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Hinz&Kunzt 294 August 2017

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Das Hamburger<br />

Straßenmagazin<br />

Seit 1993<br />

N O <strong>294</strong><br />

Aug.17<br />

2,20 Euro<br />

Davon 1,10 Euro<br />

für unsere Verkäufer<br />

Sascha:<br />

Mit elf das<br />

erste Mal<br />

obdachlos<br />

Bosse:<br />

„Ich kann<br />

viel bewirken,<br />

viel helfen.“


ART<br />

MUSIC<br />

TATTOO<br />

12. & 13. AUGUST <strong>2017</strong><br />

KULTURWERKSTATT ALTONA<br />

www.taste-hh.de<br />

tastefestderkuenste<br />

taste_festderkuenste


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Editorial<br />

Vom Sylvias Geburtstagskuchen<br />

ist so gut wie nichts<br />

mehr übrig. Die 58-Jährige<br />

ist unsere dienstälteste<br />

Hauswirtschafterin.<br />

Gerne steht sie mit Frank,<br />

genannt „Spinne“, hinter<br />

dem Kaffeetresen. Aber der<br />

Hauptjob von Sylvia, Elena<br />

(links) und Carmen ist<br />

Putzen. Auf Teilzeit –<br />

und fest angestellt.<br />

TITELBILD: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Hamburgs Zentraler<br />

Omnibusbahnhof (ZOB) ist<br />

nicht jedem vertraut –<br />

obwohl er mitten in der City<br />

liegt. Was dort innerhalb<br />

von 24 Stunden passiert,<br />

wer wohin reist und wer was<br />

erlebt, lesen Sie ab S. 6<br />

Bosse kommt:<br />

Im <strong>August</strong> spielt der<br />

Sänger ein Konzert auf der<br />

Trabrennbahn Bahrenfeld.<br />

Wir haben den 37-Jährigen<br />

gefragt, wieso er sich neben<br />

der Musik für Obdachlose<br />

stark macht. S. 48<br />

Geschichten<br />

aus unserem Alltag<br />

Irgendwie sitzt uns allen noch der G20-Gipfel in den<br />

Knochen. Die Gewalt, die martialischen Bilder, die<br />

Geräusche. Im Vorfeld hatten wir einen offenen<br />

Brief an die Senatoren Melanie Leonhard und Andy<br />

Grote geschrieben und an Bürgermeister Olaf<br />

Scholz (alle SPD). Wir hatten gefordert, dass die Obdachlosen<br />

ein Ausweichquartier bekommen. Keine<br />

Antwort. Während des G20 waren viele Obdachlose<br />

einfach verschwunden. Und die, die blieben, gaben<br />

sich betont cool. Obwohl sie zwischen die Fronten<br />

von Polizei und Demonstranten gerieten (Seite 16).<br />

Da tut etwas Alltag gut. Sylvia, unsere dienstälteste<br />

Hauswirtschafterin, wurde 58 und hat für uns<br />

Kuchen gebacken. Sie liebt es, unsere Büros mit<br />

Blumen zu schmücken, Wäsche zu waschen, mit<br />

„Spinne“ am Kaffeetresen zu stehen oder eben zu<br />

backen. Aber ihr Hauptjob ist natürlich Putzen. Bei<br />

um die 500 aktiven Hinz&Künztlern nicht gerade<br />

einfach. Inzwischen hat sie noch zwei Kolleginnen:<br />

Elena und Carmen, beide aus Rumänien, und beide<br />

haben zunächst Zeitungen verkauft.<br />

Für Elena ist der Schritt in die Festanstellung<br />

besonders groß. Sie ging in Rumänien nur kurze Zeit<br />

in die Schule. Und war noch nie richtig im Urlaub.<br />

Aber im vergangenen Jahr war sie mit uns beim<br />

Papst. „Schön!“, sagt sie und legt ihre Hand ans<br />

Herz. Die drei kommen indirekt auch in unserem<br />

Jahresbericht 2016 (Seite 42) vor. Sie sind drei von 22<br />

Festangestellten, die früher wohnungslos waren. •<br />

Ihre Birgit Müller<br />

Chefredakteurin<br />

(Wir freuen uns über Post von Ihnen.<br />

Schreiben Sie uns doch an info@hinzundkunzt.de)<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

Das Thema: Unser<br />

Hamburg. Das Werkzeug:<br />

eine Kamera.<br />

Hinz&Künztler machten<br />

sich auf Motivsuche.<br />

Die Resultate sehen<br />

Sie ab S. 28<br />

Inhalt<br />

Stadtgespräch<br />

04 Gut&Schön<br />

06 24 Stunden am ZOB<br />

12 Winternotprogramm 2018<br />

14 Zahlen des Monats<br />

16 G20-Rückblick<br />

42 Jahresbericht 2016<br />

Hinz&Künztler<br />

24 Saschas neues Zuhause<br />

28 Verkäufer-Fotowettbewerb<br />

Lebenslinien<br />

34 Autor: Günter Märtens<br />

38 Live bei Oriental Karaoke<br />

Freunde<br />

44 Wettbewerb AudiYou<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

48 Musik: Bosse-Interview<br />

52 12 Tipps für den <strong>August</strong><br />

56 Comic mit Dodo Dronte<br />

58 Momentaufnahme<br />

Rubriken<br />

05 Kolumne<br />

22 Meldungen<br />

46 Leserbriefe<br />

57 Rätsel, Impressum


Russland<br />

Sehnsuchtsort<br />

Datscha<br />

Evgeny Makarov war noch Kind, als er<br />

mit seiner Familie von Russland nach<br />

Hamburg zog. Nun ist der Fotograf, der<br />

auch für Hinz&<strong>Kunzt</strong> arbeitet, noch<br />

einmal auf die Datscha seiner Kindheit<br />

zurückgekehrt und hat die Bewohner<br />

und ihren Alltag porträtiert. Zum<br />

Beispiel Anna, die ihren Kraftort unter<br />

ihrem Kirschbaum hat. Entstanden ist<br />

ein warmherziger Bildband, durchzogen<br />

von einer sanften Wehmut. FK<br />

•<br />

Einblicke in das Buch 600 M² Glück<br />

gibt es unter www.evgenymakarov.com


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Gut&Schön<br />

Korrekt einkaufen<br />

„Markthalle<br />

mit Flair“<br />

Andreas Achtziger mag es pur – ohne<br />

Plastikverpackungen oder Kartons.<br />

FOTOS: EVGENY MAKAROV, (S.4), JULIA SCHWENDNER (OBEN),<br />

ANDRE KRAMER (UNTEN), WWW.HELPHERE.DE, KOLUMNE: CHRISTOPHER KOCH<br />

Engagement<br />

Unermüdlich für die Demokratie unterwegs<br />

Sie bleibt jung und unangepasst – Esther Bejarano.<br />

Trotz ihrer 92 Lebensjahre tritt die Auschwitz-<br />

Überlebende weiterhin mit der Kölner „Microphone<br />

Mafia“ auf – wie hier in Hamburg. Geehrt wurde<br />

sie jetzt mit dem „Hildegard Hamm-Brücher-<br />

Förderpreis“ für Demokratie. FK<br />

•<br />

Protest hilft Obdachlosen<br />

Es war der Hit im Internet: der<br />

Comedien Andre Kramer und sein<br />

Schild „Ich bin Anwohner und<br />

gehe nur kurz zu Edeka“ vor aufmarschierter<br />

Polizei beim G20.<br />

Klar, dass Edeka das Bild für seine<br />

Werbung nutzte. Was Kramer auf<br />

die nächste Idee brachte: Er bat die<br />

Lebensmittelkette um Spenden für<br />

Obdachlose. Und Edeka lieferte an Hilfe per Klick<br />

die Heilsarmee auf St. Pauli. So haben<br />

wenigstens einige Obdachlose Suchen Unterstützung beim<br />

Sie brauchen eine Bohrmaschine?<br />

vom G20-Gipfel profitiert. FK<br />

•<br />

Umzug? Viele Menschen brauchen<br />

Hilfe, viele Menschen wollen aber<br />

auch helfen. Nur: Wie kommt man<br />

schnell und unkompliziert zusammen?<br />

25 Vereine haben nun die<br />

Internetplattform „HelpHere“<br />

eingerichtet: ein soziales Schwarzes<br />

Brett. Anklicken, Hilfe suchen,<br />

Hilfe posten, geordnet nach Postleitzahlen.<br />

Einfach. Und klasse. FK<br />

Alles unter: www.helphere.de<br />

•<br />

Sie sammeln für eine „Zero-Waste-<br />

Markthalle“. Was wird das?<br />

Eine Markthalle, wie man<br />

sie aus Madrid oder Paris<br />

kennt, haben wir in Hamburg<br />

nicht. Ich möchte ein<br />

wenig von deren Flair zu<br />

uns bringen: eine Halle mit<br />

vielen Ständen, mit viel Leben<br />

und das verbunden mit<br />

einem verpackungsfreien<br />

Einkaufen. Auch ein verpackungsfreier<br />

Supermarkt<br />

gehört dazu.<br />

Gegen Konsum sind Sie aber nicht?<br />

Es gibt die einen, die einen<br />

minimalistischen Lebensstil<br />

pflegen, und es gibt die, die<br />

gerne konsumieren, aber<br />

Müll und Abfall vermeiden<br />

möchten. Ich möchte beide<br />

Gruppen ansprechen, möchte<br />

nicht dogmatisch sein.<br />

Was wird noch anders sein?<br />

Es soll auch ein kultureller<br />

Ort werden mit genügend<br />

Freiflächen für Theaterprojekte,<br />

für Lesungen und<br />

Ausstellungen. Mein Traum<br />

ist es, dass die Leute nach<br />

dem Einkaufen an einer<br />

langen Tafel zusammensitzen<br />

und miteinander besprechen,<br />

wie man diese<br />

Welt vielleicht ein wenig<br />

besser machen kann. FK<br />

•<br />

Crowdfunding noch bis zum<br />

17.8.: www.startnext.com/<br />

zerowaste-markthalle<br />

5


Jahrzehntelang war der ZOB eine<br />

richtige Schmuddelecke.<br />

2003 dann die Renovierung –<br />

für 16 Millionen Euro. Und er wurde<br />

wegen seines futuristischen<br />

Glasdaches „Bauwerk des Jahres“.


Drehkreuz in<br />

die Welt<br />

Busse kommen an und fahren ab,<br />

Menschen verabschieden sich,<br />

winken, warten, wuseln geschäftig umher:<br />

Hamburgs Zentraler Omnibusbahnhof<br />

(ZOB) ist ein spannender Ort.<br />

Frank Keil (Text) und Mauricio Bustamante<br />

(Fotos) haben sich 24 Stunden<br />

lang umgeschaut.


Für Christoph geht es gleich nach Darmstadt. Der Student mag die gelassene<br />

Atmosphäre auf dem ZOB: „Du hast hier keine Schlipsträger, die in ihr Handy brüllen“,<br />

sagt er. Und zum Reisen gehöre eine gewisse Langsamkeit nun mal dazu.<br />

Unser ZOB-Tag beginnt an<br />

einem Mittwochmittag. Wo<br />

um kurz vor 12 Uhr Markus<br />

und Lisa mitten auf<br />

dem Busbahnhofsplatz stehen und sich<br />

küssen. Weil Markus gleich nach Berlin<br />

fährt, und Lisa bleibt zurück. Einen Tag<br />

außer der Reihe haben sie miteinander<br />

verbracht, es musste einfach sein. Sie<br />

versuchen sich jedes Wochenende zu sehen,<br />

in Hamburg oder in Berlin. Lisa<br />

nimmt manchmal das Auto, Markus<br />

fast immer den Bus. Die Fahrt: neun<br />

Euro. „Fantastischer Preis!“, sagt der<br />

umschlungene Markus, den wir jetzt in<br />

Ruhe lassen, damit er sich von Lisa<br />

verabschieden kann, sein Bus geht in<br />

wenigen Minuten. Und danach sind die<br />

beiden wieder allein.<br />

Den Hamburger ZOB gibt es seit<br />

den 1950er-Jahren. Damals fuhren vorzugsweise<br />

die Busse der Bahn und der<br />

Post durchs Land. Doch mit dem Aufkommen<br />

des Individualverkehrs wurde<br />

Busfahren etwas für die, die sich kein<br />

Auto leisten konnten. Der ZOB war<br />

schließlich eine schwer einsehbare<br />

Ecke, die der Hamburger besser mied.<br />

Mit dem Ende des Ostblocks begann<br />

sich das Reisen per Bus langsam zu beleben.<br />

2003 wurde der Bahnhof grundlegend<br />

modernisiert. Der Schub kam<br />

„Man erzählt<br />

sich aus seinem<br />

Leben, man hat<br />

ja Zeit.“ MILA Z.<br />

8<br />

2014: mit der Liberalisierung des Fernbusmarktes,<br />

der die Zahl der Passagiere<br />

so gut wie verdoppelte. Dieser Trend<br />

hält an. Und auch wenn es länderübergreifende<br />

Touren nach Frankreich gibt,<br />

nach Spanien und Portugal, es dominieren<br />

die Verbindungen nach Ost- und<br />

nach Südosteuropa, weil die von dort<br />

kommenden Arbeitsmigranten, die bei<br />

uns auf dem Bau, in der Gastronomie<br />

und in der Pflege arbeiten, ihr Geld<br />

nicht für vergleichsweise teure Bahnoder<br />

Flugtickets gleich wieder ausgeben<br />

wollen.<br />

So ist der Bus, der um 14 Uhr nach<br />

Belgrad geht, nicht der einzige, der<br />

Hamburg mit Serbien verbindet. Am<br />

Rand steht Mila Z. Sie hat ihre Nichte<br />

zum Bus gebracht. Sie selbst hat lange<br />

bei der Deutschen Bahn gearbeitet, hat<br />

die Bahncard 100, fährt umsonst. Aber<br />

Frau Z. nimmt gern den Bus, will sie ihr<br />

altes Zuhause besuchen. Weil ganz<br />

schnell eine Gemeinschaft entstünde,<br />

eine vertraute Reisegesellschaft für<br />

24 Stunden: „Man macht zusammen<br />

Pause, man lernt sich ein wenig kennen,<br />

man erzählt sich aus seinem Leben,<br />

man hat ja Zeit.“<br />

Um 15 Uhr ist es richtig voll: Junge<br />

Leute mit Luftmatratzen und Wasser-


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

pistolen, die auf Rockfestivals wollen,<br />

bestimmen kurzzeitig das Bild. Am<br />

Rande eine Gruppe junger Architekturstudenten<br />

aus Istanbul. Mit dem Flieger<br />

sind sie nach Rotterdam gekommen,<br />

von dort ging es per Bus nach Köln,<br />

„Auch die<br />

Straßenmusiker<br />

nehmen unsere<br />

Busse.“<br />

IULIANA-VIOLETA MOSBERGER<br />

nach Hamburg und nun geht es nach<br />

Berlin. Pro Stadt zwei Tage. Klar, Hamburg<br />

sei toll! Das Chilehaus, die Elbphilharmonie<br />

– super. Was ihnen auch<br />

gefallen hat und was sie unbedingt sehen<br />

wollten: die Rote Flora.<br />

Gegen 18 Uhr packt Iuliana-Violeta<br />

Mosberger langsam ihre Sachen. Ihr<br />

Reisebüro im ersten Stock der Wartehalle<br />

bietet Fahrten nach Rumänien an.<br />

Das aktuelle Angebot: für 95 Euro geht<br />

es hin. Will man wieder zurück, kostet<br />

das insgesamt 170 Euro. „98 Prozent<br />

unserer Fahrgäste sind Rumänen. Und<br />

zwei Prozent sind mit Deutschen Verheiratete“,<br />

sagt sie. „Auch die Straßenmusiker,<br />

die Bettler, sie nehmen alle<br />

unsere Busse.“ Nicht nur, weil die Fahrt<br />

so günstig ist – sondern weil man im<br />

Bus so viel Gepäck mitnehmen darf wie<br />

man tragen kann. „Und diese Menschen<br />

nehmen auch mit, was sie hier in<br />

Deutschland auf der Straße gefunden<br />

haben, was aber bei uns noch etwas<br />

wert ist“, sagt sie.<br />

21 Uhr: Dichtes Gedränge vor zwei<br />

Bussen, die nach Polen gehen. Kein<br />

Durchkommen. Kein Durchkommen?<br />

Patricya schüttelt den Kopf: Ehrlich –<br />

das sei gar nichts! Wir sollten mal am<br />

Freitag schauen! Oder an Ostern! „Da<br />

sieht man, wie viele Polen heute in<br />

Deutschland arbeiten“, sagt sie. Sie<br />

pendelt seit den 1990er-Jahren zwischen<br />

Deutschland und Polen. Sie muss<br />

in die Nähe von Kattowitz. „Okay, man<br />

hat im Bus nicht so viel Platz, die Sitze<br />

sind schmal, aber wenn man eine<br />

ruhige Nachbarschaft hat, dann kann<br />

Lisa und Markus führen wie viele Paare eine vernünftige Wochenend-Fernbeziehung<br />

zwischen Hamburg und Berlin. Doch diesmal mussten sie sich einfach mitten in der<br />

Woche sehen! Am Nachmittag füllt sich kurzzeitig die Wartehalle. Es geht nach München,<br />

ins Baltikum, nach Serbien oder etwas schlichter in die Lüneburger Heide.<br />

9


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

Linienbus gefahren, habe hier manchmal<br />

Pause gemacht, aber ich habe den<br />

ZOB gar nicht richtig wahrgenommen<br />

und mir nie Gedanken gemacht, wie<br />

viele Leute hier täglich ankommen und<br />

abfahren“, erzählt er.<br />

Eine Gruppe<br />

Jugendlicher<br />

zieht lärmend<br />

vorbei.<br />

Mehrmals am Tage werden die wichtigsten polnischen Städte angefahren. Weit im<br />

Voraus buchen muss man in der Woche nicht. Jens, der Flaschensammler, wartet auf seinen<br />

Feierabend. In ein paar Tagen ist auch er unterwegs: nach Wien. Natürlich mit dem Bus.<br />

man gut schlafen“, sagt sie. „Aber das<br />

letzte Mal saß eine Oma neben mir, also<br />

eine alte Frau. Und sie hat erzählt,<br />

die ganze Zeit – sie hatte Reisefieber.“<br />

Kurz nach 23 Uhr tritt Herr Gamm<br />

vor die Tür. Sein Arbeitsplatz ist oben<br />

in der Leitstelle im ersten Stock, wo sie<br />

auf Monitoren die An- und Abfahrten<br />

der Busse verfolgen und diese notfalls<br />

einweisen. Er will sich mal kurz die<br />

Beine vertreten. „Dieses Ostern waren<br />

64 zusätzliche Busse eingesetzt, um die<br />

Polen nach Hause zu bringen“, bestätigt<br />

er Patricyas Auskunft. Ruhe sei nie:<br />

Es komme immer ein Bus an, es fahre<br />

immer einer ab. „Ich bin selbst lange<br />

Jens, der Flaschensammler, hat seinen<br />

Spätkaffee ausgetrunken und etwas<br />

gegessen. Gekonnt räumt er nun vorm<br />

Café „Soulfood“ Stühle und Tische zusammen<br />

und kettet sie an. Er hilft und<br />

wird dafür verpflegt, das ist der Deal.<br />

Eine Gruppe Jugendlicher zieht lärmend<br />

vorbei, unterwegs in eines der<br />

neuen Hostels Richtung Steindamm,<br />

Sechslingspforte.<br />

Tiefdunkel ist es geworden, jedenfalls<br />

für Stadtverhältnisse. In einer der<br />

unteren Bustaschen, wie man die Haltebuchten<br />

fachmännisch nennt, steht um<br />

1.30 Uhr ein Bus mit abgeblendeten<br />

Scheinwerfern. Ziel: Lago di Garda.<br />

Ältere Leute drängen in den Bus. „Die<br />

vorderen Plätze sind alle reserviert, aber<br />

weiter hinten ist alles frei“, versucht der<br />

Busbegleiter die aufgeregten Fahrgäste<br />

zu dirigieren. Wie – reserviert? Und die,<br />

die nicht reserviert haben? Das geht<br />

doch nicht! Das gibt’s doch nicht! Und<br />

sie schieben und schubsen und erobern<br />

sich einen Sitzplatz. Hier werden sie<br />

sitzen bleiben und nicht weichen, bis<br />

die Koffer wieder ausgeladen werden.<br />

Mäuse huschen über den Platz.<br />

Der Himmel ist um 5.15 Uhr noch<br />

gräulich, fast fahl. Wird licht, mit rosa<br />

Tupfen durchsetzt, die bald Schlieren<br />

ziehen. Die Wartehalle ist noch geschlossen,<br />

obwohl sie seit einer Viertelstunde<br />

geöffnet sein müsste. Niemand<br />

mag reden. Die Ruhe ist ganz angenehm.<br />

Um 5.45 Uhr fährt ein Bus nach<br />

Berlin, der Bus aus Mannheim, der für<br />

4.45 Uhr angekündigt war, wird um<br />

5.20 Uhr erwartet. Man könnte um<br />

10


Stadtgespräch<br />

6.30 Uhr auch nach Bratislava reisen. Acht Busse<br />

stehen auf der Parkspur.<br />

Um 8 Uhr dann die Tour nach Sofia. Was es<br />

so gar nicht gibt, sind Fahrgäste mit Hunden.<br />

Langsam füllt sich der ZOB. Wenn die Fahrer<br />

aussteigen und sich recken, rutschen ihnen ihre<br />

meist blütenweißen Hemden aus der Hose. Im<br />

Gehen, zur Toilette oder zu einem der Cafés,<br />

stecken sie die wieder zurück.<br />

9 Uhr: Gleich steige ich auch in so einen Bus.<br />

Fahre irgendwohin! Es muss toll sein, morgen um<br />

diese Zeit irgendwo auszusteigen, vom langen Sitzen<br />

zerschlagen und aufgekratzt, müde und wach<br />

zugleich. Ich ringe mein Fernweh nieder. Beim<br />

nächsten Bus steht „Gostiver“ auf der Anzeigetafel.<br />

„Das ist in Makedonien!“, ruft der Busfahrer.<br />

„Unsere Heimat, was sollen wir machen?“, er<br />

wirft seine Zigarette weg, springt in den Bus. 30<br />

Stunden werden er und sein Beifahrer mindestens<br />

unterwegs sein. Zehn Minuten später hält der Bus<br />

aus Kiew. Eine Gruppe schweigender Männer<br />

stellt sich eng in einem Kreis auf, wie Pinguine.<br />

Alle rauchen. Dann steigen sie wortlos wieder ein<br />

und es geht weiter, wohin auch immer.<br />

Um 11 Uhr wird es langsam warm. Christa<br />

Graf hält uns ihren rechten Arm hin, zieht den Ärmel<br />

hoch: Ob wir die Gänsehaut sehen könnten?<br />

Sie ist ja sowas von begeistert von ihrer ersten Fernbusfahrt,<br />

die sie von Aachen nach Hamburg gebracht<br />

hat. „Als ich zu Hause einstieg, dachte ich:<br />

Für die paar Euro diese Strecke, das kann ja eine<br />

lustige Fahrt werden.“ Sie muss jetzt noch eine<br />

Bekannte anrufen und ihr davon vorschwärmen.<br />

Draußen fahren drei Busse nach Berlin nahezu<br />

zeitgleich ab, und der Platz ist plötzlich sehr<br />

leer. Er wird sich in der kommenden halben Stunde<br />

wieder füllen. Dann geht es nach Mainz, nach<br />

Novi Pazar und wieder nach Berlin. Was Markus<br />

und Lisa wohl machen? •<br />

abasto<br />

ökologische Energietechnik<br />

Für mehr soziale Wärme<br />

und eine klimaschonende<br />

Strom- und Wärmeversorgung.<br />

www.abasto.de<br />

FAMILIENFEST AUF DEM BERT-KAEMPFERT-PLATZ<br />

Samstag,<br />

26. <strong>August</strong> <strong>2017</strong><br />

ab 14 Uhr<br />

Museum der Arbeit<br />

Kontakt: frank.keil@hinzundkunzt.de<br />

Hamburgs Zentraler Busbahnhof<br />

Hamburgs Zentraler Omnibusbahnhof liegt im<br />

Stadtteil St. Georg, gleich neben dem Hauptbahnhof.<br />

Der ZOB ist eine GmbH, fast 70 Prozent<br />

der Anteile gehören der Hamburger Hochbahn.<br />

Die Fahrgastzahlen steigen Jahr für Jahr.<br />

Zunehmend finden sich auch junge Familien<br />

unter den Fahrgästen. Der ZOB ist rund um<br />

die Uhr geöffnet. Nur die Wartehalle<br />

schließt um 23 Uhr und öffnet wieder um 5 Uhr<br />

morgens. Diverse Reisebüros verkaufen<br />

vor Ort Tickets, auch wenn Online-Buchungen<br />

immer beliebter werden.<br />

11<br />

Live-Musik ab 18 Uhr:<br />

EARLY BIRDS<br />

SWINGSCHMELZE<br />

SYLVIA VRETHAMMAR<br />

& ACK VAN ROOYEN<br />

Eintritt tt<br />

kostenlos!<br />

Mehr Infos unter:<br />

www.museum-der-arbeit.de


Ab November<br />

öffnet erneut<br />

das Winternotprogramm<br />

seine Türen.<br />

Nächste Notlage<br />

mit Ansage<br />

Wie in den Vorjahren wird die Stadt mehr als 800 Plätze im kommenden Winternotprogramm<br />

anbieten. Die Probleme für Obdachlose aber bleiben bestehen, sagt<br />

Dirk Hauer von der Diakonie: Es gibt für sie leider zu wenige ganzjährige Unterkünfte.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER<br />

FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Trotz warmer Temperaturen hat man<br />

sich in der Sozialbehörde und beim<br />

städtischen Unterkunftsbetreiber fördern<br />

und wohnen (f&w) im Juli viele Gedanken<br />

um Schnee und Kälteschutz<br />

machen müssen. Seit mehr als 25 Jahren<br />

bietet die Stadt Obdachlosen von November<br />

bis Ende März im Winternotprogramm<br />

Schutz. Doch f&w musste<br />

eine der bestehenden Unterkünfte<br />

schließen. Das Gebäude im Münzviertel<br />

weicht dem Wohnungsbau. Ein Verlust<br />

von etwa 425 Schlafplätzen.<br />

Inzwischen ist man fündig geworden.<br />

In der Friesenstraße in Hammerbrook<br />

wird eine Flüchtlingsunterkunft<br />

12<br />

zur Notschlafstätte für bis zu 460 Obdachlose<br />

umgebaut. Der Vertrag gilt für<br />

zehn Jahre. Darüber hinaus öffnet auch<br />

die Unterkunft im Schaarsteinweg wieder<br />

ihre Türen. Insgesamt stehen dann<br />

mehr als 800 Plätze zur Verfügung. Darüber<br />

hinaus gibt es etwa 130 Plätze in<br />

Containern auf Kirchengeländen.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

„Ende 2016 gab<br />

es erste positive<br />

Signale aus<br />

der Sozialbehörde.<br />

Aber jetzt?“ DIRK HAUER<br />

ANKER<br />

DES<br />

LEBENS<br />

FOTO: DIAKONIE HAMBURG<br />

Trotz aller Erleichterung offenbart die<br />

hohe Anzahl der Notschlafplätze die<br />

Probleme der Wohnungslosenhilfe. „Es<br />

hat doch eigentlich niemand Interesse<br />

an einem überbordenden Winternotprogramm“,<br />

sagt Dirk Hauer. Der<br />

58-Jährige leitet den Fachbereich Migration<br />

und Existenzsicherung bei der Diakonie<br />

Hamburg. Statt Notschlafplätze<br />

herzurichten, müsse man den Menschen<br />

endlich Plätze in dauerhaften<br />

Unterkünften anbieten. „Es gab Ende<br />

des Jahres positive Signale aus der Sozialbehörde,<br />

aber leider hat man davon<br />

nichts mehr vernommen.“<br />

1500 dauerhafte<br />

Plätze sollten<br />

allein in diesem<br />

Jahr entstehen.<br />

Ursprünglich wollte die Stadt nämlich<br />

1500 neue Plätze in diesem Jahr schaffen.<br />

Im ersten Halbjahr wurden aber<br />

erst 580 Wohnungslose untergebracht.<br />

„Es müssten deutlich mehr Plätze in<br />

Unterkünften auch für Obdachlose entstehen.<br />

Dann benötigen wir nicht so<br />

viele Betten in den Notunterkünften“,<br />

sagt Hauer. Das Winternotprogramm<br />

sei „leider ein Nadelöhr auf dem Weg<br />

aus der Obdachlosigkeit“.<br />

Wirklich zur Ruhe kommen die<br />

Obdachlosen in den Notunterkünften<br />

allemal nicht. Denn das Winternotprogramm,<br />

so die Linie der Behörde, ist lediglich<br />

ein Erfrierungsschutz. Selbst bei<br />

deutlichen Minustemperaturen dürfen<br />

die Obdachlosen erst gegen 17 Uhr rein<br />

und müssen um 9 Uhr wieder raus.<br />

Seit Jahren fordert die gesamte<br />

Wohnungslosenhilfe eine Tagesöffnung<br />

des Notprogramms. Hinz&<strong>Kunzt</strong> hatte<br />

Sozialsenatorin Melanie Leonhard sogar<br />

eine Online-Petition mit 55.896<br />

Unterschriften übergeben. Vergeblich.<br />

Stattdessen schlug man eine andere<br />

Gangart ein: Erstmals wurden Obdachlose<br />

abgewiesen. Und das, obwohl es<br />

sich um einen Erfrierungsschutz handelte.<br />

Es waren Osteuropäer, die meisten<br />

Bettler, die in der Regel für ein paar<br />

Monate in Hamburg leben. Weil sie in<br />

der Heimat noch eine Wohnung haben,<br />

sollen sie dorthin zurückkehren.<br />

Einige abgelehnte Obdachlose verblieben<br />

aber nach Angaben von Straßensozialarbeitern<br />

in der Stadt. Sie hätten<br />

anschließend draußen in der Kälte<br />

genächtigt. „Auch die müssen untergebracht<br />

werden, dafür ist Erfrierungsschutz<br />

schließlich da“, sagt Hauer. „Es<br />

geht nicht an, dass man das Winternotprogramm<br />

dadurch entlastet, indem<br />

man die Zugangshürden erhöht.“ •<br />

Kontakt: jonas.fuellner@hinzundkunzt.de<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> bietet obdachlosen<br />

Menschen Halt. Eine Art<br />

Anker für diejenigen, deren<br />

Leben aus dem Ruder<br />

gelaufen ist. Möchten Sie<br />

uns dabei unterstützen und<br />

gleichzeitig den Menschen,<br />

die bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> Heimat und<br />

Arbeit gefunden haben, helfen?<br />

Dann hinterlassen Sie etwas<br />

Bleibendes – berücksichtigen<br />

Sie uns in Ihrem Testament! Als<br />

Testamentsspender wird Ihr<br />

Name auf Wunsch auf unserem<br />

Gedenk-Anker in der Hafencity<br />

graviert.<br />

Ein maritimes Symbol für<br />

den Halt, den Sie den sozial<br />

Benachteiligten<br />

mit Ihrer Spende geben.<br />

Wünschen Sie ein persönliches<br />

Gespräch? Kontaktieren<br />

Sie den Geschäftsführer<br />

Dr. Jens Ade.<br />

Tel.: 040/32 10 84 03 oder<br />

Mail: jens.ade@hinzundkunzt.de<br />

13


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Zahlen des Monats<br />

Geldbußen<br />

wegen Leerstand<br />

12<br />

Mal haben Hamburgs Bezirksämter seit Verschärfung des Wohnraumschutzgesetzes<br />

vor vier Jahren eine Geldbuße verhängt, weil Eigentümer Wohnungen leer stehen<br />

lassen oder sie zweckentfremdet haben. In fünf Fällen ging es um ungenehmigten<br />

Leerstand, in drei um gewerbliche Nutzung etwa als Büro und in vier Fällen<br />

um eine unerlaubte Vermietung als Ferienwohnung, so die Stadtentwicklungsbehörde<br />

auf Nachfragen von Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum<br />

bis Ende 2016, neuere Daten liegen der Behörde nicht vor.<br />

Seit Juni 2013 müssen Eigentümer eine Genehmigung beantragen, wenn sie Wohnungen<br />

länger als vier Monate leer stehen lassen oder für anderes als zum Wohnen nutzen.<br />

Der Senat hatte die Verschärfung mit der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt<br />

begründet. Bei Verstößen gegen das Gesetz können die zuständigen Bezirke eine<br />

Geldbuße bis 50.000 Euro verhängen. In den 12 oben genannten Fällen ging es um insgesamt<br />

32.864 Euro. Welcher Anteil dieses Geldes bezahlt wurde, wird laut Behörde nicht erfasst.<br />

Der Erfolg des Gesetzes beruhe „vor allem auf seiner präventiven Wirkung“, erklärte die<br />

Stadtentwicklungsbehörde. Ziel sei in erster Linie, Zweckentfremdung und Leerstand zu beenden.<br />

978<br />

Wohnungen seien allein 2015 und 2016 wieder vermietet worden, nachdem die<br />

Wohnraumschützer Eigentümer – teils auf deren eigene Anfrage hin – auf ihre Pflichten<br />

hinwiesen. Das zeige, „dass viele Betroffene nach Aufklärung rechtmäßige Zustände herstellen“.<br />

Zuletzt erregte der Bezirk Mitte mediale Aufmerksamkeit über die<br />

Landesgrenzen hinweg: Er hat für ein seit Langem fast vollständig leer stehendes<br />

Mehrfamilienhaus in Hamm einen Treuhänder eingesetzt. Die Maßnahme gilt als<br />

schärfstes Schwert der Wohnraumschützer und wird nun erstmals angewandt.<br />

Laut Bezirksamt sollen in dem Haus sechs Wohnungen saniert und anschließend<br />

vermietet werden. Die Kosten will das Amt dem Eigentümer in Rechnung stellen.<br />

Ob dieser das in diesem Fall verhängte Zwangsgeld in Höhe von 18.000 Euro bezahlt hat,<br />

das ihn zu einer Vermietung bewegen sollte, ist nicht bekannt. Die beteiligten<br />

Behörden verweigern dazu die Auskunft mit Hinweis auf den Datenschutz. •<br />

TEXT: ULRICH JONAS<br />

ILLUSTRATION: GRAFIKDEERNS<br />

Mehr Infos unter www.huklink.de/wohnraumschutz<br />

Kontakt: ulrich.jonas@hinzundkunzt.de<br />

15


G20-Rückblick<br />

„Bitte raus aus unserm<br />

Wohnzimmer!“<br />

Hamburg versank im G20-Chaos – und viele Obdachlose waren mittendrin.<br />

Zig Schlafplätze gingen während der Gipfeltage verloren und einige Obdachlose<br />

gerieten zwischen die Fronten von Polizei und Demonstranten. Dass niemand<br />

verletzt wurde, ist reiner Zufall. Wir haben die Obdachlosen besucht.<br />

TEXT UND FOTOS: BIRGIT MÜLLER, BENJAMIN LAUFER, ANNABEL TRAUTWEIN, JONAS FÜLLNER<br />

16


Stadtgespräch<br />

Eine individuelle<br />

Lösung gibt<br />

es tatsächlich.<br />

Leider hatten wir recht. Der G20 war<br />

alles andere als ein Hafengeburtstag. Im<br />

Vorfeld hatten wir gefordert, dass die<br />

Obdachlosen zur Entspannung aller<br />

und zu ihrem Schutz in der City und<br />

auf St. Pauli ein Ausweichquartier bekommen.<br />

Wir befürchteten, dass sie<br />

sonst vertrieben würden oder in die<br />

Auseinandersetzungen zwischen Polizisten<br />

und Demonstranten geraten<br />

könnten. Als „hysterisch“ wurden wir<br />

von unseren Ansprechpartnern bezeichnet.<br />

Wie alle, die sich Sorgen<br />

An Hartmuths Platte brausen Polizeifahrzeuge vorbei.<br />

Kurze Zeit später muss er seinen Platz räumen,<br />

weil der Sportladen die Schaufenster vernagelt.<br />

machten. Die Behörde hatte gesagt, im<br />

Notasyl Pik As seien genug Plätze frei.<br />

Und ansonsten werde man „individuelle<br />

Lösungen“ finden. Daran haben wir<br />

nicht geglaubt, weil man sich mit gesundem<br />

Menschenverstand vorstellen<br />

kann, dass es unter Stress keine Zeit für<br />

„individuelle Lösungen“ gibt.<br />

In den Tagen vor und während des<br />

Gipfels waren wir deshalb unterwegs<br />

und haben Obdachlose besucht. Ein<br />

Rückblick. Viele normalerweise belebte<br />

Straßen sind schon ab dem 6. Juli wie<br />

leer gefegt. Manche Geschäfte haben<br />

sich regelrecht verbarrikadiert. Damit<br />

fallen einige Schlafplätze weg. Es sind<br />

deutlich weniger Obdachlose zu sehen<br />

als üblich. Von maximal 25 Obdachlosen<br />

in der Innenstadt spricht Straßensozialarbeiter<br />

Johan Graßhof. „Viele<br />

Obdachlose gehen in ruhige Bereiche,<br />

wo sie denken, dass sie von dort nicht<br />

vertrieben werden oder zwischen die<br />

Fronten geraten“, sagt er. Sie seien in<br />

Außenbezirke, Parks oder unter Brücken<br />

ausgewichen. Und: Im Pik As schlafen<br />

90 Menschen mehr als Anfang Juli.<br />

Eine individuelle Lösung gibt es tatsächlich:<br />

Die Obdachlosen unter der<br />

Kennedybrücke sind quasi evakuiert<br />

worden. Schon Wochen vorher hatten<br />

die Männer erzählt, dass Ordnungshüter<br />

ihnen mitgeteilt hätten, sie müssten<br />

zum G20 weg. Aber Polizei und Bezirk<br />

hatten das immer wieder dementiert.<br />

Bezirksamtsleiter Falko Droßmann<br />

hat deshalb versprochen, sich persönlich<br />

um die acht Männer zu kümmern,<br />

falls sie die Brücke räumen müssten.<br />

Und er hält Wort: Sie werden mit ihren<br />

ganzen Klamotten in eine Unterkunft<br />

nach Bergedorf gebracht – mit dem<br />

Versprechen, nach dem Gipfel wiederkommen<br />

zu dürfen.<br />

17


Rubrik<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

Eigentlich verstehen sich die Bewohner der Kersten-Miles-Brücke gut mit den Polizisten.<br />

Trotzdem geraten sie in Scharmützel zwischen Polizei und Demonstranten.<br />

Unter der Kersten-Miles-Brücke auf<br />

St. Pauli dürfen die Obdachlosen bleiben.<br />

Könnte nur sein, dass sie für ein<br />

paar Stunden wegmüssten, hat ihnen<br />

die Polizei gesagt. Trotzdem geraten sie<br />

zwischen die Fronten. Einmal fliehen<br />

Demonstranten vor der Polizei direkt<br />

durch ihr Lager, und es riecht nach<br />

Bengalos und Tränengas. Zum Glück<br />

wird keiner von ihnen verletzt. Am<br />

nächsten Morgen geht es gleich weiter:<br />

Direkt vor der Platte, auf der der Obdachlose<br />

Thorsten untergekommen ist,<br />

drängen sich Demonstranten. „Es ist<br />

schon ein komisches Gefühl, wenn man<br />

morgens um sieben aufwacht und plötzlich<br />

überall um sich herum Schuhe<br />

sieht“, sagt er.<br />

Er sei aus seinem Schlafsack gesprungen<br />

und habe sich mit ausgebreiteten<br />

Armen vor die Gruppe gestellt. „Ich<br />

hab denen gesagt: ‚Bitte raus aus unserm<br />

Wohnzimmer!‘“, erzählt Thorsten. „Das<br />

wurde auch größtenteils respektiert.“<br />

Einige Demonstranten seien jedoch mitten<br />

über ihre Platte gerannt. Später<br />

kommt es zu Gewaltszenen. „Wir hatten<br />

eine Rauchbombe hier“, sagt Thorsten<br />

und zeigt auf die obere Ecke der Platte.<br />

Zwei weitere trafen den unteren Rand<br />

ihrer Schlafstätte. Er nimmt die Situation<br />

mit demonstrativer Gelassenheit.<br />

Wenige Meter entfernt ist auch<br />

Krzysztof zwischen die Fronten geraten.<br />

Er wird frühmorgens von Demonstranten<br />

und Polizisten geweckt, die an<br />

seinem Schlafsack vorbei in den Park<br />

Hinter Krzysztofs<br />

Platte brennt<br />

ein BMW.<br />

Gregor sitzt unter der Brücke beim S-Bahnhof Sternschanze. Die Polizei hat ihm<br />

geraten, wegzugehen. Dass er ins Pik As gehen könnte, habe ihm niemand gesagt.<br />

stürmen. „Scheiß G20“, sagt er. Und<br />

dann wird auch noch zehn Meter weiter<br />

ein BMW angezündet.<br />

Krzysztof kann von seinem Schlafplatz<br />

nicht alleine weg, dazu ist er zu<br />

krank. Eigentlich hätte er ein Bett im<br />

Krankenhaus an der Hohen Weide,<br />

18


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Krzysztof ist krank. Eigentlich hätte<br />

er einen Platz im Krankenhaus, aber<br />

der Krankenwagen kam nicht durch.<br />

Und dann auch noch das:<br />

Ein paar Meter hinter seiner Platte<br />

wurde ein BMW angezündet.<br />

Jens hat am Rande von Demonstrationen<br />

Flaschen gesammelt. Zum Schluss musste er<br />

rennen. „Mit drei Säcken voller Flaschen.“<br />

erzählt Straßensozialarbeiter Johan<br />

Graßhoff. Doch die Sanitäter im Krankenwagen<br />

hätten gesagt, es sei zu kompliziert,<br />

durch die Straßensperren dort -<br />

hin zu gelangen.<br />

Vom Gipfel kalt erwischt wurde<br />

Gregor. Der Este sitzt unter der Brücke<br />

beim S-Bahnhof Sternschanze. „Ich<br />

wusste nicht, was G20 bedeutet“, sagt<br />

er. „Polizisten sagten mir, ich muss weg.<br />

Aber sie haben nicht gesagt, wohin.“<br />

Die meisten Obdachlosen geben<br />

sich betont unbeeindruckt vom Geschehen,<br />

haben sich mit der Zeit ein dickes<br />

Fell zugelegt. Hinz&Künztler Jens sammelt<br />

jetzt gerade am Fischmarkt und in<br />

der Schanze Flaschen. „Die Linken geben<br />

ja gerne ihre Flaschen ab“, sagt er.<br />

Und nicht nur die. Auch Polizisten wissen:<br />

Pfand gehört daneben.<br />

Die Ausschreitungen schrecken<br />

Jens jedenfalls nicht ab. „Nur am Ende<br />

musste ich rennen – mit drei Säcken<br />

voller Flaschen in der Hand.“ Viele<br />

Obdachlose blicken der Gefahr, verletzt<br />

zu werden, mit trotziger Gleichgültigkeit<br />

entgegen. Auf der Reeperbahn liegen<br />

sogar Obdachlose, während sich<br />

Demonstranten und Polizisten Scharmützel<br />

liefern.<br />

Aber sind nicht die Hamburger<br />

Politiker dafür verantworlich, dass die<br />

Obdachlosen geschützt werden? Menschen,<br />

die nicht mal nach Hause gehen<br />

können? Da kann Rolf, der in der Mönckebergstraße<br />

schnorrt, nur lachen.<br />

Den Glauben an die Politik hat der<br />

71-Jährige längst verloren. Für die<br />

Demonstranten hegt er deshalb große<br />

Sympathien. Schließlich gehöre er auch<br />

zu ihnen. „Ich demonstriere hier seit<br />

Jahren unangemeldet und illegal gegen<br />

Rolf auf der Mönckebergstraße. „Ich demonstriere hier seit Jahren<br />

gegen Altersarmut“, sagt er. „Und es interessiert keinen.“<br />

Altersarmut.“ Aber genau das interessiere<br />

die Politiker ja nicht.<br />

Und wir? Wir verstehen nicht, dass<br />

die Stadt das Risiko, dass Menschen<br />

verletzt werden, in Kauf genommen<br />

hat. Warum gab es nicht eine Ausweichlösung<br />

für alle? Zumal man die<br />

Zeit hätte nutzen können, um Obdachlose<br />

dauerhaft unterzubringen. Das hat<br />

übrigens bei einigen tatsächlich geklappt,<br />

die im Pik As oder in Bergedorf<br />

Zuflucht gefunden haben: 13 Obdachlosen<br />

wurden während der Gipfeltage<br />

vermittelt und müssen nun nicht mehr<br />

zurück auf die Straße. •<br />

Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

19


G20-Rückblick<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim C20-Zivilgipfel in Hamburg.<br />

Fairness und Augenhöhe mahnten die Delegierten an. Beim G20 im<br />

Juli noch nicht auf Augenhöhe: Alpha Condé war als Vertreter<br />

der Afrikanischen Union nur zweite Liga, obwohl es um Afrika ging.<br />

Was brachte der Gipfel<br />

den armen Ländern?<br />

Im Vorfeld zum G20 haben wir uns in den vergangenen Monaten mit den<br />

Themen Armut, Hunger und Klimawandel befasst – und damit, was die reichen<br />

Länder tun könnten. Klaus Seitz von Brot für die Welt zieht für uns Bilanz.<br />

INTERVIEW: BIRGIT MÜLLER<br />

Bundeskanzlerin Angela Merkel<br />

(CDU) ließ es sich nicht<br />

nehmen. Zum C20, dem Gipfel<br />

der zivilgesellschaftlichen<br />

Organisationen weltweit, flog sie nach<br />

Hamburg, um die Forderungen der 450<br />

Teilnehmer aus 60 Ländern persönlich<br />

entgegenzunehmen. Aber wurden die<br />

Delegierten wirklich gehört und ihre<br />

Anliegen auf dem G20-Gipfel auch diskutiert?<br />

Wir sprachen mit Klaus Seitz.<br />

Er ist bei Brot für die Welt für Politik<br />

zuständig und war beim C20 dabei.<br />

Herr Dr. Seitz, was haben Sie beim<br />

C20 der Bundeskanzlerin für ihren Gipfel<br />

mit auf den Weg gegeben ?<br />

Wir haben vor allem die gegenwärtige<br />

Krise der Globalisierung in den Blick<br />

genommen. Diese Krise äußert sich in<br />

zunehmender sozialer Ungleichheit,<br />

den zerstörerischen Folgen des Klimawandels<br />

und der Instabilität der Finanzmärkte.<br />

Wir haben Angela Merkel und<br />

die anderen Regierenden des G20 deshalb<br />

aufgefordert, die globalen Wirtschafts-<br />

und Finanzbeziehungen neu zu<br />

20<br />

gestalten und an den Prinzipien der Gerechtigkeit<br />

und der Nachhaltigkeit<br />

auszurichten.<br />

Wurden Sie denn mit Ihren Anliegen<br />

überhaupt gehört?<br />

Immerhin hat die Bundeskanzlerin auf<br />

dem C20-Gipfel vor laufenden Fernsehkameras<br />

eingeräumt, dass die Handelsverträge<br />

mit Afrika neu verhandelt<br />

werden müssten. Wichtig war uns aber<br />

ganz besonders, deutlich zu machen,<br />

dass die Beteiligung der Zivilgesell-


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

G20-Rückblick<br />

FOTOS: REUTERS/ FABIAN BIMMER, STEFANIE VON BECKER, DPA/ DANIEL BOCKWOLDT,<br />

REUTERS/POOL_NEW, BROT FÜR DIE WELT/ HERMANN BREDEHORST<br />

schaft an der Gestaltung einer nachhaltigen<br />

Entwicklung unverzichtbar ist.<br />

Was sind die Erfolge des G20 aus<br />

Ihrer Sicht?<br />

Als Erfolg muss man schon werten, dass<br />

er nicht in einem Debakel endete. In einer<br />

Zeit, in der in manchen Industrieund<br />

Schwellenländern die Neigung<br />

wächst, sich internationalen Kooperationsverpflichtungen<br />

zu entziehen, kann<br />

man froh sein, dass sich die Mächtigen<br />

der Welt dazu bekannt haben, die bereits<br />

getroffenen Vereinbarungen zur<br />

Armuts- und Hungerbekämpfung sowie<br />

zum Klimawandel auch tatsächlich<br />

umsetzen zu wollen.<br />

„Die Handelspolitik<br />

des G20<br />

richtet viel<br />

Schaden an.“<br />

Gibt es konkrete Beschlüsse, die den<br />

Armen nützen?<br />

Der G20 unter der Präsidentschaft<br />

Deutschlands hatte einen großen<br />

Schwerpunkt auf Entwicklungsthemen.<br />

Es sind auch einige Initiativen beschlossen<br />

worden. Zum Beispiel Jugendbeschäftigung<br />

im ländlichen Raum, der<br />

insbesondere auf Afrika zielt. Oder umfangreiche<br />

G20-Afrika-Partnerschaft<br />

selbst. Es ist ein Fonds für Unternehmerinnen<br />

aufgelegt worden. Und es sollen<br />

die Gesundheitssysteme gestärkt werden<br />

gegen die Ausbreitung von Epidemien<br />

und Pandemien. Insofern gab es<br />

einige Beschlüsse und Initiativen, die<br />

die Armen im Blick hatten. Aber als<br />

sehr substantziell erachte ich diese Erfolge<br />

nicht.<br />

Warum nicht?<br />

Die Entwicklungsprogramme sollten<br />

nicht Hauptgeschäft des G20 sein. Vor<br />

allem weil sie ohne die beteiligten Staaten<br />

ausgehandelt werden, um die es ja<br />

schließlich geht. Das ist ein Top-down-<br />

Ansatz, der einem partnerschaftlichen<br />

„Die Kritik ist<br />

in der Politik<br />

angekommen.“<br />

DR. KLAUS SEITZ<br />

Ansatz völlig widerspricht. Die Afrikanische<br />

Union wurde einbezogen, aber<br />

sie saß nicht von Anfang an bei der Entwicklung<br />

der einzelnen Elemente der<br />

Partnerinitiative mit am Tisch.<br />

Was sollte denn das Hauptgeschäft<br />

des G20 sein?<br />

Das Kerngeschäft ist eigentlich die Regulation<br />

der Finanzmärkte, und da ist<br />

der Gipfel nicht wirklich vorangekommen.<br />

Man muss die Sorge haben, dass<br />

die nicht gefassten Beschlüsse zur stärkeren<br />

Regulation der Finanzmärkte in<br />

ihren Folgen für die Armen viel gravierender<br />

sind als das, was die beschlossenen<br />

Initiativen zur Armutsbekämpfung<br />

wiedergutmachen können. Die Risiken<br />

weiterer Finanz- und Schuldenkrisen<br />

sind nicht eingedämmt und den illegalen<br />

Finanzabflüssen aus den Entwicklungsländern<br />

ist genauso wenig ein<br />

Riegel vorgeschoben worden wie der<br />

Steuervermeidungspraxis vieler internationaler<br />

Konzerne.<br />

Ein Hauptthema war der Freihandel.<br />

Kann man durch Freihandel Hunger, Armut<br />

und Ungleichheit in der Welt bekämpfen?<br />

Die Handelspolitik, die der G20 verfolgt,<br />

richtet viel Schaden an. Der Handel<br />

muss fair und nachhaltig gestaltet<br />

werden, er muss in erster Linie an menschenrechtlichen<br />

und ökologischen<br />

Standards ausgerichtet sein. Aber davon<br />

ist in den Gipfeldokumenten leider<br />

kaum die Rede.<br />

Wie sähen faire Handelsverträge aus?<br />

Gibt es dafür schon Beispiele?<br />

Es gibt keine Blaupause für faire Handelsverträge.<br />

Aber die Handelspolitik<br />

müsste insgesamt auf ein anderes Niveau<br />

gehoben werden: Handel darf kein<br />

Selbstzweck sein. Er muss dazu dienen,<br />

die Ziele einer globalen nachhaltigen<br />

Entwicklung zu erfüllen, die sich die<br />

Staaten gemeinsam bis zum Jahr 2030<br />

vorgenommen haben. Immerhin gibt<br />

es bestimmte Modelle – wie den Fair<br />

Trade selbst. Wir, also Brot für die<br />

Welt, sind ja Mitbegründer der Fair-<br />

Handels-Bewegung um deutlich zu<br />

machen: Soziale und ökologische Standards<br />

werden auf dem Markt und von<br />

den Kunden honoriert. Solche Spielregeln<br />

müssten auch die internationalen<br />

Handelsverträge bestimmen.<br />

Gibt es da einen Hoffnungsschimmer?<br />

Das Bewusstsein dafür wächst bei den<br />

Regierenden. Und dazu hat auch der<br />

öffentliche Protest gegen TTIP und<br />

Ceta, aber auch gegen die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen<br />

mit Afrika<br />

beigetragen. Die Kritik ist auch in der<br />

Politik angekommen. •<br />

Kontakt: birgit.mueller@hinzundkunzt.de<br />

Civil20 – der Zivil-Gipfel<br />

Seit 2009 treffen sich zivilgesellschaftliche<br />

Organisationen weltweit,<br />

um einheitliche Forderungen zu<br />

entwickeln und den G20 kritisch zu<br />

begleiten. Die Themen: eine gerechte<br />

Globalisierung und Nachhaltigkeit.<br />

Die Haupt forderung: eine Abkehr<br />

„von einem wachstumsorientierten<br />

Wirtschafts modell, das immer mehr<br />

Verlierer zurücklässt und die ökologischen<br />

Lebensgrundlagen zerstört“.<br />

Der G20 müsse die wachsende<br />

Ungleichheit zwischen den Ländern<br />

und innerhalb der Länder stoppen,<br />

Armut und Hunger bekämpfen<br />

und Gleichberechtigung fördern.<br />

Mehr unter www.civil-20.org/german<br />

21


Stadtgespräch<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

Meldungen<br />

Politik & Soziales<br />

In den USA erscheinen seit einigen Jahren Comic-Helden wie Batman<br />

oder Spiderman im echten Leben. Die kostümierten „Real Life Superheroes“<br />

helfen Alten und Behinderten beim Einkauf oder versorgen<br />

Obdachlose mit Essen und Kleidung. Doch die von Pierre-Elie de Pibrac<br />

fotografisch dokumentierte „Bewegung“ hat ihre Schattenseite. Allzu oft<br />

führen sich ihre Vertreter auf wie eine Bürgerwehr und nehmen das<br />

Gesetz selbst in die Hand, beklagt inzwischen die Polizei.<br />

Brandanschlag an den Landungsbrücken<br />

Zeuge entlastet tatverdächtigen Obdachlosen<br />

Seit Anfang Juli steht ein Obdachloser<br />

wegen versuchten Mordes und<br />

gefähr licher Körperverletzung vor<br />

Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft<br />

dem Obdachlosen D. (29) vor, in der<br />

Nacht zum 31. Januar <strong>2017</strong> gegen<br />

2.35 Uhr unter dem Parkdeck an den<br />

Landungsbrücken die „Platte“ der<br />

beiden Obdachlosen Slawomir und<br />

Krzysztof (siehe H&K 289) angezündet<br />

zu haben. Hintergrund soll ein Streit<br />

um den Schlafplatz gewesen sein.<br />

Als Beweis dienen Videoaufzeichnungen,<br />

die ihn in der Nähe der Landungsbrücken<br />

zeigen. Zudem nahm ein<br />

Spürhund seine Fährte auf.<br />

Der Angeklagte D. bestreitet die<br />

Vorwürfe. Er kenne die Betroffenen,<br />

habe aber die Tat nicht begangen.<br />

Bei der Aufklärung helfen könnte ein<br />

Zeuge. Allerdings: Seine Beschreibung<br />

einer sehr großen und schlanken<br />

Person deckt sich nicht mit den<br />

Video-Aufzeichnungen, die den<br />

22<br />

Angeklagten zeigen. Ob der Fall<br />

jemals aufgeklärt werden kann,<br />

ist ungewiss.<br />

Der ältere der beiden<br />

Obdachlosen ist in der Zeit, die bis<br />

zum Prozess auftakt verging, verstorben.<br />

Sein Tod steht laut Gericht nicht im<br />

Zusammenhang mit dem Brand.<br />

Sein Partner Krzysztof hofft weiter<br />

auf Entschädigung. Er soll im<br />

<strong>August</strong> aussagen. Ein Urteil wird erst<br />

im September erwartet. JOF<br />


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Stadtgespräch<br />

Kosten der Unterkunft<br />

Hilfeempfänger<br />

Bündnis fordert<br />

Mehr Hamburger<br />

Moratorium<br />

erhalten Wohngeld<br />

Hilfeempfänger sollen nicht mehr Die Zahl der Wohngeldempfänger<br />

länger zum Umzug gedrängt werden, ist im vergangenen Jahr in Hamburg<br />

wenn ihre Mietkosten die von der um 43 Prozent angestiegen.<br />

Sozialbehörde festgelegten Höchstgrenzen<br />

überschreiten. Diese<br />

einen Zuschuss zur Miete. Der<br />

Insgesamt erhielten 13.354 Haushalte<br />

Forderung richtet ein Zusammenschluss<br />

von Mieter helfen Mietern, einer bundesweiten Anpassung des<br />

rasante Anstieg ist wohl das Ergebnis<br />

Caritas und Diakonie an die Sozialbehörde.<br />

Hintergrund: Hilfeempfän-<br />

die erste Anhebung seit 2009.<br />

Richtwerts zum Jahr 2016. Es war<br />

ger haben kaum Aussichten auf eine Die höchste Mietsumme, die jetzt<br />

günstigere Wohnung. Sie werden bezuschusst wird, stieg in Hamburg<br />

trotzdem dazu angehalten, pflichtgetreu<br />

ihre erfolglose Suche zu merhin von 407 Euro auf 522 Euro<br />

für einen Einpersonenhaushalt im-<br />

dokumentieren. Ansonsten drohen an. „Die Anpassung des Wohngelds<br />

ihnen gar eine Kürzung der<br />

war überfällig“, sagt Siegmund<br />

Zuschüsse und letztlich der Verlust Chychla, Vorsitzender des Mietervereins<br />

zu Hamburg. In Zukunft sollten<br />

der Wohnung. Damit nicht genug:<br />

Die erhöhte Nachfrage nach günstigen<br />

Miet wohnungen führe zudem Schließlich sei davon auszugehen,<br />

Anhebungen regelmäßiger erfolgen.<br />

zu steigenden Mietpreisen, befürchtet dass auch die Mieten in Hamburg<br />

der Zusammenschluss. JOF<br />

•<br />

weiterhin anziehen. JOF<br />

•<br />

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FOTO: PIERRE-ELIE DE PIBRAC<br />

Mietpreisbremse durchgesetzt<br />

240 Euro weniger<br />

Miete pro Monat<br />

Erfolg für Mieter in Hohenfelde:<br />

Sie dürfen nach einem Urteil des<br />

Amtsgerichts St. Georg ihre Miete<br />

um 240 Euro reduzieren. Die Kläger<br />

hatten sich auf die 2015 eingeführte<br />

Mietpreisbremse berufen. Sie soll<br />

verhindern, dass bei Neuvermietungen<br />

der Preis die ortsübliche<br />

Vergleichsmiete um mehr als zehn<br />

Prozent übersteigt. Bislang hätten<br />

sich Mieter und Vermieter meist außergerichtlich<br />

einigen können, sagt<br />

Siegmund Chychla, Vorsitzender des<br />

Mietervereins zu Hamburg. Dem<br />

neuen Urteil käme große Bedeutung<br />

zu. Schließlich habe man festgestellt,<br />

dass der Wohnungsmarkt im<br />

gesamten Stadtgebiet angespannt ist<br />

und die Mietpreisbremse deswegen<br />

überall gültig ist. JOF<br />

•<br />

G20-Ausschreitungen<br />

Vier Männer ohne festen<br />

Wohnsitz in U-Haft<br />

Bei den Ausschreitungen um den<br />

G20-Gipfel im Juli sind auch vier<br />

Deutsche ohne festen Wohnsitz verhaftet<br />

worden: Den Männern zwischen<br />

19 und 40 Jahren wird Widerstand<br />

gegen Vollstreckungsbeamte<br />

und versuchte gefährliche Körperverletzung<br />

vorgeworfen. Dass es sich bei<br />

ihnen um Obdachlose handelt, sei<br />

nicht wahrscheinlich, so ein Gerichtssprecher.<br />

Weil sie keine Meldeadresse<br />

haben, bestehe Fluchtgefahr – und<br />

das sei ein Grund für die U-Haft.<br />

Soweit die Informationen zu Redaktionsschluss.<br />

Mehr dazu online. BIM•<br />

Mehr Infos und Nachrichten unter:<br />

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23


Rastplatz<br />

für einen<br />

Ruhelosen<br />

Sascha kennt das Leben auf der Straße, seitdem<br />

er elf Jahre alt ist. Nun hat der Hinz&Künztler in<br />

einem geschenkten Wohn wagen in Groß Borstel<br />

Zufl ucht gefunden. Auf acht Quadratmetern fühlt<br />

er sich mit Hund Jack endlich frei.<br />

TEXT: SYBILLE ARENDT<br />

FOTOS: DMITRIJ LELTSCHUK


Für Hund Jack ist in<br />

der kleinsten<br />

Hütte Platz. Ihr<br />

neues Zuhause fand<br />

Hinz&Künztler<br />

Sascha bei einem<br />

Online-Marktplatz.<br />

Richtig idyllisch sieht es bei Sascha<br />

aus. Wer hätte gedacht,<br />

dass es im Hinterhof eines<br />

Männerwohnheims so gemütlich ist?<br />

Sein Wohnwagen mit Spitzengardine<br />

und schmuckem roten Vorzelt parkt<br />

mitten im Grünen. Hund Jack, ein<br />

braun-weiß gefleckter Mischling, tobt<br />

fröhlich über den Rasen und hebt sein<br />

Bein an einem Obstbaum.<br />

Auf der gegenüberliegenden Seite<br />

endet die anheimelnde Campingplatz-<br />

Szenerie. Da steht ein Dutzend Container,<br />

sauber übereinandergestapelt. Hier<br />

im Hinterhof des Jakob-Junker-Hauses<br />

haben außer Sascha zwölf weitere Obdachlose<br />

eine Bleibe gefunden.<br />

Der Hinz&Künztler serviert frisch<br />

gebrühten Kaffee an seinem Campingtisch<br />

und lächelt entspannt. Nach Wohnungslosigkeit<br />

sieht Sascha nicht aus,<br />

eher nach Schanze: Jeans, T-Shirt, dazu<br />

derbe Boots. Stolz zeigt er auf das Beet,<br />

das er direkt neben seinem Wohnwagen<br />

gerade anlegt. Sogar einen maßstabsgetreuen<br />

Plan, wie er sich seinen zukünftigen<br />

Garten genau vorstellt, hat er gezeichnet.<br />

„Mit Zahlen bin ich gut“, sagt<br />

der 37-Jährige und setzt dann nach:<br />

„Mit Menschen weniger.“<br />

Geboren wurde Sascha 1980 in<br />

Leverkusen. Die Mutter erkrankt zum<br />

Zeitpunkt seiner Geburt an Chorea<br />

Huntington, einer neurodegenerativen<br />

Erkrankung, die unweigerlich nach<br />

rund 15 Jahren zum Tode führt. „Das<br />

hängt mit Veränderungen in den Eiweißmolekülen<br />

zusammen“, erklärt Sascha<br />

fachmännisch. „Dann setzt ein<br />

geistiger und körperlicher Verfall ein,<br />

ein bisschen wie bei Demenz.“ Ganz<br />

sachlich ist sein Ton, als ob er die Geschichte<br />

einer Fremden erzählen würde.<br />

Als Sascha sechs Jahre alt ist, kommt<br />

die Mutter ins Pflegeheim. Der Vater ist<br />

gleichgültig und noch dazu gewalttätig.<br />

26<br />

„Ich wollte<br />

so frei leben<br />

wie Pippi<br />

Langstrumpf.“<br />

Als er arbeitslos wird, beginnt er eine<br />

Umschulung in einer anderen Stadt.<br />

„Um mich konnte er sich dann angeblich<br />

nicht mehr kümmern“, sagt Sascha.<br />

„Und meine anderen Verwandten auch<br />

nicht, hat er mir gesagt.“ Sascha kommt<br />

ins Heim. Da ist er acht Jahre alt. Ein<br />

fantasievoller Junge, der Pippi Langstrumpf<br />

liebt. „Ich hatte immer den<br />

Wunsch, so wie sie zu leben, so frei.“<br />

Im Heim, „bei den Nonnen“, wie<br />

Sascha verächtlich sagt, fühlt er sich gefangen<br />

und einsam. Zwei Jahre später


Hinz&Künztler<br />

holt der Vater ihn ab. Mit einer neuen<br />

Frau und einem Stiefkind. Sascha ist<br />

jetzt zehn Jahre alt. Das Zusammenleben<br />

in der neuen Familie klappt nicht.<br />

„Die Frau hat mich geschlagen, mein<br />

Vater auch.“ Sascha denkt an Pippi<br />

Langstrumpf, setzt sich aufs Rad und<br />

fährt in einer Stunde bis nach Köln, in<br />

die große Stadt. Er geht zur Domplatte,<br />

lernt dort Punks kennen. „Die waren<br />

nett zu mir. Und sie haben auch gegenseitig<br />

aufeinander aufgepasst.“ Das gefällt<br />

Sascha. Es gibt ihm ein Heimatgefühl,<br />

das er von zu Hause nicht kennt.<br />

Immer öfter fährt er nach Köln. Wird<br />

immer mal wieder von der Polizei aufgegriffen<br />

und nach Hause gebracht.<br />

Manchmal holt ihn auch sein Vater dort<br />

ab. „Dann sprang ich an der nächsten<br />

roten Ampel aus dem Wagen und verschwand“,<br />

sagt Sascha.<br />

Als es eines Abends wieder Streit<br />

beim Abendbrot gibt, steht Sascha auf,<br />

packt ein paar Sachen und verkündet:<br />

„Ich komme nie wieder!“ Der Vater<br />

zuckt nur mit den Schultern. Sascha ist<br />

elf Jahre alt. Er verlässt sein Elternhaus<br />

und kehrt tatsächlich nie wieder zurück.<br />

Es folgen lange Jahre, die er abwechselnd<br />

auf der Straße, in Heimen und Jugendwohnungen<br />

überall verteilt in ganz<br />

Deutschland verbringt.<br />

„Mit Zahlen kann<br />

ich besser als mit<br />

Menschen.“<br />

An manchen seiner Stationen fühlt er<br />

sich sogar wohl. So zum Beispiel in dem<br />

geschlossenen Heim bei Münster, in<br />

dem er mit zwölf Jahren untergebracht<br />

wird. „Der enge Rahmen dort tat mir<br />

gut.“ In der darauf folgenden Unterbringung<br />

geht alles schief. „Der Heimleiter<br />

wollte, dass ich auf der Toilette<br />

die Tür offen lasse. Weil ich mich immer<br />

Gesprächen verweigert habe. Er<br />

hat also seinen Fuß in die Klotür gestellt.<br />

Ich habe das nicht eingesehen<br />

und ihn geschubst. Da ist er mit dem<br />

Kopf gegen die Tür geknallt.“ Sascha<br />

fliegt aus dem Heim und pendelt zwischen<br />

Straße, Hotelzimmer und Wohnung<br />

– am Ende landet er sogar im<br />

Knast. „Ich war auf Amphetaminen<br />

und wurde beim Fahren ohne Führerschein<br />

erwischt.“ Sascha wird zu einer<br />

zweijährigen Haftstrafe verurteilt.<br />

Immer wieder gerät er in Schwierigkeiten.<br />

Dass daran nicht nur die anderen<br />

schuld sind, weiß er selbst. „Ich<br />

kann nicht gut mit Menschen, bin oft<br />

auch leicht reizbar und aggressiv.“ Seine<br />

selbst verordnete Therapie dagegen ist<br />

das tägliche Kiffen. „Wenn ich nicht<br />

schon morgens etwas rauche, kriege ich<br />

keine Ruhe in meinen Kopf. Und<br />

manchmal ertrage ich die Welt nicht<br />

nüchtern, dann schäme ich mich, ein<br />

Mensch zu sein.“ Von anderen Drogen<br />

und Alkohol lässt Sascha hingegen<br />

schon lange die Finger. „Ich mag keinen<br />

Kontrollverlust.“<br />

Und er mag keine Autoritäten, kann<br />

sich nicht unterordnen. Einen Job in der<br />

27<br />

Küche schmeißt er während der Mittagspause,<br />

weil der Koch ihm Vorschriften<br />

macht. Aber Sascha kann sich auch<br />

durchbeißen: Er hat seinen Hauptschulabschluss<br />

nachgeholt, seinen Führerschein<br />

gemacht, eine Schweißerausbildung<br />

absolviert und längere Zeit im<br />

Garten- und Landschaftsbau gearbeitet.<br />

Aber das ging nie lange gut. „Ich kann<br />

einfach keinen normalen Job machen.<br />

Ich brauche ein gewisses Freiheitsgefühl“,<br />

sagt Sascha. Auch eine eigene<br />

Wohnung möchte er nicht mehr, sagt er.<br />

„Ich bin an den Verpflichtungen immer<br />

wieder gescheitert.“<br />

Es bleibt ein Rätsel, wie jemand<br />

über die Schrecken seiner Kindheit und<br />

ein Vierteljahrhundert ohne Heimat so<br />

sachlich berichten kann. Sascha selbst<br />

hat dafür eine Erklärung: „Ich habe<br />

mich eben damit abgefunden und kann<br />

deshalb auch darüber sprechen.“<br />

Mit seiner jetzigen Behausung ist<br />

der drahtige Mann mehr als zufrieden.<br />

„Im letzten Winter wusste ich nicht, wo<br />

ich schlafen sollte. Gerade mit Hund ist<br />

es schwierig, eine Unterkunft zu bekommen.<br />

Also habe ich bei eBay Kleinanzeigen<br />

eine Anzeige aufgegeben, dass<br />

ich einen Wohnwagen suche. Die Resonanz<br />

war groß.“<br />

Und der Hinz&Künztler bekam tatsächlich<br />

ein funktionstüchtiges Camping-Mobil<br />

geschenkt. Doch ein Wohnwagen<br />

ohne Stellplatz – damit hätte<br />

Sascha nichts anfangen können. Dann<br />

erlaubte das Jakob-Junker-Haus ihm<br />

den Wohnwagen in seinem Garten aufzustellen.<br />

Eine ehrenamtliche Fahrerin<br />

organisierte den Transport.<br />

Für Sascha ist das wie ein Sechser<br />

im Lotto. Fürs Erste scheint er einen<br />

Platz gefunden zu haben, an dem er<br />

länger bleibt. Vielleicht liegt es ja auch<br />

ein wenig an Hinz&<strong>Kunzt</strong>? Seit 2006<br />

verkauft Sascha das Straßenmagazin.<br />

Das tut ihm gut, sagt er. „Ich muss etwas<br />

zu tun haben, kann nicht nur<br />

herumsitzen.“<br />

Und nun hat er auch noch seinen<br />

Garten vor der Tür. Tomaten, Erdbeeren,<br />

Salat, Kohlrabi und Kräuter will<br />

Sascha dort pflanzen. Dazu eine Buchsbaumhecke.<br />

Mit Pflanzen ist Sascha<br />

nämlich genauso gut wie mit Zahlen. •<br />

Kontakt: sybille.arendt@hinzundkunzt.de


Hinz&Künztler<br />

auf Safari<br />

Oft haben sie sich getroffen. Haben Fotos geschaut, über Kameras<br />

gefachsimpelt – sind wieder losgezogen, ihr Foto von ihrem Hamburg zu machen.<br />

Nun liegen die Ergebnisse vor, die sich sehen lassen können!<br />

TEXT: ANNETTE WOYWODE<br />

28


Stadtgespräch<br />

Am Ende gibt’s einen Button:<br />

„Es ist immer zu früh, um<br />

aufzugeben“, steht darauf.<br />

Fotografin Lena Maja Wöhler<br />

legt jedem Hinz&Künztler einen hin<br />

und sagt lachend: „Ich werde jetzt wandern<br />

gehen. Und wenn ich nicht mehr<br />

kann, denke ich an euch. So wie ihr euch<br />

bei dem Fotowettbewerb durchgebissen<br />

habt – das will ich auch schaffen.“<br />

1. Platz<br />

Am liebsten fotografiere ich Tiere. Vor allem Vögel.<br />

Um den Kormoran so zu erwischen, bin ich<br />

immer wieder zur Außenalster gegangen. Nur ein<br />

einziges Mal hatte ich Glück! Am Anfang habe ich<br />

immer mit meinem Handy geknipst. Aber das hat<br />

überhaupt nicht geklappt. Tiere halten ja fast nie<br />

still, und so war immer alles verwackelt. Deswegen<br />

habe ich mir eine kleine Kamera gekauft. Zuerst<br />

habe ich mit Automatik fotografiert, aber auch da<br />

waren von 300 Bildern vielleicht drei scharf.<br />

Inzwischen kann ich mit der Kamera umgehen.<br />

Vielleicht wird Fotografie noch mein Hobby!<br />

Ich habe mir jetzt sogar beigebracht, Fotos am<br />

Computer zu bearbeiten. Man kann an den Farben<br />

noch ’ne Menge machen. Aber der Kormoran,<br />

der sieht wirklich so aus!<br />

Josef (49) verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> im Einkaufszentrum<br />

Rahlstedt-Center.<br />

Tatsächlich können die zwölf Teilnehmer<br />

des zweiten Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Fotowettbewerbs<br />

unter Anleitung von Fotografin<br />

Lena Maja Wöhler stolz sein:<br />

Die Ausbeute an wirklich guten Fotos<br />

zum Thema „Mein Hamburg“ ist groß.<br />

36 Bilder waren im Rennen. 36 von<br />

Hunderten, die im Laufe der vergangenen<br />

drei Monate entstanden waren. Jeder<br />

Teilnehmer musste drei Fotos einreichen<br />

– nicht weniger, aber eben auch<br />

nicht mehr. Und so war schon die Vorauswahl,<br />

die Lena zusammen mit den<br />

Verkäufern zu treffen hatte, eine Qual.<br />

Die Jury konnte sich nun erst recht<br />

kaum entscheiden. Nur um den ersten<br />

Preis gab es keine Diskussion: Der Kormoran<br />

von Josef (Seite gegenüber)<br />

stand sofort fest. Das Motiv, die Farben,<br />

der Fokus und, wie Spinne sagte: „Dit<br />

ist doch genial, wie det Vieh da steht.“<br />

Dass so viele gute Fotos eingereicht<br />

wurden, ist nicht selbstverständlich.<br />

Denn die Ausgangsbedingungen für die<br />

Verkäufer waren sehr unterschiedlich.<br />

Sie hatten die Wahl: Einwegkamera,<br />

Digitalkamera, Handy oder die Profikamera<br />

von Fotografin Lena. „Manche<br />

haben sich für die Einwegkamera entschieden,<br />

weil sie Angst hatten, die Digitalkamera<br />

zu verlieren, sie kaputt zu<br />

machen oder auf Platte beklaut zu werden“,<br />

erzählt die 30-Jährige. Die hatten<br />

es natürlich schwerer, denn sie hatten<br />

kein Display, um das Fotografierte zu<br />

überprüfen. Und: „Mit mir hatten sie es<br />

auch nicht leicht“, ergänzt Lena. Insgesamt<br />

15-Mal hat sie sich im Zeitraum<br />

von Anfang April bis Ende Juni mit den<br />

Hinz&Künztlern getroffen. Und immer<br />

habe es geheißen: „Das kannst du besser.“<br />

Oder: „Du musst die Kamera gerader<br />

halten.“ Wer nicht zum Termin<br />

erschien, wurde gnadenlos telefonisch<br />

verfolgt. „Ich hab’ sie getriezt, aber sie<br />

haben trotzdem weitergemacht“, stellt<br />

Lena zufrieden fest.<br />

So richtig schrecklich scheinen die<br />

Hinz&Künztler Lenas Hartnäckigkeit<br />

aber auch nicht gefunden zu haben.<br />

Denn nachdem jeder Teilnehmer seinen<br />

Preis – vom Kinogutschein über<br />

die HVV-Monatskarte bis hin zum<br />

Campingstuhl und Kugelgrill – entgegengenommen<br />

hatte, applaudierten alle<br />

„ihrem“ Coach. Hinz&Künztler Jürgen<br />

fasste es zusammen: „Das hat einfach<br />

total Laune gemacht!“ •<br />

29


3. Platz<br />

Als ich diese Tür gesehen habe, dachte ich zuerst: „Da hängt ein Plakat! Das muss<br />

eine Fotomontage sein.“ Denn da steht nur die Fassade von dem Haus, und dann<br />

guckst du durch die Tür direkt in einen komplett verwilderten Innenhof. Ich bin viel<br />

unterwegs. An dieser Fassade bin ich immer wieder vorbeigekommen und<br />

habe sie mir angeschaut. Na, und irgendwann hab’ ich gedacht: „Das musst du<br />

festhalten.“ Das Bild habe ich mit meiner neuen Kamera gemacht. Auf die habe ich<br />

richtig lange gespart.<br />

Gerold (46) verkauft vor dem Hofladen an der S-Bahn-Station Kornweg.<br />

Er war unsere „Momentaufnahme“ im Juli-Heft.<br />

30


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Mich haben die Hüte<br />

fasziniert. Sie liegen in<br />

einem Schaufenster in<br />

der Steinstraße, gleich um<br />

die Ecke von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Einen von diesen Hüten<br />

hätte ich gerne.<br />

Ralf (46) verkauft in<br />

der Innenstadt.<br />

Ich habe drei Jahre lang im Auto gewohnt, direkt am Dammtor. Noch immer gehe ich<br />

dort in der Nähe regelmäßig mit meinem Hund spazieren. Besonders schön finde ich es,<br />

wenn an der Binnenalster diese gelben Frühlingsblumen blühen.<br />

Deshalb wollte ich die für den Fotowett bewerb auch gerne fotografieren. Ich habe die Fotos<br />

mit Lenas Kamera gemacht. Das war für mich gar nicht so einfach, denn für manche Bilder<br />

musste ich ganz nah an die Wasserkante gehen. Ich hatte Angst abzurutschen, denn ich<br />

kann nicht schwimmen. Als ich noch ganz klein war, in Ungarn, musste mich mein Onkel mal<br />

vor dem Ertrinken retten. Seitdem gehe ich eigentlich nicht mehr nah ans Wasser.<br />

Ferenc (37) ist seit fünf Jahren bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Momentan lebt er in einem Keller in Ochsenzoll.


Auf dem Foto sieht man ein Riesenposter. Ich<br />

habe es so fotografiert, dass man nicht sehen<br />

kann, wo ich es aufgenommen habe. Jetzt<br />

kann ich es verraten: Das Poster hing genau<br />

da, wo früher die Essohäuser standen.<br />

Damit keiner die Baustelle sieht, hängen da<br />

wechselnde Bilder. Für mich bedeutet das:<br />

Ich verstecke was, was du nicht sehen sollst.<br />

Damit du nicht mitkriegst, was da passiert.<br />

Ich kenne zwar den Architektenentwurf, aber<br />

wer weiß, ob die neuen Häuser so werden,<br />

wie der Entwurf verspricht.<br />

Erich (64) ist Hinz&Künztler und<br />

Stadtteilkünstler in Mümmelmannsberg.<br />

2. Platz<br />

Von meinem Wohnungsbalkon im 14. Stock habe ich eine geniale Sicht auf die Stadt. Da ist auch das<br />

Foto entstanden. Diese Wolkenbank hing direkt über dem Haus – als Vorbote vom Starkregen, der kurz<br />

danach eingesetzt hat. Dass mein Handy so gute Bilder macht, ist Zufall. Die anderen sind eher unscharf.<br />

Aber die Bilder, die ich mit der Profikamera von Lena gemacht habe, haben schließlich nicht gewonnen!<br />

Für mich zeigt dieses Bild, wie das Wetter in Hamburg sein kann. Wenn das Wetter wechselt, das siehst<br />

du von da oben genau. Und wenn es gießt oder blitzt – das sieht einfach geil aus.<br />

Thomas (57) ist seit Langem bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> und macht gerade eine Verkaufspause.


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Stadtgespräch<br />

Eigentlich wollte ich was ganz anderes<br />

fotografieren. Kleine Tiere von ganz nah<br />

dran oder Sachen im Dunkeln. Aber das<br />

hat nicht geklappt und wäre mit der<br />

Digitalkamera wohl auch gar nicht<br />

gegangen. Die Bilder, die ich am Ende<br />

beim Wettbewerb eingereicht habe,<br />

sind alle durch Zufall entstanden.<br />

Die fliegende Frau ist ein gemaltes Bild.<br />

Ein Kunstprojekt, das ich auf der Altonale<br />

im Vorbeigehen abfotografiert habe.<br />

Daniela (45) lebt in einer<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-WG in Eidelstedt.<br />

Der Hund<br />

gehört einem<br />

Kunden von<br />

mir. Ich fand es<br />

interessant<br />

und lustig, wie<br />

er da aus dem<br />

Fenster<br />

schaut. Direkt<br />

von meinem<br />

Verkaufsplatz<br />

aus habe ich das Bild gemacht. Normalerweise<br />

fotografiere ich ganz selten. Seit<br />

zwei Monaten habe ich aber ein neues<br />

Handy, und seitdem haben die Bilder eine<br />

bessere Qualität. So macht es Spaß.<br />

Reitis (61) hat seinen Stammplatz<br />

in der Stresemannallee.<br />

Die Jury:<br />

Frank „Spinne“ Nawatzki,<br />

Meike Lehmann (Vertrieb),<br />

Sybille Arendt<br />

(Öffentlichkeitsarbeit),<br />

Annette Woywode (Redaktion)<br />

Die Bilder aller Teilnehmer<br />

finden Sie im Internet unter<br />

www.hinzundkunzt.de/fotos<strong>2017</strong><br />

Fotografin Lena Maja Wöhler:<br />

www.lenawoehler.com<br />

Danke an FC St. Pauli<br />

Merchandising GmbH & Co. KG<br />

für die Preise<br />

33


Musiker, Schauspieler<br />

und jetzt auch Buchautor:<br />

Günter Märtens erzählt<br />

in „Die Graupensuppe“<br />

von seiner bewegten Zeit<br />

als Junkie in Hamburg.


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Lebenslinien<br />

„Ich war ein<br />

überlanger,<br />

menschlicher<br />

Schrotthaufen“<br />

Als gut gelaunter Kontrabassist bei Ulrich Tukurs Rhythmus<br />

Boys spielt er oft den musikalischen Clown. Früher spielte<br />

Günter Märtens mit seinem Leben. In seinem Buch „Die<br />

Graupensuppe“ erzählt der 58-Jährige von seiner Heroinsucht.<br />

TEXT: SIMONE DECKNER<br />

FOTOS: ANDREAS HORNOFF, GÜNTER MÄRTENS<br />

Pi mal Daumen. Günter Märtens hat<br />

nicht Buch geführt. Aber eine Viertelmillion,<br />

das kommt schon hin. Für so<br />

viel Geld bekommt man heutzutage eine<br />

sonnige Einzimmerwohnung in Lohbrügge<br />

oder zwei fabrikneue 5er BMW<br />

mit Sonderausstattung. Günter Märtens<br />

besitzt weder noch. Er hat sich die<br />

ganze schöne Kohle in Form von Heroin<br />

durch Nase und Venen gejagt.<br />

35<br />

Hamburg im Sommer 1977: Die Republik<br />

fahndet nach der RAF, Märtens,<br />

den alle nur „den langen Märtens“ nennen<br />

wegen seiner stattlichen Länge von<br />

2,06 Metern, rennt seinem Traum hinterher:<br />

Er will ein erfolgreicher Musiker<br />

werden. Mit seinen langen Haaren, den<br />

markanten Wangenknochen und vollen<br />

Lippen sieht er zumindest schon mal<br />

aus wie ein Rockstar. Tagsüber macht<br />

er eine Ausbildung im Sanitärfachhandel,<br />

das beruhigt die Eltern. Nachts<br />

spielt er Bass bei der Band Headstone.<br />

Das läuft ziemlich gut: ausverkaufte<br />

Konzerte, Lob in der Lokalpresse. Auf


Lebenslinien<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

der Bühne fühlt sich der lange Günter<br />

wirklich wie ein ganz Großer.<br />

Anders als in der Reichsbundsiedlung<br />

in Blankenese, in der er mit seinen<br />

Eltern wohnt. Eine Welt, die ihm viel<br />

zu klein ist: Tür an Tür mit Kriegsversehrten,<br />

die in klobigen Rollstühlen<br />

über die Wege kurven, humpelnden<br />

Einbeinigen und einem spießigen<br />

Hausmeister – ein 18-Jähriger, der sich<br />

wie ein Fremdkörper unter Rentnern<br />

fühlt. Wo alles still steht, nur der Rasenmäher<br />

rotiert. Aber Märtens’ Träume<br />

sind so viel mehr St. Pauli als Blankenese.<br />

Die Band ist sein Ticket hinaus. Bis<br />

der Keyboarder plötzlich zu Gott findet<br />

und auf Nimmerwiedersehen verschwindet.<br />

Die Band zerbricht daran<br />

und mit ihr Märtens. „In dem Moment<br />

war da eine große Leere und Traurigkeit“,<br />

sagt er. Zu schwach und gleichzeitig<br />

zu risikofreudig sei er damals gewesen.<br />

Er schnupft zum ersten Mal<br />

Heroin. Frei nach dem Motto: „Jetzt<br />

renne ich mal gegen die Wand und gucke,<br />

ob es weh tut.“<br />

Es tat weh, und<br />

wie. Sieben Jahre<br />

lang. Ist Heroin<br />

für ihn anfangs noch<br />

„wie eine Geliebte“, bestimmt<br />

bald nur noch die<br />

Gier nach dem nächsten Schuss sein<br />

Leben. Er ist körperlich anwesend,<br />

aber nie ganz da. „Ich hatte immer im<br />

Hinterkopf: Habe ich einen Löffel dabei?<br />

Wo kann ich meinen nächsten<br />

Druck machen?“, sagt Märtens. Von<br />

Entzugserscheinungen getrieben,<br />

bricht er Apotheken auf und pfeift sich<br />

rein, was einen Rausch auslöst – inklusive<br />

Pferde-Polamidon. Selbst wohlmeinende<br />

Chefs feuern ihn reihenweise.<br />

Seine Familie glaubt ihm kein Wort<br />

mehr, zu oft hat er sie schon angelogen.<br />

Irgendwann kann und will Günter<br />

Märtens nicht mehr. Ein Selbstmordversuch<br />

scheitert – auf Fotos von früher<br />

sieht man einen zerbrechlich wirkenden<br />

jungen Mann mit Unterarmbandagen<br />

schüchtern in die Kamera lächeln.<br />

Man kann das alles<br />

nachlesen in seinem<br />

autobiografischen<br />

Roman „Die Graupensuppe“.<br />

Märtens warnt darin nicht<br />

moralinsauer vor den bösen Drogen,<br />

sondern erzählt schonungslos und humorvoll<br />

zugleich, wie es ihm als Junkie<br />

ergangen ist. Etwa wenn er sich selbst<br />

als „überlangen menschlichen Schrott-<br />

Heute braucht der 58-Jährige keine Drogen mehr, um sich gut zu fühlen.<br />

„Früher“, so Günter Märtens, „wollte ich damit die Leere in mir füllen.“


Lebenslinien<br />

haufen ohne Hoffnung auf rettendes<br />

Recycling“ bezeichnet.<br />

Er sagt, ohne seine Freunde hätte er<br />

den Ausstieg nicht geschafft. „Die haben<br />

mir tierisch den Arsch aufgerissen,<br />

denen konnte ich null vormachen.“ Er<br />

ist dankbar, dass er die Kurve gekriegt<br />

hat, anders als viele seiner damaligen<br />

Weggefährten. In dem Jahr, in dem er<br />

mit Heroin anfing, warnt der Spiegel<br />

auf seinem Titel schon vom „Mord auf<br />

Raten“. Doch auch vergangenes Jahr<br />

starben in Hamburg 75 Menschen an<br />

den Folgen von Drogenkonsum, so viele<br />

wie seit 2002 nicht mehr.<br />

zum David-Bowie-Konzert war es damals,<br />

die Günter Märtens wieder in die<br />

Spur bringen sollte. Nach Jahren des<br />

Konsums wurde ihm klar, dass er nur<br />

noch zwei Möglichkeiten hatte: weiter<br />

Heroin zu nehmen und sich selbst zu<br />

ruinieren oder aufzuhören. Als er sich<br />

im Rückspiegel sieht, passiert etwas mit<br />

ihm. Wie aus dem Nichts taucht plötzlich<br />

ein Bild vor ihm auf: der kleine<br />

Günter, lachend, unbeschwert. Es ist<br />

nur ein kurzer Moment. Als er aus dem<br />

Auto aussteigt, weiß Märtens, was er<br />

tun muss.<br />

Günter Märtens Traum mit Anfang 20: Rockstar werden. Mit seiner<br />

Band Headstone wollte er den Durchbruch schaffen (oben).<br />

Als die Band zerbrach, begann seine Drogenkarriere. Sie gipfelte<br />

in einem Suizidversuch. Das untere Foto entstand kurz danach.<br />

dauert die Therapie<br />

in einer<br />

Wohngruppe in<br />

Ahrensburg, zu<br />

der er sich freiwillig<br />

verpflichtet.<br />

Dort gelten<br />

strikte Regeln: Drogen, auch Alkohol,<br />

sind komplett tabu, er darf sechs Monate<br />

niemanden aus seiner Familie sehen.<br />

„Ich habe das damals genossen, so<br />

reglementiert zu werden. Dieses Leben<br />

wie unter einer Käseglocke war eine<br />

Riesenerleichterung für mich“, sagt er.<br />

Die Mitarbeiter der Therapiehilfe<br />

Hamburg dosieren ihn langsam herunter.<br />

„Körperlich war das gar nicht so<br />

heftig, psychisch war es schlimmer“,<br />

sagt Märtens. Nach 23 Monaten verlässt<br />

er die Einrichtung clean. „Ich bin<br />

nie wieder auch nur auf die Idee gekommen,<br />

wieder anzufangen.“<br />

Der Saal im St. Pauli Theater ist voll.<br />

Es ist der Abend, an dem Günter Märtens<br />

sein Buch vorstellt. Weil ihm seine<br />

neue Rolle als Autor noch nicht ganz geheuer<br />

ist, hat er seine eigene Band Pling-<br />

Plang als Verstärkung mitgebracht.<br />

Günter Märtens liest vor lauter Aufregung<br />

fast zwei ganze Kapitel, bevor ihm<br />

seine Verlegerin signalisiert aufzuhören.<br />

„Wir wollen ja das Buch auch noch<br />

verkaufen“, sagt Märtens und lacht.<br />

Momentan schreibt er schon an seinem<br />

zweiten. Es macht da weiter, wo<br />

das erste endet: beim Start in den Entzug.<br />

Reich wird er mit dem Verkauf der<br />

Bücher vermutlich nicht werden. Darum<br />

geht es ihm auch nicht. Er ist heil<br />

aus der Sache rausgekommen, das<br />

37<br />

zählt. Er sagt: „Ich habe über diesen<br />

radikalen Weg, den ich niemandem<br />

empfehle, zu mir selbst gefunden.“<br />

Neulich hat er wieder mit seiner<br />

92-jährigen Mutter telefoniert, die noch<br />

immer in Blankenese lebt. Günter Märtens<br />

lacht: „Die hat erst das Ende vom<br />

Buch gelesen, weil sie wissen wollte, ob<br />

es gut ausgeht.“ •<br />

Kontakt: simone.deckner@hinzundkunzt.de<br />

Die Graupensuppe,<br />

Punktum Bücher, 292 Seiten, 20 Euro.<br />

Lesung: 4.8. beim Festival<br />

A Summer’s Tale, 15.45 Uhr,<br />

Grüner Salon, Eventpark Luhmühlen,<br />

Westergellerser Heide,<br />

Westergellersen, Karten ab 74 Euro.


Wo Araber feiern,<br />

wird fast immer Dabke<br />

getanzt – oft stundenlang.<br />

Sänger Morshed<br />

hat den Nerv getroffen.<br />

Heimweh<br />

zum Mitsingen<br />

Von Herzschmerz und Widerstand handelten die Hits der Karaoke-Bars in<br />

Syrien, bevor der Krieg ausbrach. Bei Oriental Karaoke auf Kampnagel werden die<br />

alten Volksweisen und Revolutionslieder wieder gesungen – sie geben vielen<br />

gefl üchteten Arabern ein Stück Heimat zurück.<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTOS: LENA MAJA WÖHLER


Die Bühne ist für alle da:<br />

Bei Oriental Karaoke<br />

zählt pure Leidenschaft.<br />

Rubrik<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

Die alten Lieder, sie sind mit<br />

den Musikern<br />

nach Europa gekommen<br />

Das nächste Lied hat es in<br />

sich. Aber Morshed Alzouba<br />

muss da jetzt durch. Er<br />

hat sich das nicht ausgesucht,<br />

wie üblich haben ihn Freunde<br />

beim Oriental Karaoke auf Kampnagel<br />

als Sänger nominiert. Nun blicken<br />

sie zu ihm hoch und zücken ihre Handys,<br />

während Organisator Anas Aboura<br />

den Titel ankündigt: „Ich vermisse das<br />

Brot meiner Mutter.“ Morshed atmet<br />

durch und legt los. Es ist ein dramatisches<br />

Lied, er singt es voller Inbrunst.<br />

Doch kurz vor dem Refrain muss er<br />

schlucken: „Meine Mutter ... Meine<br />

Mutter ...“ Der 27-Jährige starrt auf die<br />

Verse an der Hallenwand, als wolle er<br />

sich daran festhalten. Er fasst sich und<br />

bringt das Lied mit fester Stimme zu Ende.<br />

Das Publikum jubelt. So war die<br />

Stimmung auch früher in den Karaokebars<br />

von Damaskus – vor Ausbruch des<br />

Krieges 2011, erzählt Anas Aboura. Nur<br />

die Technik war damals eine andere:<br />

Fernseher statt Beamer, die Musik kam<br />

nicht vom Laptop, sondern von CDs.<br />

Die Lieder von Heimweh und Trennungsschmerz<br />

sind nicht neu. In vielen<br />

arabischen Ländern wurden sie gesungen<br />

in Erinnerung an die Heimat und<br />

das Leid Vertriebener, etwa aus Palästina,<br />

denen sich viele Araber verbunden<br />

fühlen. „Es sind alte Volkslieder“, erklärt<br />

Anas. „Aber das Gefühl ist dasselbe geblieben.“<br />

Für die Geflüchteten werden<br />

sie nun Teil der eigenen Geschichte.<br />

„Ich konnte fast nicht weitersingen“,<br />

sagt Morshed nach seinem Auftritt.<br />

„Es war so …“ Er sucht nach dem<br />

passenden deutschen Wort. Morshed ist<br />

noch keine anderthalb Jahre in Deutschland.<br />

Aufgewachsen ist er im Nordosten<br />

40<br />

Syriens, seine Heimatstadt Al Hazaka<br />

liegt mit ihren vier großen Kirchen etwa<br />

60 Kilometer von der irakischen Grenze<br />

entfernt, viele Einwohner sind Aramäer<br />

oder Kurden. Morsheds Mutter, sein<br />

Vater, seine Geschwister – alle sind noch<br />

da. „Wir schreiben jeden Tag auf<br />

WhatsApp“, sagt er. Auf die Frage, ob<br />

seine Familie sicher ist, nickt er kurz.<br />

Sorgen macht er sich trotzdem.<br />

Ein fetziger arabischer Popsong<br />

schallt aus den Boxen, der Sänger wirft<br />

sich in Pose. Auch wenn nicht jeder singen<br />

kann wie Morshed, an Leidenschaft<br />

lässt es niemand fehlen. Schon ist die<br />

erste Dabke im Gange, so heißt ein orientalischer<br />

Folkloretanz: Schulter an<br />

Schulter tanzen Männer und Frauen in<br />

einer langen Reihe durch den Raum,<br />

der Erste gibt die Schrittfolge vor. Sie<br />

haben Platz, statt der üblichen 300 Gäs-


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Lebenslinien<br />

Sieht schottisch aus, klingt aber original nach<br />

Levante: Die Sackpfeife wird in Syrien und Palästina<br />

vor allem auf Hochzeiten gespielt. In Hamburg gründete<br />

sich die Band „Gajar“.<br />

Anas und Abeer<br />

(links) kennen<br />

sich noch aus<br />

Syrien. Viele,<br />

die beim Oriental<br />

Karaoke mitmachen,<br />

waren<br />

schon vor der<br />

Flucht nach<br />

Deutschland<br />

Freunde.<br />

te sind heute nur rund 100 da. „Normalerweise<br />

haben wir volles Haus“,<br />

sagt Anas. Aber er hat heute mit weniger<br />

Zulauf gerechnet. So wie auch Mitorganisator<br />

Rashad. „Ramadan und<br />

Champions League“, erklärt er.<br />

In Syrien wurde Karaoke vor allem<br />

in den Jahren vor der Revolution zum<br />

Trend, erzählt Anas. Die Bars verbreiteten<br />

eine neue Atmosphäre, Leute ließen<br />

am Mikro ihren Gefühlen freien<br />

Lauf. „Das hat schon mit der revolutionären<br />

Stimmung zu tun, die damals<br />

aufkam“, sagt der 31-Jährige, der sein<br />

Studium in Syrien abbrechen musste<br />

und als Oppositioneller im Gefängnis<br />

landete. Als 2011 die Rebellion offen<br />

ausbrach, wurden die Bars zu Treffpunkten,<br />

in denen sich Gruppen organisierten<br />

und Verletzte versorgten, erzählt<br />

er. Mancherorts waren Lieder mit<br />

neuem Text zu hören – umgedichtet zu<br />

Anti-Assad-Hymnen. „Auch diese Lieder<br />

haben die Leute mit nach Europa<br />

gebracht“, sagt Anas.<br />

Für ihn ist Oriental Karaoke erst<br />

der Anfang: Anas und seine Freunde<br />

planen ein Haus, das den vielfältigen<br />

Kulturen des Nahen und Mittleren Ostens<br />

eine neue Heimat in Hamburg ge-<br />

41<br />

ben soll – mit Konzerten, Bühnenkunst,<br />

Poesie, Filmabenden und gemeinsamem<br />

Essen. „Shamiram Haus“ soll es<br />

heißen. Anas Aboura träumt auch<br />

schon von einem besonderen Ort: „Unser<br />

größter Wunsch wäre, die Schilleroper<br />

zu bekommen.“ •<br />

annabel.trautwein@hinzundkunzt.de<br />

Info: Oriental Karaoke, Kampnagel,<br />

Jarrestraße 20, Sa, 19.8., 22 Uhr,<br />

Eintritt auf Spendenbasis


Freunde<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

Danke an alle<br />

Unterstützer!<br />

Unser Jahresbericht 2016: ein neues Projekt, eine Ehrung – und eine schwere<br />

Krise, die uns und unseren Verkäufern den Magazinverkauf erschwert hat.<br />

TEXT: JENS ADE<br />

FOTO: LENA MAJA WÖHLER<br />

2016 – das war eine richtige Achterbahnfahrt.<br />

Dabei fing alles so gut an.<br />

Unsere Chefredakteurin Birgit Müller<br />

wurde im Januar für ihren Einsatz mit<br />

dem Bundesverdienstkreuz geehrt.<br />

„Das ist eine Auszeichnung, die uns<br />

allen gilt – dem Team und den<br />

Hinz&Künztlern auf der Straße“, so<br />

die Mitbegründerin des Magazins.<br />

Im April gab es einen weiteren Höhepunkt:<br />

Zusammen mit der Bäckerei<br />

Junge starteten wir die „BrotRetter“,<br />

unser zweites externes Arbeitsprojekt.<br />

In Lohbrügge verkaufen fünf<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer seitdem Brot<br />

und Backwaren vom Vortag zu günstigen<br />

Preisen – Seite an Seite mit dem<br />

Team von der Bäckerei Junge. Angestellt<br />

sind sie bei uns.<br />

Wenig später war unsere Euphorie<br />

vorbei, denn ebenfalls im April tauchte<br />

das „Straßenjournal Deutschland“<br />

in Hamburg auf. Auch wenn es inhaltlich<br />

nicht vergleichbar ist, entstand<br />

für die Hinz&Künztler eine heftige<br />

Kon kurrenzsituation. Die neuen Verkäufer<br />

vertreiben das Blatt teilweise sehr<br />

offensiv. In einigen Fällen wurden die<br />

Hinz&Künztler sogar bedroht oder verdrängt.<br />

Leser riefen verwirrt oder empört<br />

an, weil sie dachten, das „Straßenjournal“<br />

hätte etwas mit uns zu tun.<br />

Der zweite Schlag folgte wenig<br />

später. Ein in Hamburg erscheinendes<br />

kostenloses Anzeigenmagazin veröffentlichte<br />

im Mai und Juni diffamierende<br />

Presseartikel über uns. Dabei ging es unter<br />

anderem um unsere Rücklagen<br />

(inzwischen rund 1,9 Millionen Euro).<br />

Wir haben versucht, mit Transparenz<br />

und Sachlichkeit dagegenzuhalten.<br />

Rücklagen brauchen wir, weil wir die<br />

Auflagenschwankungen während des<br />

Jens Ade ist seit 13 Jahren<br />

Geschäftsführer von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

42<br />

Jahres auffangen müssen, und weil nur<br />

so Projekte wie „Spende dein Pfand!“<br />

oder „BrotRetter“ überhaupt starten<br />

können. Insgesamt tragen wir Verantwortung<br />

für 38 Mitarbeiter (davon 22<br />

ehemals Wohnungslose), 20 Wohnungen,<br />

für die wir bürgen oder die wir verwalten<br />

– und für mehr als 500 Verkäufer.<br />

Und wie viele von Ihnen wissen: Wir<br />

planen mit einem Sozialinvestor ein<br />

Haus.<br />

Schließlich meldete sich der Herausgeber<br />

des Anzeigenmagazins und<br />

nahm die Anschuldigungen zurück.<br />

Trotzdem: Die Stimmung und die Auflage<br />

haben unter all dem gelitten. Statt<br />

rund 814.367 Hefte in 2015 haben wir<br />

in 2016 nur 720.402 verkauft. Aber die<br />

Krise hat auch gezeigt, wie sehr wir in<br />

Hamburg verankert sind. Gott sei<br />

Dank haben sich viele Hamburger hinter<br />

uns gestellt und uns weiterhin finanziell<br />

unterstützt. Gerade jetzt! Auch<br />

Rewe, Aldi, Lidl und Edeka helfen, indem<br />

sie Verkaufsplätze für unsere<br />

Hinz&Künztler reservieren.<br />

Und die Sozialarbeit ist zufrieden<br />

mit unseren Projekten: „Spende dein<br />

Pfand!“ am Flughafen mit 3,5 festen<br />

Stellen wurde um ein Jahr verlängert.<br />

Der Höhepunkt war jedoch die<br />

Reise nach Rom. Im November hatte<br />

Papst Franziskus 4000 Obdachlose, Arme<br />

und ihre Begleiter nach Rom eingeladen.<br />

Wir waren mit 21 Verkäufern<br />

und sieben Begleitern dabei. Dieses intensive<br />

Gemeinschaftserlebnis hat uns<br />

unglaublich beflügelt. Viele Obdachlose<br />

haben dadurch wieder Hoffnung<br />

geschöpft oder zu ihrem Glauben<br />

gefunden.<br />

Auch die Spendenbereitschaft ist<br />

zum Glück 2016 stabil geblieben. Ein<br />

Highlight war das Benefizkonzert mit<br />

Ulrich Tukur und seinen Rhythmus<br />

Boys im St. Pauli Theater sowie das Benefizkonzert<br />

der Hamburger Camerata<br />

in der St. Georgskirche mit der Geigerin<br />

Joanna Kamenarska. Aber auch wiederkehrende<br />

Aktionen wie das Neujahrskonzert<br />

in Wentorf und das Acando-<br />

Kickerturnier sind neben den vielen<br />

kleinen und großen Spenden überlebenswichtig<br />

für unsere Arbeit. Unser<br />

besonderer Dank gilt dem Freundeskreis<br />

mit seinen 2500 Mitgliedern. Nur<br />

durch Ihre Hilfe können wir 530 Verkäufern<br />

jeden Monat eine Beschäftigung<br />

ermöglichen, eine Heimat bieten und eine<br />

Lobby sein. Danke! •<br />

Kontakt: jens.ade@hinzundkunzt.de<br />

Mehr unter<br />

www.hinzundkunzt.de


Das Betriebsergebnis 2016<br />

ERLÖSE<br />

2016<br />

2015<br />

2014<br />

Verkaufte Exemplare<br />

Umsatzerlöse Zeitungsverkauf*<br />

Umsatzerlöse Sonderheft<br />

Umsatzerlöse Anzeigen<br />

Übrige Erlöse** (Stadtrundgänge, Veranstaltungen, Arbeitsprojekte)<br />

Umsatzerlöse Warenverkauf<br />

720.402<br />

736.000 €<br />

71.000 €<br />

100.000 €<br />

196.000 €<br />

26.000 €<br />

1.129.000 €<br />

814.367<br />

707.000 €<br />

57.000 €<br />

102.000 €<br />

51.000 €<br />

33.000 €<br />

950.000 €<br />

830.558<br />

679.000 €<br />

86.000 €<br />

109.000 €<br />

29.000 €<br />

26.000 €<br />

929.000 €<br />

Allgemeine Spenden***<br />

Erlöse Freundeskreis<br />

Sponsoring<br />

Spenden/Vermächtnisse für Sonderprojekte<br />

Zuschüsse (für Langzeitarbeitslose, bezahlt die Agentur für Arbeit)<br />

Übrige Erträge (Auflösung Rückstellung, Investitionszuschüsse)<br />

662.000 €<br />

290.000 €<br />

28.000 €<br />

87.000 €<br />

30.000 €<br />

24.000 €<br />

671.000 €<br />

257.000 €<br />

28.000 €<br />

87.000 €<br />

16.000 €<br />

40.000 €<br />

579.000 €<br />

244.000 €<br />

28.000 €<br />

41.000 €<br />

34.000 €<br />

30.000 €<br />

SUMME ALLER ERLÖSE<br />

2.250.000 €<br />

2.049.000 €<br />

1.885.000 €<br />

40% Erlöse Monatsmagazin<br />

davon 33%<br />

Magazinverkauf<br />

3 % Sonderhefte<br />

4% Anzeigen<br />

5,5% Sponsoring<br />

12,5% Übrige<br />

Im Jahre 2016 haben wir 2.250.000 Euro aufgewendet. Den Löwenanteil,<br />

55 Prozent unseres Geldes, geben wir für Personalkosten aus. 2016 hatten<br />

wir insgesamt 38 Mitarbeiter. Die meisten arbeiten in Teilzeit. Davon sind<br />

22 ehemalige Verkäufer. Mitgerechnet sind die neun Hinz&Künztler, die in<br />

unseren Kooperationsprojekten „Spende Dein Pfand!“ am Hamburger Flughafen<br />

und „BrotRetter“ in Zusammenarbeit mit der Bäckerei Junge arbeiten.<br />

55% Personalaufwand<br />

29%<br />

Spenden<br />

60 % Spenden, Sponsoring und übrige Erlöse<br />

13% Freundeskreis-<br />

Beiträge<br />

34%<br />

Personalkosten<br />

21% Personalkosten<br />

für ehemalige<br />

Verkäufer<br />

Das Heft und seine Mitarbeiter finanzieren sich aus den Erlösen aus dem<br />

Zeitungsverkauf*, den Sonderheften und Anzeigen. Durch die Preiserhöhung<br />

haben wir trotz Auflagenrückgang kein Minus gemacht. Die Spenden*** dienen<br />

der Finanzierung des Gesamtprojektes. Stark gestiegen sind die „Übrigen<br />

Erlöse“**. Das liegt an den Einnahmen aus „Spende Dein Pfand!“ und<br />

„BrotRetter“. Damit werden die Personalkosten in diesen Projekten refinanziert.<br />

2% Übrige<br />

2,5% Betreuungsaufwand<br />

22% Betriebliche<br />

Aufwendungen<br />

18,5% Herstellungskosten<br />

Zeitung<br />

45% sonstige Kosten<br />

AUFWENDUNGEN<br />

2016<br />

2015<br />

2014<br />

Personal (Gehälter, Sozialabgaben, Altersvorsorge)<br />

Betriebliche Aufwendungen (Miete, Instandhaltung, Heizung etc.)<br />

Betreuungsaufwand (Lebensmittel, Kaffee, Einzelhilfen)<br />

Honorare (freie Redakteure, Fotografen, Layout)<br />

Foto-, Belichtungs-, Druckkosten<br />

Abschreibungen<br />

Übrige Aufwendungen (Mitgliedsbeiträge, Versicherungen, Bankgebühren)<br />

1.233.000 €<br />

421.000 €<br />

57.000 €<br />

273.000 €<br />

220.000 €<br />

19.000 €<br />

27.000 €<br />

1.024.000 €<br />

363.000 €<br />

90.000 €<br />

242.000 €<br />

181.000 €<br />

18.000 €<br />

24.000 €<br />

958.000 €<br />

414.000 €<br />

42.000 €<br />

261.000 €<br />

160.000 €<br />

21.000 €<br />

12.000 €<br />

SUMME AUFWENDUNGEN<br />

2.250.000 €<br />

1.942.000 €<br />

1.868.000 €<br />

Steuern auf Einkommen und Ertrag<br />

Rücklagen-Einstellung<br />

Rücklagen-Entnahme<br />

4.000 €<br />

104.000 €<br />

108.000 €<br />

7.000 €<br />

157.000 €<br />

57.000 €<br />

16.000 €<br />

156.000 €<br />

155.000 €<br />

BILANZGEWINN<br />

0 €<br />

0 €<br />

0 €


Ein satter Händedruck<br />

muss sein: Hinz&<strong>Kunzt</strong>-<br />

Juror Rainer gratuliert<br />

Omar zu einem der Preise.<br />

Die Welt von morgen<br />

Wie klingt „Zukunft“? Diese Frage beantworteten rund 80 Schüler<br />

aus Hamburg und dem Umland beim diesjährigen Wettbewerb<br />

von Audiyou und Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Sie wünschen sich vor allem eine Welt ohne Not.<br />

TEXT: JONAS FÜLLNER, FOTO: DMITRIJ LELTSCHUK<br />

Der Bass wummert, das Keyboard<br />

quietscht und orgelt,<br />

während junge Stimmen<br />

gekonnt ihren Rap dem<br />

Beat anpassen: „Das ist die Welt von<br />

morgen, so sehen wir sie. Glückliche<br />

Menschen statt Tränen und Krieg.<br />

Hebt die Hände, wenn ihr das Leben<br />

liebt.“ Das funktioniert: Die Zuhörer<br />

reißen ihre Arme in die Höhe und jubeln,<br />

als der Song „Die Welt von morgen“<br />

durch den Verkaufsraum von<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> schallt.<br />

Dort findet an diesem Tag die<br />

Preisverleihung für den Jugend-Hörbuchpreis<br />

Audiyou statt. Gleich zu Beginn<br />

hatte Sascha Draeger eingeräumt:<br />

„Wir hatten dieses Mal die Qual der<br />

Wahl, und es war nicht leicht, sich auf<br />

einen Sieger festzulegen.“ Sascha<br />

Draeger? Den Namen des Audiyou-Jurymitglieds<br />

kannten die Kinder nicht.<br />

Im Gegensatz zu seiner Stimme. Seit<br />

vielen Jahren spricht er die Rolle des<br />

Tim in der Serie TKKG.<br />

Die etwa 80 Schüler aus Hamburg<br />

und Umland hingen aber nicht deswegen<br />

an seinen Lippen. Sie warteten gespannt<br />

darauf, welchen Platz sie mit ihrer<br />

Klasse beim Wettbewerb von<br />

Audiyou und Hinz&<strong>Kunzt</strong> belegen<br />

würden. Nicht einmal für die Chips<br />

und die große Schüssel voller Gummibären<br />

hatten die Schüler Augen – zumindest<br />

nicht, solange sie noch nicht<br />

ihren Preis eingeheimst hatten.<br />

Der Jubel unter den Schülern war<br />

groß. Denn es gibt keine Pokale, sondern<br />

professionelles Aufnahme-Equipment<br />

zu gewinnen. Schließlich will Audiyou-Initiatorin<br />

Stephanie Landa die<br />

Produktion von Hörspielen und Songs<br />

fördern. Jedes Jahr unter einem neuen<br />

Motto. In diesem Jahr sollten sich die<br />

Kinder Gedanken über die Zukunft<br />

machen. Und die sieht rosig aus,<br />

lauscht man den prämierten Beiträgen.<br />

Die Kinder träumen von einer<br />

Welt ohne Krieg, Hunger, Rassismus –<br />

und Hausaufgaben. Ein nachvollziehbarer<br />

Wunsch, für den die Kinder der<br />

Rudolf-Roß-Grundschule in der Neustadt<br />

in ihrem Hörspiel eine Lösung<br />

präsentierten: Die Protagonisten bas-<br />

Wir unterstützen Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Aus alter Freundschaft und mit neuer Energie. Hanse Werk<br />

44


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

teln heimlich an einem Roboter, der<br />

spätestens im Jahr 2217 alle Hausaufgaben<br />

für sie selbstständig erledigt.<br />

200 Jahre wollte das Team der<br />

Demokratischen Schule Infinita aus<br />

Steinhorst in der Nähe von Bad Oldesloe<br />

allerdings warten. „Kommt alle mit<br />

in die Welt von morgen, niemand<br />

macht sich um Geld noch Sorgen, der<br />

Reichtum ist gerecht verteilt und Zeitmaschinen-Songs<br />

gehen echt mal steil“,<br />

singen sie in ihrer utopischen Vorstellung<br />

in „Die Welt von morgen“.<br />

Mit vorzüglicher Soundqualität, gewitzten<br />

Reimen überzeugten sie die Jury,<br />

die sich aus Stephanie Landa, Sascha<br />

Draeger, Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer<br />

Reiner Rümke, Sybille Ahrendt<br />

(Hinz&<strong>Kunzt</strong>), Annemarie Azong (Studentin)<br />

und Jörgpeter von Clarenau<br />

(NDR Mikado) zusammensetzte. Die<br />

Mitglieder des Siegerteams waren völlig<br />

aus dem Häuschen. „Juhu, es hat sich<br />

gelohnt. Wir haben jede Woche geübt<br />

und gesungen“, sagte Jonathan freudestrahlend.<br />

Seine Mitschülerin Luzie<br />

pflichtete ihm sofort bei: „Ehrlich gesagt,<br />

den Beat konnten wir in den letzten<br />

Wochen schon nicht mehr hören.<br />

Aber jetzt bin ich ganz happy.“ •<br />

Freunde<br />

JA,<br />

ICH WERDE<br />

MITGLIED<br />

IM HINZ&KUNZT-<br />

FREUNDESKREIS.<br />

Damit unterstütze ich die<br />

Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

Meine Jahresspende beträgt:<br />

60 Euro (Mindestbeitrag für<br />

Schüler/Studenten/Senioren)<br />

100 Euro<br />

Euro<br />

Datum; Unterschrift<br />

Ich möchte eine Bestätigung<br />

für meine Jahresspende erhalten.<br />

(Sie wird im Februar des Folgejahres zugeschickt.)<br />

Meine Adresse:<br />

Name, Vorname<br />

Straße, Nr.<br />

PLZ, Ort<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Wir danken unseren Sponsoren Zoom,<br />

Hörcompany, Jumbo Verlag, Hajolt Klangschalen<br />

und der Joachim Herz Stiftung.<br />

Alle Beiträge anhören können Sie unter:<br />

www.huklink.de/audiyou<strong>2017</strong><br />

Der Newcomer-Preis ging an die Grundschule<br />

Kapellenweg (oben). Über Platz<br />

eins jubelte das Team der Schule Infinita<br />

(Mitte). Und gute Stimmung herrschte bei<br />

der Preisverleihung auch in der Jury.<br />

Beruf<br />

Geburtsjahr<br />

Einzugsermächtigung:<br />

Ich erteile eine Ermächtigung zum<br />

Bankeinzug meiner Jahresspende.<br />

Dankeschön<br />

Ich zahle: halbjährlich jährlich<br />

IBAN<br />

Wir danken allen, die im Juli an uns gespendet<br />

haben, sowie allen Mitgliedern im<br />

Freundeskreis von Hinz&<strong>Kunzt</strong> für die<br />

Unterstützung unserer Arbeit!<br />

DANKESCHÖN EBENFALLS AN:<br />

• IPHH • wk it services<br />

• Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

• Hamburger Tafel • Axel Ruepp Rätselservice<br />

• Hamburger Kunsthalle<br />

• bildarchiv-hamburg.de<br />

• Ilsabe und Hartmann Kühne, die ihren<br />

72. Doppelgeburtstag mit ihren Gästen<br />

gefeiert haben<br />

• Götz Oehlert und seinen Geburtstagsgästen<br />

• Jörg Kutzim und seinen Geburtstagsgästen<br />

• Peter Korn und seinen Gästen zur<br />

Feier zum 60. Geburtstag<br />

• „Rock die Straße“ für das Benefizkonzert<br />

mit Silvia Kohl-Stolze • Mike Manske<br />

• „Kannemann“ und Torsten Fixemer<br />

sowie Kay Hähnel<br />

NEUE FREUNDE<br />

• Maria Bleyer • Heinke Eulenschmidt<br />

• Rainer Groothuis • Joe Hartshorn<br />

• Renate Kaiser • Beate Lakotta<br />

• Ursula Lammel • Claudia Meene<br />

• Maret und Nicolas Schütz • Christoph Wenzl<br />

• Britta Wilkens • Lasse Wolter<br />

BIC<br />

Bankinstitut<br />

Wir versichern, dass Ihre Angaben nur für interne<br />

Zwecke bei Hinz&<strong>Kunzt</strong> verwendet werden. Ihre<br />

Mitgliedschaft im Freundeskreis ist jederzeit kündbar.<br />

Bitte Coupon ausschneiden und senden an:<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Freundeskreis<br />

Altstädter Twiete 1-5, 20095 Hamburg<br />

Oder online im Freundeskreis anmelden unter<br />

www.hinzundkunzt.de/freundeskreis<br />

45<br />

HK <strong>294</strong>


Buh&Beifall<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

Was unsere Leser meinen<br />

„Unbenutzte Container Obdachlosen zur Verfügung stellen!“<br />

Für eine bessere Welt<br />

H&K 293 und online, „Der Gipfel und die<br />

Obdach losen“, siehe auch Seite 16<br />

Jeder, der in diesen Tagen an Demonstrationen<br />

gegen die menschenverachtende<br />

Politik der G20 teilnimmt, tut<br />

das auch für die Rechte der Obdachlosen<br />

und für eine bessere Welt. Dass die<br />

Stadt Hamburg mal wieder vergessen<br />

hat, für diese Menschen einen Plan zu<br />

entwickeln, ist eine Sauerei. BECKY CUSTER<br />

Wenn die Stadt Hamburg noch<br />

einen Funken Anstand hat, dann stellt<br />

sie unverzüglich die unbenutzten Container<br />

Obdachlosen zur Verfügung. Dabei<br />

denke ich besonders an obdachlose<br />

Frauen und Obdachlose mit Hund.<br />

Unbenutzte Container gibt es ja genug.<br />

Jeder hat eine Chance verdient.<br />

IRMGARD TÖPELMANN<br />

An alles wird immer gedacht,<br />

aber für die Menschen auf der Straße<br />

wird nichts getan. MICHAELA HOLTMANN<br />

Bremen statt Hamburg<br />

H&K 293 und online, „Schutzlos im Gipfeltumult“,<br />

siehe auch Seite 16<br />

Laut shz.de hat der G20-Gipfel<br />

400 Millionen Euro gekostet. Dafür<br />

hätte man in Bremen für 1000 obdachlose<br />

Hamburger Eigentum kaufen können<br />

(Bremen ist die einzige Stadt in<br />

Deutschland, in der die Immobilienpreise<br />

noch akzeptabel sind, und es soll<br />

Obdachlose geben, die, um Wohnraum<br />

zu bekommen, Hamburg verlassen<br />

würden).<br />

MANUELA GERKENS<br />

Merkel soll Hinz&<strong>Kunzt</strong> lesen<br />

H&K 292, „Der G20 und die Armut“ sowie<br />

„Immer auf die Kleinen“<br />

Die Ausgabe wäre doch für das<br />

Thema Afrika beim Gipfel der G20<br />

sehr wichtig. Wie kann man Frau<br />

Merkel das Heft überbringen?<br />

Hühner – fast umsonst. Dieser Artikel<br />

müsste dort nochmals erörtert werden.<br />

Obwohl die „Entscheider“ das<br />

Problem sicher kennen, ist noch keine<br />

positive Veränderung passiert.<br />

URSEL LÜHR<br />

Leserbriefe geben die Meinung des<br />

Verfassers wieder, nicht die der Redaktion.<br />

Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen.<br />

Wir trauern um<br />

Rainer Giordano<br />

26. <strong>August</strong> 1958 – 12. Juli <strong>2017</strong><br />

HAMBURGER NEBENSCHAUPLÄTZE<br />

DER ETWAS<br />

ANDERE<br />

STADTRUNDGANG<br />

Rainer war seit Mai 1995 bei Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Viele Jahre<br />

hatte er seinen Stammplatz in der City beim Hamburger Hof.<br />

Jetzt ist er völlig überraschend gestorben.<br />

Die Verkäufer und das Team<br />

von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wir trauern um<br />

Peter Dickhoven<br />

19. Juni 1948 – 24. Juni <strong>2017</strong><br />

Peter war 21 Jahre lang Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Verkäufer. Seinen Festplatz hatte er<br />

bei Aldi in der Cuxhavener Straße. Im Krankenhaus ist er gestorben.<br />

Die Verkäufer und das Team<br />

von Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

Wollen Sie Hamburgs City einmal mit anderen Augen sehen?<br />

Abseits der teuren Fassaden zeigt Hinz&<strong>Kunzt</strong> Orte, die in<br />

keinem Reiseführer stehen: Bahnhofs mission statt Rathausmarkt,<br />

Drogenberatungsstelle statt Alsterpavillon, Tages aufent halts stätte<br />

statt Einkaufspassage.<br />

Anmeldung: info@hinzundkunzt.de<br />

oder Telefon: 040/32 10 83 11<br />

Kostenbeitrag: 10/5 Euro,<br />

nächste Termine: 28.8.<strong>2017</strong>, 15 Uhr<br />

mit Abschiedshaus


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Gutes tun: Musiker Bosse sammelte auf Festivals Zelte<br />

und Schlafsäcke für Obdachlose (S. 48).<br />

Gutes sehen: Das Metropolis Kino widmet sich in einer<br />

neuen Reihe Jazz- und Soulmusikern (S. 52).<br />

Gutes kochen: Hinz&Künztler Gerald ist gelernter Koch.<br />

Nach Jahren im Knast hofft er auf eine neue Chance (S. 58).<br />

Fahrt frei für Miu: Die Soul-Pop-<br />

Sängerin aus Hamburg begann<br />

ihre Karriere im New Yorker Club<br />

„The Bitter End“. Sogar in der<br />

Elbphilharmonie durfte sie schon<br />

spielen. Am 31.8. stellt sie ihr<br />

neues Album „Leaf“ im Mojo vor<br />

(S. 55) – eine runde Sache.<br />

FOTO: ELENA ZAUCKE


Norddeutschland kann sehr grau, ungemütlich<br />

und auch kalt sein. Also rief Bosse auf dem<br />

Hurricane-Festival dazu auf, übrig gelassene<br />

Zelte und Schlafsäcke einzusammeln – die<br />

anschließend an Obdachlose verteilt wurden.<br />

Axel Bosse<br />

Ich kann<br />

viel bewirken<br />

viel helfen<br />

Seit 20 Jahren ist Axel Bosse gut im Geschäft. In seinen<br />

Songs fi nden sich eine Menge Leute wieder, auf der<br />

Bühne gibt der 37-Jährige alles. Ganz nebenbei engagiert<br />

er sich für Obdachlose, Flüchtlinge und gegen Nazis.<br />

Darüber haben wir mit dem Musiker gesprochen.<br />

TEXT UND FOTOS: LENA MAJA WÖHLER


<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Bosse füllt mühelos große Hallen<br />

und Stadien. Er gilt als einer<br />

der führenden Köpfe des<br />

deutschsprachigen Pop.<br />

Wir haben ihn anlässlich seines<br />

Konzertes auf der Bahrenfelder Trabrennbahn<br />

getroffen.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>: Als wir bei deinem<br />

Management nach einem Interview anfragten,<br />

bekamen wir sofort eine Zusage.<br />

Was ist dein Bezug zur Obdachlosigkeit?<br />

AXEL BOSSE: Dass ich einen sehr guten Bekannten<br />

habe, der obdachlos ist. Im<br />

Winter wohnt er in einer WG, aber im<br />

Sommer ist er draußen. Gemeinsam<br />

mit ihm und mit der Hilfe von Hanseatic<br />

Help hatten wir letzten Sommer eine<br />

tolle Idee: Wir wollten obdachlosen<br />

Menschen helfen und gleichzeitig beschäftigten<br />

wir uns mit den unglaublichen<br />

Massen an Plastikmüll, die bei den<br />

vielen Festivals anfallen. So kam die Aktion<br />

„Dein Zelt kann ein Zuhause sein“<br />

zustande. Wir spielten an einem Sonntag<br />

auf dem Hurricane Festival. Viele<br />

junge Leute lassen am Ende des Festivals<br />

ihre Isomatten und Zelte stehen,<br />

später kommt die Müllabfuhr und alles<br />

wird weggeschmissen. Wir haben angeboten,<br />

mit einem großen Lkw auf<br />

deren Recyclingplatz zu fahren und<br />

dort die Sachen entgegenzunehmen.<br />

Die Isomatten und Zelte wurden sauber<br />

gemacht und in Hamburg, Bremen<br />

und Hannover an Obdachlose verteilt.<br />

Wir hatten so viel über, dass sogar ein<br />

Teil nach Sizilien und nach Lampedusa<br />

gegangen ist.<br />

49


Bosse kann weit<br />

mehr, als mit Verve<br />

die Rampensau sein:<br />

Im vergangenen<br />

Dezember sammelte<br />

er bei einem Konzert<br />

10.000 Wintermäntel<br />

ein und verteilte sie<br />

weiter.<br />

Auf einem Konzert in der Großen Freiheit<br />

hast du insgesamt 31.000 Euro für<br />

Hanseatic Help und Pro Asyl einspielen<br />

können. Wie kam diese Aktion zustande?<br />

Mir ist bewusst geworden, dass ich<br />

manchmal nur mit den Fingern schnipsen<br />

muss – und ich kann viel bewirken,<br />

viel helfen. Das Konzert in der Großen<br />

Freiheit war ein Zusatzkonzert, eine<br />

Hassmails<br />

voller<br />

Fehler<br />

„Sonntagssause“, also Sonntag, 15.30<br />

Uhr. Es hat normalen Eintritt gekostet,<br />

einige Künstler haben noch Bilder gemalt,<br />

die verkauft wurden. Die Band<br />

hat umsonst gespielt, die Technik und<br />

die Security haben umsonst gearbeitet,<br />

die Feuerwehr kam umsonst. Und auch<br />

die Große Freiheit selbst wurde uns kostenlos<br />

zur Verfügung gestellt, so ist es<br />

dann am Ende zu dieser Summe gekommen,<br />

die zwischen Pro Asyl und<br />

Hanseatic Help aufgeteilt wurde. Mit<br />

dem Geld passieren nun tolle und wichtige<br />

Sachen!<br />

Im Dezember haben wir etwas<br />

Ähnliches gemacht: Wir sollten in der<br />

Alsterdorfer Sporthalle spielen, und ein<br />

paar Tage vorher habe ich mir gedacht:<br />

Mann, da kommen jetzt zwischen 6000<br />

und 7000 Leute, da fahre ich wieder<br />

mit dem Lkw vor und sage diesmal:<br />

„Ich spiele ein Konzert für euch, ihr<br />

gebt mir eure Winterklamotten, dazu<br />

legt ihr einen Zettel mit eurem Namen<br />

und eurer Mailadresse drauf, ich wähle<br />

später fünf Leute von euch aus, ihr<br />

kommt dann mit all euren Freunden,<br />

und ich spiel’ umsonst noch mal ein<br />

Konzert nur für euch.“ Wir haben mit<br />

der Idee mal eben 10.000 Wintermäntel<br />

gesammelt, die weiterverteilt wurden.<br />

Ich wundere mich manchmal, warum<br />

ich das nicht schon vor fünf Jahren<br />

gemacht habe, es ist echt einfach. Du<br />

brauchst nur eine Idee und ein bisschen<br />

Organisation.<br />

Bei der Verleihung des Echo 2016 hast du<br />

auf der Bühne den Nazis symbolisch den<br />

50<br />

Stinkefinger gezeigt. Sollten generell mehr<br />

Künstler politische Stellung beziehen?<br />

Ja! Definitiv.<br />

Gehört das heutzutage zum Business dazu?<br />

Das wäre auf jeden Fall toll. Und es wäre<br />

wichtig, gerade bei der heutigen Mc-<br />

Fit-Jugend, die ihr Leben auf Instagram<br />

darstellt, für die Style alles ist und<br />

die so unpolitisch ist. Darum sollten<br />

sich Künstler, die nun mal einen Rieseneinfluss<br />

haben, das Recht rausnehmen,<br />

sich zu äußern. Gerade die, die<br />

Angst haben, Fans zu verlieren, die großen<br />

Mainstream Acts! Das würde eine<br />

ganze Menge bewegen. Wie Udo Lindenberg<br />

schon sagte: Würde sich Helene<br />

Fischer gegen Rechts und Fremdenfeindlichkeit<br />

äußern, würde das<br />

wahrscheinlich mehr bewegen, als<br />

wenn ich mich als Bosse äußere. Die<br />

meisten meiner Fans sind politisch korrekte,<br />

offene und liberale Leute.<br />

Hatte der Stinkefinger Konsequenzen<br />

für dich?<br />

Keine spürbaren. Es gab natürlich ein<br />

Echo im Netz: 20 Prozent Shitstorm, 80<br />

Prozent Zustimmung, Lob und Unterstützung.<br />

Wobei ich schon erschrocken


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

war, wie sehr ich bedroht wurde; andererseits<br />

konnte man sich auch kaputtlachen,<br />

schon wegen der vielen Rechtschreibfehler<br />

in diesen Mails.<br />

Die ersten Songs deines Albums „Kraniche“<br />

hast du während eines sechsmonatigen<br />

Aufenthalts in Istanbul geschrieben.<br />

Was hat dich an der Stadt inspiriert?<br />

Einfach alles! Meine Frau ist Türkin und<br />

so haben wir dort sehr viele Familienmitglieder.<br />

Meine Frau bekam das Angebot,<br />

vor Ort einen Film zu drehen, unsere<br />

Tochter war noch sehr jung und nicht<br />

schulpflichtig, und wir haben dann ein<br />

Die T rkei<br />

braucht<br />

noch Zeit<br />

Jahr lang die Stadt unsicher gemacht.<br />

Wir haben immer gut gegessen, haben<br />

uns alles angeguckt, haben viele Leute<br />

getroffen, haben viel Quatsch gemacht.<br />

Die Stadt ist der Wahnsinn! Es gibt so<br />

viele junge Menschen! Istanbul kam mir<br />

oft vor wie in den Erzählungen meines<br />

älteren Bruders über die frühen Zeiten<br />

in Berlin; wie das war, als man im Untergrund<br />

noch getanzt hat und als all die<br />

neuen Ideen kamen. Eine Mischung aus<br />

ungeheurer Produktivität, jeder Menge<br />

Adrenalin, dann wieder totales Chaos<br />

und die Schönheit, wenn Alt und Neu<br />

aufeinandertrifft.<br />

Ein Aufbruch, der zum Greifen nah ist?<br />

Totaler Aufbruch! 200 Prozent mehr<br />

Energie, als ich das aus Deutschland<br />

kannte! Wir haben direkt am Taksim-<br />

Platz gewohnt, da wo Tag und Nacht<br />

wie in Tokio ineinander übergehen. Ich<br />

kann jedem nur empfehlen, dahin zu<br />

fahren!<br />

51<br />

Wie fühlt es sich für dich an, wenn du hörst,<br />

was jetzt in der Türkei los ist?<br />

Schwierig. Ich wünsche dem Land Ruhe<br />

und Gerechtigkeit! Manchmal kann<br />

man sich das nicht richtig vorstellen,<br />

was dort passiert. Wir leben in einem<br />

Land, in dem jeder damit aufgewachsen<br />

ist, dass er immer sagen darf, was er<br />

möchte. Sobald das nicht mehr möglich<br />

ist, wird die Freiheit eingeschränkt.<br />

Und das kann nicht gesund sein.<br />

So wie du die Stimmung der Stadt kennengelernt<br />

hast: Glaubst du, dass sich alles doch<br />

am Ende zum Guten wenden wird?<br />

Daran glaube ich auf jeden Fall! Die<br />

Türkei braucht einfach noch Zeit! Und<br />

wir sollten bedenken, dass Istanbul<br />

nicht die Türkei ist. Man muss nur aus<br />

Istanbul raus zwei Stunden übers Land<br />

fahren, dann kann man Menschen treffen,<br />

die mit einem Esel ihr Feld bestellen.<br />

Das Land ist also noch lange nicht<br />

so entwickelt, wie man als Deutscher<br />

oder Europäer denkt, dass es normal<br />

ist. Und so wird die Türkei noch ein<br />

paar Jahrzehnte brauchen, bis dort die<br />

Gedanken und Werte selbstverständlich<br />

sind, wie wir sie in der EU kennen. Der<br />

Großteil der jungen Leute, die ich dort<br />

kennengelernt habe, denkt so: Die streben<br />

nach freien Gedanken, die wollen<br />

ein freies Internet, freie Kunst und Kultur.<br />

Und diese Generation hat Energie<br />

und wird etwas verändern. •<br />

Kontakt: redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Engtanz – das aktuelle Album von Bosse<br />

Auf die Frage, wie es zu dem Albumtitel<br />

Engtanz kam, sagte Bosse: „Irgendwann<br />

bin ich auf ,Engtanz‘ gekommen – für<br />

mich ein Bild von zwei Leuten, die Stirn<br />

an Stirn nach einer zerfetzten Nacht<br />

noch dastehen.“<br />

Konzert auf der Bahrenfelder Trabrennbahn:<br />

Mo, 26.8., 18 Uhr; Karten: 43 Euro<br />

<br />

M5 MEXICAN BRASS<br />

<br />

RYAN MCMULLAN<br />

<br />

BREAKING BENJAMIN<br />

<br />

MC FITTI<br />

<br />

PAPA ROACH<br />

<br />

JONAS MONAR<br />

<br />

PHOENIX<br />

<br />

TORI AMOS<br />

<br />

MIKE + THE MECHANICS<br />

<br />

MACHINE GUN KELLY<br />

<br />

PHILIPP DITTBERNER<br />

<br />

KASALLA<br />

<br />

THE KILKENNYS<br />

<br />

GIORA FEIDMAN &<br />

RASTRELLI CELLO QUARTETT<br />

<br />

ROBIN SCHULZ<br />

<br />

BRIT FLOYD<br />

<br />

NILS LANDGREN FUNK UNIT<br />

<br />

JOCO<br />

<br />

DUA LIPA<br />

<br />

CHRIS REA<br />

<br />

KASABIAN<br />

<br />

ÜBERJAZZ FESTIVAL<br />

<br />

OMD<br />

<br />

STONE SOUR<br />

<br />

ERASURE<br />

TICKETS: KJ.DE


Kult<br />

Tipps für <strong>August</strong>:<br />

subjektiv und<br />

einladend<br />

Kino<br />

Jazzfilm über Sucht und Freundschaft<br />

Dale Turner ist ein genialer Musiker,<br />

doch seine Alkoholsucht bringt ihn ans<br />

Limit. Seine Managerin hält ihn deshalb<br />

kurz: Tagsüber sperrt sie ihn ein,<br />

nur nachts zum Konzert darf der Saxofonist<br />

raus. Der mittellose Francis, der<br />

Turner glühend verehrt, kann dabei<br />

nicht zusehen. Bei einem heimlichen<br />

Drink schließen die beiden Freundschaft<br />

und nehmen den Kampf gegen<br />

die Sucht auf. Die „Hoffnungsorte<br />

Hamburg“ zeigen den Klassiker „Um<br />

„Um Mitternacht“ ist ein Klassiker<br />

unter den Jazzfilmen.<br />

Mitternacht“ zum Auftakt der neuen<br />

„Soulfood“-Filmreihe, die Armut und<br />

Sucht in der Jazzszene thematisiert. •<br />

Metropolis, Kleine Theaterstraße 10,<br />

So, 13. <strong>August</strong>, 17 Uhr, Eintritt 7,50/5 Euro,<br />

www.metropoliskino.de<br />

52


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Party<br />

Gay Pride im Nachtasyl<br />

Zum Christopher Street Day<br />

steht auch das Nachtasyl ganz im<br />

Zeichen des Regenbogens. Nach der<br />

Parade steigt die Aftershow-Party<br />

für alle, die den Abend mit Pop,<br />

Italo-Disco und Dance-Hits stilecht<br />

ausklingen lassen wollen. •<br />

Nachtasyl, Alstertor, Sa, 5.8., 22 Uhr,<br />

Eintritt 8 Euro, www.thalia-theater.de<br />

FOTOS: KINEMATHEK HAMBURG, LISA RAVE, PABLO HEIMPLATZ<br />

Tanzen befreit – das<br />

zeigt die Performance<br />

„Monument 0.4: Lores<br />

& Praxes“ im MK&G.<br />

Bühne<br />

Weltpremiere zeigt Widerstand als Tanz<br />

Protest und Befreiung kann man auch tanzen! Das zeigt die Choreografin Eszter<br />

Salamon mit einer außergewöhnlichen Tanzperformance im Museum für Kunst<br />

und Gewerbe, bei der sich das Publikum frei zwischen den Tänzern hindurch<br />

bewegen kann. Das internationale Ensemble aus zehn Darstellern zeigt moderne<br />

Interpretationen von Kriegs- und Widerstandskämpfen aus verschiedenen<br />

Krisengebieten der Welt – von Afrika und Südamerika über den Nahen Osten<br />

bis Asien. Die Performance wird als Weltpremiere im Rahmen des Kampnagel<br />

Kulturfestivals gezeigt. •<br />

Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Sa, 12.8., 10–18 Uhr,<br />

Eintritt 12/8 Euro, www.kampnagel.de<br />

Festival<br />

Schräge Vögel und jede Menge Kunst<br />

Bei denen piept’s wohl! Geschmückt mit fremden Federn treffen sich farbenfrohe<br />

Feierfreunde in Wilhelmsburg zum Vogelball. Eingeflogen wird dazu unter<br />

anderen Elektroclash-Sängerin Peaches, auch Queer Rapper Mykki Blanco legt<br />

wieder eine Show hin. Federführend ist das Team des MS Artville, das an mehreren<br />

Tagen zum Stromern einlädt:<br />

Am Tag nach dem Vogelball startet<br />

das „Kunstkucken“ mit fachlich begleiteten<br />

Spaziergängen zu den neu<br />

gestalteten Werken auf dem Gelände,<br />

abends steigt die Party „Butterland“.<br />

Zum Abschluss wird das „Burgfest“<br />

gefeiert – mit einer „Kunsthandelszone“,<br />

wo angemeldete Gäste eigene<br />

Kunstwerke feil bieten können.<br />

Danach geht es an Ort und Stelle<br />

weiter mit Musik: Am 18. <strong>August</strong><br />

startet das MS Dockville. •<br />

MS Artville, Vogelball, Alte Schleuse 23,<br />

Sa, 5.8., 16 Uhr, Eintritt 21,60 Euro<br />

plus Gebühr, www.huklink.de/vogelball<br />

Beim Vogelball am Reiherstieg feiern alle,<br />

wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.<br />

Theater<br />

Plattfisch und Hochmut<br />

Manntje, Manntje Timpe Te, Buttje,<br />

Buttje inne See … Seit Grimms Zeiten<br />

warnt das Märchen vom Fischer<br />

und seiner Frau vor übertriebenem<br />

Ehrgeiz und seinen Folgen. Nun<br />

bringt Musikproduzent Christian<br />

Berg die Geschichte als Musical für<br />

Eltern und Kinder auf die Bühne. •<br />

Sprechwerk, Klaus-Groth-Straße 23,<br />

Fr, 4.8. – So, 6.8., 17.30 Uhr, Eintritt<br />

18–22 Euro, www.sprechwerk.hamburg<br />

Vortrag<br />

Auf den Spuren Störtebekers<br />

Er konnte einen Vier-Liter-Humpen<br />

in einem Zug leeren, war als Kapitän<br />

der Freibeuterbande Likedeeler gefürchtet<br />

und lief am Ende ohne Kopf<br />

an seinem Henker vorbei – so die<br />

Legende um Klaus Störtebeker.<br />

Was da dran ist und was es bedeutete,<br />

im 15. Jahrhundert Pirat zu sein,<br />

erläutert eine historische Führung. •<br />

Museum für Hamburgische Geschichte,<br />

Holstenwall 24, So, 6.8., 14 Uhr, Eintritt<br />

9,50/6 Euro, www.hamburgmuseum.de<br />

Kinder<br />

Trickfiguren halten zusammen<br />

Der Waisenjunge Zucchini wohnt<br />

gern im Kinderheim – vor allem seit<br />

Camille da ist. Als sie ausziehen soll,<br />

schmiedet er einen gerissenen Plan.<br />

Der Trickfilm „Mein Leben als Zucchini“<br />

läuft unter freiem Himmel. •<br />

Sommerkino, Alsterdorfer Markt,<br />

Fr, 11. <strong>August</strong>, 21.45 Uhr,<br />

Eintritt auf Spendenbasis,<br />

www.alsterdorf.de<br />

53


Festival<br />

Happy Birthday, Gängeviertel!<br />

54<br />

Die Tage sind bunt, die Nächte auch:<br />

Im Gängeviertel wird wieder Geburtstag gefeiert.<br />

Das muss gefeiert werden: Seit acht<br />

Jahren behauptet sich das Gängeviertel<br />

als kulturelle Insel in der Innenstadt.<br />

Zum Geburtstag sind wieder alle eingeladen,<br />

durch die Gänge zu stromern,<br />

kostenlos Ausstellungen und Konzerte<br />

zu besuchen und mitzufeiern. Los geht<br />

es am Freitagabend mit einer Performance<br />

von Esther Leslie und Ben<br />

Watson zum Thema Widerstand mit<br />

künstlerischen Mitteln, und feinem<br />

Gesang. Elektronische Sounds bringen<br />

die Sängerin Lila und die Band Hunger<br />

zu Gehör. Das Fest ist die beste<br />

Gelegenheit, das Gängeviertel besser<br />

kennenzulernen und über seine politische<br />

Zukunft zu diskutieren:<br />

Was läuft gut, was läuft schief bei den<br />

Verhandlungen mit der Stadt? In einer<br />

Gesprächsrunde sollen alle ihre Fragen<br />

und Ideen einbringen können. •<br />

Gängeviertel, Ecke Valentinskamp/<br />

Caffamacherreihe, ab Do, 24.8. – So, 27.8.,<br />

Eintritt frei, das-gaengeviertel.info


FOTOS: FRANZISKA HOLZ, CHARLOTTE PATMORE<br />

<strong>Kunzt</strong>&Kult<br />

Konzert<br />

Kate Nash rockt für gleiche Chancen<br />

Mädels an die Mikros! Mit ihrem schrägen, aber tanzbaren Sound und großem<br />

Engagement für benachteiligte junge Frauen hat sich Kate Nash zu einer Heldin<br />

der feministischen Popmusikszene entwickelt. Die britische Sängerin und<br />

Multi-Instrumentalistin macht nicht nur auf der Bühne gute Stimmung gegen<br />

Machokultur, sondern setzt sich als Initiatorin vom „Rock ’n’ Roll for Girls<br />

After School Music Club“ auch für faire Chancen im Musikgeschäft ein.<br />

Im <strong>August</strong> kommt sie mit ihrem Erfolgsalbum „Made of Bricks“ nach Hamburg<br />

– unterstützt von ihren Schwestern im Geiste, der Band „Skating Polly“. •<br />

Uebel&Gefährlich, St.-Pauli-Bunker, Feldstraße 66, Fr, 18.8., 19 Uhr,<br />

Eintritt 23,70 Euro plus Gebühr, www.uebelundgefaehrlich.com<br />

Konzert<br />

Miu verzaubert das Mojo<br />

Als die Elbphilharmonie mit großem<br />

Tamtam eröffnet wurde, hatte<br />

Sängerin Miu die Akustik schon mal<br />

ausprobiert: Als Erste, die dort einen<br />

Verstärker einstöpseln durfte, spielte<br />

sie im November 2016 ein Testkonzert<br />

im offiziell noch verschlossenen<br />

großen Saal. Ebenso wundersam hört<br />

sich ihr Werdegang an: Nach einem<br />

Gig in New York, der sich zufällig ergeben<br />

haben soll, schmiss sie ihren Job<br />

als Werberin und machte die Musik<br />

zum Beruf. Auch live hält Miu es lieber<br />

fein und kunstvoll, als große Töne<br />

zu spucken: Ihre perfekt getimten<br />

Lieder haben Groove und klingen<br />

trotzdem federleicht. Beim Release-<br />

Konzert ihres neuen Albums „Leaf“<br />

dürfen Fans wieder mitträumen. •<br />

Mojo Club, Reeperbahn 1, Do, 31.8.,<br />

20 Uhr, Eintritt 20 Euro, www.mojo.de<br />

Eine starke<br />

Stimme ist nicht<br />

nur zum Singen<br />

gut: Kate Nash<br />

geigt Machos die<br />

Meinung.<br />

Literatur<br />

Hommage an eine Kiezheldin<br />

Martha ist alt, arm und allein – aber<br />

eine Kämpferin vor dem Herrn.<br />

Schauspieler Michael Weber hat auf<br />

St. Pauli unter einem Dach mit ihr<br />

gewohnt und ihr ein literarisches<br />

Denkmal gesetzt: „Martha“ ist eine<br />

Hommage an sie und all die Überlebenskünstler<br />

auf dem Kiez, die stets<br />

am Rand und dennoch über allem<br />

standen. In der Speicherstadt liest<br />

der Autor aus seinem Roman vor. •<br />

Speicherstadt Kaffeerösterei,<br />

Kehrwieder 5, Di, 29.8., 20 Uhr,<br />

Eintritt 7 Euro,<br />

www.schwarzenaechte.de<br />

Über Hinweise bis zum 10. des<br />

Monats freut sich Annabel Trautwein<br />

unter redaktion@hinzundkunzt.de<br />

Kinofilm des Monats<br />

Indien im<br />

Dilemma<br />

Gegen die Teilung der früheren<br />

britischen Kolonie Indien<br />

wirkte die in etwa zeitgleiche<br />

Teilung Deutschlands<br />

strukturiert wie eine Umsatzsteuererklärung.<br />

Als Indien<br />

unabhängig wurde, schlitterte<br />

das Land in ein echtes Dilemma:<br />

Während der Norden<br />

muslimisch dominiert<br />

war, hatten im Rest Indiens<br />

Hindus die Oberhand. Vergebens<br />

kämpften der Nationalkongress<br />

und der als Held<br />

verehrte Gandhi für den Einheitsstaat.<br />

Am Ende wurden<br />

Millionen Menschen aus ihrer<br />

Heimat vertrieben, die die<br />

„falsche“ Religion hatten.<br />

Über eine Million Menschen<br />

kamen infolge des geopolitischen<br />

Geschachers um.<br />

Nun zeichnet die Regisseurin<br />

Gurinder Chadha engagiert<br />

und kraftvoll ein Bild<br />

dieser Zeit. „Der Stern von<br />

Indien“ heißt ihr Film – und<br />

bietet Geschichtsunterricht<br />

im Kinoformat. Arrangiert<br />

ist die Story um den Lord<br />

„Dickie“ Mountbatten und<br />

seine Frau Lady Edwina. Der<br />

Lord hat den königlichen<br />

Auftrag, sicherzustellen, dass<br />

Indien reibungslos unabhängig<br />

wird. Doch bereits in<br />

seinem prunkvollen Amts -<br />

sitz merkt er, dass das mit<br />

den Hindus und Muslimen<br />

schwieriger wird als gedacht.<br />

Mountbatten taktiert und appelliert,<br />

doch die Fronten verhärten<br />

sich zusehends. Der<br />

grandios ausgestattete Film<br />

bietet anspruchsvolle Unterhaltung<br />

– und auch eine Liebesgeschichte.<br />

•<br />

André Schmidt<br />

geht seit vielen<br />

Jahren für<br />

uns ins Kino.<br />

Er arbeitet in der<br />

PR-Branche.<br />

55


<strong>Kunzt</strong>&Comic<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

56


WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Rätsel<br />

ILLUSTRATION (BLEISTIFT IM IMPRESSUM): BERND MÖLCK-TASSEL<br />

2<br />

3<br />

1<br />

7<br />

6<br />

4<br />

5<br />

1<br />

2<br />

2<br />

4<br />

5<br />

6<br />

3<br />

3<br />

5<br />

4<br />

5<br />

7<br />

1<br />

4<br />

2<br />

4<br />

2<br />

6<br />

2<br />

6<br />

1<br />

7<br />

5<br />

4<br />

7<br />

5<br />

6<br />

2<br />

Lösungen an: Hinz&<strong>Kunzt</strong>, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

per Fax an 040 32 10 83 50 oder per E-Mail an info@hinzundkunzt.de.<br />

Einsendeschluss: 28. <strong>August</strong> <strong>2017</strong>. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Wer die korrekte Lösung für eines der beiden Rätsel einsendet, kann<br />

zwei Karten für die Hamburger Kunsthalle gewinnen oder eines von zwei<br />

Exemplaren „Wandsbek Buch“ von Katja Nicklaus (Junius Verlag).<br />

Das Lösungswort beim Kreuzworträtsel war: Buddhismus. Die Sudoku-<br />

Zahlenreihe war: 269 754 813.<br />

9<br />

1<br />

7<br />

8<br />

Füllen Sie das Gitter so<br />

aus, dass die Zahlen von<br />

1 bis 9 nur je einmal in<br />

jeder Reihe, in jeder<br />

Spalte und in jedem<br />

Neun-Kästchen-Block<br />

vorkommen.<br />

Als Lösung schicken<br />

Sie uns bitte die<br />

unterste, farbig gerahmte<br />

Zahlenreihe.<br />

Impressum<br />

Redaktion und Verlag<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH<br />

Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg<br />

Tel. 040 32 10 83 11, Fax 040 32 10 83 50<br />

Anzeigenleitung Tel. 040 32 10 84 01<br />

E-Mail info@hinzundkunzt.de, www.hinzundkunzt.de<br />

Herausgeber<br />

Landespastor Dirk Ahrens, Diakonisches Werk Hamburg<br />

Externer Beirat<br />

Prof. Dr. Harald Ansen (Armutsexperte HAW-Hamburg),<br />

Mathias Bach (Kaufmann), Dr. Marius Hoßbach (Rechtsanwalt),<br />

Rüdiger Knott (ehem. NDR 90,3-Programmchef),<br />

Olaf Köhnke (Ringdrei Media Network),<br />

Thomas Magold (BMW-Niederlassungsleiter i.R.),<br />

Beate Behn (Lawaetz-Service GmbH), Karin Schmalriede (Lawaetz-Stiftung),<br />

Dr. Bernd-Georg Spies (Russell Reynolds),<br />

Alexander Unverzagt (Medienanwalt), Oliver Wurm (Medienberater)<br />

Geschäftsführung Dr. Jens Ade<br />

Redaktion Birgit Müller (bim; v.i.S.d.P.),<br />

Annette Woywode (abi; Stellv., CvD), Frank Keil (fk; CvD)<br />

Mitarbeit Simone Deckner (sim), Jonas Füllner (jof),<br />

Ulrich Jonas (ujo), Benjamin Laufer (bela),<br />

Annabel Trautwein (atw), Uta Sternsdorff und Kerstin Weber<br />

Redaktionsassistenz Sonja Conrad, Dina Fedossova<br />

Online-Redaktion Simone Deckner, Jonas Füllner, Benjamin Laufer<br />

Artdirektion grafikdeerns.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit Sybille Arendt, Friederike Steiffert<br />

Anzeigenleitung Sybille Arendt<br />

Anzeigenvertretung Christoph Wahring,<br />

Wahring & Company, Tel. 040 284 09 40, info@wahring.de<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 20 vom 1. Januar 2015<br />

Vertrieb Christian Hagen (Leitung), Marcus Chomse,<br />

Sigi Pachan, Jürgen Jobsen, Meike Lehmann, Sergej Machov,<br />

Frank Nawatzki, Elena Pacuraru, Reiner Rümke, Cristina Stanculescu,<br />

Marcel Stein, Cornelia Tanase, Silvia Zahn<br />

Rechnungswesen/Systemadministration Frank Belchhaus<br />

Spendenmarketing Gabriele Koch<br />

Spendenverwaltung Susanne Wehde<br />

Sozialarbeit Stephan Karrenbauer (Leitung), Ana-Maria Ilisiu, Isabel Kohler<br />

Das Stadtrundgang-Team Stephan Karrenbauer (Leitung),<br />

Chris Schlapp, Harald Buchinger<br />

Das BrotRetter-Team Stephan Karrenbauer (Leitung), Stefan Calin,<br />

Adam Csizmadia, Gogan Dorel, Alexa Ionut, Vasile Raducan<br />

Das Team von Spende Dein Pfand am Airport Hamburg<br />

Stephan Karrenbauer (Leitung), Uwe Tröger, Georgi Nikolov,<br />

Klaus Petersdorfer, Herbert Kosecki<br />

Litho PX2@ Medien GmbH & Co. KG<br />

Produktion Produktionsbüro Romey von Malottky GmbH<br />

Druck A. Beig Druckerei und Verlag,<br />

Damm 9–15, 25421 Pinneberg<br />

Umschlag-Druck Neef+Stumme premium printing GmbH & Co. KG<br />

Verarbeitung Delle und Söhne, Buchbinderei<br />

und Papierverarbeitungsgesellschaft mbH<br />

Spendenkonto Hinz&<strong>Kunzt</strong><br />

IBAN: DE56 200505501280167873<br />

BIC: HASPDEHHXXX<br />

Die Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH mit Sitz in Hamburg ist durch den aktuellen<br />

Freistellungsbescheid des Finanzamts Hamburg-Nord, Steuernummer<br />

17/414/00797, vom 15.11.2013 nach §5 Abs.1 Nr. 9<br />

des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer und nach<br />

§3 Nr. 6 des Gewerbesteuergesetzes von der Gewerbesteuer befreit.<br />

Geldspenden sind steuerlich nach §10 EStG abzugsfähig. Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist als<br />

gemeinnützige Verlags- und Vertriebs GmbH im Handelsregister<br />

beim Amtsgericht Hamburg HRB 59669 eingetragen. Wir bestätigen,<br />

dass wir Spenden nur für die Arbeit von Hinz&<strong>Kunzt</strong> einsetzen.<br />

Adressen werden nur intern verwendet und nicht an Dritte weitergegeben.<br />

Beachten Sie unsere Datenschutzerklärung, abrufbar auf www.hinzundkunzt.de.<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> ist ein unabhängiges soziales Projekt, das obdachlosen und<br />

ehemals obdachlosen Menschen Hilfe zur Selbsthilfe bietet.<br />

Das Magazin wird von Journalisten geschrieben, Wohnungslose und<br />

ehemals Wohnungslose verkaufen es auf der Straße. Sozialarbeiter<br />

unterstützen die Verkäufer.<br />

Das Projekt versteht sich als Lobby für Arme.<br />

Gesellschafter<br />

Durchschnittliche monatliche<br />

Druckauflage 2. Quartal <strong>2017</strong>:<br />

70.000 Exemplare<br />

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Momentaufnahme<br />

HINZ&KUNZT N°<strong>294</strong>/AUGUST <strong>2017</strong><br />

Einst gehörte dem<br />

gelernten Koch ein<br />

Lokal in Linz. Dort<br />

kochte er nicht nur,<br />

sondern verschob<br />

auch mal Hehlerware.<br />

Das ist Geschichte.<br />

„Ich kann à la carte,<br />

ich kann Großküche“<br />

Gerald (50) verkauft Hinz&<strong>Kunzt</strong> vor der Haspa in der Spitalerstraße.<br />

TEXT: ANNETTE WOYWODE<br />

FOTO: MAURICIO BUSTAMANTE<br />

„Ich bin kein Heiliger“, sagt Gerald<br />

und zuckt mit den Schultern. Man mag<br />

es nicht glauben, denn seine Topfenknödel<br />

sind göttlich! Cremige Quarkbällchen,<br />

mit Vanillesoße und Erdbeerkompott<br />

kunstvoll serviert – eine<br />

Kalorienbombe, die der 50-Jährige<br />

zum Verkaufsstart der Juli-Ausgabe für<br />

200 Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Kollegen zubereitet<br />

hat. Wer so eine paradiesische Süßspeise<br />

zaubern kann, kann doch keinen<br />

Dreck am Stecken haben?<br />

Gerald lacht. „I bin ruhiger wor’n“,<br />

sagt der gebürtige Wiener. Aber früher<br />

habe er sich nichts sagen lassen – und<br />

ziemlich viel Mist gebaut.<br />

Elf Jahre hat Gerald, den bei<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong> viele nur „Ösi“ nennen,<br />

im Knast gesessen. Er wollte nur eine<br />

Strafe absitzen, anstatt die Geldstrafe<br />

zu zahlen. Aber dann hatte er Ausgang<br />

– und es kam zu einem heftigen Streit<br />

mit einem „Freund“, dem er für die<br />

Wochen im Gefängnis seine Wohnung<br />

überlassen hatte, erinnert er sich. Leichte<br />

Körperverletzung, unerlaubter Waffenbesitz<br />

und Freiheitsberaubung lautete<br />

das Urteil, und so wanderte Gerald<br />

für Jahre hinter Gitter. „Ich denke, die<br />

haben sich gefreut, dass sie mich endlich<br />

mal drangekriegt haben“, meint<br />

Gerald. Er sieht es fast sportlich, denn<br />

bei den vielen krummen Dingern zuvor<br />

hatte er immer großes Glück gehabt.<br />

Glück konnte Gerald gut brauchen:<br />

Als Zweijähriger kam er zu Pflegeeltern,<br />

mit zehn Jahren ins Heim. Kaum<br />

war der „Bua“ 16, schmiss die Heimleitung<br />

ihn raus. „Seitdem stehe ich auf<br />

eigenen Füßen“, sagt Gerald, der damals<br />

eine Kochlehre suchte. „Das hat<br />

mich schon immer interessiert“, erzählt<br />

er. „Ich kann à la carte, ich kann Großküche“,<br />

so Gerald, der sich nach seiner<br />

Ausbildung mit einem Lokal in Linz<br />

selbstständig machte. Und es begannen<br />

die krummen Dinger – Hehlerei, vor allem<br />

von Schmuck –, „sonst kommst net<br />

aus in dem G’schäft“, sagt er im schönsten<br />

Wiener Schmäh.<br />

Als das Haus, in dem sich Geralds<br />

Lokal befand, abgerissen wurde, eröffnete<br />

er andernorts ein Animierlokal. Bis<br />

Anfang der 1990er-Jahre lief der Laden,<br />

den Gerald aber verkaufte, als sich<br />

der Eiserne Vorhang hob – die Konkurrenz<br />

aus dem Osten schlief nicht. Die<br />

„Nebengeschäfte“ liefen weiter. Oft<br />

hatte ihn die Polizei im Visier, „aber die<br />

haben mir nie etwas nachweisen können“.<br />

Bis er wegen Beamtenbeleidigung<br />

eine Strafe hätte zahlen sollen – und<br />

aus Sturheit lieber in den Knast ging,<br />

wo er schließlich für viele Jahre blieb.<br />

Auch das hätte Gerald vermutlich<br />

einfach durchgezogen. Im Gefängnis<br />

konnte er als Koch arbeiten, hatte daher<br />

wenig auszustehen, wie er sagt.<br />

Doch dann starb seine langjährige<br />

Freundin: Hirnschlag. „Das hat Spuren<br />

hinterlassen“, sagt Gerald, „aber ich<br />

durfte sie beerdigen.“ Viel Geld hat er<br />

dafür ausgegeben. Auch die Miete für<br />

die Wohnung zahlte er weiter – viel zu<br />

lange. Hinzu kamen hohe Anwaltskosten.<br />

Als er, inzwischen 46 Jahre alt, aus<br />

der Haft entlassen wurde, waren seine<br />

Ersparnisse aufgebraucht.<br />

In Österreich hielt Gerald nichts<br />

mehr. Im Januar 2013 reiste er nach<br />

Hamburg, kam zunächst im Winternotprogramm<br />

unter. Ein Bekannter brachte<br />

ihn schließlich mit zu Hinz&<strong>Kunzt</strong>.<br />

„Ich war hoch oben und weit unten“,<br />

sagt Gerald. Dabei strahlt er absolute<br />

Ruhe aus, wie jemand, der seinen<br />

Frieden gefunden hat. In Hamburg<br />

macht er Platte unter einer Brücke.<br />

„Man kann das aushalten“, findet er.<br />

„Aber mal gucken, ob ich gegen Ende<br />

des Jahres in einer Großküche in Arbeit<br />

komme.“ Dass er’s draufhat, beweisen<br />

seine göttlichen Topfenknödel. •<br />

58


KUNZT-<br />

KOLLEKTION<br />

BESTELLEN SIE DIESE UND WEITERE PRODUKTE BEI: Hinz&<strong>Kunzt</strong> gGmbH,<br />

www.hinzundkunzt.de/shop, shop@hinzundkunzt.de, Altstädter Twiete 1–5, 20095 Hamburg,<br />

Tel. 32 10 83 11. Preise zzgl. Versandkostenpauschale von 2,50 Euro bis 4 Euro,<br />

Ausland auf Anfrage. Versand ab 100 Euro Warenwert kostenlos.<br />

1. „Gegens Abstempeln“<br />

Zehn selbstklebende 70-Cent-Briefmarken mit<br />

Porträts von Hinz&Künztlern im A5-Heftchen.<br />

Konzeption: Agentur Lukas Lindemann Rosinski,<br />

Preis: 12 Euro<br />

4.<br />

2. „Macht auch wach!“<br />

Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Kaffeemischung,<br />

100% Arabica gemahlen, 250-g-Beutel<br />

oder Hinz&<strong>Kunzt</strong>-Bio-Espresso, italienische<br />

Mischung, kräftiger Geschmack,<br />

ungemahlen, 250-g-Beutel, exklusiv von der<br />

Kaffeerösterei Burg aus Hamburg.<br />

Preis: jeweils 5,95 Euro<br />

5.<br />

1.<br />

2.<br />

3. „Lesebrettchen“<br />

Exklusiv für Hinz&<strong>Kunzt</strong> aus der<br />

Serie „Schöne Aussichten“, Pension<br />

für Produkte Hamburg.<br />

Design: Wolfgang Vogler,<br />

Material: Esche geölt (aus heimischen Wäldern),<br />

lasergraviert. Jedes Brett ist ein Unikat,<br />

in Deutschland gefertigt.<br />

Preis: 15,90 Euro<br />

4. „Non urban“-Klappkarten<br />

5 verschiedene Motive mit Umschlag,<br />

DIN A6, Fotograf Dmitrij Leltschuk.<br />

Der Erlös geht zur Hälfte an den Fotografen,<br />

zur Hälfte an das Hamburger Straßenmagazin.<br />

Preis: 8 Euro<br />

6.<br />

5. „Heiße Hilfe“<br />

Bio-Rotbuschtee, aromatisiert mit<br />

Kakao-Orangen-Note. Zutaten: Rotbuschtee<br />

(k. b. A.), Kakaoschalen, Zimt, Orangenschalen,<br />

natürliches Orangenaroma<br />

mit anderen natürlichen Aromen.<br />

Dose, 75 g, abgefüllt<br />

von Dethlefsen&Balk, Hamburg,<br />

Preis: 7,50 Euro<br />

7.<br />

3.<br />

6. „Einer muss ja das Maul aufmachen“<br />

T-Shirt vom Modelabel „Fairliebt“ aus<br />

100% Biobaumwolle, sozialverträglich<br />

genäht in Bangladesch und<br />

von Hand bedruckt in Deutschland.<br />

Größen: S, M, L, XL. Farben: Petrol für Herren,<br />

Meerwassertürkis für Damen, Preis: 24,90 Euro<br />

7. „Ein mittelschönes Leben“<br />

Eine Geschichte für Kinder<br />

über Obdachlosigkeit von Kirsten Boie,<br />

illustriert von Jutta Bauer.<br />

Preis: 4,80 Euro


Eine der wichtigsten<br />

Wärmequellen für Hamburg<br />

Am Guten soll man festhalten. So halten wir es auch mit unserem<br />

Einsatz für Hinz&<strong>Kunzt</strong>. Seit April 2000 unterstützt E.ON Hanse das<br />

Hamburger Straßenmagazin. Und daran wird sich nichts ändern.<br />

Auch als HanseWerk werden wir unser Engagement fortsetzen. Mehr<br />

menschliche Wärme – eine der wichtigsten Energien für den Norden.<br />

Energielösungen für den Norden

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