01.09.2017 Aufrufe

Politiker und ihr anderes Ich

Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!

Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.

Christina Boss | Christian Boss<br />

Adrian Amstutz<br />

Isidor Baumann<br />

Martin Bäumle<br />

Pirmin Bischof<br />

Thierry Burkart<br />

Anita Fetz<br />

Jonas Fricker<br />

<strong>Politiker</strong><br />

UND IHR ANDERES ICH<br />

Petra Gössi<br />

Brigitte Häberli<br />

Susanne Hochuli<br />

Thomas Hurter<br />

Karin Keller-Sutter<br />

Martin Landolt<br />

Susanne Leutenegger Oberholzer<br />

Christian Levrat<br />

Filippo Lombardi<br />

Christa Markwalder<br />

Eric Nussbaumer<br />

Albert Rösti<br />

Martin Schmid


INHALT<br />

9<br />

10<br />

30<br />

48<br />

Vorwort<br />

Ueli Maurer<br />

Adrian<br />

Amstutz<br />

Isidor<br />

Baumann<br />

Martin<br />

Bäumle<br />

Impressum<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2017 Friedrich Reinhardt Verlag, Basel<br />

Projektleitung: Michael Martin<br />

Layout: Morris Bussmann<br />

ISBN 978-3-7245-2211-9<br />

64<br />

Pirmin<br />

Bischof<br />

Der Friedrich Reinhardt Verlag wird vom<br />

B<strong>und</strong>esamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag<br />

für die Jahre 2016–2020 unterstützt.<br />

www.reinhardt.ch<br />

82<br />

Thierry<br />

Burkart


100<br />

Anita<br />

Fetz<br />

234<br />

118<br />

Jonas<br />

Fricker<br />

252<br />

136<br />

Petra<br />

Gössi<br />

266<br />

150<br />

Brigitte<br />

Häberli<br />

282<br />

168<br />

Susanne<br />

Hochuli<br />

298<br />

184<br />

Thomas<br />

Hurter<br />

316<br />

200<br />

Karin<br />

Keller-Sutter<br />

335<br />

Susanne<br />

Leutenegger<br />

Oberholzer<br />

Christian<br />

Levrat<br />

Filippo<br />

Lombardi<br />

Christa<br />

Markwalder<br />

Eric<br />

Nussbaumer<br />

Albert<br />

Rösti<br />

Martin<br />

Schmid<br />

216<br />

Martin<br />

Landolt<br />

352<br />

354<br />

355<br />

Autoren<br />

Bildnachweis<br />

Partner


VORWORT<br />

UELI<br />

MAURER<br />

B<strong>und</strong>esrat<br />

<strong>Politiker</strong> sind auch nur Menschen. Diese<br />

Erkenntnis ist alles andere als neu.<br />

Sie wird jeweils dann in den M<strong>und</strong> genommen<br />

oder zu Papier gebracht,<br />

wenn eine <strong>Politiker</strong>in oder ein <strong>Politiker</strong> gewisse Schwächen zeigt. Auch<br />

<strong>Politiker</strong> sind nicht gefeit vor Pannen, verbalen Ausrutschern oder Widersprüchen.<br />

Das macht sie selbst dann nicht unbedingt unsympathisch,<br />

wenn sie beispielsweise in Sonntagsreden Wasser predigen <strong>und</strong> am<br />

Werktag wieder Wein trinken. Als Finanzminister könnte ich dazu mehr<br />

als nur ein Liedlein singen.<br />

Wer im Dienst der Allgemeinheit Verantwortung übernimmt, ist sich gewohnt,<br />

im Rampenlicht zu stehen. Und da in der heutigen Medienlandschaft<br />

die Personifizierung einen immer grösseren Stellenwert einnimmt,<br />

müssen sich <strong>Politiker</strong> damit abfinden, dass eben auch scheinbare Nebensächlichkeiten<br />

in den Vordergr<strong>und</strong> gerückt werden. Da interessiert nicht<br />

mehr unbedingt der Inhalt des Dossiers, sondern es werden mit mindestens<br />

ebenso grosser Akribie Seilschaften, die sich überraschend gebildet<br />

haben, oder Animositäten unter den Akteuren thematisiert. Zoff im B<strong>und</strong>eshaus<br />

brachte es schon vor Jahren zur Filmreife.<br />

Das vorliegende Buch offenbart nochmals andere Facetten, die im offiziellen<br />

Lebenslauf der porträtierten <strong>Politiker</strong> nirgends zu finden sind. Die<br />

Leserinnen <strong>und</strong> Leser erhalten Einblicke in völlig unbekannte Seiten von<br />

<strong>Politiker</strong>n. Das Buch lässt sie teilhaben an biografischen Marksteinen aus<br />

einer Zeit, da die porträtierten Persönlichkeiten noch ganz «gewöhnliche»<br />

Mitmenschen waren <strong>und</strong> noch niemand ahnen konnte, dass sie dereinst<br />

die politische Bühne betreten würden.<br />

Christina <strong>und</strong> Christian Boss liessen sich bei <strong>ihr</strong>en Recherchen von einer<br />

ges<strong>und</strong>en Neugier leiten, die nie nach Sensationen sucht, sondern den<br />

Menschen hinter der Fassade besser verstehen will. Die so entstandenen<br />

Porträts tragen dazu bei, dass wir die vorgestellten <strong>Politiker</strong> <strong>und</strong> <strong>Politiker</strong>innen<br />

in einem neuen Licht <strong>und</strong> vor allem als Menschen kennenlernen.<br />

Möglicherweise bewirken sie gar, dass wir unsere (Vor-)Urteile über diese<br />

Menschen revidieren. In diesem Sinn müsste dieses Werk eigentlich<br />

allen politisch Interessierten zur Lektüre empfohlen werden.<br />

9


ADRIAN<br />

AMSTUTZ<br />

Nationalrat<br />

Geburtsdatum:<br />

Geboren in:<br />

Bürgerort:<br />

Wohnort:<br />

Zivilstand:<br />

Kinder:<br />

Grosskinder:<br />

Hobbys:<br />

Lieblingsferienort:<br />

2. Dezember 1953<br />

Schwanden ob Sigriswil BE<br />

Sigriswil BE<br />

Schwanden ob Sigriswil BE<br />

Verheiratet mit Esther<br />

Gaby (1974), Evelyne (1978), Christian (1990)<br />

Silya, Till, Rebeka, Gjan, Lyo<br />

Skifahren, Mountainbiken, Gleitschirmfliegen<br />

Die ganze Schweiz<br />

SO HOCH OBEN WAR ICH:<br />

Mönch auf 4107 Meter über Meer <strong>und</strong><br />

Fallschirmabsprung aus 7000 Metern über<br />

Meer aus einem Transportflugzeug Transall<br />

über dem deutschen Schongau<br />

MILITÄRISCHER DIENSTGRAD:<br />

Gefreiter<br />

STERNZEICHEN:<br />

Schütze<br />

HEUTIGE TÄTIGKEIT:<br />

Unternehmer,<br />

Nationalrat,<br />

Präsident der SVP-B<strong>und</strong>eshausfraktion,<br />

Zentralpräsident Schweizer<br />

Nutzfahrzeugverband ASTAG,<br />

Stiftungsrat REGA<br />

LEBENSMOTTO:<br />

Nur Beharrlichkeit führt zum Ziel!<br />

LEBENSTRAUM:<br />

Grosse Familie mit vielen Enkeln <strong>und</strong><br />

Urenkeln<br />

ERLERNTER BERUF/STUDIUM:<br />

Hochbauzeichner,<br />

Maurer,<br />

Dipl. Hochbaupolier,<br />

Diplomtrainer Swiss Olympic<br />

MILITÄRISCHE EINHEIT:<br />

Fallschirmaufklärer Kompanie 17<br />

MILITÄRISCHE FUNKTION:<br />

Fernspäher/CISM-Trainer Fallschirm


IM JUSTISTAL<br />

GEHT DIE<br />

POST AB!<br />

Liebt <strong>und</strong> lebt Disziplin!<br />

Wir blicken einmal in die Sterne <strong>und</strong> analysieren<br />

sein Wesen an Hand einiger Merkmale<br />

seines Sternzeichens SCHÜTZE. Das machen<br />

wir nicht alleine. Wir holen uns Hilfe beim beliebten<br />

<strong>und</strong> populären Nationalrat <strong>und</strong> Landwirt<br />

Toni Brunner aus Ebnat-Kappel!<br />

Adrian Amstutz ist<br />

ein Draufgänger, für<br />

den aber Angst kein<br />

Fremdwort ist <strong>und</strong> der<br />

dennoch immer die<br />

Grenzen sucht.<br />

Das Justistal liegt im Berner Oberland auf gut<br />

1200 Meter über Meer <strong>und</strong> ist von Beatenberg<br />

<strong>und</strong> Sigriswil problemlos erreichbar. Der Name<br />

Justistal soll der Legende nach von Justus, dem<br />

Weggefährten des heiligen Beatus, herrühren. Während Beatus in einer<br />

Höhle oberhalb des Thunersees hauste, soll es Justus in dieses Bergtal<br />

verschlagen haben. So viel zur Geschichte.<br />

Eine andere Geschichte ist der «Chästeilet» im Justistal. Das Ende des<br />

Alpsommers wird feierlich begangen <strong>und</strong> entwickelt sich regelmässig zu<br />

einem fröhlichen Fest. Die schönen Jodelvorträge stammen meist von den<br />

Besuchern <strong>und</strong> Sennen, welche spontan zu einem Lied anstimmen. Zur<br />

Freude aller Anwesenden packt noch ein besonders Musikalischer sein<br />

«Schwyzerörgeli» aus <strong>und</strong> die Stimmung ist perfekt. Nach dem «Chästeilet»<br />

kommt es zum Alpabzug, wobei die Kühe mit hoher Milchleistung<br />

w<strong>und</strong>erschön bekränzt werden.<br />

Und einer fehlt an diesem traditionsreichen Anlass praktisch nie. Adrian<br />

Amstutz! Der Nationalrat <strong>und</strong> Präsident der SVP-Fraktion der B<strong>und</strong>esversammlung,<br />

Zentralpräsident des schweizerischen Nutzfahrzeugverbandes<br />

ASTAG <strong>und</strong> Stiftungsrat der Schweizerischen Rettungsflugwacht<br />

REGA geniesst die ungezwungenen St<strong>und</strong>en in der Bergwelt seiner Heimat.<br />

Adrian Amstutz ein volksverb<strong>und</strong>ener Bergler?<br />

Der Blick direkt in den Himmel – zu früh, um dort zu bleiben!<br />

Adrian Amstutz ist ein Draufgänger, für den aber Angst kein Fremdwort<br />

ist <strong>und</strong> der dennoch immer die Grenzen sucht. Schon in der Schulzeit kletterte<br />

er mutterseelenalleine am Sigriswilergrat herum. Nicht genug, zusammen<br />

mit Kollegen seilte er sich an Felswänden ab <strong>und</strong> das zu Beginn<br />

lediglich mit einem Wäscheseil, welches er erst noch der Mutter aus der<br />

Waschküche entwendete.<br />

Zugegeben, nicht selten zahlte der wagemutige Kerl für seine Eskapaden<br />

einen stattlichen Preis. Zehenbruch, Unterschenkelbruch, zwei kaputte<br />

Knie, Bruch des Steissbeins, Armbruch <strong>und</strong> ein gespaltener Schädel – um<br />

nur eine Auswahl seiner schmerzhaften Erfahrungen zu nennen. Logisch,<br />

dass er immer wieder den Ratschlag erhielt, seine risikoreichen Aktionen<br />

Sein Sternzeichen Schütze behauptet:<br />

Adrian Amstutz ist optimistisch.<br />

Toni Brunner: Oh ja. Adrian ist voller Lebensfreude<br />

<strong>und</strong> Zuversicht. Einer, der sich nicht so<br />

schnell «unterkriegen» lässt. In seiner Nähe<br />

spürt man seine positive Energie. Er hat klare<br />

Ziele <strong>und</strong> gibt sich stets siegessicher. Sein<br />

frohes Gemüt bewahrt ihn vor Griesgram <strong>und</strong><br />

Verdrossenheit.<br />

Er geht sorglos durch das Leben.<br />

Toni Brunner: Niemand ist frei von Sorgen.<br />

Die Frage ist doch, lebt man oder verschläft<br />

man. Adrian geht. Nein er rennt. Vom Typ<br />

her eher unbekümmert statt detailversessen.<br />

Nicht unüberlegt, aber auch nicht immer vorsichtig.<br />

Und so trifft das Motto «Wer wagt,<br />

gewinnt» ganz besonders auf ihn zu.<br />

Ist freiheitsliebend <strong>und</strong> unabhängig.<br />

Toni Brunner: Nichts trifft besser auf Adrian<br />

zu als sein grosser Drang nach Freiheit <strong>und</strong><br />

Unabhängigkeit. Es zieht ihn geradezu an die<br />

frische Luft. Stillsitzen ist nicht seins. Waren es<br />

früher tausend Fallschirmsprünge, so sind es<br />

heute das Biken, Skifahren <strong>und</strong> Bergwandern.<br />

Er ist offen für Neues <strong>und</strong> abenteuerlustig.<br />

Toni Brunner: <strong>Ich</strong> kenne keinen abenteuerlustigeren<br />

Menschen als Adrian. Mut <strong>und</strong> Risikobereitschaft<br />

zeichnen ihn aus wie kein<br />

Zweiter. Das geht zuweilen ins Auge. Ob in<br />

ganz jungen Jahren als Sofaspringer (mit<br />

Spalt im Schädel), später als Fallschirmspringer<br />

(mit Wirbelfraktur), ob als rasanter Mountainbiker<br />

(mit Beckenbruch) oder als Skifahrer<br />

(mit Beinbruch): kaum ein Knochen, der<br />

nicht schon gebrochen gewesen ist.<br />

Toni Brunner<br />

Er meistert Rückschläge mit Leichtigkeit.<br />

Toni Brunner: Adrian Amstutz ist für mich<br />

wie ein Spitzensportler, der beharrlich <strong>und</strong><br />

konsequent seine Ziele verfolgt. Ständig geplagt<br />

von Verletzungen, aber einer, der niemals<br />

aufgibt. Mittelmass ist nicht seins. Er ist<br />

fokussiert, aber nicht verkrampft oder verbissen.<br />

Immer mit einer gewissen Lockerheit<br />

<strong>und</strong> Nonchalance.<br />

Er hat eine direkte Art – ist oft taktlos.<br />

Toni Brunner: Adrian Amstutz hat eine klare<br />

Linie. Er liebt <strong>und</strong> lebt Disziplin. Führt Sitzungen<br />

straff. Wer «schnurret», bekommt einen<br />

Verweis oder wird vor die Türe geschickt.<br />

Damit werden seine Sitzungen effizient <strong>und</strong><br />

schlank. Meist sind sie schon fertig, bevor sie<br />

begonnen haben. Seine direkte Art eckt zuweilen<br />

an <strong>und</strong> führt ab <strong>und</strong> an zu roten Köpfen.<br />

Aber böse kann man ihm einfach nicht sein.<br />

12 13


einzudämmen. Aber sein Entdecker- <strong>und</strong> Tatendrang war zu gross für<br />

den Rückzug in die gefahrenlose Bravkinderzone.<br />

So sass er, wieder einmal an einer Stelle seines Körpers havariert, auf<br />

dem Bänkli vor dem Haus <strong>und</strong> schaute zum x-ten Mal interessiert den<br />

Schwalben zu. Die Flugkünste dieser Vögel imponierten ihm so sehr, dass<br />

sich in seiner Seele ganz automatisch ein Traum entwickelt hat. Der<br />

Traum vom Selberfliegen. Und wer Adrian Amstutz kennt, weiss genau,<br />

dass er einem Traum, wenn immer möglich, zur Wirklichkeit verhilft. Mit<br />

allen Mitteln <strong>und</strong> mit grosser Beharrlichkeit!<br />

Bei der Ausbildungsplattform der Schweizer Luftwaffe SPHAIR (damals<br />

FVS – Fliegerische Vorschulung) besuchte er einen zweiwöchigen Fallschirmkurs.<br />

Dafür musste sein Vater die Unterschrift leisten, weil er noch<br />

minderjährig war. Und als Adrian am ersten Kurstag am Zaun des Flugplatzes<br />

stand, war das sage <strong>und</strong> schreibe das erste Mal in seinem Leben,<br />

dass er einen Flugplatz live aus der Nähe sah. Das Eintrittsverfahren war<br />

extrem anforderungsreich. Mehrere H<strong>und</strong>ert Interessierte bewarben sich<br />

um wenige Plätze. 34 motivierte Burschen durften dann in die Fallschirmgrenadier-Rekrutenschule<br />

eintreten <strong>und</strong> Adrian war immer noch bestens<br />

dabei. Am Schluss wurden 14 brevetiert – Adrian hatte ein für ihn wichtiges<br />

Lebenszwischenziel erreicht.<br />

Bis es so weit war, gab es auch eine herbe Enttäuschung zu überwinden.<br />

An der militärischen Aushebung in Thun meldete Adrian Amstutz seinen<br />

Wunsch, Fallschirmgrenadier zu werden,<br />

«Du weisst, dass<br />

du als Nächster aus dem<br />

Flieger springen musst<br />

<strong>und</strong> da schlägt das Herz<br />

wie wild.»<br />

selbstbewusst an. Da er aber kurz vor dem<br />

Aushebungstermin mit seinem Töff einen<br />

«Abflug» gemacht hatte, konnte er beim Weitwurf<br />

verletzungsbedingt nicht brillieren. Am<br />

Abend hatte er sein Ziel verpasst. Statt zur<br />

Fliegerei wurde er zur Artillerie als Vermessungssoldat<br />

eingeteilt. Zu Tode betrübt zog<br />

er von dannen. Doch sein inneres Feuer loderte<br />

weiter <strong>und</strong> die abenteuerliche Fallschirmgrenadier-RS liess ihm keine<br />

Ruhe. So entschloss er sich, beim zuständigen Beamten bei der Fliegerischen<br />

Vorschulung vorzusprechen. Und siehe da. Auch diese Aktion fiel<br />

auf guten Boden. In Isone <strong>und</strong> Locarno durchlebte er eine knallharte, aber<br />

hoch interessante Rekrutenschule. Schiessen mit verschiedenen Waffen,<br />

Klettern im Gebirge, Sprengen von Brücken, Aufklären hinter feindlichen<br />

Linien <strong>und</strong> Funkerausbildung gehörten zum Programm. Und natürlich<br />

Fallschirmspringen. Und wie war es beim allerersten Sprung?<br />

Adrian Amstutz: «Ganz ehrlich, in mir steckte die nackte Angst! Du weisst,<br />

dass du als Nächster aus dem Flieger springen musst <strong>und</strong> da schlägt das<br />

Herz wie wild, Adrenalinschübe am Meter <strong>und</strong> dann hinaus ins Nichts. Klar,<br />

bei den ersten Sprüngen wird der Fallschirm bereits kurz nach dem Verlassen<br />

des Flugzeuges automatisch geöffnet. Mit jedem weiteren Absprung<br />

baut sich die Angst sukzessive ab <strong>und</strong> eine starke, unbeschreibliche Emotion<br />

zusammen mit einem einzigartigen Freiheitsgefühl macht sich breit!»<br />

Auch ausserhalb des militärischen Auftrages pflegt Adrian Amstutz das<br />

Fallschirmspringen. Er entdeckt eine neue sportliche Herausforderung<br />

<strong>und</strong> trainiert beharrlich <strong>und</strong> zielgerichtet. Mit bestem Erfolg.<br />

Es kommt der Tag, als bei Adrian das Kämpferherz, der Mut <strong>und</strong> die Risikobereitschaft<br />

stärker sind als die Vernunft. Bereits war in Amerika ein<br />

neuer Fallschirm – ein Matratzenschirm – im Einsatz. Da hatte Adrian die<br />

Möglichkeit, einem deutschen Sportkollegen ein solches Fluggerät abzukaufen.<br />

Gesagt, getan. Kurse oder mindestens Anleitungen gab es keine.<br />

Pröbeln war das Rezept. Und Adrian pröbelte. Schon nach kurzer Zeit<br />

startete er mit seiner «Matratze» in der französischen Skisportstation<br />

Courchevel an einem internationalen Wettkampf. Und wieder einmal bezahlte<br />

er einen hohen Preis. Beim Flug klappte es noch gut. Bei der Landung<br />

fehlte aber die notwendige Technik, er landete mit zu hoher Geschwindigkeit<br />

gegen den Zielhang <strong>und</strong> sein Körper klappte wie ein<br />

Messer zusammen. Adrian blieb bewegungslos liegen. Die örtliche Sanität<br />

brachte ihn sofort ins Spital nach Môutiers. Auf der Fahrt ins Tal packte<br />

ihn eine Art Todesangst. Die Sauerstoffzufuhr war erfolglos <strong>und</strong> die<br />

Atmung kaum möglich. Adrian Amstutz dazu: «<strong>Ich</strong> dachte auf dieser Horrorfahrt,<br />

das wars wohl!»<br />

Im Spital Môutiers blieb er wegen Dauerschneefall während einer ganzen<br />

Woche. In einem Zimmer mit r<strong>und</strong> 20 Patienten <strong>und</strong> Besuchszeiten r<strong>und</strong><br />

um die Uhr. Der Bettnachbar, ein Algerier, welcher auf dem Bau von Armierungseisen<br />

durchbohrt worden war, hatte auch um 2 Uhr in der Nacht<br />

noch Besuch. Da das Essen für alle mehr als gewöhnungsbedürftig war,<br />

brachten Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Verwandte dem tapferen Algerier Köstlichkeiten.<br />

Auch sonst war das Spital in einem unglaublichen Zustand <strong>und</strong> das Pflegepersonal<br />

erinnerte mit seiner verschmutzten Kleidung eher an eine<br />

Fleischerei. Seine Versetzung mit der Ambulanz ins Spital nach Thun, in<br />

einem Gipskorsett wohlverstanden, war eine grosse Erlösung. Und als er<br />

so rückwärts ins Spital Thun eingeliefert wurde, erblickte er im hellen<br />

Licht eine gepflegte, blonde Frauengestalt in einem perlweissen Kleid<br />

<strong>und</strong> da glaubte er, er sei schon im Himmel, wie er lachend erzählt.<br />

Adrian Amstutz konnte von einem grossen Glück sprechen. Die Wirbelfraktur<br />

führte zu keinen Lähmungen oder bleibenden Schäden <strong>und</strong> nach<br />

sechs Monaten war er körperlich wieder hergestellt. Und die mentale Seite?<br />

Nie mehr Fallschirmspringen! Irrtum! Sechs Monate nach dem Unfall<br />

nahm er das Fallschirmtraining wieder auf <strong>und</strong> sieben Monate nach dem<br />

unglücklichen Sprung gewann er an der Fallschirm-Schweizer-Meisterschaft<br />

in Locarno im Zielspringen die Bronzemedaille. Unglaublich! In der<br />

Folge wurde er mit seinem Team «Golden Eagles» noch sechs Mal Schweizer<br />

Meister. Zudem gewann er 1978 den Weltcup <strong>und</strong> stellte sein grosses<br />

Können anschliessend r<strong>und</strong> zehn Jahre als Nationaltrainer zur Verfügung!<br />

14<br />

15


Mehrfacher Schweizer-<br />

Meister im Zielspringen<br />

Die erfolgreiche<br />

Formation der<br />

«Golden Eagles».<br />

Von oben nach<br />

unten: Adrian<br />

Amstutz, Jürg Kläy,<br />

Erich Dinkel <strong>und</strong><br />

Beat Hediger<br />

16<br />

17


«Ohni Znacht i ds Bett» – aber doch nicht der clevere Adrian!<br />

Auf einer Sonnenterrasse hoch über dem Thunersee liegt Schwanden.<br />

Ein Dorf an der Sonnenseite des Thunersees! Ges<strong>und</strong>e Bergluft, eine berauschende<br />

Aus- <strong>und</strong> Weitsicht <strong>und</strong> Natur pur. Das sind die Vorzüge dieses<br />

Paradieses. Und mitten in dieser Traumwelt führte die Familie<br />

Amstutz den Landgasthof Rothorn <strong>und</strong> einen Gemischtwarenladen mit<br />

Bäckerei. Der Auf- <strong>und</strong> Ausbau dieses Betriebes war eine grosse Herausforderung.<br />

Die Eltern Werner <strong>und</strong> Marie Amstutz arbeiteten vom frühen<br />

Morgen bis spät in die Nacht, um <strong>ihr</strong>en Kindern Beatrice, Werner, Madeleine,<br />

Adrian <strong>und</strong> Rudolf eine gute Zukunft zu sichern. Sehr früh schon<br />

hiess es auch für die Kinder: Anpacken <strong>und</strong> zuverlässig die übertragenen<br />

Aufgaben erledigen. Arbeit war mehr als genug vorhanden. Im Laden<br />

wurden verschiedenste Dinge ausgepackt, abgefüllt <strong>und</strong> mit dem entsprechenden<br />

Preis beschriftet <strong>und</strong> verkauft. Dann waren auch noch<br />

Schweine <strong>und</strong> Kaninchen zu versorgen. Füttern, misten <strong>und</strong> was sonst<br />

noch dazugehört. Eine harte, aber schöne <strong>und</strong> prägende Jugend auch für<br />

Adrian Amstutz! Sein Kommentar zu dieser Lebensphase: «<strong>Ich</strong> hatte früh<br />

schon das Glück, Kinderarbeit leisten – ja rückblickend zu dürfen! Schon<br />

in der Mittelschule wurde mir bereits ab <strong>und</strong> zu die eigenständige Führung<br />

des Ladens anvertraut. Durch die Übertragung dieser Verantwortung<br />

lernte ich Ehrlichkeit, Pünktlichkeit <strong>und</strong> Verlässlichkeit. Ansprüche,<br />

welche mich in meinem Leben immer begleiten!»<br />

Man hört von Adrian Amstutz kein einziges Wort der<br />

Klage oder der Unzufriedenheit. Im Gegenteil. Er ist<br />

voller lobender Worte über seine fordernde <strong>und</strong> trotzdem<br />

abwechslungsreiche Kinder- <strong>und</strong> Jugendzeit. Die<br />

karge Freizeit nützte er mit seinen Kollegen, um im<br />

Wald die eben aktuellen Winnetou-Filme zu imitieren,<br />

um mit einem Rechenstiel aus dem Laden Stabhochsprung<br />

zu üben oder im Winter Skipisten zu stampfen<br />

<strong>und</strong> diese auch rasant zu befahren. Und da gab es<br />

auch noch eine ganz spezielle Freizeitbeschäftigung.<br />

Dazu lassen wir Adrian Amstutz erzählen:<br />

Sehr früh schon<br />

hiess es auch<br />

für die Kinder:<br />

Anpacken <strong>und</strong><br />

zuverlässig<br />

die übertragenen<br />

Aufgaben<br />

erledigen.<br />

«Im Graben, einem Bach ganz in der Nähe, habe ich immer wieder verbotenerweise<br />

von Hand Forellen gefangen. Gekonnt <strong>und</strong> erfolgreich. Am<br />

offenen Feuer wurden die Fische gebraten <strong>und</strong> von den anderen Kindern<br />

gegessen. Mein Problem, ich konnte bei den abenteuerlichen Mahlzeiten<br />

nicht mitmachen, weil ich Fischgerichte nicht mochte. So fand ich eine<br />

gute Ersatzlösung. <strong>Ich</strong> brachte einen Teil der gefangenen Fische einer<br />

alten, lieben Nachbarin <strong>und</strong> als Gegenleistung kochte das gutmütige<br />

Mütterchen am Holzherd für mich ganz exklusiv Makkaroni mit Spiegelei!<br />

Eine bis heute unvergessliche Köstlichkeit!»<br />

Und plötzlich kommt doch ein leichtes Klagen über Adrians Lippen. Obwohl<br />

seine Mutter vorzügliche Menüs aus der Pfanne zauberte <strong>und</strong> damit<br />

Für gröbere<br />

«Vergehen» hiess<br />

das Verdikt: «Ohni<br />

Znacht i ds Bett!»<br />

nicht nur die Gäste verwöhnte, sondern auch die ganze<br />

Familie, fehlte etwas. Frisches Brot! Es gehörte einfach<br />

zu den Gepflogenheiten, dass die Familienmitglieder<br />

immer das ältere Brot aus der eigenen Bäckerei<br />

aufessen mussten, bevor der Rest vom Rest noch an die Schweine <strong>und</strong><br />

Kaninchen ging. Das nervte Adrian gewaltig. Und so entwickelte er einen<br />

Trick. Er besorgte sich in der Backstube ein ofenfrisches, feinschmeckendes<br />

Brot, rannte in die Küche hinauf <strong>und</strong> schnitt es an. Dadurch konnte<br />

das Brot nicht mehr verkauft werden <strong>und</strong> Adrian genoss mit allen anderen<br />

diesen Leckerbissen. Dumm nur, dass der angestellte Bäcker diese<br />

Praxis nicht schätzte. Zuerst machte er einen gewaltigen Krawall <strong>und</strong><br />

dann musste Adrian eine Strafe in Kauf nehmen. Überhaupt war es nicht<br />

etwa so, dass die Amstutz-Kinder die verschiedenen Streiche <strong>und</strong> Verfehlungen<br />

straffrei ausführen konnten. Das Strafmass war dann auch sehr<br />

unterschiedlich. Für harmlose Streiche gab es einen «Füdlitätsch». Der<br />

nächste Schritt war ein kurzer Arrest in einem leeren Schweinestall <strong>und</strong><br />

für gröbere «Vergehen» hiess das Verdikt: «Ohni Znacht i ds Bett!» Und<br />

für genau diesen Härtefall hatte Adrian bestens vorgesorgt. In einer alten<br />

Rauchkammer auf dem Estrich versteckte er feine Landjäger <strong>und</strong> weniger<br />

feines Knäckebrot <strong>und</strong> so musste er nie hungrig in den Schlaf des Gerechten<br />

eintauchen. Im Gegenteil. Es war für ihn ein herrlicher Genuss <strong>und</strong><br />

sogar ein Erlebnis, wenn er unter der Decke <strong>und</strong> damit in der Finsternis<br />

seinen Magen füllen konnte!<br />

Obwohl die Familie Amstutz nicht mit vielen harten Schweizerfranken<br />

verwöhnt wurde, gehörte eine Woche Familienferien alljährlich zum Programm.<br />

Mit dem Auto ging es nach Italien. In ein Hotel in der Nähe von<br />

Alassio. Und in diesen Badeferien machte Adrian Amstutz ein unvergessliches<br />

Erlebnis.<br />

«Mein Vater, der zu Hause praktisch r<strong>und</strong> um die Uhr hart arbeitete, fiel<br />

in der badenden Menschenmenge richtig auf. Seine Haut war so schneeweiss,<br />

dass er zwischen den braun gebrannten Leuten richtig leuchtete!<br />

Das bemerkte auch der Glaceverkäufer. Dieser rief meinem Vater immer<br />

zu: ‹Hee – weisser Mann!› So stand Vater Werner am Strand von Alassio<br />

im Rampenlicht – ungewollt zwar!»<br />

Adrian auf der Flucht …!<br />

Das Gastgewerbe <strong>und</strong> der «Tante-Emma-Laden» erforderten von Adrian<br />

Amstutz schon früh eine zeitintensive Mitarbeit. Das wissen wir bereits.<br />

Und vielleicht auch um dieser Arbeit auszuweichen, fand er noch ein<br />

zweites Zuhause. Im Weiler Säge ob Schwanden, auf r<strong>und</strong> 1100 Meter<br />

über Meer, wohnten sein Götti Ernst Siegenthaler <strong>und</strong> dessen Frau Nini.<br />

Das Ehepaar lebte vom bescheidenen Einkommen als Bergbauern <strong>und</strong><br />

Fuhrhalter. Während mehrerer Monate pro Jahr gehörte Adrian dort zur<br />

Familie. Mit Ross <strong>und</strong> Wagen wurden im Winter Holztransporte ausgeführt<br />

<strong>und</strong> im Stall durfte Adrian seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen.<br />

Dem Tränken der Kälblein. Auch im Freien durfte er früh mithelfen.<br />

18<br />

19


Mit Götti Ernst<br />

Siegenthaler im<br />

Weiler Säge ob<br />

Schwanden<br />

Adrian bei der<br />

Bergbauernarbeit<br />

mit Götti Ernst<br />

Adrian mit<br />

Fussball – auch<br />

eine seiner<br />

Leidenschaften<br />

20<br />

21


Heuen, Kartoffeln setzen <strong>und</strong> Weizen sähen <strong>und</strong> die Milch mit der «Pränte»<br />

in die Käserei bringen. Arbeiten, die Adrian gerne besorgte <strong>und</strong> die<br />

ihm viel bedeuteten. Speziell war es immer, wenn er den Stall betrat. Da<br />

leuchtete die alte Petrollampe von der Decke. Der wohlriechende Duft<br />

<strong>und</strong> das warme Licht – wie im Stall von Bethlehem!<br />

Und in dieser bescheidenen, friedlichen <strong>und</strong> genügsamen Welt sammelte<br />

Adrian von seinem Götti ganz wichtige Lebensweisheiten. Gerne geben<br />

wir einige davon wieder.<br />

«Reich ist man nicht, wenn man viel Geld hat, sondern wenn man das<br />

Gefühl hat, man habe genug!»<br />

Adrian hat aus einer Astgabel eine Pistole geschnitzt. Aus einer Laune<br />

heraus hat er mit diesem Ding auf seinen Götti gezielt. Das kam nicht gut<br />

an. Für einmal sah er seinen Götti fuchsteufelswild. «Auf ein Lebewesen<br />

zielen, <strong>und</strong> wenn es auch nur mit dem Finger ist, geht nicht! Das darf man<br />

einfach nicht tun!»<br />

Adrian wurde in der Schule sein Znünibrot weggenommen. Um es wieder<br />

zu erhalten, sollte er am nächsten Tag einen Franken bringen. Das war<br />

die Ansage der «bösen Buben». Götti Ernst dazu: «Und auch wenn sie dir<br />

dein Brot immer wegnehmen – zahle nie! Werde nie erpressbar!»<br />

Bei Götti Ernst <strong>und</strong> Tante Nini hat Adrian viele<br />

Lektionen gelernt. Viel später konnte er seinem<br />

Götti ein kleines Dankeschön in Form von<br />

drei Helikopterflügen <strong>und</strong> eines Heissluftballonfluges<br />

zurückgeben. Seine «zweite Mutter»<br />

Nini hingegen wollte sich nicht in die Lüfte<br />

wagen. Sie blieb lieber in <strong>ihr</strong>em Heim bei den<br />

Tieren <strong>und</strong> dem Ertrag bringenden Garten.<br />

Auch das war eine Erkenntnis mit reichem Gehalt. Trotz Bescheidenheit<br />

war sie zufrieden mit sich <strong>und</strong> der Lebenssituation!<br />

Das Fazit aus Adrians Kinder- <strong>und</strong> Jugendzeit: «<strong>Ich</strong> habe gelernt <strong>und</strong><br />

weiss genau, dass das Geld nicht einfach vom Himmel geschneit kommt!»<br />

«Und auch wenn sie dir<br />

dein Brot immer wegnehmen<br />

– zahle nie!<br />

Werde nie erpressbar!»<br />

Schule, Berufswahl <strong>und</strong> der unersättliche Lernhunger<br />

Ohne nennenswerten Aufwand hat Adrian Amstutz die Aufnahme in die<br />

Sek<strong>und</strong>arschule geschafft. Diese «Beförderung» ist allerdings mit einem<br />

viel weiteren Schulweg verb<strong>und</strong>en. Von Schwanden nach Sigriswil schafft<br />

er es zu Fuss in 30 Minuten. Im Winter geht es schneller, weil ihm der<br />

Schlitten oder die Ski gute Dienste leisten. Zwar würde ja auch ein Postauto<br />

fahren. Aber das ist keine Option – ja, damals sogar für alle Kinder<br />

verpönt. Bei Wind <strong>und</strong> Wetter wird der Weg mit eigener Muskelkraft bewältigt.<br />

Der Heimweg dauert dann auch viel länger, so zwischen einer<br />

<strong>und</strong> drei St<strong>und</strong>en. Je nach Lust <strong>und</strong> Schulwegattraktionen. Klar, kann er<br />

in der Schule essen. Das Mittagsmenü kostet 40 Rappen, ist spartanisch<br />

<strong>und</strong> weit von der Küchenqualität seiner Mutter entfernt. Nach zwei Jahren<br />

hat er das Schulmenü-Angebot mehr als satt. Und wieder lacht ihm das<br />

Glück zu. Adrian darf bei einer verwandten Familie das Mittagessen einnehmen.<br />

Aber wie alles im Leben hat auch diese Verköstigung <strong>ihr</strong>en Preis.<br />

Wenn die Schulglocke zur Mittagspause bimmelt, muss Adrian einen tollen<br />

Sprint hinlegen, um zusammen mit den Kindern der Gastfamilie in der<br />

Kirche Sigriswil die Glocken zu läuten. Pünktlich um 12 Uhr. Seine Gastfamilie<br />

übt nämlich das Amt des Kirchensigristen aus <strong>und</strong> das Glockenläuten<br />

steht in <strong>ihr</strong>em Pflichtenheft. Adrian <strong>und</strong> die Kinder müssen an<br />

einem Seil einer Glocke ziehen, sodass das Kirchengeläut harmonisch erklingt.<br />

Meistens klappt es gut <strong>und</strong> Adrian hat sich das anschliessende<br />

immer köstliche Mittagessen mit Bravour verdient.<br />

Glanzvoll schliesst er in den Fächern Turnen <strong>und</strong> Geschichte ab. Nicht so<br />

gut im Französisch. Da er nie Lust <strong>und</strong> auch keine Zeit für Hausaufgaben<br />

hat, fehlt ihm schlicht das Repertoire der Französischwörtchen. Mit viel<br />

Faszination verfolgt er den Geschichtsunterricht. Über Napoleon <strong>und</strong> die<br />

jüngere Zeitepoche ist er bestens im Bild. Doch im Gr<strong>und</strong>e genommen<br />

geht er nicht gern zur Schule. Er hat so viele andere Interessen, dass es<br />

ihm für die eher lästige Pflicht an Zeit mangelt. Schliesslich ist er in der<br />

JO Schwanden als Skirennfahrer sehr gut unterwegs <strong>und</strong> in der Jugendriege<br />

zählt er auch zu den Besten.<br />

Beinahe hätten wir noch etwas ganz Wichtiges vergessen. Natürlich ist<br />

er auch im Schultheater gerne dabei. Die Rollen in den jeweiligen Aufführungen<br />

machen ihm Spass <strong>und</strong> er spürt in sich auch die Motivation, sich<br />

zu präsentieren <strong>und</strong> vor Leuten aufzutreten.<br />

Eine Rampenlichterfahrung der ganz besonderen Art erlebt er als Drittklässler.<br />

Die einheimische Theatergruppe studiert im Saal des Landgasthofs<br />

Rothorn die neue Aufführung ein. Da trifft das Malheur ein, dass der<br />

Knabe mit der fast wichtigsten Rolle ausfällt. Was nun? Der Regisseur<br />

wählt eine naheliegende Lösung. Man «beschafft» sich den Wirtesohn<br />

Adrian <strong>und</strong> stellt ihn vor kurzfristig gefasste Tatsachen. Der neue Darsteller<br />

ist somit schnell gef<strong>und</strong>en. Adrian kann zwar in den gesanglichen<br />

Passagen nicht brillieren, dafür lernt er den Text schnell auswendig. Die<br />

Theatervorstellung wird zum grossen Erfolg <strong>und</strong> wie aus heiterem Himmel<br />

geniesst Adrian eine grosse Anerkennung <strong>und</strong> plötzlich ein ganz <strong>anderes</strong><br />

Image im Dorf! Unverhofft kommt oft! Ein wichtiges Detail noch<br />

zum Schluss. Der damalige «Hauptdarsteller» Hans Willener, welcher Adrian<br />

bei dieser Aufgabe eine grosse Stütze war, gehört noch heute zu<br />

seinem geschätzten Fre<strong>und</strong>eskreis.<br />

Die Zeit der Berufswahl wird zur Zangengeburt. Adrian weiss genau,<br />

was er nicht will. Kein Beruf, welcher etwas mit dem Gastgewerbe zu tun<br />

hat. Die harte Arbeit der Eltern <strong>und</strong> die langen Präsenzzeiten im heimischen<br />

Betrieb haben ihm jede Motivation dazu genommen. Aber auch<br />

sein Traumberuf Matrose kommt speziell bei seiner ältesten Schwester<br />

Beatrice gar nicht gut an. Sie bringt ihm wortreich bei, dass er als Matrose<br />

22<br />

23


Fototermin<br />

mit B<strong>und</strong>esrat<br />

Ueli Maurer –<br />

Fotograf: Toni<br />

Brunner<br />

24<br />

25


nie heiraten <strong>und</strong> eine Familie gründen kann. Dieses Argument sticht.<br />

Schliesslich hat er seit der dritten Klasse die «Dame seiner Wahl» bereits<br />

im Auge. Dazu später mehr. Und weil er irgendetwas lernen muss <strong>und</strong><br />

auch will, steigt er in eine Lehre als Hochbauzeichner<br />

ein. Das kleine Architekturbüro<br />

Binggeli in Thun ist seine neue Wirkungsstätte.<br />

Ein Glücksfall. Der äusserst nette Lehrmeister<br />

erkennt die vorhandenen Talente von<br />

Adrian schnell <strong>und</strong> bereits im dritten Lehrjahr<br />

werden ihm Hilfsbauleiter-Aufgaben<br />

übertragen. Und das nicht etwa bei einem<br />

Bau eines Kaninchenstalls. Oh nein!<br />

Beim Neubau des Parkhauses <strong>und</strong> der Curlinghalle Grabengut ist Adrian<br />

neben dem Zeichnen der Pläne auch auf der Baustelle aktiv. Längst schon<br />

können seine Lehrlingsst<strong>und</strong>en in bare Münzen abgerechnet werden.<br />

Adrians strebsame Ader fliesst unaufhörlich. Er will mehr, viel mehr. Es<br />

folgt nahtlos eine Maurerlehre. Dort lernt er den harten Berufsalltag an<br />

der Front <strong>und</strong> die raue, zuweilen grobe, aber ehrliche Sprache, welche auf<br />

dem Bau herrscht, kennen. Trotzdem stimmen die Kameradschaft <strong>und</strong><br />

das Füreinander-da-Sein bestens! Im späteren Leben als <strong>Politiker</strong> kommen<br />

ab <strong>und</strong> zu Erinnerungen an diese harte Zeit auf …<br />

Sie bringt ihm wortreich<br />

bei, dass er als Matrose<br />

nie heiraten <strong>und</strong> eine<br />

Familie gründen kann.<br />

Vom kirchlichen Bodenpersonal <strong>und</strong> der grossen Liebe<br />

Im Leben kommt es immer wieder vor, dass die sogenannte Chemie zwischen<br />

zwei Menschen nicht stimmt. Das war auch beim Pfarrherrn zu Sigriswil<br />

<strong>und</strong> Adrian so. Der Kirchendiener kam ihm stets sehr fremd vor<br />

<strong>und</strong> so stapelten sich Missverständnisse auf Missverständnisse. Klar,<br />

Adrian liess sich in kein allgemeingültiges Schema pressen. Immer wieder<br />

stellte er dem Pfarrer Fragen, welche diesen regelrecht überforderten.<br />

Das Resultat: Adrians Platz war öfters vor der Türe! Das wiederum<br />

entging der Frau Pfarrer nicht <strong>und</strong> sie bediente den «Sünder» mit feinen<br />

Bräzeli. Wenn das der Herr Pfarrer gewusst hätte …! Trotz Adrians fleissiger<br />

«Vor-der-Tür-Präsenz» wurde er letztendlich konfirmiert.<br />

Die Frau seines Lebens war längst auserwählt! Bereits als Adrian die 3.<br />

Klasse besuchte, hatte er sich verliebt. Die Angebetete hiess Esther <strong>und</strong><br />

war in der 1. Klasse präsent. Kinderkram halt. Weit gefehlt! Adrians<br />

Schwärmerei zeigte sich als extrem nachhaltig. Irgendwann bekam er<br />

zwar zu hören, dass Esther nie einen Mann mit dem einheimischen<br />

Namen Santschi, Boss oder eben Amstutz heiraten werde. Diese Aussage<br />

störte ihn zwar, aber umso beharrlicher warb er weiter um <strong>ihr</strong>e Anerkennung.<br />

Und eines Tages geschah etwas Unglaubliches. Adrian half der zehn Jahre<br />

älteren Bauerntochter Käthi, die Kühe auf die Weide zu treiben. Auf<br />

diesem Weg kamen sie auch am Heim von Esther vorbei. Und sie sass vor<br />

dem Haus auf einem Bänkli <strong>und</strong> schaute dem Treiben zu. Da sagte Käthi<br />

zu Adrian <strong>und</strong> zwar mit einer zweifellosen Bestimmtheit: «Das ist dann<br />

einmal eine Frau für dich!»<br />

Ob sie wohl einen siebten Sinn in sich trug? Wir vermuten es ernsthaft.<br />

Als Neuntklässler durfte Adrian nach der 1.-August-Feier Esther in der<br />

Dunkelheit der Nacht nach Hause begleiten <strong>und</strong> <strong>ihr</strong> zum ersten Mal die<br />

Hand halten. Ein Hochgefühl! Da wusste er, dass einer seiner Leitsätze<br />

die gebührende Berechtigung hat: «Nur Beharrlichkeit führt zum Ziel!»<br />

Die Beharrlichkeit zahlt sich fürstlich aus. Für Adrian Amstutz beginnt<br />

eine Glückswelle. Damit diese Welle auch harmonisch fliessen kann,<br />

muss er eine ganze Menge dazu beitragen. Da sein Wissensdrang noch<br />

nicht Ruhe gibt, absolviert er in Aarau die zweijährige Ausbildung zum<br />

diplomierten Hochbaupolier. Ein wichtiger Gr<strong>und</strong>pfeiler in seiner beruflichen<br />

Biografie. Frau <strong>und</strong> Töchterchen Gaby nimmt er einfach mit. Mietet<br />

in Aarau ein altes Haus <strong>und</strong> geniesst das Zusammensein. Zurück im Berner<br />

Oberland lebt Adrian mit seiner Familie im Haushalt der Schwiegereltern.<br />

Diese aussergewöhnliche Form einer Grossfamilie klappt gut.<br />

Adrian ist sich in der damals herrschenden Rezessions-Zeit nicht zu schade,<br />

eine Arbeit im «Untergr<strong>und</strong>» anzunehmen. Es herrscht gerade die<br />

Zeit, als die Abwasserleitungen an die Kanalisation angeschlossen werden<br />

müssen. Dadurch ist er tagelang in alten Jauchegruben am Wirken –<br />

bei penetrantem Gestank <strong>und</strong> schmutziger Arbeit. Wichtig ist, dass die<br />

«Kasse stimmt» <strong>und</strong> er seine Familie ordentlich ernähren kann. Viel trägt<br />

auch Ehefrau Esther bei. Aus <strong>ihr</strong>em grossen Garten zaubert sie Gemüse<br />

<strong>und</strong> Früchte hervor. Die junge Familie lebte damit sehr einfach – aber gut.<br />

Und dann treibt wieder die Glücksgöttin <strong>ihr</strong> buntes Spiel mit der jungen<br />

Familie Amstutz. Plötzlich besteht die Möglichkeit, dass sie das Haus der<br />

Schwiegereltern übernehmen können, <strong>und</strong> da lassen sie sich nicht zwei<br />

Mal bitten. Weiterhin <strong>und</strong> noch ganz lange bleibt die Wohngemeinschaft<br />

mit den Schwiegereltern bestehen. Und das weitum bekannte Schwiegermutter-Syndrom<br />

hat nur in einem Punkt Gültigkeit. Wenn es um den Garten<br />

geht! Da konnte es Adrian der Schwiegermutter eigentlich nie recht<br />

machen <strong>und</strong> so zog er die Konsequenzen<br />

Als Adrian 26 Jahre alt<br />

war, verzichtete er nämlich<br />

auf den wirtschaftlich<br />

sicheren Fallschirm <strong>und</strong><br />

machte sich selbstständig.<br />

<strong>und</strong> vergrub seinen «grünen Daumen» tief<br />

im Hosensack. Dem Frieden zu liebe <strong>und</strong><br />

ganz ohne Groll. Er konnte <strong>und</strong> musste seine<br />

wertvolle Zeit anders einsetzen.<br />

Als Adrian 26 Jahre alt war, verzichtete er<br />

nämlich auf den wirtschaftlich sicheren<br />

Fallschirm <strong>und</strong> machte sich selbstständig.<br />

Sein Büro hatte er in einem kleinen Dachzimmer<br />

im Haus der Schwiegereltern. Darin war es im Winter kalt <strong>und</strong><br />

im Sommer saunahaft heiss. Bewegen konnte er sich nur in gebückter<br />

Haltung. Das behinderte ihn aber in keiner Weise, seine Aufträge zur<br />

Zufriedenheit seiner K<strong>und</strong>schaft auszuführen <strong>und</strong> sich als erfolgreicher<br />

26 27


Man kann auch das<br />

Schöne mit dem<br />

Notwendigen gut in<br />

Einklang bringen!<br />

Jung <strong>und</strong> selbstbewusst<br />

mit einem klaren Blick in<br />

die Zukunft<br />

Brevetierung<br />

zum Diplomtrainer<br />

von Swiss Olympic<br />

Gern gesehener Gast<br />

bei Giacobbo/Müller im<br />

Schweizer Fernsehen<br />

Mit Ehefrau<br />

Esther im<br />

Paradies<br />

der Bergwelt<br />

28<br />

29


Jugunternehmer zu profilieren. Qualitätsbewusst, wie es nach Zwischenstationen,<br />

einer Zusammenarbeit mit seinem Schwager Jürg Wegmüller<br />

<strong>und</strong> anderen Architekten, bis zum heutigen Tag mit der von ihm mitgegründeten<br />

Firma Amstutz, Abplanalp Birri AG geblieben ist!<br />

Und plötzlich ruft die Politik<br />

Klar ist, dass in den Adern von Adrian Amstutz kein angeborenes <strong>Politiker</strong>blut<br />

fliesst. Seine Eltern haben sich politisch nie engagiert. Dazu fehlte<br />

ganz einfach die nötige Zeit. Nun gut, Adrian ist ein bewährter Jungunternehmer<br />

<strong>und</strong> auch als Spitzensportler äusserst erfolgreich. Als 27-<br />

Jähriger tritt er, wie es als überzeugter Gewerbetreibender so üblich ist,<br />

der SVP bei. Und als das Projekt «Altersheim» in aller M<strong>und</strong>e ist, schlägt<br />

unbewusst seine grosse St<strong>und</strong>e. Mit dem Begehren «Menschen gehören<br />

zu Menschen» sorgt er mit einer von ihm mitinitiierten Petition massgeblich<br />

dafür, dass das Altersheim mitten ins Dorf gebaut wird <strong>und</strong> nicht an<br />

die Peripherie. Dieses «Husarenstück» bringt ihm viele Sympathien ein.<br />

Später tritt sein politischer Ziehvater Fritz Abraham Oehrli in sein Leben<br />

<strong>und</strong> verändert dieses ganz massgeblich. Im leicht fortgeschrittenen Alter<br />

von 39 Jahren geht es rasant los. Eigentlich liess er sich bei den Gemeinderatswahlen<br />

auf die Liste setzen, um der Partei zu Stimmen zu verhelfen.<br />

Persönliche Ambitionen standen nicht im Vordergr<strong>und</strong>. Aber es kam<br />

anders. Adrian Amstutz wurde auf Anhieb mit einem Spitzenresultat in<br />

den Gemeinderat gewählt <strong>und</strong> zugleich mit dem Amt des Gemeinderatspräsidenten<br />

von Sigriswil betraut. Unverhofft kommt oft. Das kennen wir<br />

schon. Einmal im Amt, machte er in der Gemeinde grosse Schritte <strong>und</strong><br />

gab mehr als alles. Sein generöses Wirken blieb nicht ohne ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Spuren. Rückenschmerzen <strong>und</strong> Schlafstörungen waren Zeichen der<br />

eigenen Überforderung. Adrian Amstutz erhörte die Botschaft <strong>und</strong> zog<br />

die richtigen Lehren daraus. Schnell lernte er Prioritäten zu setzen <strong>und</strong><br />

bald ging es wieder «stotzig» weiter bergauf. Der Schritt über den Grossen<br />

Rat des Kantons Bern nach B<strong>und</strong>esbern war eine logische Folge seines<br />

fleissigen, klaren <strong>und</strong> konsequenten Schaffens. Den weiteren politischen<br />

Weg kennen wir bestens. Sein Bekanntheitsgrad ist immens.<br />

Drei Fragen an Adrian Amstutz zum Schluss<br />

der Geschichte, welche noch unendlich viel<br />

länger sein könnte.<br />

Hatten Sie in Ihrem Leben auch schon so<br />

richtige Schlotterbeine?<br />

Als ich ein Kind war, kam an Weihnachten der<br />

Samichlaus vorbei. Vor dieser Gestalt hatte<br />

ich in Anbetracht meines Sündenregisters einen<br />

Höllenrespekt, wohlwissend, dass der<br />

Chlaus eigentlich nicht «echt» war. Das Vortragen<br />

des obligaten «Weihnachts-Värsli»<br />

war eine echte Herausforderung.<br />

Erinnern Sie sich an ein Ärgernis?<br />

Als ich 18 Jahre alt war, hatte ich das Glück,<br />

ein altes Motorrad zu kaufen. Ein BMW 250er-<br />

Modell für siebzig Franken: ein Schnäppchen.<br />

Da lernte ich die Weisheit «Was nichts kostet,<br />

ist nichts wert» so richtig kennen. Das Vehikel<br />

versagte in regelmässigen Abständen den<br />

Dienst <strong>und</strong> blieb immer im dümmsten Moment<br />

stehen. Sehr ärgerlich!<br />

Glauben Sie an eine höhere Macht?<br />

Obwohl unsere Mutter ein unglaublich anspruchsvolles<br />

Tagesprogramm zu leisten hatte,<br />

nahm sie sich immer Zeit, um uns Kinder<br />

am Abend ins Bett zu bringen <strong>und</strong> mit uns zu<br />

beten. Zu danken für das, was wir hatten, <strong>und</strong><br />

zu bitten, dass es gut bleiben darf. Und dieses<br />

Element ist für mich auch heute noch sehr<br />

wichtig – Danken <strong>und</strong> Bitten – abends vor<br />

dem Einschlafen.<br />

30<br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!