Altavista ist das neue Premium-Fachmagazin für Fachleute im Gesundheitswesen. In dieser Ausgabe: Cluster-Kopfschmerz "Wie ein glühender Eispickel im Hirn". Ausserdem: Das grosse Interview mit Dr. Christoph Held zu seinem neuen Buch "Bewohner". Dazu News aus Wissenschaft, Forschung und Pflegealltag.
Ausgabe 04 | September 2017 | CHF 6.80
Wie ein Messer
im Auge:
Cluster-Kopfschmerz
Krebs
Hilft Methadon?
Psychologie
Das perfekte Lachen
Kommunikation
Der grosse Konfliktherd
ENTWICKELT IN
ENTWICKELT IN
PRO D UZIER T IN
Impressum Editorial Inhalt
PRO D UZIER T IN
Chefredaktion
Peter Empl
4 TITELTHEMA
CLUSTER-KOPFSCHMERZ
ENTWICKELT IN
Herausgeber
Naeim Said
8 PSYCHOLOGIE
DAS PERFEKTE LACHEN
PRO D UZIER T IN
Reinigen.
Absorbieren.
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&
Reinigen. Debridieren.
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Wirksam. Und Einfach.
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[1] [1] Humbert P, Faivre P, Faivre B, Véran B, Véran Y et al. Y On et al. behalf On of behalf the CLEANSITE of the CLEANSITE study group. study Protease-modulating group. Protease-modulating polyacrylate-based hydrogel polyacrylate-based hydrogel
stimulates wound bed bed preparation preparation in venous in venous leg ulcers leg – a ulcers randomized – a randomized controlled trial. controlled Journal of the trial. European Journal Academy of the of European Academy of
[2] Kaspar D D (2011), (2011), Therapeutic Therapeutic effectiveness, effectiveness, compatibility compatibility and handling and in the handling daily routine the of daily hospitals routine or physicians’ of hospitals practices. or physicians’ practices.
HARTMANN Data on file: Hydro-Responsive Wound Dressing (HRWD) and AquaClear Technology are trademarks of HARTMANN.
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[1] Humbert P, Faivre B, Véran Y et al. On behalf of the CLEANSITE study group. Protease-modulating polyacrylate-based hydrogel
stimulates wound bed preparation in venous leg ulcers – a randomized controlled trial. Journal of the European Academy of
NEU &
Einzigartig
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HARTMANN
HARTMANN
Autoren dieser Ausgabe
Yvonne Beck
Peter Empl
Ulrich Erlinger
Doreen Fiedler
Ingo Haase
Christoph Held
Stephan Inderbizin
Verena Malz
Maren Nielsen
Stéphane Praz
Art Direction
Pomcanys Marketing AG,
pomcanys.ch
Korrektorat
Birgit Kawohl
Agenturen
DPA, SDA, Keystone, Fotolia,
Shutterstock.
Alle Texte und alle Bilder mit
Genehmigung der Urheber.
Web
www.altavistamagazin.ch
redaktion@altavistamagazin.ch
Administration & Anzeigen
Telefon 044 709 09 06
anzeigen@altavistamagazin.ch
Nächste Ausgabe
7. Oktober 2017
Druckauflage
25 000 Ex.
AltaVista ist in der Schweiz als
Marke eingetragen.
ISSN:
2504-3358
www.altavistamagazin.ch
Naeim Said
Herausgeber
Peter Empl
Chefredaktor
Für viele ist der nahe Herbst die
schönste Jahreszeit: Die Hitze
weicht einer angenehmen Wärme,
die Sonne blendet nicht
mehr, sondern erhellt angenehm das
bunte Blätterwerk. Für manche aber
ist der Herbst eine Jahreszeit, die
gefürchtet wird: Die Cluster-Kopfschmerz-Attacken
treten nämlich besonders
gehäuft im Herbst auf.
Cluster – das ist für die Betroffenen
oft kaum auszuhalten; die Schmerzen
setzen rasch und ohne Vorwarnung
ein und erreichen innert 20 Minuten
ihre maximale Intensität. Manche Betroffenen
halten dies langfristig kaum
aus, die Suizidrate aufgrund der
Schmerzen ist bei Cluster-Patienten
hoch. Aber es gibt Hoffnung: verschiedene
Methoden können die Attacken
lindern. Unsere Titelgeschichte
beleuchtet das Thema «Cluster» ausführlich,
aber natürlich haben wir
auch in dieser Ausgabe weitere spannende
Geschichten und Themen: Von
Fachleuten – für Fachleute.
Wir wünschen angenehme Lektüre.
Herzlich
Naeim Said Herausgeber&
Peter Empl Chefredaktor
9 KOLUMNE
DR. CHRISTOPH HELD
10 ASPIRIN
120 JAHRE FERTIGARZNEI
12 WISSEN
GENFORSCHUNG
13 HEPATITIS
WHO WILL
MASSNAHMEN EINLEITEN
14 FOKUS
GEMEINSAM ZUM WOHLE
DES PATIENTEN
17 INNOVATION
ALTERNATIVE
ZU TREPPENLIFTEN
18 FOKUS
SEXUALITÄT IM ALTER
21 PSYCHOLOGIE
NEUE VERSTÄNDNISMODELLE
22 NEWS
GESEHEN & GEHÖRT
24 DEMENZ
INTERVIEW
26 RATGEBER
DEPRESSION
29 MEDIZIN
30 INFO
SAUERSTOFFTHERAPIE
NATIONAL & INTERNATIONAL
32 ANALYSE
METHADON GEGEN KREBS
INHALT SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 3
Ich hatte einen glühenden
Eispickel im Hirn
Bei Cluster-Kopfweh sind Arzt und Patient ratlos. Nur eins ist sicher: Die Schmerzen
sind für die Betroffenen beinahe unerträglich. Die Medizin forscht seit Jahren, um
Patienten Linderung zu verschaffen. Bewährt hat sich ein guter (und günstiger) alter
Bekannter: Reiner Sauerstoff.
PETER EMPL
Die Kopfweh-Attacke von
Stephan M. traf ihn aus heiterem
Himmel. Er erinnert sich:
«Ich war im Hauptbahnhof Zürich
auf dem Weg zur Arbeit, so
gegen 08.30 Uhr, und hatte plötzlich einen
Schmerz auf der linken Kopfseite, mein
linkes Auge begann zu tränen und ich dachte:
«Jetzt sterbe ich, da ist irgendwo in meinem
Kopf etwas kaputt.» Also wankte ich
beim Bahnhof in eine Apotheke und wurde
mit Aspirin wieder weggeschickt. Das half
natürlich gar nicht und als auch nach weiteren
zehn Minuten der Schmerz nicht weniger
wurde, meldete ich mich bei der Permanence
Hauptbahnhof an – mit einer
Wartezeit von weit über zwei Stunden. In
dieser Zeit musste ich mehrmals das Wartezimmer
verlassen, bewegte mich hin und
her und stöhnte laut. Das half mir, ein
wenig besser mit dem unsäglichen Schmerz
im Kopf fertig zu werden. Ich ging davon
aus, dass das Aspirin vielleicht doch geholfen
hatte und schämte mich für mein
Theater – schliesslich war es ja nur «Kopfschmerz».
Wie gefehlt… Gegen Mittag bereits
dann der nächste Anfall – ich musste auch
wesentlich mitgenommener ausgesehen
haben als bei der Attacke zuvor und daher
entfiel die Wartezeit beim erneuten Auftritt
in der Permanence. Beim Arzt sollte ich
denn die Schmerzen beschreiben: Pochend,
nur an einer Stelle, dafür mit enormer
Wucht und ein tränendnes Auge, welches
ich nicht kontrollieren konnte. Der Arzt
sprach von einem glühenden Eispickel. «Ist
es ungefähr so, wie als ob ich mit einem
spitzen Gegenstand an Ihrem Gehirn herumhantieren
würde?» Mangels Erfahrung
mit glühenden Gegenständen in meinem
Kopf musste ich passen. «Aber so in der
Art würde es wohl schmerzen, wenn das
effektiv passieren würde», erklärte Stephan
M. im Gespräch mit AltaVista. «Vor Ort
bekam ich dann eine Art Nasenspray, welches
innert Senkungen Linderung versprach.
Und so war es auch – die unsäglichen
Schmerzen waren weg», erklärt
Stephan M. weiter. Der Protagonist dieser
Geschichte wirkt jung, gesund und scheint
eine Menge Sport zu machen. Nichts da
von einer wehleidigen Mimose, die ab und
zu «Männerschnupfen» hat.
Cluster-Schmerzen fast
nur bei Männern
Auf der Webseite der Kopfwehgesellschaft
wird von den Autoren (u. a. M. Mumenthaler)
die eben erzählte Geschichte etwas
detaillierter beschrieben: «Der Cluster-
Kopfschmerz ist zehnmal seltener als die
Migräne. Er kommt häufiger bei Männern
als bei Frauen vor und trifft insbesondere
Raucher. Der Cluster-Kopfschmerz setzt
oft erst im mittleren oder höheren Lebensalter
ein. Nicht selten finden sich in der
Familie andere Kopfschmerz-Geplagte,
wobei etwa 7% typische Cluster-Fälle ausmachen.»
Vergleicht man den Fall von
Stephan M. mit dem, was bisher allgemein
bekannt ist, stimmten auch hier Angaben
von Peter: Die Anfälle haben typische Charakteristika:
Die Schmerz-Attacken beginnen
im Schläfen- und Augenbereich und
erfassen somit Teile des Gesichtes und des
Kopfes. Sie sind stets und ausnahmslos auf
der gleichen Seite lokalisiert. Die Schmerzen
setzen rasch ein und erreichen innert 20
Minuten ihre maximale Intensität. Nach
1–2 Stunden klingen sie in der Regel vollständig
ab. Nicht selten machen sich die
Schmerzen zur gleichen Tages- und besonders
oft zur gleichen Nachtzeit bemerkbar.
Die Anfälle treten häufig mehrmals am Tag
wiederholt auf. Während des Anfalles ist
der Patient rastlos und tigert oft im Zimmer
herum.
Meistens treten die Anfälle während
Tagen bis Wochen gehäuft auf, um dann
während Monaten vollständig auszubleiben.
Allerdings existieren auch chronische
Fälle mit über Monate und Jahre andauernden
Schmerz-Attacken. Übergangsformen
zur Migräne kommen ebenfalls vor.
Das Aussehen der erkrankten Person
während eines Anfalles ist charakteristisch:
Das betroffene Auge ist gerötet und tränt,
die Nase läuft, der Lidspalt und die Pupille
werden enger.
Warum kommt es zu solchen
Schmerzen?
Clusterfachspezialist Dr. W. Haube fasst
auf der Webseite Clusterschmerz.de wie
folgt zusammen: «Die Ursachen von Cluster-Kopfschmerzen
sind nicht bekannt. Aus
epidemiologischen Studien geht eine ➜
TITELTHEMA CLUSTER-KOPFSCHMERZ SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 5
gewisse genetische Determinierung hervor.
Verwandte ersten Grades haben ein etwa
achtfach höheres Risiko an Cluster-
Kopfschmerzen zu erkranken als der Bevölkerungsdurchschnitt.
Eine wesentliche
Rolle in der Auslösung einzelner Cluster-
Attacken spielen bestimmte Kerngebiete
des Hypothalamus, ein hochspezialisiertes
Areal im Zwischenhirn. Daraus erklärt sich
u. a. die saisonale Abhängigkeit wie gehäuftes
Auftreten von Cluster-Phasen in
den Übergangsjahreszeiten in Abhängigkeit
vom Sonnenstand sowie die Synchronisation
der Attacken mit dem zirkadianen
Rhythmus (z. B. Erwachen mit Cluster-Kopfschmerzen,
typischerweise 60–90
Minuten nach dem Einschlafen). In der
Regel liegen bei Cluster- Kopfschmerzen
keine nachweisbaren strukturellen Veränderungen
des Gehirns vor. In Einzelfällen
gibt es sekundäre Cluster-Kopfschmerzformen,
bei denen insbesondere bei jungen
Frauen ein Tumor der Hypophyse dargestellt
werden kann.»
Übrigens sind diese Art von Schmerzen
keine neuere Erscheinung: Der niederländische
Arzt Nicolaes Tulp beschrieb in
den 1641 erstmals veröffentlichten «Observationes
Medicae» zwei verschiedene
Arten von wiederkehrenden Kopfschmerzen,
die Migräne und aufgrund der expliziten
Erwähnung der Jahreszeit vermutlich
den Cluster-Kopfschmerz:
«In the beginning of the summer season,
[he] was afflicted with a very severe
headache, occurring and disappearing
daily on fixed hours, with such intensity
that he often assured me that he could not
bear the pain anymore or he would succumb
shortly. For rarely it lasted longer
than two hours. And the rest of the day
there was no fever, not indisposition of the
urine, no any infirmity of the pulse. But this
recurring pain lasted until the fourteenth
day […] He asked nature for help, […] and
lost a great amount of fluid from the nose
[and] was relieved in a short period of time
[…].»
Reiner Stauerstoff mit hoher Durchflussrate kann die Schmerzattacken coupieren.
Nichts hilft wirklich
Die Therapie des einzelnen Anfalles besteht
in der subkutanen Injektion von 6 mg
Sumatriptan, Triptan-Anwendung von Nasenspray
(Zolmitriptan) oder durch Einatmen
von 12–15 Liter reinem Sauerstoff pro
Minute. Die Anfallshäufigkeit kann mit
Verapamil oder mit Prednison reduziert
werden. In therapieresistenten Ausnahmefällen
stehen verschiedene neurochirurgische
Behandlungsansätze zur Verfügung,
die in kleinen Fallserien eine schmerzlindernde
Wirkung gezeigt haben. Bei den
chronischen Formen wird Lithium angewendet.
(Zusammengefasst aus den Arbeiten
von C. Dozier, A. Kleinschmidt, A. Gantenbein,
Juli 2015). In unserem Fall war für
Stephan M. die Sauerstoffbehandlung sein
Mittel der Wahl. Allerdings schränkte ihn
diese Art der Therapie massiv ein: «Da ich
projektbezogen arbeite, gelang es mir, mir
eine Sauerstoffflasche zu Hause aufzustellen,
in meinem Home- Office. Man muss
sich das so vorstellen: Vor mir der Computer,
hinter mir immer griffbereit die Flasche.
Denn bei mir hat sich gezeigt, dass ich sofort
beim allerersten Anzeichen mit dem
Einatmen des Sauerstoffes beginnen muss.
Auch dann war ein Anfall unvermeidlich,
aber niemals derart schmerzhaft wie ohne
Sauerstoff. Ausserdem wurde der ‹Hauptschmerz›»,
so Stephan M. weiter, «definitiv
abgeschwächt. Ich hatte bei den ersten Anfällen
Todesangst, durch den Sauerstoff fällt
die Hilflosigkeit weg. Ich kann etwas tun,
ich habe die Krankheit so wenigstens aktiv
teilweise unter Kontrolle. Die schwei z-
erische Kopfwehgesellschaft gibt denn auch
auf der Website unumwunden zu: «Die
Optionen zur Akutbehandlung von
Cluster-Kopfschmerzen sind nicht sehr
breit. Gut belegt ist die Wirksamkeit von
rasch wirkenden Triptanen (s.c., intrana sal),
aber diese sind nicht immer anwendbar
(Kontraindikationen, maximale Tagesdosis
gem. Kompendium). Die Verträglichkeit
und Wirksamkeit der Inhalation von
100%em Sauerstoff über eine Gesichtsmaske
(Non-Rebreather-Maske) mit 10–12 l/
min. über 15–20 Minuten sind belegt.
Wie eine Umfrage unter den Mitgliedern
der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft
ergeben hat, ist die Therapie mit
Sauerstoff relativ weit verbreitet, wegen
der fehlenden Zulassung (Indikation Cluster-Kopfschmerz
in der MiGeL nicht
aufgeführt) jedoch nicht immer leicht umsetzbar.
Bei der hohen Kosteneffizienz (gegenüber
Triptanen) sowie der guten und
schnellen Wirksamkeit bei knapp 80% der
Attacken empfiehlt die Schweizerische
Kopfwehgesellschaft nach wie vor diese an
sich «natürliche» Behandlung vermehrt in
Betracht zu ziehen.
Im Fall von Stephan M. treten die
Attacken nicht sehr unregelmässig auf,
sondern meist während eines Monats, fast
immer im Frühling oder Herbst und auch
nicht jedes Jahr. «Derzeit ist es so, dass ich
meine letzten Episoden im Herbst 2015
hatte, seither blieb ich davon verschont. Da ich jetzt aber auch
weiss, dass es Lösungen gibt und ich mittlerweile auch die immer
etwas komplizierte Beschaffung routiniert habe (ich muss dem Arzt
sagen, was ich habe, ihm zeigen, wo er die Verordnung herbekommt
usw. usw.) habe ich gelernt damit gelassener zu leben. Ich
weiss, dass es wiederkommen kann, ich weiss aber nicht wann. Ich
habe lediglich Panik davor, dass so eine Attackenserie plötzlich in
den Ferien auftritt. Für diesen Fall habe ich aber immer einige
Spritzen mit Sumaptipan dabei, die helfen innert Sekunden und
würden mir im Fall der Fälle etwas Zeit geben, mir Sauerstoff zu
besorgen. Natürlich ist man besonders im Bereich der Prophylaxe
weiter als vor wenigen Jahren. Aktuell sind dies die zugelassenen
Medikamente:
• Verapamil 3–4 x 80; steigern bis 480 mg/d, ggf. weiter steigern
(vorher EKG nötig),
• Kortikoide (Prednisolon) 100–250 mg initial für 2–5 Tage, dann
individuell abdosieren,
• Lithium 600–1500 mg/d (Serumspiegel 0,6–0,8 mml/l),
• Topiramat (100–200 mg/d) (Ý), in Einzelfällen sind höhere
Dosierungen nötig,
• Methysergid bis zu 12 mg/d (Medikation bis max. 6 Monate
Dauer).
«Für mich kommt das aber noch nicht in Frage, denn dafür habe
ich einfach zu selten solche Schübe», erklärt Stephan M. «Ich habe
auch schon gehört, dass bei schweren Fällen sogar operative Eingriffe
in Frage kommen. Und ich kann verstehen, dass manche Patienten
wirklich alles unternehmen, um die schlimmsten Schmerzen,
die ich kenne, loszuwerden. Ich kann einfach dankbar sein, dass es
bei mir nicht schlimmer wird. Früher, so liest man in einschlägigen
Computerforen und Selbsthilfegruppen, gab es Leute, die sich das
Leben genommen haben, weil sie die unsäglichen Schmerzen einfach
nicht mehr ausgehalten haben. Es heisst ja nicht umsonst, dass
Cluster-Kopfschmerz ein ‹Selbstmordkopfweh› sei.» Was bei
Stephan M. übrigens nach wie vor unklar ist, ist, was bei ihm die
Attacken triggert, also auslöst. Manche sprechen davon, dass das
Cola oder Rauchen sein kann, er selbst tippt eher auf Hormone wie
etwa Melatonin, welches unter anderem den Tages- und Nachtrhythmus
reguliert. Das würde auch erklären, warum er in gewinnen Jahreszeiten
(Tag-Nachtgleiche usw.) empfindlicher reagiert.
HILFE FÜR BETROFFENE
https://www.beobachter.ch/gesundheit/krankheit/
cluster-kopfschmerz
http://www.headache.ch/Clusterkopfschmerzen
http://www.dmkg.de/startseite.html (Deutsche
Kopfschmerzgesellschaft mit laufend aktualisierten
Studien rund um Cluster-Kopfschmerz).
Die Lungenlinga Zürich ist behilflich, wenn es um die
Verschreibung von hochmedizinischem Sauerstoff für
Cluster-Patienten geht: www.lunge-zuerich.ch, dort am
besten direkt das Problem «Cluster» ansprechen.
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Quellen
1. P. J. Koehler: Prevalence of headache in Tulp’s Observationes
Medicae (1641) with a description of
cluster headache. In: Cephalalgia. 13 (5), 1993, S.
318–320.
2. Cohen AS et al. High-flow oxygen for treatment of
cluster headache: a randomized trial, JAMA 2009;
Bennet MH et al. Normobaric and hyperbaric oxygen
therapy for migraine and cluster headache,
Cochrane Database Syst Rev 2008).
Kontaktieren Sie unsere BDO-Experten für Stiftungen,
Vereine, Genossenschaften und öffentliche Verwaltungen:
Aarau Tel. 062 834 91 91
Basel Tel. 061 317 37 77
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6 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 TITELTHEMA CLUSTER-KOPFSCHMERZ
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Forscher bestimmen
Merkmale für ein
Cotard-Syndrom
KOLUMNE
gelungenes Lächeln
Manch einer grinst von einem Ohr zum anderen, ein anderer verzieht nur leicht
die Mundwinkel nach oben. Was besser ankommt? Kommt ganz darauf an, zeigt eine
neue Studie.
DOREEN FIEDLER
Das eine perfekte Lächeln gibt es
nicht. Ein angenehmes und
echtes Lächeln kann auf verschiedene
Weise erzeugt werden,
berichten US-Forscher im
Fachblatt «PLoS One». Eine wesentliche
Rolle spielten dabei die Stellung der Mundwinkel,
die Breite des Lächelns und wie
stark die Zähne zu sehen sind. Wichtig seien
diese Erkenntnisse vor allem für Ärzte,
die etwa über plastische Eingriffe versuchten,
Menschen zu helfen, die wegen eines
Unfalls oder einer schweren Krankheit
nicht mehr lächeln können.
Die Fähigkeit, emotionale Zustände
über den Gesichtsausdruck zu vermitteln,
sei ein fundamentaler Aspekt sozialer
Interaktionen und nonverbaler Kommunikation,
schreiben die Forscher um Nathaniel
Helwig von der US-amerikanischen University
of Minnesota. So schütze es etwa
vor Gefahr, wenn man ein wütendes oder
vertrauenswürdiges Gesicht richtig zu interpretieren
verstehe. Lächeln spiele vor
allem in zwischenmenschlichen Beziehungen
eine zentrale Rolle. Studien hätten gezeigt,
dass Menschen, die nicht richtig lächeln
könnten, zu Depressionen neigten.
3D-animiertes Lächeln
Um nun zu untersuchen, wie ein Lächeln
von einem Gegenüber wahrgenommen
wird, liessen die Forscher mehr als 800
Personen 3D-Animationen von lächelnden
Gesichtern bewerten, also Gesichter, deren
Mund sich dynamisch zu einem Lächeln
verzog. Die Probanden sollten angeben,
was das Gesicht ausdrückte und wie echt,
gelungen und angenehm sie das Lächeln
empfanden. Mit Hilfe der Antworten errechneten
die Wissenschaftler, was ein gelungenes
Lächeln ausmacht.
Die Auswertung ergab, dass weniger
in Bezug auf Lächeln häufiger mehr
ist: Ein von einem Ohr zum anderen reichendes
Lächeln wurde also nicht zwangsläufig
als besonders angenehm und echt
empfunden. Andersherum wirkte ein verhaltenes
Lächeln nicht unbedingt falsch
oder unangenehm.
Asymmetrie wirkt gelungen
Die Forscher stellten fest, dass insbesondere
die Kombination von drei Merkmalen für
ein gelungenes Lächeln stimmig sein muss:
Wie stark die Mundwinkel nach oben gezogen
sind, wie weit die Mundwinkel auseinanderliegen
und vor allem wie stark die
Zähne sichtbar sind. Bei einem eher schmalen
Lächeln stören stark sichtbare Zähne.
Bei einem breiteren Grinsen können sie es
angenehmer machen. Erkenntnisse wie diese
müssten in der plastischen Chirurgie
künftig stärker berücksichtigt werden.
Ausser diesen Faktoren bewerteten die
Probanden ein leicht asymmetrisches Lächeln
als besonders gelungen, also wenn
sich linker und rechter Mundwinkel mit einer
winzigen Verzögerung – weniger als
125 Millisekunden – nach oben zogen.
Gesundheitspolitiker und Kostenträger der Alters- und
Pflegeheime übersehen manchmal, dass hinter kurzen
Pflegeeinträgen wie zum Beispiel «Bewohnerin weint
und möchte auf der Stelle sterben» oder «Bewohnerin
behauptet, tot zu sein» eine seelische Not auch der Pflegenden
steht. Neben der schweren körperlichen Arbeit noch mit
Wahn und Trauer konfrontiert zu werden, ist manchen Pflegenden
einfach zu viel. Einige kündigen, andere stumpfen ab und nicht
wenige greifen neben Alkohol und Zigaretten zu Beruhigungsund
Schlafmitteln, um überhaupt noch am Arbeitsplatz erscheinen
zu können.
Nach der Spätschicht entspannen sich einige Pflegende in einer
nahe gelegenen Bar. Schweigend betrachten sie die lärmenden Gäste
des Lokals, deren Heiterkeit für sie manchmal noch schwerer
verständlich ist als der Zustand ihrer demenzkranken Bewohner. In
Gedanken vergleicht ein Pflegeassistent seinen Lohn mit demjenigen
des Servierpersonals, welches das Trinkgeld der Gäste entgegennehmen
darf.
Der Pariser Neurologe und Psychiater Jules Cotard hat den
Wahn, schon gestorben zu sein, 1880 zum ersten Mal bei einer jungen
Patientin beschrieben. Bei einer betagten Heimbewohnerin mit
Cotardsyndrom versucht es eine Pflegende mit Humor. «Auch Tote
müssen sich verpflegen», sagt sie, während sie einen Beistelltisch
ans Bett rollt, auf dem ein Teller mit Fleischkäseröllchen steht.
Nachdem die Bewohnerin diese Röllchen verzehrt und sogar von
der Garnitur gekostet hat, sagt eine Mitbewohnerin: «Dafür, dass
Sie tot sind, haben Sie ganz gut gegessen.» Doch die Bewohnerin
erwidert leise, es sehe nur so aus, als ob sie gegessen und getrunken
habe, ganz so, wie es nur aussehe, als ob sie noch am Leben sei.
Der «toten» Bewohnerin, wie sich die Pflegenden spasseshalber
ausdrücken, ist ein Dauerkatheter in die Blase eingelegt
worden, weil sie ihr Bett nicht mehr verlassen will. Der Stuhl wird
ihr mit einem Klistier herausgespült. Während eine Pflegende die
beiden Hände der Bewohnerin fest hält, führt die andere Pflegende
den Schlauch in den Darm ein. Verzweifelt - man hörte es bis ins
Stationszimmer - ruft die Bewohnerin: «Was macht ihr? Ich bin
doch tot.»
Das Cotardsyndrom ist bei Demenz gar nicht so selten. 1880
gab es noch keine neuroleptischen Medikamente. Heute wird deren
Anwendung in den Pflegeheimen stark kritisiert. Fachgesellschaften
empfehlen, solche Bewohner vorwiegend mit Gesprächen und
emotionaler Präsenz zu beruhigen. Am Abend versuchen das zwei
Pflegende - bei zweiundzwanzig Bewohnern.
Bei unserer Bewohnerin heisst es jeweils in den Austrittsberichten
der psychiatrischen Klinik, das Cotardsyndrom sei in den
Hintergrund getreten.
DR. CHRISTOPH HELD
Dr. Christoph Held, arbeitet als Heim arzt und Gerontopsychiater
beim Geriatrischen Dienst der Stadt Zürich sowie im
Alterszentrum Doldertal. Lehrbeauftragter der Universität
Zürich sowie Dozent an den Fachhochschulen Bern, Careum
Aarau und ZAH Winter thur sowie an der Universität Basel.
Bücher «Das demenzgerechte Heim» (Karger, 2003), «Wird
heute ein guter Tag sein? Erzählungen» (Zytglogge, 2010),
«Accueillir la demence» (Médecine et Hygiène, 2010), «Was
ist gute Demenzpflege?» (Huber, 2013). Im Herbst 2017
erscheint «Bewohner» Erzählungen Dörlemannverlag
Dr. Christoph Held wird künftig an dieser Stelle regelmässig
über seine Erfahrungen im Umgang mit Demenz berichten.
Kontakt
christoph.held@bluewin.ch
8 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 PSYCHOLOGIE DAS PERFEKTE LACHEN
KOLUMNE DR. CHRISTOPH HELD SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 9
Aspirin:
Wie ein Medikament
die Welt verändert(e)
Es ist eines der populärsten Arzneimittel überhaupt: Aspirin hat wie kaum ein
anderes Medikament Medizingeschichte geschrieben. Die Karriere des Schmerzmittels
begann vor nunmehr 120 Jahren ganz unspektakulär.
DOREEN FIEDLER
Am 10. August 1897 gelang es
dem jungen Bayer-Chemiker
Felix Hoffmann erstmals, die
Acetylsalicylsäure in einer
chemisch reinen und stabilen
Form zu synthetisieren. Die Salicylsäure
galt als altbekanntes Naturheilmittel, dessen
schmerzstillende und fiebersenkende
Wirkung seit über 2000 Jahren bekannt
war. Schon Hippokrates soll seinen Patienten
Aufgüsse aus der Rinde des Weidenbaums
(lateinisch Salix) verordnet haben.
Salicylate bekam auch Hoffmanns Vater
gegen sein Rheuma. Die Behandlung
hatte allerdings erhebliche Nebenwirkungen.
Die Säure verursachte Brechreiz und
verätzte die Schleimhäute in Mund und
Magen. Um das Leiden seines Vaters erträglicher
zu machen, begann der Sohn zu
experimentieren.
Haltbar und verträglicher
In der Verbindung von Salicylsäure mit
simp ler Essigsäure fand Hoffmann die Formel
für ein haltbares und verträgliches Medikament,
das Schmerzen linderte, Fieber
senkte und entzündungshemmende Eigenschaften
hatte - ohne die unangenehmen Nebenwirkungen
der Salicylsäure. Zwei Jahre
später, 1899, brachten seine Arbeitgeber das
Medikament auf den Markt - unter dem patentierten
Handelsnamen Aspirin, mit dem
bald alle Welt den Wirkstoff identifizierte.
Aspirin war wenige Jahre nach der Lancierung auch in der arabischen Welt erhältlich
und die Kampagne mit einer blonden, unverschleierten Frau kam nicht nur gut an.
Mehr als 70 Jahre blieb die Wirkweise
von Aspirin ungeklärt. Erst 1971 wies der
britische Pharmakologe John Vane nach, dass
Acetylsalicylsäure die Synthese bestimmter
Botenstoffe – sogenannter Prostaglandine –
hemmt und damit die Schmerz- und Entzündungsreaktion
lindert. Vane erhielt dafür
1982 den Nobelpreis für Medizin.
Heute ist der Wirkstoff weder aus der
Hausapotheke noch aus der Hightechmedizin
wegzudenken. Das Mittel lindert nicht
nur alle Arten des Kopfschmerzes vom Kater
bis zur Migräne, sondern wird ebenso
gegen Rücken- und Gelenkschmerzen eingesetzt
und wirkt fiebersenkend und entzündungshemmend.
Erwiesen ist auch,
dass ASS das Risiko von Herzinfarkten
und Schlaganfällen senken kann.
Möglicher Schutz vor Darmkrebs
Auch eine mögliche vorbeugende Wirkung
gegen bestimmte Krebsarten wird erforscht.
So scheint Acetylsalicylsäure bei langjähriger
Einnahme das Darmkrebsrisiko zu senken.
Auch das Risiko, an Krebs zu sterben,
war in Studien geringer. Der Mechanismus
ist noch nicht ganz klar. ASS und ähnliche
Medikamente beeinflussen Entzündungsprozesse
im Körper. Diese wiederum können
an der Krebsentstehung beteiligt sein.
Allerdings raten Experten unter anderem
vom Deutschen Krebsforschungszentrum
von einer dauerhaften Einnahme von
Eine der ersten Fertigarzneien überhaupt: Aspirin in der Blechdose für unterwegs.
Aspirin zur Krebsvorbeugung ab. Denn
das Mittel kann zu erheblichen Nebenwirkungen
führen. ASS bewirkt nicht nur eine
Blutverdünnung und wird daher etwa nach
einem Herzinfarkt gegeben. Es fördert zugleich
die Blutungsneigung, was zu Blutungen
im Gehirn und im Magen-Darm-Trakt
sowie zu Geschwüren führen kann. Weitere
mögliche Nebenwirkungen sind Übelkeit
oder Sodbrennen.
Ob jemand von den Vorteilen profitiert
oder eher unter den Nebenwirkungen leidet,
hängt den Forschern zufolge unter anderem
von der genetischen Veranlagung
ab. Schmerzmittel seien «keine Lutschbonbons»,
warnen daher Fachleute.
10 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 ASPIRIN 120 JAHRE FERTIGARZNEI
ASPIRIN 120 JAHRE FERTIGARZNEI SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 11
Magersucht kann
angeboren sein
Die WHO will Hepatitis
bis 2030 beseitigen
Offenbar bestimmen nicht nur das gängige Schönheitsideal oder psychische Probleme
das Krankheitsbild der Magersucht. Es könnten auch – wie sooft – die Gene sein.
Mehrere Staaten verfolgen nationale Strategien, um Hepatitis bis 2030 zu beseitigen.
Für den Kampf gegen die Krankheit müssten vor allem Behandlungskosten sinken
und die Prävention verbessert werden.
DR. GABY FÖHN
STEPHAN INDERBIZIN
Magersucht gehört zu den bekanntesten
Essstörungen; als
Ursache kommen mehrere
Bedingungen und Faktoren
zusammen wie Selbstzweifel,
geringes Selbstwertgefühl, Perfektionismus,
übermässige Sorge um Figur und Gewicht
sowie einschneidende Erlebnisse wie
Trennungssituationen oder ein Schulwechsel.
Auch eine genetische Veranlagung wird
seit längerem diskutiert. Magersucht tritt am
häufigsten während der Pubertät auf.
Als Ursache für Magersucht wird immer
wieder das in der Gesellschaft weit verbreitete
und von den Medien transportierte
Schlankheitsideal angeführt. Weitere Gründe
für die Entwicklung dieser Essstörung
können etwa mangelndes Selbstwertgefühl
oder Probleme im persönlichen Umfeld
sein. Ebenfalls hinlänglich bekannt ist, dass
Essstörungen häufiger bei Frauen als bei
Männern vorkommen. Laut einer Umfrage
des Statistikportals «Statista» sind über 50
Prozent der Mädchen zwischen 16 und 17
Jahren mit ihrem Gewicht unzufrieden.
Magersucht hat – und das ist der neue
Aspekt - nicht nur psychische Ursachen,
sondern kann auch angeboren sein. Eine
internationale Forschergruppe unter Beteiligung
der Universität Duisburg-Essen
(UDE) konnte ein Gen ausmachen, das die
Essstörung «Anorexia nervosa» begünstigt,
wie die Hochschule mitteilte.
Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt
Daten von knapp 3500 Patientinnen
mit Magersucht und entdeckten das betreffende
Gen auf dem Chromosom 12. Diese
Region wurde bereits mit Diabetes Typ 1
Eine Magersucht zeugt nicht zwingend von rein psychischen Problemen.
und Autoimmunerkrankungen in Verbindung
gebracht.
Magersucht und Schizophrenie
Magersucht könnte den Forschern zufolge
somit mit weiteren Erkrankungen verknüpft
sein, etwa mit Schizophrenie. Die
Gene, die dafür empfänglich machen, überlappen
sich demnach.
Diese Entdeckungen könnten das bisherige
Verständnis der Magersucht «nachhaltig
verändern», erklärte Anke Hinney
von der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik
und Psychotherapie des Kindes- und
Jugendalters am UDE. «Eine psychiatrische
Störung mit einem physiologischen
Hintergrund eröffnet völlig neue und bislang
unerwartete Therapieoptionen.»
Ausserdem könne die genetische Ursache
die Betroffenen entlasten, da sich «in
vielen Fällen das Umfeld (Eltern) oder die
betroffenen Personen selbst für ihre Krankheit
die Schuld geben».
Die Forschungsergebnisse wurden im
Fachmagazin «The American Journal of
Psychiatry» veröffentlicht. Allerdings gelten
diese neuen Erkenntnisse nur für das
klar definierte Krankheitsbild der Anorexia
nervosa, nicht für andere Essstörungen
oder Mischformen.
Rund 325 Millionen Menschen
sind nach Schätzungen der
Weltgesundheitsorganisation
WHO mit chronischer Hepatitis
B oder Hepatitis C infiziert.
«Hepatitis stellt ein bedeutendes weltweites
Gesundheitsproblem dar», sagte Gottfried
Hirnschall, der Leiter des WHO-Hepatitis-Programms.
«Wenn die Menschen
nicht behandelt werden, sind sie in Lebensgefahr.»
Hepatitis ist eine Leberentzündung,
die zu tödlichem Leberkrebs führen
kann. Die WHO hat nun erstmals Zahlen
für Regionen veröffentlicht, um ihre Fortschritte
beim Kampf gegen die Krankheit,
die bis 2030 eliminiert werden soll, messen
zu können. Die WHO-Region Europa ist
bei Hepatitis-C-Infektionen hinter der Region
Östliches Mittelmeer von Afghanistan
bis Jemen am stärksten betroffen. Das
geht aus dem Hepatitis-Bericht der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) hervor.
Die Region Europa reicht von der EU über
Russland bis Usbekistan und Kirgistan.
Enorme Sterberate
Die Organisation konzentriert sich auf die
chronische Hepatitis B (HBV) und Hepatitis
C (HCV), weil diese beiden Infektionen
96 Prozent der Todesfälle ausmachen. 2015
starben 1,3 Millionen Menschen - mehr als
durch HIV-Infektionen oder Malaria. Nach
Hirnschalls Angaben könnte die Epidemie
jedoch gestoppt werden. Gegen Hepatitis B
gebe es eine erfolgreiche Impfung, gegen
Hepatitis C eine nur noch rund 200 Dollar
teure dreimonatige Behandlung, die Infizierte
heile. Bei Hepatitis B sei eine lebenslange
Behandlung nötig. Eine Herausforderung sei
es, die Menschen überhaupt zu erreichen.
Derzeit erhalten dem Bericht zufolge
weniger als zehn Prozent der Betroffenen,
die eine diesbezügliche Diagnose haben,
Medikamente. Und oft bleibt die Krankheit
jahrelang unerkannt. Von den chronisch Hepatitis-B-Kranken
wissen demnach nur neun
Prozent überhaupt, dass sie infiziert sind. Bei
Hepatitis C sind es rund 20 Prozent.
Nach 20 oder 30 Jahren vernarbe dann
die Leber und es könne sich Krebs entwickeln,
sagte WHO-Hepatitis-Experte Yvan
Hutin. Menschen stecken sich demnach vor
allem durch Kontakt mit Blut und anderen
Körperflüssigkeiten oder beim Sex an. Hepatitis
C bekommen zudem oft Drogensüchtige,
die ihre Nadeln untereinander
austauschen. In der WHO-Region Europa
lebten mit fast vier Millionen Betroffenen
die mit Abstand meisten Süchtigen, die sich
Drogen spritzen, hiess es. Auf sie gehe ein
beträchtlicher Teil der Infektionen zurück.
In der Region von Afghanistan bis Jemen
sind dem WHO-Bericht zufolge mangelnde
Hygienevorkehrungen im Gesundheitswesen
die häufigste Ursache für
Hepatitis-C-Übertragungen. 15 Millionen
Menschen sind dort betroffen - so viele wie
sonst nirgendwo. Hepatitis B kommt vor
allem in der Westpazifikregion vor: 115
Millionen Menschen seien dort infiziert, so
die WHO.
Anders als bei Tuberkulose oder HIV
sei bei Hepatitis die Zahl der Todesfälle
gestiegen: von einer Million im Jahr 2011
Alleine in Europa sind vier Millionen
Menschen mit Hepatitis infiziert.
auf 1,3 Millionen im Jahr 2015. Die WHO
hat aber auch eine gute Nachricht: Die
Zahl der Neuinfektionen sinke.
Teures Medikament
Gegen Hepatitis C gibt es erst seit weniger
als vier Jahren die ersten wirklich wirksamen
Medikamente, die das Virus innerhalb
von drei Monaten eliminieren können. Aber
nur sieben Prozent der Patienten haben Zugang
zu diesen Medikamenten und die Zahl
der neuen Fälle steigt. Die Entwicklung von
Generika hat unlängst dazu beigetragen,
den Preis für die horrend teuren Medikamente
zu senken.
Immerhin: Die WHO hat eines der
Generika nun präqualifiziert, bei dem
die dreimonatige Behandlung «nur» rund
280 US-Dollar kostet.
12 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 WISSEN GENFORSCHUNG
STATISTIK HEPATITIS SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 13
Konfliktherd
Kommunikation
Konflikte bei der Arbeit sind nichts Ungewöhnliches. Auch die Zusammenarbeit
der Berufsgruppen im Krankenhaus verläuft nicht immer reibungslos. Pflegekräfte
beklagen Kommunikationsprobleme. Ärzte wünschen sich mehr Verständnis für
ihre Arbeits belastung.
YVONNE BECK
Kommt es in einer Pflegesituation
zu Schwierigkeiten, ist häufig
nicht ein Patient der Anlass.
Tatsächlich geht es meistens
um Konflikte zwischen den Berufsgruppen.
Dabei dient ärztliches und
pflegerisches Handeln eigentlich dem gleichen
Zweck – der Heilung und Gesundheit
des Patienten. Bei der Betreuung, Behandlung
und Pflege von kranken, alten oder
behinderten Menschen ist die Zusammenarbeit
zwischen ärztlichen und pflegerischen
Mitarbeitern unerlässlich. Eine
Berufsgruppe kann ohne die andere Berufsgruppe
ihren Auftrag nicht wirklich erfüllen.
Doch während die Pflege zahlenmässig
weitaus überlegen ist, sind die Ärzte
diejenigen, die Anordnungen treffen.
Dies birgt enormes Konfliktpotenzial, da
sich Pflegekräfte häufig in ihrer Leistung
zu wenig anerkannt fühlen.
Fehlende Wertschätzung und
hohe Arbeitsbelastung
Mögen Pflegekräfte eine fehlende Wertschätzung
beklagen, wünschen sich Ärzte
mitunter mehr Verständnis für ihre hohe
Arbeitsbelastung. Die Kooperation und
Kommunikation zwischen Ärzten und
Pflegenden ist daher stark optimierungsbedürftig.
Die Problematik zwischen den einzelnen
Berufsgruppen hat in den letzten
Jahren stetig zugenommen. Grund dafür ist
unter anderem, dass der Personalmangel
auf beiden Seiten zu immer grösserer Arbeitsbelastung
führt. Ärzte und Pflegekräfte
haben immer weniger Zeit sich auszutauschen.
Doch gerade im Krankenwesen
ist Kommunikation und Teamarbeit besonders
wichtig. Jeder muss sich auf die Professionalität
des anderen verlassen können.
Eine gute Teamarbeit erreicht man jedoch
nur bei gegenseitiger Wertschätzung.
Konfliktpotential steckt jedoch auch in der
grossen Differenz in Bezug auf Lohn und
gesellschaftliches Ansehen. Ärzte haben
einen Hochschulabschluss und haben einen
hohen sozialen Stellenwert in der Gesellschaft.
Die Pflege hingegen wird häufig als
«minderwertiger» Ausbildungsberuf angesehen,
obwohl inzwischen sogar Studiengänge
für Pflegewissenschaften angeboten
werden. Beide Berufsgruppen arbeiten zum
Wohl des Patienten, werden jedoch von der
Gesellschaft völlig unterschiedlich bewertet.
Dabei besitzt eine ausgebildete Krankenschwester
oder ein Pfleger mit langjähriger
Berufserfahrung häufig grosses
fachliches Wissen und verfügt über umfassende
praktische Erfahrungen.
Ausbildung versus Berufs -
erfahrung
Verständlich, dass Pflegekräfte ihre
Kompetenzen und ihr Wissen im Berufsalltag
einsetzen wollen. Dieses scheitert
jedoch häufig an alten Strukturen. So
haben Pflegekräfte den Ärzten gegenüber
eine Informationspflicht bezüglich des Gesundheitszustandes
der Patienten, umgekehrt
gilt dies jedoch nicht. Ein junger Mediziner
mit einem Bruchteil an Erfahrungen
steht häufig vor der Aufgabe, die medizinische
Fachkompetenz zu verkörpern und
letztlich aufgrund seiner Verantwortlichkeit
Anordnungen zu treffen. Die Schwierigkeit
besteht darin, dieser Funktion gerecht
zu werden, ohne dabei arrogant oder
aber unsicher zu wirken. Für junge Mediziner
ist es häufig ein Spagat, Krankenschwestern
und Pfleger in ihrem Fachwissen
ernst zu nehmen, ihr Wissen so weit
wie möglich einzubringen und zugleich die
entsprechende Fachautorität zu verkörpern.
Wie man dies genau macht, bringt
ihnen jedoch niemand bei. Assistenzärzte
sind unerfahrene Berufsanfänger. Ihre
Chefs erwarten jedoch, einen reibungslosen
Ablauf auf der Station, ohne dass darüber
explizit gesprochen wird. Besonders
für junge Ärzte ist es daher von grosser
Bedeutung, Kommunikationsstrukturen
schon zu Beginn ihrer beruflichen Karriere
zu reflektieren und in die eigene Handlungskompetenz
zu integrieren.
Die Aufgabenverteilung in Spitälern ist
unterschiedlich geregelt und häufig kommt
es zu Problemen, wenn Aufgaben nicht eindeutig
zugeordnet sind. Wer übernimmt Tätigkeiten,
die niemandem eindeutig zugeordnet
werden können, die aber alle als
lästig empfinden? Aufgabenverteilung und
Abläufe müssen deshalb klar definiert sein.
Ob Teamarbeit funktioniert, hängt von Einzelpersonen
ab, aber sicherlich auch davon,
ob sie strukturell verankert ist. Wichtig ist
auch die «stille» Übereinkunft des «Gebens
und Nehmens». Ein «guter» Arzt ist aus
Sicht der Pflege einer, der auch mal mitanpackt
(also z. B. auch einmal Betten schiebt).
Pflegekräfte hingegen sind die Konstanten
auf den Stationen. Ein junger Arzt sollte
sich daher stets bei ihnen erkundigen, wie
die Abläufe sind und sich daran halten.
Konflikte sind sonst vorprogrammiert.
Kommunikation und Kooperation
Umfragen zufolge wünscht sich die
Mehrzahl der Pflegekräfte häufigere Gespräche
mit dem Arzt, zudem beklagen sie,
dass Absprachen nicht eingehalten würden,
etwa der Zeitpunkt der Visite. Personalmangel
führt auf beiden Seiten jedoch zu
immer höherem Druck. Ärzte und Pflegekräfte
haben immer weniger Zeit, sich auszutauschen.
Die Kommunikation zwischen
Arzt und Pflegekräften darf auf keinen Fall
ausschliesslich «stumm» ablaufen, also
einfach schriftlich angeordnet. Denn nur
im direkten Gespräch können die Standpunkte
beider Parteien zu Gehör kommen.
Persönliche Kommunikation erlaubt eine
weitaus intensivere und umfassendere Informationswiedergabe
und ermöglicht die
Aufrechterhaltung der Bindungen zwischen
den Berufsgruppen im Krankenhaus.
Führungskräfte sollten dies fördern und
leben, denn dieses erhöht zum einen die
Mitarbeiterzufriedenheit und verbessert
zudem das Arbeitsklima. So sollten Teambesprechungen
als «Jour fixe» genutzt werden,
um strukturelle Probleme zu besprechen.
An diesen Besprechungen sollten
auch Chefarzt und Oberärzte teilnehmen.
Nur so wird eine direkte Kommunikation
ermöglicht, die eine fachliche Zusammenarbeit
und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit
fördert. ➜
14 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 FOKUS GEMEINSAM ZUM WOHLE DES PATIENTEN
FOKUS GEMEINSAM ZUM WOHLE DES PATIENTEN SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 15
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Federnde Treppenstufen
erleichtern den Aufstieg
Neuartige Treppenstufen könnten vor allem für Senioren interessant werden.
Die Stufen sind mit speziellen Federn ausgestattet, die den Aufstieg erleichtern
sollen. Noch muss die Erfindung aber Kinderkrankheiten überwinden.
STEPHAN INDERBIZIN
Mit speziell gefederten Treppenstufen
sollen vor allem
Senioren in Zukunft deutlich
kraftsparender auf- und
absteigen können. Die Treppenhilfe
wurde von Forschern der Missouri
University of Science and Technology in
den USA entwickelt und soll eine günstige
und gesündere Alternative vor allem zu
Treppenliften darstellen.
Die Metallfedern speichern beim Abstieg
des Bewohners die Energie, die dieser
auf die Stufen abgibt und geben sie beim
Aufstieg wieder zurück. So spart er beim
Gang nach oben Kraft. Ältere Menschen
sollen so länger in den eigenen vier Wänden
wohnen bleiben können.
Ältere Menschen sollen
so länger in den eigenen
vier Wänden wohnen
bleiben können.
Im Online-Fachjournal «Plos One»
stellen die Wissenschaftler um Yun Seong
Song einen Prototyp vor. Die Stufen hängen
dabei an Metallfedern befestigt in einem
stabilen Aluminiumrahmen. Diese
Konstruktion kann laut den Forschern
ohne grossen Aufwand auf bestehende
Treppen aufgebaut werden. Die oberste
Stufe der Treppenhilfe schliesst dann mit
dem oberen Etagenboden ab.
Beim Hinabsteigen werden die Stufen nach
unten gedrückt und rasten dort etwa auf
Höhe der ursprünglichen Treppenstufe in
einen elektromagnetischen Riegel ein, so
dass sie nicht gleich wieder hochschnellen.
Die Federn sind nun gespannt.
Entlastung der Knie
Beim Aufstieg gibt der Elektromagnet
eine Stufe immer dann frei, wenn der erste
Fuss auf die nächsthöhere Stufe gestellt
wird. Dann ziehen die Federn das Trittbrett
sanft nach oben und unterstützen den
Treppensteiger beim nächsten Schritt.
Messungen hätten ergeben, dass auf diese
Weise vor allem die Knie entlastet würden,
schreiben die Forscher in der Studie. Auf
den Stufen sind Sensoren angebracht, die
anhand des Tritts registrieren, ob jemand
die Treppe hinauf- oder hinuntersteigt.
Die Wissenschafter sehen in ihrer Erfindung
einen deutlichen Vorteil im Vergleich
zu teuren Treppenliften. «Aufzüge
und Treppenlifte ersetzen den Treppenaufstieg
komplett, selbst wenn die Nutzer dazu
körperlich noch in der Lage wären», schreiben
die Autoren in der Studie. Das trage
dazu bei, dass die Kräfte noch schneller
nachliessen. «Wichtig sind deshalb motorische
Hilfestellungen, die dem Menschen
die Möglichkeit lassen, Treppen benutzen
zu können», sagt Studienautor Yun.
Bis die Treppenkonstruktion tatsächlich
in den ersten Wohnungen eingesetzt
werden kann, wird es aber noch dauern.
Bei vielen praktischen Situationen im Alltag
stösst der Prototyp noch an Grenzen.
Spezielle Treppenstufen entlasten die
Gelenke.
Bisher sei es etwa nicht möglich, den Härtegrad
der Federn zu verändern, ohne sie
auszuwechseln, teilen die Autoren mit.
Das könnte aber nötig werden, wenn etwa
mehrere Menschen mit unterschiedlichem
Körpergewicht in einem Haushalt leben.
(Mit Material der SDA)
INNOVATION ALTERNATIVE ZU TREPPENLIFTEN SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 17
Körperliche Nähe
im Alter: Der Umgang
mit einem Tabu
Die Zeiten, in denen es als anrüchig oder unanständig galt, über Lust, Erotik,
sexuelles Verlangen und sexuelle Störungen offen zu sprechen, scheinen zur
Vergangenheit zu gehören.
DR. BETTINA UGOLINI
Ein differenzierter Blick zeigt,
dass wir vor allem dann offen
mit Sexualität umgehen, wenn
diese irgendwo als generelles
Thema behandelt wird. Offenheit
bezüglich der eigenen Sexualität und
der eigenen Bedürfnisse existiert aber
meist immer noch nur an einem kleinen
Ort. Der Bereich Sexualität ist, wie kaum
ein anderer, von Bildern, Vorstellungen,
Mythen, Erwartungen und auch Träumen
geprägt. Aber Sexualität ist auch ein Bereich,
der in grossem Masse verletzlich ist.
Alterssexualität wurde und wird immer
noch verleugnet. Auch gegenteilige wissenschaftliche
Erkenntnisse konnten daran
bis heute nicht wirklich viel ändern. So ist
Sexualität im Alter immer noch ein grosses
Tabu. Im Grunde bestimmen die Jungen,
was im Alter erlaubt ist. Ein altes Pärchen,
das Hand in Hand am See spazieren geht,
findet man reizend oder herzig. Sich diese
beiden aber mit lebendiger Sexualität vorzustellen,
ist uns fremd.
Diese Tabuisierung wird im institutionellen
Kontext in unseren Alters- und
Pflegeinstitutionen häufig wie ein roter Faden
weitergeführt. Gerade im Langzeit- ➜
Lust und Sexualität im Alter: nach wie vor ein Tabuthema.
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Forscher entwickeln
erstes Modell der
menschlichen Psychologie
Ein internationales Forscherteam unter Leitung der Uni Genf hat
ein mathematisches Modell der menschlichen Psychologie entwickelt.
Damit wollen die Forscher menschliches Verhalten vorhersagen.
STEPHAN INDERBIZIN
Zärtlichkeit bei älteren Menschen – alles andere als selbstverständlich. Warum eigentlich?
bereich finden sich diverse Barrieren, die
eine aktive Sexualität verhindern. Es mangelt
an Privatsphäre, es fehlt der Partner oder
die Partnerin. Aber auch körperliche Behinderung
oder Beeinträchtigung und zusätzlich
die Einstellungen und Haltungen der Mitarbeitenden
begrenzen die Möglichkeit der Sexualität.
So kann man immer wieder von
Profis hören, dass Sexualität kein oder nur in
seltenen Fällen ein Thema ist. Provokativ
liesse sich hier fragen, warum es kein Thema
ist. Es ist eine Selbstverständlichkeit des
pflegerischen Alltags, zu Mobilität und Aktivität
oder zu guter Ernährung zu motivieren.
Ob Sexualität und sexuelle Wünsche anzusprechen
auch zum pflegerischen Alltag gehört,
kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden.
In Anbetracht dessen, dass Sexualität
ein sehr persönliches und verletzliches Thema
ist, kann sie sicher nicht gleich behandelt
werden wie einige andere Aktivitäten des
täglichen Lebens, aber vergessen oder vermieden
werden darf sie eben auch nicht.
Auch Sexualität in der Interaktion zwischen
zu Pflegenden und Pflegepersonen
wird vergleichsweise wenig beachtet. Dabei
beinhalten pflegerische Tätigkeiten Berührungen,
enge und intimste Kontakte sowie
Konfrontation mit Nacktheit, die ausserhalb
des pflegerischen Kontextes bereits als
sexuelles Handeln gedeutet würden.
«Vergessen oder
vermieden werden
darf Sexualität eben
auch nicht.»
Enttabuisierung – einige Ideen
Gute Kommunikation: Hier ist nun
gute Kommunikation und Begleitung gefragt.
So kann bereits die Art und Weise,
wann und wie dieses Thema angesprochen
wird, entscheidend zum Umgang damit
beitragen. Also keine zwischen Tür-und-
Angel-Gespräche.
Wissensvermittlung: Das geduldige
Vermitteln von Wissen im Falle von verändertem
Verhalten bei Demenz (sich neu
verlieben, Ehefrau nicht erkennen oder
enthemmtes Verhalten) kann Verständnis
schaffen und bei der Verarbeitung helfen.
Haltung: Die Mitarbeitenden können
daran arbeiten, das Thema zu enttabuisieren,
indem der Wunsch nach Sexualität als
menschliche Ressource akzeptiert wird
und Bedürfnisse und deren Signale thematisiert
werden. Gewünscht wäre ein Klima
der warmherzigen Akzeptanz, das hilft,
die eigene Scham bei gleichzeitiger Professionalität
zu überwinden.
Selbstreflexion: Dazu gehört auch, die
eigene Haltung in den Teams immer wieder
zu prüfen. Folgende Fragen können dabei
hilfreich sein: Wann und warum schämen
wir uns? Welche Bilder und Vorstellungen
von Sexualität halten wir aus? Wann ist etwas
peinlich? Wie weit würden wir selbst
gehen als Ehefrau, als erwachsenes Kind?
Wie möchten wir selbst, dass man im Alter
mit unserer Sexualität umgeht?
Offenheit für neue Lösungsansätze:
Die Pflegeinstitutionen könnten darüber
nachdenken, ob es andere Angebote für die
Bewohnenden geben kann. Der Einsatz
von Berührerinnen oder in Einzelfällen
auch einer Prostituierten können beispielsweise
sexuell aufgeladene Situationen
deutlich entspannen.
Zusammengefasst können im Umgang
mit Sexualität im Pflegeheim sicher noch
einige Schritte in Richtung Professionalisierung
eingeleitet werden. Organisationen,
Institutionen und ihre Mitarbeitenden
– wir alle sollten uns konstruktiv mit der
Sexualität alter Menschen auseinandersetzen
und weiter daran arbeiten, dieses Tabu
aufzulösen.
Hinter der Psychologie eines
Menschen steckt eine Vielzahl
von emotionalen und motivationalen
Parametern – Wünsche,
Leiden oder das Bedürfnis
nach Sicherheit. Auch Ort und Zeitpunkt
spielen eine wichtige Rolle, um zu erklären,
wie wir unsere Entscheidungen treffen
und Pläne fassen.
Forschende der Universität Genf haben
nun mit Kollegen aus den USA, Frankreich
und Grossbritannien ein mathematisches
Modell des verkörperten Bewusstseins entwickelt,
wie die Hochschule im August mitteilte.
Das Team um David Rudrauf wollte
eine Psychologietheorie entwickeln, die
nach dem Vorbild von Modellen aus den
exakten Wissenschaften funktioniert.
Dazu waren mehr als zehn Jahre Forschung
mit einer Kombination aus Mathematik,
Psychologie, Neurowissenschaften, Philosophie,
Informatik und Ingenieurwissenschaften
nötig.
Projektive Geometrie
Bei jeder Entscheidungsfindung prallen
eine Vielzahl bewusster und unbewusster
Parameter aufeinander. «Wir haben ein
Modell entwickelt, das eine Entscheidung
auf Grundlage des Moments, des Rahmens
und der realen und imaginären Wahrnehmung
reproduziert», sagte Rudrauf gemäss
der Mitteilung.
Dieses «Modell des Projektiven Bewusstseins»
erlaube die Analyse möglicher
Verhaltensweisen in Reaktion auf Ereignisse.
«Die Wahrnehmung, Fantasie und
das Handeln stützen sich auf unbewusste
Mechanismen, und wir haben entdeckt,
dass das Bewusstsein sie mit einer speziellen
Geometrie integriert, nämlich projektiver
Geometrie», erklärte Daniel Bennequin
von der Universität Paris 7, der ebenfalls an
der Arbeit beteiligt war.
Zunächst modellierten die Forschenden
grundlegende Zusammenhänge zwischen
Wahrnehmung und Vorstellung. Unter
anderem stützten sie sich dabei auf
grundlegende Phänomene – etwa, dass eigentlich
parallele Bahngleise in der Ferne
zusammenzulaufen scheinen. Als nächstes
fügten sie den Einfluss von Emotionen und
Motivationen, aber auch von Erinnerungen
und Absichten hinzu.
Virtuelle Realität
Nachdem sie die Komponenten theoretisch
definiert hatten, fügten die Forscher sie in
Computerprogramme ein. Sie arbeiten zudem
daran, das Modell mit virtueller
Realität zu koppeln, um möglichst ähnliche
räumliche, zeitliche und affektive
Rahmenbedingungen zu schaffen wie die,
Ein Modell zeigt die Zusammenhänge
zwischen Wahrnehmung und Vorstellung.
innerhalb derer unser Bewusstsein funktioniert.
Mithilfe des Modells können die Wissenschaftler
Vorhersagen über menschliches
Verhalten treffen, wobei sie an den
Parametern schrauben, um die Simulation
dem menschlichen Bewusstsein immer
ähnlicher zu machen. Anwendungen wären
in den Bereichen Robotik, künstliche Intelligenz
oder auch im Gesundheitswesen
denkbar, schrieb die Uni Genf.
20 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 FOKUS SEXUALITÄT IM ALTER
PSYCHOLOGIE NEUE VERSTÄNDNISMODELLE SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 21
Gesehen & gehört
Warum Emotionales besser im Gedächtnis bleibt
An gefühlsgeladene Ereignisse erinnern wir uns besser als
an Neutrales. Forschende der Uni Basel haben mit internationalen
Kollegen an Ratten aufgeklärt, wie Emotionen die
Erinnerung stärken.
Eine Hochzeit, eine Geburt oder der Tod eines Familienmitglieds
bleiben oft sehr detailreich im Gedächtnis. Ebenso
Unfälle oder Prüfungen. Ein normaler Tag hingegen
verblasst schnell. Die dafür verantwortlichen Mechanismen
im Gehirn sind nicht vollständig geklärt, wie die Universität
Basel mitteilte.
Ein internationales Forscherteam mit Basler Beteiligung
hat in Versuchen mit Ratten herausgefunden, wie Emotionen
die langfristige Detailerinnerung stärken. Dabei spielt der
Botenstoff Noradrenalin eine zentrale Rolle, der bei gefühlsgeladenen
Erlebnissen im Gehirn ausgeschüttet wird.
Wie die Wissenschaftler im Fachblatt «PNAS» berichten,
beeinflusst Noradrenalin die Konsolidierung von Erinnerungen.
Mit der Zeit unterlaufen diese nämlich – zumindest
teilweise – eine Verschiebung im Gehirn: Sie werden
von einer Hirnstruktur, dem Hippocampus, auf andere
Nervenzellnetzwerke in der Hirnrinde übertragen. Dabei
gehen jedoch Details der Erinnerung verloren, für die der
Hippocampus zuständig ist.
In einem Lerntest erhöhten die Wissenschaftler künstlich
die Menge Noradrenalin im Gehirn von Ratten. Nach
nur zwei Tagen erinnerten sich die Tiere zwar gleich gut
wie Artgenossen einer scheinbehandelten Kontrollgruppe,
nach 28 Tagen wurde der Unterschied jedoch deutlich: Die
behandelten Ratten erinnerten sich deutlich besser an Details.
Hemmten die Forschenden aber die Aktivität des Hippocampus,
erinnerten sich die Tiere schlechter.
Aus den Ergebnissen leiten die Forschenden ab, dass
Noradrenalin dafür sorgt, dass der Hippocampus in der
Gedächtnisfestigung involviert bleibt und damit mehr detaillierte
Informationen bewahrt werden.
Mit ihren Resultaten hoffen die Forschenden, zu den
Grundlagen für die Entwicklung neuer Wirkstoffe beizutragen,
die das Gedächtnis stärken könnten.
Schizophrenie beeinträchtigt nicht das Körperbewusstsein
Bei Schizophrenie-Patienten ist das Körperbewusstsein
weniger beeinträchtigt als gedacht. Obwohl Betroffene oft
ein verändertes Selbstgefühl haben, ist ihr Gefühl der
körperlichen Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt, berichtet
ein internationales Forscherteam unter Leitung der EPFL.
Die Wissenschaftler um Albulena Shaqiri und Michael
Herzog von der ETH Lausanne (EPFL) testeten für ihre Studie
59 Patienten mit chronischer Schizophrenie und verglichen
sie mit 30 Gesunden. Die Probanden unterzogen sie
dafür einem gut etablierten Test namens «Full-body Illusion»,
den Olaf Blanke und Kollegen an der EPFL entwickelten,
wie die Hochschule mitteilte.
Die Idee hinter der «Ganzkörper-Illusion» ist es, durch
langanhaltende Stimulation mehrerer Sinne das Gefühl der
Körperzugehörigkeit auszutricksen. In diesem Fall wurde
den Probanden über den Rücken gestrichen, während sie
die Berührung mittels einer Virtual Reality-Brille an einem
anderen, virtuellen Körper sahen.
Wie die Forschenden im Fachblatt «Schizophrenia Bulletin»
berichten, schnitten die Patienten und die gesunden
Probanden im Test gleich ab. Was bedeutet, dass ihr Körperzugehörigkeitsgefühl
durch die Erkrankung nicht verändert
wird. «Das wurde bisher noch nie gezeigt oder berichtet»,
so Shaqiri gemäss der EPFL-Mitteilung. Bisher sei
man davon ausgegangen, dass Schizophrenie-Patienten ein
gestörtes Körperbewusstsein hätten.
Fachkongress: Traditionelle asiatische Medizin
mehr und besser nutzen
Traditionelle asiatische Medizin etwa aus China, Tibet, Nepal
oder Indien sollte von der westlichen Schulmedizin zukünftig
vorurteilsfrei geprüft und genutzt werden. Das forderten
Fachleute am 9. internationalen Kongresses
traditioneller asiatischer Medizin in Kiel (Deutschland).
Mehr als 350 Teilnehmer aus etwa 50 Ländern tauschten
sich dort im Sommer aus.
Am Kongress wurde unter anderem gefordert, dass
Ärzte und Patienten frei über ihre medizinische Behandlung
entscheiden könnten - innerhalb eines gesetzlichen Rahmens,
der die Sicherheit der Patienten garantiere. Insbesondere
in der Schmerzbehandlung, aber auch bei Parkinson
oder Arthrose gebe es Ansätze in der asiatischen Medizin,
sagte Professorin Angelika Messner vom Chinazentrum der
Kieler Uni.
So solle zum Beispiel untersucht werden, ob Braunalgen
und Tang Wirkstoffe zur Behandlung von Augenleiden
böten, berichtete Prof. Ralph Schneider vom Exzellenzcluster
«Future Science» und Direktor des Forschungsschwerpunktes
Kiel Marine Science. Er sprach von einem «Goldrausch
nach marinen Wirkstoffen».
Die Wissenschaftler sprachen von einem grossen
Transformationsprozess in der westlichen Medizin. Bildung,
Ernährung und Bewegung seien die drei wichtigen Parameter
für Gesundheit.
Prävention kann Zahl der Demenzfälle erheblich verringern
Die Zahl der weltweiten Demenz-Fälle liesse sich erheblich
reduzieren, wenn die Risikofaktoren konsequent und von
Kindheit an bekämpft würden. Zu diesem Ergebnis kommen
internationale Experten in einem Artikel im Fachmagazin
«The Lancet». In der Jugend sei mangelnde Bildung einer
der wesentlichen Risikofaktoren. Im mittleren und höheren
Lebensalter wirkten sich Übergewicht, hoher Blutdruck,
Hörverlust oder soziale Isolation nachteilig aus.
Insgesamt haben die Wissenschaftler um Gill Livingston
vom University College London neun Risikofaktoren für
verschiedene Demenz-Krankheiten identifiziert und bewertet.
Dazu zählen auch Depression, Diabetes, Rauchen sowie
mangelnde Bewegung. Würden alle diese Risikofaktoren
vollständig beseitigt, könnte die Zahl der weltweiten Demenz-Fälle
um etwa ein Drittel sinken, berechneten die
Forscher.
Eine gute schulische Ausbildung sei demnach eine besonders
wichtige vorbeugende Massnahme. Sie erhöhe die
kognitiven Fähigkeiten und die Belastbarkeit des Gehirns.
Hätten alle Kinder auf der Welt schlagartig Zugang zu ausreichender
Bildung, liessen sich acht Prozent von Demenz
vermeiden, berechneten die Autoren. Nur der Verlust des
Gehörs habe grössere negative Auswirkungen als mangelnde
Schulbildung.
Bis zum Jahr 2050 rechnen die Forscher mit rund 131
Millionen Demenzkranken weltweit. 2015 lag die Zahl der
Betroffenen noch bei 47 Millionen. In reichen Ländern wie
den USA, Grossbritannien, Schweden, den Niederlanden
und Kanada ging der Studie zufolge die Zahl der Krankheitsfälle
zuletzt zurück. Sollten dort Risikofaktoren wie
Übergewicht und damit zusammenhängende gesundheitliche
Probleme weiter zunehmen, würde sich dieser Trend
aber schnell wieder umkehren.
22 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 NEWS GESEHEN & GEHÖRT
NEWS GESEHEN & GEHÖRT SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 23
«Jeder Mensch
wird alt und krank»
Alzheimerpatienten erkennen oft ihren eigenen Zustand nicht, Angehörige
und Freunde nehmen aber sehr wohl veränderte Gewohnheiten wahr. Nun hat der
Geronto psychiater Dr. Christoph Held seine Eindrücke literarisch verarbeitet.
PAUL NÄGELI
Christoph Held hat über viele Jahre
in Alters- und Pflegeheimen
Veränderungen bei Alzheimerpatienten
beobachtet. In seinem
eben erschienenen Buch erzählt
er einfühlsam von Bewohnern, die es so
nicht gegeben hat, deren leidvolle Geschichten
aber alles andere als erfunden sind.
Christoph, nach deinem Erzählband
«Wird heute ein guter Tag sein?»
und ein paar Fach büchern hast Du
nun wieder ein literarisches Buch
über betagte und demenzkranke
Menschen geschrieben. Warum?
Die «Bewohner» sind Texte, die während
sieben Jahren entstanden sind, zum Teil in
den Pflegeheimen, auf dem Gang oder im
Arztzimmer, zum Teil in der Wohnung eines
Freundes in Berlin Friedrichshain, wohin
ich mich monateweise zum Schreiben
zurückzog. Jetzt sind diese Texte zu einem
Buch zusammengewachsen.
Die «Bewohner» sind
Texte, die während sieben
Jahren entstanden sind.
Gerontopsychiater Christoph Held: Seine Bücher sind Bestseller.
Worum geht es in deinem Buch?
Um das Alt- und Kranksein. Jeder Mensch
wird alt und krank. Ich nenne meine Texte
«Aufzeichnungen» – aber es sind fiktive Texte.
Auch die Angehörigen und Pflegenden
werden erkennen, dass es sich bei diesen Aufzeichnungen
nicht um Bewohner handelt, die
wirklich so gelebt haben – und doch wäre
ein Wiedererkennen möglich. Ich bin als Erzähler
lediglich Chronist einer langjährigen
Veränderung und Ahnungslosigkeit der demenzkranken
Bewohner, die zu Leid und Not
führten. Davon ist allerdings nichts erfunden.
Ich versuche dann, das Klinische des
Alters, das heute immer häufiger weggeredet
wird, ins Allgemeingültige zu überführen.
So ist auch eine Art Zeitbogen über die
© Willi Kracher
alternde Schweiz entstanden. Ich bin selbst
alt geworden und arbeite nun schon über 25
Jahren in den Pflegeheimen – es wird bei
mir einen gleitenden Übergang geben.
Was verstehst Du unter dem
«Klinischen»?
Alles, dessetwegen die BewohnerInnen ins
Pflegeheim kommen, die Hilflosigkeit bei
den alltäglichen Verrichtungen, die Veränderung
der Persönlichkeit, die Gefühle, die
häufig von Traurigkeit geprägt sind, die
Schmerzen, die Selbstbezogenheit und der
Selbstverlust, Wahn und Halluzinationen, die
Enthemmung, – eigentlich das ganze Spektrum
der Geriatrie und Psychiatrie. Ich
schreibe aber keine Fallgeschichten mit einem
ärztlich distanzierten Blick. Vieles
stammt aus meinem eigenen Leben und aus
meinem Dasein in den Pflegeheimen, zusammen
mit den Bewohnern und den Pflegenden.
Der erste Satz in deinem Buch
lautet: «Von den vielen Namen, die
meine Patienten in den Pflegeheimen
bekommen haben, gefällt
mir Bewohner am besten, weil viele
von ihnen in ihren langjährigen
Krankheiten wie heimisch geworden
sind.» Bist Du denn auch heimisch
geworden in den Pflegeheimen?
Auf jeden Fall. Mit dem Satz ist aber noch
etwas anderes gemeint: Ich habe eben bei
meiner Arbeit auch festgestellt, dass viele
Alterskrankheiten, sogar die Demenz, nicht
ausschliesslich nur als Lebenskatastrophe
zu betrachten sind, sondern bei einigen Bewohnern
sogar eine neue Lebenskraft bewirken
können, wenn auch nur noch für
eine bestimmte Zeit.
Wo hast Du Schreiben gelernt?
An vielen Orten. Als ich mich nach mehrjähriger
Tätigkeit als Regie- und Dramaturgieassistent
am Theater wieder der Medizin
und später der Psychiatrie und Geriatrie
zuwandte, musste ich viele Gutachten
schreiben und Krankengeschichten führen
– das ist eine gute Schreibschule. Eine
Krankengeschichte ist weit mehr als nur
das Festhalten von Symptomen und Diagnosen.
Aber das ist nur das Handwerk.
Schreiben bedeutet viel mehr: Das eigene
und fremde Leben betrachten und Dinge
darin zurechtrücken, eine innere Verfassung
eines Geschehens herstellen. Im Alter
und vor allem in der Demenz ist das naturgemäss
eine brüchige Verfassung.
Verknüpfst Du bestimmte Erwartungen
mit dem Buch «Bewohner»?
Eigentlich nicht. Auf keinen Fall sind meine
Geschichten Ratgeberliteratur. Und doch
kommen immer wieder Leser meiner früheren
Geschichten zu mir und sagen: «Ihr
Buch hat mich berührt. Genau so habe ich
es auch erlebt.» Das bewirkt bei mir dann
«Ihr Buch hat mich
berührt. Genau so habe
ich es auch erlebt.»
das Gefühl einer kleinen Zufriedenheit.
Wirst Du weitere Bücher schreiben?
Vielleicht. Ich habe drei Fachbücher geschrieben
und zwei literarische Bücher
zum Thema Alter, Heime, Demenz, Sterben,
zu denen allen ich stehe und Freude an
ihnen habe. Aber nun scheint es mir genug.
Ich weiss ja auch nicht, ob mir überhaupt
noch so viele Jahre gegeben werden, denn
ich brauche viel Zeit. Ich habe einen hohen
Anspruch an mein literarisches Schreiben.
Man wird als schreibender Arzt misstrauisch
beäugt und zwar gerade von zwei
Seiten: Von den Schriftstellern und von
den Ärzten.
Christoph Held: Bewohner
Aufzeichnungen
C. 180 Seiten
Gebunden. Ca. CHF 27.–
ISBN 978-3-03820-050-5 &
eBook ISBN 978-3-03820-950-8
24 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 DEMENZ INTERVIEW
DEMENZ INTERVIEW SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 25
Die Biologie
der Depression
Immer wieder wird man im privaten wie auch im beruflichen Umfeld mit dem Begriff
«Depression» konfrontiert. Aber was ist eigentlich «die» Depression?
THOMAS MEISTER
Studienarbeit der Psychotherapeutin Saskia
Faaß fasst die Typologie wie folgt zusammen:
• der Zustand liegt ununterbrochen über
Wochen oder Monate hinweg vor
• das Beschwerdebild wird vom Betroffenen
selbst als quälend, nicht abschüttelbar,
ja sogar als fremd empfunden, es
entspricht also nicht der gewohnten eigenen
Gefühlswelt
• das Leid ist nicht durch entsprechende
Zuwendung von Angehörigen und
Freunden zu mildern
• folgende Symptome treten in den Vordergrund:
Interesselosigkeit, Unfähigkeit
sich zu freuen oder Entscheidungen zu
treffen, Grübeln, innere Unruhe, Ängstlichkeit
(Furcht vor dem Alltag oder unbestimmte,
unbegründbare Angst), Müdigkeit,
Energielosigkeit, Schuldgefühle,
Leistungseinbruch, gleichgültige Selbstvernachlässigung,
Todeswünsche oder
gar Suizidabsichten, ferner Merk- und
Konzentrationsstörungen, Appetitlosigkeit
mit Gewichtsverlust, Schwinden der
sexuellen Aktivität, Schlafstörungen
(morgendliches Früherwachen, Morgentief),
undefinierbare Druck- und Schweregefühle
oder Schmerzen im Bereich von
Kopf, Brust und Oberbauch, Verstopfung,
Mundtrockenheit usw. Es kommen auch
depressive Wahnthemen vor wie Versündigungswahn,
hypochondrischer Wahn,
Verarmungswahn, nihilistischer Wahn
(ca. 10 % stationär behandelter Depressiver
haben stimmungskongruente Wahnphänomene).
Diese Aufzählung ist weder vollständig
noch abschliessend. Sie bietet aber einen
guten Überblick.
Da es sich bei der Depression um ein Leiden
handelt, bei dem meist eine ganze Reihe von
Krankheitssymptomen auftreten, spricht
man genauer vom «depressiven Syndrom».
Die häufigsten Symptome lassen sich nach
Art und Herkunft in drei Gruppen aufteilen.
Auch hier zitieren wir aus der Studienarbeit
der Psychotherapeutin:
1. Seelische Symptome: Traurige Verstimmung,
Unfähigkeit zur Freude, Hemmung
im Denken, Entschlussunfähigkeit,
Mattigkeit, Angst, innere Leere,
Hoffnungslosigkeit, Suizidgedanken.
2. Psychomotorische Symptome: Dabei
handelt es sich um Antriebsstörungen in
beiden Richtungen, z. B. körperliche Unruhe,
innere Getriebenheit auf der einen
Seite, Müdigkeit, Mattigkeit und inneres
Erstarren auf der anderen Seite.
3. Körperliche Symptome: Schlaf- und Appetitstörungen,
Klossgefühl im Hals,
Druck auf der Brust, Herzschmerzen,
Magen-Darm-Beschwerden, Hitzewallungen,
Kälteschauer, Nachlassen des
sexuellen Verlangens.
4. Begleiterkrankungen: 20% zeigen «Double
Depression» (Dysthymia und depressive
Phasen, 20% zusätzliche Angst oder
Panikstörung, Auftreten der Alkoholkrankheit
v. a. bei Frauen erhöht. Depressive
Bilder treten bei zahlreichen
psychischen Erkrankungen auf.
Das depressive Syndrom ist «von nahezu
unvergleichlicher Vielgestaltigkeit»,
schreibt die Autorin weiter und bringt es auf
den Punkt. Die Depression scheint es nicht
zu geben. Und mitunter ist es auch so, dass
die vorher aufgezählten Punkte von jedem
Individuum anders wahrgenommen (und
letztendlich auch verarbeitet) werden. Diese
Aspekte erschweren eine Diagnose und öffnen
Tür und Tor für allerlei seriöse und
weniger seriöse Behandlungsmethoden.
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Eins gerade vorweg: Depression
ist keine Geisteskrankheit, obschon
sich die medizinische
Wissenschaft lange im Irrtum
befand, als sie einst die Bezeichnung
«manisch-depressives Irresein» einführte.
Zwar kann eine Depression die
geistige Leistungsfähigkeit mehr oder weniger
stark beeinträchtigen, aber mit «Irresein»
im eigentlichen Sinne hat das nichts
zu tun. Zum einen ist der Betroffene nach
Abklingen einer depressiven Phase in aller
Regel wieder im Vollbesitz seiner geistigen
Kräfte. Zum anderen handelt es sich darüber
hinaus nicht um eine grundsätzliche
Veränderung der Persönlichkeit oder des
Charakters, sondern um eine zeitweilige -
wenn auch tiefgreifende - Veränderung der
Stimmung. Aus diesem Grund ist die früher
gebrauchte Bezeichnung «Gemütsleiden»
nicht nur zurückhaltender, sondern
vor allem auch treffender, da die der Depression
zugrunde liegende, sie prägende
Veränderung nicht den Verstand, sondern
das Gemüt, die Seele, die Psyche betrifft.
Die Übergänge von der «normalen» Stimmungsschwankung
zur Depression sind
fliessend. Es gibt jedoch eine Reihe von
Merkmalen, die eine Depression letztlich
von «Traurigkeit» unterscheiden. Eine
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26 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 RATGEBER DEPRESSION
Ansätze zur Beantwortung der Frage, was
eigentlich eine Depression ist, finden sich
fast ebenso viele.
Die Depression gibt es nicht. Die Krankheit kann alle Menschen aller Altersgruppen
treffen und jedes Geschlecht.
Entstehung der Depression
Die Psychotherapeutin Saskia Faaß stellt in
ihrer Studienarbeit fest: «Ein einschneidendes
Lebensereignis verdoppelt zwar die
Gefahr einer Depression, ist aber selten alleiniger
Auslöser. Meistens spielen eine
ganze Reihe von Faktoren zusammen, hinzu
kommen die genetische Veranlagung
oder körperliche Erkrankungen». Dieser
Ansatz scheint richtig zu sein, denn es ist
bekannt, dass die einzelnen Nervenzellen
im Gehirn untereinander Informationen
austauschen. Die Informationsweitergabe
erfolgt durch Botenstoffe, den Neurotransmittern,
an den Synapsen. Bei der Depression
scheinen diese Botenstoffe aus der
Balance geraten zu sein. Damit sinkt die
Fähigkeit, Empfindungen wie Freude oder
Zufriedenheit zu verspüren, die Gefühllosigkeit
macht unsicher und verursacht negative
Gedanken, die übermächtig werden.
Die Evolutionspsychologie der Gegenwart
hat in den vergangenen Jahren eine
Reihe von Befunden erarbeitet, die dafürsprechen,
dass psychopathologische Abweichungen
nicht einfach als Defektbildungen
im Bereich des psychischen
Geschehens anzusehen sind. Vielmehr hat
die evolutive Entstehung all dieser psychischen
Anfälligkeiten einen gewissen
Selektionsvorteil mit sich gebracht. Die
uns bekannten psychischen Krankheiten
stellen letztlich Übersteigerungsformen
derartiger normaler psychischer Strukturen
dar. Eine Hypothese, die bereits Kurt
Schneider (1923) im Sinne seines Kontinuitätsmodells
affektiver Störungen formulierte.
Depressionen können in diesem Sinne
als ein Zustand mangelnder Reagibilität
auf aversive bzw. wertebilanzmässig negative
Stimuli interpretiert werden.
Ein Grundproblem jeder biologischen
Theorie der Emotion, bzw. modern formuliert
einer Systemtheorie der Emotion ist die
grundsätzliche Unübersetzbarkeit psychischer
Phänomene in Funktionszustände von
Systemen, sozusagen die Diskrepanz zwischen
«Verstehen» und «Erklären» (Karl
Jaspers, 1948).
Die Uneinholbarkeit des subjektiven
«point of view» ist dem Kliniker aus den
Berichten seiner Patienten vertraut; dennoch
ist es in der Biologischen Psychiatrie
der Gegenwart allgemein üblich geworden,
die Kluft, die zwischen Verstehens- und Erklärungsmodellen
hinsichtlich des Zuganges
zu psychischen Krankheiten vorhanden
ist, einfach zu ignorieren, weil angenommen
wird, dass Nervenzellenerregung und
mentales Geschehen identisch sind.
Behandlung der Depression
In der ICD-10 (Internationale statistische
Klassifikation der Krankheiten und verwandter
Gesundheitsprobleme) fallen Depressionen
unter den Schlüssel F32 und werden
als «depressive Episode» bezeichnet.
Saskia Faaß stellt in ihrer Studienarbeit
zum Thema fest: «Eine Besonderheit in der
Depressionsbehandlung scheint nun zu sein,
dass sowohl noradrenerge als auch serotonerge
Substanzen therapeutisch aktiv sein
können. Befunde sprechen dafür, dass weder
das noradrenerge noch das serotonerge
System selbst den primären Ort der Störung
bei der Entstehung der Erkrankung darstellt.
Sie sind eher als parallele Aktivationszentren
für die pharmakologische Kompensation
eines anderweitigen,
höherstufigen Systemdefekts zu deuten, der
z. B. im Hypothalamus lokalisiert sein
könnte. Die Antidepressivatherapie könnte
als Kompensation dieses Defekts interpretiert
werden.» Wie die exakte und individuelle
Behandlung erfolgen soll, ist nach wie
vor umstritten. Bevor eine Diagnose gestellt
werden kann, muss die Ursache geklärt werden.
Und die Ursachenabklärung gestaltet
sich mitunter als genauso komplex wie die
nachfolgende Behandlung. Mitunter ist es
auch nach wie vor so, dass sich viele betroffene
Menschen/Patienten mit ihrer Krankheit
in irgendeiner Form arrangiert haben.
Denn: Die Depression gibt es nicht.
Die ganze Abhandlung der im Text zitierten Studienarbeit ist hier nachzulesen:
Die Biologie der Depression:
Grin Verlag, ISBN 9783640023516
Eine gute Übersicht über die verschiedenen Arten der Depression bietet
die Webseite: www.neurologen- und-psychiater-im-netz.org
Eine offizielle Broschüre des BGV Info Gesundheit e.V. (Deutschland) lässt sich
als PDF kostenlos herunterladen:
www.bgv-depression.de/broschuere.html
Trotz 15 Minuten unter
Wasser: Kleines
Mädchen erholt sich
Eine Zweijährige stürzt in einen Pool, bleibt 15 Minuten unter Wasser.
Das Hirn ist schwer geschädigt. Nach einer speziellen Therapie geht es ihr viel besser.
Doch liegt das wirklich an der Behandlung?
STEPHAN INDERBIZIN
Fünfzehn Minuten befand sich ein
zweijähriges Mädchen nach dem
Sturz in ein Schwimmbecken unter
Wasser. Sein Gehirn wurde
schwer geschädigt, hat sich nach
einigen Monaten aber erstaunlich gut erholt,
berichten seine Ärzte um Paul Harch
von der Uniklinik in New Orleans.
Die kleine Eden Carlson, die mittlerweile
drei Jahre alt ist, erlitt bei dem Unfall
im vergangenen Jahr einen Herzstillstand
und musste 100 Minuten lang wiederbelebt
werden. Eden hatte sich im Haus ihrer Eltern
an einem Baby-Gitter vorbeigemogelt
und war dann in den Pool gestürzt.
Als sie nach mehr als einem Monat aus
dem Krankenhaus entlassen wurde, reagierte
Eden nicht auf Reize und wand sich
ununterbrochen. Fast zwei Monate nach
dem Unfall begannen Paul Harch und sein
Team, das Mädchen einer speziellen Sauerstofftherapie
zu unterziehen. Dabei wurde
dem Kind über die Nase reiner Sauerstoff
eingeflösst – zunächst ohne und später mit
Überdruck.
Nach der Therapie konnte Eden den
Ärzten zufolge wieder normal reden und –
mit Unterstützung – auch wieder gehen.
Die weisse und graue Substanz im Gehirn,
die durch den Unfall teilweise verloren gegangen
war, war nach der Therapie wiederhergestellt,
wie die Ärzte mit Hilfe einer
Magnetresonanztomographie feststellten.
Dass sich das Gehirn des Mädchens
nach einigen Monaten deutlich erholt hat,
führen die Ärzte um Harch auf die Sauerstofftherapie
zurück. Christoph Dodt, Präsident
der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre
Notfall- und Akutmedizin
(DGINA) sagt hingegen: «Dass eine Sauerstofftherapie
nach zwei Monaten noch
hilft, ist schwer zu glauben.»
Er kann den Zusammenhang zwischen
Therapie und Genesung nicht nachvollziehen.
«Ich habe keine physiologische Erklärung
dafür.» Der Bericht der Ärzte um
Harch mache nicht deutlich, ob die gute
Entwicklung des Mädchens tatsächlich an
der Therapie lag oder ob ihr Hirnschaden
von Anfang an geringer war als angenommen.
Man müsse nun in Studien untersuchen,
ob die Sauerstofftherapie auch bei
anderen Patienten einen Erfolg zeige.
«Ich habe keine physiologische
Erklärung dafür.»
Prinzipiell sei es nicht unüblich, dass
kleine Kinder längere Zeit unter Wasser
überleben können, sagt Dodt. Insbesondere
dann, wenn das Wasser kalt sei. Der Pool
von Edens Eltern hatte nur fünf Grad.
Laut Dodt ist es in Deutschland und
der Schweiz nicht etabliert, Hirnschäden
15 Minuten ohne Sauerstoff und wieder
gesund und munter. Geht das?
mit dieser speziellen Sauerstofftherapie zu
behandeln. Reinen Sauerstoff mit Überdruck
bekämen hierzulande Menschen mit
einer Kohlenmonoxid-Vergiftung – allerdings
sofort und nicht Wochen später.
28 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 RATGEBER DEPRESSION
MEDIZIN SAUERSTOFFTHERAPIE SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 29
Info
Akuter Durchfall führt zu beträchtlichen
Erwerbsausfällen
Magen-Darm-Erkrankungen führen hierzulande zu beträchtlichen
Erwerbsausfällen und verursachen hohe volkswirtschaftliche
Kosten. Zu diesem Schluss kommt eine Studie
des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts
(Swiss TPH) und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).
Jedes Jahr suchen 175‘000 Menschen hierzulande hausärztliche
Hilfe wegen einer akuten Durchfallerkrankung auf.
In neun von zehn Fällen fehlen sie danach bei der Arbeit. Das
ist das Resultat einer gemeinsamen Forschungsarbeit des
Swiss TPH und des BAG, die in der Fachzeitschrift «Infection»
veröffentlicht wurde.
Das Forscherteam wertete die Daten des Sentinella-Meldesystems
für das Jahr 2014 aus. Es sei erstaunlich,
dass bei akutem Durchfall so wenig Prävention betrieben
werde, wird die Erstautorin Claudia Schmutz zitiert. Die
Studie zeige, dass Durchfall zu etwa gleich vielen Arztkonsultationen
führe wie die Grippe während der Grippesaison.
In vielen Fällen ist laut der Studie unklar, welche Erreger
die akute Erkrankung verursachen. Denn nur bei rund
zehn Prozent der Personen veranlassten Hausärzte eine
Stuhluntersuchung. Als häufigster Erreger wurden Campylobacter-Bakterien
diagnostiziert.
Für die Kranken sei es zwar oft unwichtig, ob virale oder
bakterielle Keime die Erkrankung hervorgerufen hätten.
Laut Schmutz ist diese Information aber für den Aufbau von
nationalen Präventionsmassnahmen unerlässlich.
Ein weiterer Befund überraschte die Forscher: Die
meisten Arztkonsultationen aufgrund von Magen-Darm-
Erkrankungen kämen im Januar und Februar vor. Die Studienautoren
hatten eher eine Zunahme während der Grillsaison
im Sommer erwartet.
Forscher mahnen zu
vorsichtigem Umgang mit
Gentechnik am Embryo
Elf grosse Wissenschaftsorganisationen haben sich für eine
vorsichtige, aber engagierte Herangehensweise bei der
gentechnischen Veränderung menschlicher Embryonen
ausgesprochen. Einen solchen Embryo in eine Frau einzusetzen
und somit eine Schwangerschaft herbeizuführen, sei
«derzeit unangemessen», schrieben die Organisationen im
Fachblatt «The American Journal of Human Genetics».
Es gebe aber keinen Grund, eine Genveränderung im
Reagenzglas «mit angemessener Aufsicht und Zustimmung»
zu verbieten. «Während die Grundlagenforschung
zur Bearbeitung von Genen in den kommenden Jahren voranschreiten
wird, fordern wir alle Beteiligten dazu auf, diese
wichtigen ethischen und sozialen Diskussionen zusammenzuführen»,
so Kelly Ormond von der Stanford University.
Die Erklärung wurde unter anderem unterzeichnet von
der American Society of Human Genetics, der Canadian
Association of Genetic Counsellors und der International
Genetic Epidemiology Society. Auch länderübergreifende
asiatische Verbände sowie solche aus Grossbritannien und
Südafrika schlossen sich an. Die Organisationen gehen
zwar nicht direkt auf die kürzlich veröffentlichte Studie ein,
in der Forscher einen Gendefekt in befruchteten Eizellen repariert
hatten, sie verweisen aber explizit auf die Möglichkeiten
und Gefahren, die durch die genutzte Genschere
CRISPR/Cas9 entstanden sind.
Sterben kostet
in lateinischer Schweiz mehr
als in Deutschschweiz
Sterben kostet in der Romandie und im Tessin mehr als in
der Deutschschweiz. Das Jahr vor dem Tod ist in der lateinischen
Schweiz im Schnitt um etwa zwanzig Prozent teurer,
wie eine Nationalfonds-Studie zeigt.
In der Romandie und im Tessin sterben mehr Menschen
im Spital und weniger zu Hause oder in einem Heim als in der
Deutschschweiz. Dies könnte ein Grund für die höheren Kosten
am Lebensende sein, wie der Schweizerische Nationalfonds
in einer Mitteilung zur Studie am Donnerstag schreibt.
Wo es mehr ambulant behandelnde Ärzte und Pflegeheime
habe, sinke die Wahrscheinlichkeit, im Spital zu
sterben, wird Erstautor Radoslaw Panczak vom Institut für
Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern im Communiqué
zitiert. Dies zeige ein Vergleich der Regionen von
Yverdon und Neuenburg: Neuenburg habe bereits früh starke
Spitex-Strukturen aufgebaut – und dort seien die durchschnittlichen
Kosten am Lebensende nur halb so hoch wie
in der angrenzenden Region Yverdon.
Ein weiterer möglicher Grund für die regionalen Unterschiede
sei, dass französischsprachige Fachleute Schmerzen
eher aggressiv behandelten, wie eine Erhebung unter
Schweizer Ärzten zeige. Sie seien auch weniger als ihre
deutschsprachigen Kollegen gewillt, auf Wunsch der Angehörigen
auf therapeutische Massnahmen zu verzichten.
Die Nationalfonds-Studie zeigt zudem, dass die letzten
Lebensjahre von Männern teurer sind als jene von Frauen.
Die meisten Frauen sterben später als Männer und verwitwet
– die Medizin kämpfe deshalb vielleicht weniger um ihr
Leben als einige Jahre zuvor noch um das Leben ihrer Männer,
mutmassen die Forscher.
Die Daten würden dies jedoch nicht belegen. «Unsere
Resultate weisen lediglich auf Unterschiede hin. Darüber,
wie diese Unterschiede zustande kommen, kann nur spekuliert
werden», wird Panczak in der Mitteilung zitiert.
Die Studie im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms
«Lebensende» untersuchte die Daten von mehr
als 113‘000 Erwachsenen, welche zwischen 2008 und 2010
starben und bei einer von sechs grossen Krankenkassen
versichert waren. Die Krankenkassen stellten den Forschenden
die anonymisierten Daten zur Verfügung.
Die Analyse zeigt, dass die von den Krankenkassen verrechneten
Kosten im letzten Lebensjahr generell stark ansteigen.
Deren Höhe unterscheidet sich aber von Fall zu Fall:
So kostet etwa die Behandlung von Krebspatienten mehr als
jene von Unfallopfern oder Opfern von Herzversagen.
Forscher entfernen erstmals defektes
Gen aus Embryo – kommt
jetzt das «Designer-Baby»?
Forscher korrigierten mithilfe der Genschere Crispr-Cas9
eine Mutation, die zu Herzmuskelverdickung (Hypertrophe
Kardiomyopathie) führt. Andere Erbgut-Teile seien dadurch
nicht geschädigt worden, wie sie im Magazin «Nature»
betonen.
Mit dem Verfahren könne man eines Tages Tausende
Erbkrankheiten verhindern, schreibt das Team um Shoukhrat
Mitalipov von der Oregon Health and Science University
in Portland. Die Embryonen wurden nach wenigen Tagen
zerstört.
Menschliche Embryonen wurden schon mehrfach genetisch
verändert: So wurden unter anderem Studien aus China
bekannt, in denen Forscher versucht hatten, Erbgut mithilfe
von Crispr-Cas9 zu reparieren – allerdings mit weniger
guten Resultaten. Britische Forscher hatten bereits 2008
einen Embryo mit dem Erbgut von drei Eltern geschaffen.
Die Forscher injizierten nun Spermien eines Mannes
mit der Erbgut-Mutation in eine Eizelle zusammen mit der
Genschere Crispr-Cas9, die den Erbgut-Doppelstrang an
der mutierten Stelle aufschneiden sollte: Knapp drei Viertel
(72,4 Prozent) der 58 Embryonen in der Studie trugen die
krankhafte Mutation später nicht mehr.
«Die Verfahren zur Genom-Editierung müssen optimiert
werden, bevor klinische Anwendungen erwogen werden»,
schreibt das Autorenteam. Generell entwickelten sich
die Embryonen jedoch normal.
«Dennoch gibt es eine klare Notwendigkeit, sicherzustellen,
dass solche Strategien keine anderen schädigenden
Wirkungen auf den sich entwickelnden Embryo und
sein Genom haben», schreiben Nerges Winblad und Fredrik
Lanner vom Stockholmer Karolinska-Institut in einem
«Nature»-Kommentar. (sda)
30 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 INFO NATIONAL & INTERNATIONAL
INFO NATIONAL & INTERNATIONAL SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 31
Methadon, der neue
Krebskiller?
Klinische Studien zum Einsatz von Methadon bei Krebs könnten einen Durchbruch in
der Krebsforschung bestätigen. Die Pharmaindustrie hat aber kein Interesse daran.
PETER EMPL
Methadon, der Krebskiller!
Wie ein Lauffeuer verbreitet
sich diese Kunde, seit das
deutsche Fernsehen im
Sommer über angebliche
Heilungserfolge berichtet hat. Seit Monaten
schwappt eine hitzige Debatte über die
Wirkung von Methadon bei Krebs durch
die Medien. SRF brachte diverse Radiound
Fernsehbeiträge, für Betroffene steigt
die Hoffnung auf «Heilung». Die «Frankfurter
Allgemeine» widmete dem Thema
in einer der letzten Ausgaben eine ganze
Seite und liess diverse Fachleute zu Wort
kommen. Die Ulmer Molekularbiologin
Claudia Friesen sagt in diesem Artikel
(und diversen Beiträgen im Schweizer
Rundfunk), Methadon solle die Chemotherapie
effizienter machen und so ein längeres
Überleben ermöglichen. Die Chemikerin
entdeckte vor zehn Jahren zufällig, dass
im Labor gezüchtete Leukämie-Zellen zugrunde
gingen, wenn sie mit Methadon in
Kontakt kamen.
Im April dieses Jahres berichtete
schliesslich dann das deutsche Fernsehen
über dieses angebliche Heilsversprechen
und löste damit einen riesigen Hype aus;
die Nachricht verbreitet sich in Windeseile
über die sozialen Medien. Konkret vertritt
die Chemikerin Friesen die Ansicht, dass
Methadon die Wirkung einer Chemotherapie
verstärke und deshalb zu einer Behandlung
hinzugefügt werden sollte. Dies gelte
zumindest für Gliome, einem gefährlichen
Hirntumor mit schlechter Prognose, und
anderen Tumorerkrankungen. Allerdings
fehlen qualitativ hochwertige, klinische
Studien, die Friesens Ansicht bestätigen.
Die Chemikerin könne nur auf Zellkulturen
und Tierexperimente verweisen sowie
auf einige Patienten, die mit einer Kombination
aus Methadon und einer Chemotherapie
erfolgreich behandelt worden seien,
stellt die «Frankfurter Allgemeine» fest.
Und relativiert weiter, es sei nicht klar, ob
dieser Behandlungserfolg – wie immer er
auch im Einzelnen aussehen möge – auf
die alleinige Wirkung der Chemotherapie
zurückzuführen ist oder auf die ergänzende
Wirkung des Methadons.
Die neue Therapie weckt hohe Erwartungen für Betroffene.
Wunderheilung versus Skepsis
Das unabhängige Informationsportal «Infosperber»
führt eine Patientin auf, die
durch Methadon «geheilt» wurde: Bei der
Patientin Sabine Kloske wurde vor mehr
als zwei Jahren ein Glioblastom diagnostiziert.
Dieser schnell wachsende, bösartige
Hirntumor gilt derzeit als unheilbar. Die
Ärzte sagten der damals 36-Jährigen, sie
habe nur noch etwa 15 Monate zu leben.
Doch es kam anders: Seit mehr als zwei
Jahren ist der Tumor nicht zurückgekehrt.
Sabine Kloske führt dieses Wunder auf
Methadon zurück. Zusätzlich zur Chemotherapie
nimmt sie zweimal täglich 35
Tropfen davon und ist voller Zuversicht.
«Ich bin wieder da. Ich kann weiterleben
und muss nicht sterben.»
Was fehlt, ist eine randomisierte klinische
Studie zur Wirkung einer Chemotherapie
mit und ohne Methadon. Nur: Wer
soll eine solche Studie bezahlen? Als extrem
günstiger Wirkstoff ohne Patentschutz
hätten Pharmafirmen kein Interesse
daran, Methadon als Anti-Tumor-Medikament
zu entwickeln, stellt auch die «Frankfurter
Allgemeine» fest. Wäre die Substanz
tatsächlich ein potentielles Wundermittel
gegen Krebs, würde das vorerst gar niemand
erfahren, weil es nicht in klinischen
Studien geprüft wird, da sich damit kein
Geld verdienen lässt.
Die enorme Berichterstattung über das
Thema hat dazu geführt, dass viele Krebskranke
mit Methadon behandelt werden
wollen. Einige scheinen ihre Chemotherapie
sogar ganz zugunsten des Methadons
aufgeben zu wollen – zumindest in
Deutschland. Aufgrund des enormen Interesses
hat die Charité Universitätsmedizin
Berlin nun versucht, rückwirkend Daten zu
sammeln. Dazu wurden die Krankenakten
von 27 Gliom-Patienten nachträglich ausgewertet.
Diese Patienten hatten zwei bis
achtzehn Monate lang neben ihrer Chemotherapie
Methadon im Rahmen eines
individuellen Heilversuchs erhalten.
Als Vergleich diente eine historische
Kontrollgruppe, die kein Methadon erhalten
hatte. In der retrospektiven Studie
zeigten beide Patientengruppen keinen statistisch
signifikanten Unterschied beim
Überleben ohne Rückfall. Die «Frankfurter
Allgemeine» fügt an: «Bei der Auswertung
wurden ohnehin nur zwölf der 27
Patienten berücksichtigt, und zwar jene,
deren Gliom zum ersten Mal behandelt
worden war und die noch keine fehlgeschlagene
Behandlung hinter sich hatten.
Zu den Nebenwirkungen gehörten
Übelkeit, Verstopfung, Angst und Schläfrigkeit.»
➜
32 ALTA VISTA SEPTEMBER 2017 ANALYSE METHADON GEGEN KREBS
ANALYSE METHADON GEGEN KREBS SEPTEMBER 2017 ALTA VISTA 33
Methadon scheint das neue Krebsmittel der Stunde zu sein. Experten bleiben skeptisch.
Methadon einfach mal probieren
Dennoch: Die Frage, die viele umtreibt,
lautet: Wenn die Substanz ohnehin für die
Behandlung von Tumorschmerzen zugelassen
ist, warum sollte sie dann nicht verordnet
werden, in der Hoffnung, dass sie neben
den Schmerzen auch den Tumor vertreibt?
Es gibt zwei Gründe: Patienten dürfen keinem
unkontrollierten Experiment ausgesetzt
werden, und als hochpotentes Medikament
ist Methadon auch gefährlich. In
der Schweiz gibt es klare Regeln für die
Verordnung eines Wirkstoffs. Wirksamkeit
und Unbedenklichkeit müssen für die entsprechende
Anwendung geprüft worden
sein. Eine solche Prüfung gibt es für die
potentielle Anti-Tumor-Wirkung des Methadons
nicht, und niemand kann vorhersehen,
wie sie ausgehen würde, wenn es entsprechende
Studien gäbe. Eine Verordnung
ohne Zulassung, ohne klaren, evidenzbasierten
Beleg für die Wirksamkeit eines
Medikaments in dieser Indikation und
ohne Einbindung in eine klinische Studie
macht Patienten zu Versuchskaninchen.
Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften
lassen keinen Zweifel daran, dass
die derzeitige Datenlage nicht ausreicht,
um damit individuelle Heilversuche ausserhalb
der bestehenden Zulassungen für
Methadon zu rechtfertigen. Ähnlich kritisch
äusserte sich Roger von Moos, Chefarzt
Onkologie am Kantonsspital Graubünden
und Präsident der Schweizerischen
Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung
SAKK, im «Tagesgespräch» von
Radio DRS. Der Schweizer Onkologe hält
es für höchst problematisch, Methadon in
der Krebstherapie einzusetzen, bevor die
Wirksamkeit der Substanz klinisch erprobt
sei. Auch er warnt vor überzogenen Hoffnungen
und möglichen Nebenwirkungen.
Das unabhängige News Portal «Infosperber»
gibt zu diesem Beitrag aber zu bedenken:
«Über mögliche Interessenkonflikte
des Onkologen mit der Pharmaindustrie
informierte das Radio nicht.»
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