strong> Anspruch<br />
auf Ersatz des Unterhalts, weil die Geburt e<strong>in</strong>es gesunden<br />
K<strong>in</strong>des ke<strong>in</strong>en Schaden darstellen könne. 6<br />
Unterlässt es der Arzt e<strong>in</strong>er Schwangeren h<strong>in</strong>gegen<br />
pflichtwidrig, diese über e<strong>in</strong>e Beh<strong>in</strong>derung ihres ungeborenen<br />
K<strong>in</strong>des aufzuklären, besteht e<strong>in</strong> Anspruch auf Ersatz<br />
des Unterhalts, sofern die Kläger<strong>in</strong> glaubhaft macht, dass<br />
sie <strong>in</strong> Kenntnis der Beh<strong>in</strong>derung von ihrer Möglichkeit<br />
1 Swoboda, „Wrongful birth“ und „wrongful conception“ im Lichte des österreichischen<br />
Schadenersatzrechts, AnwBl 2016, 392.<br />
2 Etwa H<strong>in</strong>ghofer-Szalkay/Hirsch, Wrongful birth/Wrongful conception quo<br />
vadis? ÖJZ 2007/43; Kletečka, Erste Entscheidung des OGH zu „wrongful<br />
conception“, Zak 2006/599; Parapatits, Wrongful birth – Schadenersatz bei<br />
unerwünschter Geburt e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des, JAP 2006/2007, 115.<br />
3 Wittmann-Tiwald, Wrongful Birth – Wrongful Conception – Schlussfolgerungen,<br />
<strong>in</strong> Kopetzki/Pöschl/Reiter/Wittmann-Tiwald (Hrsg), Körper-Codes<br />
(2010) 138; Ste<strong>in</strong><strong>in</strong>ger, Wrongful birth revisited, ÖJZ 2008, 436 (439); Griss,<br />
zitiert <strong>in</strong> Schadenersatz für Geburt wider Willen, Die Presse 13. 11. 2006.<br />
4 Park<strong>in</strong>son v St James and Seacroft University Hospital NHS Trust (2001)<br />
EWCA 520, (2002) QB 266.<br />
5 OGH 6 Ob 148/08w; 6 Ob 101/06f; 2 Ob 172/06t; 5 Ob 148/07m.<br />
6 OGH 6 Ob 101/06f; 2 Ob 172/06t; 6 Ob 148/08w; 9 Ob 37/14b.<br />
Adrian Zwettler „Wrongful birth“ und „wrongful conception“ II<br />
07-08_2017 österreichisches anwaltsblatt