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heimat w 3828 fx - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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HÖH ENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

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Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />

32. Jahrgang Nr. 1/März 1982<br />

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Zwei Meter unter dem Boden der St. Michaelskirche in Gammertingen wurden diese tausend Jahre alten Adelsgräber gefunden.<br />

Auf den Spuren der Grafen von Gammertingen<br />

Die Grafen von Gammertingen sind ein sehr frühes Hochadelsgeschlecht,<br />

das bisher fast nur durch schriftliche Uberlieferung,<br />

vor allem durch die Zwiefalter Chronisten bekannt<br />

war. Die Familie hatte eine sehr vornehme Verwandtschaft;<br />

so war Graf Ulrich II. mit einer Zähringer Herzogstochter<br />

verheiratet. Aber auch dessen Mutter, Gräfin Adelheid kam<br />

aus einer feinen Familie, sie war eine Gräfin von Dillingen.<br />

Ihr Bruder war Bischof Ulrich von Konstanz, der auch in der<br />

Reichspolitik eine Rolle spielte.<br />

Die Grafen von Gammertingen waren sehr reich. Gräfin<br />

Adelheid baute aus eigenen Mitteln das Frauenkloster Zwiefalten,<br />

von dem heute nur noch die Klosterkirche steht. Den<br />

Grafen von Gammertingen gehörte auch das Oberengadin<br />

mit St. Moritz, Pontresina und Zuoz. Dort in Zuoz steht der<br />

mächtige Wohnturm der Grafen von Gammertingen, dessen<br />

Mauern die Jahrhunderte überstanden haben. Seit dem Aussterben<br />

der Grafen von Achalm, gehörte auch die Burg<br />

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Achalm den Grafen von Gammertingen. Schon nach drei<br />

Generationen, um 1150 starb auch diese Familie aus. Ihr Erbe<br />

wurde geteilt, die spätere Herrschaft Gammertingen-Hettingen<br />

kam in die Hände der Grafen von Veringen.<br />

In Gammertingen selbst gab es bis vor kurzem keinerlei<br />

Hinweise auf die Grafen von Gammertingen. Nach dem<br />

Bericht des Zwiefalter Chronisten Ortlieb hatten sie bei<br />

Gammertingen eine Eigenkirche. Zwei Töchter der Familie<br />

schenkten dem Kloster Zwiefalten das Dorf Baldenstein mit<br />

11 Höfen und einer Mühle. Niemand ahnte, wo die Kirche<br />

oder das Dorf einst lagen.<br />

Schon vor 19 Jahren wurde damit begonnen, das »Alte<br />

Schloß« über dem Fehlatal auszugraben, das sich alsbald als<br />

der vermißte Sitz der Grafen von Gammertingen erwies.<br />

Einige Zeit später wurden auch Namen und Ort Baldenstein<br />

wieder entdeckt. Die Funde von den Ausgrabungen seit 1963<br />

wurden teilweise erst in den letzten beiden Jahren von Frau


Dr. Barbara Scholkmann aus Tübingen bearbeitet. Sie berichtete<br />

im Januar 1982 in einem Vortrag über die Ergebnisse<br />

ihrer Arbeit, welche im Lauf des Jahres 1982 im Thorbecke-<br />

Verlag als Buch erscheinen werden.<br />

Ein Beschluß des Gammertinger Pfarrgemeinderates, die St.<br />

Michaelskirche zu renovieren, gab Anstoß zu einer weiteren<br />

Grabung in Gammertingen. Von April bis November 1981<br />

wurde der Innenraum der Kirche ausgegraben. Es zeigte sich,<br />

daß der heutige Kirchenbau der vierte an dieser Stelle ist. Die<br />

erste Kirche geht vor das 11. Jahrhundert zurück; es stand<br />

hier aber nicht nur eine Kirche, sondern die Kirche gehörte zu<br />

einem frühmittelalterlichen Herrenhof. Einige Begräbnisse<br />

dieser Herren wurden gefunden. Nach dem Bau der Burg<br />

Baldenstein entstand statt des alten Kirchleins eine stattliche<br />

Kirche mit einem südlichen Seitenschiff. Die starken Mauern<br />

dieser Kirche, welche abgebrannt ist, bilden teilweise das<br />

Fundament der heutigen Kirche. Im Lauf des Jahres 1982 soll<br />

nochmals außerhalb der Kirche gegraben werden, um eventuell<br />

weitere Uberreste des Herrenhofes zu finden. B.<br />

Burg Baldenstein,<br />

Sitz der Grafen von Gammertingen<br />

Im Januar 1982 hielt Frau Dr. Scholkmann im Rahmen der<br />

Veranstaltungen des Alemannischen Institutes Tübingen<br />

einen Vortrag über das »Alte Schloß« bei Gammertingen.<br />

Dabei wurde deutlich, daß die Ausgrabungsergebnisse in der<br />

mittelalterlichen Archäologie einen besonderen Rang einnehmen.<br />

Das »Alte Schloß« ist keineswegs eine längst bekannte Burgstelle,<br />

es wurde vielmehr im Lauf der letzten 50 Jahre Stück<br />

für Stück entdeckt. Erstmals berichtete Johann Adam Kraus<br />

1933 in den Blättern des Schwäbischen Albvereins über die<br />

Reste einer Burg. Im gleichen Jahr gruben einige Leute unter<br />

Leitung von Oberlehrer Josef Wiest und Professor Laur<br />

(Landeskonservator) auf dem Felsen über dem Fehlatal. Zu<br />

Tage kamen Mauerzüge, Scherben und Knochen. Die Funde<br />

gingen verloren, die ganze Geschichte geriet fast in Vergessenheit.<br />

Erst 30 Jahre später erwachte erneut das Interesse. Hauptmann<br />

Georg Bodin begann 1963 im Rahmen einer Feldübung<br />

mit seinen Soldaten, die Burgruine auszugraben. In den<br />

Jahren 1964 und 1965 wurden die Grabungen fortgesetzt. Die<br />

wissenschaftliche Leitung hatte Dr. Wein. Die Schachfiguren<br />

und Spielsteine, die damals gefunden wurden, erregten einiges<br />

Aufsehen und wurden auch bei der großen Stauferausstellung<br />

1977 in Stuttgart gezeigt.<br />

Die weitere Bearbeitung der Funde war seinerzeit unterblieben.<br />

Erst vor etwa zwei Jahren regte Bürgermeister Erwin<br />

Hirschle beim Landesdenkmalamt die Fortführung der Forschungen<br />

über das »Alte Schloß« an. Dr. Barbara Scholkmann<br />

wurde mit der Bearbeitung des Fundmaterials beauftragt.<br />

Sie konnte nun über die Ergebnisse berichten. Die<br />

Burgruine »Altes Schloß«, der auch der ursprüngliche Name,<br />

nämlich »Burg Baldenstein«, wiedergegeben werden konnte,<br />

ist eine der ältesten Anlagen im Lande. Alles weist darauf hin,<br />

daß die Burg schon im 11. Jahrhundert entstand. Den Kern<br />

der Anlage bildete ein großer Wohnturm, um den sich<br />

zunehmend Wirtschaftsgebäude und Befestigungsanlagen<br />

gruppierten. Die Burg lag auf einem Sporn über dem Fehlatal,<br />

durch einen Halsgraben gegen die Hochfläche gesichert.<br />

Ganz ausgegraben ist bisher nur der, schon genannte Wohnturm,<br />

während der größere Teil der Burg noch unter Schutt<br />

und Trümmern liegt.<br />

2<br />

An die Bezieher der Hohem. Heimat!<br />

Seit 1979 zieht die Post keine Abo-Gelder mehr ein.<br />

Die meisten unserer Leser haben einen Abbuchungsauftrag<br />

erteilt und das Bezugsgeld wird regelmäßig<br />

abgebucht. Wer keinen Abbuchungsauftrag erteilt<br />

hat, wird gebeten, das Bezugsgeld von DM 6.- für das<br />

Jahr 1982 auf eines der unten genannten Konten zu<br />

überweisen. Alle, die seit 1979 nichts mehr bezahlt<br />

haben (weil sie nicht darum gebeten wurden), mögen<br />

bitte DM 18.- einzahlen oder überweisen. Besten<br />

Dank im Voraus.<br />

Die Hohenz. Heimat hat folgende Konten:<br />

Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

(BLZ 65351050) Nr. 802507<br />

Postscheckkonto Stuttgart<br />

123 63-707<br />

An der Ostseite des Wohnturmes wurde später eine schiffsbugförmige<br />

Mauer angesetzt, die der Verstärkung der Befestigung<br />

diente. Der Wohnturm muß ein stattliches, mehrstöckiges<br />

Gebäude gewesen sein, wohl mit Schindeln und<br />

Stroh gedeckt, denn es fand sich nirgends eine Spur von<br />

Dachziegeln. Diese ganze Anlage wurde durch einen Brand<br />

zerstört. Ob es sich dabei um eine Zerstörung durch »Feindeinwirkung«<br />

handelte, oder um ein »gewöhnliches« Feuer,<br />

läßt sich nicht mehr sicher entscheiden. Wahrscheinlicher ist<br />

ein »normales« Feuer, weil keine Pfeilspitzen und andere<br />

Waffenreste, die auf eine kriegerische Einnahme hindeuten,<br />

gefunden wurden.<br />

Erst einige Jahre nach der Ausgrabung der Burgruine, wurde<br />

der Name der Burg und der zugehörigen Siedlung gefunden.<br />

Bei den Zwiefalter Chronisten war ein Dorf Baldenstein<br />

genannt worden, das Töchter der Grafen von Gammertingen<br />

dem Kloster schenkten. Johann Adam Kraus fand einige<br />

Nennungen dieses Namens in Urkunden, die zur großen<br />

Überraschung zeigten, daß Baldenstein im Fehlateil lag.<br />

»Unten an Baldenstein«, das konnte sich nur auf die Burg<br />

beziehen. Noch zu Anfang des 14. Jahrhunderts gab es einen<br />

Baldensteiner Hof, der im Besitz des Klosters Zwiefalten<br />

war.<br />

Die nächste Frage ist die nach den Besitzern der Burg.<br />

Hierfür kommen nach Lage der Dinge nur die Grafen von<br />

Gammertingen in Frage. Nur ein Hochadelsgeschlecht war<br />

im 11. Jahrhundert in der Lage, sich so eine Burg zu leisten.<br />

In der auf den Vortrag folgenden Diskussion wurde die Frage<br />

gestellt, warum sich das Grafengeschlecht gerade nach dem<br />

Dorf Gammertingen genannt habe. Diese Frage konnte leicht<br />

mit einem Hinweis auf die, noch nicht abgeschlossenen<br />

Grabungen bei der St. Michaelskirche, beantwortet werden.<br />

Hier saß schon vor dem Jahr 1000 eine Adelsfamilie, die sich<br />

in der eigenen Kirche ein Erbbegräbnis leistete. Auch die<br />

Frage, warum man die Burg nun ausgerechnet auf den Felsen<br />

über dem Fehlatal baute, läßt sich nur soweit beantworten,<br />

daß dieser Platz für die Anlage einer Burg der nächste und<br />

geeignetste war. Da den Grafen von Gammertingen später<br />

bessere Burgen, wie z. B. die Achalm zur Verfügung standen,<br />

wurde Baldenstein schon früh wieder aufgegeben.<br />

Für das Leben auf der Burg hat Dr. Barbara Scholkmann


viele, teilweise überraschende Zeugnisse gefunden. Die zahlreichen<br />

Keramikscheiben sind drei Arten zuzurechnen. Ein<br />

»gewöhnliches« Küchengeschirr, das vielleicht ganz in der<br />

Nähe hergestellt wurde, eine bessere Keramik, die ganz auf<br />

der Töpferscheibe gedreht ist und wenige Stücke eines feineren<br />

»Tafelgeschirres«. Im übrigen bestätigt die vorkommende<br />

Keramik die bisher bekannte Daten der Burg von der<br />

Mitte des 11. bis ins 12. Jahrhundert.<br />

Einen Einblick in den Speisezettel der Burgbewohner geben<br />

die gefundenen Tierknochen. Wer glaubt, die Herren Grafen<br />

hätten sich vorwiegend von Jagdbeute ernährt, irrt gewaltig.<br />

Weit an der Spitze liegen die Knochen vom Schwein, mit<br />

Abstand gefolgt von Schaf, Ziege und Rind. Nur ganz<br />

spärlich vertreten sind Rothirsch, Hase und Gemse.<br />

Die ritterliche Beschäftigung der Burgherren zeigt sich in den<br />

Fundstücken von Pferdegeschirr und Reitzubehör, darunter<br />

ein besonders schönes Beschlagstück. Erwähnenswert ist<br />

auch ein sehr schönes Messer mit verziertem Griff aus<br />

Rothirschgeweih. Andere Reste des Hauswesens sind Schlüssel,<br />

Schloßteile, Beschlagteile usw. Als Beweis für handwerkliche<br />

Tätigkeit fand sich ein Teil eines Spiralbohrers.<br />

Was bisher von den Funden der Burg Baldenstein bekannt<br />

war, sind vor allem die Schachfiguren und die Spielsteine. Da<br />

die Schachfiguren eine rein arabische Form zeigen, hat man<br />

bisher annehmen können, daß sie wohl auch aus dem Süden,<br />

vielleicht aus Spanien, stammen könnten. Dem ist aber nicht<br />

so, denn die Materialuntersuchung ergab, daß die Schachfiguren<br />

aus Rentiergeweih angefertigt sind. Dies lenkt den<br />

Blick nun nach Norden, Dr. Barbara Scholkmann glaubt, daß<br />

die Wikinger, die bis in den Orient vorgestoßen sind, die<br />

Vermittler gewesen sein könnten. Die größere Zahl der<br />

Schachfiguren ist zwar in der Form diesem Spiel angepaßt,<br />

jedoch aus Rothirschgeweih geschnitzt. Wahrscheinlich wurden<br />

sie auf der Burg selbst angefertigt.<br />

Noch wertvoller als die Schachfiguren sind die auf Burg<br />

Baldenstein gefundenen Spielsteine. Es sind drei verschiedene<br />

Sätze. Auch hier wieder primitiv angefertigte Ersatzstücke<br />

HANS SPEIDEL<br />

Die Hohenzollerische Heimatbücherei<br />

Die Hohenzollerische Heimatbücherei nahm ihren Ausgang<br />

vom Hechinger Gymnasium. Bei der Entlassungsfeier der<br />

Abiturienten im Jahre 1928 regte der damalige Studienrat<br />

Faßbender in einem Vortrag über »Heimatkunde und Heimatschutz«<br />

die Schaffung einer Hohenzollerischen Heimatbücherei<br />

an und zeigte die ersten Wege zu ihrer Verwirklichung.<br />

In einem von dem damaligen Direktor und dem<br />

Lehrerkollegium herausgegebenen Flugblatt, das Schüler und<br />

Heimatfreunde in Stadt und Land verteilten, wurden die<br />

Eltern der Schüler und alle Gönner der Anstalt gebeten,<br />

Bücher und Druckschriften über Hohenzollern und seine<br />

Nachbargebiete der Schule zur Verfügung zu stellen. Auch<br />

Bilder, alte Stiche und Karten aus dem zollerischen Raum<br />

seien willkommen. Das Gesammelte werde - so das Flugblatt<br />

- in einer Heimatbücherei zusammengestellt, die in erster<br />

Linie Lehrern und Schülern als Grundlage für den Heimatkunde-Unterricht<br />

dienen solle. Darüber hinaus werde sie<br />

aber auch Heimatfreunden durch Vermittlung des Lehrkörpers<br />

zugänglich sein. Die sachgemäße Aufbewahrung und<br />

Verwaltung übernahm die Schule. Dem Aufruf des Gymnasiums<br />

war ein großer Erfolg beschieden. Durch Geschenksendungen<br />

von vielen Seiten kamen binnen Jahresfrist über<br />

und Stücke von hervorragender Qualität. In einem Spielsatz<br />

standen Vögel vierbeinigen Tieren gegenüber. Die Steine sind<br />

auf eine Geweihscheibe geschnitzt. Die größte Kostbarkeit<br />

ist ein Spielstein, der größer als die übrigen, zweiseitig<br />

geschnitzt wurde. Eine Seite zeigt einen Löwen, die andere<br />

zwei geflügelte Drachen, die sich in den Schwanz beißen. Die<br />

Spielsteine von Baldenstein sind das Beste und Schönste, was<br />

im süddeutschen Raum an verzierten Spielsteinen gefunden<br />

wurde.<br />

Den soeben gebrauchten Superlativ hätte man besser für die<br />

nun folgende Gruppe von Funden aufbewahrt, nämlich die<br />

Gläser. Bei den Ausgrabungen auf Burg Baldenstein wurde<br />

auch eine Anzahl kleiner Glasscherben gefunden. Schon das<br />

Vorkommen von Glasscherben in einer Burg aus dem 11. /12.<br />

Jahrhundert ist eine absolute Rarität. Dr. Barbara Scholkmann<br />

konnte zwei verschiedene Arten feststellen, eine dickwandige,<br />

hellgrüne und in der Glasmasse ziemlich verunreinigte<br />

Sorte. Diese entspricht wohl der in Europa damals noch<br />

recht einfachen Herstellungsweise von Glaswaren. Etwas<br />

ganz Besonderes sind jedoch Scherben von einem leuchtend<br />

blauen, ganz reinen Glas. Aus den Scherben lassen sich drei<br />

Gefäße rekonstruieren: Eine Flasche und drei Trinkgefäße.<br />

Europäische Glasgefäße, die lange Zeit im Boden lagen, sind<br />

oft angegriffen, weil sie mit Pottasche (Kalium) hergestellt<br />

wurden. Ganz anders orientalische Gläser, die mit Soda<br />

(Natrium) hergestellt sind. Sie kommen völlig unbeschädigt<br />

aus dem Boden. Teilweise sind sie kaum einen Millimeter<br />

dick. Alle Gefäße sind mit einem aufgeschmolzenen weißen<br />

Glasfaden verziert. Gläser von solcher Qualität wurden<br />

bisher aus dieser Zeit noch nicht gefunden.<br />

So stellt sich natürlich die Frage nach der Herkunft. In Frage<br />

kommen der arabische Raum und Byzanz, wobei es aber an<br />

Vergleichsmaterial fehlt. Man muß sich nur die ungeheuren<br />

Entfernungen vorstellen, über die diese zerbrechlichen Kostbarkeiten<br />

transportiert werden mußten, um abschätzen zu<br />

können, wie wertvoll diese Gegenstände für ihre Besitzer<br />

waren. So läßt sich an relativ wenigen Fundstücken der hohe<br />

soziale Rang und der Reichtum der ehemaligen Bewohner<br />

von Burg Baldenstein zeigen. B.<br />

in Hechingen<br />

tausend Bücher und Broschüren zusammen. Weitere<br />

Anschaffungen konnten durch Geldspenden getätigt werden.<br />

Eine wesentliche Bereicherung erhielt die Bücherei im Jahre<br />

1930 durch die »Senn'sche Stiftung«. Die aus Hechingen<br />

gebürtigen Geschwister Dr. med. Ernst Senn aus Konstanz<br />

und Frau Irene Wiedel-Senn, damals in Berlin wohnhaft, die<br />

beide seit Jahren alles ihnen Erreichbare, was irgendwie<br />

zollerisch war, zusammengetragen hatten, stellten ihr gesamtes<br />

gesammeltes Material der Bücherei zur Verfügung. Sie<br />

gaben auch wertvolle Hinweise auf die weitere Ausgestaltung<br />

der Bücherei. So wurden auf ihre Anregung auch Arbeiten<br />

hohenzollerischer Autoren, Dissertationen und Berichte von<br />

Behörden und Vereine darin aufgenommen. Als besonders<br />

wertvoll erwies sich die Sammlung von Zeitungsausschnitten<br />

über wichtige Ereignisse im Land und in den Gemeinden<br />

sowie über hohenzollerische Persönlichkeiten. Die damals<br />

begonnene Anlegung von Mappen über solche Einzelthemen,<br />

die laufend ergänzt wurden, sind heute eine wichtige<br />

Hilfe für die Heimatforschung.<br />

Einen neuen sehr wertvollen Zuwachs brachte der im Aufbau<br />

befindlichen Heimatbücherei der Beschluß der Generalver-<br />

3


Sammlung des Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong>s vom<br />

Jahre 1933. Durch diesen Beschluß wurde die Verwaltung der<br />

<strong>heimat</strong>kundlichen Bestände der Bibliothek des <strong>Geschichtsverein</strong>s<br />

einschließlich des Zeitschriftentauschverkehrs der<br />

Heimatbücherei übertragen. Der Generalversammlung war<br />

ein heftiger Pressestreit zwischen dem damaligen fürstlichen<br />

Archivar Dr. Hebeisen und Dr. Senn vorausgegangen, wobei<br />

sich letzterer vor allem wegen der unzulänglichen Unterbringung<br />

der Vereinsbücherei in Sigmaringen für die Zusammenlegung<br />

mit der Heimatbücherei in Hechingen einsetzte.<br />

In den Jahren vor dem zweiten Weltkrieg konnte die Hohenzollerische<br />

Heimatbücherei wesentlich ausgebaut werden.<br />

Der Kreis und die Stadt Hechingen gaben ihr zur Beschaffung<br />

von Büchern jährliche Zuschüsse. Aus Nachlaßbeständen<br />

von Geistlichen und Lehrern, von Behörden und Privaten<br />

kamen Zuwendungen. Dabei war der im Jahr 1932 gegründete<br />

»Verband von Freunden der Landesbücherei«, deren<br />

Mitglieder landauf, landab für die Bücherei warben, eine<br />

wertvolle Hilfe. Auch aus den Beständen fürstlicher Bibliotheken<br />

(Fürstenberg, Thum und Taxis) wurde sie mit<br />

Schenkungen bedacht. Fürst Friedrich von Hohenzollern<br />

stiftete der Bücherei eine beachtliche Anzahl von Lithographien,<br />

Stichen und Fotos von Schlössern, Hoffesten und<br />

wichtigen Ereignissen vor allem aus der Stadt Sigmaringen.<br />

Durch diese Zugänge war die Bibliothek bereits vor dem<br />

Krieg auf der 3500 Katalognummern mit etwa 7500 Einzelstücken<br />

angewachsen.<br />

Während des zweiten Weltkriegs mußte die Hohenzollerische<br />

Heimatbücherei mehrmals auf Wanderschaft gehen. Das<br />

Hechinger Gymasium wurde im Herbst 1939 für die Luftwaffe<br />

beschlagnahmt, so daß auch die Heimatbücherei ihre<br />

Räume frei machen mußte. Etwa ein Jahr war sie dann in<br />

einem Raum des Hechinger Landgerichts untergebracht. Als<br />

der obere Teil des Gebäudes im September 1940 abbrannte,<br />

gelang es gerade noch, die Bücherei auszuräumen, bevor die<br />

vom Löschwasser durchnäßte Decke herunterfiel. Darauf<br />

fand die Bibliothek zunächst eine Notunterkunft in einer<br />

trockenen Scheune, die zu der von Dr. Faßbender bewohnten<br />

Mietwohnung Heiligkreuzstraße 19 gehörte. Dieser veranlaßte<br />

dann, daß zwei Dachkammern seiner Wohnung für die<br />

Bücherei beschlagnahmt wurden, und darin konnte sie dann<br />

bis zum Jahre 1952 untergebracht werden. Hier überstand sie<br />

auch den Krieg ohne wesentlichen Schaden. Bei der Besetzung<br />

durch die Franzosen wurden wohl einige Bücher und<br />

Landkarten beschlagnahmt. Die meisten davon konnten aber<br />

später wieder beschafft werden.<br />

4<br />

Studienrat Faßbender bekam 1964 das<br />

Bundesverdienstkreuz verliehen. Bürgermeister<br />

Bindereif gratuliert. In der<br />

Mitte Landrat Dr. H. Speidel, der<br />

Verfasser unseres Berichtes.<br />

Anfang der fünfziger Jahre ging Studienrat Faßbender auf die<br />

Suche nach einer endgültigen Bleibe für die von ihm aufgebaute<br />

und betreute Bücherei. Die Stadt Hechingen konnte<br />

ihm keinen Raum zur Verfügung stellen, da das alte Hechinger<br />

Rathaus damals wegen Einsturzgefahr geschlossen und<br />

die Stadtverwaltung im alten Schloß nur notdürftig untergebracht<br />

war. Auch das Gymnasium sah keine Möglichkeit für<br />

eine Unterbringung. Studienrat Faßbender wandte sich dann<br />

an den Landrat, der ihm nach Fertigstellung des damals<br />

geplanten neuen Kreisgebäudes einen geeigneten Raum in<br />

Aussicht stellte. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte die in Kisten<br />

verpackte Bücherei auf dem Speicher des alten Landratsamts<br />

in der Kaufhausstraße untergebracht werden.<br />

Nach dem Bezug des neuen Kreisgebäudes in der Heiligkreuzstraße<br />

im Jahre 1954 fand die Hohenzollerische Heimatbücherei<br />

in zwei ineinandergehenden Räumen im Obergeschoß<br />

der Kreisverwaltung eine geeignete und ausreichende<br />

Unterkunft. Die Stadt Hechingen stiftete die erforderlichen<br />

Regale. Nach dem Umzug erhielt die Bücherei auch<br />

neue bedeutsame Zugänge. So stellte Dr. Senn seine zweite in<br />

den Jahren vor dem Krieg zusammengetragene Privatsammlung<br />

mit vielen hunderten zum Teil sehr wertvollen Schriften<br />

und Bildern der Bücherei zur Verfügung. Aus dem Nachlaß<br />

seiner Schwester, Frau Wiedel-Senn, kamen gleichfalls nochmals<br />

wichtige Stücke. Aus Fräulein Maria Daiker, die Enkelin<br />

des bekannten Heimatdichters und Schriftstellers Ludwig<br />

Egler (HECHINGER CHRONIK!) stiftete Wertvolles aus<br />

dem Nachlaß ihres Großvaters. Sowohl der Hechinger Kreistag<br />

wie auch der Stadtrat besichtigten die neu eingerichtete<br />

Bücherei und zeigten sich über ihre Unterbringung und<br />

Anordnung sehr befriedigt und beeindruckt.<br />

Noch einmal mußte die Bücherei im Jahre 1961 einen Umzug<br />

in Kauf nehmen. Zwar blieb sie wie bisher in den Räumen der<br />

Kreisverwaltung, sie wurde aber auf Anregung des Landrats<br />

und mit Zustimmung von Studienrat Faßbender und Dr.<br />

Senn in den dem Landratsamt angegliederten im Jahre 1961<br />

fertiggestellten Neubau der Kaiserburg verlegt. Diese neue<br />

Unterbringung brachte für die Bücherei mehrere Vorteile. Sie<br />

erhielt für ihren inzwischen stark angewachsenen Bestand<br />

einen größeren etwa 50 Quadratmeter umfassenden Bibliotheksraum<br />

im Obergeschoß des Neubaus und - auf Wunsch<br />

von Faßbender - einen zweiten kleineren Arbeitsraum für<br />

den Verwalter. Später konnte ihr sogar noch ein weiterer<br />

Raum für die neu angelegte Zeitschriften- und Zeitungssammlung<br />

angegliedert werden. Wie vorteilhaft diese Verlegung<br />

der Bücherei im Jahre 1961 in das Nebengebäude war,


zeigt sich erst heute. Nachdem das Hauptgebäude infolge der<br />

Auflösung des Kreises Hechingen verkauft wurde, die »Kaiserburg«<br />

aber im Eigentum des neuen Zollern-Albkreises<br />

verblieb, besteht die Hoffnung, daß die Hohenzollerische<br />

Heimatbücherei in ihren bisherigen Räumlichkeiten, in<br />

denen sie jetzt über zwanzig Jahre be<strong>heimat</strong>et ist, auch<br />

weiterhin bleiben kann.<br />

Die Hohenzollerische Heimatbücherei umfaßt heute etwa<br />

17000 Bücher und Faszikel. Sie ist - wie es in der Satzung<br />

heißt - »eine wissenschaftliche hohenzollerische Spezialbücherei«,<br />

eine Sammlung der ȟber Hohenzollern handelnden<br />

und von hohenzollerischen Autoren verfaßten Literatur«.<br />

Dazu gehören neben Büchern und Sammelwerken auch<br />

Karten, Bilder, Fotografien, Handschriften und seit den<br />

letzten Jahren auch eine beachtliche Zeitungs- und Zeitschriftensammlung.<br />

Von großem Nutzen für die Heimatforschung<br />

sind auch die schon erwähnten Sammelmappen, in denen<br />

beachtenswertes Material über die hohenzollerischen<br />

Gemeinden, hohenzollerische Persönlichkeiten und über<br />

wichtige das Land berührende Ereignisse zusammengetragen<br />

wurde. Alle diese Bestände sind inventarisiert und durch eine<br />

Kartei nach Verfasser, Sachgebiet und nach Stichworten<br />

erschlossen und damit schnell auffindbar. Somit ist die<br />

Bücherei heute zu einer wichtigen Fundgrube für die Freunde<br />

der hohenzollerischen Heimatgeschichte geworden. Darüber<br />

hinaus bietet sie auch Studenten wertvolles Material für<br />

Dissertationen und Examensarbeiten.<br />

Bei der Verlegung der hohenzollerischen Heimatbücherei in<br />

das neue Kreisbebäude im Jahre 1954 war man bestrebt, diese<br />

auf eine neue Rechtsgrundlage zu stellen. Als »Bestandsbesitzer«,<br />

wie es in der Satzung heißt, werden der Kreis Hechingen,<br />

die Stadt Hechingen, das Gymnasium und der hohenzollerische<br />

<strong>Geschichtsverein</strong> genannt. Träger der Bücherei<br />

sind dagegen lediglich der Kreis Hechingen, an dessen Stelle<br />

nach der Kreisreform der Zollern-Albkreis getreten ist, und<br />

die Stadt Hechingen, die im Rahmen ihrer kulturellen Aufgaben<br />

auch die finanziellen Kosten tragen.<br />

ROLF BURKARTH<br />

Eine Viereckschanze im Hart zwischen<br />

In den dreißiger Jahren wurde von Hauptlehrer Hans Hanner<br />

aus Mannheim, der aus Kettenacker gebürtig war, eine<br />

Viereckschanze im Tigerfelder Hart entdeckt. Er hat damals<br />

in der Lauchertzeitung darüber berichtet. Seither geriet sie<br />

völlig in Vergessenhet. Weder in dem Kartenblatt 1:25 000 ist<br />

sie verzeichnet, noch in dem neuen Buch »Die Kelten in<br />

Baden-Württemberg« erwähnt. Man vermutete sogar, daß es<br />

auf der mittleren und westlichen Alb überhaupt keine<br />

Viereckschanzen gibt.<br />

Bei einem Spaziergang habe ich die Viereckschanze wiedergefunden<br />

und zusammen mit Herrn Roland Simmendinger aus<br />

Starzein genau vermessen. Sie liegt in dem ausgedehnten<br />

Waldgebiet Hart zwischen Kettenacker und Tigerfeld. Teile<br />

des Harts und anschließender Waldgebiete waren noch bis ins<br />

19. Jahrhundert Weidegebiete für die umliegenden Gemeinden.<br />

Wie aus der Planskizze zu ersehen ist, bildet die<br />

Viereckschanze ein fast regelmäßiges Viereck mit einer Seitenlänge<br />

von fast 110 Metern und einer Breite von etwa 70<br />

Metern. An zwei Stellen wird sie von einem Weg durchschnitten.<br />

Wall und Graben sind gut erhalten und besonders<br />

an den Ecken sehr ausgeprägt. Dieser gute Erhaltungszustand<br />

läßt sich nur dadurch erklären, daß dieses Gebiet nie land-<br />

Als Initiator und als ihr langjähriger Verwalter und Betreuer<br />

hat sich Studienrat Faßbender bleibende Verdienste um die<br />

hohenzollerische Heimatbücherei erworben. Als geborener<br />

Rheinländer, der nach dem ersten Weltkrieg in Hechingen<br />

eine zweite Heimat fand, widmete sich Faßbender mit großem<br />

Einsatz und ganzer Hingabe dieser Aufgabe. Unter<br />

seiner Leitung wurde die zunächst kleine Bibliothek zu einer<br />

stattlichen Bücherei mit wertvollen Beständen. Mit Geschick<br />

rettete er sie durch die schwierigen Kriegs- und Nachkriegsjahre,<br />

führte die immer wieder erforderlich werdenden<br />

Umzüge durch und fand auch jedesmal wieder eine Bleibe für<br />

sie. Er nahm diese Arbeit fast vier Jahrzehnte (1928-1966)<br />

ehrenamtlich und ohne jede Vergütung auf sich.<br />

In Anerkennung seiner großen Verdienste um die Heimatforschung<br />

wurde er im Jahre 1964 mit dem Bundesverdienstkreuz<br />

erster Klasse ausgezeichnet. Faßbender starb im Jahre<br />

1966 und ist auf dem Heiligkreuzfriedhof in Hechingen<br />

beigesetzt.<br />

Nach einer kurzen Unterbrechung übernahm Studiendirektor<br />

Alf Müller im Jahre 1967 die Leitung der Bücherei. Er hat<br />

diese erfolgreich durch die Jahre der Kreisreform gesteuert<br />

und wesentlich zu ihrer Ausweitung und ihrem Bekanntwerden<br />

auch bei der jüngeren Generation beigetragen. Die neu<br />

angelegte Zeitungssammlung hat er angeregt. Seit einigen<br />

Jahren wird er von Rolf Burkarth, einem Lehrer aus Gammertingen,<br />

der jede Woche einige Nachmittagsstunden nach<br />

Hechingen kommt, in seiner Arbeit unterstützt. Die Hohenzollerische<br />

Heimatbücherei ist jeden Mittwoch-Nachmittag<br />

von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Zwar sieht sie ihre Hauptaufgabe<br />

im Sammeln von allem, was über Hohenzollern und seine<br />

angrenzende Nachbargebiete gedruckt und geschrieben<br />

wurde, sie hat aber auch einen beachtlichen Ausleihverkehr<br />

zu verzeichnen, und ihre Betreuer stehen Heimatforschern<br />

und Interessierten bereitwillig mit Rat und Hilfe zur Verfügung.<br />

Mit Recht verdient sie die Förderung der öffentlichen<br />

Stellen und darüber hinaus aller Heimatfreunde.<br />

Kettenacker und Tigerfeld<br />

wirtschaftlich genutzt war. Im Vergleich zu anderen Viereckschanzen<br />

sind Wall und Graben sehr schmal. Die Stelle, wo<br />

das Tor lag, konnte ich nicht finden; es sei denn, es lag dort,<br />

wo der Weg einmündet.<br />

Direkt neben der Schanze, durch einen Weg getrennt, befindet<br />

sich eine rechteckige Vertiefung von etwa 2-3 Metern<br />

Tiefe. Während es vom Weg her ziemlich flach hineingeht,<br />

sind die anderen drei Wände steil. Diese Vertiefung war<br />

vermutlich eine Wasserstelle, eine Hülbe, wie sie auf der Alb<br />

allgemein verbreitet waren. Im Hart und im anschließenden<br />

Buchwald liegen zahlreiche Hügelgräber, teils in Gruppen,<br />

teils einzeln, aber nicht in unmittelbarer Nähe der Viereckschanze.<br />

Hans Hanner schreibt in seinem Artikel: »Es steht zu vermuten,<br />

daß die Tigerfelder Schanze, wenn sie wirklich eine<br />

militärische Anlage war und kein keltischer Edelhof sein<br />

sollte, irgendwie mit den Heiligkreuztaler Befestigungen im<br />

Zusammenhang steht.« Seither sind einige »Schanzen« ausgegraben<br />

und untersucht worden.<br />

Dabei hat sich herausgestellt, daß es keltische Heiligtümer<br />

waren. Somit ist der Ausdruck »Viereckschanze«, der ja auf<br />

militärische Benützung schließen läßt, fehl am Platz. Profes-<br />

5


V ^ e r e c K s c h a n z t T i g e r l ^ d<br />

M = / l i m ?<br />

sor Kurt Bittel schlägt daher den Begriff »nemeton« vor, ein<br />

vermutlich keltisches Wort, was heiliger Bezirk bedeutet. Bei<br />

den bisher untersuchten »nemeta« ergibt sich kurzgefaßt<br />

folgendes Bild: Wall und Graben hatten den Zweck, das<br />

Innere des »nemeton« vom profanen Außen abzugrenzen. In<br />

das Heiligtum führte ein Tor, das aus Holz errichtet war. Der<br />

größte Teil des Innenraumes bildete eine leere für Versammlungen<br />

und kultische Zeremonien geeignete Fläche. In einer<br />

der Ecken stand ein kleines Holzhaus, das vielleicht bei<br />

Kultzeremonien eine Rolle spielte. In der Nähe des Walles<br />

befanden sich ein oder mehrere tiefe Schächte, deren Wände<br />

JOSEF GRONER<br />

Der Pfullendorfer Minorit Johann Ludwig Ungelehrt,<br />

gen. »a Musis« 1599-1662 (II)<br />

Was ihn, den dabeistehenden Konvent sowie die anwesenden<br />

Herren und zu Rate gezogenen Ärzte überraschte, war<br />

allerdings die von allen kontrollierbare Tatsache, daß das<br />

Hirn der »Mutter Luitgard« noch vollkommen frisch vorhanden<br />

war »mit den äderlein unnd fiegen« (Fissuren) und »nicht<br />

aufs wenigst verzehrt oder verwandlet«, »gleichsambt eines<br />

lebendigen Menschen Hirn« (181), eine wirklich ans Wunderbare<br />

grenzende Sache, wenngleich man sie mit der konservierenden<br />

Kraft des feuchten, luftdicht abschließenden Lettens,<br />

in den das Haupt eingesunken war, erklären kann.<br />

Ungelehrt machte sich als frommer Mann natürlich seinen<br />

eigenen Reim darauf. Er meint, weil Luitgard »Tag und<br />

Nacht in Betrachtung des bitteren Leidens und Sterbens<br />

(Christi) zugebracht und all ihren Sinn und ihre Gedanken in<br />

die Geheimnisse des seligmachenden Glaubens gesenkt«,<br />

habe Gott »darumben ihr Hirn vor aller corruption und<br />

verfaulung praeservieren und erhalten wollen« (183).<br />

Ungelehrts Exhumierung löste eine Verehrungswoge und<br />

einen auch heute in jener Gegend noch nicht versiegten<br />

Pilgerstrom nach Wittichen zur »heiligen« Luitgard aus, die<br />

in der licht barocken ehemaligen Klosterkirche in ihrem alten<br />

Hochgrab mit der überlebensgroßen Liegefigur unter einem<br />

großen gotischen Spitzbogen ruht. Dorthinein hatte Unge-<br />

6<br />

mit Holz verschalt waren, wenn das natürliche Erdreich nicht<br />

stark genug war. Vermutlich waren es Opferschächte, da man<br />

eiweißhaltige Substanzen fand. Die meisten bisher untersuchten<br />

»nemeta« stammen aus dem ersten Jahrhundert vor<br />

Christus; einige wenige scheinen bis in die frühkeltische Zeit<br />

zurückzugehen. Bei etwa 20 % der Kultstätten liegen Grabhügel<br />

aus der Hallstattzeit in der Nähe. Daraus könnte man<br />

mit Vorsicht auf einen Totenkult schließen, wo aber auch den<br />

Gottheiten der Erde oder Unterwelt geopfert wurde. Näheres<br />

werden wir vielleicht erfahren, wenn einige Viereckschanzen<br />

vollständig ausgegraben sind.<br />

lehrt ihre morschen Gebeine »in einem zinnin särchle«<br />

zurückgelegt, während der Schädel mit einem immer noch<br />

erhaltenen Stückchen Hirn an der Wand daneben in einem<br />

vergoldeten Barockbehältnis ausgestellt ist. Daß Luitgard<br />

gegen Kopfweh angerufen wurde, liegt auf der Hand 31 , vor<br />

allem aber suchen Frauen in Mutterschaftsanliegen die<br />

Schwarzwaldheilige auf. Und dies hat seinen besonderen<br />

Grund in ihrer Andacht zu den 34 Lebensjahren Christi.<br />

Luitgard rechnete nämlich zu den üblichen 33 Jahren auch<br />

noch die Zeit im Schoß der Mutter Maria hinzu. Ungelehrt<br />

nahm sich auch dieser Gebetsform an und wurde zu ihrem<br />

eifrigen Verbreiter 32 .<br />

Eine weitere Exhumation unternahm Ungelehrt am 6. März<br />

1631 im Franziskanerinnenkloster Grünenberg am Untersee<br />

(abgegangen), wo im Jahre 1400 »Elsa, die gute Klausnerin«,<br />

»Lehrerin und Vorbild aller Tugenden« 33 , gestorben war.<br />

Ungelehrt faßte über den Vorgang ein kurzes lateinisches<br />

Protokoll ab 34 , wiederum von nüchterner Art. Sämtliche<br />

noch vorhandenen Gebeine wurden in einen eichenen Schrein<br />

gelegt und zur Verehrung ausgestellt. Nachdem die Klostergebäulichkeiten<br />

1830 abgebrochen und vollständig verschwunden<br />

waren, hörte auch der Kult der nie auch nur selig<br />

gesprochenen Elsa auf.


Zum dritten Mal wird von einer ähnlichen Arbeit im Franziskanerinnenkloster<br />

Reute bei Waldsee berichtet. Schon am 20.<br />

November 1640 hatte sich Ungelehrt beim Kaiser für die<br />

Fortsetzung des Seligsprechungsprozesses der Elisabeth<br />

Achler, gen. »Die gute Beth von Reute« (1386-1420), eingesetzt,<br />

der nach dem Tod des zuständigen Kardinals ins<br />

Stocken geraten war 35 . Ob der Vorstoß Erfolg gehabt hat,<br />

läßt sich nicht sagen, der Prozeß endete jedenfalls erst 1766<br />

mit der Seligsprechung der Reutener Mystikerin, und dabei<br />

blieb es bis heute. Am 6. August 1643 fand nun mit Erlaubnis<br />

des Bischofs von Konstanz die Öffnung des Grabes statt. So<br />

berichtet Müller 36 , von Ungelehrt ist dabei allerdings keine<br />

Rede, er war damals ja auch nicht mehr Provinzial. HS<br />

schreibt ihm jedoch diese Exhumation im Hinblick auf<br />

Müller mit Nachdruck zu 37 . Zweifel daran erheben sich<br />

freilich, wenn man bedenkt, daß der Abt von Waldsee unter<br />

Assistenz von sechs Chorherren und zwei Kapuzinern (!)<br />

bereits 1623 das Grab öffnen ließ 38 . Kann man nun annehmen,<br />

daß nur 20 Jahre später das gleiche nochmals geschah<br />

und ohne, daß dem die Klosterchronik Beachtung geschenkt<br />

hätte? Das ist unwahrscheinlich. Und warum hat Müller den<br />

Namen Ungelehrts nicht genannt? Er ist doch sonst immer so<br />

löblich darauf bedacht, die exponierten Leute seines Ordens<br />

ins Licht zu rücken. Die Indizien sprechen also eher dafür,<br />

daß sich Müller mit seiner Notiz vertan hat.<br />

Der Retter von Villingen<br />

Nach Beendigung seines Provinzialates ging Ungelehrt als<br />

Guardian nach Speyer. Die Zeiten wurden nun immer schwerer,<br />

vor allem seit dem Einbruch der Schweden in Deutschland,<br />

und nach ihrer siegreichen Durchbruchsschlacht bei<br />

Breitenfeld (Sachsen) am 17. September 1631 zog der 30jährige<br />

Krieg bald auch über den Süden Deutschlands seine<br />

blutige Spur. Als der Feind im Jahr darauf vor Speyer<br />

erschien, sahen sich die Franziskaner zur Flucht gezwungen<br />

39 , wobei sich ihr Guardian bis nach Villingen durchschlug.<br />

Doch da kam er vom Regen in die Traufe, denn die<br />

Schweden rückten nach und versuchten 1633, in zwei Belagerungen<br />

(11. bis 24. Januar und 30. Juni bis 5. Oktober) die<br />

Stadt zu erobern. Dies gelang ihnen freilich nicht, denn hinter<br />

den Mauern befand sich Johann Ludwig Ungelehrt.<br />

Über diese Belagerungen besitzen wir einen Augenzeugenbericht<br />

aus der Feder des Villinger Bürgers Dr. jur. utr. Johann<br />

Baptist Steidlin: Mercurius Villiganus, Freiburg i. Brsg. 1634<br />

(Bericht über die Jahre 1632-1634), und: Lydius Austriacus,<br />

Rottweil 1634 (Bericht über die 2. Belagerung) 40 . Vor allem<br />

im »Mercurius Villiganus« wird ausführlich der segensreichen<br />

Tätigkeit Ungelehrts gedacht, während der »Lydius<br />

Austriacus« nur bemerkt (S. 32/33), Ungelehrt habe während<br />

der 2. Belagerung die »geistlichen Mittel« mehr und eifriger<br />

als das erste Mal »continuiert«. Man darf sich also nicht<br />

vorstellen, der Franziskanerguardian sei auf die Wälle gestiegen,<br />

um mit »Durchhalteparolen« weltlichen Stils die Villinger<br />

in Schwung zu halten. Seine »Mittel« waren geistliche,<br />

wie es sich für einen Mann seines Standes geziemte und wie es<br />

auch dem frommen Denken der Bevölkerung angemessen<br />

war. Damit vermochte er bis in die Herzenstiefe der Verteidiger<br />

und ihrer mitleidenden Angehörigen hinabzuwirken und<br />

gerade so jenen Widerstandswillen gegen das Unrecht der<br />

Belagerungen zu entfachen und hochzuhalten, der schließlich<br />

zum siegreichen Durchhalten und zum Abzug der Feinde<br />

führte.<br />

Als die Granaten und andere Kanonengeschosse mit<br />

»erschröcklichen Tonnerschlägen« in die Stadt hineinflogen,<br />

verbreitete sich bei Militär und Zivilisten bald eine defaitistische<br />

Stimmung. Schon ging die knochenerweichende Rede<br />

vom »Accordieren« um. In dieser Situation stand nun Ungelehrt<br />

dem Festungskommandanten tatkräftig zur Seite, um<br />

»das schier verzagte, kleinmütige Völklin, Mann und Weib,<br />

Burger und Soldaten, mit beweglicher Exhortation« zur<br />

Treue gegen den Kaiser und das Haus Österreich aufzumuntern.<br />

Nebenher mußte Ungelehrt gleich noch eine schmutzige<br />

Verleumdungskampagne gegen den Kommandanten<br />

ersticken, den man hinter vorgehaltener Hand bezichtigte,<br />

sich »auf der Flaischbank leichtfertig zu prodigieren (ergötzen)«.<br />

Positiv hatte das offenbar elektrisierende Auftreten des<br />

sprachgewandten Franziskaners zur Folge, daß »sich alle<br />

Bürger und Soldaten aufs neue entschlossen, Leib, Ehre, Gut<br />

und Blut einzusetzen und zusammenzuhalten und fortan<br />

keinen Anwandlungen von Kleinmut mehr nachzugeben.«<br />

Anerkennend bemerkt Steidlin zu diesem Umschwung: »So<br />

kann also ein einziger verzagter Mann eine ganze Gemeinde<br />

verzagt, hingegen ein beherzter wieder alle beherzt und<br />

starkmütig machen.«<br />

Daß in den Kirchen Villingens - vor allem bei den Franziskanern<br />

- während der Belagerungen ununterbrochen gebetet<br />

wurde, versteht sich von selbst, auch daß Dankgottesdienste<br />

gehalten und Freudenfeuer abgebrannt wurden, nachdem der<br />

Feind am 24. Januar »so spöttlichen Abzug und Entlassung<br />

von der hochgeängstigten Stadt« genommen hatte.<br />

Doch die Ängste sollten bald wiederkehren, als man gegen<br />

Juni von den 10000 Mann feindlicher Truppen hörte, die<br />

gegen Villingen erneut heranrückten. Am 30. Juni begann die<br />

2. Belagerung, und Ungelehrt ergriff auch dieses Mal die<br />

Initiative zur moralischen Verteidigung. Dabei sagte er sich,<br />

daß ein Höchstmaß von Einsatzwillen zur Verteidigung der<br />

Freiheit nur aus einem Inneren kommen könne, das erst<br />

einmal selbst frei und befreit sein muß. Darum sollen die<br />

Leute jetzt eine möglichst gute Beichte ablegen und das<br />

Altarssakrament empfangen. Sie sollen jetzt drei Tage fasten<br />

wie die Niviter und das dabei Ersparte den Armen geben. Die<br />

ganze Stadt wurde eingeladen - so abgemacht mit dem<br />

Magistrat und den Pfarrern -, mit einer frommen Prozession<br />

gleichsam eine geistliche Ringmauer um die Stadt zu legen.<br />

Nach all dem könne man von Gott »getröstlich einen Succurs<br />

(Hilfe) erwarten.« Unermüdlich sprachen die Franziskaner,<br />

voran Johann Ludwig Ungelehrt, den Gläubigen Mut zu, sie<br />

hielten feierliche Gottesdienste, beteten die Muttergottes-<br />

Litanei auf deutsch, gelobten eine Wallfahrt. Ja, Ungelehrt<br />

hatte, so trägt Steidlin jetzt nach, schon im Januar Magistrat<br />

und Volk von Villingen bewogen, die damals noch in Kurs<br />

stehende Rosenkranzbruderschaft in der Stadt einzuführen.<br />

Der Abt von St. Georgen verwandte sich in dieser Sache beim<br />

zuständigen Dominikanerprior von Rottweil, und nach einiger<br />

Zeit kam von dort die Mitteilung, daß mit Rückwirkung<br />

auf den 1. Januar der Stadtkommandant, der Magistrat und<br />

die ganze Gemeinde Villingen in die Bruderschaft eingeschrieben<br />

worden sei.<br />

Vor allem aber hieß es in dieser so schweren zweiten Belagerung,<br />

den Mut zu stärken auch und gerade bei jenen, die nicht<br />

in den Laufgängen standen oder zu Ausfällen kommandiert<br />

wurden. Darum hat Ungelehrt »das Weibergeschlecht und<br />

kleine, unschuldige Kinder nicht allein zu stetem Gebet<br />

angetrieben, sondern alle Vor- und Nachmittag bei ausgesetztem<br />

hochheiligen Sakrament ihnen mit lauter Stimme<br />

vorgebetet und in ihnen den Eifer dergestalt erweckt, daß sie<br />

jedesmal alle überflüssige heiße Zähren vergossen.« Das ist<br />

gewiß eine barocke Floskel, die Sache selbst hatte jedoch den<br />

Effekt, daß das genannte »Weibergeschlecht« samt ihren<br />

Kindern zu Hause keine Jammerszenen machten, sondern<br />

mit ihrem von Ungelehrt hochgehaltenen Mut den Verteidigungswillen<br />

der kämpfenden Väter und Brüder verdoppelten.<br />

Mehrmals am Tag predigte der Guardian von Speyer, er<br />

lief unentwegt durch die Gassen der Stadt und hatte für alle,<br />

die es brauchten, ein Wort des Trostes und der Ermunterung.<br />

Nur im Glauben und Vertrauen auf Gott nicht wanken! Denn<br />

7


»er seye der Eckstein unserer Mauern, der alle Schliss' in sich<br />

fassen und abwenden könne. So werde auch die barmherzige<br />

Mutter, unsere lieb Frau, ihren Mantel ausbreiten und uns<br />

samptlichen darunter schließen; sie sollen darum die Kugeln<br />

wie die Mucken nicht förchten.« Dazu kamen dann wieder<br />

Prozessionen, feierliche Amter, Fasttage insonderheit zur<br />

Abwendung der Seuchengefahr in der Sommerhitze der völlig<br />

umzingelten Stadt 41 . »In Summa«, so beschließt Steidlin<br />

seinen Lobgesang auf Ungelehrt, »was zu geistlichen Mitteln<br />

(wodurch wir allermeistens, weil die natürlichen mangelten,<br />

erhalten werden mußten) hat der Pater (wie auch nicht wenige<br />

andere Geistliche) an seinem Fleiß und Ernst nichts fehlen<br />

lassen, sondern unserem unerschrockenen Achill (d. h. dem<br />

Festungskommandanten)... in geistlichen Sachen unter die<br />

Arm gegriffen und die Stadt vor dem Zusammenbruch zu<br />

conservieren und zu erhalten geholfen.«<br />

Was Steidlin schreibt, ist jedoch nur ein prosaischer Nachklang<br />

von dem, was Ungelehrt selber berichtet, und zwar in<br />

der Hauptsache in 228 gereimten achtzeiligen Strophen,<br />

bereits abgeschlossen am 20. November 1633 und im folgenden<br />

Jahr in Konstanz herausgebracht 42 . Er wolle, so betont er<br />

im Vorwort, den summarischen Verlauf von der heroischen<br />

Belagerungszeit beschreiben in »teutschen Vers und Carminen«,<br />

und zwar nicht wie die Poeten dichten, die »nach<br />

Gemütseingebung allerhand Fabeln einzuflicken pflegen«,<br />

sondern wie es die Wahrheit verlangt.<br />

Der Text ist in 2 Kolonnen gedruckt. Im 1. Teil stehen auf der<br />

linken Seite die Strophen, und auf der rechten Seite parallel zu<br />

den einzelnen Versen setzt Ungelehrt exakte sachliche<br />

Bemerkungen, passende Bibelzitate, die den Doktor der »Hl.<br />

Gschrifft« verraten, oder Stellen aus weltlichen und geistlichen<br />

Schriftstellern sozusagen als Kommentar hinzu. Im 2.<br />

Teil sind die Verse fortlaufend in beiden Kolonnen gedruckt,<br />

jedoch bisweilen von verschiedenen Anmerkungen unterbrochen.<br />

Alles flicht sich zusammen zu einer ungemein lebendigen<br />

und tiefsinnigen Schilderung der aufregenden und<br />

aufwühlenden Ereignisse. Diese Wirkung kommt nicht<br />

zuletzt auch durch die gebundene Redeweise zustande, die<br />

sich nicht selten zu einer wirklichen Ver-Dichtung steigert.<br />

Nur eine kleine Kostprobe (sprachlich etwas modernisiert):<br />

Der Feind den Sturm anspränge<br />

Um zwei Uhr Nachmittag.<br />

Wie es damaln erginge,<br />

Ich's schier nicht schreiben mag.<br />

Mein Herz ist mir gar schwere,<br />

Wann ich gedenk daran.<br />

Der Feind tobte gar sehre,<br />

Wir brauchten unsre Wehre,<br />

Es blieb ihm mancher Mann (11,129).<br />

Beide Belagerungen endeten mit dem erfolglosen Abzug der<br />

Feinde. Triumphierend ruft ihnen der dichtende Franziskaner<br />

hintennach:<br />

Adi, Glück auf die Reisen!<br />

Zieh hin im Namen Gott,<br />

Den wir von Herzen preisen,<br />

Dass er dich gmacht zu Spott.<br />

Glaub jetzt, dass er sei mächtig<br />

Und dass er uns beschütz,<br />

Gestürzt dein Hoffart prächtig,<br />

Doch gmachet niederträchtig<br />

Zunichten all dein Witz (11,174).<br />

Kaiserliche Ehrung<br />

Nachdem die schwedische Gefahr vorüber war, schickte die<br />

dankbare Habsburgerstadt ihren »moralischen Sieger« samt<br />

zwei Stadträten zum Kaiser nach Wien zur Berichterstattung.<br />

Als Ihre Majestät, die durch Ungelehrts Riesengedicht und<br />

auch durch die Steidlin'schen Belagerungsberichte wohl<br />

8<br />

schon im Bilde war, des ungewöhnlichen Kriegers mit dem<br />

extravaganten Familiennamen ansichtig wurde, meinte sie<br />

schmunzelnd, zu so einem tüchtigen und gelehrten Mann<br />

passe »Amusius« doch recht wenig, da sei »a Musis« (»von<br />

den Musen«, Musenfreund) doch eher am Platze. Und von da<br />

an hielt sich unser Ungelehrt bei seiner Unterschrift zumeist<br />

an den kaiserlichen Vorschlag. Soweit die hübsche<br />

Geschichte, wie sie tradiert und auch von Eubel festgehalten<br />

wurde 43 . In Wahrheit und Wirklichkeit nannte sich Ungelehrt<br />

schon spätestens seit 1628 »a Musis«, so z.B. in einem<br />

Brief an den Magistrat von Worms vom 13. November<br />

1628 44 , in seinen »Ordinationes« von 1629 für das Frauenkloster<br />

Muotathal, im Protokoll über die Exhumation der Elsa<br />

von Grünenberg 1631. Soll an dem Kaiserwort überhaupt<br />

etwas Wahres sein, dann läßt sich höchstens denken, daß der<br />

Ordensgeneral nach der Promotion Ungelehrts in der Wiener<br />

Hofburg Audienz erhielt und dabei den jungen Doktor<br />

vorstellte, worauf der geistreiche Kaiser Ferdinand II. dann<br />

die witzige Umtaufe vorgenommen hat.<br />

Ausklang in Solothurn (Schweiz)<br />

Von 1635 an treffen wir Ungelehrt als Guardian in Solothurn.<br />

23 Jahre blieb er in diesem Amt, nur wegberufen für eine<br />

zweite Periode Provinzialat, das ihm seine Mitbrüder zu<br />

Beginn der grausigen Endphase des 30jährigen Krieges aufluden<br />

(Konstanz am 28. August 1639). Aus dieser Zeit wird<br />

nichts besonderes überliefert 45 .<br />

Im ruhigen Solothurn hatte sich Ungelehrt neben den normalen<br />

Seelsorgsarbeiten von 1640-1641 auch mit der Innenrenovation<br />

der schlichten, dreischiffigen gotischen Ordenskirche<br />

zu beschäftigen 46 sowie um die Rückgabe jenes Teils des<br />

Klosters zu kämpfen, der dem Orden während der Reformationszeit<br />

von der Stadt für die Unterbringung der französischen<br />

Gesandtschaft (»Ambassadorenhof«) abgenommen<br />

worden war 47 . Zu diesem Thema befinden sich im Archiv des<br />

Bistums Basel zu Solothurn einige eigenhändige Briefe Ungelehrts<br />

an den Magistrat der Stadt. Ein Erfolg war dem<br />

unermüdlichen Guardian allerdings nicht beschieden. Erst<br />

zwei Jahre nach seinem Tod kam eine Einigung zustande 48 .<br />

Nach Eubel 49 soll Ungelehrt in Solothurn auch schriftstellerisch<br />

tätig gewesen sein, was bei dem literarisch hochfähigen<br />

Mann nicht verwunderlich ist. Die Vermutung, daß sich<br />

dort noch ungedruckte Schriften, die seine geistig-religiöse<br />

Gestalt noch deutlicher offenbart hätten, entdecken ließen,<br />

bestätigte sich jedoch nicht. Die Manuskripte gingen wohl im<br />

Zusammenhang der vorübergehenden Klosteraufhebung<br />

1798-1805 oder bei der endgültigen 1857 unter.<br />

Mit 63 Jahren legte sich Ungelehrt zum Sterben nieder.<br />

Offene Beine und ein Steinleiden führten am 10. Juni 1662<br />

seinen Tod herbei 50 . Im Chor der Franziskanerkirche wurde<br />

sein Leichnam zur letzten Ruhe gebettet 51 .<br />

Unter den vielen Grabplatten, die dort die Toten bedecken,<br />

konnte man nach Angabe des jetzt zuständigen altkatholischen<br />

Pfarrers Ungelehrts Gruft bis heute nicht entdecken.<br />

Berard Müller setzte in seiner Chronica mit kurzen, kräftigen<br />

Strichen ein bleibendes Denkmal für den großen Mann: »Er<br />

war der beste Prediger der Provinz, ein Mann von schlanker<br />

Statur, unvergleichlich in der Wissenschaft, Freund des Kaisers,<br />

in schwierigen Geschäften äußerst geschickt und hilfsbereit<br />

in allem, was erfolgreich erledigt werden sollte« 52 .<br />

Anmerkungen<br />

' So Konrad Eubel (zitiert: Eubel): Geschichte der oberdeutschen<br />

(Straßburger) Minoritenprovinz. Würzburg 1886, S. 362. Desgleichen<br />

Helvetia Sacra (zitiert: HS) V, 1 (Der Franziskusorden; von<br />

versch. Autoren bearb). Bern 1978, S. 77. Ein handgeschriebenes<br />

Verzeichnis der oberdeutschen Minoritenprovinziale von Viktor<br />

Halbeysen (Successio legitima et canonica ministrorum provincia-


lium OF MinConv provinciae superioris Alemanniae, 1686) in der<br />

Zentralbibliothek Solothurn notiert als Geburtsjahr allerdings<br />

1598.<br />

2 Geschlechterbuch der Stadt Pfullendorf. Pfullendorf 1964 (alphabetisches<br />

Verzeichnis ohne Quellenangaben im einzelnen).<br />

3 Vgl. Johann Schupp: Jugendleben und Jugendpflege im reichsstädtischen<br />

Pfullendorf. Oberrh. Pastoralbl. 1948, 44-60 u. 89-95.<br />

4 So Euhel, 362. Ebenso Berardus Müller et Victor Tschan: Chronica<br />

de ortu et progressu Almae Provinciae Argentinensis fratrum<br />

Minorum sancti Francisci Conventualium, in lucem edita a Meinrado<br />

Seht. Landishuti 1964 (= Alemania Franciscana Antiqua 12/<br />

1964; zitiert: MT), S. 227: »...sacras reliquias (sei. S. martyris<br />

Leontii) P. Ludovicus a Musis dono dedit huic suo conventui<br />

nativo (sei. Villigano!) in symbolum filialis affectus et gratitudinis.«<br />

Dagegen will ihn HS, 77, dem Uberlinger Konvent affiliiert wissen.<br />

- Von der erwähnten Chronica der Minoriten Müller und Tschan<br />

wurde lediglich der 2. Teil, der von den einzelnen Häusern handelt,<br />

publiziert, während der 1. Teil mit seinen Provinzialsbiographien<br />

nur im Manuskript des Viktor Tschan vorliegt, das die Franziskanertertiarinnen<br />

in Muotathal (Kanton Schwyz) aufbewahren. Das<br />

Original von Berard Müller ging bei der Bombardierung von<br />

Würzburg im 2. Weltkrieg unter, so daß jetzt nur noch die<br />

Abschrift bzw. Ergänzung von Tschan erhalten ist.<br />

5<br />

Dieses weitläufige Gebäude, durch Jahrhunderte Kulturzentrum<br />

der Stadt, wurde samt Kirche im Spanischen Erbfolgekrieg stark<br />

beschädigt und dann in Mißproportionen wieder aufgebaut. Die<br />

Säkularisation 1803 brachte dem Kloster Untergang und maßlose<br />

Verwüstung. Zum Glück blieb jedoch der alte, gotische Kreuzgang<br />

unversehrt erhalten. Man ist nun gerade daran, den ganzen Komplex<br />

zu restaurieren.<br />

6<br />

In Pfullendorf ist das Geschlecht der Ungelehrt etwa 300 Jahre bis<br />

in die Mitte des letzten Jahrhunderts nachweisbar. Die Ortsansässigen<br />

sprachen das Wort natürlich als U-glehrt aus, und Ungelehrt<br />

selbst schrieb selbst immer Unglert (Un-glert). »Ungelehrt« entspricht<br />

moderner Schreibweise.<br />

7<br />

Euhel, 121.<br />

8<br />

Euhel, 170. Zum Promotionsrecht der Ordensgeneräle: ebda, S.<br />

303, Anm. 540.<br />

9<br />

MT Klosterarchiv Muotathal, Mskr., 186.<br />

10<br />

Eubel, 120.<br />

11<br />

Vgl. zum Ganzen: Eubel, 120ff.<br />

12<br />

MT bei den einzelnen Orten unter dem Jahr 1629.<br />

13<br />

MT, 245.<br />

14<br />

MT, 142. Der Satz stammt aus der Feder von Tschan als Ergänzugn<br />

der Müllerschen Vorlage, denn dieser war 1704 gestorben.<br />

15<br />

MT, 25ff. (Die auf S. 25 stehende Jahreszahl 1627 muß in 1628<br />

abgeändert werden, da Ungelehrt erst in diesem Jahr Provinzial<br />

geworden ist. Eubel, 98 f.<br />

16<br />

Eubel 307, Anm. 541.<br />

17<br />

Xaver von Moos: Die Kunstdenkmäler des Kantons Luzern<br />

(= Die Kunstdenkmäler der Schweiz) Bd. I: Die Amter Entlebuch<br />

und Luzern-Land. Basel 1946, 165-220. - Eubel, 114f.; MT,<br />

233 f.; HS, 288ff.<br />

18<br />

HS, 665, 676, 690; Max Heinrichsperger, AFA 5 (1959) 125.<br />

19<br />

Berard Müller findet in seiner Chronica für die draufgängerische<br />

Kapuzinerkonkurrenz immer wieder bitterböse Worte. Vgl. MT,<br />

allenthalben.<br />

20<br />

MT, 142.<br />

21<br />

MT, 142.<br />

22<br />

MT, 142; ausführlich bei Johann Schupp: Notizen über das Graue<br />

Kloster der Tertiarinnen von Pfullendorf. AFA 5 (1959) 156. -<br />

Schupp hat ebd., S. 142-215, alle erreichbaren Daten über das<br />

Pfullendorfer Franziskanerinnenkloster zusammengetragen.<br />

23<br />

MT, 142; HS, 631 ff.<br />

24<br />

J. Schupp: AFA 5 (1959) 152.<br />

25<br />

Statuten im Fürstlichen Haus und Domänenarchiv Sigmaringen.<br />

26<br />

Leider sind Ungelehrts Statuten für das Pfullendorfer Franziskanerinnenkloster<br />

nicht mehr vorhanden. Die Gorheimer sind gerettet<br />

(Anm. 25) und die Muotathalerinnen bewahren das wunderbar<br />

schön geschriebene Büchlein mit 2 Unterschriften Unglehrts in<br />

ihrem hauseigenen Archiv auf.<br />

27<br />

Damals befand sich das Kloster noch am Ufer der äußerst<br />

gefährlichen Muota. Um dem Elend der immer wiederkehrenden<br />

Überschwemmungen zu entgehen, bauten die Schwestern etwas<br />

weiter weg und höher gelegen von 1684—1687 ein neues, bauernhausartiges<br />

Kloster, das heute noch steht. Vom alten, in dem<br />

Ungelehrt wirkte, ist außer der Kapelle nichts mehr vorhanden.<br />

Vgl. MT, 124 f. (Jahre 1629-1684).<br />

28<br />

HS, 79 u.ö.<br />

29<br />

MT, 245. Dort ausführlich über Wittichen 237-247; HS, 657<br />

Anm. 178.<br />

30<br />

Leben der Gottseligen Jungfrawen unnd Mutter Leydtgarden S.<br />

Francisci dritten Ordens Schwester undd deß jetz S. Ciarae<br />

Ordens Closters Witichen erster Anfängerin. Aus alten sonderlich<br />

ihres Beichtvatters hinderlassenen Fragmentis und Geschrifften<br />

mit fleiß zusamen gezogen. Getruckt zu Freyburg in Uchtland<br />

durch Wilhelm Darbelay 1636. 196 S.<br />

31<br />

Ein stark spiritualisierter Gebetszettel mit diesem Thema wurde<br />

noch 1953 mit kirchlicher Druckerlaubnis in Fribourg verbreitet.<br />

32<br />

Leider ließ sich bis jetzt noch kein Originaldruck dieser Andacht<br />

ausfindig machen. Die Dombibliothek Freising bewahrt eine<br />

neuere Ausgabe, zwar mit kirchlichem Druckerlaubnisvermerk<br />

eines Freisinger Fürstbischofs vom Jahre 1709, aber ohne Herausgebernamen.<br />

Dem Aussehen nach stammt das Büchlein vom<br />

späteren Karmeliten Zyprian Reichenlechner, den Eubel (227,<br />

Anm. 124) als Herausgeber »in neuester Zeit«, also etwa 1880,<br />

erwähnt. - Augenblicklich versucht man in gewissen Kreisen die<br />

»heilige Luitgard« als Kampfpatronin für das ungeborene Leben<br />

bzw. gegen die Abtreibung hochzustilisieren: Das Leben der<br />

heiligen Luitgard von Wittichen. Die Heilige des Mutterschoßes.<br />

Stein a. Rh. 1976.<br />

33<br />

Franz Götz: Grünenberg. AFA 16 (1971) 65-78.<br />

34<br />

MT, 77.<br />

35<br />

MT, 162. Max Heinrichsperger: Reute bei Waldsee (Tertiarinnen).<br />

AFA 7 (1961) 193-229.<br />

36<br />

MT, 163.<br />

37<br />

HS, 633 u. 657, Anm. 178.<br />

38<br />

AFA 7 (1961) 216. Von einer weiteren Exhumation wird nichts<br />

berichtet.<br />

39<br />

Nähere Umstände sind nicht auszumachen. Vgl. Max Heinrichsperger:<br />

Die Franziskanerkonventualen Speyer, AFA 5 (1959) 77 f.<br />

40 Diese Drucke sind höchste Raritäten geworden. Ein stark abgegriffener<br />

und teils handschriftlich ergänzter »Mercurius Villiganus«<br />

fand sich im Stadtarchiv Villingen (nicht paginiert). Ein<br />

vollständiges und gut erhaltenes Exemplar des »Lydius<br />

Austriacus« liegt in der Stiftsbibliothek St. Gallen.<br />

41 Die Sache ist nicht ganz klar. Wörtlich heißt es: »So hat ferners<br />

auch zu abwendung sowol der laidigen Sucht, welche zimblich<br />

starck einreissen wollen, in festo S. Sebastiani offternannte Pater<br />

dem Volck drey Sambstag nacheinandern... zu fasten persuadiert.«<br />

Der Hinweis auf den Pestpatron Sebastian läßt tatsächlich<br />

an eine ansteckende Krankheit denken, und dies vor allem natürlich<br />

in der Sommerbelagerung. Sebastian wird andererseits im<br />

Januar gefeiert. Doch in der nur 14 Tage währenden Januarbelagerung,<br />

also mitten im strengsten Winter, wird man an eine Seuche<br />

kaum denken müssen. Die Lösung des Rätsels liegt wohl darin,<br />

daß Steidlin die Ereignisse der beiden Belagerungen in seinem<br />

»Mercurius« etwas durcheinandermischt.<br />

42 Das poetische Werk, ebenfalls eine bilbiophile Seltenheit, hat zwei<br />

Teile mit je einem eigenen Titelblatt: »Villiganae Probitatis DEO<br />

ac Imperatori Constanter Fidelis, ad Lydium probatio. Das ist<br />

Summarischer Bericht wessen sich die From Catholisch alzeit<br />

beständig getreu Oesterreich Kayserische Statt Villingen vorm<br />

Schwarzwald in Schwaben gelegen gegen den Unkatholischen deß<br />

Kaysers und Catholischer Religionsfeinden in zweyen Belägerungen,<br />

deren die erste vom eylfften biß den vierundzweintzigisten<br />

Januarii, Die ander vom dreyssigisten Junii biß den fünfften<br />

Octobris Anno 1633 gewehret, und gantz Jähriger Blockierung<br />

erhalten, unnd was massen solche von Gott und seiner werthen<br />

Mutter wunderthätigerweiß beschützet unnd erhalten worden.<br />

Getruckt zu Costantz am Bodensee bey LeonhardtStrauben Anno<br />

1634.« — »Entwerffung und Summarische Beschreibung der anderen<br />

Feindtsbelägerung, so die Würtenbergisch Schwedische Soldatesca,<br />

den 30. Junii Anno 1633 vor der getreu Oesterreichischen<br />

Statt Villingen in Schwaben vorm Schwarzwald gelegen, angefangen<br />

unnd den 5. Octobris selbigen mit spott geendet. Darin du<br />

freundlicher Leser insonderheit die wunderwerck GOTtes in<br />

obacht nemmen und die Fürbitt der glorwürdigen Himmels<br />

Königin erkennen wollest... (wie oben)«. Der erste Teil enthält<br />

54, der zweite 174 Strophen.<br />

43 Eubel, 362, Anm. 749.<br />

44 AFA 18 (1973) 263.<br />

9


45 HS, 78; Eubel, 171.<br />

46 Aus dieser Zeit existiert außer dem eichenen Renaissance-Chorgestühl<br />

nichts mehr. Der Raum wurde 1822-1823 im Geist des<br />

Klassizismus so schlimm verunstaltet, daß man jetzt darin denkt,<br />

den mittelalterlichen Zustand wiederherzustellen. Heute gehört<br />

die Kirche der altkatholischen Kirchengemeinde Solothurn.<br />

47 Wegen Abfalls zum Protetantismus, Ausweisung und Austritten<br />

war das Kloster von 1529-1546 völlig ausgestorben. Die Wiederbesiedlung<br />

des älteren Gebäudeteils erfolgte dann von Würzburg<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

aus. Vgl. HS, 251 f.; Max Heinrichsperger: Franziskanerkonventualen<br />

Solothurn, AFA 3 (1957) 107-126.<br />

48<br />

HS. 251.<br />

49<br />

Eubel, 562, Anm. 749.<br />

50<br />

V. Tschan: Chronica Mskr. Muotathal, 186; V. Halbeysen: Successio<br />

legitima, Mskr. Zentralbibl. Solothurn, 20; HS, 78 u. 274.<br />

51<br />

V. Tschan: Chronica, Mskr. Muotathal, 186.<br />

52<br />

V. Tschan: Chronica, Mskr. Muotathal, 186.<br />

570 Jahre Bildstock St. Johannes zwischen Ringingen und Stetten u. H.<br />

An der Grenze Stetten-Ringingen steht eine hohe Eiche und<br />

daneben der einfache hölzerne Bildstock mit der kleinen<br />

Statue des hl. Johannes des Evangelisten mit dem Kelch, aus<br />

dem ein Schlänglein züngelt. Nach der Legende habe er über<br />

vergiftetem Wein das Kreuzzeichen gemacht, worauf das Gift<br />

entwich. Der Bildstock steht an der Stelle, an der das<br />

Vizinalsträßle zwischen beiden Ortschaften Stetten und Ringingen<br />

das Waldgebiet unterhalb des Hungerbrunnens,<br />

Boschen, Kirchholz, Hairenwald, Stellfleckenhau verlassend<br />

ins freie Wiesengelände von Stetten hinaustritt. Fast niemand<br />

scheint zu wissen, daß dieser Bildstock (bzw. sein Vorgänger)<br />

eine 570jährige Vergangenheit dokumentiert, in der er immer<br />

wieder erneuert werden mußte. Die erste Nachricht vom »St.<br />

Johannes« an diesem Platz stammt aus dem Jahre 1409. Der<br />

Stettener Pfarrer Konrad Ratgeb (1454—64) beschreibt nämlich<br />

die Einkünfte der Pfarrei und der Kaplaneipfründe nach<br />

einer Vorlage des Jahres 1409, wobei die Flur »Bei St.<br />

Johansen« vorkommt, da die angrenzenden Felder bzw.<br />

Wiesen offenbar den kirchlichen Pfründen zu Stetten gehörten.<br />

Stifter des Johannesbildes war vermutlich der 1367<br />

erwähnte Stettener Kaplan Hans Wäselin aus Hechingen<br />

(Hohz.JHeft 1955,89 bzw. 84). Im »Zollerländle« 1927,94 f.<br />

berichtete der Stettener Pfarrer Andreas Dieringer (1907-27)<br />

aus der Chronik des Johannes Locher (1810-90) in Stetten u.<br />

Hohstein Seite 39 folgendes: »Die Johannes-eiche, wo der<br />

Johannes drin war beim sogenannten »Johannessen« stand s.<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Adel von Schlatt (und Beuren?)<br />

A. Daß es einst auch adelige Herren von Schlatt (bei Hechingen;<br />

jetzt eingemeindet) gegeben hat, war bisher nicht beachtet<br />

worden und fehlte daher im Verzeichnis des Anhangs der<br />

»Hohenzollerischen Heimat« 1969 und in den Ergänzungen<br />

daselbst 1977, 45 f. Nun hat der Schlatter Bürgerssohn Dr.<br />

Hans Speidel, ehemals Landrat des Kreises Hechingen, in<br />

seinem 1980 erschienenen Heimatbuch S. 23 eine Anzahl der<br />

Schlatter Herren namhaft gemacht. So nahm am 21. Mai 1288<br />

ein Her(-mannus) de Slate an einer Gerichtsentscheidung des<br />

Grafen Friedrich von Zollern des Jüngeren im Hause des<br />

Biulin(Binlin) zu Hechingen teil. Sie betraf das Gut Ghai<br />

(zwischen Münchs- und Heiligenbach ob Schlatt), wo auf der<br />

Karte noch Ghaikopf zu lesen ist 1 . Ein Johannes von Schlatt<br />

war am 1. Mai 1296 Zeuge für den Zollergrafen betreffend ein<br />

Gut zu Willmandingen, das ans Kloster Stetten vertauscht<br />

wurde 2 . Derselbe Johannes von Schlatt erscheint auch 1302<br />

als Ritter und Dienstmann des Pfalzgrafen Gottfried von<br />

Tübingen 3 . Einige Zeit später, nämlich 1358 finden wir einen<br />

Richard von Schlatt mit anderen Adeligen bei einer Entscheidung<br />

des kaiserlichen Hofgerichts zugunsten des Grafen<br />

Egeno von Freiburg 4 .<br />

10<br />

Zt. am Wege, wo man nach Ringingen geht, etwa 12 Schritt<br />

von der Markungsgrenze gegen Stetten. (Nota des Berichterstatters:<br />

Daher ist sie in der Grenzbeschreibung von 1584<br />

nicht erwähnt!) Die Eiche fiel im Jahre 1840 altershalber um<br />

und es wurde das Bild (Figur) im Dorf aufbewahrt. Die<br />

Ringinger haben von dort an eine Eiche gepflanzt an der<br />

Grenze in der Hoffnung, das Bild seinerzeit wieder in die<br />

Eiche zu bringen. (Dieringer bemerkt: »Es ist keine Eiche,<br />

sondern eine heute 1927 stattliche Ulme«. Der Berichtserstatter<br />

muß dazu sagen: »Die Ulme stand weiter nördlich und ist<br />

jetzt 1956 altersschwach«.)<br />

Locher fährt dann fort in seiner Chronik: »Weil nun das<br />

Johannesbild immer auf der Markung Stetten war, so habe ich<br />

(Locher) demselben auch sein Recht gelassen. Maler Schaut<br />

hat das Bild (d. h. Statue) renoviert. Ich habe eine Eiche<br />

gekauft und (als Bildstock) herrichten lassen und den Johannes<br />

darein gestellt. Dies geschah im Jahre 1871. Zu diesem<br />

Zweck habe ich eine Kollekte gemacht und davon die Kosten<br />

bezahlt. Weder die Gemeinde noch der Heilige (Kirchenfonds)<br />

haben etwas beigetragen, sondern allein von Beiträgen<br />

von 6 bis 30 Kreuzern ist es bezahlt worden«. Zum Schluß<br />

heißt es dann: »Die Statue ist erneuert worden durch Pfarrer<br />

Dieringer.« Wie oft mag das kleine Bild des Johannes seit<br />

1409 erneuert worden sein, ob sei nun in einer Höhlung der<br />

Eiche oder in einer Holzsäule stand?<br />

Endlich kommt nach Speidel noch ums Jahr 1400 ein Edelknecht<br />

Kaspar von Schlatt als Lehensmann vor und eine<br />

Luitgaris de Schlatt ist im Totenbuch des Frauenklosters<br />

Stetten b. Hechg. ohne Jahrzahl verzeichnet.<br />

Als Wohnsitz dieser Herren käme m.E. das noch 1435 in<br />

Bickelspergs zollerischem Lagerbuch (S. 30) wohl nur noch<br />

als Flurname vorkommende »Stainhus« in Frage: »Ein Acker<br />

mit 2 Juacert (etwa 68 ar) liegt oberhalb des Stainhuses und<br />

stoßen an den Buchbach«.<br />

Nach Dr. Speidels Mitteilung vom 12. Dezember 1981 finden<br />

sich in Nähe des sog. »Kaspaers Kreuz«, etwa 550 m hinter<br />

dem Kirchenköpfle z. T. große behauene Steine, die beim<br />

Pflügen zutage traten, also nahe am heutigen Buchgraben.<br />

Man habe von der Stelle aus einen schönen Blick sowohl ins<br />

Killertal hinauf, wie auch in den Hechinger Raum, und dürfte<br />

wohl hier das ehemalige Steinhaus vermuten. Einfache<br />

Schlatter Einwohner haben sich sicherlich keine Steinhäuser<br />

leisten können!<br />

B. Speidels Heimatbuch nennt 5 auch einen Berchtold von<br />

Beuren, den er als Glied eines Beurener Adelsgeschlechts


ansieht, unterm 11. August 1334 6 . Ferner einen Hermann<br />

von Burran von 14. September 1434 6 und noch 1441 verkaufte<br />

»der alte Hermann von Beuren« an die Stettener<br />

Nonne Anna, die Schenkin von Stauffenberg, 8 Schilling<br />

Heller Jahreszins aus seinen Gütern zu Beuren: 1 Acker mit 2<br />

Juchaert uf dem Bol im Beurer Esch an Merklin von Beuren<br />

gelegen 7 .<br />

Sicherheit auf einen Beurer Adel läßt sich freilich aus diesen<br />

mageren Angaben kaum gewinnen, wenn nicht nähere Angaben<br />

zu finden sind.<br />

Anmerkungen:<br />

1 Mon. Zoll. 8 Nachtrag S. 24. Urk. Stetten Nr. 8 im Anhang des<br />

HJHeftes 1955; Name irrig zu Heinrich ergänzt.<br />

OTTO WERNER<br />

2 Urk. Stetten Nr. 16.<br />

3 Schmid, Pfalzgrafen v. Tübingen S. 332.<br />

4 Ebenda S. 561. Doch läßt der Name Freiburg mit Zweifel aufhorchen,<br />

da es im Breisgau unweit der Universitätsstadt ebenfalls ein<br />

Schlatt gibt, wohin wohl dieser Richard gehört. Laut Zeitschr. f.<br />

Gesch. d. Oberrh. Jg. 15 von 1863 S. 466 haben am 23. Sept. 1338<br />

die Edelknechte und Gebrüder Johans und Richard von Slatte an<br />

Johann den Brenner ihr Haus und Garten zu Schliengen um 25.<br />

Mark Nürnberger Gewäges verkauft. Deren beiden kleine Rundsiegel<br />

zeigen einen Schild, wie ihn die Bulster und Böhart und<br />

Neuenfels führten. Vgl. zu diesem Schlatt Albert Krieger, Topograph.<br />

Wörterbuch von Baden 1903, Bd. 2, Sp. 848.<br />

5 Speidel, Heimatbuch von Schlatt S. 34.<br />

6 Ebenda S. 34 u. Stettener Urkunde Nr. 437.<br />

7 Stettener Urkunde Nr. 460.<br />

Jüdische Bruderschaften und Vereine in Hechingen (I)<br />

1. Beerdigungsbruderschaft - Chewra Kadischa<br />

Kranken- und Beerdigungsanstalt / Israelitischer Männer-<br />

Verein Chefra Kadischa / Frauenverein der isr. Gemeinde<br />

Hechingen<br />

Wenn man die Angaben in den »Statuten für den israelitischen<br />

Männer-Verein Chefra Kadischa in Hechingen« von<br />

1893 heranzieht, so ist die älteste nachweisbare Bruderschaft<br />

eine seit 1773 »organisierte Ch. Kad. wahrscheinlich reichen<br />

die Einrichtungen derselben - ohne gerade fest geordnet<br />

gewesen zu sein - viel weiter zurück.« In dem von Rabbiner<br />

Dr. Samuel Mayer 1844 verfaßten Artikel »Geschichte der<br />

Israeliten in Hohenzollern-Hechingen« (in: Orient.<br />

Berichte, Studien und Kritiken für jüdische Geschichte und<br />

Literatur. Sp. 570) wird als Gründungsjahr 1776 angegeben,<br />

ebenso in der »Encyclopaedia Judaica« (8. Band, 1931, Sp.<br />

175). Als Schreibweisen treten auf Chebra kadischa (Mz.<br />

Chebroth) 1841, Chefra Kadischa (Mz. Chefros) 1893,<br />

Chewra Kadischa 1931. - Diese Beerdigungsbruderschaft,<br />

die sich die Krankenpflege, Totenbestattung und Armenunterstützung<br />

zur Aufgabe gestellt hatte, bildete sich am 30.<br />

Mai 1841 zu einer Kranken- und Beerdigungsanstalt um. In<br />

dem o. g. Artikel schreibt Rabbiner Dr. S. Mayer, daß die<br />

Mitglieder dieser Bruderschaft »zum Theil hochbejahrte<br />

Männer«, waren, »welchen die Besorgung der dieser Gesellschaft<br />

obgelegenen Dienstverrichtungen zu mühevoll wurden.<br />

Die Brüderschaft besteht zwar noch rücksichtlich der<br />

Lektionen, an ihren Obliegenheiten aber haben sämmtliche<br />

Gemeinde-Mitglieder Antheil zu nehmen.« Auch merkt er<br />

an, daß die Mitglieder hier wie in allen Gemeinden den freien<br />

Reichsstädtern gleichen, »die auf ihre Privilegien und Monopole<br />

sehr eifersüchtig waren.« Die Vorsteher und der Ausschuß<br />

der Bruderschaft beantragten bei der israelitischen<br />

Deputation mit Schreiben vom 15. April 1841, »daß sämtliche<br />

Mitglieder der israelitischen Gemeinde verpflichtet werden,<br />

sowohl die Wache bei den Kranken als auch das<br />

Begleiten und Tragen der Leichen der Reihe nach zu versehen,<br />

oder sonst irgend ein anderes Mittel aufzufinden,<br />

wodurch dem genannten Mangel abgeholfen werde!« 1<br />

Als Begründung wird angegeben, daß die Mitglieder »größtentheils«<br />

aus alten Männern besteht, in dem in einem<br />

Zeitraum von 10 Jahren, wenig junge Männer und Jünglinge<br />

sich in der Bruderschaft aufnehmen ließen, da ferner der<br />

größere Teil der jüngeren Mitglieder häufig auf den Handel<br />

abwesend sind wenn sich gerade ein Leichenbegräbniß ereignet,<br />

und der größere Theil der Gemeinde Mitglieder welche<br />

nicht in dieser Bruderschaft sind, die Leiche nicht auf den<br />

Todesacker begleiten, so daß Mangel an Träger und Begleiter<br />

der Leichen entsteht, was sich im Laufe dieses Winters schon<br />

einigemal ereignete: / so ist genannte Bruderschaft nicht mehr<br />

im Stande, die Funktion des Wachens bei den Kranken, so<br />

wie die der Leichenbegangniße durch ihre Mitglieder allein,<br />

versehen zu lassen, ...« 2<br />

Die 1841 gebildete und von der fürstlichen Regierung am 29.<br />

November 1841 genehmigte Gemeindeanstalt wurde von<br />

einem Kommission geleitet, die aus den jeweiligen Vorstehern<br />

der Chebroth und zwei aus der Mitte des Gemeindevorstands<br />

gewählten Vertretern bestand (§ 23). 1841 waren dies<br />

die Vorsteher Seligmann Hochstetter und Salomon Ewald,<br />

sowie als Vertreter des Gemeindevorstands Wolf Ensel und<br />

Heinrich Jacob. Eine weitere Funktion hatte der »Diener der<br />

Bruderschaft« inne, der darüber bestimmte, ab das Wachen<br />

bei Kranken notwendig sei (§ 1). Grundsätzlich wurde<br />

zwischen Männern und Frauen unterschieden, »welche Mitglieder<br />

der Chebra kadischa und der Frauen Chebra sind« (§<br />

10). Die Mannspersonen übernahmen die Nachtwachen bei<br />

Männern, Jünglingen und Knaben, die Frauen bei Weibern<br />

und Mädchen (§ 2); die in der Friedrichstraße wohnenden<br />

Mitglieder übernahmen das Wachen dort. Dazu wurden nach<br />

einem durch das Los aufgestellten Verzeichnis jeweils zwei<br />

Wächter bestimmt. Zu den weiteren Diensten gehörten das<br />

Wachen am Tage, die Reinigung der Leichen und das Bewachen<br />

der Leichen. Zum Begleiten der Leichen (von Personen<br />

ab dem 3. Lebensjahr) bis zum herrschaftlichen Spital waren<br />

alle Männer der Gemeinde verpflichtet; je eine (nach einem<br />

Verzeichnis festgelegten) Abteilung hatte die Leiche bis zum<br />

Gottesacker zu begleiten. Die Befreiung von den einzelnen<br />

Diensten war genau geregelt; so waren über 80jährige von den<br />

Nachtwachen, über 60jährige vom Begleiten der Leiche<br />

befreit. Unter bestimmten Auflagen konnten Mitglieder sich<br />

vertreten lassen.<br />

Laut § 22 der Statuten von 1841 hatte die Chebra kadischa<br />

eine »ihr eigenthümlich zugehörige Gesetzesrolle (Thora)«,<br />

die jedem Leidtragenden (auch Nichtmitgliedern) in der<br />

Trauerwoche ins Haus geschickt wurde, wobei Bruderschaftsmitglieder<br />

das Vorrecht hatten. - 1872 ergab sich<br />

insofern eine Änderung in den Statuten, als auch die Leichen<br />

von Kindern im Alter von 4 Wochen bis zu 3 Jahren von den<br />

Männern (mit Einschluß des Rabbiners) bis zum Spital<br />

begleitet wurden.<br />

Nach dem Tode von Rabbiner Dr. Mayer scheinen sich aus<br />

11


der Gemeinde-Anstalt wieder »selbständige« Chefros gebildet<br />

zu haben, denn 1893 wird darauf verwiesen, daß der<br />

Verein in enger Beziehung zum Gemeindevorstand gestanden<br />

habe, »so daß zwei Mitglieder desselben stets dem<br />

Gemeindevorstand coordiniert waren. In den letzten 10<br />

Jahren ist dies ohne irgend welche Gründe außer Acht<br />

gelassen worden.«<br />

Aus dem Jahre 1893 liegen uns die »Statuten für den israelitischen<br />

Männer-Verein Chefra Kadischa in Hechingen « vor,<br />

aus dem Jahre 1906 die »Statuten des Frauen Vereins der isr.<br />

Gemeinde Hechingen. Aus der 1841 gebildeten Gemeindeanstalt<br />

haben sich demnach (entsprechend den damals getrennten<br />

Chebroth) wieder nach Geschlechtern getrennte Vereine<br />

gebildet. - Der Männer-Verein Chefra Kadischa wendet sich<br />

nun auch wieder der Armenunterstützung zu, wobei auch<br />

Auswärtige betreut werden können. Nach der Beerdigung<br />

versammeln sich, falls dies gewünscht wird, zehn Mitglieder<br />

im Trauerhause, wo der diensttuende Kultusbeamte einen<br />

religiösen Vortrag hält. Der Vorstand besteht aus vielen<br />

Mitgliedern: einem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter,<br />

einem Kassenführer und einem Schatzmeister. 1893 sind dies:<br />

Michael Levy, M. Mattes, Joseph O. Levi und Sieg. Weil.<br />

Der Vorstand wählt aus den Mitgliedern des Vereins einen<br />

Sekretär (Schriftführer). Der Verein hat 1893 40 Mitglieder.<br />

Die Mitglieder waren nach wie vor verpflichtet, »beim Aufrufen<br />

zur Tora in die Chebra zu schnudern« (- geringste<br />

Spende 25 Pfennige). Wer dieser Verpflichtung nicht nachkam,<br />

hatte am Ende des Rechnungsjahres einen Beitrag von 4<br />

Mark in die Ch. Kad.-Kasse zu entrichten. Für den Fall einer<br />

Auflösung des Vereins war Vorsorge getroffen: Bei Absinken<br />

der Zahl der Mitglieder auf zehn sollte das Vermögen dem<br />

jeweiligen Vorstand der israel. Gemeinde zur Verwaltung<br />

übergeben werden. Der Gemeindevorstand war dann verpflichtet,<br />

»den Vermögensstand ungeteilt als Chefra-Kadischa-Stiftung<br />

zu verwalten, und die Erträgnisse ... ausschließlich<br />

nur für Zwecke der Krankenpflege, des Todtenbestattungswesens<br />

und der Almosenpflege in hiesiger<br />

Gemeinde zu verwenden, wobei auf die Nachkommen von<br />

Vereinsmitgliedern im Bedürfnisfalle vorzugsweise Rücksicht<br />

zu nehmen ist.«<br />

Der Frauenverein machte es sich - außer den von der Ch.<br />

Kad. her bekannten Aufgaben in Krankheits- und Sterbefällen<br />

an weiblichen Mitgliedern und Kindern (auch männlichen<br />

während des ersten Lebensjahres) - zur Pflicht, bedürftige<br />

oder kranke Frauen und Mädchen der hiesigen israelitischen<br />

Gemeinde zu unterstützen, ebenso durchreisende Glaubensgenossinnen.<br />

Er wurde von einer Vorsteherin, deren Stellvertreterin<br />

und einer Kassiererin geleitet. Der Vorstand zog ein<br />

Mitglied der Kultusverwaltung als Berater mit heran, dem<br />

auch die Protokollführung übertragen war. Der am 12.<br />

August 1906 gewählte Vorstand setzte sich aus Gertrude<br />

Bernheim, Sara Mattes und Babette Stern zusammen; Berater<br />

war Jakob Levi. Die Einnahmen bestanden aus den regelmäßigen<br />

Beiträgen der Mitglieder in Höhe von 2.40 Mark pro<br />

Jahr, den Stiftungs- und Grundstockzinsen, Spenden bei der<br />

Thoravorlesung und Erträgnissen aus einer geschlossenen<br />

Büchse, die während der Trauerzeit in den Trauerhäusern<br />

aufgestellt wurde. Das Vereinsvermögen belief sich zur Zeit<br />

der Gründung auf ca. 12000 Mark.<br />

Noch im Jahre 1938 3 bestanden der Verein Chevra Kadischa<br />

und der Isr. Frauenverein in Hechingen. In einem Schreiben<br />

der Isr. Gemeinde Hechingen an das Stadtbürgermeisteramt<br />

vom 7. Juli 1938 wird als Zweck der Chevra Kadischa<br />

angegeben: »Krankenversorgung, Totenbestattung, Armenunterstützung.<br />

Kapitel: 4 und 4Vi %ige Wertpapiere im<br />

Nennwert von 3500 RM. Einkünfte jährlich an Zinsen,<br />

Spenden und Beiträgen ca. 250 RM, die ausgegeben werden.<br />

Statuten vorhanden. Zur Vertretung berechtigt: Isidor Weil,<br />

12<br />

Hechingen« Unter Isr. Frauenverein Hechingen finden wir<br />

folgende Angaben: »Zweck: Unterstützung von bedürftigen<br />

kranken Frauen und Mädchen der hies. Gemeinde, Unterstützung<br />

durchreisender Glaubensgenossinnen Betreuung in<br />

Krankheits- und Sterbefällen. Kapitel: 4V2 und 5V2 %ige<br />

Wertpapiere im Nennwert von 3000 RM. Einkünfte an<br />

Zinsen, Spenden und Beiträgen jährlich ca. 550 RM, die<br />

restlos für den Zweck des Frauenvereins ausgegeben werden.<br />

Statuten vorhanden. Zur Vertretung berechtigt Frau Karoline<br />

(Isidor) Weil, Hechingen.«<br />

Quellen:<br />

1. Statuten der israelitischen Kranken- und Beerdigungsanstalt vom<br />

30. May 1841.<br />

Lagerort: StAS Ho 6 Nr. 316<br />

2. Statuten der israelitischen Kranken- und Beerdigungs-Anstalt in<br />

Hechingen. Mit Hochfürstlicher Regierungs-Genehmigung vom<br />

29. Nov. 1841 Hechingen, gedruckt in der Hochbuchdruckerei.<br />

1842.<br />

Lagerort: HHB Hechingen, R 2 II<br />

3. Statuten der israelitischen Kranken- und Beerdigungs-Anstalt in<br />

Hechingen. Hechingen. Hofbuchdruckerei (A. Ribler) Bosch &<br />

Kleinmaier. 1872.<br />

Lagerort: HHB Hechingen, R 2 I<br />

4. Statuten für den israelitischen Männer-Verein Chefra Kadischa in<br />

Hechingen. Entworfen den 15. Februar 1893. Hechingen. Buchdruckerei<br />

von Eugen Daiker, 1893.<br />

Lagerort: HHB Hechingen, R 2 III<br />

5. Statuten des Frauenvereins der isr. Gemeinde Hechingen.<br />

Hechingen. Riblersche Hofbuchdruckerei. 1906.<br />

Lagerort: HHB Hechingen, R 2 V<br />

2. Bruderschaft der Brautaussteuer - Hachnassat Kalla<br />

Israelitischer Gewerbeverein in Hechingen<br />

»Im Jahre 1777 wurde von mehreren hiesigen Israeliten ein<br />

Verein unter dem Namen Bruderschaft der Brautaussteuer<<br />

gegründet, ...«, so steht es in den »Statuten des Israelitischen<br />

Gewerbe-Vereins in Hechingen« aus dem Jahre 1839. Nach<br />

der »Encyclopaedia Judaica« (s.o.) hieß die Bruderschaft<br />

»Hachnassat Kalla«. Sie ließ an den Sabbat- und Feiertagen<br />

bei den Versammlungen der Mitglieder in einem besonderen<br />

Lokal Religionsvorträge halten und zu gewissen Zeiten<br />

armen israelitischen Jungfrauen Beiträge zu ihrer Brautaussteuer<br />

geben.<br />

»Seit 60 Jahren«, heißt es in einem Schreiben von M. Jacob<br />

Weil und Jacob Simon vom 14. Januar 1838 an die Fürstliche<br />

Regierung, »besteht hier eine Gesellschaft von Israeliten<br />

unter dem Namen: >Bruderschaft der Brautaussteuer


Zweck des Gewerbevereins war, »armen israel. Knaben und<br />

Jünglichen zur Erlernung ordentlicher Gewerbe durch jede<br />

mögliche Unterstützung behülflich zu seyn« 5 . - Unterstützt<br />

wurden also schulentlassenen Knaben und arme Jünglinge,<br />

»welche sich von dem von ihnen schon betriebenen Nothhandel<br />

zurückhalten wollen«, wenn sie sich einem ordentlichen<br />

Gewerbe, »nämlich einem Handwerke, der Landwirthschaft,<br />

der Kaufmannschaft, oder auch einer Wissenschaft oder<br />

Kunst, widmen wollen« (§ 16 der Statuten).<br />

In §4 der Statuten von 1839 war ferner festgelegt: »Sollte sich<br />

der Verein im Laufe der Zeit einer günstigen und ausgebreiteten<br />

Theilnahme zu erfreuen haben, so wird er es sich zur<br />

Pflicht machen, arme israel. Handwerker und Gewerbetreibende<br />

zur Gründung und zum Betriebe ihrer Geschäfte zu<br />

unterstützen, überhaupt aber die Industrie und die Gewerbe<br />

unter den inländischen Israeliten so viel als möglich zu<br />

befördern, und in einen blühenden Zustand zu versetzen«.<br />

Der Vorstand des Vereins setzte sich - einschließlich des<br />

Sekretärs und des Kassiers - aus sieben Mitgliedern zusammen.<br />

Bei der Gründung waren dies die Vorstände der früheren<br />

Bruderschaft der Brautaussteuer Jacob Simon und M.<br />

Jacob Weil, des weiteren Emanuel Levi d. A., Jo. Höchstädter<br />

und S.B. Dreifuß, als Sekretär Arah. (?) Ewald und als<br />

Kassier B. M. Roth.<br />

Die Vorstandsmitglieder sollten sich vor allem bemühen, daß<br />

»1. Meister aufgefunden werden, welche Lehrlinge annehmen,<br />

und<br />

2. welche statt des Lehrgeldes die Lehrzeit verlängern, ohne<br />

daß die Lehrlinge in der Unterstützung beeinträchtigt werden,<br />

und<br />

3. daß die Lehrlinge Kosttage bei vermögenden Israeliten<br />

erhalten«.<br />

(§ 47) Sie zogen über das Verhalten der Lehrlinge bei den<br />

Meistern Erkundigungen ein, und sie beaufsichtigten deren<br />

sittlich-religiösen Lebenswandel (§ 48). Die Geldunterstützung<br />

wurde an mit den Meistern zur Zahlung des Lehrgeldes<br />

festgesetzten Terminen abgegeben. Beim Antritt der Wanderung<br />

wurde noch ein Reisegeld gereicht. (Vgl. § 22)<br />

Zur Zeit der Gründung bestanden die Einnahmen des Vereins<br />

aus den Zinsen des vorhandenen Fonds (der Bruderschaft der<br />

Brautaussteuer) und aus den ordentlichen und außerordentlichen<br />

Beiträgen. Die ordentlichen Beiträge kamen durch<br />

Einzeichnung in jedes Quartal zirkulierende Subskriptionslisten<br />

zustande. Sie durften nicht weniger als 12 kr. betragen<br />

und wurden vom Vereinsdiener eingesammelt. Außerordentliche<br />

Beiträge waren Spenden, welche<br />

»- von wohlthätig gesinnten Menschenfreunden jeder Confession<br />

zu verschiedenen Zeiten und in beliebigen Quanten,<br />

- bei dem Aufrufen zum Vorlesen aus der Thora,<br />

- bei besonderen Veranlassungen, wie z. B. Hochzeitsmahlen,<br />

bei Beschneidungen, Confirmations- und Verlobungs-<br />

Feierlichkeiten u. s. w.<br />

vom Zehnten (Maaser) des Heirathsgutes und<br />

- in Krankheitsfällen und Beerdigungen« freiwillig gegeben<br />

werden. (§ 12)<br />

Der Verein sollte aufgelöst werden, »wenn er nicht mehr als<br />

zehen ordentliche Mitglieder haben sollte«. (§ 58) In diesem<br />

Falle sollte das Vermögen des Vereins an den Lokal-Schulfond<br />

übergeben werden, so »daß von den Zinsen desselben<br />

die Schulgelder für arme Kinder jährlich bezahlt werden«. (§<br />

58)<br />

In einer Eingabe der israelitischen Glaubensgenossen »an den<br />

Durchlaucht. Souverain« vom 11. März 1842 »um gnädigste<br />

Organisation ihrer öffentlichen Verhältnisse im Wege höchster<br />

Regierungs Verordnung« betont der Verfasser Rabbiner<br />

Dr. Samuel Mayer, daß »sich die Knaben und Jünglinge seit<br />

mehreren Jahren großen Theils den ordentlichen Gewerben<br />

[widmen]. Dieses lobenswerthe Bestreben wird durch den<br />

israelit. Gewerbe Verein, dessen Statuten unterm 17. Sept.<br />

1839 von Hochpreislicher Regierung genehmigt wurden,<br />

insofern nachdrücklich unterstüzt, als aus den Mitteln des<br />

Vereins arme israelit. Knaben und Jünglinge zu diesem<br />

Zwecke unterstützt werden« 6 .<br />

In dem o. g. Aufsatz (Sp. 570) berichtete Rabbiner Dr. Mayer<br />

1844, daß sich der Verein noch immer einer vielseitigen<br />

Teilnahme erfreue und schon sehr viele Wohltaten ausgeübt<br />

habe.<br />

Quellen:<br />

1. Statuten des Israelitischen Gewerbe-Vereins in Hechingen,<br />

gedruckt in derF.X. Ribler'schen Hof-Buchdruckerei. 1839.<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 310<br />

Anmerkung:<br />

Es ist anzunehmen, daß Rabbiner Dr. Samuel Mayer auch die<br />

Anregung zur Bildung des Gewerbevereins gab. In Nr. 11 des<br />

von ihm herausgegebenen »Israelitischen Samstagblatt«<br />

(Hechingen, den 1. Juli 1837) schrieb er auf S. 44 einen<br />

Bericht über »Israelitische Vereine« und führte dort an, daß<br />

im Großherzogtum Baden ein Verein zur Beförderung der<br />

Handwerke unter den Israeliten bestehe. In Dresden sei am<br />

10. Sept. 1829 ein Verein gestiftet worden, um »Handwerke,<br />

Künste und Wissenschaften, sowie jede nützliche Tätigkeit<br />

bei der israel. Jugend zu befördern, und überhaupt verbesserten<br />

Gesinnungen über Israeliten und Israelitenthum zu verbreiten<br />

bezweckt.« - »Nach den Statuten des im vorigen<br />

Jahrzehnd in Frankfurt, Mainz, Gießen, Darmstadt gestifteten<br />

Vereines zur Beförderung der Handwerke unter den<br />

Israeliten« werden denen, welche ein schweres Handwerk<br />

erlernen, ein monatlicher Zuschuß während der Lehrzeit<br />

zugesichert, außerdem erhielten sie zweimal Kleidungsstücke<br />

vom Verein. »Es steht zu erwarten, wie weit sich die Israeliten<br />

von dem alten Vorwurf werden entledigen, daß sie schon<br />

beim Tempelbau und in verschiedenen Zeiten fast allein<br />

fremde Arbeiter gebrauchten.-«<br />

3. Bruderschaft der Liebeerweisung<br />

Aus den »Statuten für die Liebeerweisung« (1841) erfahren<br />

wir: »Im Jahre 1805 hat sich dahier unter der Leitung des<br />

verstorbenen Rabbinen Löb Aach eine Brüderschaft unter<br />

dem Namen >Liebeerweisung< gebildet.« Der Zweck dieser<br />

Bruderschaft war, israelitische »Hausarmen zu unterstützen«.<br />

Zur Förderung des Wohltätigkeitssinnes bei den Mitgliedern<br />

dieser Gesellschaft sollte »sabbathlich ein zeitgemäßer<br />

Religionsvortrag in dem von der Bruderschaft dazu<br />

bestimmten Locale abgehalten werden«. Die Aufnahmegebühr<br />

betrug 2 fl., der Monatsbeitrag 2 kr.<br />

Der Vorstand verschaffte sich Kenntnis, »bei welchen Hausarmen<br />

und Erkrankten Unterstützungen zu verabreichen<br />

Seyen«. Er gab auch unverzinsliche Darlehen »gegen genügende<br />

Versicherung auf die Dauer eines Jahres«. Alljährlich<br />

erhielt der Vorstand der hiesigen israelitischen Gemeinde<br />

einen Geldbeitrag von mindestens 11 fl. zur Holzverteilung<br />

an die Bedürftigsten.<br />

Vorstand der Bruderschaft war 1838 und 1840 J. Liebmann.<br />

Quelle:<br />

1. Statuten für die Liebeerweisung (1838)<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311<br />

13


4. Bruderschaft der Gutes-Beförderung - Schochre Tob<br />

Nach Angaben des Rabbiners Dr. S. Mayer (s.o., Sp. 572)<br />

wurde die Bruderschaft Schochre Tob im Jahre 1824 von<br />

mehreren Jünglingen gestiftet. Die Statuten der Bruderschaft<br />

wurden am 1. Januar 1838 redidiert 1 . Die Bruderschaft wollte<br />

wohltätige und fromme Handlungen im allgemeinen und<br />

gemeinschaftlich ausüben und die Lehren der Religion und<br />

der Moral unter den Mitgliedern verbreiten. »Der Zweck<br />

dieser Gesellschaft ist,« so heißt es in einem Schreiben der<br />

Vorsteher der Bruderschaft Elias Wahl und Isak Bloch vom<br />

18. Januar 1838 an die Hochfürstlich Hochpreißliche Regierung,<br />

»über die Grundsätze des väterlichen Glaubens gründlich<br />

belehren, u. durch gemeinschaftliches Zusammenwirken<br />

solche Handlungen der Menschenliebe auszuüben, nementlich<br />

die Dürftigen und Kranken, auf Verlangen, zu unterstützen,<br />

was die Mitglieder einzeln zu leisten nicht im Stande<br />

wären. Die Bruderschaft besteht zwar seit 1823, ...« 8 Jedes<br />

Mitglied war verpflichtet, »an jedem Sabbath- und Feyertage<br />

bey dem von einem befähigten Religionslehrer zu haltenden<br />

Vortrage zu erscheinen«, »in der Nacht vor dem Wochenfeste<br />

und dem Vortrage des Schlußfestes zur religiösen Andacht zu<br />

kommen«. (§§ 2 u. 3 der Statuten von 1838) Während des<br />

Trauermonats mußte der Religionsvortrag »in der Bewohnung<br />

des leidtragenden Mitgliedes« gehalten werden. Beim<br />

Tod eines Mitglieds mußten sämmtliche Mitglieder dem<br />

Leichenbegräbnis auf den Gottesacker folgen.<br />

Die Aufnahmegebühr betrug 2 fl. 42 kr., der Beitrag 4 kr.<br />

Jedes Mitglied hatte beim Aufrufen zur Thora an einem<br />

Sabbat-, Fest- oder Halbfeiertag 4Vi kr. an die Bruderschaft<br />

zu entrichten.<br />

Die Vorsteher der Bruderschaft waren 1840 J. Bloch und J.<br />

M. Berle. In besonders wichtigen oder außerordentlichen<br />

Fällen hatte die Bruderschaft einen Ausschuß von 3-5 Mitgliedern<br />

zu wählen.<br />

Die Bruderschaft Schochre Tob löste sich am 3. August 1841<br />

auf und stiftete das vorhandene Kapitalvermögen in Höhe<br />

von 100 Gulden »zu einem wohlthätigen Zwecke, und zwar<br />

sollen die landläufigen Zinsen als diesem Capitale mit den<br />

Beyträgen verbunden, welche alljährlich zum Ankaufe des<br />

Holzes für die israelitischen Gemeinde-Armen abgegeben<br />

werden.« (Stiftungsurkunde)<br />

Quellen:<br />

1. Statuten der Bruderschaft der Gutes-Beforderung (Schochre Tob)<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 306<br />

2. Stiftungsurkunde (1841)<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311<br />

In dem Aufsatz über die »Geschichte der Israeliten in Hohenzollern-Hechingen<br />

aus dem Jahre 1844 lobt Rabbiner Dr.<br />

Samuel Mayer einerseits, daß die Bruderschaften » in allen<br />

Gemeinden wohlthätig gewirkt« hätten, »so lange in Synagogen<br />

nur zweimal im Jahre Religions-Vorträge gehalten wurden«,<br />

tadelt aber andererseits, daß sie ausarteten und zu<br />

geselligen Zusammenkünften benutzt wurden, »bei denen<br />

man sich nicht immer auf eine den frommen Zwecke der<br />

Anstalten angemessene Weise unterhielt.«<br />

Nach Rabbiner Dr. S. Mayer lösten sie sich auf, da »zufolge<br />

der Synag.-Ord. die Lektionen nur von geprüften Rabbinern<br />

oder Vorsängern gehalten werden« durften, »und da ohnedies<br />

an jedem Sabbat- und Festtage Religions-Vorträge in der<br />

Synagoge gehalten werden« müßten.<br />

In einem Schreiben von Dr. S. Mayer vom 9. Mai 1841 an die<br />

Fürstliche Regierung um »Normirung seines Gehaltes«<br />

erwähnt der Rabbiner, daß durch die Einführung dieser<br />

Synagogen-Ordnung seine Dienste sehr vermehrt, sein Einkommen<br />

aber vermindert wurden, »denn weil regelmäßig in<br />

14<br />

der Synagoge gepredigt wird, lösten sich zwey Bruderschaften<br />

auf, von welchen ich jährlich für die vor denselben<br />

gehaltenen Vorträge ein Honorar zu beziehen hatte.«<br />

Die Vorsteher der beiden zuletzt genannten Bruderschaften<br />

richteten am 11. Juni 1840 ein Schreiben an die Hochfürstliche<br />

Hochpreisliche Regierung, in dem sie gegen den Beschluß<br />

des isr. Gemeindevorstands protestierten, das Vermögen der<br />

einzelnen Bruderschaften für den Schulfonds zu verwenden.<br />

Das Ansinnen des Gemeindevorstands sei ganz unbegründet<br />

und widerrechtlich. Die Vorsteher verwahrten sich auch<br />

gegen die Angaben in dem Bericht des Gemeindevorstandes,<br />

daß die Bruderschaften überflüssig seien und sich in Folge der<br />

neu eingeführten Synagogen-Ordnung teils selbst aufgelöst<br />

hätten, teils nicht mehr bestehen dürften und könnten. Auch<br />

sei es nicht Sache einer Verwaltungsbehörde das Vermögen<br />

eines Privatvereins ab- und irgend jemand andern zuzusprechen.<br />

Deshalb werde die Protestation aber auch die Bitte<br />

gerechtfertigt sein: »Die Hochpreisliche Regierung möge den<br />

Gemeindevorstand mit seinen vermeintlichen Ansprüchen an<br />

das Vermögen der beiden in Rubri genannten Bruderschaften<br />

auf den Rechtsweg zu verweisen.« Ferner wurde damit die<br />

Bitte verbunden, diese beiden Bruderschaften auch fernerhin<br />

bestehen zu lassen 10 .<br />

Daraufhin ging ein geheimer Bericht des isr. Kirchenvorstandes<br />

betreffend »Die Protestation u. Bitte der Bruderschaften<br />

der GutesBeförderung und LiebeErweisung<br />

1) wegen der Zuweisung ihres Vermögens zu dem Local-<br />

Schulfonds, u.<br />

2) wegen der Wegnahme ihrer, in der Synagoge befindlich<br />

gewesenen Opferkästchen.«<br />

an die Fürstl. Regierungskommission für isr. Angelegenheiten<br />

11 . Obwohl darin ausführlich die Gründe für den<br />

Beschluß des Gemeindevorstandes dargelegt wurden,<br />

erfolgte am 30. März 1841 der Beschluß des Regierungskommissärs<br />

in israelitischen Angelegenheiten wie folgt:<br />

»1. Der isr. Kirchenvorstand ist mit seinem Gesuche um<br />

Aushändigung fraglichen Vermögens auf den Rechtsweg<br />

zu verweisen.<br />

2. Den beiden Bruderschaften ... in seinem Bestände nur<br />

zu erlauben unter der Bedingung, daß sie ihre Statuten<br />

zur Genehmigung vorlegen.<br />

3. Das Gesuch: Opferkästchen in der Synagoge zu halten:<br />

abzuweisen 12 «.<br />

In dem geheimen Bericht des isr. Kirchenvorstandes (s.o.)<br />

kommt Rabbiner Dr. Mayer mit seinem Vorstand auch auf<br />

die Frage nach dem Ursprung der Bruderschaften zu sprechen:<br />

Zur Zeit, als sich die Bruderschaften gebildet hätten, seien<br />

alljährlich zwei Predigten und nach dem Tod des Rabbiners<br />

Löb Aach lange Zeit gar keine Predigt in der Synagoge<br />

gehalten worden. Die Israeliten hätten aber das Bedürfnis<br />

gefühlt, jeden Samstag und an den Feiertagen einen religiösen<br />

Vortrag anzuhören. Daher rühre der Ursprung der Bruderschaften<br />

überhaupt.<br />

Das Vermögen komme keineswegs von den gewesenen Mitgliedern<br />

dieser Bruderschaften allein her. Jede Bruderschaft<br />

habe ungefähr 20 Mitglieder, - in der letzten Zeit keine 10 -<br />

gehabt. Der Lektor erhalte für seine Vorträge ein jährliches<br />

Honorar von 15 fl., sowie auch der Bruderschaftsdiener einen<br />

angemessenen Lohn erhalte. Jedes Mitglied habe monatlich 4<br />

kr. beizutragen. Die Einnahmen der Mitglieder seien somit<br />

jedes Jahr wieder verausgabt worden. Das Vermögen könne<br />

also nur von den Almosen herrühren, welche in die Opferkästchen<br />

der Bruderschaften in der Synagoge gespendet<br />

werden.<br />

Rabbiner Dr. Mayer beruft sich auf die Eingabe der Bruderschaften,<br />

in der unumwunden gesagt werde, »daß in dieses


Opferkästchen Jedermann eine beliebige Gabe darbringen<br />

konnte, u. durch die Wegnahme derselben ein großer Schaden<br />

für sie erwachse.« Demnach, so folgert Rabbiner Dr.<br />

Mayer, ist dieses Vermögen kein Privatvermögen, das zu<br />

beliebigen und unnützen Zwecken verwendet werden könne,<br />

sondern es müsse nach israelitischen Religionsgesetzen einzig<br />

und allein zu wohltätigen Zwecken verwendet werden. Darüber<br />

könne kein Gericht sondern nur die zuständige Verwaltungsbehörde<br />

entscheiden. Die Vorsteher der Bruderschaften<br />

Liebmann und Bloch wollten aber allem Anschein nach dieses<br />

zu wohltätigen Zwecken bestimmte Geld »am Ende zur<br />

Unterstützung der Advocaten« verwenden, ja verschwenden<br />

und auch dem Kirchenvorstand derartige Kosten verursachen.<br />

Von den nun folgenden Bruderschaften haben wir bislang nur<br />

sehr spärliche Kenntnis. Es sind dies<br />

5. die Talmud-Thora-Bruderschaft, Schas-Chebra,<br />

zur Vorbereitung der Knaben, die später das Lehrhaus, eine<br />

Stiftung (1803) der Madame Kaulla und ihres Bruders Jakob,<br />

in der Münz zur Ausbildung von Rabbinern besuchen<br />

sollten.<br />

Eine Schilderung des Zustandes bei den Juden um 1820 gibt<br />

uns Rabbiner Dr. Samuel Mayer in dem oben bereits mehrfach<br />

angeführten Artikel (Sp. 541): »Einen Mittelstand gab es<br />

nicht, denn auf der einen Seite herrschte talmudische Gelehrsamkeit,<br />

die durch die Talmud-Tora-Brüderschaft (Schas-<br />

JOHANNES WANNENMACHER<br />

Chebra) gefördert wurde, und auf der andern Seite war oft die<br />

größte Unwissenheit. Dort war brutaler Stolz und Eigendünkel,<br />

und hier gemeine Rohheit, die, durch die bewiesene<br />

Verachtung gereizt, nicht selten thatsächlichen Widerstand<br />

zu leisten suchte, ganz wie es schon zur Zeit der Talmudisten<br />

war.« Rabbiner Dr. Mayer schreibt weiter von einem mehrjährigen<br />

Parteienkampf, bevor es auf Anordnung des Fürsten<br />

Friedrich 1825 zur Errichtung einer öffentlichen Gemeindeschule<br />

kam. Dabei spielte im Vorfeld eine Rolle, ob die<br />

Talmud-Thora neben der Gemeindeschule fortbestehen oder<br />

in dieser aufgehen sollte und ob die vorhandenen Gelder zur<br />

Finanzierung der öffentlichen israelitischen Schule verwendet<br />

werden könnten.<br />

Offensichtlich geschah letzteres dann doch (noch) nicht, weil<br />

Rabbiner Dr. Samuel Mayer von der Talmud-Thora 1834<br />

jährlich 25 Gulden bezog, welche in seinem Gehalt von 225<br />

Gulden inbegriffen waren, um »sochen armen Individuen,<br />

welche sich dem Studium der Theologie oder dem Lehrfache<br />

widmen wollen, und hierzu die nöthigen Anlagen besitzen,<br />

unentgeldlich Unterricht in den höhern hebräischen Sprachkenntnißen<br />

zu ertheilen 13 «.<br />

Laut einem Schreiben vom 22. April 1840 an die Regierung,<br />

verfaßt von Rabbiner Dr. Mayer 14 , verfügte die Talmud-<br />

Thora damals über folgendes Kapital:<br />

»a) dahier, an Capital 50.b)<br />

in der Friedrichstraße aus Ausständen<br />

ca. 40.-<br />

(Fortsetzung folgt)<br />

Mundart als ein Stück Menschlichkeit und Heimat geschätzt<br />

Die zahlreichen Veranstaltungen über Weihnachten und<br />

Neujahr hinweg haben bewiesen, daß Mundart, Mundartdichtung,<br />

Volkslied und Volkskunst in jeder Art und<br />

Weise sich wieder großer Beliebtheit erfreuen. Die Ur- und<br />

Grundwerte der Heimat sind wieder gefragt. Das unverbundene<br />

Flitterwerk des modernen Alltages befriedigt vielfach<br />

nicht mehr. Man sucht überall nach dem Urtümlichen, dem<br />

Gewachsenen, das in seiner seelischen Wirkungskraft unmittelbar<br />

ins Herz dringt, Frohsinn und Freude bereitet. Hierbei<br />

erkennt man eine wachsende Vorliebe für die Mundart. Sie<br />

wird als ein Stück Menschlichkeit und Heimat geschätzt.<br />

Nachstehend aus Rangendingen interessante mundartliche<br />

Ausdrücke und Wendungen. »I muaß zerschta a mol »gmaba«<br />

= ausruhen, hört man einen übermüdeten Arbeiter<br />

sagen. Das Wort »gruaba« hat schon klanglich eine beruhigende<br />

Wirkung. Wer bei seiner Arbeit mit harten Gegenständen<br />

viel Krach macht, kann hören: »Dua (tu) it so »bockla«!<br />

Ein anderer versucht, einen harten, verzwickten Knoten<br />

aufzulösen und »knoblet« = schafft, zupft und zieht unermüdlich<br />

daran herum. Kleine Kinder sind oft am Weinen. In<br />

der Mundart schreien sie dann, »blääret oder »briaket«.<br />

Briaken ist meist ein langanhaltendes, breites Weinen und<br />

Klagen. Es gibt überall »wunderfitzige« Leut, die gerne alles<br />

auskundschaften, Familiengeheimnisse an allen Ecken und<br />

Enden ausspionieren, die tun herum »loschora«, vor solchen<br />

Menschen soll man sich in acht nehmen und vor allen Dingen<br />

bei Gesprächen mit ihnen vorsichtig sein. Wenn man jemand<br />

bei seiner Arbeit überlastet, ihn in Hetz und Unruhe bringt,<br />

so daß er bald nicht mehr aus und ein weiß, dann wird er<br />

»vergelschteret«. Wer zuviel Aufträge bekommt oder übernimmt,<br />

der ist mit Arbeit •»überlenkt« und macht sich mit der<br />

Zeit kaputt. - Wenn im Sommer das Heugras gemäht ist, es<br />

gut getrocknet auf der Wiese liegt, sich leicht anfühlt und<br />

knistert, dann ist es »raesch«. So wird es gerne heimgefahren.<br />

Eine Suppe oder eine andere Speise, die zu wenig Salz hat,<br />

ischt »laes«. Obst, das hart ist und einen säuerlichen, unangenehmen<br />

Geschmack hat, ist »knitz«. - Das Wort wird auch<br />

im übertragenen Sinne auf Menschen angewendet, die in<br />

ihrem Benehmen abstoßend wirken, hart und unfreundlich<br />

sind. In einem solchen Falle redet der Volksmund von einem<br />

»knitza Denger« oder einer »knitza! Dengere'. -<br />

Wenn ein Kind eine Speise schwer hinunterkriegt und daran<br />

herum würgt, so kann die Mutter besorgt warnen und sagen:<br />

»Gib acht, daß du it verworgescht! — erstickst. Die Kleider<br />

von Mann und Frau, sowie die der Kinder heißen in der<br />

Mundart kurz »'s Hääß«. So hört man auch: »Zieah dei Hääß<br />

aus! Häng dei Hääß uff! usw. Viele Wörter der Mundart<br />

haben eine mehrfache Bedeutung. So auch das Grundwort<br />

»lang« mit seinen Nebenwörtern! »Ischt dös »lang« genug?<br />

»Langet« = (reicht) dös Geld? »Lang« = gib, hol-mir sella<br />

Hammer? »Lang mir it do na« = Faß mir it do hin!.<br />

Bekanntlich ist ja auch die kleine Anekdote mit dem »na<br />

langa«. Eine Frau kommt zum Arzt, zeigt ihm auf Befragen<br />

die Stelle, wo es ihr immer weh tut und sagt: »Wenn i do na<br />

lang, no tuats mit ällaweil waeh. Was soll i do au macha«? Der<br />

Artz darauf kurz: »It >na langa


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

Prof. Friedrich Stegmüller gestorben<br />

Am 4. 8. 1981 verstarb Prof. Dr. theol. Friedrich Stegmüller,<br />

langjähriger Inhaber des Lehrstuhles für Dogmatik an der<br />

Universität Freiburg i. B.<br />

Friedrich Stegmüller wurde am 8. 2. 1902 in Glatt (Hohenzollern)<br />

geboren. Nach dem Abitur in Sigmaringen (1920)<br />

studierte er in Freiburg Theologie, wo er 1925 zum Priester<br />

geweiht wurde. 1936 bekam er den Lehrstuhl für Dogmatik<br />

an der Universität Würzburg, von wo er 1949 nach Freiburg<br />

zurückkehrte. Unermüdlich war er tätig und viele Ehrungen<br />

Register 1981<br />

Seite<br />

Au, Meinrad von und der Meister von Meßkirch 35<br />

Aus vergangener Zeit 56<br />

Bad Imnau: Kursaal 33<br />

Bettmauer, das Rätsel an der Lauchert 40<br />

Brautsuche für Prinz Ferdinand 9<br />

Buchbesprechungen:<br />

Aus der Geschichte des Haidhofes 16<br />

Barock in Baden-Württemberg 31<br />

Bildatlas zur Württembergischen Geschichte 63<br />

Chronik des Truppenübungsplatzes Heuberg 31<br />

Handbuch der historischen Stätten Baden-Württembergs<br />

15<br />

Kelten in Baden-Württemberg 31<br />

Liebes altes Hohenzollern 64<br />

Wochenblatt für das Fürstentum Sigmaringen 64<br />

Württembergisches Hausbuch 64<br />

Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern 18<br />

Christianisierung der Vornamen in der Grafschaft Zollern 44<br />

Fürst Leopold Denkmal, Errichtung und Einweihung 50<br />

Grosselfingen, Geistliche aus der Pfarrei 5 7<br />

Haigerlocher Zeitungen 1880-1934 IV 12<br />

Haigerlocher Zeitungen 1880-1934 Schluß 27<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

hrsggbn. vom Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />

Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />

Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei KG,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

16<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Rolf Burkarth<br />

Reutlinger Straße 7<br />

7487 Gammertingen<br />

Prof. Dr. J. Groner<br />

Adolf-Kolping-Str. 17, 7798 Pfullendorf<br />

Joh. Adam Kraus, Erzb. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg<br />

Hans Speidel, Landrat i. R.<br />

Wiener Straße 9, 7450 Hechingen<br />

Otto Werner, Rektor<br />

Friedrich-List-Straße 55<br />

7450 Hechingen<br />

Johannes Wannenmacher<br />

Eichertstraße 9<br />

7487 Gammertingen<br />

wurden ihm zuteil. 1967 wurde er durch einen Schlaganfall<br />

gelähmt. Erst nach einer Leidenszeit von 14 Jahren ist er<br />

erlöst worden. »Seine Arbeiten zur Erschließung der theologischen<br />

Uberlieferung Spaniens und Portugals, zur Katalogisierung<br />

der Sentenzen- und Bibelkommentare des Mittelalters<br />

und zur Herausgabe der lateinischen Werke Raimund<br />

Lulls sind weltweit anerkannt. Er gehört zu den gelehrtesten<br />

Theologen der neueren Geschichte.«<br />

(Aus dem Nachruf von Prof. Dr. Riedlinger)<br />

Seite<br />

Heimatpflege, 30 Jahre 49<br />

Heufeld, Nächtlicher Spuk 43<br />

Heuneburg 1<br />

Hochberg, Schulwesen I 24<br />

Hochberg, Schulwesen II 38<br />

Hohenzollern, Vinzentinerinnen I 41<br />

Hohenzollern, Vinzentinerinnen II 62<br />

Melchingen: Aus Gunkel wurde Gockel 11<br />

Melchingen: Das Rätsel der Burghalde 23<br />

Mundart eine heile Welt 41<br />

Mundart, Reich-tum und Vielfalt 26<br />

Namen unserer Vorfahren vor 1200 Jahren 57<br />

Neckarhausen: St. Ulrichskapelle 8<br />

Radio (Leon Schmalzbach) 53<br />

Scheuch, Balthas Forstknecht 1605 23<br />

Schwäbiishausen, Ortsgeschichte 54<br />

Sigmaringen: Besuch Kaiser Wilhelm 1910 (Bild) 49<br />

Straßberg: Amtshaus 61<br />

Straßberg und der Truppenübungsplatz Heuberg 21<br />

Synagoge: Nachweis einer zweiten in Hechingen 53<br />

Ungelehrt, Johann Ludwig Minorit aus Pfullendorf I 59<br />

Veringen: Burgruine (Bild und Artikel) 17<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HOHENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />

32. Jahrgang Nr. 2/Juni 1982<br />

Villa Eugenia, letzte Residenz des Fürsten Konstantin um 1835, Lithographie von J. Ling. Das Bild stammt aus dem neuen Thorbecke-Bildhand<br />

»Hechingen und Zollerburgen« von Karl Mors.<br />

CASIMIR BUMILLER<br />

Vorindustrielles Handwerk und Industrialisierung in Jungingen<br />

Die Gemeinde Jungingen eröffnete im April 1981 ein Heimatmuseum.<br />

Der Besucher darf also erwarten, daß ihm hier<br />

»Heimat« gezeigt wird. Was ist das aber - Heimat?<br />

Hoch über bunt getöntem Waldeskranz,<br />

Schaut ruhmumstrahlt Burg Hohenzollern!<br />

Und wenn sie glüht im Abendsonnenglanz,<br />

Ist keine Heimat zaubervoller.<br />

Und hin durch Flur, durch Strauch und Teich<br />

Steht offen uns ein Himmelreich.<br />

Dies Tal so schön, das Gott uns gab einmal,<br />

Das ist mein Heimatort, mein Killertal.<br />

Dies ist die Antwort des Heimatdichters (es handelt sich um<br />

die 3. Strophe des »Heimatlieds« von Casimir Bumiller) 1 .<br />

Sein Heimatbegriff kennt nur Natur, kaum den Menschen -<br />

er steht ergriffen außerhalb des Gedichts -, und schon gar<br />

nicht seine Arbeit. Ihre Erwähnung würde das Bild stören.<br />

Wo menschliche Erzeugnisse genannt werden, sind es schon<br />

fast Bestandteile der Natur: das Dorf, der Zoller. Das<br />

Gedicht vermittelt einen feierlichen, einen erhabenen Heimatbegriff,<br />

weil es sich über den dörflichen Alltag erhebt.<br />

Dies ist ein Bild der Heimat, das eher einem Wunsch, einer<br />

Sehnsucht entspricht, ein Bild, wie es in den Köpfen entsteht.<br />

Die eigentliche Heimat, wie sie sich draußen vorfindet, sieht<br />

anders aus; da geht es weniger feierlich zu, eher schon banal,<br />

bestimmt von den gewohnten Lebensabläufen, vom Alltagseinerlei,<br />

von der eintönigen Arbeit, dem ständigen Ärger, den<br />

kleinen Freuden.<br />

Um diesen Begriff von Heimat, der die konkrete Lebens- und<br />

Arbeitswelt meint, soll es hier in erster Linie gehen; um die


Heimat der Lebensbewältigung, die unter jeweils veränderten<br />

Bedingungen doch immer dieselben Nöte kennt.<br />

Z.B. Bedrohung. Als die aufgebrachten Reutlinger und<br />

Esslinger Soldaten 1311 das Biirgle zerstört haben, sind den<br />

Junginger Bauern die Felder verwüstet worden, viele Hütten<br />

wurden ein Opfer der Flammen. Die >armen Leute< des<br />

Mittelalters mußten täglich mit dieser Bedrohung leben -<br />

trotzdem: ihnen war wieder einmal Heimat- denn »Heimat«<br />

ist in seiner ursprünglichen Bedeutung der häusliche Herd -<br />

zerstört worden.<br />

Aber lassen wir das Mittelalter hinter uns. Die Angst vor der<br />

Zerstörung der Heimat hat ja hier im Killertal ihren aktuellen<br />

Anlaß in der Diskussion um die geplante neue Trasse der<br />

B 32. Den einen erscheint die neue Straße als Fortschritt,<br />

Entlastung, Zugewinn; den anderen ist sie Rückschritt, Belastung,<br />

Verlust. Verlust natürlicher Lebensumwelt, Verlust<br />

von Heimat. So wird Heimat unversehens von einem Gegenstand<br />

der Dichtkunst zu einem Gegenstand politischer Auseinandersetzung.<br />

Und wir sehen, Geschichte - auch Heimatgeschichte<br />

- ist nie eindeutig, ihre Entwicklung läßt immer<br />

wenigstens zwei Ausdeutungen zu. Wäre es möglich, daß den<br />

Kindern in einigen Jahren das gleichmäßige Dröhnen der<br />

neuen Straße ebenso <strong>heimat</strong>lich in den Ohren klingt wie<br />

früheren Generationen das Pfeifen der Dampflokomotive<br />

... ?<br />

Heimat und unser Verhältnis zur Heimat wandelt sich in der<br />

Geschichte. Selten ist Zeit so schnell geflossen wie in diesem<br />

Jahrhundert, selten drohte sie so ernsthaft zu überfließen.<br />

Die Generation, der ich angehöre, hat schon gelernt mit dem<br />

Überfluß zu leben. Überflüssig wurde auch Heimat: Neckermann<br />

verdrängte sie aus unseren Wohnstuben, das Fernsehen<br />

lieferte uns die Welt frei Haus, und das Auto brachte uns<br />

Italien näher als das Zellerhorn. Alte Holzfässer, Roßkummeter<br />

und Bauernschränke landeten auf dem Sperrmüll: man<br />

kann in einem reichen Arbeiterdorf auf Bauernkultur verzichten.<br />

Jetzt, nach dem Höhenflug des Wirtschaftswunders,<br />

will jeder wieder ein bißchen Bauer sein: man möbelt die alten<br />

Fässer auf, man trinkt wieder Most. Nur wer sich heute einen<br />

Dreschflegel übers offene Kamin hängen oder ein Spinnrad in<br />

die Diele stellen will, muß auf dem Antiquitätenmarkt tief in<br />

die Tasche greifen. Teure Heimat!<br />

Das Heimatmuseum bietet uns Heimat billiger - und anders.<br />

Wenn Heimat nicht nur romantische Natursehnsucht ist,<br />

sondern alltägliche Lebens- und Arbeitswelt, dann muß ein<br />

Heimatmuseum die sich wandelnden Lebensformen einer<br />

bestimmten Umgebung - in diesem Fall des Dorfes Jungingen<br />

- in ihrer geschichtlichen Entwicklung zeigen.<br />

Gehen wir von heute aus! Die alltägliche Lebenserfahrung<br />

der meisten Familien im heutigen Jungingen ist geprägt vom<br />

Gang des Vaters (oft auch der Mutter) zur Fabrik. Die<br />

gesamte Lebensorganisation - der Tagesablauf, die Urlaubsplanung,<br />

das Familienleben -, aber auch das, was sich als<br />

Heimatgefühl, Heimatbedürfnis in uns niederschlägt, hängt<br />

von dieser Voraussetzung ab. Gehen wir etwas mehr als 100<br />

Jahre zurück, dann finden wir in Jungingen nur ganz wenige<br />

Familien, deren Lebensrhythmus von Industriearbeit geprägt<br />

wurde: unter den Gründungsmitgliedern des Männergesangvereins<br />

1867 stehen ganze vier Namen, hinter denen sich -<br />

nicht ohne Stolz vermerkt - die Berufsbezeichnung »Mechaniker«<br />

findet - nur sie wußten bereits, was das ist: Fabrik<br />

(auch wenn die »obere Bude« damals noch eher einem,<br />

traditionellen Handwerksbetrieb mit ersten Ansätzen zur<br />

Mechanisierung glich). Die größte gemeinsame Erfahrungsgrundlage<br />

der Junginger vor 100 Jahren war dagegen bäuerliche<br />

Arbeit: alle Familien trieben Landwirtschaft. Und dennoch<br />

war Jungingen damals auch kein eigentliches Bauerndorf:<br />

1871 gingen 170 von rund 850 Einwohnern auf den<br />

18<br />

Hausierhandel, und an Handwerk hatte das Dorf fast alles,<br />

wessen es bedurfte: wenigstens 35 Familien lebten auf der<br />

Grundlage eines Handwerks- oder Gewerbebetriebes.<br />

Jungingen war also nie ein reines Bauerndorf. Einige Zahlen<br />

sollen die Bedeutung des Handwerks in der Geschichte<br />

unseres Dorfes deutlich machen. Im Stichjahr 1605 war für 26<br />

von etwa 70 Familien ein Handwerk die Lebensgrundlage,<br />

um 1760 für 40 von 120 Familien und um 1870 noch für 35<br />

von 170 Familien; Mitglieder von etwa 50 Familien gingen<br />

jetzt aber auf den Hausierhandel 2 .<br />

Handwerk und Gewerbe waren in Jungingen also jeweils<br />

überdurchschnittlich stark angesiedelt. Dies ist nicht schwer<br />

zu erklären: Die Böden der Junginger Gemarkung sind nicht<br />

die besten, und die landwirtschaftliche Nutzfläche war seit<br />

dem Mittelalter ungefähr dieselbe geblieben (anno 1544 483<br />

Morgen 3 , ungefähr 200 ha), während die Bevölkerung - mit<br />

Einschränkung des 30jährigen Krieges - stetig und schnell<br />

anwuchs. Um 1760 standen jeder Familie in Jungingen (bei<br />

120 Familien) im Schnitt nicht einmal mehr 2 ha Land zur<br />

Verfügung - das war zum Sterben zuviel, zum Leben aber<br />

zuwenig. Die jungen Familiengründer mußten sich also<br />

Lösungen der Überlebensfrage einfallen lassen.<br />

Der früheste Ausweg war eben das Erlernen eines Handwerks.<br />

Im 16. Jahrhundert war die Gemeinde zunächst noch<br />

gezwungen, Handwerker mit wichtigen Berufen von außen<br />

anzuwerben; sie griff dabei sogar direkt in die persönliche<br />

Freiheit ihrer Bewohner ein. 1610 oder 1611 war der Junginger<br />

Schmied Kientzler gestorben. Als sich die Witwe Barbara<br />

Daubenschmidin darauf wiederverheiraten wollte, verweigerte<br />

die Gemeinde dem zunächst Auserwählten das Bürgerrecht.<br />

Erst als die Witwe den heiratswilligen Schmied Hebich<br />

aus Wilflingen für sich gewonnen hatte, war man gerne<br />

bereit, ihn aufzunehmen. Auch den Metzger Rees mußte man<br />

um dieselbe Zeit den Burladingern abspenstig machen. Im<br />

18. Jahrhundert waren schließlich Mitglieder aus allen alteingesessenen<br />

Familien im Handwerk heimisch geworden; viele<br />

von ihnen verwalteten über Generationen hinweg die wichtigsten<br />

Betriebe: die Schuler als Wagner, die Bosch als<br />

Schmiede, die Riester als Schreiner, die Speidel und die<br />

Bumiller als Säger. Allerdings wurde Mitte des 18. Jahrhunderts<br />

schon deutlich, daß die Betriebe die weitverzweigten<br />

Familien nicht mehr ernähren konnten: um 1760 sollten von<br />

der oberen Säge vier geschwistrige Kindskinder mit ihrem<br />

zahlreichen Anhang leben, das war aber bei der Konkurrenz<br />

der unteren Säge und bei sinkendem Bedarf an Bauholz nicht<br />

mehr möglich.<br />

Diese Situation überfüllter Wirtschaftsstellen führte zur<br />

2. Lösung: Auswanderung. Aus Jungingen sind im 18. Jahrhundert<br />

nur acht Parteien ausgewandert, darunter auch<br />

Handwerker, im 19. Jahrhundert vielleicht noch einmal<br />

soviel. Dies ist gemessen an anderen Gemeinden nicht viel,<br />

denn die Junginger hatten inzwischen eine 3. Lösung gefunden:<br />

den Hausierhandel, dessen Zunahme seit dem ausgehenden<br />

18. Jahrhundert wohl den Rückgang der Handwerksstellen<br />

erklärt.<br />

Die zeitlich letzte, dafür aber zivilisationsgeschichtlich<br />

umwälzendste Lösung der Überlebensfrage stellte der Eintritt<br />

des Dorfes in das Industriezeitalter dar. Dieser bedeutenden<br />

Entwicklung in der Junginger Geschichte möchte ich<br />

einige Überlegungen widmen. Vom Ausgangspunkt der<br />

Überlebensfrage bis zur Industrie ist ein langer Weg, und es<br />

ist nicht ganz selbstverständlich, daß das Dorf gerade ihn<br />

einschlug. Wir können aber einige Stationen verfolgen. Als<br />

der 22jährige Ludwig Bosch 1852 seine Lehr- und Wanderjahre<br />

beendet hatte, brachte er nach Jungingen einen neuen<br />

Beruf mit: Mechaniker. Diese »Kunst« wies beträchtlich über<br />

das Handwerk des Vaters, der Dorfschmied war, und über


den Horizont des Dorfes hinaus. Denn zwar konnte er den<br />

Leuten auf dem Dorf kleine alltägliche Dinge herstellen, aber<br />

was er eigentlich produzieren wollte, waren große, komplizierte<br />

und teure Geräte, wie Turmuhren oder Waagen. Dazu<br />

benötigte er zunächst einmal Geld, um die Rohstoffe und<br />

spezielle Maschinen anschaffen zu können. Er hatte Glück,<br />

denn Jungingen war gerade kurz zuvor preußisch geworden<br />

(1851), und die preußische Regierung versuchte die Armut<br />

der Bevölkerung im neuen Landesteil durch »Industrialisierung<br />

von oben« vergeblich zu lindern. Da kam dann die<br />

Eigeninitiative eines einheimischen Handwerkers mit<br />

zukunftsträchtigem Beruf gerade recht. Zweimal - 1856 und<br />

1866 - erhielten Ludwig Bosch und seine Brüder staatliche<br />

Finanzspritzen, so daß die Produktion in Schwung kam.<br />

Noch haben wir es mit einem Handwerksbetrieb zu tun;<br />

zwar sind schon manufakturartig mehrere Arbeiter beschäftigt,<br />

aber die eigentliche Stufe der industriellen Produktion ist<br />

erst erreicht, als 1882 Dampfkraft die Maschinen antreibt und<br />

so Serienproduktion für den Markt möglich wird.<br />

Wir finden in dieser Geschichte viele Bedingungen: neue<br />

technische Fertigkeiten, Initiative, Kapital, Arbeitskräfte, die<br />

gern bereit sind, den neuen Weg mitzugehen, Maschinenkraft,<br />

nicht zuletzt aber günstige politische und wirtschaftliche<br />

Rahmenbedingungen - erst dies alles zusammen<br />

genommen ergibt etwas nie zuvor in der Geschichte Dagewesenes:<br />

Industrie.<br />

Hinzu kommt bei den ersten Betriebsgründern wohl ein<br />

Blick über die Grenzen des Dorfes und über die Gegenwart<br />

hinaus. Ludwig Bosch hätte auch wie der Vater Schmied<br />

werden können, er hat aber wohl gespürt, daß darin keine<br />

Zukunft liegt. Oder, wenn wir an einen anderen Fabrikanten<br />

denken, Meinrad Bumiller, der 1873 die erste hohenzollerische<br />

Peitschenfabrik gründete, so ist es nicht unerheblich,<br />

daß er die Erfahrung industrieller Produktionsweise aus Prag<br />

mitbrachte: er hatte die Welt gesehen. Insgesamt mußte ein<br />

Denken entwickelt sein, das Max Weber den »Geist des<br />

Kapitalismus« genannt hat, d. h. ein Planen über den morgigen<br />

Tag hinaus, ein Denken in Kategorien von Einsatz und<br />

Gewinn, von Pünktlichkeit, Ordentlichkeit, Genauigkeit<br />

und ähnlichen bürgerlichen Tugenden.<br />

Nicht alle Menschen kamen mit diesem Denken einer neuen<br />

Zeit zurecht. Nach glaubhaften Erzählungen sind den Junginger<br />

Hausierern nach dem Ersten Weltkrieg Hunderttausende<br />

von Reichsmark in der Inflation kaputtgegangen. Diese<br />

Menschen lebten ein Lebenlang nach außen hin ärmlich,<br />

arbeitsam und bescheiden. Ihre Handelsgewinne, die sie von<br />

jeder Reise mitbrachten, ließen sie auf der Bank ruhen.<br />

Keiner kam auf die Idee, mit den anwachsenden Geldsummen<br />

etwa ein Handelshaus aufzubauen. Daß Geld >arbeiten<<br />

soll - so wie es Menschen tun -, war ihnen eine fremdartige<br />

Vorstellung. Und hunderttausend Mark im Sparstrumpf ist<br />

noch kein Kapital...<br />

Nicht nur die Hausierer, auch viele Handwerker waren nicht<br />

in der Lage, den Schritt in die neue Zeit mitzutun. Das<br />

Holzhandwerk gehörte zwar zum ältesten und breitgegliedersten<br />

im Dorf, aber dies scheint schon zu den Gründen zu<br />

zählen, weshalb von dieser Seite nicht viel zu erwarten war.<br />

Die Bumiller saßen seit 400 Jahren auf einer Sägemühle, die<br />

Speidel bereits mehr als 200 Jahre, und man erhält das Gefühl<br />

von einer gewissen Müdigkeit. Auch wenn auf der unteren<br />

Säge um die Jahrhundertwende noch ein Motor installiert<br />

wurde, einen Industriebetrieb wollten der Sägerseppel und<br />

der Spuntmattheis nicht errichten. Da hatte die »Dampfe«<br />

(Gebr. Riester, Möbelfabrik 1907), die aus einer jungen<br />

Schreinerei hervorging, doch etwas mehr Schwung. Oder<br />

denken wir an die Peitschenfabriken, so stellten sie zwar im<br />

ersten Drittel unseres Jahrhunderts einen auch überregional<br />

bedeutenden Industriezweig der Gemeinde dar, aber ein<br />

Mann wie L. Bosch, der ja schon 50 Jahre früher nicht ohne<br />

Grund kein Schmied mehr geworden war, hätte den Peitschenfabrikanten<br />

sagen können, daß ihre Produkte bald keine<br />

Abnehmer mehr haben würden. So war die kurze Blüte der<br />

Junginger Holzindustrie nur noch die Krone auf einem<br />

Holzgewerbe mit alter Tradition, aber ohne Zukunft.<br />

Die Zukunft gehörte neben der Metallverarbeitung der Textilbranche.<br />

Zwar wurde der erste Textilbetrieb von einem<br />

Drechsler, Bernhard Schuler, gegründet (1878), aber er war<br />

in seiner Jugend in der von der preußischen Regierung<br />

eingerichteten Webschule gewesen und hatte dort neue Techniken<br />

erworben. Und wohl auch das Wissen, daß aus Frankreich<br />

eine hochmoderne Textiltechnologie zu uns gekommen<br />

war. Viele Jahre nach der Lehre besann er sich darauf, und<br />

ließ, nachdem er zunächst zweigleisig gefahren war, seine<br />

Holzprodukte fallen, um nur noch Wirkwaren herzustellen.<br />

Eine seiner ersten Nähmaschinen können wir hier im<br />

Museum bewundern.<br />

Gehen wir zum Ausgangspunkt der industriellen Entwicklung<br />

zurück, der Armut unserer Bevölkerung, und fragen<br />

uns, was die damals einsetzende Industriealisierung gebracht<br />

hat, so können wir dies in Zahlen - etwa in Einkommenstabellen<br />

- nicht darstellen. Bezeichnend ist aber, daß schon um<br />

die Jahrhundertwende »Wohlhäbigkeit« »aus allen Fenstern<br />

schaut«, wie der Dichter Heinrich Hansjakob nach seiner<br />

Fahrt durch Jungingen schrieb. Zu dieser Wohlhabenheit<br />

trugen neben den Fabriken nicht unerheblich die z. T. großen<br />

Geldmassen der Hausierer bei, die mit ihrem Geld wenigstens<br />

manchen Sohn Lehrer werden ließen. Im Gegensatz zu<br />

den großstädtischen Industriezentren die erst einmal eine<br />

ungeheure Verelendung unter den besitzlosen Massen<br />

erzeugten, begann die Industrialisierung bei uns die bestehende<br />

Armut abzubauen. Zwar wurden auch hier Hungerlöhne<br />

gezahlt 4 , aber jede Familie hatte eine kleine Landwirtschaft,<br />

und wenn noch jemand aus dem Haushalt auf den<br />

Hausierhandel ging, dann war das wirtschaftliche Auskommen<br />

mehrfach gesichert. Aus dieser »Wohlhäbigkeit« entwickelte<br />

sich in Jungingen um die Jahrhundertwende ein<br />

selbstbewußtes, weltgewandtes, z. T. wohl auch schrulliges<br />

Kleinbürgertum, das sich z.B. in einem Leseverein liberale<br />

bürgerliche Gedanken aneignete, sich aber auch den Spott<br />

und den Neid der umliegenden Gemeinden zuzog.<br />

Hier sind wir an einem Punkt angelangt, wo wir wieder auf<br />

den Heimatbegriff zurückkommen können. Diesr Wandel in<br />

den Lebensgrundlagen und Lebensformen zwischen etwa<br />

1870 und 1930, der dem allgemeinen Zivilisationssprung ins<br />

technische Zeitalter entsprach, ließ in vielen ein Heimatgefühl<br />

entstehen, das von Natursehnsucht ganz deutlich<br />

geprägt war. Und es gab einen unter den Dorfbewohnern, der<br />

diese Bedürfnisse ausdrucken und in Verse fassen konnte: den<br />

Gastwirt Casimir Bumiller (1861-1930), dessen unzählige<br />

Heimatgedichte aus der Zeit zwischen 1880 und 1930 stammen,<br />

also gerade aus dem hier behandelten Zeitraum gesellschaftlichen<br />

Wandels. Die zunehmende Verlagerung der<br />

Arbeitsplätze vom Feld, wo man beweglich und frei war, in<br />

geschlossene Räume, wo man zehn Stunden gebunden war,<br />

erforderte einen Ausgleich, in dem die freie Natur unter dem<br />

weiten Himmel zur eigentlichen Heimat wurde.<br />

Unser kleines Museum ist in erster Linie diesem Zeitraum des<br />

Übergangs vom vorindustriellen Handwerk zur Industrie<br />

gewidmet. Natürlich sind darüber die archäologischen und<br />

archivalischen Dokumente zur Junginger Geschichte bis ins<br />

frühe Mittelalter zurück nicht vergessen worden. Bedeutsam<br />

ist dabei, daß dieses Museum die Lebensformen der Großund<br />

Urgroßeltern nicht zur >guten alten Zeit< verklärt, sondern<br />

ganz unromantisch - was nicht heißt: ohne eine gewisse<br />

anregende Ästhetik - Lebensbedingungen darstellt und die<br />

spezielle Antwort, die die Junginger seit hundert Jahren<br />

19


darauf geben. Der Besuch der Räume provoziert Vergleiche<br />

zwischen damals und heute. Dabei sollte es nicht um Feststellungen<br />

gehen von der Art: >Früher war es doch schöner< oder<br />

>Heute ist alles besser


In einem Schreiben vom 9. Juni 1835 (unterzeichnet von Wolf<br />

Raphael, Salomon B. Dreyfus und Wolf J. Wolf) an die<br />

Regierung machten sie die ergebenste Mitteilung, »daß eine<br />

Gesellschaft von jungen Männern zusammengetretten, um<br />

allwöchentlich des Sabbaths in deutschen Vorträgen,<br />

Betrachtungen und Ansichten, über Religion und Moral den<br />

Zeitverhältnissen und Zeitanforderungen entsprechend<br />

durch den Cand Theol. Reichenberger zu vernehmen 21 «.<br />

10. Jüdischer Gesangverein<br />

Rabbiner Dr. Samuel Mayer führte in dem 1844 erschienen<br />

und schon mehrfach erwähnten Artikel »Geschichte der<br />

Israeliten in Hohenzollern-Hechingen« (Sp. 540) an: »In<br />

diesem Winter haben etwa 20 Jünglinge einen Gesangverein<br />

errichtet, und solche Vereine sollten sich in allen Gemeinden<br />

bilden«. Dieser Verein wird wohl in den allgemeinen Gesangverein<br />

aufgegangen sein, der 1853 unter dem Vorsänger<br />

Lichtenstein gegründet wurde und dessen langjähriger Direktor<br />

Lichtenstein war. Kantor Lichtenstein war damals 38<br />

Jahre alt und Vorsänger in der Oberstadtsynagoge, während<br />

der betagte 72jährige Marx Kürzinger Vorsänger in der<br />

Synagoge auf der Friedrichstraße war. Übrigens war Lichtenstein<br />

von etwa 1862 bis zu seinem Tode 1874 auch Dirigent<br />

des Synagogenchors, dessen Heranbildung ebenfalls sein<br />

Werk war.<br />

Es ist zweifelhaft, ob es sich bei dem in der »Chronik der<br />

Stadt Hechingen« (1980) genannten Kaufmännischen Verein<br />

Merkuria (1876 erstmals in der Zeitung erwähnt) um einen<br />

jüdischen Verein handelte. In der Chronik wird ausgeführt:<br />

»Es verfolgte den Zweck, durch Vorträge und Unterhaltung<br />

einer umfangreichen Bücherei den Bildungsstand seiner Mitglieder<br />

zu heben. Die Mitglieder gehörten meist der Israelitischen<br />

Gemeinde an. Als letzter jüdischer Verein bestand er<br />

bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts und löste sich mit<br />

der Zeit der beginnenden Verfolgung selbst auf«. (Unterm<br />

Jahr 1884 heißt es: »Aus der früheren Gesellschaft Merkuria<br />

bildete sich ein Kaufmännischer Verein, der bis zum Jahr<br />

1933 Bestand hatte«.)<br />

11. Verein zur Pflege jüdischer Geschichte und Literatur<br />

1904 wurde ein Verein zur Pflege jüdischer Geschichte und<br />

Literatur gegründet. Dem Verein stand Julius Levi vor. Der<br />

Verein veranstaltete auch Konzerte".<br />

1938 bestanden hier - außer den beiden oben bereits angeführten<br />

Vereinen Chevra Kadischa und Isr. Frauenverein -<br />

noch folgende jüdische Vereine 23 , die sämtlich nicht rechtsfähig<br />

waren:<br />

12. Jüdischer Zentralverein, Ortsverband Hechingen. Sein<br />

Zweck war die Rechtsberatung der Juden. Zur Vertretung<br />

berechtigt war Leon Schmalzbach.<br />

13. Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, Ortsverband<br />

Hechingen, der sich zum Ziel gesetzt hatte, den soldatischen<br />

Geist und die Frontkameradschaft zu pflegen. Zur<br />

Vertretung berechtigt war Max Singer.<br />

14. Hilfsverein der Juden in Deutschland, Ortsverband<br />

Hechingen. Er förderte die Auswanderung der Juden aus<br />

Deutschland. Zur Vertretung war wiederum Max Singer<br />

berechtigt.<br />

Diese drei Vereine hatten kein Kapital. Es wurden nur<br />

Mitgliedsbeiträge eingesammelt und restlos an den jeweiligen<br />

Hauptverein abgeführt. Statuten waren nicht vorhanden.<br />

15. Ferner bestand hier noch der Ortsverband Hechingen<br />

des Jüdischen Lehrhauses Stuttgart. Der Zweck dieses<br />

Vereins war die religiöse Belehrung. Aus einer Befragung<br />

des Herrn Walter Frank, der zur Vertretung des Vereins<br />

berechtigt war, durch einen Polizeihauptwachtmeister (über<br />

die am 9. 9. 1938 ein Bericht angefertigt wurde -)<br />

wissen wir, daß in den Herbst- und Wintermonaten<br />

religiöse Kurse über die Gebets- und Gottesdienstordnung<br />

abgehalten sowie Übersetzungen von Gebeten aus<br />

der hebräischen in die deusche Sprache eingeübt wurden.<br />

Diese Kurse hielt regelmäßig Religionslehrer Leon<br />

Schmalzbach ab, und zwar im jüdischen Gemeindehaus<br />

in der Goldschmiedstraße mittwochs in der Zeit zwischen<br />

20.30 und 21.30 Uhr alle vierzehn Tage. Außerdem<br />

fanden jährlich bis zu zwei Vorträge von auswärtigen<br />

Rednern über religiöse Themen statt 24 . Der Vorstand<br />

verwaltete eine Bücherei, die 1076 Bände umfaßte<br />

25 . Kapital war nicht vorhanden. Die jährlichen Mitgliederbeiträge<br />

in Höhe von ca. 130 RM wurden für<br />

Bücher und als Beitrag zum Hauptverein ausgegeben.<br />

Statuten waren nicht vorhanden.<br />

Von der Auflösung des Ortsverbandes Hechingen des<br />

Jüdischen Lehrhauses Stuttgart kündet ein Brief von<br />

Alfred Loewenthal, dem damaligen Vorsteher der israelitischen<br />

Gemeinde, an den Bürgermeister der Kreisstadt<br />

Hechingen vom 3. Juli 1939:<br />

»Wir teilen Ihnen mit, daß der Ortsverband Hechingen<br />

des Jüdischen Lehrhauses Stuttgart mit Wirkung ab 1.<br />

Juli 1939 aufgelöst wurde, nachdem infolge anhaltenden<br />

Rückganges der Mitgliederzahl eine Notwendigkeit für<br />

die Aufrechterhaltung des Ortsverbandes nicht mehr<br />

besteht. Die vorhandene Bibliothek wurde der Isr. Gemeindeverwaltung<br />

Hechingen zur Benützung für deren<br />

Gemeindemitglieder übergeben. Barvermögen des Ortsvorbandes<br />

ist nicht vorhanden«.<br />

16. Jüdische Kultusvereinigung Hechingen e. V.<br />

Gemäß Reichsgesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen<br />

Kultusvereinigungen vom 28. 3. 1938 wurde die jüdische<br />

Kultusvereinigung Hechingen ein eingetragener Verein<br />

26 . Die Satzung ist unterzeichnet von Alfred Loewenthal,<br />

Isidor Weil, Otto Hofheimer, Leon Schmalzbach, Karl<br />

Hamburger, Isidor Bernheim und Martha Hofheimer. Als<br />

Zweck der Kultusvereinigung wird in § 2 der Satzung »die<br />

Betreuung des religiösen Lebens ihrer Mitglieder« angegeben.<br />

»Als Zweigstelle der Reichsvereinigung der Juden in<br />

Deutschland«, so heißt es weiter, »nimmt sie die örtlichen<br />

Aufgaben der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland<br />

wahr 27 «. Alle Personen jüdischen Glaubens, die bei Inkrafttreten<br />

des Reichsgesetzes vom 28. 3. 1938 Mitglied der<br />

jüdischen Gemeinde waren oder nach Maßgabe der ersten<br />

Durchführungsverordnung vom 30. 1. 1939 geworden sind,<br />

wurden Mitglieder der »Jüdischen Kultusvereinigung<br />

Hechingen E. V.«<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 316<br />

2<br />

Ebenda<br />

3<br />

SAH API. 5422 Bd. Rechtsverhältnisse der Israelitischen Gemeinde<br />

4<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 310<br />

5<br />

Schreiben der M. Jacob Weil u. Jacob Simon an die Fürstl.<br />

Regierung vom 23. Aug. 1839. Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr.<br />

310<br />

6<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 303<br />

7<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 306<br />

8<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311<br />

9 Lagerort: StAS Ho 235 I-X 1230<br />

21


10<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 314<br />

11<br />

Ebenda.<br />

12<br />

Ebenda.<br />

13<br />

StAS Ho 235 I - X 1230 - Im Nachgang zu Art. VII der<br />

Übereinkunft der Deputierten der israel. Gemeinde und dem Dr.<br />

Samuel Mayer wegen dessen Anstellung als Rabbiner vom 29.<br />

September 1834.<br />

14<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 311<br />

15<br />

In dem o.g. Artikel von Rabbiner Dr. Mayer, Sp. 572<br />

16<br />

Ebenda.<br />

17<br />

Lagerort: SAH Nr. 91<br />

18<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 302<br />

19<br />

In dem o. g. Artikel von Rabbiner Dr. S. Mayer, Sp. 521, Fußnote<br />

10<br />

20<br />

Lagerort: StAS Ho 6 ZR Akten Nr. 305<br />

21 Ebenda.<br />

OTTO WERNER<br />

22<br />

Vgl. die Programmzettel vom 16. 10. 1909 und vom 13. 11. 1910in<br />

der HHB Hechingen, R 12 XXII und XXIII - Im Akteninventar<br />

der Israelitischen Gemeinde Hechingen wird ein Kassenbuch des<br />

jüd. Literarischen Vereins 1904-1911 aufgeführt.<br />

23<br />

Vgl. das Schreiben der Israelitischen Gemeinde Hechingen an das<br />

Stadtbürgermeisteramt Hechingen vom 7. Juli 1938 betr. jüdische<br />

Vereine und Stiftungen. Lagerort: SAH API. 5422 Rechtsverhältnisse<br />

der Israelitischen Gemeinde.<br />

24<br />

Lagerort: Ebenda.<br />

25<br />

Bücherverzeichnis, Jüdisches Lehrhaus Stuttgart, Ortsverband<br />

Hechingen. Lagerort: Ebenda.<br />

26<br />

Vgl. Satzung der Jüdischen Kultusvereinigung Hechingen E. V.<br />

vom 30. Oktober 1939. Lagerort: StAS Ho 235 I - VIII F 23 (Nr.<br />

339)<br />

27<br />

Ebenda, S. 2<br />

Die gemeine Stadt Hechingen und der Bau der Stiftskirche vor 200 Jahren<br />

Die beiden Bürgermeister und Deputierten der Stadt Hechingen<br />

erklärten sich in einer im fürstlichen Residenzschloß<br />

geführten Verhandlung vom 13. September 1776 »ausdrücklich<br />

bereit..., zu dem vorhabenden Kirchenbau die Handund<br />

Spannfrohnen, wie es in dem Bistum Constanz hergebracht<br />

sei, gratis prästiren zu wollen« 1 . Am 14. Mai 1778<br />

schließlich wurde die Hechinger Bürgerschaft aufgrund eines<br />

Dekrets der fürstlichen Hofratskanzlei wegen der Kirchenbaufronen<br />

auf das Rathaus berufen und ihr befohlen, »daß<br />

bey dem bevorstehenden Stadt Kirchen Bau die Handfrohner<br />

fleissig und düchtige Leüth erscheihnen« und »die Fuhr<br />

Frohnen auch sich fleissig einstellen sollen«. Bei den Fronen<br />

müsse sich jederzeit ein Baumeister einfinden, »damit alles in<br />

der Ordnung gehe«. Der Stadtschultheiß habe dies alles auf<br />

Begehren des zum Kirchenbau bestellten Bauballiers zu<br />

veranlassen 2 .<br />

In den folgenden Jahren finden sich in den Stadtgerichtsprotokollen<br />

öfter die Kirchenfronen betreffende Klagen. Am<br />

4. August 1779 wurde vermerkt, daß die Spann- und Handfronen<br />

»einige Zeit her schlecht verrichtet, und darüber Klage<br />

geführet worden«. Um die Sache »in bessere Ordnung einzuleiten«,<br />

wurde der Bürgerschaft bekanntgegeben, daß jeder,<br />

der in Zukunft bei den Kirchenbaufronen sich nicht »behörig<br />

einfinden und dabey seine Schuldigkeit erfüllen würde«,<br />

beim erstenmal »um eine Stadt-Einigung ohne alle Rücksicht<br />

gestrafet«, beim zweitenmal aber zur exemplarischen Bestrafung<br />

an die fürstliche Hofratskanzlei verwiesen werde. Die<br />

Stadteinigung war ein Strafmaß vergleichbar dem heutigen<br />

Tagessatz; eine Stadteinigung entsprach zu jener Zeit einem<br />

Betrag von etwas mehr als einem halben Gulden, eine doppelte<br />

Stadteinigung einem Gulden und 17 Kreuzer. - Am<br />

22. Dezember 1779 wurde die Verordnung »wegen neüer<br />

dingen eingekommenen Klagen« wiederholt.<br />

Der Fürst befahl am 30. April 1780 die Bekanntgabe eines<br />

Dekrets, in dem die Eltern aufgefordert wurden, ihre Kinder<br />

zu mahnen und ihnen schärfstens zu verbieten, die Baustelle<br />

der Pfarrkirche zu betreten. Der Anlaß war, daß sich mehrmals<br />

die Kinder »rottenweise« bei der neu zu erbauenden<br />

Kirche versammelten, »über die Grüster« hin- und herliefen<br />

und verschiedenen Mutwillen ausübten. Diejenigen, »so<br />

fürohin diesfalls denutiret werden«, sollen »ohne alle Rücksicht«<br />

einer Strafe von 10 Reichstalern verfallen.<br />

Auf einen »Special Befehl« des Fürsten wurde am<br />

13. November 1781 der versammelten Bürgerschaft »der<br />

Kirchenfrohn neüerdingen schärfist anbefohlen«. In Zukunft<br />

sollte keiner mehr, »so oft ihme gebotten«, ausbleiben, »bey<br />

22<br />

Gewärtigung schärfster Strafe und Ungnad«; auch sollten<br />

lauter tüchtige Leute gestellt werden. - Mit den Fuhrleuten<br />

wurde vereinbart, daß von nun an für alle Fuhren zwei<br />

Kreuzer als Fuhrlohn bezahlt würden. Diese Lohngelder<br />

sollten der Stadt durch eine Steuerumlage wieder ersetzt<br />

werden. Eine Abordnung der Fuhrleute erreichte aber schon<br />

bald darauf, daß darüber hinaus »bey jeder Fuhr auf die<br />

Hechinger und Steinerner Seegmühle, so auch in die beede<br />

Steinbrüche« für jeden Zug sechs Kreuzer, »bei Bauholz und<br />

Seeg-Klöz führen aus denen Waldungen« zwölf Kreuzer,<br />

»auf eine entfernte Seegmühle als zu Jungingen« zehn Kreuzer<br />

bezahlt wurden. Eine entsprechende Resolution des<br />

Kanzlers von Franck wurde in den Stadtgerichtsprotokollen<br />

am 13. Dezember 1781 vermerkt.<br />

Am 29. Februar 1783 wurde vor dem Stadtgericht wegen des<br />

Kirchenholzersatzes durhc die Gemeinde Beuren verhandelt.<br />

Die Stadt Hechingen hatte seit 1779 »an ganzen Eichen und<br />

Klötze« 217 St. für den Kirchenbau abgegeben. Der Wert<br />

dieses Holzes wurde auf 913 Gulden taxiert. Nun hätte die<br />

eingepfarrte Gemeinde Beuren im Verhältnis der dortigen<br />

Bürgerschaft zur Holzabgabe beitragen müssen. Seitens des<br />

Kanzlers wurde bestimmt, daß »ein billigmäsiger Ersaz, so<br />

sie diesfals gemeiner Stadt schuldig seye«, von der Gemeinde<br />

Beuren entweder in 50 Klafter Buchenholz oder in 50 Gulden<br />

barem Geld »bestehen dürfte, worauf sich bemelte Gemeinde<br />

zu Entrichtung des letzteren resolvieret, welche sie in 14<br />

Tagen einliefern wolle«.<br />

Als letzte Nachricht zum Kirchenbau finden wir in den<br />

Stadtgerichtsprotokollen eine Strafanordnung vom<br />

22. August 1783. Hans Jerg Schertt war an einem Sonntag<br />

während des vormittägigen Gottesdienstes von Franz Stotz in<br />

dessen Garten angetroffen worden, »wie er von seinem Baum<br />

Bieren herabgethan«. Nur weil Schertt dies nicht ableugnete<br />

und »in Rücksicht seiner sonstigen mittellosen Umstände«,<br />

wurde er »für diesmal noch mit der wohlverdienten Leibs-<br />

Strafe verschont«. Aber er mußte sein Vergehen mit achttägigen<br />

Frondiensten bei der Stadtkirch abbüßen.<br />

Anmerkungen<br />

1 Laut eines Urteils des Königlichen Spruchkollegiums für landwirtschaftliche<br />

Angelegenheiten in Sigmaringen in der »Baulasten-<br />

Ablösungs-Sache von Hechingen« v. 8. Januar 1866 - »Ausfertigung<br />

für die Parochianen zu Hechingen zu Händen des Postmeisters<br />

Haimb zu Hechingen«. Lageort: HHB Hechingen, K 363<br />

XX.<br />

2 Stadtgerichtsprotokolle 1778-1801. Lagerort: SAH Folio A 14.<br />

Dort auch die übrigen Zitate entnommen.


Melchinger Sühnekreuze<br />

Im letzten Jahr erschien das grundlegende Werk über Sühnekreuze:<br />

Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg<br />

von Bernhard Losch. Joh. Ad. Kraus berichtet hier<br />

über ein Beispiel aus Hohenzollern.<br />

Westlich des Dorfes Melchingen bei der Flur Falltor wurde<br />

im Jahre 1735 unter Pfarrer Josef Deuber eine Kapelle zur<br />

Schmerzhaften Muttergottes erbaut. Sie steht in der Gabelung<br />

der Straße Salmendingen und Talheim. An der westlichen<br />

Außenseite und an der Südseite des Chores findet man,<br />

fast im Grase versteckt, zwei uralte Steinkreuze. Sie reichen,<br />

wie man unschwer aus ihrer altertümlichen Form schließen<br />

kann, weit über die Entstehungszeit der Kapelle zurück und<br />

wurden wahrscheinlich bei deren Bau an die jetzige Stelle<br />

gerückt. Eine Volksüberlieferung scheint es darüber nicht zu<br />

geben, denn sonst hätte der 1979 verstorbene Pfarrer Albert<br />

Waldenspul sicher etwas herausbekommen. Es liegt jedoch<br />

schon seit 1906 ein literarischer Hinweis vor in dem Buch<br />

»Zollerische Schlösser und Burgen usw.« von K. Th. Zingeler<br />

und G. Buck (S. 118). Dieser kann mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

die Herkunft der beiden Kreuze klären.<br />

Als einfache Grenzsteine waren derartige Werke eines Steinhauers<br />

meines Wissens in unserer Gegend nicht üblich. Nur<br />

im 16. Jahrhundert ist in der Gegend zwischen Salmendingen,<br />

Willmandingen und dem Straßenabstieg nach Talheim<br />

ein »Greinsbild« als Grenzstock des »Wirtembergischen<br />

Forsts« nachzuweisen, vielleicht dort, wo jetzt ein Feldkreuz<br />

steht. Was das Greinsbild darstellte oder wem es seine<br />

Entstehung verdankte, scheint nicht bekannt zu sein. Zingeler<br />

berichtet nun in diesem Buch: »Aus Melchingen wird<br />

urkundlich eine für das ausgehende Mittelalter charakteristische<br />

Buße erzählt. Die beiden Melchinger Hans Nollhart und<br />

Blotz hatten den Hans Singer von Undingen im Streit erschlagen.<br />

Für dessen Seelenheil (den man wohl auch nicht für ganz<br />

schuldlos hielt) sollten sie vierzig Messen lesen lassen. Dabei<br />

mußten sie mit 60 Männern, von denen jeder eine halbpfündige<br />

Kerze trug, zum Opfer gehen. Ihre eigene Kerze muße<br />

ein Gewicht von einem Pfund haben.<br />

Ferner waren sie verpflichtet, (je) ein fünf Fuß hohes und drei<br />

Fuß breites Kreuz aus Stein aufrichten zu lassen. Sie mußten<br />

in der Kirche einen Jahrtag für Hans Singer stiften und den<br />

Verwandten zwanzig Gulden (»Wehrgeld«) geben. Binnen<br />

Jahresfrist hatten sie eine Wallfahrt nach Ach (Aachen) und<br />

eine nach Einsiedeln zu »Unserer lieben Frau« zu machen.<br />

Veringer Gerichtsurteile<br />

1605 Bestallungsbrief von der Herrschaft Hettingen gegen<br />

den hiesigen Scharfrichter Michael Karg, was er für das<br />

Köpfen jedesmal empfangen sollte.<br />

1609 Mariae Verkündigung. Meister Michael Kargen von<br />

Kalb (Calw?) Züchtigers von der Stadt Veringen gegebene<br />

Bestallung seines Schinderamtes.<br />

1611 11. März ist hier zu Veringenstadt Hans Lacher von<br />

Binswangen durch den Strang und sein Sohn Georg Lacher<br />

mit dem Schwerdt hingerichtet worden. Christoph Vischer,<br />

Schultheiß, war Stabhalter.<br />

1611 23. Juli wurde Waldburga Millerin von Egelfingen<br />

wegen Hexerei enthauptet und verbrannt. Schulth. Chr.<br />

Vischer, Stabhalter.<br />

1612 23. März wurde Christa Flekh mit dem Schwert hingerichtet.<br />

Schulthaiß Christoph Vischer, Stabhalter.<br />

So hatten es die drei zuständigen Grafen Jodok Niklas von<br />

Zollern (fl488), Eberhart von Wirtemberg und Georg von<br />

Werdenberg (t 1500) miteinander verglichen und den Streit<br />

geschlichtet.« Warum der Zollergraf beteiligt war, ist nicht<br />

ganz klar. Vielleicht war die Tat im zollerischen Forst<br />

(westlich vom Zellerhorn, Fehla- und Laucherttal) geschehen,<br />

vielleicht war er auch nur Vermittler. Der Jahrtag für<br />

Singer in Undingen wird wohl durch die Glaubensspaltung<br />

bald beendet worden sein. Mit Grund darf man annehmen,<br />

daß die beiden Melchinger Kreuze auf diese Gerichtsentscheidung<br />

zurückgehen, wenn sie auch heute nicht mehr fünf<br />

Fuß hoch sind.<br />

Melchingen, Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes 1735. Sühnekreuz<br />

an der Chorwand.<br />

1612 12. Juli wurde Hans Koch, genannt Elsäßer von Benzingen,<br />

hier stranguliert und mit ihm Hans Miller, genannt<br />

Weiberhaßer von Eningen, mit dem Schwert hingerichtet.<br />

Stabhalterei Verweser der Schultheiß Chr. Vischer.<br />

1614 17. März ist Bartlin Bendel, alt Müller von Krauchenwies,<br />

wegen mit seiner Tochter begangenen Incestus berechtig<br />

und mit dem Schwert justifiziert worden. Schultheiß Chr.<br />

Vischer, Stabhalter.<br />

1614 15. August ist Johann Coburger, gräflich zollerischer<br />

Rath und Rentmeister, wegen Diebstahl, Ehebruch und<br />

anderen delicten gericht worden, und war erstlich wurden<br />

ihm die Eidsfinger gestimmbt, dann wurde er enthauptet,<br />

hernach vor dem Rathaus gevierteilt, die Eingeweide ausgenommen<br />

und begraben, die vier Theile aber zu vier kaiserl.<br />

Reichsstraßen ausgehenkt.<br />

23


1615 26 Januar ist ist Stoffel Hennenberger von Thiernen (?)<br />

wegen Diebstahls mit dem Strang hingerichtet worden.<br />

1616 19. August ist Ursula Gerberin von Krauchenwies<br />

Hexerei halber eingezogen worden, worauf d. 24. Agst. in<br />

der gefenkhnuß starb & den 26. unter dem Galgen vergraben<br />

wurde.<br />

1617 20. April im Pfarrhof zu Veringendorf. War Pfarrherr<br />

Christoph Müderin (?) dessen Haushälterin als seine geweste<br />

Concubin, mit Namen Barbara Stroblerin von Krauchenwies,<br />

von hiesigen Scharfrichter Michael Karg an Pranger<br />

HANS-DIETER LEHMANN<br />

Lag Solicinio bei Hechingen/Stein?<br />

Bereits Prof. Nägele berichtete, daß die Gegend um Weilheim<br />

bei Hechingen voll von Altertümern stecke, leider habe<br />

er dort statt eines erhofften römischen Militärlagers jedoch<br />

nur eine Zivilsiedlung feststellen können... 1 . Thele versuchte,<br />

aus der Anlage der Hechinger Oberstadt ein römisches<br />

Standlager abzuleiten...Wieso wurde im Hechinger<br />

Raum - eindeutig außerhalb der Linie der Alblimeskastelle,<br />

weitab vom Neckarlimes und der späteren befestigten Grenzziehung<br />

des römischen Imperiums - nach militärischen Anlagen<br />

gesucht?<br />

Verständlich wird dies vor dem Hintergrund des Berichts des<br />

spätrömischen Schriftstellers Ammianus Marcellinus über die<br />

Strafexpedition des Kaisers Valentinian im Jahre 368 n. Chr.<br />

in das Gebiet der »Alamannen«. Dieser römische Offizier<br />

berichtet davon, daß bei einem Ort Solicinio die »Alamannen«<br />

besiegt und ihre auf einem Berg gelegenen Verschanzungen<br />

gestürmt worden sind 2 .<br />

Bislang wurde Solicinio in Sülchen bei Rottenburg vermutet,<br />

der befestigte Berg im Spitzberg bei Tübingen gesehen -<br />

allerdings wurde hinter diese Zuweisung ein Fragezeichen<br />

gesetzt 3 . Die Gleichsetzung von Solicinio mit Sülchen durch<br />

Mettler 4 beruhte allein auf sprachlichen Untersuchungen und<br />

der Tatsache, daß Sülchen frühzeitig namensgebend für die<br />

umliegende Gegend wurde (Sülchgau). Aber auch südlich<br />

von Rottenburg 5 sowie bei Heidelberg 6 oder Schwetzingen 7<br />

wurde Solicinio schon gesucht.<br />

Einige in letzter Zeit gemachte Befunde sprechen vielleicht<br />

für den Hechinger Raum als Ort der bei Ammian berichteten<br />

Ereignisse:<br />

1. über dem unteren Killertal liegen Höhenbefestigungen aus<br />

unbekannter Zeit<br />

2. Mit den Ruinen bei Stein wurde ein Komplex aus römischer<br />

Zeit gefunden, der über den üblichen Rahmen einer<br />

villa rustica hinausgeht und mit schon länger bekannten<br />

Funden der Gegend 8 (Villa auf Maurach, Römerstraße am<br />

Hechinger Golfplatz, Funde am Stierbrunnen und beim<br />

Säuweiherle) in Zusammenhang zu sehen ist.<br />

Mehrfach wurden Befestigungen beschrieben, die oberhalb<br />

von Jungingen das Killertal sperrten und im Volk »Schwedenschanzen«<br />

heißen, obwohl eine Entstehung im spanischen<br />

Erbfolgekrieg gesichert werden konnte 9 . Prof. Nägele<br />

nahm jedoch an, daß die Befestigungen zwischen dem<br />

Bergsporn »Eineck« und dem Bürgle bei Jungingen nicht in<br />

einem Zusammenhang mit diesen neuzeitlichen Erdwerken<br />

stehen 10 . Kraus 15 wies auf die Möglichkeit der Existenz von<br />

Befestigungen am Ghaikopf zwischen Schlatt und Beuren<br />

hin, indem er diesen Namen in Zusammenhang mit kelti-<br />

24<br />

gestellt mit ruethen ausgeschwungen und ausgesteubt<br />

worden.<br />

1617 1. Juni ist Christina Lacherin von Egelfingen wegen<br />

Hexerei enthauptet & dann verbrannt worden, diese soll den<br />

größten Körper und den kleinsten Kopf gehabt haben.<br />

1617 17. November ist Georg Zopper von Krauchenwies an<br />

Pranger gestellt & mit ruethen ausgeschwungen worden, weil<br />

er 7 Jahre hinderm bösen Geist gehangen ist & die Zeit Gott &<br />

die Heiligen verleugnet hat.<br />

(Materialien zur Geschichte der Stadt Veringen, handschriftl.<br />

von Sebastian Locher.)<br />

sehen Bezeichnungen für Umwallung, Barriere, Verhau und<br />

Schutzwehr bringt.<br />

Zwischen dem Bürgle und dem Ort Beuren - am Plateau von<br />

Beuren, auf dem Schlatter Kirchbichel und unter dem Weilerwaldkopf<br />

- sind im Gelände Erscheinungen zu beobachten,<br />

die ein anderes Bild als die genannten neuzeitlichen Befestigungen<br />

zeigen. Sie bestehen aus einer steilen Hangkante, vor<br />

welcher durch einzelne Haufen ein Graben angedeutet ist.<br />

Die Abbruchkante der massiven Steinbank des Braunjuras,<br />

die für die Ausbildung der einzelnen Hochplateaus verantwortlich<br />

ist, bot sicherlich eine Möglichkeit zur Steingewinnung.<br />

Ob aber Steinbrucharbeiten zu einem derartig langgezogenen<br />

und teilweise geradlinigen Erscheinungsbild führen<br />

würden, ist zweifelhaft. Vor allem in Zusammenhang mit den<br />

sonstigen Anlagen auf dem Beurener Plateau erscheint eine<br />

Höhenbefestigung als wahrscheinlich. Die geographischen<br />

Gegebenheiten auf dem Plateau von Beuren - Zugang von<br />

Norden und zweiter Zugang auf der Beurener Heide am<br />

»gegenübergelegenen Felsen« des Dreifürstensteins - stimmen<br />

mit der Angabe bei Ammian überein. Die Episode im<br />

Sumpf, bei welcher Valentinian nur mit Mühe unter Verlust<br />

von Kämmerer und Helm einem Hinterhalt der Feinde<br />

entrann, kann sich im sumpfigen Tal des Heiligenbachs bei<br />

Schlatt (= Sumpf) abgespielt haben. Das Interesse des Kaisers<br />

an dem Zugang zur Befestigung von der Beurener Heide her<br />

sowie die Angabe bei Ammian, daß von hier aus und nicht<br />

von der leichter zugänglichen Nordflanke des Berges her der<br />

Angriff der Römer erfolgte, ist aus der Absicht verständlich,<br />

den Verteidigern die Möglichkeit zur Flucht auf die Albberge<br />

zu nehmen.<br />

In den Gegenden, wo Alamannen siedelten, zerfielen nach<br />

heute vorherrschender Ansicht die Villen und Städte der<br />

geflohenen oder erschlagenen römischen Oberschicht - auch<br />

wenn z. B. die Grabungen in Bonndorf und Stein das Gegenteil<br />

gezeigt haben 11 . Auch anhand von Münzprofilen wurde<br />

für römische Siedlungen in Rottweil, Rottenburg, Cannstatt,<br />

Hüfingen, Heidenheim u. a. ein Weiterbestehen bewiesen 12 .<br />

Die dörflichen Siedlungen der kaum romanisierten Landbevölkerung<br />

existierten wahrscheinlich weiter nach der »alamannischen<br />

Landnahme«. So verfielen die Villen bei Stein<br />

und auf Maurach, das Dorf am Martinsberg führte dagegen<br />

die Siedlungstradition bis zum Abgang von Nieder-Hechingen<br />

weiter. Dahingestellt sei, ob dessen Bewohner »alamannische<br />

Eroberer« oder die Nachkommen der Kelten waren,<br />

die bereits während der römischen Besatzungszeit hier ansässig<br />

waren. Bezeichnenderweise war »Walch« der Name der<br />

niederadligen Familie, die noch zwischen 13. und 17. Jh. in<br />

Niederhechingen nachweisbar ist 1 . Im Alpenvorland 14 deuten<br />

»Walchendörfer« auf Ansiedlungen der vorgermanischen<br />

Restbevölkerung hin 13 . Dies gilt auch im Albvorland und auf<br />

der Alb. Eine Zusammenstellung von Ortsnamen, die sich


von dieser Bezeichnung der romanisierten Kelten ableiten,<br />

wird von Schneider 16 undl 7 gegeben.<br />

Vielleicht hat sich hier am Martinsberg sowie südlich von<br />

Stein im Flurnamen sogar der Name erhalten, der in keltischrömischer<br />

Zeit für die ganze Ansiedlung galt. »Sulz« heißt das<br />

Gewann, wo im Südosten des Martinsbergs die Siedlung<br />

bestand. Dies könnte ein Relikt der in römischer Zeit verwendeten<br />

Bezeichnung Solicinio sein. »Sulz« ist eine in Süddeutschland<br />

sehr häufig auftauchende topographische<br />

Bezeichnung, oft Bestandteil eines Orts- oder Flurnamens.<br />

Er dürfte somit auf eine keltische Bezeichnung allgemeiner<br />

Art (Sumpf?) 4 zurückgehen.<br />

Vor diesem Hintergrund erscheint Thele's Vermutung nicht<br />

mehr so abwegig, daß als Vorläufer der Hechinger Oberstadt<br />

ein valentinianisches Heerlager bestanden haben kann. Von<br />

hier aus wäre nach Eroberung von Solicinio die Erstürmung<br />

der Befestigungen unter dem Heufeld geleitet worden. Nur<br />

Zufallsfunde im Stadtgebiet könnten die Fragezeichen hinter<br />

dieser Hypothese beseitigen. Falls jedoch einmal ein Beweis<br />

für die Lage von Solicinio am Martinsberg erbracht werden<br />

könnte, würde es naheliegen, daß dieser Name auch der des<br />

römischen Vicus bei Stein war, der unmittelbar vor den Toren<br />

der Siedlung der halbromanisierten Kelten lag, die Ammian<br />

als »Alamannen« oder »Barbaren« bezeichnet.<br />

Anmerkungen<br />

1 Chronik der Stadt Hechingen, Band I, Hechingen 1980; S. 2; 15.<br />

2 Ammianus Marcellinus, Rerum Gestarum, Buch 27; 10.8 und 30,<br />

7.7.<br />

JOHANN WANNENMACHER<br />

Erinnerungen an den Anbau von Hopfen<br />

und die Hopfenernte in und um Rangendingen<br />

Nur noch wenige Leute am Orte wissen, daß es einst<br />

zwischen Getreide und Kartoffelernte hierzulande noch eine<br />

Hopfenernte gab. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts hatte<br />

jeder größere Bauer in Rangendingen noch einen Hopfengarten.<br />

Hopfen standen auf der hiesigen Gemarkung an zahlreichen<br />

Plätzen, so am Weilenberg, in der Talwiese, im Deichenloch,<br />

im Espenloch und im Wetzenbach. Die Gemeinde<br />

selber unterhielt einen großen Hopfengarten bei der Ziegelhütte,<br />

unweit vom Kelterwasen. Seine Pflege oblag dem<br />

jeweiligen Fronvogt und dessen Mitarbeitern. Um Mariä<br />

Geburt (8. September) herum wurde der Hopfen reif. Dann<br />

ging es überall an das Pflücken von Hopfen, »das Hopfazopfla«.<br />

Bis spät in die Nacht hinein waren die Bauern mit ihren<br />

Familien an der Arbeit. Die abgepflückten Fruchtstände<br />

wurden dann auf dem Speicher ausgelegt und im Schatten<br />

gedörrt. Im Spätherbst kamen hernach die Hopfenaufkäufer<br />

mit mächtig großen Säcken. Die gedörrte Ware wurde dann<br />

besichtigt, gewogen und darauf in die großen Hopfensäcke<br />

gestampft. Der Preis für einen Zentner Hopfen war unterschiedlich.<br />

Er schwankte zwischen 300 und mehr Mark - bis<br />

zu 90 Mark für den Zentner. Manche Bauern verdienten<br />

durch Hopfenanbau und geschickten Verkauf viel Geld,<br />

andere wiederum büßten infolge Spekulierens mit ihrer Ware<br />

erhebliche Summen ein. Die Aufkäufer brachten dann den<br />

Hopfen in die Brauereien, wo er bekanntlich beim Bierbrauen<br />

Verwendung findet. Noch in den Neunziger Jahren<br />

des letzten Jahrhunderts stand Deutschland mit dem Hopfenanbau<br />

unter den Ländern Europas an erster Stelle.<br />

Um die Jahrhundertwende ging dann in Rangendingen der<br />

Hopfenanbau rasch zurück. Die überall aufkommende Industrie<br />

bot ein gesichertes Einkommen und zog die Arbeitskräfte<br />

rasch an sich. Der letzte Hopfengarten auf der örtlichen<br />

Flur stand im »Wetzenbach«, aber auch er ging kurz vor<br />

3<br />

Die Römer in Baden-Württemberg. P. Filtzinger, D. Planck,<br />

B. Cämmerer, Stuttgart/Aalen 1976; S. 113.<br />

4<br />

Beschreibung des Oberamts Rottenburg, hrsg. von K. Statist.<br />

Landesamt, Stuttgart 1899; S. 308f.<br />

5<br />

A. Weitnauer, Allgäuer Chronik, Band I, Kempten 1969; S. 63.<br />

6<br />

Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte. Kommentiert von<br />

W. Seyfarth, Akademie-Verlag, Berlin 1978, Teil IV, S. 321,<br />

Anm. 90.<br />

7<br />

Ammianus Marcellinus, Das römische Weltreich vor dem Untergang,<br />

erläutert von G. Wirth, Artemis-Verlag, Zwick/München<br />

1974; S. 874.<br />

8<br />

F. Hertlein, O. Paret, P. Goeßler, Die Römer in Württemberg,<br />

Stuttgart 1930; S. 315.<br />

9<br />

J. A. Kraus, Das Ende der Junginger »Schwedenschanze«, Zoller<strong>heimat</strong><br />

9 (1940); S. 37.<br />

10<br />

E. Nägele, Durchs Killertal, Blätter des Schwab. Albvereins XII<br />

(1900), Nr. 2.<br />

11<br />

D. Planck, Denkmalpflege in Baden-Württemberg 5 (1976);<br />

S. 112 f.<br />

12<br />

K. Weidemann, Untersuchungen zur Siedlungsgeschichte des<br />

Landes zwischen Limes und Rhein vom Ende der Römerherrschaft<br />

bis zum Frühmittelalter, Jahrb. des Rom.-Germ. Zentralmuseums<br />

Mainz 19:99, 1972 (1974).<br />

13<br />

A. Weitnauer, Allgäuer Chronik, Band I, Kempten 1969.<br />

14<br />

Beschreibung des Oberamts Balingen, hrsg. vom K. Statistischtopograph.<br />

Bureau, Stuttgart 1880; S. 519.<br />

15<br />

J. A. Kraus, Kay: Teil einer Burgbefestigung? Hohenzollerische<br />

Heimat 28 (1978), S. 6.<br />

" W. Schneider, Arbeiten zur Alamannischen Frühgeschichte, Heft<br />

VII/VIII, Tübingen 1979, S. 332.<br />

17<br />

Beschreibung des Oberamts Münsingen, hrsg. vom K. Statisti-<br />

schen Landesamt Stuttgart 1912, S. 249.<br />

dem ersten Weltkrieg (1914—1918) ein. Damit waren Hopfen<br />

und Hopfenstangen endgültig aus dem Flurbild unserer<br />

Gemarkung verschwunden. Dagegen in den benachbarten<br />

Orten Höfendorf, Bietenhausen und Hirrlingen sah man<br />

noch lange Jahre nachher weitausgedehnte Hopfengärten.<br />

Zur Zeit der Ernte kamen dann die »Hopfenzopfler« von der<br />

Alb herab und verdingten sich in die Hopfenernte. Zahlreiche<br />

Schulkinder von hier beteiligten sich ebenfalls daran. In<br />

kleinen Gruppen liefen sie nach dem Mittagessen nach<br />

Höfendorf oder Bietenhausen und pflückten je nach<br />

Geschicklichkeit und Fleiß bis zum Abend zwei bis drei Simri<br />

Hopfen. Das Simri war ein altes Fruchtmaß von etwa 22 bis<br />

25 Liter. Beim Einbrechen der Dunkelheit kehrten die Kinder<br />

wieder zu Fuß nach Hause zurück. Als Entlohnung erhielten<br />

die kleinen Arbeitnehmer damals für das Simri gezopfelten<br />

Hopfen 10 bis 15 Pfennig. Dazu gab es ein Vesper, das aus<br />

Brot, Gesälz und vielleicht auch süßem Most bestand. Wurst<br />

und Fleisch wurden zu jener Zeit noch nicht verabreicht. Mit<br />

heutigem Maßstab gemessen, scheint uns dieser Lohn sehr<br />

gering. Man darf aber nicht vergessen, daß um die Jahrhundertwende<br />

das Geld noch eine sehr hohe Kaufkraft hatte und<br />

es in kleinbäuerlichen Betrieben bei einer oft recht hohen<br />

Kinderzahl durchweg sehr rar war. Wenn ein Kind dann noch<br />

bis zum »Gallamärkt«, der jeweils vor dem Gallustag (16.<br />

Oktober) stattfand, vier bis fünf Mark verdiente und sich für<br />

diesen Betrag ein Paar stabile Winterschuhe kaufen konnte,<br />

so war die Freude bei Eltern und Kinder groß. -<br />

Nach dem ersten Weltkrieg nahm dann auch in den benachbarten<br />

Gäugemeinden der Hopfenanbau rasch ab, und schon<br />

jahrzehntelang ist dort kein Hopfengarten mehr zu sehen.<br />

Vor allem waren es auch die staatlichen Anforderungen mit<br />

ihren weitgehenden Bestimmungen für einen fortschrittlichen<br />

Hopfenanbau, die den Abgang der einzelnen Hopfen-<br />

25


gärten beschleunigten und das Bild der Landschaft wesentlich<br />

veränderten. In unserer Umgangssprache aber befinden sich<br />

noch einige Redewendungen, die an den ehemaligen Anbau<br />

von Hopfen erinnern, wenn man da hört: »Diea (dear) ischt<br />

so dürr (lang) wiea a Hopfastang! oder: »Des ischt hopfaleicht«!<br />

»Dear leit (liegt) na wiea an Hopfasack«. »Bei dem<br />

ischt Hopfa ond Malz verlaora«. Der oder jener alte Bauer<br />

weiß auch noch, wie man aus Hopfenschlingen Garbenseile<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Zur Geschichte von Kloster Wald<br />

In der im Jahre 1971 erschienenen Doktorarbeit von Frau<br />

Maren (Kuhn-)Rehfus über die Wirtschaftsgeschichte des<br />

Zisterzienserinnenklosters Wald 1 aufgrund der von ihr neugeordneten<br />

Urkunden ist auf 478 Seiten ein ungeheurer Stoff<br />

zusammengetragen, aus dem einige Kleinigkeiten entnommen<br />

seien. Das Kloster wurde ums Jahr 1216 durch den<br />

kaiserlichen Ministerialen Burkart von W'eckenstein 2 gestiftet.<br />

Seine beiden Schwestern Judintha und Ita, beide schon<br />

Zisterzienserinnen, traten ein. Erstere wurde Äbtissin, letztere<br />

Priorin der Neugründung. Dieser Burkart 3 wird sonst<br />

noch zu den Jahren 1230, 1231, 1236, 1237, 1241 und dann<br />

1242 mit einem Sohn B(urkart) urkundlich erwähnt. Letzteren<br />

finden wir auch im J. 1253, daneben einen Konrad von<br />

Weckenstein 1236, der nach 1249 Mönch in Salem war.<br />

Ferner läßt sich ein Her(mann) 1289 und 1261 ein Johannes<br />

mit Heinrich feststellen und 1303 gar drei Brüder Johannes,<br />

Heinrich und Burkart. Heinrich kommt noch 1308 vor und<br />

als Letzter der Familie im Jahre 1383 der Edelknecht Johannes<br />

von Weckenstein. Eine zu Hausen am Andelsbach postulierte<br />

Burg 4 dürfte aufgrund der Wappengleichheit und<br />

Überlieferung der Herren von Ramsberg und dann Hausen 5<br />

doch auf Hausen im Tal an der Donau zu deuten sein. Weil<br />

die lange erwarteten Urkundenregesten des Klosters Wald<br />

immer noch nicht erschienen sind, blieben auch die Herren<br />

von Huneberg bisher so gut wie unbeachtet. Frau Rehfus<br />

nennt 6 als Zeugen für das Walder Privileg des Herzogs<br />

Heinrich von Schwaben von ca 1220: Richard von Richlisreute<br />

7 , Heinrich von Hüneberg, Albert von Werenwag,<br />

Walter und Burkart von Hohenfels, Aigelwart von Ramstein,<br />

Konrad und Werner von Gutenstein, Eberhard von Limpach<br />

und Eberhard von Burrau (Burre bei Wald, sonst auch »von<br />

Reischach« genannt). Ferner berichtet die Anmerkung Nr.<br />

47 8 von einem Tausch, in dem Jakob von Huneberch mit<br />

Frau und Kindern im J. 1258 ihr Gut zu Walbertsweiler gegen<br />

ein anderes des Klosters Wald in Billafingen vertauschte 9 .<br />

Man wäre fast verleitet, den Wohnsitz dieser Familie von<br />

Huneberg in der Nähe der Umgebung des Klosters zu<br />

suchen. Man möchte auf die Hünaburg bei Glashütte-Weihwang<br />

als eine mächtige Volksburg hinweisen, die besonders<br />

von Jerg 10 ins Blickfeld des Interesses gerückt und schließlich<br />

von Josef Mühlebach 11 ausführlich geschildert worden ist.<br />

Heute trägt sie den Namen Schloßbühl; die alten Formen<br />

lauteten 1501 Hünaburg, 1602 Hennenburg, 1680 Hünnenburg.<br />

Der Wechsel von Burg zu Berg klingt gar nicht<br />

außerordentlich, wenn einmal das Gebäude, das anderemal<br />

mehr das Gelände ins Auge gefaßt ist. Die Bezeichnung<br />

Schloßbühl für eine uralte Volks- oder Fliehburg will aber<br />

merkwürdig erscheinen! Sollten auch hier, wie anderwärts,<br />

mittelalterliche Adelige die frühere Volksburg zum Bauplatz<br />

einer Ritterburg ausersehen haben? Das wäre nichts außerordentliches.<br />

Man vergleiche etwa die Hochburg bei Rangendingen<br />

oder die Burg Ringingen auf dem Nehberg. Zuzugeben<br />

ist freilich, daß noch niemand in dem weiträumigen<br />

Gelände der Hünaburg genauere Nachprüfungen anstellte.<br />

26<br />

machte, oder wie kaum der Schule entwachsene Jungen sich<br />

aus dürren Hopfenschlingen kleine Stäbchen schnitten und<br />

damit die ersten Rauchversuche anstellten. Der beizende<br />

Rauch, den die kleinen Stengelchen lieferten, bewirkte jedoch<br />

vielfach, daß die Strafe in Form von Übelkeit und Erbrechen<br />

meistens auf dem Fuße folgte. Wurde die Untat des Rauchens<br />

dann zu Hause oder in der Schule bekannt, so gab es damals<br />

dazu noch eine unabwendbare Tracht Prügel. Einst und jetzt!<br />

Auch ich selber habe vor vier Jahrzehnten beim Durchstreifen<br />

des damaligen dichten Gebüsches des Schloßbühls nichts<br />

Auffälliges bemerkt. Falls die Vermutung auf eine Ritterburg<br />

stimmen sollte, würde doch irgend eine (wenn auch schwache)<br />

Spur zu finden sein! Man muß auf alle Fälle die Augen<br />

offen halten! Doch sei nicht verschwiegen, was K. v. Knobloch<br />

12 von zwei verschiedenen Adelsfamilien »von Huenenberg«<br />

berichtet: Die eine existierte in der Schweiz beim<br />

gleichnamigen Dorf im Kanton Zug. Die andere saß vermutlich<br />

auf der »Burghalde« im Gewann Himberg (1424 Hünnenberg,<br />

1472 Hünenberg) bei Sipplingen in 530 m Höhe, wo<br />

noch Mauerreste zu sehen seien. Dabei werden folgende<br />

Vertreter des Namens angeführt: Gerung von Huneberg 1171<br />

als Zeuge eines Tausches in der Reichenauer Kirche, Chono<br />

von Huniberg 1191 Zeuge für Kloster Salem; dessen Sohn<br />

Heinrich 1211 als Zeuge zu Oberuhldingen und 1216, 1228,<br />

1237, ferner als Ritter 1240.<br />

Ein Jakob von Hunenberg wird 1240 und 1266 aufgeführt<br />

und endlich finden wir 1272 einen Gozold v. H. als Bürger zu<br />

Konstanz. Es besteht sehr wohl die Möglichkeit für das<br />

Wohnen einiger Familienglieder auf unserer Hünaburg, von<br />

wo sie dann den Namen mit nach Sipplingen mitgenommen<br />

haben können, wo er sich später zu Himberg abschliff. Die<br />

weitläufige Anlage der Hünaburg bei Glashütte scheint doch<br />

eher eine Volks- oder Fliehburg (»Heuneburg«) gewesen zu<br />

sein, als die Burghalde bei Sipplingen. Auffällig ist immerhin<br />

die spätere Abschleifung von Huneburg zu Himberg. Wir<br />

haben nämlich im Killertal westlich von Starzein und Jungingen<br />

eine steil aufstrebende Anhöhe Himberg, für die ich nur<br />

die alte Bezeichnung Hemberg von 1605 kenne. Aber auch<br />

dort oben auf der gegen Starzein vorspringenden Bergnase ist<br />

seltsamerweise eine dreiseitige alte Volks- oder Fliehburg<br />

festgestellt 13 , die vielleicht früher Hüneberg hieß und im Lauf<br />

der Zeit im Volksmund eben zu Hem- oder Himberg wurde.<br />

Zu den Namen Hünen(-burg, -berg, -ring, -stein) vergleiche<br />

man Rem. Vollmanns Flurnamenbuch 14 . Darin schreibt er:<br />

Seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar erscheint das alte Wort<br />

Hiune, Hüne, Heune im Sinne von »Riese«. Und den Riesen<br />

schrieb man die uralten großen Befestigungsanlagen zu, die in<br />

unserer Gegend noch erhalten sind. Man denke nur an die<br />

berühmte Heuneburg bei Hundersingen-Riedlingen, die<br />

nach jahrelangen Ausgrabungen nach und nach so aufschlußreiche<br />

Erkenntnisse zutage brachte!<br />

Anmerkungen:<br />

1<br />

Sigmaringen, Verlag Liehner<br />

2<br />

Burgruine über der Schmeie bei Storzingen<br />

3<br />

Im Anhang der Arbeit von Frau Rehfus S. 449 f.<br />

4<br />

Rehfus, Anmerkung Nr. 34, Seite 35.<br />

5<br />

»Hohenzollerische Heimat« 1973, 3.<br />

6<br />

Rehfus, Seite 36-37.<br />

7<br />

Unbekannt wo; wohl Reute eines Richard.<br />

8<br />

Rehfus, Seite 37, Anmerkung 47.<br />

9<br />

Klosterwalder Urk. Nr. 41 im Fürstl. Hohenzoll. Archiv Sigmaringen.<br />

10<br />

Note 5, Jahrg. 1951, 63.<br />

11<br />

Note 5, Jahrg. 1971, 74.<br />

12<br />

K. v. K. Knobloch, Oberbad. Geschlechterbuch II, 150-151.<br />

13<br />

Zoller<strong>heimat</strong> 1940, 9.<br />

14<br />

R. Vollmann, Flurnamensammlung, München 1926, S. 62 f.


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Hölnstein-Melchingen-Lichtenstein<br />

A. Die Namen der Burgruinen Höln- oder Holstein bei<br />

Stetten-Burladingen und Lichtenstein bei Neufra (Melchingen<br />

bedeutet »bei den Leuten des Malicho«) haben schon<br />

öfter Heimatfreunde beschäftigt. Während der letztere an<br />

seiner ältesten Wortform Liechtenstein leicht als »lichter oder<br />

heller Stein« zu begreifen ist, hat der Holnstein den Freunden<br />

der Geschichte einiges Kopfzerbrechen verursacht, auch in<br />

der zuletzt modernen Bezeichnung »Stetten unter Holstein«.<br />

Ein an Ort und Stelle genommener Augenschein hätte leicht<br />

auch dem früher stark von Mythologie gefärbten Denken den<br />

Weg zur richtigen Erklärung weisen können. Aber gerade die<br />

Sicht von der Talseite des Burgfelsens hat wegen Steilheit des<br />

Berges und starkem Waldbewuchs ehemals Schwierigkeiten<br />

gemacht und war nur mit Anstrengung zu gewinnen. Von<br />

oben, also der Burgebene her, konnte man den durchlöcherten<br />

Felsen nicht sehen. So hat der sonst hochverdiente frühere<br />

hohenzollerische Archivar und Forscher Dr. Karl Theodor<br />

Zingeler in seinem zusammen mit dem Baurat Georg Buck im<br />

Jahre 1906 herausgebrachten Buch »Zollerische Burgen« 1 zur<br />

Erklärung des Namens Holnstein (wie sich die adeligen<br />

Herren bis zum Herabsinken in den bürgerlichen Stand um<br />

1496 nannten) geradezu krampfhaft in seinem romantischen<br />

Sinn einen unhaltbaren Erklärungsversuch gemacht. Er<br />

schrieb (S. 94): »Der Name der Burg bietet sowohl in der<br />

Schreibweise als auch seiner Ableitung einige Schwierigkeiten.<br />

Sehen wir von den durchaus unrichtigen (oho!) Bezeichnungen<br />

Hohlenstein, Höllstein und auch Höllen- oder<br />

Hellenstein ab, so bleiben noch Holstein und Hölenstein<br />

oder Helenstein. Man hat bei Holnstein an häl = steil<br />

gedacht, also steilen Fels. (Jedoch dies stimmt schon nicht,<br />

denn häl bedeutet im Schwäbischen glitschig oder schlüpferig,<br />

nicht steil!) Nachdem ich (Zingeler) aber erfahren habe,<br />

daß die bei (bzw. unter) der Burg gelegene interessante Höhle<br />

Muoteshöhle heißt und die Höhe in der Nähe Muoteshöhe,<br />

also die Bezeichnung für Wuotan-Wodan, liegt es nahe, an<br />

hol = heilig zu denken, mithin eine heilige Höhe, vielleicht<br />

auch den Berg, den das Wilde Heer streift, das ja durch diese<br />

Gegend toste.«<br />

Und noch um 1926 hat der Stettener Pfarrer Andreas Dieringer,<br />

der dann 1973 in Stetten-Haigerloch starb, in ähnlich<br />

phantastischer Weise in der Zeitung »Der Zoller« den Namen<br />

Holstein von einer sagenhaften Göttin Heia (oder ähnlich)<br />

ableiten wollen, wie Hörschwag von einer »Hersche«. Ob<br />

sich beide Autoren die ziemliche Mühe machten, die dem Tal<br />

zugewandte Seite des Hölnsteinfelsens zu erklimmen? Später<br />

berichteten die Albvereinsblätter von einigen frühgeschichtlichen<br />

Funden aus der Höhlung des Steines, die ohne Zweifel<br />

den Namen gab, wie auch beim Höllenstein ob Burladingen<br />

und dem Höllenberg bei Erpfingen klar liegt, in dem der<br />

Lehrer Voit um 1834 den Anfang der heutigen Bärenhöhle<br />

wieder nach langer Vergessenheit entdeckte.<br />

B. Urkundlich ist in der Zwiefalter Chronik des Jahres 1135 2<br />

über Adel »von Holinstain« berichtet, der jedoch von den<br />

württembergischen Herausgebern König und Müller irrig auf<br />

Hellenstein ob Heidenheim gedeutet wurde. Es heißt da Seite<br />

185: »Unser Mönche Adilbert von Holinstain, ritterlicher<br />

Dienstmann des Grafen Liuthold von Achalm (f 1098, ein<br />

Stifter des Doppelklosters Zwiefalten, dessen Frauenabteilung<br />

später nach Mariaberg verlegt wurde), trat in Begleitung<br />

seines Vaters Ogger (Odger) und seiner Mutter Gota (Guota)<br />

ins Kl. Zwiefalten ein und verbrachte vierzig Jahre (vor 1135)<br />

im mönchischen Leben. Er schenkte dabei ein Viertel der<br />

Pfarrkirche von Malichingen (Melchingen) samt zwei Bauernhöfen<br />

daselbst und dazu in Pfullingen einen halben Hof<br />

dem Kloster. Der Kleriker (mit niederen Weihen!) Adilbert<br />

von Malichingen schenkte zwei Höfe im selben Dorf, ein<br />

Viertel der Kirche und ein Neuntel der anderen Hälfte sowie<br />

in Pliezhausen einen Hof. Im Greisenalter wurde er noch<br />

Mönch bei uns und starb an einem 25. Juni.«<br />

Diese Daten liegen vor dem Jahre 1135, sind also 45 und mehr<br />

Jahre zuvor anzusetzen. Aus dem gemeinsamen Besitz der<br />

beiden Adeligen an Melchingen und seiner Kirche schließt<br />

man mit Recht auf deren nahe Verwandtschaft. Ist nun der<br />

Holnstein älter als die Burg Melchingen südöstlich des Dorfes<br />

auf dem Berg? Wir wissen es nicht. Auch die sogenannte<br />

Burghalde 3 in Richtung Ringingen könnte als Sitz des Klerikers<br />

Adelbert v. M. in Betracht kommen.<br />

Dann folgt aus Urkundenmangel eine lange Pause der Überlieferung.<br />

Theodor Schön 4 hat die bekannt gewordenen<br />

Herren von Holstein zusammengestellt. Ein Ber(thold)<br />

erscheint erst wieder am 23. April 1274 als Zeuge des Grafen<br />

Hartmann von Grüningen. Schön hält ihn wegen des gleichen<br />

Wappens (weißer Schwanenflügel in blauem Schild) für einen<br />

1 Enkel des 1236 nachweisbaren Gero (nicht Bero) von Lichtenstein.<br />

Am 14. Oktober 1279 finden wir beim Grafen<br />

Albert von Hohenberg als Zeugen neben Herren von Genkingen<br />

den Ritter Johannes von Holnstein, Berthold von<br />

Holnstein und Arnold von Melchingen. (Johannes sei wegen<br />

seines Rittertitels in der Urkunde seinem Vater Berthold von<br />

Holnstein vorangestellt.) Im Jahre 1304 erscheint dann ein<br />

Anselm von Holnstein, der viele religiöse Stiftungen machte,<br />

z. B. auch in der lang gesuchten Flur Valletor am nördlichen<br />

Ortsausgang von Melchingen. Das Ende der Hölnsteiner<br />

Herren ist ebenfalls von Th. Schön mit Jakob von Holnstein<br />

um 1496 untersucht 5 . Auch über das Hölnsteiner Erbe sind<br />

wir unterrichtet 6 . Jakobs Sohn Hans durfte wegen seiner<br />

Armut ein bürgerliches Handwerk lernen. Ein 1579 aus<br />

Börstingen b. Horb nach Hechingen einwandernder Diepold<br />

Höllstein könnte sein Abkömmling sein. Noch im Jahre 1676<br />

lebte seine Familie in Hechingen mit dem Müller Kaspar<br />

Höllstein 7 . Ein ebendort im Jahre 1643 vorkommender<br />

Friedrich Höllstein heißt in der Eglerschen Stadtchronik im<br />

Jahre 1642 Friedrich Hellstern (wenn nicht verschrieben!),<br />

welcher Familienname noch heute in Betra heimisch ist.<br />

C. Herren von Melchingen finden sich auch erst wieder im<br />

13. Jahrhundert mit Burkart v. M. am 26. April 1254 und<br />

seinem Verwandten Arnold 1279. Burkart führte 1292 den<br />

Rittertitel 8 . Als letzter des Geschlechts (von einer Zwitterlinie<br />

der »Melchinger« aus Wurmlingen abgesehen) starb der<br />

Johanniterkomtur Ber(thold) von Melchingen am 30. Juni<br />

1504 in Basel 9 .<br />

D. Als ersten Herrn von Lichtenstein kennen die Urkunden<br />

im Jahre 1182 einen Gebhard v. Liechtenstein, einen Dienstmann<br />

des Markgrafen Heinrich von Ronsberg (Rumesperg i.<br />

Bayern). Dieser letztere ehelichte ums Jahr 1160 (oder vorher)<br />

die Tochter Udilhild des Gammertinger Grafen Ulrich<br />

(nach anderer Ansicht Adelberts) und gewann so gammertingische<br />

Vasallen 10 und fiel 1191 im Kampf vor Neapel. Dieser<br />

Gebhard v. Lichtenstein scheint ein Nachkomme des um<br />

1120 in der Zwiefalter Chronik, S. 271, erwähnten Landolf<br />

von Nufiron (Neufra b. Gammertingen) gewesen zu sein, der<br />

im Dorf (oder auf Nack?) wohnend einen halben Hof zu<br />

Gauselfingen ans Kloster Zwiefalten schenkte. Mit seinem<br />

wohl verwandten Heinrich von Nufiron trat Gebhard von<br />

Lichtenstein im Alter ins Kloster Ottobeuren ein und mag<br />

den Lichtenstein (ob schon Doppelburg?) für die Seinen<br />

erbaut gehabt haben".<br />

27


Sein Wappen ist bisher nicht bekannt. Doch kamen diese<br />

Adelskennzeichen um 1150 in Mode, da ja das Gesicht durch<br />

den Helm verdeckt und unkenntlich war. Weil dann im 13.<br />

Jahrhundert die Herren von Lichtenstein, Holnstein, Melchingen,<br />

Gomaringen, Benzingen, Kiferli von Gammertingen<br />

(diese seit 1292 bekannt) das gleiche Wappen führten,<br />

nämlich in blauem Schildfeld einen weißen Schwanenflügel<br />

(einige auch einen Doppelflügel oder »Flug«), dürfen alle als<br />

Mitglieder eines einzigen Geschlechts angesehen werden.<br />

Doch stammten die »Melchinger« aus Wurmlingen b. Rottenburg<br />

8 . Ob auch Landolf von Nufiron schon zu obiger<br />

Gruppe gehörte, läßt sich wohl niemals absolut nachweisen.<br />

Sein »von« zeigte damals nur den Wohnort, noch nicht einen<br />

Familiennamen an. Etwa von 1240 an scheint es anders<br />

geworden zu sein: Das »von« zeigte den Namen, nicht mehr<br />

den Wohnsitz an. Vier Brüder: Gero, Gebhard, Swiger (oder<br />

Sweniger) und Ludwig von Lichtenstein sind 1243 nachzuweisen<br />

12 . Vermutlicher Gründer oder Namengeber des<br />

(alten) Lichtensteins ob Hönau ist Ludwig v. L., der laut<br />

OA-Beschreibung Reutlingen im Jahre 1263 in dortiger<br />

Gegend Lehen des Klosters Weißenau (b. Ravensburg) vom<br />

vorausgehenden Leheninhaber, dem Ritter Walther von Pfullingen,<br />

erhielt.<br />

Ein Lutz (Ludwig) von Lichtenstein, bisher in Boll am Zoller<br />

begütert 13 , erwarb im Jahre 1350 (Neckar-)Hausen bei Sulz<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Zur Deutung von Familien- und Übernamen<br />

Bei sehr vielen alten Familiennamen, die bis ins 13. Jahrhundert<br />

zurückreichen können, lassen sich die maßgeblichen<br />

Umstände nicht rekonstruieren oder auch nur vermuten,<br />

welche zur Bildung der Namen führten. Vorher waren<br />

praktisch nur Ruf- oder Vornamen üblich. Ums Jahr 1500<br />

waren manche Namen noch nicht fest und konnten wechseln.<br />

Verhältnismäßig einfach ist die Deutung von berufs- und<br />

Herkunftsnamen (Beck, Schneider = Sutor = Sauter =<br />

Schuster, Schmied, Maier als Bauer etc. Melchinger, Salmendinger,<br />

Kaibacher, Hirlinger, Straubinger etc.) oder alte Vorbzw.<br />

Taufnamen (Rudolf, Buck = Burkart, Walter, Heinrich<br />

und Heinzelmann, Konrad u. Konzelmann, Dietrich mit<br />

Dietz (Diet = Volk!), Dietmann, Dieter). Ganz schwierig ist<br />

oft eine Erklärung der vielen Spott- und Ubernamen, deren<br />

Veranlassung nicht mehr bekannt ist. Oft war Anlaß eine<br />

zufällige komisch klingende Äußerung oder Redensart bzw.<br />

ein Schimpfwort, die zum Beinamen führten. Einer der<br />

»schnell« sagte, statt des schwäbischen »schneall«, hieß von<br />

da an samt seinen Nachkommen »der Schnell«. Ein anderer<br />

sagte »Boodel« (o wie in schwäbisch Draht) statt »Budel« zur<br />

Kindermilchflasche: und seine Familie erhielt diesen Namen.<br />

Darum bleibt es töricht, sich über solche Zunamen aus der<br />

Vergangenheit oder Neuzeit zu ärgern. Die Einwohner bzw.<br />

Familien von Jungingen im Killertal haben, wie man weiß,<br />

fast alle solche Beinamen, teils bekannter, teils unbekannter<br />

Herkunft. Aber sie sind klug genug zu wissen: je mehr man<br />

sich über solche »aufgetriebenen« Benennungen aufregen<br />

würde, umso langlebiger und zäher würden sie bleiben. Es<br />

wird erzählt: Ein Einwohner habe sich gerühmt, er sei der<br />

»Oa(n)zig« d. h. Einzige, der noch keinen Beinamen habe,<br />

und prompt wurde er »der Oa(n)zig« geheißen. Auch Beispiele<br />

aus neuer Zeit liegen vor: In Ringingen brachte ein vom<br />

Militärdienst heimkehrender Sebastian Daigger um 1860 statt<br />

des allgemein üblichen Mutzen (kurze Joppe) die Bezeichnung<br />

»Kittel« ins Dorf und seiner Familie ist bis heute dieser<br />

Zuname als Hausbezeichnung geblieben, während die<br />

Mutzen längst vergessen sind. Der Witwer Dominikus<br />

28<br />

und übertrug seinen Namen Lichtenstein dorthin 14 . Sein<br />

Zweig überlebte alle übrigen. Als letzter seines Geschlechts<br />

fiel der Fähnrich Anton von Lichtenstein im Kampf für<br />

Kaiser und Reich im Jahre 1688 in Ungarn.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Zingeler-Buck, Zollerische Schlösser, Burgen und Burgruinen in<br />

Schwaben (zugleich Jahresgabe des Hohenzollerischen<br />

<strong>Geschichtsverein</strong>s), Verlag F. Eberhard, Berlin 1905, 144 Seiten.<br />

2<br />

Die Zwiefalter Chroniken Ortliebs und Bertholds, hrsg. von König<br />

u. Müller, Stuttgart 1941.<br />

3<br />

Hohenz. Heimat 1981, 23.<br />

4<br />

Mitt. Hohenz. 26, 1892, 9-24.<br />

5<br />

Mitt. Hohenz. 31, 1897, 137.<br />

6<br />

Zoller<strong>heimat</strong> 1937, 81 f., und Hohenz. Heimat 1962, 30.<br />

7<br />

Protokolle im Staatsarchiv Sigmaringen.<br />

8<br />

Mitt. Hohenz. 18 (1899), 2ff.<br />

9<br />

Hohenz. Heimat 1972, 7, irrig 135.<br />

10<br />

Ebd., 1965, 26, und H. M. Schwarzmaier, Königtum, Adel und<br />

Klöster zwischen Iiier und Lech, Augsburg 1961: Exkurs Ronsberg,<br />

S. 173 f.<br />

11<br />

Stammburg Lichtenstein bei Neufra: Hohenz. Heimat 1973, 36.<br />

12<br />

Ebd. und OA-Beschr. Reutlingen II, 191, Jansch, Bernloch-<br />

Honau, an Ludwig von Lichtenstein.<br />

13<br />

Urkunde des Klosters Stetten-Hechingen: Nr. 93: Hohenz. Jah-<br />

resheft 1955 Anhang.<br />

14 Mitt. Hohenz. 31, 1897, 130-136.<br />

Emele, dessen Vorfahr Johann E. als Schmied um 1690 aus<br />

Salmendingen herüberkam, heiratete im Ringingen im Jahre<br />

1770 eine Magdalena Dietz, Tochter des Killian D. (im Haus<br />

4 an Hälschloch), und des letzteren Taufname klingt heute<br />

noch bei den Nachkommen nach: eine ganz natürliche Sache,<br />

die keinen Verdruß bereiten kann. Ähnlich saß ebendort in<br />

Haus 98 im Gäßle um 1658 ein Kaspar Kipf und 1679 ein<br />

Andreas Rhein, dessen Witwe Walburga 1686 den Bräutigam<br />

Kaspar Hipp aus Salmendingen herüberholte, bei dessen<br />

Nachkommen und Garten der Hausname Kipf bis heute<br />

hängen blieb. Den Beinamen Schweizer tragen einige Ringinger<br />

Familien als Abkömmlinge des Franz Xaver Dieter des<br />

Matthä, der vom Ausland zurück im Jahr 1789 die Braut<br />

Anna Maria Voglin aus dem schweizerischen Landschlacht<br />

ehelichte und dann in zweiter Ehe eine Apollonia Dietz des<br />

hiesigen Veit, während der Voglin Kinder früh starben.<br />

Viele Namen wie Kaiser, König, Herzog, Fürst, Teufel,<br />

Engel, Ritter, Graf, ja sogar Herrgott etc. reichen auf ehemalige<br />

Rollenträger bei Mysterien- und Volksspielen früherer<br />

Zeit zurück. Noch anfangs unseres Jahrhunderts zog ein<br />

Familienglied der Beck, die in Ringingen schon 1579 saßen,<br />

von hier mit dem Beinamen »Pater« nach Hechingen und um<br />

1920 der letzte Beck namens Karl mit dem Beinamen »Prinz«<br />

(den ich selbst noch Theater spielen sah) nach Weißweil<br />

(Waldshut), wo er 1960 starb. Ähnliche Bildungen dürften<br />

überall vorgekommen sein, die uns Heutigen »spanisch«<br />

vorkommen und rätselhaft erscheinen.<br />

Die Ahlinger, in Ringingen seit 1817 von Bittelschieß, haben<br />

den Namen nach einem der beiden Alling (Bayern) oder<br />

Ailingen b. Friedrichshafen. Die Bitzer gehen auf das Dorf<br />

Bitz zurück. Bei Ringingen gibt es eine Flur Bitze am<br />

östlichen Ortsausgang »bi zune« = beim (Dorf)Zaun. Die<br />

Deuringer hängen wohl mit (Ober-)Teuringen b. Friedrichshafen<br />

zusammen, das 746 Türinga hieß, verwandt mit den<br />

Türingern. Die Dieringer dagegen weisen irgendwie auf die


Siedlung Tieringen b. Balingen. Ein Jakelin der Tyeringer<br />

(wohl adlig) war im Jahre 1338 in Rangendingen begütert<br />

(Kreisbeschreibung). Noch 1548 schrieben sie sich in Rangd.<br />

Tieringer. Dorn findet man in Ringingen 1583 mit einem<br />

Georg, der vielleicht von Imnau kam, wo 1548 ein Ludwig<br />

Dorn mit Sohn Georg nachweisbar ist. Dorn heißt eine<br />

Siedlung bei Wien, anderwärts gibt es Dornberg, Dornbusch<br />

etc.<br />

Der häufige Name Eisele (badisch Esele) wird von Kennern<br />

verschieden erklärt. Nied vermutet einen Schleifnamen für<br />

den Schmied, da Eisele nie als Rufname vorkomme. Die<br />

älteste Wortform lautet sowohl auf der Schwäbischen Alb, als<br />

im Allgäu und württ. Schwarzwald und Basel einhellig Isenli<br />

oder wie in Gauselfingen 1548 Yselin. Es kann ein alter<br />

Sippenname zugrunde liegen: Das Dorf Eislignen b. Göpp.<br />

hieß 862 Isiningen = »bei den Lauten des Isin oder Iso«. Im<br />

Norden gibt es bzw. gab es Isinbert »der im Eisenpanzer<br />

glänzende«, Isingrim, sonst Isenmann, Issig usw. (Pater Josef<br />

Isele hat über die verschiedenen Formen in Nr. 244 des<br />

Waldshuter »Albboten« vom 21. Okt. 1978 anläßlich des<br />

Iselitages in Birkendorf gehandelt.)<br />

Die Elser, schon 1406 in Tochtelfingen, später Neufra u.<br />

Ringingen, wären nach Edm. Nied nach einem der verschiedenen<br />

Orte Elz, Elzach, Elze benannt, wie z. B. auch unsere<br />

Lorch auf einen 1454 in Hausen an der Lauchert erwähnten<br />

Hans von Lorch (Württbg.) zurückweisen.<br />

Die Jauch erklärte Nied 1924 als Kürzung aus Joachim, später<br />

dagegen als Bauernnamen zum Feldmaß Jauchert (Schriften<br />

Baar 1937). Kanz bedeutet (Pferde-)Mähne. Offenbar ist vor<br />

Jahrhunderten (1435 im Zollerischen mehrfach!) oder früher<br />

ein Mähneträger besonders aufgefallen, während in unsern<br />

Tagen bei Männlein und Weible in Riesenmähnen als Mode<br />

bewundert werden können. Im J. 1288 war ein »Eberhard<br />

genannt Kanz« der Schultheiß von Osterburken (Baden).<br />

Die Leibold in Burladingen und ehemals Ringingen kamen<br />

von Lautlingen. Der Name hängt mit Luitbold = der Leutestarke<br />

zusammen. Dagegen wohnte 1542 in Ringingen ein<br />

Diepold Ostertag. Diet bedeutet Volk, wie in Dietfurt, also<br />

eigentlich Dietbold (auch zu Theobald verändert), während<br />

Ostertag die Ubersetzung des lateinischen Taufnamens<br />

Paschalis darstellt. Die vom genannten stammenden Ostertag<br />

in Jungnau starben erst vor wenigen Jahrzehnten aus.<br />

Pfister kommt vom lateinischen pistor = Bäcker. Die Ringinger<br />

Pf. sind seit 1658 nachweisbar, kamen wohl von Jungingen,<br />

oder Burladingen oder Gruol. Die Ringinger Räch,<br />

früher Raach, kamen mit Karl R. 1797 von Oberstetten.<br />

Wortbedeutung »rauhhaarig«. Die Ringinger Rist erscheinen<br />

mit Georg R. genannt der Dürr im J. 1609. Der Name dürfte<br />

von altd. Rusto = »Freund der Rüstung« anzuleiten sein.<br />

Die Salle saßen 1548 schon in Bietenhausen als Sailin. Nied<br />

kennt 1285 einen Burchi Seilin und vergleicht dazu einen<br />

»ganannt Wagensail« zu Staindorf 1434. Wohl Beiname eines<br />

Seilers. Doch gabs auch alte Vornamen Seiling. Schramm,<br />

wohl »Mann mit Schramme«. Simon Sch. heiratete 1767 von<br />

Aichelau nach Ringingen.<br />

Unmuth, »der Furchtsame«, kam mit Michael U. 1733 von<br />

Starzein nach Ringingen. Wahl, der Welsche, Walch. Erster<br />

ist Hans W. 1583 in Ringingen, Verwandter des damaligen<br />

gleichnamigen Pfarrers, der aus Kirchen bei Munderkingen<br />

kam.<br />

Berner sind im J. 1325 in Feldhausen nachzuweisen (HJH<br />

1962, 63). Man könnte die Stadt Bern (Schweiz) oder die Burg<br />

Bern bei Rottweil als Heimat vermuten. In Norddeutschland<br />

wird vielfach der Name Bernhard als Ausgangspunkt angesehen.<br />

Die Kettenacker Berner wurden um 1600 durch schwäbische<br />

Aussprache zu Beaner und dann Biener, wie Hans<br />

Hanner urkundlich nachwies! Die Dopfer in Sigmaringen<br />

dürften norddeutsche Töpfer sein, die bei uns Häfner oder<br />

Hafner heißen.<br />

Die Haiber stellen für Sprachfremde ein großes Rätsel dar,<br />

sind für Schwaben jedoch sehr durchsichtig: »Arbeiter bei der<br />

Heugewinnung«. Nicht nur heißt das Heu bei uns Hai,<br />

sondern auch die urkundlichen Formen sind ganz eindeutig:<br />

How = Hett, 1435 Hans Hoewer im Killertal, Benz Hoewer<br />

in Grosselfingen; 1548 Hewber in Hausen, Heuber in Bisingen.<br />

Es handelte sich um einen Mithelfer bei der Heuernte der<br />

Bauern. Haid, 1548 »der Haiden« in Imnau, schon mhd.<br />

(mittelhochdeutsch) »der heiden« = unser Heide. Die Veranlassung<br />

zur Namensbildung war vielleicht, wie auch sonst<br />

oft, ein Volksschauspiel.<br />

Hegner, Högner, heute in Burladingen, 1542 in Ringingen,<br />

bedeutet nach Brechenmacher »Waldaufseher«, im Alemannischen<br />

aber auch »Fischer«. Heim, heute zahlreich in Burladingen,<br />

1542 in Ringingen und Melchingen. Vorname (Vn)<br />

Haimo schon im J. 817 nachweisbar als Abkürzung von<br />

Heimrat. Ein Heiliger dieses Namens starb als gebürtiger<br />

Meßkircher um 1010 in Hasungen (Hessen). Heiß, Haiß,<br />

1548 Heyss in Bisingen, um 1600 Hewiß in Jungingen:<br />

Gegensatz zum Namen Kalt. Henle, 1548 Henlin in Höfendorf.<br />

Vermutlich Übername (Un) für kleines Huhn, oder<br />

Hühnerhändler. Man vergleiche Hühnerwadel (-Wedel).<br />

Hinger, wohl Mann aus Hengen bei Urach. Hönes in Salmendingen,<br />

1542 Henis in Steinhilben, sonst auch Hänes, Henne.<br />

Nach R. Kapff sei es Abkürzung aus Johannes. Nadler, 1548<br />

in Haigerloch, 1606 Hans Nedelin in Salmendingen und<br />

Melchingen; 1643 Georg Nadler in Ringingen. Ob ursprünglich<br />

Nadelmacher oder lediglich Beiname eines Schneiders?<br />

Reiher 1548 in Imnau und Rangendingen. Ein (Hanf-)Reiber<br />

wäre Bearbeiter der Hanfstengel in der sog. Reibe. Reiber =<br />

Abreiber hieß aber auch der Badeknecht. Rieber, schon 1276<br />

Rewin der Rueber, nach Kapff ein »Rübenbauer«. Rieger,<br />

Riegcker sei gekürzt aus Rüdeger. Auch kommt ein Rüber als<br />

Gerichtsvollzieher infrage. Rügen bedeutete 1530 noch in<br />

Ringingen »mit Geld bestrafen«.<br />

Saible in Sigmaringen können an den altd. Namen Sabilo<br />

erinnern. Säle, vermutlich zusammengehörig mit Saile, deuten<br />

nach Kapff auf Seele (»Arme Saila!). 1548 Saile zu<br />

Rangendingen. Möglich wäre auch ein Beiname zu Seil, also<br />

eines Seilers, oder Abschleifung eines altd. Vornamens Sigel-<br />

Sigi, der noch in Baden als Fn vorkommt.<br />

Sauter, Sutter, Sütterlin gründen auf dem lateinischen sutor =<br />

Schuhmacher. Seemann möchte man gern als Matrose erklären.<br />

Kapff dachte an »Sämann«, doch gab es schon im 9. Jh.<br />

den Taufnamen Seman. Sommer und Winter als Gegensätze,<br />

Lenz und Herbst, vielleicht aus Volksschauspielen. Stauß,<br />

wohl vom altd. Stuzo, vgl. Ortsnamen Stuzelingen-Steißlingen.<br />

Steiner = Steinmar = »mit Steinwaffe berühmtStopper<br />

— Stopfer. In Rottweil hießen so die Ausbesserer der Dächer,<br />

Schiffe usf.<br />

Traub kann von einem Wirtshausnamen stammen wie Stern,<br />

Mohr (Dreikönig), Bär, Hirsch usw. Möglich ist aber auch<br />

der altd. Name Trubo, Kosewort zu Trudpert. Volk, Kürzung<br />

von Volkmar, Volker (Volks-berühmt). Ebenso Volz.<br />

Waldner heißt der Waldhüter. Weckerle u. Wacker benennen<br />

den Wachsamen.<br />

Waldenspul, der Mann vom Walters-bühl, urspr. Schweizername.<br />

Walter, Walther, alth. Waltheri = Heereswalter.<br />

Wehrle von Wernher, ein Werlin Stamer im J. 1293. Werz,<br />

Wörz 1580 in Stetten, von Wernher = Wehr-Held. Widmaier,<br />

Bebauer des Pfarrwiddumgutes. Winter, siehe Sommer.<br />

Zintgraf = Zentgraf: Dill Zintgraf kam um 1700 aus Sachsen,<br />

wurde zollerischer Jäger. Dill kommt von Dietrich, nicht<br />

Ottilius, wie der Burladinger Pfarrer damals meinte. »Verwalter<br />

einer Zent« (Gebiets).<br />

29


Die Bailer, Dehmer, Dehner, Emele, Hipp<br />

1) Familien Bailer gibt es heute in Hechingen, Melchingen,<br />

Ringingen, Salmendingen, Schlatt und anderswo. Die Ringinger<br />

kamen mit Johann Böhler-Bayler um 1640 von Melchingen,<br />

woher auch der damalige, von 1612-57 amtende<br />

Pfarrer Jakob Böhler-Bayler stammte. In Melchingen hießen<br />

sie laut Türkensteuerliste von 1542 1 Beiler, im benachbarten<br />

Stetten u. H. im Jahrhundert zuvor Beler. Letztere gab es<br />

schon 1297 in Freiburg, die später Böler geschrieben sind.<br />

Nied 2 kennt eine Belerin 1299 im Ort Fürstenberg (Baar),<br />

einen Beler 1307 in Bräunlingen, 1406 in Riedböhringen und<br />

leitet den Namen vom dortigen Dorf Behla (1155 Belen) ab,<br />

was einleuchtet. Dagegen nennt Brechenmacher 3 Bailer (als<br />

Berufsnamen) einen »Eichmeister« oder Visierer, zu mhd.<br />

»der Beiel« = Untersuchen der Fässer. Auch Linnartz 4 führt<br />

Bailer als Beiler oder Eichmeister an und nennt mhd. das Beiel<br />

= Visierholz, englisch peg. Wenn jedoch die älteste Form<br />

unserer Bailer »Beler« lautete, dürfte Nied die richtige Deutung<br />

geben: ein Mann aus Behla (Baar). Altes ei wäre m. E. zu<br />

01 geworden.<br />

2) Die Dehmer, Diemer erklärt Linnartz 4 aus alte »Dietmar«:<br />

mit ausgestoßenem T, in Bedeutung »volksberühmt«.<br />

3) Dehner, Dener, Döner rechnet Li. 5 zu einer der vielen<br />

Ableitungen von Degenhart, Denert. Bickelspergs zollerisches<br />

Lagerbuch 6 von 1435 kennt Dener, Döner in Thanheim-Steinhofen.<br />

Kapff 7 dagegen denkt sehr einfach an Dehn<br />

und erklärt es als »Geschwollener«!!<br />

4) Emele erscheinen 1532/42 als Emelin in Salmendingen 1 .<br />

Brechenmacher 3 deutet auf die ostgotischen Amalungen, u.<br />

ahd. amal = »kampfeseifrig«. Noch i.J. 1109 kennt er<br />

Amelung als Vornamen. Im J. 1435 erscheint Emellin im<br />

zollerischen Gebiet 6 . Li. dagegen 4 will Emanerich-Emmerich<br />

= »mächtiger Fürst« beziehen, was zu Emmele geworden<br />

sei. Ob überzeugend?<br />

5) Die Ringinger Hipp kamen 1686 aus Salmendingen ins<br />

Haus 98 im Gäßle. Man dachte an den römischen Hippolyth,<br />

Kapff 7 dagegen an einen kaum infrage kommenden »Faltenrock«.<br />

ImJ. 1435 gab es Hyp, Hipp in Mössingen 6 , um 1500<br />

eine Hyp Elli(Adelheid!) in Starzein. Ausschlaggebend<br />

scheint mir der 1446 in Burladingen lebende Hipp Fulhaber 8<br />

zu sein, wobei Hipp zweifelsfrei als Vorname steht. In<br />

Salmendingen gab es 1542 Hypp neben Hipp 1 . Unter den<br />

Urkunden des Klosters Stetten findet sich 1332/36 ein Hilthold<br />

im Ort selbst, Hippold lebten im 13. Jh. in Riedlingen,<br />

was leicht zu Hipp verkürzt werden konnte. Hipp gab es um<br />

1400 in Erpfingen. Somit darf als ziemlich sicher gelten, daß<br />

Hipp als ehem. Vorname aus Hiltpold-Hippold entstand.<br />

Hilt bedeutet ahd. Kampf, bold = stark; Hiltbold also<br />

»kampfesstark«.<br />

Anmerkungen<br />

') ZH 1938, 89f.<br />

2<br />

Schriften Baar 1937, 25.<br />

3<br />

Brechenmacher, Dtsch. Sippennamen 1936.<br />

4<br />

Linnartz, Unsere Fam. Namen 1936, Dümmlers Verl. Berlin-<br />

Bonn.<br />

5<br />

Ebenso.<br />

6<br />

Bickelspergs Lagerb. 1435, Thorbecke Sigmaringen.<br />

7<br />

R. Kapff, Schwab. Geschl. Namen, Stuttg. 1927.<br />

8 Hohz. Heimat, 1957, 29.<br />

Die Familien Honer, Kästle,<br />

Mauz, Simmendinger<br />

1) Die Honer (Hohner, Hohnerlein) sollen nach Brechenmacher<br />

1 vom Taufnamen Heinrich abgeleitet sein, was nicht<br />

überzeugen kann. Heiner könnte nur durch pure Willkür zu<br />

30<br />

Honer werden. Andere dachten an den lateinischen, aber bei<br />

uns kaum nachweisbaren Namen Honorius = der Geehrte.<br />

In Ringingen findet sich im Jahre 1668 unter den Firmlingen<br />

ein Jakob Honer. Er oder sein Verwandter war dann 1696<br />

Mesner und Schmied daselbst. Heute gibt es in R. nur noch<br />

weibliche Angehörige, da der Hitlerkrieg den Sohn Sebastian<br />

hinwegraffte. Edm. Nied 2 kennt 1338 neben Honer in Ehingen<br />

(Baar) auch Höner und Hön. Er deutet auf mittelhochd.<br />

honen in Bedeutung verhöhnen, zornig reden, schreien, was<br />

natürlich keineswegs von heutigen Namensträgern gelten<br />

kann.<br />

2) Die Kästle in Killer scheinen noch nie untersucht zu sein.<br />

Man kann kaum annehmen, daß sie mit den 1435 und 1548 im<br />

Hechinger Gebiet nachzuweisenden Käs-Kauss (das u ist<br />

über dem a geschrieben!) zusammenhängen 3 ' 4 . Dagegen<br />

findet sich in Schlatt im Jahre 1435 ein Benz (Berthold) Kast 3 .<br />

Brechenmacher dachte bei Kast und Kästle an einen Berufnamen<br />

(Verwalter eines Kornkastens) oder Schleifnamen eines<br />

Schreiners: 1243 »Sigrid genannt Caestelin« und 1549 Hans<br />

Kästlin von Inneringen 1 . Man wollte den Kästlesbühl bei<br />

Ringingen-Ringelstein, das Kästle bei der Haidburg-Trochtelfingen<br />

und die Kastelburg bei Waldshut-Brsg. beiziehen.<br />

Doch handelt es sich hier jedesmal um den Burgennamen<br />

»castellum«! Die im Badischen heute vorkommenden Kast<br />

und wohl auch die Familiengruppe im Killertal mit der<br />

Verkleinerungssilbe -le dürften auf den Personennamen<br />

Arbogast, einem bekannten frühen Straßburger Bischof<br />

zurückgehen, dem auch das Offenburger-Gengenbacher<br />

Gebiet unterstand, wo noch lange der Taufname Arbogast<br />

geläufig war 5 . Von Gast - Kast zu Kästle ist es nicht weit.<br />

3) Die Mauz sind in Burladingen sehr stark vertreten. Die<br />

Aussprache lautet bei den Einheimischen Maoz, nicht Mouz<br />

oder Mao(n)z. Im Jahre 1524 saß auch in Ringingen ein<br />

Balthas Mouz und 1435 finden wir 4 in der Schreibart Moutz<br />

(aber u über dem o!) Vertreter in Boll, Hechingen und im<br />

Killertal. Einer in Ringingen wird im 16. Jh. Münz geschrieben,<br />

was irrig sein dürfte. Oder hat die Aussprache oft<br />

gewechselt? Die nasala Form Mao(n)z würde an das minderwertige<br />

Abwerg bei der Hanfverarbeitung erinnern und<br />

könnte nach Kapff 5 einen Mißmutigen oder Mürrischen<br />

bezeichnen. Nied 6 nennt zum Jahr 1446 einen Mautze, den<br />

der Freiburger Flamm als »Katz« erklären will, was heute im<br />

Badischen als Name vorkommt. Munzig würde »klein«<br />

bedeuten und könnte einen untersetzten Mann anzeigen. Im<br />

J. 1548 ist fast durchweg in Burladingen und anderswo Motz<br />

geschrieben 3 , was mit langem O gesprochen sein muß, wenn<br />

es später zu au wurde, wie frouwe zu Frau bzw. rot zu<br />

schwäbisch »raot«. Man dachte bei Motz an mhd. mod =<br />

Moder, Schlamm, Sumpf, Schmutz und erinnerte an unser<br />

kindertümliches »motza« = im Dreck rühren. Angesichts der<br />

verschiedenen Schreibarten ist eine Deutung schwer und der<br />

ursprüngliche Sinn nicht zu erkennen. Kapff und Brechenmacher<br />

1 nehmen die Deutung »mürrisch« an und stellen sie<br />

zu Maunz und Mauthe! Zu Mutz = »abgeschnitten, kurz«,<br />

wird das Wort kaum gehören.<br />

4) Die Simmendinger des Killertals sind seit dem Jahre 1713<br />

mit Josef Simmendinger nachweisbar. Er stammte aus dem<br />

Entlebucher Amt in der Schweiz, heiratete in Killer am<br />

26. April 1713 die Witwe Christine Wolf, die ein Kind<br />

mitbrachte. Sein Einkauf als Bürger kostete 18 Gulden,<br />

womit er zugleich den Leibeigenschaftseid ablegte (Amtsprotokoll).<br />

Der Familienname Simmendinger geht merkwürdigerweise<br />

auf das Dorf (Ober-)Sulmetingen an der Riß (Biberach)<br />

zurück, das ursprünglich Sunemuetingen hieß, aber<br />

später als Simatingen-Simmetingen erscheint. Auch das heutige<br />

Stuttgarter Geschlecht Samendinger dürfte auf die gleiche<br />

Quelle weisen, falls nicht (ziemlich unwahrscheinlich) ein L<br />

ausgefallen ist.


Anmerkungen<br />

1<br />

J. K. Brechenmacher, Deutsche Sippennamen 1936.<br />

2<br />

Schriften. Baar 1937, 58.<br />

3<br />

HJHeft 1935, 122 f.<br />

4<br />

Bickelspergs zollerisches Lagerbuch 1435, hgg. von<br />

Thorbecke Verlag.<br />

Herberhold,<br />

5<br />

Ed. Nied, Heiligenverehrung und Namengebung 1924, 90.<br />

6<br />

Ed. Nied, Familienbuch von Freiburg-Karlsruhe-Mannheim<br />

1924.<br />

Die Ringinger Maichle<br />

A. Zum Namen: Vor einiger Zeit meinte jemand, der Familienname<br />

Maichle hänge mit dem Ortsnamen Melchingen<br />

zusammen. Der lautete allerdings im J. 772 Malichingen<br />

(verschrieben zu Mulichingen!) und bedeutet: »Bei den Leuten<br />

eines Malicho«, der weiter nicht bekannt ist. Malicho und<br />

Maichle sind betr. Stellung der Mitlaute zu sehr verschieden.<br />

Die Endung -le stellt eine Verkleinerung dar, wie Bürkle,<br />

Birkle zu Burkart. Rudolf Kapff 1 stellte Maichle zum Namen<br />

Mauch und deutete auf »Geheimnis«, bzw. Geheimtuer. Wir<br />

kennen die Mauchez als Obstversteck der Kinder. Mittelhochdeutsch<br />

(mhd) muchen heißt verstecken, verbergen und<br />

miucheling ist »heimlich« 2 . Der badische Ort Mauchen bei<br />

Bonndorf hieß 1147 Muchheim = »Heim eines Mucho«. Die<br />

Burladinger Maucher dürften zum gleichen Wortstamm<br />

gehören und vielleicht auch die Moch. Ed. Nied 3 stellte<br />

Maichle als Verkleinerung zu Mouch-Möuchle und vermutete<br />

darin einen zugezogenen Minderbürger (der sich ducken<br />

muß) 4 . Sehr stark hat J. K. Brechenmacher 5 sich mit den<br />

Maichle befaßt und schreibt: Maichle-Maichel sei ein Ubername<br />

zu mhd möuchelin = Wecke, Semmel, was ich allerdings<br />

bei Lexer nicht finde, wo wenig wie Nieds mhd mouch<br />

= »Brottunke«, (doch mit Fragezeichen versehen). Ernennt<br />

1317 einen Mouch zu Villingen. Der bayrische Forscher<br />

Schmeller (1, 1561) sieht in Meuchel einen furchtsamen<br />

Menschen, doch setze das eine andere Aussprache voraus,<br />

nicht ai! Brechenmacher führt 1524 einen Michel Meichel in<br />

Hailtingen (b. Riedlg.) auf, wo es heute Maichel gibt. Daneben<br />

kennt er einen bayrischen Gelehrten Meichelbeck-Mai-<br />

Buchbesprechungen<br />

Hechingen und Zollerburgen in alten Ansichten<br />

Vor kurzem erschien im Thorbecke Verlag Sigmaringen ein<br />

Buch von Prof. Dr. Karl Mors. Der Verfasser ist in Hechingen<br />

geboren und aufgewachsen. Er hat eine große Zahl von<br />

alten Stichen, Gemälden und Photographien über Hechingen<br />

zusammengetragen. An Hand der Abbildungen erzählt er die<br />

Geschichte von Hechingen, beginnend mit der Villa rustica in<br />

Stein. W. Schickhardt, Merian und J. U. Stierlin haben<br />

Hechingen abgebildet; so ist das Aussehen der Stadt seit dem<br />

16. Jahrhundert recht gut bekannt. Anschaulich werden die<br />

fünf Rathäuser bis zum letzten, das nicht »zemma falla«<br />

wollte, gezeigt.<br />

Der Verfasser hat die Bilder nicht chronologisch angeordnet,<br />

sondern er macht einen Rundgang durch die Stadt und ihre<br />

Umgebung. Es ist erstaunlich, wie sich z. B. der Obertorplatz<br />

in hundert Jahren gewandelt hat. Vom lebhaften Verkehr<br />

zeugen die zahlreichen Kutschen auf Stichen und Photos. So<br />

berichten auch Durchreisende aus den letzten Jahrhunderten<br />

über Hechingen. James F. Cooper, Hector Berlioz und<br />

Goethe werden zitiert.<br />

In Hechingen stand einmal das »schönste Schloß in teutschen<br />

Landen«, das Renaissance-Schloß der Grafen von Zollern.<br />

Von den Künstlern, die hier tätig waren und von den<br />

rauschenden Festen, die gefeiert wurden wird berichtet.<br />

chelbeck. (Es gibt auch Vesen-, Hilsen-, Mutschel-, Kraus-,<br />

Motzenbeck). Doch kann dieser Beck sehr wohl schon<br />

Meichel geheißen haben und brauchte den Namen nicht erst<br />

seinen Semmeln verdanken, die mhd. muchelin (neben möuchelin)<br />

hießen. Im Fränkischen finden wir 6 im Jahr 1219<br />

einen Heinrich Mucheier. Schließlich gibt es bei Böblingen<br />

einen Ort Maichingen, der 1275 Mouchingen, später<br />

Möchingen hieß. Wieder dürfte, wie bei Mauchen, der uralte<br />

alemannische Personenname Mouch-Möch zugrunde liegen,<br />

dessen Sinnbedeutung jedoch für das 6/7. Jahrhundert bei<br />

Gründung der Niederlassung festlegen zu wollen mir verwegen<br />

zu sein scheint. Wir wissen es ebensowenig, wie bei dem<br />

im J. 817 als Zeuge in Ebingen genannten Fizilin (Fisil,<br />

Visel) 7 . Sie hießen halt so!<br />

B. Familien: Schon im J. 1590 erscheint ein Klaus Maichle in<br />

Ringingen, 1620 dann (als Nachkomme?) ein Wirt Jerg<br />

Maichle, wohl in Haus 20 am Kreben. Ob der Name aus<br />

Salmendingen oder Melchingen kam, wo es heute viele<br />

Maichle gibt, wissen wir nicht. Im J. 1542 finden wir dort den<br />

Namen nicht 8 . Im Jahre 1662 heiratete ein Andreas Maichle<br />

aus Salmendingen hierher ins Haus 83 bei der Hilb mit der<br />

Haustochter Maria Spindler des Georg und pflanzte die<br />

Familie bis 1980 fort. Eine andere Linie kam 1759 mit Fidelis<br />

Maichle aus Melchingen, der sich »Chyrurg« nannte und von<br />

1737-1808 lebte. Er scheint jedoch nur eine Tochter Walburga<br />

hinterlassen zu haben, die 1788 als Bräutigam den<br />

32jährigen Kaspar Viesel des Kasp. aus Melchingen brachte.<br />

Deren letzter Nachkomme war Isidor Viesel, der im J. 1977<br />

vor dem Sonntagsgottesdienst in der Pfarrkirche kinderlos<br />

verstarb. Seine ältere Schwester Marianne lebt z. Z. als<br />

Ordensfrau noch in Hegne und heißt M. Adelwina.<br />

Die Ringinger Maichle sind am 11. April 1980 mit dem<br />

91jährigen Landwirt Alex M. (Haus 11 im Lai) ausgestorben.<br />

Seine Frau Johanne Viesel, Schwester des eben genannten<br />

Isidor, starb 1962, nachdem der Hitlerkrieg schon den einzigen<br />

Sohn Maurus hinweggerafft hatte. Ein 1919 aus Melchingen<br />

hierherkommender Theodor Maichle (1889-1969) hinterließ<br />

nur zwei Töchter. (Schluß folgt!)<br />

Schließlich begann das stolze Schloß baufällig zu werden und<br />

einzufallen. Der klassizistische Nachfolgebau war eher<br />

bescheiden. Vielleicht wollte man ihn deshalb unbedingt<br />

abbrechen. Glücklicherweise konnte wenigstens die Fassade<br />

erhalten werden.<br />

Viele, längst vergangene Wirtschaften, Bürger- und Bauernhäuser<br />

werden im Bild wieder lebendig und Mors versteht es,<br />

von den alten Hechingern zu erzählen. Die Lebensumstände<br />

der Bürger und Bauern waren nicht so rosig, wie man es sich<br />

heute manchmal vorstellt. Aber die Bürger richteten sich ein,<br />

die Museumsgesellschaft und viele Vereine zur Pflege der<br />

Geselligkeit, der Musik und Kunst zeugen davon.<br />

Das Schwarz-Weiß der Stiche und Photos wird durch die<br />

Gemälde von Konrad Ruff farbig aufgelockert. Von besonderer<br />

Schönheit sind auch die beiden aquarellierten Kupferstiche<br />

von J. H. Bleuler. Die Zollerburg wird in verschiedenen<br />

Bauphasen gezeigt. Die heutige Burg, das »nationaldynastische<br />

Denkmal« des 19. Jahrhunderts, hat als Refugium der<br />

preußischen Hohenzollern in unserer Zeit neue Bedeutung<br />

gewonnen.<br />

Weitere Burgen der Grafen von Zollern sind Burg Oberhohenberg<br />

bei Schörzingen, die Schalksburg, das Zollernschloß<br />

in Balingen und Schloß Haigerloch. Ein Zweig der Grafen<br />

von Zollern sitzt seit 1534 in Sigmaringen.<br />

31


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

Man wird lange suchen müssen, bis man eine Stadt findet, die<br />

ursprünglich so klein war wie Hechingen und eine solch<br />

reichhaltige Geschichte und eine solche Fülle von Kunstwerken<br />

aufweisen kann. Man kann die Hechinger zu diesem<br />

Heimatbuch nur beglückwünschen. Gleichzeitig ist das Buch<br />

eine Bereicherung der hohenzollerischen Literatur.<br />

Hechingen und Zollerburgen in alten Ansichten. Ein Streifzug<br />

in die Vergangenheit einer Stadt. Thorbecke Verlag<br />

Sigmaringen 1982, DM 38.-.<br />

Ich denke oft an Hohenzollern. Erinnerungen eines Journalisten,<br />

von Bruno Ewald Reiser.<br />

In Veringenstadt geboren und aufgewachsen, die meiste Zeit<br />

in Hechingen tätig, ist Bruno Reiser in Hohenzollern kein<br />

Unbekannter. Früher als Journalist mußte er schreiben, was<br />

gerade notwendig war, jetzt als Ruheständler, kann er schreiben,<br />

was ihm Freude macht. Um es vorweg zu nehmen, auch<br />

seinen Lesern macht es Freude. Dinge, die man selbst schon<br />

fast vergessen hatte, tauchen wieder im Gedächtnis auf. In der<br />

Karwoche flogen die Kirchenglocken nach Rom und kamen<br />

zu Ostern wieder zurück. Oder der letzte Wolf Hohenzollerns,<br />

den Gedenkstein bei Neufra kennt man ja, aber die<br />

Geschichte hatte man fast vergessen. Bei einem Besuch in<br />

Josefslust fällt sie einem dann wieder ein. Man muß das<br />

Büchlein selbst gelesen haben, um die Freude an den kleinen<br />

Geschichten zu empfinden und an der Erzählkunst des<br />

Verfassers.<br />

Das Buch erschien im Verlag Glückler in Hechingen und ist<br />

mit Zeichnungen von H. Zimmermann ausgestattet. Diese<br />

Zeichnungen, die graphische Gestaltung und der farbige<br />

Einband, machen das Büchlein zu einem ansprechenden<br />

Geschenk. Es kostet DM 12.50.<br />

Michel Buck. Der Bussen und seine Umgebung<br />

Verlag Ulrich'sche Buchdruckerei, Riedlingen, DM 20.-<br />

Als letztes Buch der Michel Buck-Serie erschien nun der<br />

Nachdruck »Der Bussen und seine Umgebung«. Das Buch<br />

schrieb Buck 1868 in Aulendorf, wo er damals als praktischer<br />

Arzt tätig war, es erschien im Verlag der Hofbuchhandlung<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

hrsggbn. vom Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />

Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />

Druck:<br />

M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

32<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Casimir Bumiller<br />

Freiburger Straße 5<br />

7801 Norsingen<br />

Pfr. Johann Adam Kraus<br />

Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8,<br />

7800 Freiburg-Littenweiler<br />

Dr. Hans-Dieter Lehmann<br />

Uhlandweg 1, 7450 Hechingen<br />

Johannes Wannenmacher<br />

Schulrat i. R.<br />

Eichertraße 9<br />

7487 Gammertingen<br />

Otto Werner, Rektor<br />

Friedrich-List-Straße 55<br />

7450 Hechingen<br />

C. Tappen in Sigmaringen. Das Buch ist heute über hundert<br />

Jahre alt, trotzdem findet man wenig, was wirklich veraltet<br />

ist; im Gegenteil, man ist immer wieder erstaunt über die<br />

Fülle des <strong>heimat</strong>kundlichen und geschichtlichen Wissens von<br />

Buck. Der Bussen ist zwar der Mittelpunkt, Buck berichtet<br />

jedoch ausführlich über Adelsgeschlechter, Bürger und Bauern,<br />

Städte und Klöster der Umgebung. Durch die Kreisreform<br />

ist uns der Raum, mit dem sich Buck immer wieder<br />

beschäftigt hat, sehr nahe gerückt. Zwei der fünf österreichischen<br />

Donaustädte liegen seither im Kreis Sigmaringen.<br />

Deutsche Volkskunst - Schwaben<br />

Hrsg. Karl Gröber. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe<br />

von 1925. 120 Seiten, 222 Abbildungen, 1 Karte. Verlag<br />

Weidlich Frankfurt. Subskriptionspreis DM 45.-, später DM<br />

49.80.<br />

Das Buch behandelt in Text und Bild alle Gebiete der<br />

schwäbischen Volkskunst und befaßt sich ausführlich mit<br />

ihrer Geschichte. Abnehmer für Volkskunst waren Bauern<br />

und Kleinbürger. Diese erfüllten alle Bedürfnisse, die über<br />

das landwirtschaftliche Erfordernis hinausgingen, in der<br />

Amtsstadt. Hier kauften sie auf dem Markt oder bestellten<br />

beim Handwerker das was sie brauchten und nach ihrem<br />

Geschmack war. Der Handwerker aber wollte das, was er<br />

fertigte, möglichst künstlerisch gestalten. Er schöpfte die<br />

Motive für sein künstlerisches Schaffen fast immer aus Vorlagen<br />

seiner Zeit, die er dann nach seinem Gutdünken verarbeitete.<br />

So deckte sich Handwerkskunst mit Volkskunst. Seit<br />

den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mußte<br />

die Volkskunst langsam der modernen Massenproduktion<br />

weichen. So können wir die meisten der im Buche abgebildeten<br />

Gegenstände nur noch in Museen betrachten.<br />

Der Herausgeber Dr. Karl Gröber arbeitete an der Inventarisierung<br />

der Bayerischen Bau- und Kunstdenkmäler. Sein<br />

bevorzugtes Interessengebiet aber war die Volkskunde. Er<br />

wurde in Neufra an der Donau geboren; dort, wo sein<br />

Großvater das Schloß als Wohnsitz und die Nebengebäude<br />

als Plüsch- und Strickwarenfabrik erworben hatte.<br />

Das Buch ist eine Fundgrube für alle, die sich für bäuerliche<br />

Volkskunst interessieren oder Dinge aus der Vergangenheit<br />

sammeln.<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HOHENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

Ehemaliges Kloster Inzigkofen, aufgenommen 1889 von E. Eulenstein.<br />

WILFRIED SCHÖNTAG b 1<br />

Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />

32.Jahrgang Nr. 3/September 1982<br />

Rechtliche und wirtschaftliche Grundlagen von Klause und Stift Inzigkofen<br />

Das späte Mittelalter, die Zeit vom 13. bis zum 15. Jahrhundert,<br />

ist eine wildbewegte Zeit in politischer, kirchlicher,<br />

wirtschaftlicher und auch kultureller Hinsicht. Nach dem<br />

Untergang des staufischen Hauses erfolgten große Machtverschiebungen<br />

in unserem Raum. Grafen und Herren zogen<br />

Güter und Rechte an sich und bauten neue Herrschaften auf.<br />

Mächtige Familien stritten sich um die oberste Würde im<br />

Reich, wobei dieses von Kriegszügen und Plünderungen<br />

heimgesucht wurde. Die politischen Auseinandersetzungen<br />

schädigten auch die kirchlichen Autoritäten. Religion und<br />

Sittlichkeit waren nicht mehr unangefochten. Ein neues<br />

Lebensgefühl entwickelte sich, das neben den höfischen<br />

Formen derbe Genußsucht und eine üppige Lebensführung<br />

kannte. Das Aufblühen des Handels und Gewerbes wie auch<br />

der Landwirtschaft bot hierfür die wirtschaftliche Grundlage.<br />

Bei all dem äußeren Glanz darf eine andere Strömung nicht<br />

übersehen werden, die Mystik. Diese ist keine ausschließlich<br />

mittelalterliche Erscheinung. Sie erfuhr aber im 12. bis 15.<br />

Jahrhundert in Schwaben eine besondere und tiefreichende<br />

Ausprägung. Mystik ist das unmittelbare Erleben des Wirkens<br />

Gottes in der Seele. Diese ganz persönliche Religiosität,<br />

die nicht auf dem Verstand, sondern auf der innersten<br />

Erfahrung beruht, diese klar und deutlich erfahrene Verbundenheit<br />

des Menschen mit Gott war im 14. und auch noch im


15. Jahrhundert in Schwaben Gemeingut breiter Kreise.<br />

Diese Strömungen, die zu einer tiefen Innerlichkeit führten,<br />

die aber auch kirchenpolitischen Radikalismus mit sich bringen<br />

konnten, stellten eine Bedrohung für die Kirche dar.<br />

Riesengroß war die Gefahr, der Ketzerei zu verfallen.<br />

Radikalismus und Individualismus riefen beinahe von selbst<br />

zur Abkehr von der Welt auf, die nicht mehr in Ordnung<br />

war. Die Frauen nahmen innerhalb dieser religiösen Bewegungen<br />

eine besondere Stellung ein. Die neuen Orden, der<br />

Dominikaner- und der Franziskanerorden, bemühten sich,<br />

diese Bewegungen in kirchliche Bahnen zu lenken. Mit der<br />

zweiten und dritten Regel hatten sie Formen entwickelt, die<br />

den ungeheueren Zulauf von Frauen zu religiösen Gruppierungen<br />

auffangen konnten. Hunderte von Frauen bemühten<br />

sich um ein Leben in der Nachfolge des Herrn. Sie bedurften<br />

einer starken religiösen Leitung, sollten sie nicht der unkirchlichen<br />

Schwärmerei oder gar der Ketzerei verfallen. Die<br />

Dominikaner sprachen mehr die gebildeten und höheren<br />

Stände an. Dementsprechend stand die Beschäftigung mit der<br />

Theologie im Zentrum. Die Franziskaner, der andere Bettelorden,<br />

wiesen eine andere soziale Schichtung und auch<br />

Zielsetzung auf. Die Franziskaner waren in erster Linie<br />

Praktiker in der Nachfolge Christi, Volksprediger und<br />

Volksseelsorger.<br />

In beiden Orden war die 2. Ordensregel für die in Klöstern<br />

lebenden Frauen geschaffen worden. Der 3. Orden faßte in<br />

der Welt lebende Personen zusammen, die wegen ihres<br />

Alters, durch Ehe oder sonstige Verhältnisse verhindert<br />

waren, in einen 1. oder 2. Orden einzutreten, dennoch aber<br />

der Gnade und Vorzüge des Ordenslebens teilhaftig werden<br />

wollten. Die Bezeichnung »Orden der Büßenden« drückt<br />

schon aus, daß die Übung der Buße im Mittelpunkt dieser<br />

Lebensform stand. Die Terziaren konnten in der Welt leben,<br />

sie trugen dann unter der normalen Kleidung den weißen<br />

Gürtel und ein braunes Skapulier, oder konnten sich zusammenschließen<br />

und gemeinsam wohnen. Von den Nonnen<br />

unterschieden sie sich dadurch, daß sie keine Gelübde ablegten,<br />

sondern nach einem einjährigen Noviziat Profeß mit<br />

einem förmlichen Versprechen ablegten.<br />

Diese Vorbemerkungen waren erforderlich, um die Bedeutung<br />

der Gründung der Klause Inzigkofen in der Mitte des<br />

14. Jahrhunderts erfassen zu können. Da es im Folgenden vor<br />

allem um wirtschaftliche und rechtliche Dinge geht, darf<br />

nicht der kirchliche und religiöse Hintergrund vergessen<br />

werden. Bei Anerkennung aller wirtschaftlichen und soziologischen<br />

Erklärungen für bestimmte Entwicklungen darf der<br />

religiöse Eifer und das Streben des Einzelnen nach Heiligkeit<br />

nicht übersehen werden.<br />

Die Gründung der Klause in Inzigkofen<br />

In den Jahren zwischen 1303 und 1354 wurden in der Pfarrei<br />

Laiz vier Klausen bzw. Klöster eingerichtet. Da alle von und<br />

für Frauen gegründet worden waren, deutet dies auf eine<br />

große Anteilnahme und starkes Engagement der Frauen am<br />

kirchlichen Geschehen hin.<br />

Angeblich 1303 wurde in Gorheim eine Klause gegründet, die<br />

sich dem 3. Orden des hl. Franziskus anschloß. Sicheren<br />

Boden betreten wir erst 1347. Damals überließ der Pfarrer<br />

von Laiz, Konrad von Reischach, den Klausnerinnen den<br />

Platz in Gorheim neben der Michaelskapelle und die Kapelle<br />

selbst. Um das Jahr 1308 errichteten Frauen in Laiz eine<br />

Klause, die ebenfalls die 3. Regel des hl. Franziskus übernahm.<br />

Vor 1338 wurde in Hedingen ein Dominikanerinnenkloster<br />

gegründet. Und schließlich richteten 1354 in Inzigkofen<br />

bei der Kapelle des hl. Mauritius einige Frauen aus<br />

Sigmaringen eine Klause ein und nahmen die 3. Regel des hl.<br />

Franziskus an. Schon an dieser Stelle sei festgestellt, daß die<br />

34<br />

als letzte gegründete Einrichtung dank ihres ausgeprägten<br />

geistlichen Lebens alle politischen und wirtschaftlichen<br />

Stürme überlebte und aufgehoben wurde, als die anderen<br />

Institutionen längst nicht mehr bestanden.<br />

Die Einrichtung einer Klause oder eines Klosters ist ein<br />

Gemeinschaftswerk gewesen. Nur durch das Zusammengehen<br />

von den am geistlichen Leben interessierten Menschen<br />

mit kirchlichen Amtsträgern und weltlichen Größen, sei es<br />

als Territorialherr oder als Grundherr, war es möglich,<br />

lebensfähige Institutionen zu schaffen. Dies ist der Grund<br />

dafür, daß verschiedene Rechtsbereiche nacheinander dargestellt<br />

werden.<br />

Die kirchenrechtliche Absicherung von Klause und Stift<br />

Um eine neue kirchliche Einrichtung zu schaffen, waren nach<br />

dem Kirchenrecht bestimmte Schritte erforderlich. Es mußte<br />

die Zustimmung des Ortspfarrers eingeholt werden, da die<br />

neue Einrichtung möglicherweise die Seelsorgerechte beeinträchtigte.<br />

Dann war die Zustimmung des Bischofs einzuholen<br />

und waren die kirchenrechtlichen Beziehungen zu ihm<br />

festzulegen. Die stärkste Absicherung war dann die päpstliche<br />

Anerkennung und Privilegierung. In Inzigkofen ging<br />

man eigene Wege, aber nach und nach wurde alle drei Ebenen<br />

berührt.<br />

Die 1525 begonnene Stiftschronik berichtet stark idealisierend<br />

über die Einrichtung einer Klause neben der Mauritiuskapelle<br />

in Inzigkofen durch mehrere Frauen aus Sigmaringen.<br />

Hält man die Urkunden dagegen, dann wird ersichtlich, daß<br />

weniger durch ein Wunder der Platz für die Klause bestimmt<br />

wurde, als durch Verhandlungen zwischen den zukünftigen<br />

Klausnerinnen und deren Familien, dem Pfarrer in Laiz und<br />

dem Grundherrn in Inzigkofen, der Familie von Reischach.<br />

Der Pfarrer Albert von Laiz unterstützte die Bestrebung der<br />

Sönnerschen Schwestern, ein Büßerleben zu führen. Wahrscheinlich<br />

hat er auch den Patronatsherrn der Pfarrei, den<br />

Grafen von Württemberg, überzeugt, die Kapelle des hl.<br />

Mauritius, die der Pfarrei unterstand, den Klausnerinnen zur<br />

Verfügung zu stellen. Die Gründung wurde als eine interne,<br />

nur die Pfarrei betreffende Angelegenheit betrachtet. Zur<br />

Sicherheit setzte man fest, daß bei der Aufhebung der Klause<br />

die Güter an die Klause in Laiz fallen sollten. Damit erhalten<br />

wir einen ersten Hinweis auf die von den Klausnerinnen<br />

beachtete Regel. Von Anbeginn ist es wohl die 3. Regel des hl.<br />

Franziskus gewesen. Urkundlich wird diese Regel erst 1390<br />

und dann wieder 1394 genannt.<br />

In den folgenden Jahren konnte sich die Klause gut entwikkeln.<br />

Zum Jahr 1381 ist belegt, daß neben der alten Klause<br />

eine neue errichtet worden war. In den folgenden Jahren<br />

wurde die Mauritiuskapelle aus- und umgebaut, 1385 wurde<br />

die Altäre geweiht und Ablässe erteilt. Zu diesem Zeitpunkt<br />

war die Kapelle in den Besitz und in die Verfügung der<br />

Klausnerinnen übergegangen. Ebenso setzten die Weihen<br />

und die Erteilungen von Ablässen voraus, daß der Bischof<br />

von Konstanz die Klause anerkannt und bestätigt hatte.<br />

Wenige Jahre später, 1388, wurde die obere Hälfte der Kirche<br />

dem hl. Johannes d. T. geweiht. Das Mauritiuspatrozinium<br />

trat nun an dritte Stelle nach dem Apostel Bartholomäus. Die<br />

Kirche besaß nun drei Altäre, die Johannes d.T., dem<br />

Apostel Bartholomäus und dem hl. Mauritius und seinen<br />

Genossen, dann der hl. Dreifaltigkeit und drittens der hl.<br />

Jungfrau Maria geweiht waren. Ein Friedhof für die Beerdigung<br />

der Klausnerinnen war nun auch vorhanden.<br />

Anläßlich dieser Weihehandlung wurde die Klause in den<br />

bischöflich konstanzischen Schutz aufgenommen. Auch<br />

wenn das im Hochmittelalter bedeutungsvolle Schutzinstitut<br />

im Spätmittelalter an Glanz verloren hatte, so brachte es doch<br />

immer noch eine besondere und enge Beziehung zu den


Bischöfen von Konstanz nicht nur in geistlicher Angelegenheiten<br />

sondern vor allem im Bereich des Rechtsschutzes mit<br />

sich. Bei Bedrängung durch weltliche Mächte oder vor<br />

Gericht können die Klausnerinnen sich nun des Beistandes<br />

der bischöflichen Kurie sicher sein.<br />

Die Klause war nun aus dem engen Bereich der Pfarrei<br />

herausgetreten. In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens<br />

reichte die Unterstützung des Ortspfarrers aus, um die<br />

halbklösterliche Gemeinschaft zu führen. Nachdem sich aber<br />

gezeigt hatte, das die Klause Bestand hatte, reichte es den<br />

Insassen nicht mehr aus, als Laien ein gottgefälliges Leben zu<br />

führen. Mit Hilfe des Bischofs erreichten sie, daß sie im Jahr<br />

1394 die Regel des hl. Augustinus übernehmen konnten. Als<br />

Augustinerchorfrauen lebten sie nach kanonischen Grundsätzen.<br />

Diese unterschieden sich von den monastischen Formen<br />

vor allem dadurch, daß die Chorfrauen nicht die drei<br />

Gelübde der Nonnen ablegten. Das geistliche Leben der<br />

Chorfrauen war gekennzeichnet durch die Einhaltung der<br />

strengen Klausur, die Verrichtung des großen Offiziums und<br />

die Übung der Hospitalität. Die von anderen Chorfrauen<br />

ausgeübte Lehrtätigkeit fehlte in Inzigkofen. Der Bischof<br />

stellte die Richtlinien für das innere Leben auf und wies das<br />

neue Augustinerchorfrauenstift der geistlichen Aufsicht des<br />

Augustinerchorherrenstifts Beerenberg in der Schweiz zu.<br />

Dieses hatte das Stift zu visitieren und die Seelsorge wahrzunehmen.<br />

Mit dem Schritt vom lockeren Zusammenleben in der Klause<br />

zu festen Integration in einem Orden mit Klausur ergaben<br />

sich sofort Spannungen mit dem Ortspfarrer. Dieser beanspruchte<br />

wie bisher die Seelsorgerechte, die über das Abgabewesen<br />

ja auch eine wirtschaftliche Seite hatten. Wenige<br />

Monate nach der Umwandlung bestimmte im Januar 1395 der<br />

Offizial des Bischofs von Konstanz, daß die Frauen von der<br />

Seelsorge des Pfarrers in Laiz exempt sein und der Seelsorge<br />

der Chorherren von Beerenberg unterstehen sollten. Es<br />

dauerte einige Jahre, bis der Patronatsherr der Pfarrei Laiz<br />

den neuen Zustand anerkannte. Erst 1412 gewährte Graf<br />

Eberhard von Württemberg die Loslösung der Kapelle in<br />

Inzigkofen von der Pfarrei Laiz. Auch von dieser Seite wurde<br />

den Chorfrauen nun zugestanden, in ihrer Kirche zu singen,<br />

das Evangelium zu lesen, predigen zu lassen, die Sakramente<br />

zu empfangen und einen Beichtvater frei wählen zu können.<br />

Die Kapelle war nun zu einer Pfarrkirche erhoben worden,<br />

jedoch mit gravierenden Einschränkungen. Der Patronatsherr<br />

hatte beim Bischof durchgesetzt, daß die Opfergaben<br />

und alle sontigen Rechte, die Abgaben mit sich brachten,<br />

weiterhin der Pfarrkirche zustehen sollten. Die Pfarrei Laiz<br />

sollte durch die Erhebung der Klause zum Augustinerstift<br />

keine finanziellen Einbußen erleiden.<br />

Wahrscheinlich ist in diesen Jahren auch die Patronatsfrage<br />

geregelt worden. Für die frühe Zeit liegen darüber keine<br />

Nachrichten vor. Später lag es in Händen des jeweiligen<br />

Landesherren.<br />

Die kirchenrechtliche Stellung des Stifts Inzigkofen war nun<br />

abgesichert. Es war in einen Orden integriert, die Beziehungen<br />

zum örtlichen Pfarrer und zum Bischof waren geregelt.<br />

Die päpstliche Kurie wurde nur angegangen, um sich Rechte<br />

bestätigen zu lassen.<br />

Das Leben innerhalb des Stifts war durch die Augustinerregel<br />

festgelegt. Die Chorfrauen hatten das Recht, die Pröpstin als<br />

die Vorsteherin ihrer Gemeinschaft, die Priorin, die<br />

Schaffnerin und alle anderen Inhaber von Ämtern zu wählen,<br />

ebenso den Beichtvater. Entsprechend der Regel hatten die<br />

Vistatoren einen großen Einfluß. Auf Wunsch der Chorfrauen<br />

wechselten diese. Der Propst von Beerenberg war nur<br />

kurze Zeit tätig, von 1419 bis um 1500 erscheinen die Pröpste<br />

vom Stift Beuron, bis 1549 die von Indersdorf, dann die vom<br />

Wengenkloster in Ulm und die von Waldsee, zuletzt von<br />

1579 bis zur Aufhebung die Äbte von Kreuzlingen. Die<br />

Visitatoren griffen manchmal in die Wahlen ein und setzten<br />

auch Pröpstinnen ab.<br />

Die Schutzvogtei<br />

Das Dorf Inzigkofen gehörte damals zur Herrschaft, dann<br />

zur Grafschaft Sigmaringen. Um 1350 lag die hohe Gerichtsbarkeit<br />

in den Händen der Grafen von Württemberg, die<br />

Ortsherrschaft und damit das Niedergericht in Inzigkofen<br />

stand den Herren von Reischach zu.<br />

Bei der Gründung der Klause 1354 nahmen die Herren von<br />

Reischach eine beherrschende Stellung ein. Sie stellten den<br />

Klausnerinnen bei der Mauritiuskapelle eine Platz zur Verfügung,<br />

der bisher als Viehweide genutzt und ein Teil der<br />

Almende war. Zunächst geschah dies wohl nur leihweise, da<br />

erst 1381 Heinrich von Reischach den Platz den Klausnerinnen<br />

schenkte. Von der Stellung als Ortsherr leiteten die<br />

Herren von Reischach ihre Funktion als Schutzvogt über die<br />

Klause ab. 1391 befreite ein Herr von Reischach die Klause<br />

mit Garten und Wirtschaftshof von allen Steuern und Diensten,<br />

nahm jedoch alle innerhalb seiner Herrschaft liegenden<br />

Güter der Klause davon aus. Der Bezirk der Klause wurde ein<br />

besonders herausgehobener Rechtsbezirk, während die<br />

Klausnerinnen und ihre Bauern ansonsten den Hintersassen<br />

der Herren von Reischach gleichgestellt waren. Weiterhin<br />

behielt er sich für sich und die Familie Reischach die Schutzvogtei<br />

über die Klause vor. Als Gegenleistung wurden die<br />

Klausnerinnen verpflichtet, jährlich ein Totengedächtnis für<br />

ihn und genannte Familienmitglieder zu halten.<br />

Diese Seelgerätstiftung ist als der Abschluß einer Entwicklung<br />

anzusehen, die 1354 begonnen hatte. Mag der Anstoß<br />

zur Gründung auch von den Schwestern Sönner und ihrer<br />

Familie sowie der sie unterstützenden Familie Remi ausgegangen<br />

sein, so nahmen sich die Herren von Reischach jedoch<br />

dauerhaft der jungen Stiftung an. Sie stellten den Boden zur<br />

Verfügung und tätigten in den folgenden Jahren auffällig viele<br />

Seelgerätstiftungen. Zwischen 1359 und 1395 besetzte die<br />

Familie Reischach die Pfarrei in Laiz mit Familienangehörigen.<br />

Und in diesen Jahren muß die Übertragung der Kapelle<br />

an die Klausnerinnen erfolgt sein. Die gehäuften Jahrtagstiftungen<br />

geben uns die Deutung für die Absichten der von<br />

Reischach.<br />

Die Herren von Reischach waren ursprünglich in der Gegend<br />

von Wald ansässig. Nachdem sie durch das Kloster Wald von<br />

dort vertrieben worden waren, bauten sie um Dietfurt,<br />

Vilsingen und Inzigkofen eine neue Herrschaft auf. Hier<br />

fehlte ihnen ein Hauskloster, dessen Insassen die Jahrtage für<br />

die Toten abhielten, in das die Kinder eintreten konnten. Die<br />

Klause in Inzigkofen bot den idealen Ausgangspunkt, und<br />

das Vorgehen hatte Erfolg.<br />

Mit dem Verkauf der Dörfer Dietfurt, Vilsingen, Inzigkofen<br />

und Pault im Jahr 1421 ging auch die Schutzvogtei an die<br />

Gräfin Anna von Werdenberg über. Entsprechend der territorialen<br />

Entwicklung gelangte die Vogtei nach dem Aussterben<br />

der Werdenberger im Mannesstamm an das Haus Fürstenberg,<br />

die es im Pfullendorfer Vertrag von 1540 an die<br />

Grafen von Zollern veräußerten.<br />

Im wesentlichen bestanden die Aufgaben des Vogtes darin,<br />

das Kloster und seine Besitzungen gegen Übergriffe zu<br />

schützen. Dies war der Ansatzpunkt dafür, das Stift in die<br />

Landesherrschaft zu integrieren. Wie stark das Stift schließlich<br />

Teil der Grafschaft Sigmaringen geworden war, zeigte<br />

sich im 18. Jahrhundert, als es sowohl zur Tilgung der<br />

österreichischen Staatsschulden wie auch der fürstliche sigmaringischen<br />

Schulden herangezogen wurde.<br />

35


Den Chorfrauen gelang es nie, Gerichts- oder Herrschaftsrechte<br />

zu erwerben. Das Stift selbst wie auch seine Besitzungen<br />

waren dem jeweiligen Ortsherren bzw. dem Landesherren<br />

unterworfen. Inzigkofen zählte bis zur Aufhebung zu<br />

den landsässigen Stiften, die in engster Abhängigkeit vom<br />

Landesherren lebten.<br />

Die Ausstattung<br />

Die Erstausstattung der Klause war wahrscheinlich sehr<br />

bescheiden. In den ersten Jahrzehnten gelang es den Frauen<br />

jedoch, durch Kauf und Schenkungen Liegenschaften und<br />

Einkünfte zu erhalten. Da der größte Teil der Liegenschaften<br />

durch Schenkungen oder im Rahmen der Mitgift der neueintretenden<br />

Frauen hereinkam, hatte die Klause und dann das<br />

Stift kaum Einfluß auf die regionale Verteilung. Die Urbare<br />

von 1466 und 1469 nennen Höfe in 15 Orten als Stiftsbesitz,<br />

hinzu kommen Weingärten in Sipplingen und Zehnten in<br />

Inzigkofen. Bemerkenswert ist die regionale Verteilung der<br />

Höfe. Abgesehen von dem Besitz in Egelfingen und Sipplingen<br />

liegt er in einer sich von Menningen, Ablach und<br />

Krauchenwies nach Nordosten ziehenden bis nach Daugendorf<br />

und Unlingen reichenden Zone. Emerkingen lag am<br />

weitesten ab und ist dann auch verkauft worden. Der Schwerpunkt<br />

der Höfe lag zwischen Blochingen-Günzkofen-Wangen<br />

und Krauchenwies, d. h. in der Göge.<br />

In den folgenden Jahrhunderten änderte sich dieser Schwerpunkt<br />

nicht, auch nicht, als 1595 Graf Karl II. von Hohenzollern-Sigmaringen<br />

das Kloster Hedingen auflöste und den<br />

Besitz an Inzigkofen überwies.<br />

Neben den Einkünften aus den Höfen stützten sich die<br />

Chorfrauen vor allem auf Einkünfte aus Kapitalien. Durch<br />

Jahrtagschenkungen, die Aussteuer der Chorfrauen und<br />

HUBERT STEKELER<br />

Spenden von Gläubigen kamen im Lauf der Jahrhunderte<br />

beträchtliche Summen zusammen, die vor allem an die umliegenden<br />

Adelshäuser gegen Zins verliehen wurden.<br />

Die Verwaltung<br />

Die Vertretung der Chorfrauen in rechtlichen und gerichtlichen<br />

Angelegenheiten erfolgte durch den Schutzvogt. Die<br />

innere Verwaltung wurde von den Chorfrauen und Laienschwestern<br />

selbst vorgenommen. Die Pröpstin, die Priorin,<br />

die Schaffnerin und eine weitere Schwester stellten das oberste<br />

Gremium, die Ratsschwestern, dar, die kleinere Dinge<br />

allein entscheiden konnten. Alles andere mußte vom gesamten<br />

Konvent beraten und entschieden werden.<br />

Die Chorfrauen waren in den Verwaltungsdingen vielfach<br />

überfordert. Daher war das Stift immer auf außenstehende<br />

Kleriker oder Laien angewiesen, die sich im kirchlichen oder<br />

weltlichen Recht auskannten. Oft hing es auch von der<br />

Einstellung des Beichtvaters ab, was in die Wege geleitet<br />

wurde. So ist es eindeutig dem Einfluß des Beichtvaters<br />

zuzuschreiben, das 1505 die Meister Hans und Jakob aus<br />

Veringen einen neuen Hochaltar herstellten.<br />

Für die Chorfrauen waren Recht und Verwaltung jedoch<br />

immer nur ein Hilfsmittel, um Zustände herzustellen, die ein<br />

gottesfürchtiges Leben ermöglichten. Die Chorfrauen verließen<br />

nie den Weg der Gottesfürchtigkeit und ließen sich nie<br />

hinreißen, ihren materiellen Wohlstand zu mißbrauchen.<br />

Bezeichnend für diese Einstellung ist ein Zitat aus der Chronik.<br />

Als die Chorfrauen nach dem 30jährigen Krieg Kirchensilber<br />

verkaufen mußten, stellt die Chronistin fest: »... dan<br />

wür nach Rath der Geistlichen lieber ein rechte Ordnung in<br />

dem Closter als ein Silber auf dem Altar haben wollen«.<br />

Der gewaltsame Tod des Thalheimer Jägers Hans Jacob Legerlurz<br />

Im Hohenzollerisch-Sigmaringischen Dorfe Thalheim sorgte<br />

im Sommer 1686 ein im Nachbarorte Buchheim geschehener<br />

Totschlag wohl für viel Aufregung und Gesprächsstoff. Am<br />

Sonntag, den 22. Juni 1686 fand im Gründelbuch, einem dem<br />

Kloster Salem gehörigen Hof in der Herrschaft Enzberg,<br />

heute der Schäferhof (Gmde. Buchheim) genannt, ein Tanzund<br />

Schießfest statt. Dieses Fest schien auf die Bewohner der<br />

umliegenden Ortschaften eine große Anziehungskraft auszuüben.<br />

Allein von Thalheim waren mindestens 8 Männer<br />

und Burschen auf dem Fest anzutreffen. Einmal der Thalheimer<br />

Jäger Hans Jacob Legerlurz, dann die ca. 40jährigen<br />

Niclas Stöckle, Matheis Koch und Jacob Häse, sowie Adam<br />

Boos und sein 16jähriger Sohn Michel samt seinem gleichalterigen<br />

Kameraden Georg Fischer. Mit dabei war auch Johannes<br />

Schüele von Worndorf, der Knecht von Adam Boos. Am<br />

Abend dieses denkwürdigen Tages geschah es nun, daß der<br />

Thalheimer Jäger Hans Jacob Legerlurz auf dem Heimweg<br />

vom Gründelbuch durch seine Begleiter unter unglücklichen<br />

Umständen zu Tode kam.<br />

Was war geschehen? Aus den über 60seitigen Verhörprotokollen<br />

des Sigmaringer Jägermeisters und seines Sekretärs läßt<br />

sich folgender Vorgang rekonstruieren. Die genannten Thalheimer<br />

scheinen gemeinsam nach dem Mittagessen nach<br />

Gründelbuch marschiert zu sein. Dort sind sie gegen 13.00<br />

Uhr angekommen. Das Fest war schon voll im Gange, es<br />

wurde bereits getanzt und auf die Scheiben geschossen. Auch<br />

die Thalheimer stürzten sich nun ins Festvergnügen. Sie<br />

tranken Bier, tanzten und schössen auf die Scheiben. Im<br />

36<br />

Laufe des Nachmittags scheint nun dem Jäger Legerlurz das<br />

Bier zu Kopfe gestiegen zu sein, denn er fing allerorten<br />

Händel an. Zunächst geriet er mit dem Jäger von Langenstein<br />

wegen des Waidwerks in Streit. Sie beschimpften einander<br />

»Reißjäger«, was wohl soviel wie Wilderer bedeutet. Danach<br />

kam es zu einer größeren Auseinandersetzung mit dem<br />

Liptinger Jäger Hans Pfeter, der den Thalheimer im Laufe des<br />

Streits zum Duell forderte. Darauf wollte sich Legerlurz aber<br />

scheinbar doch nicht einlassen. Stattdessen beschimpfte er die<br />

Worndorfer Buben, die ihm jedoch nur gut zuredeten, er<br />

solle die Ruhe bewahren, und sich ihm weiter nicht annahmen.<br />

Gegen Abend legte er sich dann auch noch mit den<br />

anwesenden Bauersleuten an.<br />

Als die Thalheimer Gruppe nun am späten Abend aufbrechen<br />

wollte, vermißte Hans Jacob Legerlurz seinen Jägerhut, den<br />

er zuvor unter seinem Rock versteckt hatte, um den Abwehrmaßnahmen<br />

seiner Mitstreiter zu begegnen. Diese eigene<br />

Vorsichtsmaßnahme war dem Jäger in seinem jetzt recht<br />

trunkenen Zustand nicht mehr bewußt. Er fürchtete ob dieser<br />

vermeintlichen Schande um seinen Dienst und beschuldigte<br />

den Wirt, er habe ihm seinen Hut gestohlen, was dieser<br />

natürlich verneinte. Legerlurz schwor nun lautstark, daß ihn<br />

das Wetter und der Donner auf der Stelle erschlagen möge,<br />

und er allen Sakramenten verlustig sein möge, wenn er den<br />

Wirt treffe und ihn dann nicht für diesen Diebstahl erschießen<br />

werde. Unter Ausstoßen von weiteren Drohungen und Flüchen<br />

scheint er nun gegen Buchheim gerannt zu sein, da er<br />

bemerkte, daß die anderen Thalheimer dem Gezetere leidig


das Fest verlassen hatten. Es war nun schon Nacht und eine<br />

Stunde nachdem auf dem Fest das Licht angebrannt wurde<br />

und die Bettglocken geläutet hatten. Bald erreichte Hans<br />

Jacob Legerlurz die Gruppe der heimwärtsgehenden Thalheimer.<br />

Er konnte sich auch auf dem Heimweg nicht beruhigen.<br />

Beständig krakelte und fluchte er weiter. Beim Wegkreuz<br />

zwischen Gründelbuch und Buchheim wurde dies schließlich<br />

dem Adam Boos zu bunt. Er meinte, es sei heute doch<br />

männiglich lustig gewesen, nur er, der Jäger, habe allein<br />

Händel gehabt, geschworen und geflucht wie ein leichtfertiger<br />

Schelm und Dieb. Womit Adam Boos jetzt gerade an den<br />

Richtigen geriet. Der Jäger schalt Boos nun einen Hund, zog<br />

seinen Hirschfänger heraus und forderte ihn zum Duell. Boos<br />

wollte sich darauf nicht einlassen und beruhigte den Jäger,<br />

daß er es doch nicht so ernst gemeint habe. Ob dem neuerlichen<br />

Geschrei kamen auch Johannes Schüele und Niclas<br />

Stöckle herbei. Der Jäger fühlte sich hierdurch scheinbar<br />

besonders bedroht, denn er steckte seinen Hirschfänger ein,<br />

und steckte ihnen stattdessen sein Rohr entgegen mit der<br />

Drohung, er sei manches gewohnt, sie sollen auf die Seite<br />

gehen, oder er wolle schießen, daß ihnen das Auge aufgehe.<br />

Niclas Stöckle sprach nun auch beruhigend auf den Jäger ein.<br />

Er solle doch still sein, es sei besser in Frieden heimzugehen,<br />

als eine Ungelegenheit anzufangen. Der Jäger senkte nun sein<br />

Rohr und ging weiter, jedoch nicht ohne sie alle Schelme und<br />

Diebe zu nennen. Unter solchem Geschrei bewegte sich die<br />

Gruppe im Dunkeln bis vor das Wirtshaus in Buchheim<br />

(wohl das heutige Gasthaus »Hirschen«).<br />

Dem Geschrei überdrüssig liefen Johannes Schüele und<br />

Niclas Stöckle der Gruppe bis zum Wirtshaus voran, wo sie<br />

auf der Treppe auf die anderen warteten. Als der Rest der<br />

Gruppe eingetroffen war, warf Stöckle den anderen vor, was<br />

sie denn für Kerle wären, wenn der Jäger ihn vorher verhauen<br />

hätte, sie hätten tatenlos zugesehen. Worauf Adam Boos<br />

entgegnete, daß keine Gefahr bestanden habe, da der rotkopfende<br />

Hund ihnen nichts tun werde, wenn man ihm keine<br />

Ursache gäbe. Ursache genug sprang der Jäger jetzt wieder<br />

mit einblößtem Hirschfänger hervor und forderte, der Boos<br />

solle den rotkopfenden Hund mit ihm teilen. Adam Boos<br />

versicherte, es sei ihm nicht nach Händel, auch habe er kein<br />

Zeug zum Schlagen dabei. Der Jäger ließ nicht locker, dann<br />

solle er die Kugeln mit ihm wechseln, er habe ja eine Büchse<br />

dabei. Boos ließ sich jedoch auf nichts ein, es sei ihm nicht<br />

nach Schießen, er solle ihn in Frieden lassen. Auch Niclas<br />

Stöckle, gegen den der Jäger immer wieder gehauen und<br />

gestochen, jedoch nie getroffen hatte, bat den Jäger er solle<br />

endlich Frieden geben. Da dies alles nichts nützte, und der<br />

Jäger weiter schrie und tobte, ging dem Stöckle wohl jetzt<br />

»der Gaul« durch. Er riß eine Latte von einem Zaun und gab<br />

dem Jäger damit einen Schlag auf den Leib, jetzt soll er einmal<br />

zeigen, ob er auch etwas einstecken könne. Der Jäger, dem<br />

durch den Schlag der Hirschfänger aus der Hand und sein<br />

Hut unter dem Rock hervorfiel, sprang davon, um aber gleich<br />

wieder zu erscheinen und mit ausgestrecktem Rohr zu drohen,<br />

daß jetzt einer von den tausendsakrament Schelmen<br />

sterben müsse. Da niemand an der ernsthafen Absicht des<br />

Jägers dies zu tun zweifelte, sprangen alle in die Dunkelheit<br />

auseinander. Auch Legerlurz verzog sich wüst schimpfend<br />

hinters Wirtshaus. Da die Gefahr vermeintlich vorüber war,<br />

versammelten sich die Thalheimer wieder vor der Wirtshaustreppe.<br />

Vom Jäger war nichts mehr zu sehen und zu hören.<br />

Niclas Stöckle schalt sie wieder ob ihrer Angst, sie sollen sich<br />

doch wehren. Nun erschien der Jäger Legerlurz wieder und<br />

forderte den Adam Boos abermals zum Wechseln der Kugeln<br />

auf. Dieser meinte nun, es ginge jetzt wohl nicht mehr anders<br />

und begann seine Büchse zu laden. Währenddessen sprang<br />

der Jäger ums Wirtshaus herum und schrie immer wieder, daß<br />

ihm jetzt einer sterben müsse, worauf alles wieder ängstlich in<br />

die Nacht auseinandersprang.<br />

Michel Boos und Georg Fischer rannten in ein Gässle, wo sie<br />

plötzlich alleine vor dem Jäger standen. In ihrer Angst<br />

packten die beiden jungen Burschen den Jäger und warfen ihn<br />

unter lautem Schreien auf den Boden, worauf die anderen<br />

herbeigelaufen kamen und auf den Jäger einschlugen. Vor<br />

allem Johannes Schüele, der sogar mit seinem Säbel zustieß,<br />

und Niclas Stöckle scheinen hierbei maßgeblich beteiligt<br />

gewesen zu sein. Jacob Häse, der merkte, daß der Jäger voller<br />

Blut war, fragte wie es ihm gehe. Er wisse es nicht, gab<br />

Legerlurz zur Antwort. Da es finstere Nacht war, und man<br />

nichts sah, lief Matheis Koch weg, um ein Licht zu holen. Bei<br />

Hans Hay erhielt er ein solches, wohl eine Kerze, die aber<br />

sogleich wieder ausging. Nun wurde ihm eine Laterne und<br />

ein Scherben Wasser gereicht. Im Vogtshaus erhielt er<br />

Muskat, das dem Jäger auf die Wunde gelegt wurde. Nach<br />

dieser ersten Versorgung trugen Niclas Stöckle und Jocob<br />

Häse den Legerlurz, der dabei mehrmals zu trinken verlangte,<br />

zum Wirtshaus. Hier wurde ihnen jedoch kein Einlaß<br />

gegeben. So trugen sie den Schwerverletzten ins Vogtshaus.<br />

Als Adam Boos zu ihm meinte, daß er nun wohl sein Lebtag<br />

nicht mehr schwören würde, antwortete der Jäger, daß ihn<br />

der Donner erschlagen solle, wenn er nicht wieder schwören<br />

wolle. Danach antwortete Hans Jacob Legerlurz nur noch<br />

mühsam auf Fragen. Matheis Koch und Jacob Häse liefen<br />

nach Gründelbuch um den Barbier zur Wundversorgung des<br />

Jägers zu holen. Der Barbier verband den Jäger, was gegen 3<br />

Uhr morgens beendet war. Danach traten sie alle den Heimweg<br />

nach Thalheim an.<br />

Hans Jacob Legerlurz starb 6 Tage später am Samstag, den 28.<br />

Juni 1686 morgens um 10 Uhr an seinen Verletzungen. Am<br />

selben Tage wurden die Täter durch den Forstknecht Johannes<br />

Frey nach Sigmaringen geführt, und weil sie gleich das<br />

eine oder andere gestanden, in den Turm gelegt. 8 Wochen<br />

lang wurde nun durch den Sigmaringer Jägermeister und<br />

seinen Sekretär verhört und untersucht. Am 3. August<br />

verzichtete die Witwe des Jägers, Maria Magdalena Vollmer,<br />

auf eine Klage gegen die Täter. Sie überließ die Sache dem<br />

Fürstl. Oberamt mit der Hoffnung, daß man sich in Ansehung<br />

des Todfalls ihres Mannes ihrer und ihres kleinen<br />

Kindes gedenken möge und sie eine Ergötzlichkeit genießen<br />

lasse. Am 26. August 1686 wurde dann der »Beschaidt« mit<br />

Urteilsverkündung protokolliert.<br />

Als Hauptschuldiger mußte sich Johannes Schüele verantworten,<br />

weil er dem Jäger, nachdem er schon einige harte<br />

Prügelstreiche erhalten hatte, mit einem Säbel eine fingertiefe<br />

Wunde in den Schädel geschlagen habe, wodurch Legerlurz<br />

hauptsächlich in Verbindung mit den Prügelstreichen gestorben<br />

sei. Als Hauptschuldige zweiten Ranges wurden Niclas<br />

Stöckle und Matheis Koch angesehen, die dem Jäger mit<br />

Prügelstreichen die Hirnschale eingeschlagen haben sollen,<br />

was nach Aussage des Barbiers zum Tode geführt habe.<br />

Drittens mußte sich Georg Fischer verantworten, weil er<br />

dadurch Verursacher des Händeis gewesen sei, indem er den<br />

Jäger an den Haaren niedergerissen habe. Viertens wurde<br />

Michel Boos beschuldigt, weil er dem Fischer geholfen habe<br />

den Legerlurz zu Boden zu ziehen. Fünftens sei auch Adam<br />

Boos schuldig, weil er durch die Schimpf- und Schmähworte<br />

vor dem Wirthaus den Jäger noch mehr erzürnt habe.<br />

Es wurden nun folgende Strafen diktiert: Johannes Schüele<br />

soll neben ausgestandener Gefangenschaft als Exempel durch<br />

den Scharfrichter für eine halbe Stunde in Halseisen auf den<br />

Pranger gestellt werden und mit Ruten gehauen werden. Auf<br />

10 Jahre soll er aus dem Hohenzollerischen Lande verwiesen<br />

werden. Diese letzte Strafe konnte Schüele am 29. August<br />

durch die Zahlung von 50 Talern ausgleichen.<br />

Niclas Stöckle und Matheis Koch sollen vor und nach dem<br />

Gottesdienst am Sonntag in Thalheim, während die Leute<br />

ein- und ausgehen öffentlich und mit entblößtem Rücken und<br />

37


einem Prügel am Hals hängend durch die Jäger hingestellt<br />

werden. Für drei Jahre sollen sie der Herrschaft verwiesen<br />

werden. Diese letzte Strafe konnten die zwei am 29. August<br />

durch die Zahlung von 25 Talern ausgleichen.<br />

Als Satisfaktion müssen die drei der Witwe des Jägers je 100<br />

Gulden zahlen und am »Locus delicti« ein steinernes Kreuz<br />

aufstellen. Dem Johannes Schüele wird auf 3 Jahre die<br />

ehrliche Gesellschaft entzogen. Dem Niclas Stöckle und dem<br />

Matheis Koch jeweils auf 1 Jahr. Die drei müssen Visitation,<br />

HUBERT STEKELER<br />

Zum Thalheimer Wendelinusfest<br />

Ein jährliches Hauptfest der Pfarrgemeinde Thalheim ist das<br />

St. Wendelinusfest am 20. Oktober, das heute mit einem<br />

Hochamt und einem Pfarrfamilienabend gefeiert wird. Feiern<br />

auch heute noch Gläubige aus den umliegenden Gemeinden<br />

d.is I lochamt zu Ehren des Thalheimer Ortsschutzheiligen<br />

mit, so war die Anziehungskraft des St. Wendelinusfestes bis<br />

in die Mitte der 60er Jahre dieses Jahrhunderts, als die St.<br />

Wendelinus-Statue in einer Prozession feierlich durch das<br />

geschmückte Dorf getragen wurde, noch weitaus größer.<br />

Thalheim wurde für die nahe Umgebung für einen Tag zu<br />

einem kleinen Wallfahrtsort, an dem der Schutzheilige des<br />

Viehs und der Felder in drei Messen und einer Vesper geehrt<br />

wurde.<br />

Die große Bedeutung des St. Wendelinusfestes in der Ortschaft<br />

Thalheim hat ortsgeschichtliche Wurzeln. Im Jahre<br />

1780 wurde Thalheim von einer Viehseuche stark heimgesucht.<br />

In ihrer Not verpflichtete sich die Gemeinde zu dem<br />

Gelübde, daß sie für den Wert jenes Tieres, das als erstes von<br />

der Seuche wieder gesunden werde und in der Lage sei eine<br />

über den Weg gelegte Stange überschreiten zu können eine St.<br />

Wendelinuspflege einrichten wolle. So geschah es, daß bald<br />

eine »Kalbel« im Wert von 25 Gulden jene Stange überschritt.<br />

Mit den von der Gemeinde gestifteten 25 Gulden wurde nun<br />

die St. Wendelinuspflege eingerichtet. Ihr Zweck war die<br />

Ausrichtung eines jährlichen Kirchenfestes zu Ehren und<br />

zum Dank des Heiligen Wendelinus. Bezahlt werden mußten<br />

hierbei die Kapuzinermönche aus Meßkirch, die den Festgottesdienst<br />

abhielten, und die verschiedenen Hilfeleistenden bei<br />

der Prozession wie Fahnenträger, Kreuzträger, Himmelträger,<br />

Statuenträger und Böllerschießer.<br />

Da am St. Wendelinusfest jährlich reichlich geopfert wurde,<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Burgennamen<br />

Dem Worte Burg liegt der Begriff von bergen = schützen<br />

zugrunde. Bei den Germanen war eine Burg das, was bei uns<br />

heute eine Stadt ist, sagt Wasserzieher. Wir beschäftigen uns<br />

hier jedoch vorwiegend mit mittelalterlichen Ritterburgen.<br />

Sie waren teils in ebenem Gelände mit Wall und Graben,<br />

wenn möglich als Wasserburgen (z.B. Killer), angelegt, mit<br />

Vorliebe jedoch auf leicht zu verteidigenden Anhöhen und<br />

Felsen errichtet, besonders seit dem 11. Jahrhundert. Burg<br />

heißt schon im 9. Jahrhundert der heute rechts der Schmeihe<br />

gelegene Teil von Straßberg, als von der heutigen Höhenburg<br />

gegen Winterlingen wohl noch nichts vorhanden war. Man<br />

kann verschiedene Gruppen von Burgennamen anführen, die<br />

jedoch nicht sklavisch oder säuberlich getrennt werden<br />

sollen.<br />

38<br />

Eröffnung und Begräbnis des Hans Jacob Legerlurz bezahlen.<br />

Georg Fischer muß der Witwe als Satisfaktion 20 Gulden,<br />

Adam und Michel Boos jeweils 10 Gulden zahlen.<br />

Nach ausgestandener öffentlicher Strafe wurden am 2. September<br />

1686 die Zahlungsmodualitäten an die Witwe ausgehandelt,<br />

womit das Protokoll über den Tod des Thalheimer<br />

Jägers Hans Jacob Legerlurz endet.<br />

Quelle:<br />

StaS Ho 80a-143; Nr. C II 1 a Nr. 42<br />

und das überschüssige Geld »auf Zins gelegt« wurde, konnte<br />

die St. Wendelinuspflege bei ihrer Auflösung im Jahre 1840<br />

ein Vermögen von 174 Gulden und 46 Kreuzern aufweisen.<br />

Dieses Stiftungsvermögen wurde zusammen mit dem Vermögen<br />

der Leprosenpflege in einen Lokalarmenfond umgewandelt.<br />

Dieser Fond hatte die Aufgabe »wahrhaft arme«<br />

Gemeindemitglieder, die alters- und krankheitshalber in Not<br />

geraten waren, finanziell zu unterstützen, sofern sie sich<br />

nicht in »mutwilliger Weise durch Spiel, Trunkenheit oder<br />

durch schändlichen Lebenswandel« selbst in diese Lage<br />

gebracht hatten. Neben dem eingebrachten Vermögen der<br />

beiden aufgelösten Stiftungen wurde der Lokalarmenfond im<br />

übrigen auch durch gesetzliche Beiträge der Thalheimer<br />

Bürger finanziert. So mußte jeder, der sein angeborenes<br />

Bürgerrecht antreten wollte an den Lokalarmenfond einen<br />

einmaligen Beitrag von 3 Gulden zahlen. Für Frauen und<br />

Männer, die in die Gemeinde einheirateten betrug dieser<br />

Beitrag 10 Gulden.<br />

Mit der Umwandlung des Stiftungsvermögens der St. Wendelinuspflege<br />

in den Lokalarmenfond wirkte der Schutzpatron<br />

des Viehs und der Felder nun also auch als Unterstützer<br />

von armen Menschen. Die Gestaltung des jährlichen Wendelinusfestes<br />

durfte und wollte die Gemeinde jetzt jedoch nicht<br />

aussetzen. Die notwendigen Ausgaben wurden in der Folgezeit<br />

aus der Gemeindekasse bestritten. Von der Dankbarkeit<br />

der Gemeinde an den Heiligen Wendelin zeugt auch der ihm<br />

geweihte Seitenaltar mit Wendelinusstatue in der 1842^14<br />

erbauten neuen Pfarrkirche.<br />

Quelle:<br />

StaS Ho 203 Nr. 120<br />

a) Die meisten Burgen unserer Gegend sind nach den<br />

zugrunde liegenden Dorfsiedlungen benannt, wie Salmendingen,<br />

Melchingen, Ringingen (auf dem Neh-, alt Ehberg-<br />

=eckiger Berg), Burladingen, Hettingen, Genkingen,<br />

Erpfingen (die anstelle der heutigen Kirche!), Trochtelfingen,<br />

Schmeihen, Kaiseringen, Sigmaringen, Veringen usw. Die<br />

Sigmaringer Burg wird schon 1077 genannt, weitab vom<br />

namengebenden Dorf. Die Altenburg südlich der Veringendorfer<br />

Kirche (östlich der Bahnlinie) erscheint im Habsburger<br />

Urbar um 1213 so. Statt ihrer hatten die mit Altshausen<br />

zusammenhängenden Grafen um 1130 die Burg Veringen<br />

errichtet, bei der dann Veringenstadt entstand. Die Höhenburg<br />

Burladingen entstand wohl nachträglich hinter der heute<br />

sogenannten Hohen Wacht. Ursprünglich mag eine Wasser-


ürg anstelle des 1492 von den Zollerngrafen erbauten<br />

Schlosses unweit der Georgskirche bestanden haben.<br />

Erwähnt sei noch die Weilerburg zwischen Hausen und<br />

Tailfingen: der dortige alte Weiler wurde später zu Neuweiler.<br />

b) Groß ist die Zahl der Burgen, die nach beim Adel<br />

beliebten Tieren benannt sind, die oft im Wappen wiederkehren.<br />

Deren Namen enden sehr oft auf Berg, Stein, Fels, Eck,<br />

Burg usw. Erwähnt seien Aarburg (Adler), Bärenfels,<br />

Berstein (später Beerstein bei Burladingen-Hausen), Drachenstein,<br />

Eberstein, Ebersberg, Falkenburg (Donautal;<br />

Höllental; bei Schramberg), Greifenstein bei Hönau, Habsberg<br />

(bei Langenenslingen), Habsburg (Habicht!), Helfenstein<br />

(Helfant = Elefant!), Katzenstein, Limburg (Lindwurm-Drache!),<br />

Löwenstein, Ramstein (Ram = Widder),<br />

Sperberseck usw.<br />

c) Andere Namen deuten auf Personen, die wohl als Gründer<br />

gelten dürfen: Diepoldsburg, Kiverlinsburg (früher<br />

»Reutenhalden« bei Mariaberg), Wetzelburg (abgeg. bei<br />

Trochtelfingen), Wielandstein im Lenningertal.<br />

d) Wieder andere Namen zeigen die hohe Lage der Befestigung<br />

an: Hochburg, Hohenberg, Hohenburg (jetzt Odilienberg<br />

i. Elsaß),Hohenstein bei Oberstetten, Homberg und<br />

Homburg (entstanden aus Hohenburg, und vielleicht auch<br />

Höwen (Höhen?) im Hegau.<br />

e) Auf die natürliche Lage und Beschaffenheit des Baugrundes<br />

deuten die Namen Achalm (Alm überm Wasser), Achberg,<br />

Affelstetten (Affa = Wasser), Burre (bei Klosterwald),<br />

Dietfurt (Volksburt), First (auf dem First eines Bergzuges);<br />

dazu gehört wohl auch Fürstenberg. Haideck = am Eck der<br />

Trochtelfinger Haid; Hornstein (hornähnlicher Fels), Jungnau,<br />

früher Schiltau nach der Schildform an der Au, später<br />

von den Junginger Herren in »Jungnau« umgeändert. Kallenberg,<br />

ursprünglich kahler Berg, ähnlich wie Calw! Lägstein<br />

bei Gauselfingen, in Leckstein verballhornt. Läg bedeutet<br />

Halde oder Abhang: = Stein am Abhang. Dazu rechne ich<br />

auch Burg Lägelen im oberen Donautal. Eine Lägel oder<br />

kleines Fäßchen (von lagena) ist kaum zu denken. Langenstein<br />

und Langenfels sind klar. Laiterberg bei Magenbuch<br />

kommt wohl von Leite = sanfter Abhang. Michelstein = großer<br />

Stein; Krähen und Kreenheinstetten deuten auf ein altes<br />

Wort für Felsen. Lichteneck, Liechtenstein und Lichtenfels<br />

kommen von licht oder hell. Reutenhalden, eine alte Rodung<br />

bei Mariaberg, später nach dem Inhaber Kiverlinsburg (einem<br />

Lichtensteiner Abkömmling), heute Altenburg geheißen.<br />

Ringelstein bedeutet geringer oder kleiner Stein (wie der<br />

Ringelbrunnen oberhalb Burg Ringingen am Hohlweg). Ror<br />

bei Bisingen (Raur gesprochen) deutet auf Rohrkolben im<br />

Sumpfgebiet. Rotenstein ist nach der Farbe benannt, Scharfenstein<br />

nach dem kantigen Felsen. Stauffenberg, Stoffel,<br />

Stoffeln zeigen die Bergform an: umgestülpter Becher. Die<br />

Teck entstand aus d'Eck, Triberg und Trifels weisen auf<br />

Dreiheit von Berg und Stein. Der Weckenstein dürfte auf eine<br />

weckenähnliche Form des Untergrundes deuten. Weißenstein<br />

und wohl auch Kreidenstein betonen die weiße Farbe,<br />

wenn bei letzterem nicht gar ein Gereute zu vermuten ist. Die<br />

Wiesneck am Dreissamtal, einst ein Nebensitz der Grafen<br />

von Haigerloch: Eck über den Wiesen. Wildenfels und<br />

Wildenstein deuten auf die Wildheit des Gesteins. Endlich<br />

gehört auch die Zollerburg hierher: 1061 Zolorin in Bedeutung<br />

Berg, Anhöhe, Anschwellung, wozu auch Twiel<br />

(Hohentwiel) gehören dürfte.<br />

f) Endlich ist noch eine Gruppe von Burgennamen zu nennen,<br />

die verschiedenen Ursprungs ist. Affenschmalz zu Killer<br />

geht auf einen italienischen Beinamen des Heinrich von Killer<br />

1375 zurück, der vielleicht entstand aus dem Kraftspruch:<br />

»Affe smalto =Jo, an Dreck!« Altenburg steht im Gegensatz<br />

zu Neuenburg, wozu auch Neuneck, d. h. zum neuen Eck<br />

gehört, dazu Neuenstein. Andeck bei Talheim wollte man in<br />

Beziehung zu Eineck bei Ringingen ziehen, das aber aus<br />

Neuneck entstellt ist. Vielleicht ist zu denken: »An der Eck«.<br />

Baldenstein, das Alte Schloß im Fehlatal bei Gammertingen<br />

kommt vom Wort bald = kühn, stark, ebenso wohl Schloß<br />

Balders bei Aalen. Beilstein dürfte auf das Beil im Wappen der<br />

Besitzer hinweisen, wie Bellenstein. Bille heißt eine Hacke<br />

zum Bearbeiten der Mühlsteine. Der Beerstein bei Burladingen-Hausen<br />

entstand wohl aus Ber = Eber oder Bär. Beides<br />

ist im Mittelhochdeutschen möglich, ebenso wie die weniger<br />

in Betracht kommende Beere! Dorf und Burg Bittelschieß,<br />

letztere später an die Lauchert verlegt, dürften mit lateinischem<br />

puteus = Brunnen zusammenhängen. Schieß gilt sonst<br />

auch als »vorspringendes Waldstück«, oder Bergnase. Brandeck<br />

bedeutet eine abgebrannte Bergecke. Ehrenberg-Ehrenfels-Ehrenstein<br />

gehören natürlich zusammen, wie auch<br />

Frundeck, Frundsberg und das Ringinger Frundsbürglin auf<br />

dem Seeheimerberg, denen »Freund« zugrundeliegt. Grafeneck<br />

gehört wohl zum Beinamen Graf (wohl nicht Titel!);<br />

Gutenberg (auch mit tt), Gutenstein sind Namensbrüder.<br />

Haigerloch war ein Flurname bei Weildorf in Bedeutung<br />

»Wald der Haiger = Fischreiher«. Hellenstein bei Heidenheim<br />

deutet auf den »hellen Stein«, wie Liechtenstein auf licht<br />

und hell zurückgeht. Die später zu Homburg gewordene<br />

Haimburg bei Grosselfingen bedeutet »Hagenburg« (Hekkenhag).<br />

Der Holnstein bei Stetten-Burladingen wird durch<br />

die dortige Höhle (mit frühgeschichtlichen Funden) erklärt.<br />

Man braucht nicht, wie Dekan Dieringer selig, an die heidnische<br />

Göttin Heia zu denken. Der Hertenstein an der Lauchert<br />

unweit Sigmaringen zeigt die Härte des Felsens an. Die<br />

Hünaburg bei Glashütte ist eine frühe Volksburg oder Heuneburg,<br />

die nichts mit Hunnen zu tun hat. Eine solche ist<br />

auch auf dem Nehberg bei Ringingen und auf der Hochburg<br />

bei Rangendingen angedeutet, die beide dann zu Ritterburgen<br />

ausgebaut wurden. Das Bürgle Husteneck bei Gammertingen<br />

gehört wohl zu Hurst = Buschwerk. Nach Michel<br />

Burk wäre auch an Hürde oder Umzäumung zu denken.<br />

Calw zeigt eine früher kahle Stelle an, wie Kallenberg ob<br />

Beuron. Die Kastelburg bei Waldkirch und der Ringinger<br />

Kästlesbühl erinnern an castellum = nicht römisch, sondern<br />

»mittelalterliche Burg«. Der Kreidenstein bei Beuron wurde<br />

wohl mit der weißen Kreide verglichen, falls nicht ein<br />

»Gereute« zugrunde liegt. Die Ky(b)burg hängt mit Gipfel<br />

zusammen. Der Mägdeberg im Hegau hieß 1276 nach Buck<br />

Mägidiberg. Ob nach den 11000 Mägden = Jungfrauen<br />

benannt als Kapellenpatrone? Die Mus- oder Miesburg bei<br />

Stein-Hechingen deutet auf Moos; der Name scheint jedoch<br />

nicht alt zu sein? Die Oedenburg (öde-zerstört) bei Straßberg<br />

hieß ursprünglich Schalksburg = Dienerburg (Marschalk!),<br />

wurde später auf die Volksburg bei Burgfelden übertragen.<br />

Der Pfannenstiel bei Beuron könnte eine absonderliche Felsform<br />

anzeigen. Rain bei Kappel erklärt sich selbst. Der<br />

Ramstein deutet auf Ram = Widder, könnte aber auch<br />

Ramselen, d. i. starkriechenden Bärlauch anzeigen. Der<br />

Schatzberg bei Bingen mag einen Münzschatz oder einen<br />

Personennamen Schad enthalten. Der Schirmberg bei Gauselfingen<br />

gewährte Schirm gegen Norden. Die Burg Schnatren<br />

(1358 bis heute) bei Erpfingen im Wald gegen Holnstein<br />

ist nicht gedeutet. Ob nicht ein Scherz vorliegt in Anspielung<br />

auf die Röhrenstengel der Zwiebeln, die Schnattren heißen?<br />

Der Sirgen-Sürgenstein könnte einer Person entsprechen.<br />

Der Suppenstein bei Sigmaringen gehört zu Soppe = Sumpfgebiet<br />

(unten an der Donau!). Der (Hohen-)Twiel gehört<br />

vermutlich wie Zollern zu altem tol-tul = Anschwellung,<br />

Berg, Anhöhe. Der Wendelstein bei Gammertingen hieß<br />

urkundlich Mündelstein und ist von munitio = Befestigung<br />

herzuleiten, ähnlich wie der Wehrstein bei Fischingen eine<br />

»Abwehr« anzeigt.<br />

39


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Zu Burladinger Burgen: Kapfburg, Schirmberg, Lägstein<br />

Zwar wurde schon 1933 in den Albvereinsblättern auf mehrere<br />

längst vergessene Adelssitze an der Fehla hingewiesen,<br />

deren Namen man erst hinterher fand (z.B. Baldenstein),<br />

aber nur die wenigsten Anwohner, geschweige denn die<br />

Fremden, schenkten ihnen in den vergangenen 50 Jahren<br />

einige Beachtung. Daran änderte sich auch nicht viel nach<br />

einem weiteren Hinweis 1970 in der Zeitung und in der<br />

»Hohenzollerischen Heimat« (S. 41 u. 43). Es handelt sich<br />

um vergangene Burgenherrlichkeit auf dem Hausener Kapf,<br />

Ausläufer des Oberen Berges, überm Burladinger Wagrain<br />

und um das im Volksmund »Schlößle« geheißene Gemäuer<br />

westlich von Gauselfingen, das nur durch das Kohltäle von<br />

einer weiteren Burgstelle getrennt ist, die vermutlich den<br />

»Schirmberg« der Herren von Speth des 14. u. 15. Jahrhunderts<br />

darstellte.<br />

Im J. 1933 hat der Berichterstatter den Baldenstein als Ruine<br />

ohne Namen gekannt. Und auf den der Burganlage auf dem<br />

Kapf zwischen Tiefental und der oberen Starzel glaubte ich<br />

später in einer Beschreibung der Güter gestoßen zu sein, die<br />

vom Johanniterorden beziehungsweise seiner Niederlassung<br />

Jungental bei Starzein um 1605 an Zollern übergingen (Zollern<strong>heimat</strong><br />

1941, 14f). Da ist die Rede von einem »Beerstein<br />

auf Hausener Almand, stoßt vorn auf die Eck» (irrig<br />

»Teckh«), Die künstliche Anlage auf dem Kapf, deren verwischte<br />

Spuren von jedem Besucher mit offenen Augen sofort<br />

erkannt werden (wenn auch der Heimatforscher Michael<br />

Lorch einige Zweifel hegte), hat sicher mit Gründung des<br />

wohl auf die Herren von Jungingen zurückgehenden Johanniterhaus<br />

Jungental-Starzeln um 1200 oder früher ein baldiges<br />

Ende gefunden. Ordenshäuser haben nicht gern eine<br />

Ritterburg auf dem Nacken sitzen gehabt, in der sich zu leicht<br />

ungerechte Zwing- statt gewünschte Schutzherren festsetzten.<br />

Jeder, der einigermaßen mit den Gewohnheiten des mittelalterlichen<br />

Adels bekannt ist, wird bei dem so spät überlieferten<br />

Namen »Beerstein« stutzig werden! Die wilden Beeren haben<br />

unsere ritterlichen Kämpen weniger interessiert, als die Eber<br />

oder Bären, wie es letztere in unserer Gegend noch um 1580<br />

gegeben habe. Im Mittelhochdeutschen heißt »ber« sowohl<br />

Eber (Wildschwein) als auch Bär. Und so vermutete ich als<br />

Gegensatz zum badischen Eberstein und dessen weitbekanntem<br />

Adelsgeschlecht einen »Bärstein«, und das war ein<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Die Ringinger Maichle (Schluß)<br />

Unter Weglassung der Seitenzweige und weiblichen Nachkommen,<br />

die eine große Verwandtschaft hervorbrachten,<br />

nennen wir nun die Generationen 9 mit dem Heiratsjahr: a)<br />

Andreas Maichle 1662 Maria Spindler. b) Johann 1704 Barbara<br />

Dorn, c) Rupert 1726 Katharina Müller und 1741<br />

Katharina Dorn des Gg. d) Franz 1766 Anna Maria Daigger<br />

und 1784 Euphrosina Pfister. e) Michael 1808 Barbara Hipp,<br />

f) Fridolin (Haus 11) 1858 Maria Dietrich des Maurus, g)<br />

Michael 1886 Antonie Dietrich d. Alex, h) Alex 1922 Johanna<br />

Viesel des Melchior. Außer den Nachkommen der Schwestern<br />

des Alex im Dorf gibt es auch noch solche seines in Köln<br />

40<br />

Irrtum! Der Heimatfreund und Jäger Roland Simmendinger-<br />

Starzeln entkräftete meine Vermutung mit dem Hinweis:<br />

Südlich von Hausen und östlich des dortigen Weilertals heißt<br />

seit alters ein Felsmassiv Bernstein! Ohne Zweifel ist diese<br />

Stelle im J. 1605 gemeint, und nicht der Kapf über dem<br />

Wagrain. Er vermutet sogar einen Zusammenhang mit dem<br />

nahen Römerkastell, wozu jedoch jeder Beweis fehlt! Bleiben<br />

wir bei Kapfburg.<br />

Der Gauselfinger Name »Schlößle« für die kleine Burg ist<br />

nicht original. An seiner Stelle steht im 16. Jahrhundert öfter<br />

»Leckstein«, was später sogar zu »Reckstein« verändert<br />

erscheint, und dieser ist neuerdings in einer nahen Straße<br />

verewigt! Man vermutete »Leck« als Loch, weil tatsächlich<br />

unterm Felsen eine Nische oder Höhlung vorhanden ist.<br />

Doch bringt der berühmte Forscher Michel R. Buck in<br />

seinem 1880 u. 1931 erschienenen Flurnamenbuch das Wort<br />

»Läg« im Sinne von Halde oder Abhang, was hier ausgezeichnet<br />

paßt. Im Donautal unweit Hausen gibt es eine Burgstelle<br />

Lägelen. Geschichtlich ist über unsern Lägstein leider nichts<br />

bekannt. Als Erbauer kommt irgend ein früher Herr von<br />

Gauselfingen in Frage, wie auch für die Kapfburg einer von<br />

Hausen i. Killertal.<br />

Zum Kapf werden Spaziergänger und Wanderer ihre Schritte<br />

mit viel Genuß lenken, einer von Geheimnis umwitterten<br />

Stätte. Doch sollten sie nicht durch sinnloses Abbrechen oder<br />

Herumwühlen in den noch erhaltenen Überresten die Vergangenheit<br />

entschleiern wollen und letzte Zeugnisse unwiederbringlich<br />

vernichten! Der Blick schweift über den Mettenbergsattel<br />

zur Ruine des Ringelsteins und über den Berg wohl<br />

auch zum längst zerfallenen Turm der Höhenburg Burladingen<br />

(Hohe Wacht), deren Kapelle im Jahre 1185 zur Ehre der<br />

Apostelfürsten Petrus und Paulus und Johannes Baptistae<br />

geweiht wurde (Nur ein großer Steinhaufen oberhalb des<br />

Felsenkreuzes an den Feldern zeugt von verschundener<br />

Pracht!). Im Westen grüßte einst die Weilersburg bei Neuweiler.<br />

Vor uns liegt die sich mächtig ausbreitende Stadt<br />

Burladingen, deren Uranfänge bei der St. Georgskirche<br />

(kürzlich in den Fundamenten bis um 700 n. Chr. ergraben<br />

und der Wasserburg, bzw. dem 1492 erstellten Zollern -<br />

schlößle) von hier aus wohl nie sichtbar waren. - Vom<br />

Lägstein aus zeigt sich das emporstrebende Gauselfingen im<br />

schönsten Licht, während die Reste des Schirmbergs hart<br />

nördlich im Walde träumen.<br />

vor etlichen Jahren als Ehemann verstorbenen Bruders<br />

Maurus.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Kapff, Rud. Schwab. Geschlechtsnamen 1927.<br />

2<br />

Matthias Lexer, Mittelhochd. Taschenwörterbuch 1930.<br />

3<br />

Edmund Nied, Familiennamenbuch Freiburg etc. 1924.<br />

4<br />

Ed. Nied, Schriften Baar 1937.<br />

5<br />

]. K. Brechenmacher, Deutsche Sippennamen 1936.<br />

6<br />

Wirtb. Urkundenbuch 3,99.<br />

7<br />

Hohz. Heimat 1979, 31.<br />

8<br />

Zoller<strong>heimat</strong> 1938, 89 f.<br />

9<br />

Ringinger Häuserbuch des Verfassers: 1 Expl. im Rathaus.


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Was bedeuten Beuter, Bieger, Kaibacher, Stauß, Strobel, Wiest?<br />

Die Herkunft und Bedeutung von Familiennamen ist oft nur<br />

durch eingehende Forschungen zu klären. Viele müssen<br />

dunkel bleiben, weil keine alten Formen vorliegen. Ganz<br />

unerforschlich aber bleibt meist der weit zurückliegende<br />

Anlaß, der zur Schöpfung eines Namens Anlaß gab, der<br />

situationsbedingt sich uns heute entzieht. Eine Ausnahme<br />

von 1791 wurde in Hohz. Heimat 1980, 12 aus Ringingen<br />

mitgeteilt.<br />

1) Die Beuter erscheinen um 1544/48 in den Gemeinden<br />

Bietenhausen, Höfendorf, Imnau, Rangendingen, Stein und<br />

Weilheim 1 . In Norddeutschland erklärt man den Namen als<br />

Bienenzüchter mit Bezug auf althochdeutsches biutta, mittelhochdeutsch<br />

biute = Bienenstock oder Backtrog. Aber bei<br />

uns im Süden gab es bis vor 60 Jahren keine Beuten, sondern<br />

nur aus Schaub geflochtene Bienenkörbe. Backmulden stellte<br />

der Schreiner her. Daher bin ich geneigt, die Schreibart<br />

Beuter von 1544 der Willkür des Schreibers Berthold Hagen<br />

zuzuweisen. Bei uns sagt man Beiter! Und schon 1435 lebte in<br />

Boll-Stetten ein Conrad Biter, ebenso Conrad und Eberlin<br />

Biter in Balingen, ein Eberlin B. auch in Rottweil 2 . Das<br />

mittelhochdeutsche Zeitwort biten, beiten, im Sinn von<br />

»hinausziehen, warten, zögern,« scheint zugrundezuliegen.<br />

Man kaufte im Schwäbischen »uf d'Beit,« d.h. Borg, und<br />

zahlte später. Ein Beiter kann entweder auf Borg gekauft oder<br />

als Verkäufer zu Beit oder Borg bereit gewesen sein. Weniger<br />

wahrscheinlich, aber möglich, daß Biter ein uralter, frühalemannischer<br />

Rufname ist, auf den auch der Dorfname Bietenhausen<br />

(und Bietingen) zurückgehen, zumal um 1435 gerade<br />

in dortiger Gegend viele Biter saßen. Ist aber dann ein Biter<br />

der Frühzeit einer der zögert, bittet, zu Gericht bietet oder<br />

befiehlt? Wer kann das wissen?<br />

2) Der Name Bieger (schon mhd so! Anderwärts auch<br />

Biecker) hängt wohl mit dem alten Zeitwort »bagen« zusammen.<br />

Es bedeutet »schreien, streiten« oder »sich einer Sache<br />

rühmen« 3 . In Haigerloch saß ein Bieger 1548 1 . Vielleicht hat<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Die Seelsorger von Feldhausen<br />

Das seit dem 9. Jahrhundert urkundlich erwähnte Dorf<br />

Feldhausen gehörte bis 1474 zur Pfarrei Gammertingen. Seit<br />

1463 sind hier eigene Seelsorger genannt.<br />

1) Ulrich Krushaar, Kaplan dahier, ist 1463 als tot gemeldet.<br />

2) Nikolaus Haller wird am 3. Juni 1463 auf den Altar St.<br />

Nikolaus der Dorfkapelle Veithusen präsentiert und<br />

zwar durch den Kirchrektor Antonius von Holnstein,<br />

Vogt Konrad Braitnauer zu Gammertingen und die<br />

Gemeinderäte von Feldhausen. Im J. 1464 war Haller<br />

jedoch nicht mehr da. Am 26. August wird ein Verweser<br />

bestellt für die Kapellenpfründe und die Johannespfründe<br />

von Feldhausen bzw. Harthausen, für ein Jahr.<br />

3) 1468 wird am 16. Februar Udalricus Tostier (später in<br />

Gauselfingen) aus Ehingen auf die Gammertinger Filiale<br />

Feldhausen St. Nikolaus von den obigen präsentiert.<br />

Schon 1473 am 21. Januar und auch 1474 wurde der<br />

Dekan des Kapitels Trochtelfingen, zu dem F. gehörte,<br />

beauftragt, für je 1 Jahr um einen Verweser besorgt zu<br />

sein.<br />

4) 1477 am 28. Mai zieht als erster Plebanus oder Leutpriester(Pfarrer)<br />

Theoderich Pistorius (Pfister) von Ehingen<br />

sich vor Zeiten ein Vorfahre durch solche Äußerungen<br />

hervorgetan und wurde deshalb Bieger genannt.<br />

3) Die Kaibacher deuten im Namen auf ihren Herkunftsort.<br />

Es gibt mindestens zwei Siedlungen Kalbach, eine im Bezirk<br />

Wiesbaden, die andere bei Kassel.<br />

4) Schwieriger steht die Sache beim Namen Stauß, der bei uns<br />

mit ou gesprochen wird. Er gehört daher kaum zum Künstler<br />

Veit Stoß, sonst würden wir »Staoß« sagen. Man darf da auf<br />

die Ortsnamen Steußlingen bzw. Steißlingen hinweisen (1145<br />

Stuzzelingen, wobei die zz als ss zu lesen sind!). Der Ortsname<br />

bedeutet »bei den Leuten des (frühgermanischen)<br />

Stusso oder Stussilo«.<br />

5) Die Strobel (1435 in Haigerloch, 1548 in Rangendingen) 1 ,<br />

auch die Straub, Strebel, Ströbele, Strüb, Strub, sind zweifellos<br />

nach ihrem (früheren) struppigen Bart oder Haupthaar<br />

benannt. Man vergleiche die aus ähnlichem Grund entstandenen<br />

Familiennamen Kraus, Krus, Krausenbart, Kraushaar,<br />

Crisp, Schlichthaar, Glatthaar, Glatt, Schwarz, Weiß,<br />

Schimmel, Rot, Braun etc.<br />

6) Zum Namen Wiest ist das Gegenteil zu vergleichen: Schön.<br />

Schon 1280 findet sich einer in Basel, »genannt der Wüeste«.<br />

Um das Jahr 1548 wohnten Wiest in Höfendorf und Grosselfingen<br />

1 . Doch ist heute natürlich nicht mehr festzustellen, ob<br />

ursprünglich damit eine körperliche oder charakterliche<br />

Eigenschaft gemeint war oder ob der erste Träger des Namens<br />

»wüst geschimpft« hat oder er einen von den Zeitgenossen als<br />

häßlich empfundenen Anzug trug. Heute noch urteilt man<br />

gelegentlich über einen: »Dear hot aber an wiasta Spruch tao<br />

(getan)«. Und das, ohne daß man es sehr tragisch nimmt.<br />

Anmerkungen<br />

1 Hohenz. Jahreshefte 1935, 118 f.<br />

2 Bickelspergs zollerisches Lagerbuch, hrsg. von Herberhold. Neueste<br />

Auflage bei Thorbecke Verlag Sigmaringen.<br />

3 Ed. Ried, Familiennamen von Freiburg 1924. M. Lexer, Mittelhochdeutsches<br />

Taschenwörterbuch 1930.<br />

auf die von Gammertingen 1474 getrennte Pfarrei Feldhausen<br />

auf, bzw. zahlt als Erstfrüchte davon an den<br />

Bischof 8 Gulden. Am 20. September 1479 wurde die<br />

bischöfl. Erlaubnis erteilt, ein Jahr lang für die ruinöse<br />

Pfarrkirche dahier zu kollektieren (FDA 67,252). Pistorius<br />

gab 1483 und 1493 als Jahreseinkommen 40 Pfund<br />

Heller an (FDA 26,61 und 105), zahlte 2 Pfund Heller.<br />

Patron ist der Herr von Bubenhofen zu Gammertingen<br />

(W. Reg. 229).<br />

5) Anfangs Juni 1521 wurde der Feldhauser Pfarrer Nikolaus<br />

Ludwig Guldin ermordet, der Täter entkam.<br />

6) 1521 wird am 1. Juli Pfarrer Vitus Kapp proklamiert und<br />

am 25. Juli investiert. Doch gefiel es ihm nicht lange.<br />

7) 1521 am 7. Novb. wird Johannes Kaiser als neuer Pfarrer<br />

verkündet und am 21. Oktober investiert. Auch er trat<br />

1522 zurück.<br />

8) 1522 wurde am 27. Novb. als Pfr. Ludwig Pfefferlin<br />

verkündet und am 28. Dezb. investiert. Im J. 1533 ist er<br />

in Hausen i. Kill, angestellt, wohl verjagt durch Hz.<br />

Ulrich v. Württbg., der lutherisch geworden und die<br />

Herrschaft Gammertingen besetzt hatte.<br />

41


9) 1554 ist Verweser in Feldhausen und Kettenacker ein<br />

Georg Has.<br />

1559, 1563 und länger ist hier Pfarrvw. Martin Schreyer.<br />

1573 wurde am 14. Juni Johann Conrad Saupp (Schaupp)<br />

aus Konstanz als Pfr. proklamiert und am 24. 3. investiert.<br />

Ist noch 1584 hier.<br />

1586 wird ein ungenannter neuer Pfarrer erwähnt.<br />

1589-90 Verweser ist Martin Einhart (Wienhart, Endhart?),<br />

der dann 1597 in Gammertingen wirkt.<br />

1595-1597 u. länger: Bernhard Baur.<br />

1604 Jakobus N.<br />

1608-12 Johannes Hess aus Pfullendorf, geht dann nach<br />

Dürrenwaldstetten.<br />

1612-19 tMgr. Johannes Dreher,stirbt hier.<br />

1622-27 t Caspar Bodmer, schließt sein Leben ebenfalls<br />

hier.<br />

1627-31 Michael Otto, geht dann nach Kettenacker, wo<br />

er 1635t-<br />

1631-38 Mgr. Georg Böhlin, ist dann 1651 in Hetlingen.<br />

1638- Jakob Hemmerlin.<br />

1645 am 11. Mai wird ein Michael Binder als zu unwissend<br />

nicht als Pfarrer angenommen (Erzb.Arch-<br />

. Ha 102). Muß also gehen!<br />

1650-69 Martin Binger invest. 9. 8. 50 resigniert 1669.<br />

1669 Franziskus Walz, präsentiert 27. 8., invest.<br />

20. 10. 69.<br />

1670-82 Johann Gg. Hebin, präs. 24. 3., invest.<br />

12. 7. 70.<br />

1682-90 Johann Philipp Landenberger, präs. 22. 9. 82,<br />

invest. 19. 2. 1683; zahlt als Erstfrüchte 15 fl 64 kr.<br />

1690-91 Johann Ev. Mendel, präs. 13. 7., prokl.<br />

17. 7. 90.<br />

1691- Johann Conrad Wildmann, präs. 19. 11. 91;<br />

prokl. 1. 12. 91.<br />

1697-1722 Johann Thomas Felder, präs. 6. 4. 97; invest.<br />

14. 7. 98; starb hier 1722.<br />

1722^11 Constantin Adalb. Salwürk, präs. 18. 7. 22;<br />

geht nach Neufra.<br />

1743-77 tJohann Bapt. Scherer aus Triberg; hatte 1745<br />

422 Seelen; Starb dahier 1777 im Alter von 63 Jahren.<br />

1777-99 f Jakob Mattes aus Kolbingen, gb. 25. 7. 1733;<br />

bisher in Kettenacker, starb in F. am 6. Nov. 99.<br />

1799-1821 t Anton Beller aus Wilflingen, gb.<br />

18. 10. 1745, bisher Kaplan in Gammertingen, starb i F.<br />

1821 mit 76 Jahren.<br />

1821-36 Johann Nep. Müller, gb. 4. 2. 1786 in Horn-<br />

Fischbach, Pr. 21. 2. 1807; hier seit 22. 4. 21, invest.<br />

30. 4.; ging nach Bingen und starb dort am 30. 12. 43<br />

(FDA 16,333).<br />

1837-53 f Franz Zimmermann, gb. Betra 4. 3. 01; Pr.<br />

18. 9. 27; starb nach längerem Leiden am 23. 6. 53<br />

(FDA 17,25).<br />

HANS-DIETER LEHMANN<br />

36) Vikar Basilius Kuhn aus Württemberg vom 3. 10. 1851<br />

bis 7. 5. 52.<br />

37) Vikar Lorenz Schneider aus Diöz. Regensburg vom<br />

30. 7. 52-27. 8. 52.<br />

38) Vikar und Neupriester Klemens Stauß von 1852-54, gb.<br />

Harthausen 22. 11. 24; Pr. 1852, kam am 8. Oktober<br />

hierher, später als Pfr. nach Levertsweiler, wo er<br />

1. 10. 61 investiert wurde; 1870 als Kaplan nach Liggerdorf;<br />

erhielt 1891 den Titel Pfarrer dort u. starb dort<br />

13. 5. 1905 (FDA 34,70). Ging von Feldhausen zunächst<br />

nach Steinhilben.<br />

39) 1854-64 Valentin Emele, gb. Ringingen 18. 3. 1807, Pr.<br />

16. Aug. 33; bisher Vikar i. Benzingen, 1864 Pfarrer i.<br />

Langenenslingen, gest. daselbst 10. 8. 1871 (FDA<br />

17,88).<br />

40) 1864-90 Gabriel Schlude aus Rulfingen, gb. 23. 2. 29;<br />

Pr. 1856; präs. 19. 3. 66 da zunächst Verweser; gest.<br />

7. 10. 90 (FDA 29,237). War schon 1880 krank.<br />

41) 1890-91 Karl Schneider, gb. Bingen 2. 9. 64; Pr. 1889;<br />

hier seit 14. 11. 90, ging nach Benzingen und starb dort<br />

3. 4. 94 (FDA 29,264).<br />

42) 1891-1911 KarlFriedr. Haiß, gb. Jungingen2. 1. 54;Pr.<br />

19. 5. 80; invest. 24. 8. 91; leidet an Depressionen, geht<br />

1911 mit Absenz ins Haus Nazareth-Sigmaringen,<br />

resign. 1916 und fdort 10. 3. 17 (FDA 49,18).<br />

43) 1911-25^Berthold Speidel, aus Burladingen, 1881-1925,<br />

Pr. 1908, (FDA 54,49).<br />

44) 1925 seit 27. Febr.: Verw. Alois Gaiser, gb. Veringendorf<br />

24. 2. 97; Pr. 1923. Seit 1934 Pfr. Magenbuch; gest.<br />

22. 3. 1951 (FDA 77,174).<br />

45) 1925 seit 12. Mai: Verw. Franz Xaver Kostanzer, Bechtoldsweiler<br />

11. 3. 94, Pr. 1924; später Pfr. Fischingen,<br />

pens. 1940, gest. in dem Heimatort 25. 2. 1964 (FDA<br />

89,555).<br />

46) 1926-35 Erich Beck, gb. Sigmaringen 29. 4. 87; Pr.<br />

7. 8. 14; Antritt 15. April, invest. 25. 4.; ging 1935 am<br />

16. Okt. als Klosterpfarrer (mit Absenz) nach Offenburg,<br />

resign. 1. 2. 36; später Pfr. i. Möhringen u. starb<br />

25. 2. 1973.<br />

47) 1936-66 Leo Rager, gb. Bisingen 20. 8. 98; Pr. 6. 7. 24;<br />

bisher Kaplan i. Ostrach, präs. 5. 2. 36 (Pfarrhausbau!);<br />

als Pensionär 15. 11. 1966 nach Hechingen.<br />

48) 1966 Verwaltet durch Pfr .Johann Locher in Kettenacker.<br />

49) 1967-75 Verw. Stephan Bienias, gb. Derschau (Oberschlesien)<br />

10. 12. 29; Pr. 22. 6. 58; kam 1975 nach<br />

Eppingen-Richen.<br />

50) 1975 verwaltet von Pfr. Gustav Scharm in Hettingen.<br />

51) 1975 seit3. Sept.: Verw. PaulRapp, bisher Pfr. Trochtelfingen,<br />

gb. Freudenweiler 20. 7. 09; Pr. 1934; Pfarrer<br />

hier seit 12. 2. 1976.<br />

Die Bedeutung der Ruinen von Stein im Süddeutschen Straßennetz<br />

der römischen Zeit<br />

Bei Hechingen-Stein wurde eine außergewöhnlich große<br />

römische Anlage freigelegt. Unbekannt ist bislang ihre Funktion<br />

- die topographische und geologische Situation lassen ein<br />

landwirtschaftliches Anwesen bezweifeln. Vielleicht geben<br />

einige Bodendenkmäler, die westlich von Stein und Rangendingen<br />

im Gelände erkennbar sind und sich aus dem heutigen<br />

Wegenetz ableiten lassen, mehr Aufschluß über die frühere<br />

Funktion der aufgedeckten Gebäude.<br />

42<br />

Zum römischen Straßennetz<br />

Nicht vollständig bekannt war bislang in unserem Raum das<br />

römische Straßennetz. In den Beschreibungen der ehemaligen<br />

württembergischen Oberämter sind einige Streckenführungen<br />

angegeben, die gesichert auf Römerstraßen zurückgehen<br />

oder von welchen dies vermutet wird. Eine Zusammenstellung<br />

hat F. Hertlein in »Die Römer in Württemberg«<br />

(Band 2) gegeben.


Viele Hinweise lassen sich aus den topographischen Karten<br />

des Landesvermessungsamtes Baden-Württemberg entnehmen,<br />

insbesondere dort, wo Wege alte Eigennamen besitzen<br />

(z.B. »Heerstraße«, »Steinstraße«, »Hochstraß«, aber auch<br />

»Staudachgasse«, »Heusteige«, »Sickinger Steige« usw.) oder<br />

sogar bereits als »Römerstraße« ausgewiesen sind.<br />

Bekannt und im Gelände z.T. noch ablesbar ist die Straßenführung<br />

der Verbindung von Rottenburg nach Rottweil über<br />

Weiler, südlich an Hirrlingen vorbei, sichtbar bis zur Mühle<br />

am Rangendinger Sportplatz und dann zum Häsenbühl,<br />

wahrscheinlich zu Beginn im Verlauf der heutigen Straße<br />

Rangendingen-Haigerloch. Westlich der Bahnüberführung<br />

fällt eine Kreuzung auf, ein teilweise überackerter Weg führt<br />

nach Hart und nimmt dort eine zweite mehr nördliche<br />

Verbindung nach Rottenburg auf. Er findet seine Fortsetzung<br />

in Richtung Trillfingen und führt zu einer Eyach-<br />

Überquerung nördlich der Talmühle. Am westlichen Talhang<br />

ist im Gelände deutlich ein langgezogener Anstieg zu<br />

erkennen. An seinem oberen Ende liegen zwischen Weildorf<br />

und Bittelbronn neben Ziehwegen Ruinen im Wald. Da lt.<br />

Heimatbuch »Zollernalbkreis« die Teilgemeinden Bittelbronn,<br />

Weildorf und Trillfingen immer zur Herrschaft Haigerloch<br />

gehört haben, ist eine derartige Linienführung seit<br />

dem Mittelalter in diesem Herrschaftsbereich wenig sinnvoll<br />

und kann, da Trillfingen nach der Namensgebung aus der<br />

Zeit der alamannischen Landnahme stammt, nur aus älterer,<br />

d. h. römischer Zeit herführen.<br />

Die Fortsetzung der Steige findet sich im Zuge der Straße<br />

Weildorf-Empfingen-Horb und findet bei Eutingen<br />

Anschluß an das Gäu-überspannende Straßenraster. Von<br />

dieser Straße zweigt eine Trasse über den Weiherhof in<br />

Richtung Sulz ab.<br />

Bei dieser Verbindung Sulz-Stein dürfte es sich um Teilstück<br />

der West-Ost-Straße von Gallien (Ehl oder Straßburg) durch<br />

das Kinzigtal über den Schwarzwald nach dem nordlichen<br />

Rätien handeln. Brandsteig, Sulz, Weildorf und Stein sind<br />

Pferdewechselstellen, weitere sind bei Mähringen und Metzingen<br />

an der bis Dettingen/Teck führenden Straße zu<br />

suchen. Von Rheintal entspricht die Entfernung bis Stein ca.<br />

1 Tagesreise (8 Mutationes). Stein war somit eine Mansio, von<br />

welcher aus man in einer weiteren Tagesreise die Nordgrenze<br />

Rätiens erreichen konnte.<br />

Wahrscheinlich zweigt von dieser Straße bei Stein eine weniger<br />

bedeutende Verbindung nach Süden ab, welche sich im<br />

Raum Hechingen in einen östlichen, südlichen und südwestlichen<br />

Zweig spaltet. Der erste bringt über den Schlatter<br />

Kirchweg Zugang zum Albstraßennetz - auf dem Heufeld in<br />

Richtung Melchingen bzw. Burladingen. Der südliche<br />

erzwingt über den Zollersteig Zugang zum Kastell Lautlingen.<br />

Der südwestliche führt am Fuß der Alb entlang mindestens<br />

bis Endingen und weist eine Abzweigung über Geislingen<br />

zum Häsenbühl auf. Der entsprechende Straßenzug<br />

direkt unterhalb der Alb in NO-Richtung läßt sich von<br />

Belsen bis Pfullingen erkennen. Eine wichtige Nord-Süd-<br />

Verbindung von Rottenburg aus dürfte über den Saurücken<br />

durch das Thalheimer Tal, Melchingen, Trochtelfingen und<br />

Feldhausen den Sigmaringer Raum erreicht haben. Dies<br />

erklärt die wenig auf Rottenburg ausgerichtete Lage von<br />

Stein, das somit abseits einer von Rottenburg nach Süden zur<br />

Alb laufenden Streckenführung lag.<br />

Zur Provinzgrenze<br />

Im folgenden Beitrag wird versucht, Belege für einen Grenzverlauf<br />

zwischen den römischen Provinzen Obergermanien<br />

und Rätien unterhalb der Schwäbischen Alb - auf der<br />

Rammerthöhe und am Neckar - beizubringen.<br />

Die OW-Verbindung Brandsteig-Sulz-Stein kreuzt die Pro-<br />

vinzgrenze unmittelbar westlich von Stein, welches somit<br />

eine rätische Zollstation darstellen würde. Bei Rangendingen<br />

wäre die Entsprechung jenseits der Grenze zu suchen.<br />

Zur römischen Raumplanung<br />

Auffällig ist, daß die Straßen unterhalb der Schwäbischen Alb<br />

auf rätischer Seite parallel zum älteren Alb- und Donaulimes<br />

gerichtet sind und in dieser Richtung der Verbindung Bregenz-Kempten-Gauting<br />

entsprechen. Nördlich der Provinzgrenze<br />

biegen sie jedoch ab und fügen sich einem N-S/O-W<br />

ausgerichteten orthogonalen Straßenraster ein, soweit dies<br />

die örtlichen Gegebenheiten zulassen. Ein Knoten in diesem<br />

Raster liegt westlich der Eyachtal-Steige vor dem Friedhof an<br />

der Straße Bittelbronn-Weildorf, in der nördlichen Verlängerung<br />

des rätisch-»obergermanischen« Grenzverlaufs.<br />

Gut ist dieses Straßennetz in der flachen Gaulandschaft<br />

erkennbar (z. B. in den W-O-Linienführungen Eutingen-<br />

-Wurmlingen, Vollmaringen-Reusten), es ist aber auch in<br />

den Keuperhügellandschaften (Rammert, Schönbuch) ablesbar.<br />

Daß dieses Raster streng eingehalten wurde, zeigen die<br />

Verhältnisse im Raum Derendingen-Dußlingen-Mähringen.<br />

Einer direkten Verbindung Derendingen-Dußlingen über<br />

den Berg hinweg dürfte früher wie heute nur eine sehr geringe<br />

verkehrstechnische Bedeutung zugekommen sein. Dennoch<br />

wurde die NS-Verbindung, die den Schönbuch auf der Linie<br />

Bebenhausen-Waldhausen-Tübingen-Derendingen quert,<br />

bis in Grenznähe auf der Höhe bei Kreßbach fortgesetzt. Die<br />

wichtigeren Straßen ordneten sich aus dem Tal ansteigend<br />

nach Richtungsänderung dem rätischen Netz bei Mähringen<br />

bzw. Gomaringen ein - die Verkehrsbedürfnisse haben im<br />

vorgegebenen Wegeraster die Bedeutung gewichtet.<br />

Noch bei einem weiteren Punkt in Grenznähe ist eine etwas<br />

gezwungene Anbindung an das NS/WO-Raster erkennbar:<br />

beim Altenberg bei Grosselfingen.<br />

Ist nun dieses strenge Einhalten des bewundernswert genauen<br />

Rastersystems bis zur Grenze nur ein Beweis für die grundsätzliche<br />

Sturheit einer militärbürokratischen Landesaufteilung<br />

oder steckt ein anderer Sinn dahinter? Vielleicht führen<br />

uns diese Ungereimtheiten<br />

Zum römischen Nachrichtenübermittlungssystem<br />

In unmittelbarer Nähe der vermuteten Provinzgrenze fallen<br />

in regelmäßigen Abständen Punkte mit guter Aussichtslage<br />

auf, die sich für eine Signalfeuerkette geeignet haben könnten.<br />

Darunter sind die beiden oben als eigenartig in das<br />

Straßennetz eingebunden genannten Stellen (vom Häsenbühl<br />

ab aufgezählt): bei Ostdorf (»Burgweg«), Grosselfingen<br />

(»Altenberg«), Stein (»Hohwacht«), Derendingen (»Steinholz»),<br />

Kusterdingen (»Hohe Mark«), Altenburg (»Burg«),<br />

Pliezhausen, Neckartenzlingen (»Scheiterhau«), Köngen.<br />

Der Weg von Westen zum Altenberg bei Grosselfingen sowie<br />

von Norden ins Steinholz bei Derendingen zeigen, daß diese<br />

Signalfeuer von der obergermanischen Seite her unterhalten<br />

wurden. Könnte nicht sogar die »Hohwacht« bei Stein eine<br />

Relaisstation hinüber nach Rottenburg (über »Köpfle« bei<br />

Hemmendorf und »Weilerburg«) gewesen sein, die über den<br />

»Heuberg« oder die »Wurmlinger Kapelle« den Anschluß an<br />

eine Signalfeuerkette entlang der Westkante des Schönbuchs<br />

vermittelte?<br />

Die Berge am Westrand der Alb, die die Provinzgrenze vom<br />

Häsenbühl ab nach Süden markieren, könnten ebenfalls<br />

Signalfeuerstationen gewesen sein, die die Distanz zu Donau<br />

und Hochrhein überbrückten.<br />

Die Baulichkeiten in Stein - von welchen bislang nur das<br />

Hauptgebäude aufgedeckt wurde - waren somit wahrscheinlich<br />

43


1. Eine Mutatio (12 km östlich Weildorf)<br />

2. eine Mansio (1 Tagesreise vom Rheintal)<br />

3. eine Nachrichtenrelais-Station<br />

4. eine rätische Zollgrenzstation<br />

Bei der Aufdeckung waren die Ausgräber enttäuscht, daß sich<br />

nur wenige Kunstgegenstände und keine Fußbodenmosaike<br />

gefunden haben. Dieser Befund läßt sich in Einklang mit der<br />

vermuteten Funktion bringen: trotz der herrlichen Lage über<br />

dem Strazeltal mit Blick zum Zollern stellten die Gebäude in<br />

Stein kein Anwesen eines wohlhabenden Privatmannes, sondern<br />

eine Außendienststelle der Finanzverwaltung Augsburg<br />

dar. Die nüchtern-repräsentativen Gebäude strahlen den eher<br />

spröden Charme eines Hauptzollamtes aus. Die Fundarmut<br />

insgesamt könnte darauf hinweisen, daß bis zum bitteren<br />

Ende das Nachrichtensystem intakt war und ausreichend Zeit<br />

und Verkehrsmittel für Räumung und Flucht vorhanden<br />

waren.<br />

Die Entdeckung der Ruinen von Stein durch G. Schollian und<br />

die Freilegung des Hauptgebäudes dort durch das Landesdenkmalamt<br />

Tübingen unter Leitung von H. Reim gaben den<br />

Anstoß zur Aufstellung der hier vorgetragenen Hypothese,<br />

daß der römischen Landesplanung ein strenges Konzept<br />

zugrunde liegt. Aus den vorliegenden Befunden geht hervor,<br />

daß einem Großteil des heute noch bestehenden Wegenetzes<br />

der römische Bestand zugrunde liegt. Eine Vielzahl von<br />

Verbindungen, welche selber in ihrem Alter nicht direkt<br />

bestimmbar sind, lassen sich ihm allein aus der Tatsache<br />

heraus zuordnen, daß sie ein integraler Teil davon sind. Daß<br />

das System auf römische Zeit zurückgeht, folgt daraus, daß es<br />

ein Gebiet umfaßt, welches infolge der Herrschaftsaufsplitterung<br />

weder im Mittelalter noch in der Neuzeit bis zur<br />

Bildung des Landes Baden-Württemberg einer derartig<br />

umfassenden Raumplanung zugänglich gewesen wäre. Das<br />

WALTER BLEICHER<br />

Die Burgen derer von Hornstein und<br />

Die von Hornstein und die von Hertenstein zählten nicht nur<br />

zu den zahlreichsten, sondern auch zu den begütersten<br />

Familien Oberschwabens.<br />

Schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts zweigte von Hornstein<br />

die Linie Hertenstein ab. Weitere Erwerbungen führten zur<br />

Bildung zahlreicher Nebenlinien, von denen hier hauptsächlich<br />

auf diejenigen unserer engeren Heimat eingegangen wird.<br />

An der Isar oberhalb der Burg Schefflarn stand die Stammburg<br />

der altbayerischen Linie der Hornstein, in Billingsbach<br />

(8,5 km westl. von Gerabronn) die einerweiteren Hertensteiner<br />

Linie. Auch am Luzerner See ließ sich ein Zweig derer<br />

von Hertenstein nieder. In seinem Werk »Die von Hornstein<br />

und von Hertenstein, Erlebnisse aus 700 Jahren« führt<br />

Edward Freiherr von Hornstein-Grüningen 19 verschiedene<br />

Linien auf und beschreibt daneben eine stattliche Zahl von<br />

Familienmitgliedern aus älterer Zeit, deren Eingliederung<br />

wegen Mangel näherer Bezeichnung nicht möglich ist.<br />

Die Stammburg, Hornstein bei Bingen bestand schon im 12.<br />

Jahrhundert. Schönhut erzählt in seinem Werk »Die Burgen<br />

Württembergs« von einem auf der Burg Hornstein gesessenen<br />

Hermann von Hornstein und dessen Gemahlin Irmgard<br />

von Grüningen, deren Sohn Brun am Hof des Grafen Mangold<br />

von Veringen, dem Stammvater der Nellenburger,<br />

erzogen und Augenzeuge des Todes Barbarossas (1190)<br />

gewesen sei. Beim Versuch den Kaiser zu retten, habe Brun<br />

ebenfalls den Tod gefunden. Seine Brüder waren Albrecht<br />

(1194-1228) und N. von Hornstein, der 1244 als Kirchherr<br />

44<br />

Mittelalter hat das römische Wegenetz zu einem großen Teil<br />

übernommen - wieso hätte auch das bereits Bestehende nicht<br />

genutzt werden sollen? Auch die Bedeutung einiger markanter<br />

Punkte als Signalfeuerstationen blieb bekannt: Gewannnamen<br />

wie »Hohwacht«, »Hohe Mark«, »Scheiterhau« oder<br />

auch an anderer Stelle »Brenneter Hau« sprechen eine deutliche<br />

Sprache. Auch wenn bei der »alamannischen Landnahme«<br />

die Honorationen ausgewechselt worden waren, die<br />

Tradition dürfte in der Bevölkerung gewahrt geblieben sein.<br />

Es gab keine Stunde Null.<br />

Die Aufdeckung von Nebengebäuden in Stein könnte diese<br />

Hypothese untermauern oder beweisen, zumal die funktionalen<br />

Nebengebäude (Abfertigung an der grenzüberschreitenden<br />

WC5-Straße, Unterkünfte, Stallungen) lt. Führung der<br />

eingleisigen Steigen von Rangendingen her im obersten Teil<br />

des Ruinengeländes vermuten werden dürfen. Wahrscheinlich<br />

hat hier der »mittelalterliche Weiler« die Kontinuität der<br />

Besiedlung weitergeführt. Dadurch, daß Stein abseits späterer<br />

Siedlungen und nicht in für Ackerbau genutztem Gelände<br />

liegt, bietet es als einzige Station am Provinzgrenzverlauf die<br />

Chance, Aufschlüsse über das römische Verkehrs- und<br />

Nachrichtenwesen zu ergraben.<br />

Die Kenntnis der Straßenführungen und des umfassenden<br />

Raumplanungskonzepts der Römerzeit würde dem Landesdenkmalamt<br />

Baden-Württemberg die Möglichkeit an Hand<br />

geben, leichter präventive Bodendenkmalpflege zu betreiben.<br />

Der Weg Rangendingen-Hart als Teilstück der römischen<br />

West-Ost-Verbindung wurde im Herbst 1981 z.T. überschoben<br />

und als Feldweg neu angelegt. Die westliche Eyachtal-Steige<br />

wird bislang nur auf wenige Meter durch einen<br />

modernen Holzabfuhrweg gestört. An dem eindrucksvollen<br />

Durchbruch durch die Hangkante wurde 1981 der Wald<br />

abgeholzt.<br />

Hertenstein in unserer Gegend<br />

von Seekirch am Federsee genannt ist. Von Heinrich von<br />

Hornstein (1247-1268) ging die Burg an den Sohn Hermann<br />

(1252-1291) über. Auch er war um 1286 »rector ecclesiae in<br />

Seekilch«. Sein Bruder Konrad schrieb sich auch »von Grüningen«.<br />

(s.d.) Als weitere Brüder sind genannt Goswin,<br />

Domherr in Chur, Mangold und Walter, letzterer saß zu<br />

Riedlingen. Hermanns Sohn Konrad von Hornstein<br />

(1312-1343) war 1331 Vogt zu Sigmaringen. Ob er oder seine<br />

Brüder Hermann und Hans auf Hornstein saßen, ist nicht<br />

feststellbar. In dieser Zeit bildeten sich die Hornsteiner<br />

Nebenlinien. Zu Bittelschieß, Schatzberg (b. Egelfingen),<br />

Pflummern, Asenheim (b. Unlingen), Neufra (b. Riedlingen),<br />

Langenstein (b. Eigeltingen), Göffingen, Zußdorf,<br />

Heudorf (a. Bussen) und Bützkofen (Beitzkofen). Auf der<br />

Burg Hornstein blieben im 14. Jahrhundert mehrere Familienmitglieder,<br />

von denen sich Mantz von Hornstein 1354 als<br />

»zu Hornstein gesessen« schrieb. Mit ihm traten auf: Hermann<br />

von Hornstein (1360-1387) und Swigger von Wildnau<br />

(gest. 13 86); Letzterem gehörte der Turm, den beiden Erstgenannten<br />

das obere bzw. untere Haus der Burg Hornstein.<br />

Diese Dreiteilung wurde fernerhin beibehalten. Das obere<br />

Haus hatte von 1363-1390 Konrad von Hornstein, der Sohn<br />

des Hans, inne, während auf dem unteren Haus von<br />

1363-1390 Konrad von Hornstein, der Sohn des Hans, inne,<br />

während auf dem unteren Haus von 1363-1387 Konrad und<br />

Heinrich von Hornstein, die Söhne des Hermanns residierten.<br />

Nach deren Tod fiel alles an Konrad, den Sohn des Hans,<br />

von dem beide Häuser an die Bittelschießer Linie übergingen:


Bentz von Hornstein zu Bittelschieß erwarb dazu von Swigger<br />

von Wildnau auch dessen Anteil, so daß er mit seinen fünf<br />

Söhnen Alleininhaber der Burgen Hornstein und Bittelschieß<br />

war (-1390). Nach seinem Tode wurde der Besitz wieder<br />

geteilt. Die Söhne Lutz, Hans und Gerion wurden Inhaber<br />

von Hornstein. Nach dem frühen Tod des Lutz (1399)<br />

erwarb Bentz, der bislang mit seinem Bruder Ulrich auf<br />

Bittelschieß saß, auf Burg Hornstein das obere und das untere<br />

Haus. Da sich der Turm als Erbe seines Vaters bereits in<br />

seinem Besitz befand, war er nun Alleininhaber und saß von<br />

etwa 1401 an auf der Burg Hornstein. Schon im Jahre 1406<br />

verkaufte er den Turm an seinen Vetter Heinrich, den Sohn<br />

des Hans von Hornstein zu Schatzberg, und die beiden<br />

anderen Teile (das »große Haus« genannt) 1427 an den zu<br />

Scheer sitzenden Heinrich von Reischach. Den Turm erwarb<br />

Hans von Hornstein zu Heudorf (am Bussen), der ihn seinem<br />

Sohn Laux vererbte (vgl. Göffingen). Dessen Tochter Magdalena,<br />

die mit Berchtold von Stein zu Ronsberg vermählt<br />

war, verkaufte 1465 den Turm und seine Zugehörungen an<br />

Konrad von Reischach, der von seinem Vater den anderen Teil<br />

erhielt und .1467 ganz Hornstein dem Grafen Ulrich von<br />

Württemberg als Lehen auftrug.<br />

Als württembergisches Lehenj.irhielt Konrad von Reischach<br />

die Bürg Hornstein samt Zubehör wieder zurück. 1501<br />

verkaufte sein Sohn Wilhelm von Reischach Hornstein an<br />

seinen Schwager Hieronymus von Croaria, kaufte im Jahre<br />

1510 von ihm das Lehen wieder zurück und veräußerte es an<br />

den kaiserlichen Sekretär Johann Renner, und zwar das<br />

»große Haus« als württembergisches Lehen und den Turm als<br />

Allod. Brun von Hornstein-Hertenstein, der Bruder des zu<br />

Göffingen seßhaften Jost, kaufte 1512 von ihm die Burg<br />

Hornstein mit allen Zugehörungen, wozu auch das österreichische<br />

Lehen Bittelschieß gehörte, und zog mit seiner<br />

Familie auf die Burg.<br />

Das »große Haus« war württembergisches Lehen, als jedoch<br />

Herzog Ulrich 1519 außer Landes flüchtete, wurde Hornstein<br />

auf 15 Jahre österreichisches Lehen und als solches<br />

erstmals 1521 an Brun verliehen. Als er im selben Jahr starb,<br />

kamen seine Kinder unter die Vormundschaft seines Bruders<br />

Jost. Bei der Erbteilung im Jahre 1543 erhielt Brun VI. von<br />

und zu Hornstein, der Sohn Bruns V., der sich noch »von<br />

Hornstein-Hertenstein« geschrieben hatte, die Burg Hornstein,<br />

wurde aber 1522 vom württembergischen Lehengericht<br />

seiner Lehen entsetzt und gezwungen auch den alloden Teil<br />

seines Besitzes als Lehen aufzutragen. Nach seinem Tod<br />

(1554) hatte die Vormundschaft von 1555-1569 das Lehen<br />

inne, das dann Brun VII. von und zu Hornstein übertragen<br />

wurde. Sein Bruder Balthasar II. von und zu Hornstein, trat<br />

nach Bruns VII. Tod (1594) in das Lehen Hornstein ein, das<br />

ihm 1596 von Herzog Friedrich verliehen wurde. Von seinem<br />

Oheim Balthasar I. zu Eichen erhielt er nach dessen Tod im<br />

Jahre 1598 die Güter zu Eichen, Stafflangen, Streitberg, die<br />

Mößmühle sowie den Hof zu Herbertingen und Daugendorf.<br />

Durch die vielen Verpfändungen, die er vornahm, legte er den<br />

Grund zum Ruin seiner Familie. 1614 zog er nach Konstanz<br />

und übergab 1624 seinen verschuldeten Besitz an seine Söhne:<br />

Eichen und Zollernreute an Balthasar, Schloß Hornstein,<br />

Bingen und Bittelschieß an den jüngeren Sohn Sigmund von<br />

und zu Hornstein, der im Jahre 1631 in Kauf beuren, wohin er<br />

mit seiner Familie wegen der Kriegsläufte geflohen war,<br />

starb.<br />

Seine beiden Söhne erbten den verschuldeten Besitz. Johann<br />

Baptist verzichtete gegen ein jährliches Deputat von 100<br />

Talern zugunsten seines erst ein paar Monaten alten Bruders<br />

Johann Heinrich von und zu Hornstein. Als ihm 1652 der<br />

Besitz von den Vormündern übertragen wurde, war er derart<br />

verschuldet, daß er ihn 1656 an die Gläubiger abtreten mußte.<br />

Alles Allod zu Hornstein, Bittelschieß, Bingen, Eichen,<br />

Stafflangen, Streitberg, Zollernreute, Vogelsang, Schwarzenbach,<br />

Unlingen, Herbertingen und Daugendorf ging damals<br />

für die Familie verloren. 1676 scheint Johann Heinrich<br />

Schloß Hornstein verlassen zu haben. Nach langwierigen<br />

Prozessen gelang es 1693 mit den Gläubigern einen Vergleich<br />

zu schließen. Initiator war der Fürstabt von Kempten, in<br />

dessen Diensten Adam Bernhard von Hornstein zu Göffingen<br />

stand, der 1688 als Rat Kaiser Leopolds in den Freiherrenstand<br />

erhoben wurde. Er kaufte 1693 für 31 500 fl. Schloß<br />

Hornstein mit Bittelschieß und das Dorf Bingen. Er ließ das<br />

Schloß renovieren, die Schloßkaplanei-Pfründe wieder herstellen,<br />

eine neue Schloßkapelle in den oberen Torturm<br />

einbauen und die Bittelschießer Kapelle erneuern. 1715 übertrug<br />

er Schloß Hornstein und Bittelschieß auf seinen Sohn<br />

Franz MarquardAnton von und zu Hornstein auf Göffingen,<br />

Bingen, Bussen, Bittelschieß und Vogelsang. Er scheint die<br />

meiste Zeit in Göffingen gelebt zu haben. Sein Sohn Marquard<br />

Eustach von Hornstein übergab 1786 Göffingen seinem<br />

Sohn Bernhard und verkaufte 1787 Schloß Hornstein,<br />

Burgstall Bittelschieß und das Dorf Bingen an den Fürsten<br />

Anton Alois von Hohenzollern-Sigmaringen. Von 1818 ab<br />

diente Schloß Hornstein als Zucht- und Strafarbeitshaus. Als<br />

dieses 1869 aufgehoben war, kaufte die Familie von Hornstein-Grüningen<br />

das Schloß zurück und ließ es 1877 abbrechen;<br />

nur die Kapelle blieb bestehen.<br />

Die Burg Hertenstein über dem rechten Lauchertufer, 5 km<br />

oberhalb Hornstein, 2 km unterhalb Jungnau, stand gegenüber<br />

der Burg Insikofen auf der vorspringenden Felskuppe,<br />

die noch die Bezeichnung »das alte Schloß« trägt. Hier hatte<br />

zu Beginn des 13 Jahrhunderts ein Glied der Horhsteinischen<br />

Familie einen, wahrscheinlich nur über eine Leiter zu<br />

erreichenden Bergfried erstellen lassen. - In seinem o. a.<br />

Werk nennt Schönh : zum hndc des 12. Jahrhunderts einen<br />

Cuno von Hertenstein auf der gleichnamigen Burg, dessen<br />

Tochter Emma sich mit Hermann von Hornstein vermählt<br />

habe. 1250 traten Albrecht und Heinrich von Hertenstein als<br />

Dienstmannen des Grafen Wolfrad von Veringen auf. Ihr<br />

Bruder Mangold von Hertenstein (1254-1272) war ebenfalls<br />

Ministeriale des Veringers und siegelte u.a. 1254 mit einem<br />

Hermann von Hertenstein und 1267 mit dessen gleichnamigen<br />

Sohn. Von Mangolds Kindern kennen wir den Sohn<br />

Mangold von Hertenstein (1262-1272) und Gotswin von<br />

Hertenstein (1258-1311), der als Zeuge bei Veringen und<br />

Salem auftritt. Auch der 1264 als Zeuge des Grafen Konrad<br />

von Heiligenberg auftretende Hunon (Kuno) von Hertensteinten.<br />

Stier, und Rudolf von Hertenstein, der als Zeuge für<br />

die Grafen von Nellenburg und für das Kloster Salem<br />

erwähnt ist, werden zu den genannten Brüdern gezählt.<br />

Burkhard von Hertenstein (1276-1317), vermutlich der Sohn<br />

des letztgenannten Mangold, befand sich am Hof des Herzogs<br />

Friedrich von Österreich, der ihm 1306 für seine Dienste<br />

einen Hof zu Langenenslingen verpfändete. Von seinen<br />

Geschwistern war Werner von Hertenstein in Bingen<br />

begütert, Irmengart von Hertenstein in den Jahren 1300-1309<br />

Äbtissin des Cisterzienserinnenklosters HeiligkreuztaLJüe.<br />

Burg Hertenstein, die von Burkhard an dessen Sohn Brun I.<br />

von Hertenstein (1350-1385) überging, wurde von der Familie<br />

verlassen. Der nunmehrige Stammsitz war die Burg DaugendorfBei<br />

Riedlingen, wo Brun I. neben den Bossen, einem<br />

altadeligen Geschlecht, residierte. Hier hatte schon Heinrich<br />

von Hornstein (1320-1339) den Burgstall besessen. Gegen .<br />

Ende seines Lebens veräußerte Brun den größten TeiJ seines<br />

Besitzes: Daugendorf an Rudolf von Friedingen und Mietenhausen<br />

an das Kloster Marchtal. Da Mietenhausen ein Lehen<br />

der Grafen von Wartstein war, mußte er ihnen die Feste<br />

Hertenstein aufgeben und als Lehen wieder empfangen. Seine<br />

Söhne gründeten auswärts weitere Linien: zu Genkingen,<br />

Riedlingen und Dürmentingen.<br />

45


Die von Heinrich von Hertenstein gegründete Genkinger<br />

Linie und die von Ulrich von Hertenstein gegründete Riedlinger<br />

Linie starben bald wieder aus. Werner von Hertenstein<br />

(1385-1451) residierte zuerst als österreichischer Vogt auf<br />

dem Bussen, 1401 Dürmentingen und versah dann das Amt<br />

eines Pfründammanns in Buchau, wo er noch 1451 urkundete.<br />

Schon 1412 hatte er seine Güter den Kindern übertragen.<br />

Während die Töchter ins Kloster Habstal eintraten,<br />

setzte der Sohn Brun III. von Hertenstein die Linie fort.<br />

Er zog von Dürmentingen nach Riedlingen, dann wieder<br />

zurück nach Dürmentingen und erwarb 1434 vom Kloster<br />

Heiligkreuztal, dem von 1425-1443 seine Base Agnes von<br />

Hornstein als Äbtissin vorstand, die Burg gen. obere Burg zu<br />

Grüningen. 1444_verkaufte er seine Güter zu Dürmentingen<br />

an den Grafen Eberhard von Sonnenberg-Scheer und 1449<br />

das Stammhaus Hertenstein, das damals schon zerfallen war,<br />

an die Stadt Sigmaringen.<br />

Die Burg Bittelschieß, 600 m von Hornstein entfernt, an die<br />

heute noch'"der Rest des Rundturms, Spuren des Palas und<br />

einer Ringmauer erinnern, war zunächst im Besitz derer von<br />

Bittelschieß. Als ihre letzten Vertreter seien erwähnt: Hugo<br />

von Bittelschieß, der 1244 dem Kloster Salem Güter übertrug,<br />

die er von Berthold von Mengen zu Lehen trug, und<br />

Albert von Bittelschieß, der 1265 im Besitz des Burgstalls<br />

war. Ab 1313 hatten die Herren von Hornstein die Burg als<br />

habsburgisches Lehen inne. Die ersten namentlich bekannten<br />

Vertreter der Familie sind Albrecht von Hornstein und seine<br />

Gemahlin Mechthilde. 1330 und 1370 ist ein Perchtold von<br />

Hornstein erwähnt, vermutlich der Vater des Bentz und des<br />

Kunz von Hornstein, die beide bis 1390 bzw. 1391 auf<br />

Bittelschieß saßen. Lutz, Hans, Ulrich, Bentz und Geory<br />

von Hornstein, die Söhne des Bentz verkauften 1391 Zins aus<br />

einem Gut in Beizkofen. Die Kinder des Kunz finden wir<br />

später in der Alt-Grüninger Linie wieder. Von den Kindern<br />

des Benz kamen Lutz, Hans und Gerion in den Besitz von<br />

Hornstein. - Auf Bittelschieß blieben die Söhne Ulrich I. von<br />

Hornstein und Benz von Hornstein, bis Letzterer 1401 auf<br />

Burg Hornstein zog.<br />

1416 erfahren wir, daß in der Feste Bittelschieß mehrere<br />

Gebäude bestanden. Die Verleihung des Hirtenstabes in<br />

Bingen war das Recht der Bittelschießer Hornstein, das zu<br />

manchen Unruhen führte, besonders unter Ulrich II., der<br />

etwa 1435 von seinem Vater Ulrich I. die Feste Bittelschieß<br />

mit den Gütern Bingen erbte, die nach seinem Tod an seine<br />

Söhne Bernhard, Mathias, Ulrich und Hans fielen. In der<br />

Fehde zwischen Erzherzog Sigmund von Osterreich und dem<br />

Grafen Eberhard von Württemberg zerstörte der Württemberger<br />

1480 die Feste Bittelschieß, die der auf Hornstein<br />

gesessene Reischach als Kriegsbeute ansprach und dem<br />

Bernhard sperrte. Erst 1484 gab Wilhelm von Reischach die<br />

Bittelschießer Güter frei, die Bernhard nun von Herzog<br />

Sigmund als Lehen der Herrschaft Hohenberg verliehen<br />

bekam. 1490 verkaufte er sein Burgstall Bittelschieß samt aller<br />

Zugehör an den Grafen Andreas von Sonnenberg zu Scheer,<br />

der es 1491 an die Brüder Heinrich und Wilhelm von<br />

Reischach vertauschte. Mit Bernhard, der nach Uberlingen<br />

zog und dort 1504 starb, erlosch die alte Hornstein-Bittelschießer<br />

Linie. Das weitere Schicksal von Bittelschieß blieb<br />

fortan mit dem der Burg Hornstein verbunden.<br />

Die obere Burg Grüningen, deren aus dem 10. Jahrhundert<br />

stammender Bergfried in den späteren Schloßbau einbezogen<br />

wurde, ist als älteste der drei Burgen des Ortes anzusehen.<br />

Grüningen kam schon 793 aus dem alaholfingischen Besitz<br />

durch Schenkung an das Kloster St. Gallen und war später im<br />

Besitz der Grafen von Altshausen.<br />

Der erste in Grüningen bekannte Vertreter war Konrad von<br />

Hornstein, der sich auch von Grüningen schrieb und 1274 auf<br />

der Burg Hohenberg saß. Einen Hof in Grüningen besaßen<br />

46<br />

auch Mangold und Ludwig von Hornstein als Lehen von<br />

Veringen.<br />

Nachdem 1291 der veringsche Besitz an die Habsburger<br />

übergegangen war, saß vermutlich Peter I. von Hornstein auf<br />

der Burg, dessen Sohn Peter II. von Hornstein zu Grüningen<br />

(1311-1315) für seine Leute eine Kirche erbaute bzw. die<br />

Pfarrei Grüningen gründete. Die Leute der unteren Burg<br />

blieben nach Langenenslingen eingepfarrt. Sein Sohn Konrad<br />

von Hornstein (1335-1381) verkaufte und verschenkte einen<br />

Großteil seines Besitzes. Auf unbekannte Weise kam die<br />

Burg durch dessen Sohn Hans von Hornstein (1358-1404),<br />

der alles verkaufte und nach Riedlingen zog, in die Hände der<br />

Bittelschießer Linie.<br />

Benz und Hänslin von Hornstein, (1384-1420) die Söhne des<br />

Kunz von Hornstein zu Bittelschieß, saßen nach 1381 neben<br />

den Bossen von Daugendorf zu Grüningen. Nach dem Tode<br />

seines Bruders wurde Hänslin Alleinherr der Burg Grüningen,<br />

die damals freies Eigentum war. Seine noch unmündigen<br />

Kinder Konrad und Elsbeth, die unter die Vormundschaft<br />

Ulrichs von Hornstein zu Bittelschieß und eines Verwandten<br />

ihrer Mutter kamen, verkauften nach seinem Tod im Jahr<br />

1420 das Dorf Dietershausen mit Tobel an Berchhold und<br />

Konrad von Stein zu Uttenweiler, 1415 die Burg Grüningen<br />

an die Heudorfer Linie (-1425).<br />

Hans von Hornstein zu Heudorf veräußerte die Burg wieder<br />

an das Kloster Heiligkreuztal, das die ganze Herrschaft an<br />

sich brachte und im Jahre 1434 an Brun III. von Hertenstein<br />

zu Dürmentingen, der nun nach Grüningen zog, als freies<br />

Eigentum verkaufte.<br />

Nach seinem Tod (1461) behielten die Söhne Hans /., Brun<br />

IV. und Geory von Hertenstein die ererbten Güter im<br />

gemeinschaftlichen Besitz. Bei der Erbteilung im Jahr 1463<br />

erhielt Hans Grüningen mit seinen Zugehörungen. Er starb<br />

frühzeitig 1465 oder 1466. Seine Witwe heiratete den Heinrich<br />

Speth zu Granheim. Ihre beide Schwäger Brun und<br />

Geory welche für die beiden Töchter Anna und Margaret<br />

Bürgschaft leisteten, übernahmen den väterlichen Besitz, den<br />

sie im Jahre 1472 teilten.<br />

Bruno IV. stiftete die Göffinger Linie (s. d.), sein Bruder<br />

übernahm Grüningen und schrieb sich Georg I. von Hornstein<br />

gen. Hertenstein (-1498).<br />

Schon 1469 war er mit Grüningen belehnt worden und kaufte<br />

nun die Schatzberger Besitzungen, die er wieder veräußerte<br />

(s. d.). Sein Totenschild wird im Schloß Grüningen aufbewahrt.<br />

In den Gütern zu Grüningen folgte ihm sein Sohn<br />

Balthasar von Hornstein gen. Hertenstein (-1530) in<br />

Gemeinschaft mit den Brüdern Geory und Hans. 1499<br />

wurden sie mit dem unteren Schloß von Grüningen, gen. »der<br />

Turm« (Judenschloß) belehnt, das sie von Rudolf von<br />

Reischach (Nachfolger der Bossen) erworben hatten.<br />

1503 ließ Balthasar seinen Bruder auslösen und wurde Alleinherr.<br />

Da er ledig geblieben war, folgte ihm sein Bruder Georg<br />

II. von Hornstein gen. Hertenstein (-1533), der sich als<br />

Verschwender zeigte. Noch zu seinen Lebzeiten wurde im<br />

Jahre 1538 sein einziger Sohn Jocob Ernst von Hornstein<br />

(-1580) mit Grüningen belehnt, wobei auch das »obere<br />

Schloß«, das bisher freies Gut war, als Lehen erscheint.<br />

Unter Mithilfe seines Schwiegervaters Bernhard Renner zu<br />

Granheim gelang es ihm den Besitz zu vergrößern. Nach<br />

seinem Tod hatten die Söhne den Besitz zunächst gemeinsam<br />

inne.<br />

Bei der Erbteilung im Jahre 1583 erhielt der Sohn Hans<br />

Christoph von Hornstein (-1606) Grüningen. Sein Bruder<br />

Balthasar, der Hohenstoffeln erheiratet hatte wurde ausgelöst.<br />

Der dritte Sohn Karl (-1605) der mitbelehnt worden war,


gelangte nach Hans Christophs Tod, zusammen mit Balthasar<br />

in den Besitz von Grüningen. Balthasar trat seinen Teil an<br />

ihn ab, so daß er nun Alleininhaber war. Seine Söhne starben<br />

jung, die Töchter verheirateten sich nach auswärts. Nachdem<br />

er die Tochter seines Bruders abgefunden hatte, wurde<br />

Balthasar, der sich nun von Grüningen und Hohenstoffeln<br />

schrieb, Alleinherr von Grüningen, wo er im Jahre 1620<br />

starb.<br />

Sein Sohn Hans Erhard von Hornstein zu Grüningen und<br />

Hohenstoffeln, der zum Hinter- und Mittelstoffeln auch den<br />

Vorderstoffeln erwarb, residierte meist auf Mittelstoffeln und<br />

reiste nur ab und zu nach Grüningen. Nach seinem Tod im<br />

Jahre 1625 erbte der einzige Sohn Balthasar Ferdinand<br />

(-1685) die Herrschaften Hohenstoffeln und Grüningen,<br />

stand aber, da er erst 11 Jahre alt war, zunächst unter<br />

Vormundschaft. 1633 verlor er alle drei Schlösser auf Hohenstoffeln,<br />

welche der mit den Schweden verbündete Herzog<br />

Eberhard von Württemberg dem Erdboden gleichmachen<br />

ließ. 1636 wurde Balthasar Ferdinand in den Freiherrenstand<br />

erhoben. Als er 1646 mit seiner Familie in Grüningen aufzog,<br />

war nur das untere Schloß notdürftig bewohnbar. 1657 nahm<br />

er seinen Sitz in Weiterdingen bei Singen, wo er 1685 starb.<br />

Nun teilten sich die drei Söhne im väterlichen Güterbesitz.<br />

Balthasar (-1723) erhielt das Dorf Weiterdingen mit der<br />

Hälfte der Reben und halb Stoffeln; Josef Leopold Melchior<br />

(-1718) das Dorf Biningen, den Hof Homboll, halb Stoffeln,<br />

die Hälfte der Weiterdinger Reben und allen auswärtigen<br />

Zehnten.<br />

Der älteste Bruder Franz Ferdinand Kaspar (-1703) bekam<br />

Grüningen und Bietingen im Hegau. In Grüningen ließ er das<br />

halb zerstörte Schloß wieder herstellen, neue Scheuern<br />

erbauen und die Schutzengelkapelle renovieren.<br />

Da er keine männlichen Nachkommen hinterließ, fiel der<br />

Besitz zunächst (1703-1707) an Josef Leopold von Hornstein<br />

und Karl Balthasar (-1707) von Hornstein, die Söhne Balthasar<br />

Ferdinands. Durch die Teilung erhielten Franz Ernst von<br />

Hornstein, der Sohn Josef Leopolds, und Ferdinand Maria,<br />

der Sohn Karl Balthasars, den Grüninger Besitz je zur Hälfte<br />

(1707-1715).<br />

Nach dem Tod des Franz Ernst gelang es seinem Vater die<br />

halbe Herrschaft Grüningen aus den Händen Ferdinands<br />

Marias zu lösen. Nun wies er seinen ältesten Sohn Johann<br />

Bernhard Anton von Hornstein (-1756) auf Grüningen an<br />

und übertrug der Witwe des Franz Ernst Biningen, das<br />

bislang von Johann (Hans) Bernhard verwaltet wurde. Nach<br />

dem Tod seiner Frau (1756) übergab Hans Bernhard seinem<br />

Sohn Karl Andreas von Hornstein des Besitz und zog selbst<br />

zu seiner Tochter ins benachbarte Heudorf. Vater und Sohn<br />

starben im Jahr 1760. Honorius Karl von Hornstein (-1838)<br />

kam erst nach dem Tode seines Vaters zur Welt. Während der<br />

Zeit, in welcher er unter Vormundschaft stand, machte Josef<br />

Anton von Hornstein (-1786), der Sohn des Franz Ernst,<br />

seine Ansprüche geltend und erreichte, daß ihn Kaiser Josef<br />

II. im Jahre 1781 mit dem oberen und unteren Schloß und<br />

dem ganzen Dorf Grüningen belehnte. Da seine Kinder vor<br />

ihm starben, fielen alle Rechte an Honorius Karl, dessen<br />

Vormünder im Jahre 1785 das seit 1756 nicht mehr bewohnte<br />

Schloß renovieren ließen, in das Honorius Karl nach seiner<br />

Vermählung einzog. 1806 wurde aus dem reichsunmittelbaren<br />

freien Herrn ein württembergischer Untertan. Sein Sohn<br />

Karl Theodor von Hornstein (-1862) erhielt im Erbvergleich<br />

von 1838 Grüningen, sein Bruder Friedrich Karl Bietingen<br />

und Homboll. - In Grüningen folgte auf Karl Theodor<br />

dessen Sohn Edward Sigmund von Hornstein (-1905), der<br />

Verfasser der großen Hornsteinchronik, von dem das Gut<br />

durch Familienstatuten an den ältesten Sohn Balthasar von<br />

Hornstein (-1920) überging. Ihm folgte sein einziger überlebender<br />

Sohn Hans Christoph von Hornstein (-1948). Seine<br />

Gemahlin Maria Sidonie führte zunächst die Geschäfte selbst<br />

weiter und übergab 1958 dem Sohn Hans Hubert, dem<br />

heutigen Besitzer. Er vermählte sich 1968 mit Heike Lueder.<br />

Nach dem Sohn Hans Christoph und der Tochter Irina<br />

wurde 1980 das dritte Kind auf den Namen Edward Balthasar<br />

getauft.<br />

Die Burgen zu Neufra bei Riedlingen (die alte Burg neben der<br />

Kirche, die neue Burg daneben und die Burg unten im Dorf)<br />

waren in den Händen verschiedener Geschlechter; die beiden<br />

oberen Burgen im Besitz des Ortsadeligen Heinrich von<br />

Neufra, der bereits dem Geschlecht von Hornstein zugeschrieben<br />

wird, die untere Burg im Besitz der Fleck, zu denen<br />

auch die Ranz gezählt werden.<br />

Heinrich von Neufra gab 1298 die Burg Zußdorf dem Grafen<br />

Ulrich von Berg auf, der nun die Brüder Ludwig und<br />

Mangold von Hornstein damit belehnte. Sie traten nach<br />

seinem Tod auch Neufra als Erbe an und besaßen ein<br />

veringisches Lehen in Grüningen. Ludwig I. stiftete 1303 eine<br />

Kaplanei zu Neufra, wo auch Heinrich I, von Hornstein, der<br />

als »zu Neufra gesessen« bezeichnet wird, begütert war. Zur<br />

selben Zeit trat auch ein Hans von Hornstein zu Neufra auf.<br />

Er verkaufte die Hölzer von Neufra an die Herren von<br />

Gundelfingen. Von den Söhnen Heinrichs I. bezog Heinrich<br />

II. die Burg Langenstein (s.d.). Ludwig II. (-1392) der als<br />

Landvogt in Schwaben auf der Burg Warthausen saß, erbte<br />

von seinem Vater Neufra, Seekirch und Alleshausen; letztere<br />

wurden von ihm verkauft, die Herrschaft Neufra an die Stadt<br />

Ulm, die Herrschaft Warthausen an seinen Schwiegersohn (?)<br />

Eberhard von Freiberg verpfändet. Als Eberhard von Freiberg<br />

im Jahre 1378 Warthausen eingelöst hatte, stiftete<br />

Ludwig II. das Franziskanerinnenkloster Oggelsbeuren. Von<br />

seinen Söhnen saß Ludwig III. (-1427) auf der alten Hamann<br />

(-1419) auf der neuen Burg zu Neufra. Beide hatten Neufra<br />

zu gleichen Teilen geerbt und waren auch im Besitz der<br />

unteren Burg. 1399 verkauften sie den ganzen Ort Neufra mit<br />

seinen drei Burgen an Stefan von Gundelfingen. Nach dem<br />

Aussterben der Gundelfinger ging der Ort an die Helfenstein,<br />

1627 an die Fürstenberg über und kam 1806 unter württembergische<br />

Staatshoheit.<br />

Die Burg Heudorf am Bussen war ursprünglich im Besitz des<br />

Ortsadels. Als veringischer Besitz kam sie an die Habsburger,<br />

die in ihrem Urbar von 1303 anführen, daß der Pfaff Hermann<br />

von Hornstein das Gut innehat. Mit Rudolf von<br />

Hornstein (1338-1349), der auch in Burgau und Beizkofen<br />

begütert war, beginnt die eigentliche Linie der vermutlich<br />

von der Linie Neufra abgezweigten Linie Heudorf. Das<br />

Reichenauische Lehen Heudorf erbte sein Sohn Mantz von<br />

Hornstein (1349-1413) der von Graf Eberhard dem Greiner<br />

auch das Dorf Betzenweiler zu Lehen hatte.<br />

Seine Schwester Anna war an der Burg Heudorf mitbelehnt.<br />

1355 verkaufte er den Zehnten zu Beizkofen an die Heiligkreuztaler<br />

Äbtissin Anna von Hornstein von Göffingen und<br />

dem Konvent als Lehen, 1356 einen Hof in Burgau, der<br />

Lehen des Freiherrn Albrecht von Stoffeln war, und eignete<br />

1386 den 6. Teil des Beizkofer Zehnten dem Kloster Heiligkreuztal.<br />

1412 erhielt er das Lehen der Vogtei Betzenweiler,<br />

Nachfolger waren die Söhne Herman und Hugo von Hornstein.<br />

Hermann (-1439) hatte 1416 die Vogteien Uigendorf, Dietlhofen<br />

und Betzenweiler zu Lehen. Hugo (-1442) empfing<br />

1401 Betzenweiler zu Lehen und 1410 vom Grafen Eberhard<br />

von Württemberg die Kirche in Veringen. Ihr Bruder Hans-<br />

,der sich auch von Heudorf schrieb, besaß die Burg Hornstein<br />

(Turm), kaufte 1415 die Burg Grüningen, 1416 die<br />

Vogteien Uigendorf und Dietelhofen, 1420 von den Kindern<br />

Hänslin von Hornstein Grüningen, das er 1425 wieder<br />

verkaufte (s. d.). (Schluß folgt)<br />

47


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

Willy Baur feierte seinen 85. Geburtstag<br />

Eine große Festgemeinde war am 20. August 1982 im<br />

Hechinger Rathaus versammelt, um Willy Baur zu seinem 85.<br />

Geburtstag zu ehren. Vom Schwäbischen Heimatbund überbrachte<br />

Professor Bim eine Geburtstagsgabe und Willy Leygraf<br />

hielt die Laudatio auf den Jubilar. Bürgermeister Norbert<br />

Roth würdigte die Verdienste Willy Baurs im Namen der<br />

Stadt Hechingen.<br />

Die Glückwünsche des Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong>s,<br />

dessen Ehrenmitglied Willy Baur ist, überbrachte<br />

Staatsarchivdirektor Dr. W. Schöntag. Er betonte, daß ohne<br />

die Beiträge Willy Baurs der <strong>Geschichtsverein</strong> um vieles<br />

ärmer wäre.<br />

Den Festvortrag hielt der Präsident der Landesarchivdirektion,<br />

Dr. Eberhard Gönner über die Residenzstadt Hechingen<br />

und die Denkmäler ihrer Geschichte. Willy Baur habe<br />

sich ein Leben lang bemüht, andere an die Geschichte<br />

Josef Mühlebach 80 Jahre<br />

80 Jahre alt wurde am 3. Juli der Mann, den man mit Recht<br />

das »Gedächtnis Hohenzollerns« nennen kann. Josef Mühlebach,<br />

letzter leitender Verwaltungsbeamter des aufgelösten<br />

Kommunalverbandes der Hohenzollerischen Lande, hat<br />

nach dem Untergang Hohenzollerns die Landesbücherei in<br />

die Obhut des Kreises Sigmaringen überführt. Mehr noch: in<br />

den seither vergangenen rund zehn Jahren hat er diese<br />

Bibliothek geordnet und sie stand fast jeden Werktag jedermann<br />

zur Verfügung, der sie benutzt. Das sind in starkem<br />

Maß Studenten der Universtitäten des Landes.<br />

Josef Mühlebach setzt diese Arbeit täglich fort, demnächst<br />

mit einem weitaus kürzeren täglichen Fußweg, wenn die<br />

Bestände im ehemaligen Krankenhaus, dem neuen Landratsamt,<br />

nahe seinem Haus, untergebracht werden. Eigentlich<br />

hat sein ganzes Leben Hohenzollern gegolten, denn bereits<br />

nach dem Abitur hat der Sohn eines Lehrers aus Hausen am<br />

Andelsbach 1923 seine Laufbahn im Sigmaringer Landeshaus<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

hrsggbn. vom Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />

Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />

Druck:<br />

M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

Walter Bleicher, Rektor<br />

Schlehenweg 5, 7947 Mengen<br />

Pfr. Johann Adam Kraus<br />

Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8<br />

7800 Freiburg-Littenweiler<br />

Dr. Hans-Dieter Lehmann<br />

Uhlandweg 1, 7450 Hechingen<br />

Dr. Wilfried Schöntag<br />

Staatsarchivdirektor<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

Hubert Stekeler<br />

Hohenzollernstraße 8<br />

7795 Thalheim<br />

heranzuführen; dafür verdiene er höchsten Respekt und<br />

Dank. Der Jubilar bedankte sich in Schwäbischen Reimen.<br />

Den Festgästen trug er seine Geschichte von der Hechinger<br />

Gansrevolution vor.<br />

Die Feierstunde wurde musikalisch umrahmt vom Bläserquartett<br />

der Hechinger Stadtmusik unter Leitung von Stadtmusikdirektor<br />

Karl Stockmaier. Auf dem Rathausplatz hatte<br />

sich die Bürgergarde mit Spielmannszug und Trachtengruppe<br />

aufgestellt. Es wurden mehrere Märsche gespielt und Gardehauptmann<br />

Hugo Mayer gratulierte Willy Baur. Zum Schluß<br />

erklang das Hohenzollernlied, das von den Anwesenden<br />

begeistert mitgesungen wurde.<br />

Die Hohenzollerische Heimat möchte sich all den Glückwünschen<br />

anschließen. Wir wünschen dem Jubilar noch viele<br />

Jahre bei guter Gesundheit.<br />

begonnen. In dieser langen Zeit hat er nicht nur seine Ämter -<br />

und schließlich das Ganze - musterhaft verwaltet; er hat sich<br />

tief in die Geschichte hineingearbeitet. Aus seiner Feder<br />

stammen zahllose Beiträge, vor allem in der »Hohenzollerischen<br />

Heimat«, aber auch Gedenkschriften. Er schrieb ein<br />

Buch über seine Geburtsgemeinde Hausen - das ihm die<br />

Ehrenbürgerschaft einbrachte. Er schrieb eines über den<br />

hohenzollerischen Kommunalverband; eine Schrift über das<br />

Krankenhauswesen, über die Feuerversicherung Hohenzollerns<br />

und vieles mehr.<br />

Als er 1968 das Bundesverdienstkreuz erhielt, bekam er es<br />

nicht nur für seine Dienste als Beamter, sondern eben auch<br />

diese literarische, sammelnde, sichtende Arbeit. Jahrzehntelang<br />

sang er im Kirchenchor, desgleichen spielte er den<br />

Kontrabaß beim Orchesterverein, der ihn mit seiner Silbermedaille<br />

auszeichnete. Und er hat als Vorsitzender des<br />

Vereins für Freunde des Gymnasiums viele ehemalige Schüler<br />

gewinnen können. W.F.<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.


HOHENZOLLERISCHE<br />

HEIMAT<br />

Herausgegeben vom<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Hohenzollerischen <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Klosterprospekt von Inzigkofen um 1700, Stich nach Joann Franck, Fürstl. Hohenz. Hofb'nliothek Sigmaringen<br />

MAREN KUHN-REHFUS i, /<br />

Zur Geschichte des Chorfrauenstifts Inzigkofen<br />

Das 12. Jahrhundert erlebte den Aufbruch einer breiten<br />

Frömmigkeitsbewegung. Ihr Ziel war, apostelgleich und<br />

evangelienmäßig in Armut zu leben und zu wirken. Dieses<br />

Jahrhundert brachte dem abendländischen Mönchtum eine<br />

unerwartete Ausbreitung. Das alte Benediktinertum sah sich<br />

von neuen Ordensgemeinschaften umgeben, die vornehmlich<br />

in den zwei Jahrzehnten nach 1100 und dann wieder um 1200<br />

entstanden. Hauptsächlich suchten sie ihre Ideale in den<br />

Ordensklöstern zu verwirklichen, zunächst vor allem in den<br />

beiden Reformorden der Zisterzienser und Prämonstratenser.<br />

Diejenigen Frauen, denen es nicht gelang, Aufnahme in<br />

einem Orden zu finden, schlossen sich zu religiös lebenden<br />

Gemeinschaften zusammen, die die Gebote der Armut und<br />

32. Jahrgang Nr. 4/Dezember 1982<br />

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Keuschheit beachteten und von der Arbeit ihrer Hände<br />

lebten. So entwickelten sich diese religiösen Frauenzusammenschlüsse<br />

zu einer neuen, neben den bisherigen Orden<br />

selbständig bestehenden Form von religiösen Gemeinschaften.<br />

Man nannte sie Beginen und ihre klosterähnlichen<br />

Niederlassungen Beginenhäuser oder in Deutschland zumeist<br />

Sammlungen. Es ist nicht erstaunlich, daß sich die Frauen, die<br />

ja in erster Linie von den Idealen der Armutsbewegung<br />

ergriffen worden waren, mit Vorliebe an die Dominikaner<br />

und Franziskaner anlehnten und diese ihrerseits sich der<br />

Frauenbewegung annahmen. Dominikus und Franziskus gaben<br />

den Frauen in ihren Zweiten Orden eine eigene Lebensordnung.<br />

Neben dem Zweiten Orden kannten Dominikaner<br />

49


und Franziskaner aber auch noch den Dritten Orden, die<br />

sogenannten Tertiaren.<br />

In der Blütezeit der Franziskanertertiarinnen nun entstanden<br />

nahe bei Sigmaringen innerhalb von 50 Jahren gleich drei<br />

Tertianerinnenklöster: Gorheim, nach der Tradition 1303<br />

vermutlich als Beginensammlung gegründet, die nach 1312<br />

die Dritte Regel des Franziskus annah, aber erst 1347 urkundlich<br />

erwähnt ist; Laiz, angeblich 1308 als Stiftung der Grafen<br />

von Montfort entstanden, urkundlich aber erst 1350 faßbar;<br />

und als letztes Inzigkofen, das nach der Klosterchronik 1354<br />

gestiftet worden sein soll und erstmals 1356 in einer Urkunde<br />

genannt wird. Warum es zu drei so nahe beieinandergelegenen<br />

Franziskanerinnenklöstern kam, warum die Frauen von<br />

Laiz und Inzigkofen nicht in das schon bestehende Gorheim<br />

eintraten, läßt sich heute letztlich nicht mehr klären. Die<br />

Inzigkofer Chronik erklärte, daß zwei Sigmaringer Bürgertöchter<br />

mit Namen Mechthild und Irmengard Sönner und<br />

eine Verwandte dieser beiden Schwestern namens Anna<br />

Sönner sowie eine vierte Frau mit Vornamen Lutgard vorhatten,<br />

eine Klause auf dem heutigen Amalienfelsen bei Inzigkofen<br />

zu errichten. Daß aber das Bauholz, das man bereits zu<br />

diesem Felsen geführt hatte, am nächsten Tag auf wunderbare<br />

Weise bei der Mauritiuskapelle lag. Dies als himmlisches<br />

Zeichen deutend, bauten die frommen Frauen ihr Haus nun<br />

neben dieser Kapelle.<br />

Über die Sigmaringer Familie Sönner, aus der drei der<br />

Klostergründerinnen stammten, ist nur wenig bekannt. Sie<br />

dürfte aber keinesfalls zur sozialen Unterschicht der Stadt<br />

gehört haben. Die Herkunft aus wohlhabenden bürgerlichen<br />

Schichten läßt sich auch für weitere Inzigkofer Klausnerinnen<br />

der ersten Jahrzehnte nachweisen: Anna Schmid, die 1372<br />

eintrat, war die Tochter des Bürgermeisters von Mengen und<br />

erhielt als Klosteraussteuer zwei Gütlein in Menningen und<br />

Völlkofen. Margarethe Bosch aus Meßkirch brachte 1392 der<br />

Klause einen Hof in Ablach zu. Katharina Huter oder Hudler<br />

aus Sigmaringen, wahrscheinlich eine Verwandte des Mengener<br />

Bürgermeisters Konrad Schmid, ein Gütlein zu Ennetach.<br />

Die Inzigkofer Klause fand bald Gönner, die sie durch<br />

Schenkungen, Stiftungen und Almosen materiell unterstützten:<br />

So vor allem die Herren von Reischach, aber auch die<br />

Herren von Königsegg und der Mengener Bürgermeister<br />

Schmid. Weiterer Grundbesitz kam durch die Mitgift von<br />

eintretenden Frauen an die Klause. Dadurch wurde die junge<br />

Niederlassung in die Lage versetzt, bereits in den ersten<br />

Jahrzehnten nach der Gründung aus eigenen finanziellen<br />

Mitteln Liegenschaften zu erwerben. Schon 1356, also nur<br />

zwei Jahre nach der Gründung, ist der erste Kauf bezeugt.<br />

Bald schon war Inzigkofen wirtschaftlich so gut situiert, daß<br />

es sich leisten konnte, 1381 neben der alten Klause neue<br />

Gebäude für die Frauen aufzuführen und 1388 die Mauritiuskapelle<br />

abzureißen und neu aufzubauen, mit drei Altären<br />

auszustatten und einen Friedhof anzulegen. Die Weihe fand<br />

in selben Jahr statt, und zwar zu Ehren Johannes des Täufers,<br />

womit also ein Patrozinienwechsel stattgefunden hatte.<br />

Die Inzigkofer Frauen werden in den Quellen immer nur<br />

Klausnerinnen, ihr Haus Klause oder Zelle genannt. Dennoch<br />

durften die Insassinnen von Anfang an die Regel des<br />

Dritten Ordens des Franziskus befolgt haben, wie die<br />

Klosterchronik und die Tradition des Franziskanerordens es<br />

behaupten. Wahrscheinlich unterstand Inzigkofen, solange<br />

es ein Franziskanerinnenkloster war, der geistlichen Aufsicht<br />

des Überlinger Barfüßerklosters. Pfarrechtlich gehörte es<br />

dagegen zur Pfarrei Laiz.<br />

Der Bischof von Konstanz nahm die Klause Inzigkofen 1388<br />

in seinen Schutz auf. Er übte auch die geistliche Gerichtsbarkeit<br />

aus.<br />

Bedeutsam für die Inzigkofer Tertiarinnen wurden die Beziehungen<br />

zu den Herren v. Reischach zu Dietfurt. Die Familie<br />

50<br />

gehörte dem Niederadel an. Um Dietfurt hatte sie sich eine<br />

kleine Herrschaft aufgebaut und besaß über das Dorf Inzigkofen<br />

die Ortsherrschaft. Die Reischacher überließen schon<br />

bei der Gründung der Klause den Frauen einen Platz als<br />

Erstausstattung, stifteten Jahrtage und ein ewiges Licht. 1391<br />

richtete Ritter Heinrich v. Reischach ein Jahrgedächtnis für<br />

sich und seine Familie in der Klause ein und befreite dafür die<br />

Klausnerinnen mit all ihrem Besitz, den sie in Eigenbewirtschaftung<br />

Umtrieben, von Steuern und Dienstbarkeiten. Er<br />

machte aber eine interessante Auflage: Die Klausnerinnen<br />

durften ohne Erlaubnis der Reischacher keinen Vogt annehmen.<br />

Dieses Verbot spricht dafür, daß die Reischacher den<br />

Schutz - vielleicht sogar die regelrechte Vogtei - über Kloster<br />

Inzigkofen beanspruchten. Auf alle Fälle aber ist die Auflage<br />

Ausdruck eines besonderen Interesses der Reischacher an<br />

Inzigkofen. Grete Schnitzer, die 1968 eine Zulassungsarbeit<br />

über das Kloster anfertigte, vermutet, daß die Reischacher<br />

der Linie Dietfurt Inzigkofen als Hauskloster ausbauen<br />

wollten. Deshalb hätten sie auch darauf hingewirkt, daß die<br />

Frauen die Regel des franziskanischen Drittordens aufgaben<br />

und statt ihrer die Regel Augustins annahmen: Sie wollten ein<br />

Hauskloster mit einer strengeren und wohl auch vornehmeren<br />

Regel haben. - Jedenfalls genehmigte der bischöfliche<br />

Stuhl zu Konstanz am 6. Oktober 1394 den Klausnerinnen<br />

den Ordenswechsel. Aus den neun Franziskanertertiarinnen<br />

und fünf Laienschwestern waren regulierte Augustinerchorfrauen<br />

geworden, die nach der Augustinerregel lebten und<br />

nicht als Nonnen im monastischen Sinn, sondern als Kanonissen,<br />

eben als Chorfrauen zu betrachten sind, weil das<br />

kanonische Element das monastische überwog.<br />

In der Folge wurde 1412 die Kapelle in Inzigkofen von der<br />

Pfarrei Laiz losgelöst und selbst zur Pfarrkirche erhoben.<br />

Wenige Jahrzehnte nach der Umwandlung Inzigkofens in ein<br />

Augustinerchorfrauenstift, nämlich im Jahre 1421, verkauften<br />

die Herren von Reischach das Dorf Inzigkofen an die<br />

Grafen v. Werdenberg, die damals Inhaber der Herrschaft<br />

Sigmaringen waren. Als diese 1534 ausstarben, vererbten sie<br />

das Dorf Inzigkofen als Eigentum an die Grafen von Fürstenberg.<br />

Der neue Inhaber der Grafschaft Sigmaringen, Graf<br />

Karl I. von Zollern, konnte erst 1540 den Ort von den<br />

Fürstenbergern erwerben. Damals übernahm er aber nicht<br />

auch gleichzeitig die Vogtei über das Stift Inzigkofen. Vielmehr<br />

hatte sich Fürstenberg in einer Spezialklausel die Vogtei<br />

bis zum Tod zweier Chorfrauen aus ihrer Verwandtschaft<br />

vorbehalten. Die letzte, es war Euphrosine v. Fürstenberg,<br />

starb 1567. Mit diesem Jahr endete die Kastenvogtei der<br />

Fürstenberger und ging an die Grafen v. Hohenzollern-<br />

Sigmaringen über. Sie übten sie dann bis zur Aufhebung des<br />

Stifts durchgängig aus.<br />

Inzigkofen hatte eine wesentlich schwächere Position seinem<br />

Kastenvogt gegenüber, als dies bei den Klöstern Habsthal,<br />

Wald und Heiligkreuztal der Fall war. Ein Grund dafür war,<br />

daß es ihm im Gegensatz zu diesen Klöstern nicht gelungen<br />

war, obrigkeitliche Rechte über Dörfer und Untertanen an<br />

sich zu bringen, und daß es deshalb auch kein weltliches<br />

Territorium mit Niedergericht und Leibherrschaft hatte aufbauen<br />

können. Es war lediglich Grundherr über einzelne<br />

Höfe und erhielt Zinse und Zehnten - eine Folge seiner späten<br />

Gründung und des Fehlens einer potenten Stifterfamilie.<br />

Inzigkofen war völlig der sigmaringischen Landesherrschaft<br />

unterworfen.<br />

Der Konvent von Inzigkofen nahm die Versuche der weltlichen<br />

Obrigkeit, mit Hilfe der Kastenvogtei auf das innerklösterliche<br />

Leben einzuwirken, keineswegs widerspruchslos<br />

hin. Um jeden Einfluß auf die Pröpstinnenwahl auszuschließen,<br />

verboten die Inzigkofer Statuten von 1643 streng die<br />

Anwesenheit von Laien bei der Wahl. Das aber hielt den<br />

Fürsten nicht ab, auch noch im 18. Jahrhundert die Teilnah-


me eines seiner Beamten zu verlangen und gegen die Wahl<br />

ohne fürstliche Repräsentanz zu protestieren. Ebenso sollte<br />

der Kastenvogt von der Verwaltung des Stifts ausgeschlossen<br />

werden. Doch erwies sich die Absicht, den Einfluß der<br />

weltlichen Obrigkeit völlig abzuwehren, als undurchführbar.<br />

Denn gerade auf wirtschaftlichem Gebiet war die Abhängigkeit<br />

Inzigkofens von seinem Vogt groß. Sie zeigte sich<br />

besonders eindrücklich am Ende des 16. Jahrhunderts: Nur<br />

mit Hilfe des zollerischen Vogtes gelang die Uberweisung des<br />

Besitzes von Kloster Hedingen an Inzigkofen und damit eine<br />

bedeutende Erweiterung der wirtschaftlichen Basis. So verwunderte<br />

es nicht, daß das Stift sich mit der Beteiligung<br />

sigmaringischer Beamter bei der Rechnungslegung abfinden<br />

mußte. Materiell aber war das Chorfrauenstift ansehnlich<br />

ausgestattet. Besonders in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts<br />

und am Ende des 16. Jahrhunderts erfreute es sich<br />

eines großen Besitzzuwachses und nahm einen beachtlichen<br />

wirtschaftlichen Aufschwung. Einen Einbruch am Ende des<br />

15. Jahrhunderts, der zu Schulden und zeitweiliger Versetzung<br />

von Höfen zwang, überwandt Inzigkofen bald wieder.<br />

Die Sicherung seiner wirtschaftlichen Basis verdankte es<br />

einem Kreis von Gönnern, die Jahrzeiten stifteten,<br />

Schenkungen machten, Legate im Todesfall hinterließen und<br />

ihre in Inzigkofen eintretenden Verwandten mit einer ansehnlichen<br />

Mitgift versahen. Unter ihnen sind im 15. und 16.<br />

Jahrhundert etwa zu nennen die Grafen v. Werdenberg, v.<br />

Fürstenberg und v. Zollern, die Herren v. Zimmern, Patrizierfamilien<br />

aus Augsburg, Konstanz, Biberach und Ulm,<br />

eine ganze Reihe von Priestern und Niederadelsfamilien.<br />

Stellvertretend für letztere ist Michael v. Reischach hervorzuheben,<br />

der in Inzigkofen ausdrücklich der große Guttäter<br />

genannt wurde. Er stiftete nicht nur zwei Altarpfründen,<br />

sondern setzte 1467 das Sift auch als Erben ein. Insgesamt<br />

erhielten die Frauen von ihm über 11 000 fl. an Geld und<br />

Geldeswert. Michael entstammte einem recht schillernden<br />

und abenteuerlichen Verwandtenkreis: Seine Großmutter<br />

war die Königin Isabella v. Majorka, die mit einem Konrad v.<br />

Reischach eine geheime Ehe eingegangen war. Sein Vater,<br />

eben aus dieser Verbindung hervorgegangen, hatte zwei<br />

uneheliche Kinder: Die Tochter trat in Inzigkofen ein; der<br />

Sohn, nämlich eben der Inzigkofer Wohltäter Michael,<br />

stammte aus der Verbindung mit einer Saulgauer Bürgerin. Er<br />

war hintereinander Kaplan in Birnau, Chorherr zu St. Stephan<br />

in Konstanz, Pfarrer in Scheer, Kaplan in Ulm, Owingen<br />

und Inzigkofen. Hier starb er auch 1486 als Pründner.<br />

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts verfügte das Stift<br />

über Höfe in 14 Orten, nämlich Ablach, Beizkofen, Daugendorf,<br />

Egelfingen, Ennetach, Enzkofen, Erisdorf, Günzkofen,<br />

Inzigkofen, Krauchenwies, Menningen, Unlingen,<br />

Waldsteig und Wangen. Durch die Zuweisung des Hedinger<br />

Vermögens am Ende des Jahrhunderts verdoppelte sich dieser<br />

Grundbesitz nahezu. Im Jahr 1626 besaß Inzigkofen 44 Höfe<br />

mit 2366 Jauchert in 30 Orten. Davon stammten 17 Höfe aus<br />

Alt-Inzigkofer Besitz. 27 Höfe dagegen aus dem hedingischen<br />

Erbe. Außerdem bewirtschaftete das Stift in Inzigkofen<br />

selbst einen größeren Eigenbetrieb. Außer den genannten<br />

Gütern besaß es noch ein Fischwasser in der Donau, Weingüter<br />

in Sipplingen und Immenstaad sowie Zehnten in mehreren<br />

Orten. In Zell am Andelsbach gehörte ihm der Kirchensatz,<br />

und von Hedingen hatte es die inkorporierte Pfarrei Krauchenwies<br />

übernommen. Hier präsentierte von nun an die<br />

Pröpstin von Inzigkofen dem Bischof von Konstanz die<br />

einzusetzenden Pfarrer.<br />

Im 16. und 17. Jahrhundert kam das Stift überdies in den<br />

Genuß von großen finanziellen Zuwendungen, die hauptsächlich<br />

die Grafen v. Fürstenberg und die Grafen bzw.<br />

Fürsten v. Hohenzollern und ihre Verwandten machten. Aus<br />

diesem Grund verfügte das Stift über erstaunlich viel Bargeld.<br />

Für die Werdenberger, Fürstenberger und Zollern war das<br />

Chorfrauenstift ein nicht zu unterschätzender Kreditgeber:<br />

Anfang des 18. Jahrhunderts waren die Fürstenberger mit<br />

10000 fl. bei ihm verschuldet, 1738 stellten die Frauen Fürst<br />

Josef v. Hohenzollern-Sigmaringen bei seiner Hochzeit<br />

12500 fl. zur Verfügung und übernahmen für ihn die Bürgschaft<br />

für 30000 fl. Das waren für ein kleines Stift wie<br />

Inzigkofen ganz erstaunliche Beträge!<br />

Die offenbar gesunde Wirtschaftsbasis erlaubte dem Stift eine<br />

entsprechende Bautätigkeit. 1409 legte es einen neuen Kreuzgang<br />

an, in dem die Konventsangehörigen auch begraben<br />

wurden. 1435 wurde eine neuer Friedhof eingeweiht, 1449<br />

die Klostermauer errichtet. Ein Jahr später erhielt die Kirche<br />

einen neuen Chor, der in den 80er Jahren umgestaltet wurde.<br />

Gleichzeitig baute man einen Glockenturm und den kleinen<br />

Chor in der äußeren Kirche. Die Kirche erfuhr rund hundert<br />

Jahre später, nämlich 1576, Umgestaltungen am baufälligen<br />

Chor und an der sogenannten oberen Kirche. Am Ende des<br />

16. Jahrhunderts war Inzigkofen ein »gar schlechtes und<br />

enges Klösterlein«, in dem die Frauen nur unter beschwerlichen<br />

Verhältnissen wohnen konnten, wie sich die Chronik<br />

ausdrückt. Daher schritt der Konvent 1600 zu einem grundlegenden<br />

Neubau, der aus Beisteuern der drei Grafen von<br />

Hohenzollern-Sigmaringen, -Hechingen und -Haigerloch<br />

sowie aus Almosen finanziert werden sollte. Innerhalb von<br />

vier Jahren führte man einen vierstöckigen Bau auf. Als er<br />

bereits unter Dach und Fach stand, starben die zollerischen<br />

Grafen hintereinander. Damit versiegte die Geldquelle. Der<br />

Bau blieb unvollendet über 40 Jahre lang liegen, bis man die<br />

oberen Stockwerke abtrug und nur den untersten stehen ließ,<br />

der fortan als Klostermauer diente. Wenige Jahre nach dem<br />

Abbruch und nach dem Ende des 30jährigen Krieges erweiterte<br />

man zwischen 1659 und 1663 die Klostergebäude um<br />

den Kreuzgang herum und führte die Flügel des Nordwestteils<br />

neu auf. Baumeister war der bekannte Michael Beer aus<br />

Au im Bregenzer Wald. Zur selben Zeit baute Michael Beer<br />

auch eine völlig neue Klosterkirche, die 1665 geweiht wurde.<br />

Diese umfängliche Bautätigkeit legt Zeugnis dafür ab, daß<br />

sich Inzigkofen in kurzer Zeit wirtschaftlich von den verheerenden<br />

Kriegsfolgen erholt hatte. Die Kirche war angeblicherweise<br />

so unzulänglich, daß sie 1780 abermals abgebrochen<br />

und unter weitgehender Verwendung der Mauern der Vorgängerkirche<br />

von Christian Großbayer, dem bedeutenden<br />

Haigerlocher Barockbaumeister, in ihrer heutigen Erscheinungsform<br />

neu errichtet wurde.<br />

Die soziale Zusammensetzung des Inzigkofer Konvents ähnelte<br />

stark derjenigen der oberschwäbischen Frauenzisterzen,<br />

stand also nicht vereinzelt da. Das gilt auch für die<br />

geographische Herkunft der Inzigkoferinnen: Das wichtigste<br />

Einzugsgebiet war die Region zwischen oberer Donau und<br />

Bodensee. Seit dem 17. Jahrhundert, sobald die Geburtsorte<br />

der Chorfrauen notiert wurden, kamen viele Nonnen aber<br />

auch aus den österreichischen Erblanden und aus dem bayerischen<br />

Raum. Diese Ausdehnung des Einzugsgebiets auf<br />

Bayern und Österreich seit dem 17. Jahrhundert ist auch für<br />

andere oberschwäbische Frauenklöster charakteristisch. Sie<br />

läßt sich wiederum mit den engen Verbindungen dieser<br />

Landschaft mit dem Erzhaus Österreich und mit dem gestiegenen<br />

Ansehen Bayerns, vor allem durch seine Rolle im<br />

Dreißigjährigen Krieg, erklären. Außerdem müssen verwandtschaftliche<br />

Bande der Nonnen untereinander zur Erklärung<br />

herangezogen werden, die dazu führten, daß Chorfrauen<br />

ihre Verwandten nachzogen. 1394 hatte der Bischof<br />

die Höchstzahl der Chorfrauen auf 13 festgesetzt. Die Zahl<br />

der aufzunehmenden Laienschwestern war dagegen der<br />

Pröpstin überlassen. Trotzdem vermehrte sich der Konvent<br />

wesentlich über diese Höchstzahl hinaus: 1509 sollen in<br />

Inzigkofen 28 Chorfrauen und 23 Laienschwestern gelebt<br />

51


haben, 1658, also nach dem Dreißigjährigen Krieg, waren es<br />

16 Chorfrauen und sechs Laienschwestern. Bei der Aufhebung<br />

des Stifts wurden 26 Frauen und zwölf Laienschwestern<br />

pensioniert.<br />

Die leitende Position in der Stiftsgemeinschaft nahm die<br />

Pröpstin ein. Sie stand dem Stift nach innen und nach außen<br />

vor. Zusammen mit Priorin, Schaffnerin und den Ratsschwestern<br />

leitete sie die Verwaltung des Stifts. Aufgabe der Priorin<br />

waren die inneren Angelegenheiten des Konvents. Die<br />

Schaffnerin verwaltete das Vermögen, Einkünfte und Ausgaben.<br />

Die Kellerin war für Keller und Wein zuständig, die<br />

Küchenmeisterin für die Küche und die Essenzubereitung,<br />

die Gewandmeisterin für Anfertigung, Säuberung und Aufbewahrung<br />

der Kleidung, die Krankenwärterin für die Pflege<br />

der kranken Schwestern, die Büchermeisterin stand der offenbar<br />

umfangreichen Bibliothek vor. Die Novizenmeisterin<br />

unterwies die Novizen in der Oberservanz und im geistlichen<br />

Leben. Eine der bedeutendsten Novizenmeisterinnen war<br />

Paula Merend, die 1627 im Gerüche der Heiligkeit starb. Die<br />

Pförtnerin übernahm den Verkehr mit der Außenwelt und die<br />

Almosenausteilung. Inzigkofen tat sich bei der Hungersnot<br />

in den Jahren 1770 und 1771 rühmlich hervor, als es eine<br />

großangelegte Armenspeisung organisierte. Es sollen damals<br />

täglich bis zu 400 Personen um Speise und Almosen gebeten<br />

haben. Die Apothekerin leitete die seit dem 17. Jahrhundert<br />

nachweisbare, sehr gut ausgestattete Klosterapotheke, die<br />

auch die Einwohner der Orte im weiteren Umkreis versorgte.<br />

Für Kirche und Sakristei war die Küsterin verantwortlich, für<br />

die liturgischen Gesänge die Sängerin, für die liturgischen<br />

Dienste beim Chorgebet die Chorwochnerin. Alle Amter<br />

wurden gemäß den Statuten von 1643 durch Wahl besetzt.<br />

Das Chorfrauenstift unterstand der bischöflichen Jurisdiktion.<br />

Der Bischof von Konstanz beschränkte sich aber im<br />

wesentlichen auf die Bestätigung des Ordensvisitators. Seit<br />

1578 übte der Propst des Chorherrenstifts Kreuzlingen das<br />

Amt des Visitators bis 1802 aus. Seine Visitationspflichten in<br />

Inzigkofen nahm der Propst von Kreuzlingen ernst. Die<br />

Ernennung des Beichtvaters bot dem Visitator reichlich<br />

Gelegenheit, Einfluß auf das Kloster Inzigkofen zu nehmen.<br />

Der Beichtvater nahm an den Konventswahlen und an den<br />

Rechnungslegungen teil, ganz abgesehen von seinem persönlichen<br />

Einfluß, den er durch seine seelsorgerische Tätigkeit<br />

auf die Frauen ausübte.<br />

Schon 1395 hatte die Konstanzer Kurie den Konvent von<br />

Inzigkofen von der Pfarrei Laiz gelöst. 1412 hatte sie dem<br />

Konvent das Recht zugestanden, einen Beichtvater frei zu<br />

wählen und hatte die Klosterkapelle zur selbständigen Pfarrkirche<br />

erhoben. Mit Unterstützung von Gönnern stiftete<br />

Inzigkofen daraufhin eine Kaplanei auf den Hochaltar, die<br />

mit der Beichtvaterstelle verbunden wurde. Michael v.<br />

Reischach, der ehemalige Chorherr von St. Stephan in<br />

Konstanz, hatte die Kaplanei eine Zeitlang inne, bis er 1458<br />

selbst zwei Altarpfründen stiftete, nämlich eine auf den<br />

Johannes und Mauritius geweihten Hochaltar und eine auf<br />

den Allerheiligenaltar in der Klosterkirche. Einer der beiden<br />

Kapläne mußte gleichzeitig die Beichtvater- und Seelsorgedienste<br />

im Kloster übernehmen. Der andere, der sogenannte<br />

Helfer, besorgte später teilweise auch die Pastoration des<br />

Dorfes Inzigkofen.<br />

Die Inzigkoferinnen hatten 1430 die Statuten des Augustinerinnenstifts<br />

Pillenreuth übernommen. Schon vorher hatten<br />

sie auf Anraten oder auf Druck ihres Visitators die strenge<br />

Klausur eingeführt. Im Lauf der Zeit ließ die Strenge des<br />

geistlichen Lebens hier wie auch anderswo nach, die Ideale<br />

der Anfangszeit verblaßten. Die Klausurbestimmungen wurden<br />

im 16. Jahrhundert höchst nachlässig befolgt. Erst Pröpstin<br />

Amalie v. Hohenzollern-Sigmaringen bemühte sich intensiv<br />

um die Reform des Stifts in Sinne des Konzils von<br />

52<br />

Trient. Unterstützt wurde sie bezeichnenderweise vom Kastenvogt<br />

des Stifts, der gleichzeitig ihr Bruder war, dem<br />

Grafen v. Hohenzollern-Sigmaringen. 1591 erließ Amalie<br />

eine neue Klausurordnung. Indes nötigte der entschlossene<br />

Widerstand des Konvents, die Vorschriften schon nach kurzer<br />

Zeit größtenteils wieder aufzuheben. Erfolgreicher waren<br />

ihre liturgischen Reformmaßnahmen. Sie führte das römische<br />

Brevier ein und förderte die Kirchenmusik, die daraufhin<br />

einen bemerkenswerten Aufschwung nahm. Die Musik spielte<br />

fortan eine so große Rolle, daß vielfach eine gute Ausbildung<br />

in Instrumentalmusik und Gesang ausschlaggebend für<br />

die Aufnahme von Novizinnen wurde.<br />

Pröpstin Amalie resignierte 1600. Mitgespielt mögen haben<br />

ihre gescheiterten Reformversuche, aber auch die Folgen, die<br />

die Aufhebung des Dominikanerinnenklosters Hedingen für<br />

Inzigkofen hatte. Damit hatte es folgendes auf sich: Seit 1580<br />

betrieb Graf Karl II. v. Hohenzollern-Sigmaringen die Auflösung<br />

dieses geistlich und wirtschaftlich heruntergekommenen<br />

Klosters, das sich jeder Reform widersetzte. Er beabsichtigte<br />

seine Vereinigung mit Inzigkofen, dem ja seine Schwester<br />

vorstand. Nach schleppenden Verhandlungen in Rom<br />

löste eine päpstliche Kommission endlich 1595 Hedingen auf<br />

und verfügte die Überweisung fast seines gesamten Besitzes<br />

an Inzigkofen. Inzigkofen profitierte auf wirtschaftlichem<br />

Gebiet gewaltig, konnte es doch seinen Besitz nahezu verdoppeln.<br />

Allerdings mußte es auch die angefallenen Prozeßkosten<br />

von 15000 fl. tragen und die vier Hedinger Nonnen<br />

übernehmen. Die Dominikanerinnen führten in Inzigkofen<br />

ein abgesondertes Leben, integrierten sich nicht in die stiftische<br />

Gemeinschaft und nahmen nicht die Augustinerregel an.<br />

Ihr ablehnendes Verhalten belastete das Inzigkofer Konventsleben<br />

zweifellos stark.<br />

Nachdem die ersten Reformansätze gescheitert waren, vergingen<br />

noch weitere 50 Jahre, bis Inzigkofen wirklich reformiert<br />

wurde. Dies war hauptsächlich den Jesuiten zu verdanken.<br />

Die Beziehungen zum Jesuitenorden rissen von da an<br />

nicht mehr ab und vertieften sich in den 13 Jahren, die der<br />

Inzigkofer Konvent während des 30jährigen Krieges in<br />

Konstanz verbrachte. In dieser Zeit gab der Provinzial den<br />

Konstanzer Jesuiten den Auftrag, die veralteten Statuten<br />

Inzigkofens zu erneuern und damit die Reform einzuleiten.<br />

Das geschah, und 1643 bestätigte der Bischof die neuen<br />

Statuten. Inzigkofen hatte sich endgültig der Reform unterworfen.<br />

Wichtiger Bestandteil der neuen Statuten war die Wiedereinführung<br />

der strengen Klausur. Dagegen widersetzte sich nun<br />

aber Fürst Meinrad I. v. Hohenzollern-Sigmaringen heftig.<br />

Mit dem Hinweis auf seine Stellung als Kastenvogt und<br />

Landesherr verlangte er für sich und seine Familie Zugang<br />

zum Klausurbereich. Als ihm die Pröpstin diesen versagte,<br />

geriet er mit dem Bischof von Konstanz in jahrelange Auseinandersetzungen.<br />

Mit geringen Ausnahmen blieben die Statuten von 1643 bis<br />

zur Aufhebung Inzigkofens in Geltung. Doch schwächte sich<br />

die Begeisterung für die hohen Ansprüche der Reform im<br />

Alltag allmählich wieder ab, die Hochstimmung ließ sich<br />

nicht über Jahrzehnte hinweg ungebrochen aufrechterhalten.<br />

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts war wieder eine Erschlaffung<br />

eingetreten, doch wurde die Ordnung 1760 vom Visitator<br />

und vom Konstanzer Generalvikar wiederhergestellt. Ein<br />

in diesem Zusammenhang um 1756 abgefaßter, sehr kritischer<br />

Bericht einer Chorfrau an den Visitator in Kreuzlingen<br />

gibt uns wertvolle Einblicke in das innerklösterliche Leben<br />

und das menschliche Miteinander im Konvent. Wir erfahren<br />

höchst Interessantes über das Chorgebet und die privaten<br />

Gebete, den Stellenwert der Musik, die Tagesordnung und<br />

den Tagesablauf, die Verpflegung des Konvents und der<br />

Gäste, die Belustigungen der Frauen an Fasnacht und an


Nikolaus, über die verschiedenen Arbeiten, die die Frauen<br />

verrichteten, über die Kleidung, die Gesundheitspflege, die<br />

Buchlektüre und die Handhabung der Klausur. Hervorzuheben<br />

ist, daß die Inzigkoferinnen sich in der Kopierung von<br />

Handschriften hervortaten, hauptsächlich Meß- und Choralbücher,<br />

wahrscheinlich aber auch Gebetbücher abschrieben,<br />

durch deren Verkauf sie sich im 15. Jahrhundert ein Zubrot<br />

für ihren Lebensunterhalt verdienten; daß sie Lebensbeschreibungen<br />

ihrer Mitschwestern und eine Chronik ihres<br />

Stifts verfaßten, dank welcher wir über das Leben des Inzigkofer<br />

Konvents weit besser unterrichtet sind als über manche<br />

anderen Frauenklöster unseres Raumes.<br />

Der Reichsdeputationshauptschluß von 1803, ein Reichsgesetz,<br />

überwies das Stift an Hohenzollern-Sigmaringen als<br />

Entschädigung für verlorene Hoheitsrechte. Der Fürst wurde<br />

Eigentümer seines liegenden und fahrenden Besitzes und ließ<br />

HERMANN BAYER<br />

125 Jahre Betriebskrankenkasse<br />

der Fürstlich Hohenzollerischen Hüttenwerke Laucherthal<br />

Ein Beitrag zur Geschichte der Sozialversicherung in Hohenzollern<br />

1883 war das Geburtsjahr der Deutschen Sozialversicherung.<br />

Die »Kaiserliche Botschaft« von 1881 war der Auftakt und<br />

Anstoß für die Sozialgesetzgebung des Deutschen Kaiserreiches.<br />

Vor- und Leitbild für die Gesetze Bismarcks waren die<br />

bereits bestehenden 2000 Betriebs- und Fabrikkrankenkassen.<br />

Zu diesen Vorbildern gehörte auch die Betriebskrankenkasse<br />

FHH Laucherthal.<br />

Gründung der »Bruderlade«<br />

Der Gründung der Betriebskrankenkasse gingen schon Aktivitäten<br />

des Fürstenhauses voraus. Der damalige Bergverwalter<br />

Haller war darum bemüht, eine ausreichende Krankenversicherung<br />

für seine Arbeiter zu schaffen. Auf Bericht der<br />

Bergverwaltung wurden die Anordnungen für die Krankenbehandlung<br />

der »Laboranten« (Arbeiter) in einer Fürstlichen<br />

geheimen Konferenz vom 3. Mai 1833 dahin geändert, daß sie<br />

unter den für die Praxis legitimierten Ärzten freie Auswahl<br />

hatten. In einem weiteren Bericht vom 27. Januar 1835<br />

machte Haller den Vorschlag, den »Laboranten« die Beiträge<br />

zur Werkskasse zu erlassen und die Krankenkosten in Höhe<br />

von etwa 150 Gulden jährlich auf die Herrschaft zu übernehmen.<br />

Hofkammerrat Bilharz war zwar grundsätzlich für<br />

Hallers Vorschläge, regte jedoch an, die Unterstützung für<br />

die Kranken auf jährlich 100 Gulden zu begrenzen. Den Rest<br />

könnten die Arbeiter leicht selbst aufbringen. In einem über<br />

die Bergverwaltung eingereichten Gesuch vom 9. Februar<br />

1836 baten die »Laboranten« um Audienz, um dem Fürsten<br />

persönlich für den gewährten völligen Nachlaß ihrer Medizinalbeiträge<br />

zu danken. Demnach wurde dem Vorschlag<br />

Hallers voll entsprochen.<br />

Unter Bergverwalter Edele wurde im Jahre 1857 die Betriebskrankenkasse<br />

des Hüttenwerks, ursprünglich »Bruderlade«<br />

genannt, gegründet. Daneben aber gab es noch einen »Unterstützungsverein«,<br />

der Arbeitern, die alters- oder gebrechlichkeitshalber<br />

in den Ruhestand versetzt wurden, eine Unterstützung<br />

gewährte.<br />

Die »Bruderlade« ist im Zusammenhang mit der »Bruderschaft«,<br />

einer Art Betriebsgewerkschaft oder Zunft zu sehen,<br />

wie sie zu damaliger Zeit in der Hütte vorhanden war.<br />

die Fahrnisse schon 1802 versteigern. Doch durfte der Konvent<br />

sein klösterliches Leben fortsetzen, wenngleich die<br />

Neuaufnahme von Novizinnen verboten wurde, d. h. man<br />

setzte ihn auf den Aussterbeetat. Zur Bestreitung ihres<br />

Lebensunterhaltes erhielten die Schwestern Pensionen vom<br />

Fürsten.<br />

Die letzte Pröpstin M. Xaveria Braig starb 1808. Ihre Nachfolgerin<br />

war M. Ignatia Geißenhof. Sie durfte nicht mehr den<br />

Titel Pröpstin führen, sondern nur noch die Bezeichnung<br />

Vorsteherin. Ihre Nachfolgerin wurde ihre leibliche Nichte<br />

M. Maximiiiana Geißenhof. Sie war die letzte Vorsteherin<br />

Inzigkofens. Bei ihrem Tod 1852 lebten nur noch vier<br />

Stiftsmitglieder. Die letzte Laienschwester starb 1855, die<br />

letzte Chorfrau 1856. Nach ihrem Tod löschte der Kurat in<br />

Laiz das Ewige Licht in Inzigkofen und trug das Allerheiligste<br />

nach Laiz. Damit hatte das Chorfrauenstift Inzigkofen<br />

sowohl faktisch als auch symbolisch sein Ende erreicht.<br />

Praktizierte Selbstverwaltung<br />

Bei beiden Vereinigungen wurde bereits die Selbstverwaltung<br />

praktiziert. Der jeweilige Bergverwalter war Vorstand, dem<br />

ein von den Mitgliedern gewählter vierköpfiger Ausschuß zur<br />

Seite stand. Bei den Ausschußmitgliedern finden wir Namen,<br />

die auch heute noch bekannt sind und Ansehen haben: Behr,<br />

Gelle, Haas, Häberle, Hammerund Rebholz. Das Protokollbuch<br />

geht zurück bis ins Jahr 1875. Wie in den fein säuberlich<br />

geschriebenen Protokollen nachzulesen ist, wurde die Verwaltung<br />

sehr ernst genommen. Da wurde zum Beispiel<br />

entschieden, daß »ein Eisbeutel nicht unter diejenigen Gegenstände<br />

zu zählen ist, welche nach den Statuten dem Verein<br />

zur Bestreitung obliegt«. An anderer Stelle findet man die<br />

Entscheidung, daß »Wein und Thee, als Arzneimittel, die<br />

zugleich Genußmittel sind, nicht aus der Casse zu bestreiten<br />

sind«. Ein Beispiel aus dem Unterstützungsverein, wo die<br />

Ablehnung einer Unterstützung wie folgt umschrieben wurde:<br />

»Nun kann der unterzeichnete Ausschuß in keiner Weise<br />

die Ansicht gewinnen, daß das Alter oder die Gebrechlichkeit<br />

des Kohlmessers X Anspruch auf die statuarische Unterstützung<br />

rechtfertigen. Im Gegenteil ist der unterzeichnete Ausschuß<br />

der Ansicht, das Kohlmesser X unter den Umständen,<br />

wie derselbe thätig war, auf eine Reihe von Jahren sehr wohl<br />

arbeitsfähig wäre und wäre es leichtsinnig, wenn man die<br />

geringen Mittel der Unterstützungskasse an Unberechtigte<br />

verwendete.«<br />

Die Betriebskrankenkasse<br />

Kurz vor der gesetzlichen Regelung der Krankenversicherungen<br />

wurden die Bruderlade und der Unterstützungsverein<br />

zusammengelegt und als gewerbliche Unterstützungskasse<br />

weitergeführt. In einer Sitzung am 31. August 1884 beschloß<br />

der Vorstand, die Statuten der Unterstützungskasse gemäß<br />

Reichsgesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter<br />

vom 15. Juni 1883 entsprechend abzuändern und sie als<br />

»Betriebskrankenkasse« zu begründen. Daß es der neuen<br />

Kasse finanziell ganz gut ging, geht aus folgender Notiz<br />

hervor. Unter dem 29. Mai 1896 machte das Königl. Preuß.<br />

Oberamt in Sigmaringen den Vorsitzenden des Vorstands<br />

53


darauf aufmerksam, daß der Reservefonds der Kasse das<br />

Doppelte des gesetzlichen Mindestbetrages überschritten habe<br />

und deswegen von der Generalversammlung eine Ermäßigung<br />

der Beiräge oder eine Erhöhung bzw. Erweiterung der<br />

Kassenleitungen zu beschließen sei. Die Aufforderung wurde<br />

im Jahre 1898 mit Nachdruck wiederholt. In der Dehner-<br />

'schen Festschrift zum 200jährigen Bestehen der Hütte heißt<br />

es: Nach den heutigen Bestimmungen (1908) zahlen die<br />

Arbeiter 2% ihres Verdienstes als Beitrag in dieselbe. In<br />

Krankheitsfällen erhalten die kranken Mitglieder die Hälfte<br />

ihres Tagesverdienstes, wenn derselbe 5 Mark nicht übersteigt,<br />

sowie freie ärztliche Behandlung und freie Medikamente.<br />

Eltern oder andere Angehörige, welche auf den<br />

Arbeitserwerb des Mitglieds ganz oder größtenteils angewiesen<br />

sind, sowie nicht erwerbsfähige Kinder erhalten freie<br />

ärztliche Behandlung.<br />

Die schwierigen Zeiten des Ersten Weltkrieges, der Inflation<br />

und der Arbeitslosigkeit hat die Betriebskasse ohne besondere<br />

Vorkommnisse überstanden.<br />

Gefahr der Auflösung<br />

Erst im Jahre 1934 drohte Gefahr von außen. Der Vorstandsvorsitzende,<br />

Direktor Dr. Gossmann, teilte in einer Sitzung<br />

des Vorstandes und Ausschusses mit, daß Kreisleiter Maier<br />

mit Herren der zuständigen Stellen ihn zu einer Besprechung<br />

wegen Vereinigung der BKK mit den Ortskrankenkassen<br />

Krauchenwies und Sigmaringen besucht habe. Die Herren<br />

äußerten sich dabei, daß eine Gleichheit in der Sozialversicherung<br />

zu erstreben sei, damit Rechte und Pflichten der Versicherten<br />

und auch die wirtschaftliche Lage der Versicherungsträger<br />

im Sinne des nationalsozialistischen Staates möglichst<br />

gleichgeschaltet werden.<br />

Eine Entscheidung aber wurde nicht gefällt. Man ließ es auf<br />

eine gesetzliche Regelung ankommen, die aber durch den<br />

Zweiten Weltkrieg verhindert wurde. Dafür wurde die Verwaltungskraft<br />

der inzwischen größer gewordenen BKK gestärkt.<br />

Die Schatulle mit der Buchführung und den Geldmitteln<br />

im Kassenschrank des Hüttenkassierers hatte ausgedient.<br />

Die Krankenkasse bekam einen eigenen Kassenschrank. Der<br />

Angestellte Paul Gelle, der unter dem Hüttenkassierer die<br />

BKK nebenbei verwaltete, wurde zum Geschäftsführer<br />

berufen. Von Anfang an widmete er sich tatkräftig seiner<br />

neuen Aufgabe, obwohl er weiterhin für die Buchhaltung<br />

tätig sein mußte. Mit nur einem Mitarbeiter bewältigte er<br />

auch während des Krieges bis zu 2500 Versicherte; davon<br />

waren sehr viele Ausländer.<br />

Nicht weniger schwierig war die Nachkriegszeit. Einem<br />

Protokoll über die Kriegsereignisse ist u.a. zu entnehmen:<br />

22. 4. 1945 vorübergehende Stillegung des Betriebes und<br />

damit auch der Kassengeschäfte der BKK<br />

21. 6. 1945 Anweisung der Französischen Militärregierung<br />

und des Versicherungsamtes Sigmaringen, die<br />

Tätigkeit der Kasse wieder aufzunehmen<br />

1. 7. 1945 Wiederaufnahme der Kassengeschäfte in der<br />

Wohnung des bisherigen Geschäftsführers<br />

25. 7. 1945 Feststellung eines Diebstahles von 4247 RM<br />

Bargeld aus dem Panzerschrank im ehemaligen<br />

Geschäftslokal.<br />

Am 31. August 1945 hatte die Kasse nur noch 438 Versicherte.<br />

Mit Schreiben vom 1. April 1946 konnte dem Versicherungsamt<br />

Sigmaringen die Bestellung eines vorläufigen Ausschusses<br />

gemeldet werden. Er bestand aus vier Versichertenvertretern.<br />

Aufgrund einer Verordnung der französischen Militärregierung<br />

wurden im französischen Besatzungsgebiet die Betriebs-,<br />

Innungs- und Ersatzkassen aufgelöst. Ab 1. Juni 1946<br />

mußte daher auch die BKK Laucherthal in die AOK Sigmaringen<br />

eingegliedert werden. Das gesamte Vermögen der<br />

54<br />

Kasse mußte an die AOK abgeliefert werden. Fräulein Breitling,<br />

die damalige Landesgeschäftsführerin des Verbandes in<br />

Stuttgart, hatte zu Protesten aufgerufen. Auch von Laucherthal<br />

aus ging ein Protesttelegramm an den Chef der französischen<br />

Militärregierung, General Koenig, das böse Folgen<br />

hatte. Die Herren Wiedenhoff und Gelle, die das »verbrochen«<br />

hatten, wurden zur französischen Militärregierung<br />

nach Tübingen zitiert und dort eindringlich gewarnt, solche<br />

Dinge in Zukunft zu unterlassen.<br />

Neuer Anfang<br />

Nach einer Unterbrechung von über drei Jahren konnte die<br />

BKK ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Die Verordnung der<br />

französischen Militärregierung wurde aufgehoben, nachdem<br />

der Landtag von Württemberg-Hohenzollern in Tübingen<br />

ein entsprechendes Gesetz in Kraft gesetzt hatte. Nachdem<br />

sich die Belegschaft anläßlich einer Umfrage eindeutig für die<br />

Wiedererrichtung der BKK ausgesprochen hatte, zögerte die<br />

Direktion der FHH nicht und nahm in Verbindung mit dem<br />

Betriebsrat die Vorarbeiten auf, vom frühestmöglichen Zeitpunkt<br />

(1. Oktober 1949) an die BKK wieder zu errichten.<br />

Einige Jahre später wurde die Belegschaft der Elektrozentrale<br />

Sigmaringen in die Kasse aufgenommen.<br />

Dem früheren Geschäftsführer der Kasse, Paul Gelle, der<br />

über ein Jahrzehnt in vorbildlicher Weise die BKK leitete,<br />

wurde seit Aufhebung der Kasse ein anderes Arbeitsgebiet<br />

zugeteilt. Geschäftsführer wurde sein früherer Gehilfe, Hermann<br />

Bayer, der bei Prokurist Beiter Steuer- und Versicherungsangelegenheiten<br />

bearbeitete. Von dort aus leitete er die<br />

BKK, welche von dem Sachbearbeiter und stellvertretenden<br />

Geschäftsführer, Hermann Boos, verwaltet wurde. Infolge<br />

innerbetrieblicher Umbesetzungen im Jahre 1964 wurde<br />

Hermann Boos in das Lohnbüro versetzt. Hermann Bayer,<br />

der inzwischen durch die Ablegung von Fachprüfungen<br />

seinen Befähigungsnachweis erbracht hatte, übernahm nun<br />

selbst die BKK.<br />

Bereits 1951 war die Unterstützungskasse e. V. gegründet<br />

worden, die hauptsächlich die Gewährung von Werksrenten<br />

zur Aufgabe hat. Geschäftsführer und später stellvertretender<br />

Vorstand wurde ebenfalls Hermann Bayer. Schon vorher<br />

bestand eine enge Verbindung zu dieser Sozialeinrichtung.<br />

Die von der Hütte gewährten Unterstützungen wurden<br />

immer schon bei der BKK bearbeitet und ausbezahlt. Die<br />

ältesten Werksrenten gehen zurück auf das Jahr 1924. Über<br />

eine ähnliche Einrichtung zwischen der Aufhebung der gewerblichen<br />

Unterstützungskasse (1884) und dem Jahre 1923<br />

ist nichts bekannt.<br />

Heute ist die Unterstützungskasse neben der Betriebskrankenkasse<br />

der zweite Pfeiler der betrieblichen Sozialeinrichtungen.<br />

Die Neuregelung der Werksrenten 1958 bestätigt die<br />

vorteilhafte Verflechtung von BKK und UK. »Allgemeine<br />

Bemessungsgrundlage« und »Persönliche Bemessungsgrundlage«,<br />

Begriffe der gesetzlichen Rentenversicherung, finden<br />

sich als Faktoren bei der Berechnung der Werksrente.<br />

Die Neuregelung von 1958 konnte allerdings nicht weitergeführt<br />

werden. Die Dynamisierung der Werksrenten war nicht<br />

durchzuhalten. Die wirtschaftliche Entwicklung des Träger-<br />

Unternehmens war ein Grund, aber auch das gut gemeinte,<br />

doch in der Praxis so schlecht angekommene Betriebsrentengesetz<br />

tat ein übriges, daß 1979 eine Reform der Betriebsrentenregelung<br />

vorgenommen werden mußte.<br />

In der Gegenwart<br />

Die Betriebskrankenkasse hat heute 2200 Mitglieder, davon<br />

700 Rentner. Der allgemeine Beitragssatz beträgt 10 % (AOK<br />

Sigmaringen 12,4%). In der Differenz liegen natürlich die


persönlichen Verwaltungskosten, die das Unternehmen bezahlen<br />

muß; entscheidend für die gute Finanzkraft der Kasse<br />

ist die überdurchschnittlich hohe Grundlohnsumme.<br />

Ohne den Ausgleich in der Krankenversicherung der Rentner<br />

stünde es bei dem hohen Rentneranteil um die Kasse sicherlich<br />

auch nicht so gut. Hinzu kommt ein niedriger Verwaltungsaufwand,<br />

so daß wir ein leistungstüchtiger Versicherungsträger<br />

sind.<br />

Alle Beteiligten, insbesondere die Versicherten, anerkennen<br />

die Laucherthaler Kasse. Ein Beweis hierfür ist auch, daß eine<br />

ganze Reihe bei der Hütte ausgeschiedener Angestellter sich<br />

seit Jahrzenten bei unserer Kasse weiterversichern. Sicherlich<br />

nicht nur, weil sie uns die Treue halten wollen.<br />

Seit einigen Jahren arbeiten wir mit dem Werksarzt zusammen.<br />

Er schätzt die Hilfestellung, welche wir ihm geben<br />

können, respektiert aber auch die Grenzen, die vom Gesetz<br />

her eingehalten werden müssen. Gleiches gilt seit eh und je in<br />

bezug auf die Zusammenarbeit mit dem Personalbüro sowie<br />

dem Betriebsrat.<br />

Die Betriebskrankenkasse Laucherthal tritt nicht mit großen<br />

Aktionen in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Auch im<br />

Betrieb verhält sie sich eher zurückhaltend.<br />

»Öffentlichkeitsarbeit« macht der Geschäftsführer auf seine<br />

Art mit ehrenamtlicher Tätigkeit im kommunalen und sozialen<br />

Bereich, in Vergangenheit und Gegenwart. Als einzige<br />

BKK im Kreis Sigmaringen ist sie auf sich selbst gestellt; sie<br />

arbeitet gut mit der bezirklichen Arbeitsgemeinschaft in<br />

WALTER BLEICHER<br />

Weingarten zusammen. Auch hat sie ein gutes Verhältnis zur<br />

AOK Sigmaringen.<br />

150 Jahre fürstliche Fürsorge aus christlicher Grundhaltung,<br />

150 Jahre betriebliche Kranken-, Alters- und Hinterbliebenenversorgung,<br />

125 Jahre Betriebskrankenkasse ist Anlaß<br />

zum Feiern, aber auch Gelegenheit, Dank zu sagen. Dank in<br />

erster Linie dem Fürstenhaus, Dank an die Bergverwalter,<br />

Hüttendirektoren bis hin zur heutigen Unternehmensleitung,<br />

Dank an die Arbeitnehmer-Vertreter, von der Bruderschaft<br />

des Jahres 1857 bis zum heutigen Betriebsrat, Dank an<br />

die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, welche die Last<br />

der Verantwortung zu allen Zeiten mitgetragen haben.<br />

Wie geht es weiter?<br />

Für den heutigen Gesetzgeber sind wir mit 2200 Mitgliedern<br />

natürlich kein »Vorbild« mehr. Dabei tritt jedoch immer<br />

mehr zutage, daß kleine, überschaubare Einrichtungen viel<br />

besser zu verwalten sind als große Gebilde.<br />

Abschließend möchte ich noch einmal den Hofkammerrat<br />

Bilharz zitieren, der mit den Worten der damaligen Zeit<br />

geschrieben hat: »Es unterliegt keinem Anstände, daß keine<br />

Wohltat größer erscheinen kann als jene, welche man der<br />

durch unverschuldete Krankheit gebeugten und leidenden<br />

Menschheit erweist.« Und übersetzt in die Sprache von<br />

heute: »Es ist eine schöne Aufgabe, kranken Menschen zu<br />

helfen«, auch für einen Betrieb. Dies gelingt vorzüglich mit<br />

einer eigenen Krankenkasse - einer Betriebskrankenkasse. In<br />

diesem Sinne »Glück auf für die Zukunft!«<br />

Die Burgen derer von Hornstein und Hertenstein in unserer Gegend (Schluß)<br />

Von seinem Vater Hans erbte Lux von Hornstein (-1482)<br />

Heudorf, Uigendorf, Dietelhofen, Betzenweiler und einen<br />

Teil der Burg Hornstein. Da er minderjährig war, empfing<br />

sein Pfleger für ihn die württembergischen Lehen. 1454, dem<br />

Jahr seiner Heirat Meja, der Tochter des Wolf Speth, kaufte<br />

er Göffingen (s.d.). Seine Tochter Magdalena und deren<br />

Gemahl Berchtold von Stein zu Ronsberg (i. bayr. Allgäu)<br />

verkauften 1471 Schloß und Gut zu Heudorf an Hans von<br />

Stotzingen zu Rißtissen. Die Reichsfreiherren von Stotzingen<br />

saßen nun bis zum Verkauf der Herrschaft im Jahre 1790 an<br />

den Fürsten von Thurn & Taxis in Heudorf, das 1806 unter<br />

württembergische Hoheit kam.<br />

Die Burg Göffingenwar zunächst im Besitz des Ortsadels, der<br />

stammesverwandt mit den Rittern von Hornstein gewesen<br />

sein soll. Schon im Jahre 1310 sollen Hans und Walter von<br />

Hornstein die Burg je zur Hälfte besessen haben. Nach dem<br />

Tod Walters war Hans von Horstein (1345-13 75) Alleininhaber.<br />

Das Burggesäß auf dem Bussen, das mit Göffingen<br />

verbunden war, verkaufte er 1375 mit anderen Gütern an die<br />

Kinder des Berthold von Stein zu Klingenstein. Göffingen<br />

blieb zunächst im Besitz des Burkhard und des Benz von<br />

Hornstein (Söhne des Hans).<br />

Letzterer scheint durch seine Heirat in den Besitz der hinteren<br />

Burg Stoffeln gelangt zu sein. Mit ihnen erlosch die Alt-<br />

Göffinger Linie der Hornstein. Die Burg kam in den Besitz<br />

derer von Stein. 1454 verkaufte Konrad von Stein die Herrschaft<br />

Göffingen an Lux von Hornstein zu Heudorf (-1462).<br />

Als einziges Kind erbte die mit Berchtold von Stein zu<br />

Ronsberg vermählte Tochter Magdalena die Güter (vgl.<br />

Heudorf). Ihr Gemahl verkaufte im Jahre 1472 Göffingen an<br />

Konrad von Stein zu Uttenweiler, dessen Söhne es mit dem<br />

Burgstall auf dem Bussen, 1476 an Brun von Hornstein zu<br />

Hertenstein (-1506), den Inhaber von Grüningen verkauften,<br />

der sich nun in Göffingen ansäßig machte, während sein<br />

Bruder Grüningen behielt.<br />

Sein Sohn Jos I. von Hornstein gen. Hertenstein (-1549)<br />

wurde nach Auslösung seiner Brüder Alleinherr von Göffingen,<br />

das er aber schon 1509 seiner Gemahlin Dorothea von<br />

Stuben und den Töchtern übergab. Für sich behielt er nur das<br />

österreichische Lehen Bussen. Als seine Gemahlin im Jahre<br />

1538 starb, ging Göffingen wieder auf ihn über. Nach seinem<br />

Tode hatten von 1549-1556 die Söhrig Jos II. und Jakob die<br />

Herrschaft gemeinsam inne. Nach dem Tod Jos II. (1556)<br />

übernahm, neben dem Bruder ihrer Mutter, Jakob die Vormundschaft<br />

über die hinterlassenen noch unmündigen 2<br />

Söhne und drei Töchter.<br />

Der Sohn Christoph Hermann von Hornstein zu Göffingen<br />

(-1625) erbte 1582 nach dem Tod seines früheren Vormunds,<br />

der ledig starb, dessen Anteil und war nun Alleinherr von<br />

Göffingen. Die Nachfrage trat der älteste Sohn Jos //¿.von<br />

Hornstein an (-1645), die dann von dessen Sohn Adam<br />

Bernhard von Hornstein fortgesetzt wurde (-1722). 1693<br />

erwarb er die Stammburg Hornstein mit Bittelschieß und<br />

Bingen (s. d.).<br />

Nach seinem Tod erbte Franz Marquard »von und zu<br />

Hornstein auf Göffingen, Bingen, Bussen, Bittelschieß und<br />

Vogelsang« (-1740) als einziger Sohn den Besitz, der nach<br />

seinem Tod an den Sohn Marquard Eustach (1806) überging<br />

(vgl. Hornstein). Dessen Sohn Bernhard bekam noch zu<br />

55


Lebzeiten des Vaters im Jahre 1786 Göffingen übertragen.<br />

Sein Vater verkaufte jedoch im Jahre 1790 u. a. auch Göffingen<br />

an den Fürsten Karl Anselm von Turn & Taxis. Bernhard<br />

erwarb Schloß und Gut Bertolsheim in Bayern, wohin er<br />

noch im selben Jahr mit seiner Familie zog. Er wurde der<br />

Begründer der Linie Bußmannshausen. Sein Bruder der<br />

Begründer der Linie Wackerstein. - 1806 kam Göffingen<br />

unter württembergische Hoheit, 1812 wurde das Schloß<br />

abgetragen.<br />

Die Burg Schatzberg, auf einem Felsensporn südöstlich Egelfingens,<br />

hatte in ältesten Zeiten einen eigenen Adel, Ob<br />

Konrad von Schatzberg (1274), ein Lehensmann des Grafen<br />

Hartmann von Grüningen, schon ein Hornsteiner war, ist<br />

ungewiß. Er war auch in Beizkofen begütert. Seine Witwe<br />

Elisabeth resignierte die Eigenschaft eines dortigen Gutes in<br />

die Hand des Grafen Hartmann von Grüningen, der es 1274<br />

dem Kloster Salem übergab. - Die Burg Schatzberg kam von<br />

ihm an Graf Hugo von Montfort-Tettnang, den Inhaber der<br />

Herrschaft Scheer, der sie mit dieser Herrschaft zwischen<br />

1287 und 1291 an die Habsburger verkaufte. Von ihnen war<br />

Johannes I. von Hornstein mit der Burghut betraut nahm aber<br />

bald darauf die Burg als Lehen in Anspruch.<br />

Sein Sohn Heinrich von Wilflingen gen. von Hornstein saß auf<br />

der Burg Wilflingen und besaß wahrscheinlich auch Schatzberg.<br />

Auch dessen Sohn Hans II. von Hornstein saß noch zu<br />

Wilflingen, während sich sein Sohn Hans III. von Hornstein<br />

»zu Schatzberg und Wilflingen« schrieb. 1410 verkauften er<br />

und seine Söhne Heinrich und Hans an Stefan von Gundelfingen<br />

ihre beiden Höfe zu Neufra. Aus Hans III. folgte der<br />

Sohn Hans IV., der neben den Stammgütern Schatzberg und<br />

Wilflingen u. a. von Herzog Friedrich von Österreich, dessen<br />

Hauptmann er war, 1434 die Pfandherrschaft Hohenberg<br />

erhielt.<br />

1435 verkaufte er sein Dorf Emerfeld an das Stift Buchau,<br />

1438 die Burg und Dörfer Groß- und Klein-Wilflingen, gen.<br />

Enhofen, und den Weiher zu Enslingen an den württembergischen<br />

Landhofmeister Hans, Truchseß von Bischishausen.<br />

Dieser erwarb von Konrad von Hornstein, dem Sohn des<br />

Hänsli von Grüningen, im Jahre 1440 auch die »Wyden«,<br />

Leute und Gut, die Lehenschaft und das Vogtrecht der<br />

Kirchen zu Wilflingen, dem Dorf, bei der Burg gelegen. Jos<br />

von Hornstein (-1485), der Sohn Hans IV., der als Erbe der<br />

Pfandschaft Hohenberg auf der Burg Hohenberg residierte,<br />

besaß die Feste Schatzberg mit Egelfingen und Güter zu<br />

Langenenslingen. 1454 verkaufte er Schatzberg an seinen<br />

Vetter Konrad von Hornstein zu Grüningen. Die Burg war<br />

damals bereits zerstört. Uber dessen Tochter kam das Burgstall<br />

an Georg I von Hornstein gen. von Hertenstein zu<br />

Grüningen, der es aber sofort (1487) mit Zubehör an den<br />

Sigmaringer Vogt Hans von Mulfingen verkaufte. 1538<br />

erwarb Sebastian Schenk von Stauffenberg zu Wilflingen den<br />

Besitz, der nun in den Händen dieser Familie blieb.<br />

Die Burg Asenheim, an die noch der Flurname »Burgstall«<br />

erinnert, stand nördlich von Unlingen. Der gleichnamige<br />

abgegangene Ort war alaholfingischer Besitz, der 805 und 824<br />

an das Kloster St. Gallen ging und 973 von »Herzog Bertold«<br />

an das Kloster Reichenau geschenkt wurde. 1246 trugen<br />

Swiger d. Ä. von Gundelfingen und seine Söhne ihren Besitz<br />

in Asenheim dem Abt von Reichenau als Lehen auf. Als<br />

Erbauer der mit einem Graben umgebenen Wasserburg gilt<br />

der im Jahre 1298 genannte Bertold von Stein zu »Ensheim«.<br />

Seine Tochter vermählte sich mit Johannes von Hornstein,<br />

dem Bruder Mangolds der auf der Burg Veringen saß.<br />

Johannes hatte die Töchter Ursula und Anna, denen ihr<br />

Großvater im Jahre 1314 das Gut Asenheim vermachte, daß<br />

er als Lehen des Klosters Zwiefalten innehatte. Als nächster<br />

Inhaber ist Manz von Hornsteingenannt, der mit einer von<br />

Asenheim vermählt war. Er erhielt im Jahre 1321 von der<br />

56<br />

Vorsteherin des Frauenklosters Zwiefalten das von Swiger<br />

von Gundelfingen ihrem Kloster geschenkte Gut Asenheim<br />

zu Lehen und stellte 1322 hierüber den Revers aus. Konrad<br />

von Hornstein (-1410), vermutlich der Sohn, der mit Elisabeth,<br />

der Schwester des Zwiefalter Abts Anselm von Ehrenfels<br />

vermählt war, saß zunächst noch mit Manz von Hornstein<br />

der 1368 letztmals als Zeuge erwähnt wird, auf Asenheim.<br />

1410 war die Burg im Besitz Ludwig von Aderzhofen,<br />

der mit Anna von Hornstein auf der unteren Burg in Grüningen<br />

wohnte. Sie wollten zunächst Asenheim an das Kloster<br />

Zwiefalten verkaufen (1424), verpfändeten es aber 1425 an<br />

das Kloster und gaben es 1429 der Bauernschaft von Unlingen<br />

zu kaufen, die schon 1426 von Bernhard von Gundelfingen<br />

den Asenheimer Wald, den dieser von Ludwig von Aderzhofen<br />

erworben hatte, in ihren Besitz brachte.<br />

Die Burg Pflummern, am oberen Ende des Dorfes war von<br />

dem seit 1183 nachgewiesenen Ortsadel, den wir später in<br />

Kanzach, Seekirch und dann in Biberach antreffen, an die<br />

Veringer übergegangen. 1302 übergab sie Graf Mangold von<br />

Nellenburg mit weiteren Gütern an das Kloster Reichenau.<br />

Der Ritter H. Fleck verkaufte im Jahre 1311 seinen Besitz an<br />

Erisdorf, um die Burg Pflummern dem Grafen Wolfrad von<br />

Veringen bezahlen zu können (Dieser Besitz in Erisdorf<br />

wurde von den Veringern dem Johann von Hornstein übertragen).<br />

Ein Hermann von Hornstein vermachte im Jahr 1331<br />

seinen Besitz in Pflummern dem Hans von Hornstein<br />

(-1353). Bei diesem handelt es sich vermutlich um den o.a.<br />

»Johann« von Hornstein, der sich in der Folgezeit »von<br />

Pflummern« nannte. Den Besitz in Erisdorf verkaufte er an<br />

Heinrich von Reischach. In Pflummern saß neben Hans von<br />

Hornstein auch Konrad von Pflummern.<br />

Ungeklärt ist, vpn wem die von Jungingen den Zehnten zu<br />

Pflummern erhielten, den sie 1346 an Heinrich von<br />

Reischach, dem Bruder des Sigmaringer Vogts Eck von<br />

Reischach, verkauften. 7/8 dieses Zehnten kam 1380 durch<br />

Heinrichs Tochter Adelheid von Freiberg an das Kloster<br />

Heiligkreuztal. Im Verlaufe des Städtkrieges wurde im Jahre<br />

1350 die Burg Pflummern samt dem Dorf niedergebrannt.<br />

1369 besaßen Wilhelm und Wolf von Magenbuch das Achtel<br />

des Zehnten zu Pflummern als württembergisches Lehen, das<br />

Adelheid von Freiberg bereits 1361 verkauft hatte. Die Agnes<br />

von Magenbuch war mit einem von Hornstein vermählt. Da<br />

ihr Sohn Ludwig von Hornstein, der sich mit einer Fr. von<br />

Sulz vermählte, vermutlich von Pflummern wegzog, kam der<br />

hornsteinische Anteil von Pflummern an die Magenbuch. Die<br />

Burg (Ruine) war noch immer im Besitz des Heinrich von<br />

Pflummern (vermutlich Sohn Konrads), der sie 1370 nach<br />

seiner Rückkehr von einem 20jährigen Italienaufenthalt,<br />

verkaufte. Er selbst zog mit seiner Familie nach Biberach, wo<br />

er im Jahre 1402 starb. Der Aufenthalt derer von Magenbuch<br />

in Pflummern dauerte nicht lange. Schon 1416 saß dort Georg<br />

(Gery) Truchseß von Ringingen. Ab 1438 besaß der württembergische<br />

Landhofmeister Hans Truchseß von Bischishausen<br />

Pflummern und Wilflingen. Die Hälfte an Gericht,<br />

Zwing und Bann, Steuern usw. kam in den Besitz des Hans<br />

Kern zu Veringen, von diesem an den Sigmaringer Vogt Jörg<br />

Denehard, der sie 1452 an Heinrich Boß, und Bernhard Boß,<br />

den Inhabern des unteren Schlosses von Grüningen verkaufte<br />

(Bernhard war mit Anna von Hornstein, der Tochter Hans<br />

IV. von Hornstein zu Schatzberg und Wilflingen vermählt).<br />

Als Truchseß Hans von Bischishausen im Jahre 1461 seinen<br />

Besitz teilte, erhielten die Töchter Barbara und Lucya Wilflinen<br />

und Pflummern. Barbara heiratete in diesem Jahr den<br />

Schenken Werner von Stauffenberg, der noch im selben Jahr<br />

anstatt des Heinrich Boß dessen Grüninger Besitz an Brun<br />

III. von Hertenstein verkaufte.<br />

Lucia, die Pflummern erhalten hatte, war mit Konrad von<br />

Werdnau, ihre Schwester Udal mit Dietrich Speth von Sulz-


erg vermählt. 1486 verkaufte Lucia als Witwe Burg und<br />

Dorf Pflummern an den württembergischen Hofmeister<br />

Dietrich Speth von Neidlingen; auf ihn folgte Sebastian<br />

Speth, dann dessen Sohn Jörg Dietrich. Nach seinem Tod fiel<br />

das Dorf von ihm im Jahre 1565 an Kaspar von Karpfen, der<br />

mit seiner Schwester Magdalena verheiratet war. Von den<br />

sieben Erbtöchtern Kaspars kaufte in den Jahren 1605 und<br />

1606 Württemberg das Dorf.<br />

WOLFGANG IRTENKAUF<br />

Quellen:<br />

»Die von Hornstein und von Hertenstein« v. Edward v. Hornstein;<br />

»Die Burgen Württembergs« v. Schönhut; »Schwab. Kunde« v. W.<br />

Bleicher; Kindler-Knobloch (Stammtafeln) »Der Ursprung des Hauses<br />

Württemberg« v. Krüger<br />

Wilhelm Werner von Zimmern und seine literarische Hinterlassenschaft<br />

Wilhelm Werner von Zimmern, Herr auf Herrenzimmern,<br />

wurde einst als mutmaßlicher Verfasser der weltbekannten<br />

Zimmerischen Chronik geführt, bis man inzwischen seinen<br />

Neffen Christoph Froben von Zimmern als den »Richtigen«<br />

erkannte. Das schmälert den Ruhm des Onkels keineswegs,<br />

denn er war Verfasser einer fünfbändigen Bischofschronik<br />

des Erzbistums Mainz. Diese nimmt in der Geschichtsschreibung<br />

des 16. Jahrhunderts einen hohen Rang ein, zumal der<br />

geographische Begriff Mainz eigentlich irreführend ist. Es<br />

handelt sich vielmehr um eine verkappte Kirchengeschichtsschreibung<br />

Deutschlands, eine »Germania sacra«. Mainz ist<br />

hier als geistlicher Zentralsitz des deutschen Katholizismus<br />

von den Anfängen der Christianisierung bis zur Mitte des<br />

16. Jahrhunderts zu betrachten. Wir wollen hier vor allem<br />

den Spuren dieses nur handschriftlich überlieferten, also<br />

niemals gedruckten Werkes nachgehen.<br />

Der Verfasser: Wilhelm Werner von Zimmern<br />

Unser Wilhelm Werner von Zimmern hat seinen ungebrochenen<br />

Ruf in der Geschichtsschreibung seiner Zeit gehabt. Aber<br />

auch persönlich muß er ein überragender Mensch gewesen<br />

sein. Gerühmt werden eine ganze Menge von guten Eigenschaften<br />

1 : Redliche Dienstfertigkeit, hohes, fast pedantisches<br />

Pflichtgefühl, ausgeprägter Rechtssinn, solide, ausgedehnte<br />

Kenntnisse und wahrhafte, durch die Reformation nicht<br />

beeinträchtigte Frömmigkeit.<br />

Neunzig Jahre alt ist dieser bewundernswerte Mann geworden.<br />

Am 6. Januar 1485 zu Meßkirch geboren, wurde er als<br />

Heranwachsender am Hofe von Herzog Ulrich von Württemberg<br />

in Stuttgart erzogen, studierte an den Universitäten<br />

Tübingen und Freiburg zunächst auf eine geistliche Laufbahn<br />

hin, die ihm aber versagt blieb, worauf er sich ganz der<br />

Juristerei verschrieb. So konnte er im Jahre 1510 Hofrichter<br />

in Rottweil werden. Er war damals 25 Jahre alt.<br />

In den nun folgenden Jahren erwarb er das Schloß Herrenzimmern<br />

nahe seiner neuen Wirkungsstätte, dessen Renovierung<br />

bzw. Umbau Jahrzehnte in Beschlag nahmen. 19 Jahre<br />

später-wir schreiben jetzt 1529-zog er als Richter an das mit<br />

vielfältigen Aufgaben bedachte Kammergericht nach Speyer,<br />

wo er bis zum Eintritt in den Ruhestand 1554 mit einigen<br />

Unterbrechungen verblieb.<br />

Dort fand Wilhelm Werner Muße und Gelegenheit, seinen<br />

geschichtlichen Studien und damit seinem Hobby nachzugehen.<br />

In zwölf Jahren, von 1538-1550, schrieb er die schon<br />

erwähnte Chronik der Bistümer Deutschlands, die Bischofschronik.<br />

Nach ihrem Abschluß ließ die Schaffenskraft des<br />

Autors langsam nach, weshalb wir nur noch Kenntnis von<br />

einer Art Geschichte des Speyrer Kammergerichts (1553) und<br />

einer Arbeit über die Feierlichkeiten der deutschen Kaiser<br />

und Könige (1558) haben. Jetzt, in den fast drei Jahrzehnten<br />

seines Lebensabends, hatte Wilhelm Werner Gelegenheit, auf<br />

Herrenzimmern die langsame Fertigstellung der Chronik<br />

seines Neffens zu beobachten, sich seinen Büchern zu widmen<br />

und mit Gelehrten vielfältigen Umgang zu pflegen. Er,<br />

Wilhelm Werner, war das Gegenteil seines Bruders Gottfried<br />

Werner, der auf Schloß Wildenstein oberhalb von Beuron<br />

mutwillig die alten Urkunden und Schriften zerstörte. Das<br />

mußte in den Augen des Schloßherrn von Herrenzimmern als<br />

ein Angriff auf die göttliche Weltordnung bewertet worden<br />

sein.<br />

Wilhelm Werner hatte seinerseits schon im Jahre 1552 den<br />

Verlust eines wesentlichen Teils seiner Bibliothek beklagen<br />

müssen. Damals floh er seinen Bücherschatz von Speyer im<br />

Zuge des Schmalkaldischen Krieges von Speyer über Straßburg<br />

nach Herrenzimmern. Die Bücherfässer fielen beim<br />

Transport in die Kinzig. Zwei Drittel des kostbaren Gutes<br />

verfaulten anschließend, weil bei der Ankunft der lädierten<br />

Fracht in Herrenzimmern es versäumt wurde, die Beschädigungen<br />

sachgemäß auszubessern. Nur: Woher hätte Wilhelm<br />

Werner von Zimmern damals einen Restaurator »beziehen«<br />

sollen?<br />

Als er an seinem 90. Geburtstag, dem Dreikönigstag des<br />

Jahres 1575, seine Augen für immer schloß, hatte er, der in<br />

zwei Ehen kinderlos geblieben war, in seinem Testament<br />

genau festgelegt, wie mit seiner Hinterlassenschaft zu verfahren<br />

sei. Seine Leiche sollte aufgeschnitten, das Herz herausgenommen<br />

und in der Schloßkapelle von Herrenzimmern<br />

beigesetzt werden, während der (übrige) Leib in die Zimmerische<br />

Fürstengruft nach Meßkirch zu überführen sei. Dort<br />

wurde in einem heute nicht mehr vorhandenen Epitaph<br />

Leben und Werk des großen Juristen und Schriftstellers<br />

verherrlicht.<br />

Das Herz befindet sich heute in der Schloßkapelle auf<br />

Heiligenberg (oberhalb von Salem).<br />

Die heute noch bekannten Exemplare der Bischofschronik<br />

Die fünf Bände der Bischofschronik des Wilhelm Werner von<br />

Zimmern mit ihren insgesamt 13 Bistumsbeschreibungen<br />

befinden sich heute in folgenden Archiven bzw. Bibliotheken<br />

2 :<br />

1. Buch: Mainz<br />

Entwurf: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel<br />

Reinschrift: Thüringische Landesbibliothek Weimar<br />

2. Buch: Worms, Würzburg und Eichstätt<br />

Entwurf: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt<br />

Reinschrift: Fürstl. Fürstenbergische Hofbibliothek<br />

Donaueschingen<br />

57


3. Buch: Speyer, Straßburg und Verden<br />

(nur) Entwurf: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt<br />

4. Buch: Chur, Hildesheim und Paderborn<br />

Reinschrift: Württ. Landesbibliothek Stuttgart<br />

5. Buch: Halberstadt, Konstanz und Augsburg<br />

Man kann aus dieser Aufstellung ersehen, daß sich Entwürfe<br />

bzw. Reinschriften von diesem Werk überall in Deutschland<br />

finden. Das lag nicht im Sinne des Urhebers, denn dieser<br />

wünschte, wie noch zu zeigen sein wird, sein Werk als<br />

Ganzes an einem Ort erhalten. Die Bücher, so dürfen wir mit<br />

an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sagen, gingen<br />

an die von Froben Christoph von Zimmern gegründete<br />

Bibliothek in Meßkirch 3 . Sie muß sehr bald bekannt geworden<br />

sein, denn damals rühmte man sie als einen der größten<br />

Schätze Deutschlands (!)<br />

Der heute in der Österreichischen Nationalbibliothek in<br />

Wien aufbewahrte Bibliothekskatalog von 1576 - niedergeschrieben<br />

ein Jahr nach Wilhelm Werners Tod - macht uns<br />

deutlich, daß der Grundstock der Meßkircher Bibliothek die<br />

Bücherschätze aus Herrenzimmern waren. Und es heißt dort<br />

ausdrücklich, Wilhelm Werner habe seinen Erben den<br />

Auftrag erteilt, alles beieinander zu lassen.<br />

In drei Exemplaren der Bischofschronik (Donaueschingen,<br />

Stuttgart und Weimar) findet sich das eigenhändig von Wilhelm<br />

Werner von Zimmern niedergeschriebene Gebot, diese<br />

Bände zusammenzuhalten. Es folgt nunmehr der Wortlaut 4 :<br />

Dises ist dad fiert buch der materi vondem Ertzstifft Mentz /<br />

und des selben Süfraganeis, welches alles in fünf gleiche /<br />

bücher begriffen ist. Das erst, mit A bezaichnet, sagt allain /<br />

von dem Ertzstifft Mentz. So sagt und begreifft das ander, /<br />

mit B, die dreuw bischtümb Wormbs, Wurtzpürg und<br />

Aystett. / Das mit C bezaichnet, darin fint man geschriben<br />

das / leben und die geschichten aller bischofder dreyer stifft<br />

Speyr, / Sträspürg und Verden. So ist dises das fiert buch<br />

bezaichnet / mit dem buchstaben D, begreifft in im die<br />

bischtümb Cür, Hildeshaim und Paderborn. Das fünft aber<br />

und letst buch,/ mit E bezaichnet, erklert die bischtümb<br />

Halberstat, Costentz / und Aügspürg. Dise fünf bucher hab<br />

ich Wilhelm / Wernher graüe und her zü Zimbern selber nit<br />

mitt geringer / mue zuosamen gebrächt und ob den zwölfen<br />

jaren mit umb-/ gegangen, bis ich das alles so in dem und in<br />

den andern buchern / geschriben stat, erfa en und jewegen<br />

geprächt hab, die ich / mich mit meiner selb aygen hannd<br />

geschriben. Darumb / so bit ich meine erben, diewayl ich so<br />

vil unmüss, mu und / arbait darmit gehapt, sy wollend sy<br />

onzertrennt bey ain / andern von mainen wegen behalten und<br />

lieb haben, aüch / darbey im besten gedencken. dises hab ich<br />

geschriben / am zehenden tag des monatz Junii, als man zeit<br />

näch / Cristi unsers lieben herren gebürt thaüsend fünfhün-/<br />

dert und fünftzig jar.<br />

Der bzw. die letzte(n) Zimmern<br />

Als Wilhelm Werner von Zimmern 1575 seinen Unruhestand<br />

beenden mußte, war der chronikschreibende Neffe Froben<br />

Christoph schon sieben Jahre tot. Wilhelm Werners Bibliothek<br />

wanderte von Herrenzimmern nach Meßkirch, wo sie<br />

der letzte männliche Zimmern, Graf Wilhelm, in Empfang<br />

und unter seine Fittiche nahm.<br />

Wilhelm, geboren 1549, war im Todesjahr seines Herrenzimmerner<br />

Großonkels kaiserlicher Hofmarsciiall, also »ein<br />

nobel gewordener Herr« 5 . Seine finanzielle Wohlhabenheit<br />

drückt sich in der splendiden Anlage eines Tiergartens beim<br />

Falkenstein im oberen Donautal aus, er ließ Künstler nach<br />

Meßkirch kommen und legte als früher Wirtschaftsmanager<br />

eine Glashütte bei Leibertingen an. So auch erklärt sich das<br />

Münzprivileg für ihn, das er 1576 erhielt.<br />

58<br />

»Versuche, den Erbgang durch eigene Verfügungen zu<br />

regeln, hat Graf Wilhelm offenbar nicht gemacht; vielmehr<br />

beläßt er es bei der Intestatabfolge der Schwestern. « Doch die<br />

Zahl der Schwestern beläuft sich auf acht. Als er, Graf<br />

Wilhelm, im Jahre 1584 starb, hatte er den Schwägern aus<br />

dem Hause Helfenstein eine dominierende Rolle zugedacht.<br />

Eine Erbengemeinschaft von ungeheurem Ausmaß entstand.<br />

Die Grafen Georg und Froben von Helfenstein fanden die<br />

Miterben im Juli 1596 mit 400000 Gulden -ab. Und als die<br />

Tochter des Grafen Froben von Helfenstein 1627 den Grafen<br />

Wratislaus von Fürstenberg heiratete, war der weitere Besitzgang<br />

vorgezeichnet.<br />

So gelangten nach der herkömmlichen Meinung auch Entwurf<br />

und Reinschrift der Zimmerischen Chronik in die<br />

Fürstenbergische Bibliothek (heute in Donaueschingen).<br />

Doch die Bistumschronik Wilhelm Werners ging bis auf<br />

einen Band, der heute ebenfalls in Donaueschingen zu finden<br />

ist, andere Wege.<br />

In dem Hochzeitsjahr 1627 (Fürstenberg-Helfenstein) sah<br />

der damalige Sigmaringer Stadtpfarrer Jakob Mer(c)k noch<br />

den Konstanzer Band der Bischofschronik, deren Reinschrift<br />

heute als verschollen angesehen werden muß (nur der Entwurf<br />

blieb, siehe oben, erhalten). Wahrscheinlich lag dieser<br />

Band damals noch in Meßkirch.<br />

Bleiben wir aber doch bei den acht Schwestern. Sie waren mit<br />

folgenden Adelshäusern verbunden:<br />

1. Anna mit Fürstenberg<br />

2. Apollonia mit Helfenstein<br />

3. Johanna mit Waldburg-Wolfegg<br />

4. Kunigunde mit Königsegg<br />

5. Maria mit Lantieri<br />

6. Sibylla mit Hohenzollern-Hechingen<br />

7. Ursula mit Ortenberg.<br />

Die letzte, 8. Schwester, blieb unvermählt.<br />

Weitere Schicksale der Bischofschronik<br />

Lange Zeit war nicht bekannt, wie es zur Zerstückelung der<br />

ursprünglich fünfbändigen Einheit des Werkes von Wilhelm<br />

Werner von Zimmern gekommen ist. Inzwischen ist es<br />

gelungen, über den weiteren Besitzgang Klarheit zu gewinnen.<br />

Im Stuttgarter Exemplar der Bischofschronik (= Band 4)<br />

findet sich am Schluß des eigenhändigen Eintrags von Wilhelm<br />

Werner, wonach er seinen Erben den Auftrag gab, die<br />

Bände als Einheit zu behandeln, ein weiterer Eintrag von<br />

anderer Hand, der in der Zwischenzeit durch sorgfältiges<br />

Durchstreichen unleserlich gemacht wurde. Er lautet auszugsweise:<br />

»Ex dono ... generosi domini Georgii Baroni a<br />

Königsegg... Aulendorff patroni 1603«. D. h.: 1603 verfügte<br />

Graf Georg von Königsegg über diesen Band; er war Patron<br />

von Aulendorf. 1623 aber, so gibt der alte Bibliotheksvermerk<br />

auf Blatt 5 der Handschrift zu erkennen, war die<br />

Handschrift im Besitz des Benediktinerklosters Weingarten.<br />

Von dort kam sie nach der Säkularisation nach Stuttgart.<br />

Der Bibliothekseintrag Weingarten 1623 ist selten; er kann<br />

nur ein einziges Mal bei einer in tschechischer Sprache<br />

abgefaßten Handschrift (heute ebenfalls in Stuttgart) nachgewiesen<br />

werden. Offenbar war das testamentarisch vermachte<br />

Geschenk des Grafen Georg von Königsegg, der 1622 verstorben<br />

war, nicht besonders groß, denn sonst hätte man<br />

mehr Weingartner Besitzvermerke mit der Jahreszahl 1623<br />

(bzw. 1622) finden müssen.<br />

Graf Georg von Königsegg-Aulendorf<br />

Verhältnismäßig leicht löst sich die Frage, warum Georg von<br />

Königsegg-Aulendorf gerade in Weingarten eine so bedeu-


tende Handschrift geschenkt hat: es war lange Zeit (bis 1546)<br />

Grablege des Geschlechts, bevor Aulendorf an diese Stelle<br />

trat.<br />

Er, Georg von Königsegg, hätte diese Handschrift auch<br />

einem seiner Söhne überantworten können, von denen der<br />

älteste, Johann Jakob, seit 1606 Domherr in Salzburg war,<br />

während ein später geborener, Leopold, ebenfalls in dieser<br />

Eigenschaft in die Domstadt an der Salzach kam 7 . Offenbar<br />

war dies jedoch nicht sein Wunsch.<br />

Georg von Königsegg, mit vollem Namen auch Herr zu<br />

Aulendorf, Rothenfels (bei Immenstadt) und Staufen, war<br />

Unterlandvogt des Elsaß, Schultheiß zu Hagenau, kaiserlicher<br />

Rat und oberster Kämmerer des österreichischen Erzherzogs<br />

Ferdinand von Tirol. Als er am 20. August 1622<br />

einem Mordanschlag zum Opfer fiel, konnte man in den<br />

Nachrufen sein reiches Lebenswerk rühmen. Die erste Frau,<br />

die er im April 1589 zu Wolfegg heiratete, war Kunigunde aus<br />

dem Truchsessenhaus. Er verlor sie bereits im Jahre 1604. In<br />

zweiter Ehe war er mit Johanna, geborene von Eberstein,<br />

vermählt, die bereits vorher eine Ehe mit Eitelfritz von<br />

Hohenzollern-Hechingen geführt hatte.<br />

Vom reichen Bibliotheksbesitz der Königsegg zeugt die<br />

Tatsache, daß bis noch vor wenigen Jahrzehnten sich eine<br />

Handschrift über das Konzil von Konstanz aus der Feder und<br />

mit den Federzeichnungen des Ulrich von Richenthal in<br />

ihrem Besitz befand, ehe sie nach New York abwanderte 8 .<br />

Es wäre möglich gewesen, - und deswegen mußten diese<br />

Verhältnisse etwas ausführlicher dargestellt werden -, daß<br />

dieser Graf Georg die Zimmerische Handschrift über seinen<br />

ersten Schwiegervater, den Truchsessen von Waldburg-<br />

Wolfegg, empfangen hatte; denn dessen Frau war eine der<br />

acht bereits genannten Erb-Schwestern aus dem Hause Zimmern,<br />

Johanna. Sie, die 1548 Geborene, überlebte sowohl<br />

ihren Mann als auch ihre Tochter (f 1613) 9 . Als Miterbin<br />

hätte sie theoretisch den 4. Band der Zimmerischen Bistumschronik<br />

erben können, um ihn dann ihrem Schwiegersohn<br />

Georg von Königsegg zu schenken. Dieser Schwiegersohn<br />

war am Wolfegger Hof favorisiert, denn er übernahm die<br />

Stelle und Aufgabe eines Vormunds bei seiner Schwiegermutter,<br />

als durch den frühen Tod von deren Mann noch nicht<br />

volljährige Kinder übrigblieben 10 .<br />

Graf Berthold und seine Gemahlin<br />

Nach allen herkömmlichen Regeln hätten wir den Weg des<br />

4. Bandes der Bistumschronik des Wilhelm Werner von<br />

Zimmern aufgehellt:<br />

Wilhelm Werner von Zimmern<br />

Meßkircher Bibliothek des Grafen Wilhelm von Zimmern<br />

i i i / ,<br />

Gattin des Truchsessen von Waldburg-Wolfegg<br />

i<br />

Kunigunde von Königsegg, deren Tochter<br />

Georg von Königsegg, Erbe von Kunigunde, seiner 1. Frau<br />

Benediktinerkloster Weingarten<br />

Württ. Landesbibliothek Stuttgart.<br />

Doch dieser so einleuchtende Gang muß in den mittleren<br />

Teilen unseres »Stammbaums« anders verlaufen sein. Beweisstück<br />

für diese Behauptung ist der in der Fürstl. Fürstenbergischen<br />

Hofbibliothek in Donaueschingen aufbewahrte soge-<br />

nannte »Ältere Zimmerische Totentanz«. Diese Handschrift<br />

kam auch über das Haus Königsegg an die heutige Besitzerin.<br />

Die Geschichte dieser Handschrift klammert sich jedoch, wie<br />

die Besitzeinträge unzweifelhaft dartun, nicht an Johanna<br />

von Zimmern und damit den Gang über den Waldburger Hof<br />

in Wolfegg, sondern an eine ihrer Schwestern, Kunigunde.<br />

Sie war jünger als Johanna (geboren 1552) und heiratete im<br />

Jahre 1580 den Grafen Berthold von Königsegg, d.h. einen<br />

Bruder unseres Georg. Sie starb im Jahre 1602 n . In der<br />

Sebastianskapelle der Aulendorfer Pfarrkirche ist noch das<br />

Epitaph für sie und ihren Gemahl erhalten 12 .<br />

Kunigundes Gemahl Berthold stand dem Werk des alten<br />

Wilhelm Werner von Zimmern schon von Berufs wegen<br />

näher, da er seit 1568 kaiserlicher Rat und Präsident jenes<br />

Reichskammergerichts war, an dem Wilhelm Werner Jahrzehnte<br />

zuvor gewirkt hatte. Wenn man hinzufügt, daß<br />

Bertholds und Georgs gemeinsamer Vater Johann Jakob von<br />

Königsegg auch schon Präsident an diesem Gericht war, dann<br />

kann man vielleicht ermessen, warum man das literarische<br />

Zimmernerbe weder den Helfensteinern noch irgendeinem<br />

anderen Adelshaus, mit dem man verwandt war, übertragen<br />

wollte. Hier in Aulendorf bei den Königseggs schien die<br />

Kontinuität, das Traditionsverständnis, am besten gewährleistet.<br />

Sicher hat damals der materielle Wert von Handschriften<br />

noch eine untergeordnete Rolle gespielt. Es ging um den<br />

Inhalt. Es muß - dies als Anregung - geprüft werden, ob nicht<br />

noch weitere Teile des Zimmerischen Erbes über diese Aulendorfer<br />

Bibliothek gewandert sind, und man kann in diese<br />

Betrachtung auch die Konzilshandschrift (s. o.) mit einschließen.<br />

Den bisherigen Wirrwarr verdanken wir den »Sprossen«<br />

des Geschlechts derer von Zimmern, wie es so schön in einem<br />

Brief des Georg von Helfenstein an den Truchsessen von<br />

Waldburg-Wolfegg heißt 13 : ».. .Wobei der Baum der Zimmernschen<br />

Frucht seine Sprossen gleichsam wie eine Bruthenne<br />

ihre Jungen sammeln und einmal alle beieinander<br />

sehen und die jungen Sprossen ihrer Natur sich mit einander<br />

erfreuen und belustigen könnten«.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

So vor allem Beat Rudolf Jenny, Graf Froben Christoph von<br />

Zimmern. Lindau-Konstanz 1959 (an vielen Stellen).<br />

2<br />

Nachweise bei "Wilhelm Engel, Die Würzburger Bistumschronik<br />

des Grafen Wilhelm Werner von Zimmern und die Würzburger<br />

Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts. Würzburg 1952<br />

(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte.<br />

Reihe 1, Band 2).<br />

3<br />

Heinrich Modern, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen<br />

des allerhöchsten Kaiserhauses 20, 1899, S. 113 ff.<br />

4<br />

Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Handschrift HB<br />

V 33, vorderer Deckel.<br />

5<br />

Karl Siegfried Bader, in: Zeitschrift für hohenzollerische Geschichte<br />

13, 1977, S. 124f.<br />

6<br />

Paul Beck, in: Schwäbisches Archiv 29, 1911, S. 160.<br />

7<br />

Ders., in: Diözesanarchiv für Schwaben 14, 1896, S. 7.<br />

8<br />

Rudolf Kautzsch, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 48,<br />

1894, S. 447 f.<br />

9<br />

Joseph Vochezer, Geschichte des fürstlichen Hauses Waldburg.<br />

Band 3, Kempten 1907, S. 449. Ihr Bildnis ist zusammen mit dem<br />

ihres Mannes erhalten (ebd., Band 1, Kempten 1888, S. 719).<br />

10<br />

Ders., Band 3, S. 520.<br />

11<br />

Ders., Band 3, S. 483.<br />

12<br />

Adolf Schahl, Die Kunstdenkmäler des ehemaligen Kreises Waldsee.<br />

Stuttgart-Berlin 1943, S. 73 f. und Tafel 16.<br />

13<br />

Zitiert bei Vochezer, Band 3, S. 472.<br />

59


JOHANN ADAM KRAUS<br />

Melchinger Flurnamen<br />

Die Flurnamen von Ringingen finden sich in Hohenz. Heimat<br />

1960, 67f., die Salmendinger ebenda, Hohenz. Heimat<br />

1963, 7f. Hier mögen die wichtigsten von Melchingen,<br />

besonders aus dem Fleckenbüchledes 15. Jahrhunderts (Mitt.<br />

Hohz. 1954, 172f.) folgen, deren heutigen Bestand im »Melchinger<br />

Heimatbuch« 1972, 123, Egon Viesel ohne Erläuterungen<br />

aufzählte, z. B. »1 Letten, 128 Falltor« mit Karte (hier<br />

zitiert: V 1 bis V 128). Ein Gemarkungsplan von 1728 wurde<br />

noch um 1934 vom Staatsarchiv restauriert, ist aber später<br />

samt dem Fleckenbüchle von ca. 1450 verschwunden. Die<br />

wichtigsten Flurnamen dürften folgende sein:<br />

1. Aispel V 108, vermutlich entstanden aus Espan-Aispen<br />

(HH 1981, 56). 2. Asperdeich V 8. Deich-Vertiefung, erster<br />

Teil vermutlich wie Nr. 1. 2a Badstube, abgegangen am<br />

nordöstlichen Ortsausgang zum Stockbrunnen (HJH 1951,<br />

97). 3. Breitloch und Engelloch V 26, wohl Engen-loch, von<br />

loh Wald, oder Erdloch? 4. Büchsental V 108, vielleicht<br />

Biese-Nordostwind, oder nach Buck »unfruchtbare Stelle«.<br />

Kaum vom Büchsenschießen. 5. Brühl, Briel V 44, ehemals<br />

herrschaftliche Wiesen, alt brogil; oft feucht. 5a Bühl: 1450<br />

führt ein Weg vom Keppelin zum Bühl gegen Salmendingen.<br />

Bühl-Bol = Berg oder Hügel. 6. Burghalde V 82 (HH 1981,<br />

23). Die Schloßruine dagegen auf dem Berg südöstlich der<br />

Pfarrkirche! 7. Delle V 84, Vertiefung oder Tälchen. 8. Enge.<br />

9. Enzental, 1570 Frenzental V 19, volkstümlich umgedeutete<br />

Personennamen.<br />

10. Eselsteig V 42; Staig wäre Fahrweg, Steig ein Fußweg,<br />

dazu Eselbrunnen V 59. In der Melch. Marktordnung sind<br />

ausdrücklich Esel genannt, wohl Tragtiere zum Schloß hinauf.<br />

12. Fässler V 96, schon 1450 erwähnt: Faßmacher. 13.<br />

Feilen V 116, auch in Ringingen und Salmendingen vorkommend,<br />

aber heute nicht zu Fäulen-Faulwasser passend;<br />

scheint »Feld« zu bedeuten. 14. Frühmessers Löhen: Lehengut<br />

des Geistlichen, der die Frühmesse hält. 15. Furcht,<br />

Furch, Furt: Graben, den man durchfahren kann. 16. Gemeinmerk,<br />

Gemeindegrundstück (dem Schmied überlassen<br />

für Schmiede!). 17. Gass-äckerV 75, zu Gasse. 18. Herweg,<br />

Heerweg V 105, führte ins Dorf hinein. 19. Gamerstaig,<br />

heute irrig Steig, V 69, da alter Fahrweg nach Gammertingen!<br />

20. Hartenstein V 94, ob Grenzstein »zum hertenStein«? 21.<br />

Hearbühl V 13, benannt nach Feldhühnern oder Hühnen-,<br />

Heunenbühl? 22. Herrenwald V 51, Herrschaftswald, vgl.<br />

Ringinger Hairenwald und Hairle! 23. Himmelberg V 7,<br />

hochgelegene Orte, häufig! 24. Höfen, ob den Höfen, ehemalige<br />

Lehenhöfe. 25. Käpfle V 80, zu Kapf-gaffen und Kopf.<br />

26. Keppelin 1450; heute nur noch Bildstock des hl. Bernhard<br />

v. Clairvaux. 27. Köbele V 24, zu Kopf, ein zweites in<br />

Salmendingen. 28. Kreben, Dorfplatz, ehemals mit Flechtzaun<br />

umgeben, wie in Ringingen usw. Vgl. Hohz. J. Heft<br />

1961, 85f. 29. Kreuzstock V 66; im 15. Jahrhundert Krusestock,<br />

zu Familie Kraus.<br />

JOHANN ADAM KRAUS<br />

Neues zum Namen Viesel<br />

Schon im Jahre 1979 1 wurde im Zusammenhang mit den<br />

Familiennamen Flad, Lorch, Maier, Speidel auch über den<br />

Namen Viesel berichtet. Inzwischen kamen neue und sehr<br />

aufschlußreiche Tatsachen zutage, die eine erneute Behandlung<br />

rechtfertigen dürften. Wie dort gesagt ist, finden sich<br />

Viesel (Visel, Fisel u. ä.) zahlreich in Freiburg i. Br., in<br />

60<br />

30. Laile V 106, da mitten in den Äckern wohl zu Le-<br />

Grabhügel. 31. Lattenwald V 50, ob zu Letten = Lehm? Vgl.<br />

VI. 32. Leingruben 1450, Lehmgrube. 33. Luckabühl, jetzt<br />

verschwunden; zu Lücke im Zaun und Bühl-Bol = Hügel.<br />

34. Märklinsbuckel V 34; Buckel eines Märklin-Marquard.<br />

35. Mietle V 115, alte Form unbekannt. 36. Munken V 103.<br />

Münk wäre Mönch. 37. Oesselsteyg 1450, Eselsteig, schmaler<br />

Weg für Tragesel. 38. Pfaffenberg V 2; 1450 Pfaffberg, Berg<br />

eines Geistlichen. 39. Pfatten V 77; nicht zu Pfad, wie ich<br />

früher annahm, sondern mhd vade = Eschzaun mit entlanglaufendem<br />

Weg nach Ringingen.<br />

40. Schanz V 119, stammt von 1704 (Zoller<strong>heimat</strong> 1939,<br />

33f.). 41. Schayakobel 1450, jetzt Schoikobel, V 16, von<br />

mhd. schie = Pfahlzaun auf oder um einen Kobel-Köbele,<br />

Kopf. 42. Schelmenbuckel V 125; Schelm meint eine Viehkrankheit<br />

bzw. gefallenes Vieh zum dort verlochern. 43.<br />

Schützenbahn V 120, wohl von der Schützengesellschaft um<br />

1600 im Fürstenbergischen. 44. Sommerkirch V 37. Unerklärter<br />

Spaßname. 45. Sottenwiesen V 11, Sötte ist nach Rem.<br />

Vollmann eine Brühe, Lache, Sumpfwiese. 46. SpitzegertenW<br />

95, spitz zulaufende Egert, ungeackertes Oedland. 47. Staig<br />

= Fahrweg, ein Steig dagegen: Fußweg, V 81. 48. StrangenV<br />

96, schmale Grundstücke. 49. Steinbraike V 124, wohl gleich<br />

Braite (altes Herrschaftsgut?).<br />

50. Uchtenwaid, ahd. uochta = Morgenweide, auch Uchtert,<br />

Auchtert. 51. Waad V 47, wohl von mhd. wat = Furt; von<br />

waten. 52. Wanzental V 123, vermutlich verderbt. Wangen<br />

wäre leicht anschwellendes Gelände. 53. W^er-Weiher, vgl.<br />

Weiherhäldele V 22. 54. Weiler V 70, alt Wilergasse zur<br />

Mühle! In Ortsnähe schiene ein Weiler undenkbar. Dochter<br />

Weiler Mertingen, 772 Merioldingen; nur noch Flurname auf<br />

Stettener Gebiet. 55. Wellen 112, auch auf Salmendinger<br />

Bahn, unerklärt. Heute kein welliges Gelände. 56. Werde<br />

V 72, Wuhr V 56, 1450 Werd = Damm, Wehr. 57. Widemwies,<br />

zum Widdum bzw. Pfarrehem. gehörig. 58. Woog unter<br />

dem Eschenrain, wag = Wassergumpen, vgl. Werenwag im<br />

Donautal bezüglich der zweiten Silbe. 59. Wolfsgarten V 61,<br />

unerklärt; neben der Flur Mertingen-Merioldingen.<br />

60. Ziegelhof 1450, ob die Ziegelhütte V 86? 61. Zwerchronns<br />

1450, querlaufende Wasserrinne: Rons, Rauns, Runz von<br />

rinnen. 62. Zwickgabel, keilförmiges Landstück; Zwickel =<br />

Keil, anderseits gabelförmig.<br />

Hilfsmittel zur Erklärung: Michel R. Buck, Oberdeutsches Flurnamenbuch,<br />

Bayreuth 1931 (1. Aufl. 1880);/«/. Miedel, Oberschwäbisches<br />

Orts- und Flurnamenbuch, Memmingen 1906; Remigius Vollmann,<br />

Flurnamensammlung, München 1926. Joseph Schnetz, Flurnamenkunde<br />

(Bayerische Heimatforschung, Heft 1), München 1952.<br />

W. Keinath, Württembergisches Flurnamenbüchlein, Albverein Tübingen<br />

1926.<br />

Ehingen a. D. und sonst in Württemberg, bei uns vor allem in<br />

Melchingen. Auch im benachbarten Ringingen gab es im<br />

Jahre 1520 einen Pauli Visel, 1545 einen Cunli V., der 1548 in<br />

Burladingen wohnte. Im Jahre 1788 heiratete Kaspar Viesel<br />

aus Melchingen (eines Kaspars Sohn) nach Ringingen. Seine<br />

direkten männlichen Nachkommen sind hier erst 1977 mit


Isidor Viesel ausgestorben. Kaspars Vorfahren lassen sich in<br />

Melchingen aus den Kirchenbüchern bis auf einen Peter<br />

Viesel zurückführen, der 1582 bis 1667 lebte und Erbe eines<br />

Ludwig V. von 1562 war 2 . Die Türkensteuerliste des Jahres<br />

1542 3 erwähnt in Melchingen die zwei Familien Ludwig<br />

(offenbar den obigen) und Jerg Fisel (mit F geschrieben), und<br />

schon im Fleckenbuch von etwa 1450 4 findet sich ein Ludin<br />

(Ludwig) Visel. In einer Trochtelfinger Urkunde vom Jahre<br />

1422 erscheint in Steinhilben der Familienname Visel neben<br />

Heinzelmann 5 . In Ehingen a.D. saß 1489 ein Stadtschreiber<br />

Gösen (Goswin) Visel und schon 1356 ein »Ulrich der Visel«,<br />

deren Nachkommen sich heute (1981) teils als Fisel (mit F)<br />

schreiben.<br />

Vor dem 13. Jahrhundert waren Familiennamen noch sehr<br />

selten. So nennt das Kirchenlexikon von Buchberger einen<br />

hl. Bischof V i c e 1 i n aus Hameln, der von 1090 bis 1154 lebte<br />

und als Apostel der heidnischen Wagrier und Holsteins gilt.<br />

Für Sprachkundige dürfte der Wechsel von S zu C und Z<br />

keine allzu großen Schwierigkeiten darstellen. Wir finden im<br />

Jahre 817 zu Ebingen bei einer Rechtsentscheidung der<br />

St. Galler Mönche bezüglich Vilsinger Güter einen Zeugen<br />

mit dem auffallenden Namen Fizzilinus, wobei -inus als<br />

lateinische Endung aufzufassen sein wird 6 .<br />

Was soll dieser Name bedeuten und wo stammt er her? Wie<br />

konnte der Schreiber der Urkunde (doch wohl ein im Latein<br />

bewanderter Pater von St. Gallen/Schweiz) auf diese Namensform<br />

rein vom Gehör her kommen, da dessen Träger<br />

doch wohl ein ungelehrter, ja des Schreibens unkundiger<br />

Christ und Deutscher war?<br />

JOHANN WANNENMACHER<br />

So sei folgende These zur Diskussion gestellt: Nach Heinichen<br />

7 war Vicilinus einer der zahlreichen Beinamen des<br />

italisch-römischen obersten Gottes Jupiter. Er wird von<br />

Langenscheidt 8 als wachsam erklärt (verwandt mit »vigil«).<br />

Der Schriftsteller Livius, der im Jahre 204 vor Christus starb,<br />

nennt in einer seiner Schriften einen Tempel des Vicilinus in<br />

der Stadt Compsa'.<br />

Wir hätten somit ein spektakuläres Alter der Bezeichnung<br />

vicil-Visel vor uns in Bedeutung »der Wachsame«. Demgegenüber<br />

können andere Parallelausdrücke im Mittelhochdeutschen<br />

nicht aufkommen, wo der Fisel oder Visel als ein<br />

Spiel und Scherz, oder als Pfiesel ein »heizbares Gemach«,<br />

oder aber Visel als männliches Glied verstanden wurde 10 .<br />

Viesel, der Wachsame, erhielt sich seit über 2000 Jahren,<br />

ähnlich wie der altbiblische David und Levy.<br />

Anmerkungen<br />

1<br />

Hohenz. Heimat 1979, 31.<br />

2<br />

]. A. Kraus, Jugenderinnerungen 1965, 139.<br />

3<br />

Zoller<strong>heimat</strong> 1938,'91.<br />

4<br />

Hohenz. JHeft 1954, 172 f.<br />

5<br />

Zoller<strong>heimat</strong> 1938, 56.<br />

6<br />

Wartmann, UB von St. Gallen I, 223.<br />

7<br />

F. A. Heinichen, Lat.-dtsch. Schulwörterbuch, 9. Aufl.<br />

8<br />

Langenscheidt, Lat.-dtsch. Taschenwörterbuch.<br />

9<br />

Pauly, Realenzykl. d. klass. Altertums 1917, Sp. 1126.<br />

10<br />

W. Wackernagel, Altdeutsches Handwörterbuch.<br />

Alte, sinnvolle Ausdrücke und Redeweisen aus der heimischen Mundart<br />

Jeden Heimatfreund freut es, wenn Mundart und Volkskunst<br />

in zunehmenden Maße wieder ihre notwendige und wertvolle<br />

Beachtung finden. Die Mundart ist der Urgrund aus dem alle<br />

Sprachschichten wachsen. In ihr fließen Säfte aus den tiefsten<br />

Wurzeln unserer Muttersprache. Sie bezeichnet lebensnah<br />

und anschaulich Sein und Geschehen im menschlichen Alltag.<br />

Der Dichter, Max v. Schenkendorf, schreibt einmal:<br />

»Meine seligsten Gedanken spreche ich wie der Mutter-<br />

Mund!«<br />

Nachstehend alte Ausdrücke aus der Mundart von Rangendingen.<br />

Da wird einer schon eine zeitlang von einem Leiden<br />

geplagt; es ist ihm nie recht wohl, und er kann nicht arbeiten.<br />

Man fragt nach dessen Verbleib und erhält die Antwort:<br />

»Dear ischt marode«. Wieder ein anderer hat eine schwere<br />

Krankheit überwunden. Es verbleibt ihm aber davon etwas,<br />

was er nicht mehr los bekommt, das vielleicht auch äußerlich<br />

sichtbar ist und ihn überall in seinem Leben beschwert. Von<br />

einem solchen Menschen heißt es dann: »Dear hat anMagga!«<br />

In dem kurzen Wort Magga ist lebensnah und anschaulich<br />

alles eingeschlossen, was ein solcher Zustand bedeutet. Das<br />

Wort Magga gebraucht man aber auch bei Gegenständen und<br />

Sachen, die irgendwo nicht ganz in Ordnung sind, vor allem<br />

beim Einkauf, wenn man erkennt, daß die Ware einen Fehler<br />

hat. Dann sagt man: »Dös will i it, dös ischt it ganz in<br />

Ordnung, do (da) hot's an Magga«. - Hat jemand einen<br />

starken Husten und muß sich ständig damit quälen, den<br />

Schleim los zu werden, dann Kooderet er, was für andere<br />

Menschen oft sehr lästig werden kann. Wenn einer zu tief ins<br />

Bier- oder Weinglas geguckt hat und nachher stark hin- und<br />

herschwankend heimwärts geht, dann weifelt er. Plagen<br />

einen ständig Leiden oder zu schwere Arbeit und Unannehm-<br />

lichkeiten aller Art, so hört man stöhnend klagen: »S'ischt<br />

bald nemme zum Präschdiera« = zum Aushalten und Ertragen.<br />

Wer in kurzer Zeit gewollt oder ungewollt viel von<br />

seinem Körpergewicht verliert, dear oder diea ischt noo<br />

(aber) ran (nasal gesprochen) woara! Wenn Kinder oder auch<br />

Erwachsene beim Essen unsauber sind und immer wieder<br />

Teile von der Speise auf den Tisch oder die Kleider fallen<br />

lassen, dann driealet sie. Im übertragenen Sinn wird auch<br />

jemand, der in allem etwas unsauber und gleichgültig ist, als<br />

Driealer abgestempelt. »Dös ischt noo a baiser Driealer«, ist<br />

eine gängige Redensart. Wenn eine Frauensperson in ihrem<br />

ganzen Wesen auffallend neugierig, eigensüchtig und berechnend<br />

ist, dann ischt dös' a' alafanzegs oder a' abgschlages<br />

Luader. Beim Umgang mit solchen Kreaturen soll man<br />

vorsichtig sein, denn Recht und Gerechtigkeit stehen bei<br />

ihnen nicht immer an erster Stelle. - Wer mit Geld und Gut<br />

leichtfertig umgeht, alles sorglos verpulvert und unbekümmert<br />

in den Tag hineinlebt, das ist im Volksmund a' Luftdebus.<br />

Es gibt Menschen, die humorvoll von anderen die Stärken<br />

und Schwächen im Sein und Handeln sehen und sie bei jeder<br />

Gelegenheit scherzhaft ins Gespräch hineinstellen. Solche<br />

Leute tun gern foppa. Was murklescht denn do alles en sella<br />

Sack nei? kann die Mutter fragen, wenn ein Kind passende<br />

und unpassende Dinge aller Art ungeordnet in eine Tasche<br />

oder sonstwo hinein steckt. Der Ausdruck lätz wird für alles<br />

gebraucht, was nicht den richtigen Weg geht und verkehrt ist.<br />

»Dös ischt a' lätzer- Kerle«, sagt man, wenn einer immer das<br />

Gegenteil vom Richtigen tut, so anderen das Leben schwer<br />

macht, Schaden verursacht wo er kann usw. Und eine<br />

Krankheit, die nicht normal verläuft, ischt au a lätze Sach.<br />

61


Wenn einer sich im Weg verirrt, dann ischt er da lätza Weag<br />

ganga. - Wenn das Maß für eine Sache etwas zu kurz<br />

genommen wurde, so sagt man: »Dös ischt aber päb oder<br />

auch bschnotta gmessa«, d. h. es reicht gerade noch aus.<br />

Menschen, die vor allem in Geldsachen, aber auch beim<br />

Geben aller Art sich stets kleinlich zeigen, sind päb - oder was<br />

dasselbe bedeutet - kniggerich. Kinder plantschen und spielen<br />

gern im Wasser. Dieses wohltuende Tun u. Treiben, das<br />

nicht immer zur Freude der Eltern ist, heißt in der Mundart<br />

motza. Und wenn Erwachsene Flüssigkeiten miteinander<br />

JOSEF MÜHLEBACH<br />

Der Orchesterverein Sigmaringen<br />

Ein geschichtlicher Rückblick<br />

Im Jahre 1981 konnte der Orchesterverein Sigmaringen auf<br />

ein 90jähriges Wirken zurückblicken. Mit dem Jubiläum war<br />

ein Wechsel in der Direktion des Orchestervereins verbunden,<br />

ein Wechsel, der in den Annalen als eine deutliche Zäsur<br />

anzusprechen ist. Das doppelte Ereignis rechtfertigt es, die<br />

Geschichte des Vereins in einer kurzen Darstellung aufzuzeigen.<br />

Es bietet sich von selbst an, daß man in Sigmaringen die<br />

Anfänge des Vereins und eines musikalischen Vereinslebens<br />

in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts suchen<br />

muß. Dabei ist festzustellen, daß in der zweiten Hälfte des<br />

19. Jahrhunderts von einem musikalischen Leben in Sigmaringen<br />

kaum die Rede sein kann. Es ist daher verständlich,<br />

daß damals in der Bevölkerung der Stadt Sigmaringen der<br />

Wunsch auf Schaffung irgendeiner musikalischen Organisation<br />

wach wurde. Und so kam es, wenn zunächst in bescheidenem<br />

Rahmen, daß im Jahre 1883 zur Gründung eines<br />

Musikkörpers geschritten wurde, der sich - unter der Direktion<br />

des Musiklehrers Fischer - den Namen »Donauorchester«<br />

zulegte. Da aber diese Einrichtung noch nicht voll<br />

befriedigte, suchte man auf breiterer Grundlage eine bessere<br />

Lösung, die den Bedürfnissen der damaligen Zeit gerecht<br />

werden sollte.<br />

Die Bemühungen in weiten Schichten der Bevölkerung führten<br />

dann im Verlauf einiger Jahre am 9. September 1891 zur<br />

Gründung eines Musikvereins mit verbesserter Leistungsfähigkeit.<br />

Als Dirigent wurde der schon genannte Musiklehrer<br />

Fischer gewonnen. Als Gründungskräfte sind in den Annalen<br />

des Vereins genannt: Musiklehrer Fischer, Anton Wanner,<br />

Benedikt Pfaff, Johann Fleisch (dieser soll vier Instrumente<br />

gespielt haben: Violine, Bratsche und zwei Blasinstrumente),<br />

dann weiter: Georg Grieble und Friedrich Wolf. In der<br />

Gründungsversammlung haben sich 89 Personen als Passivmitglieder<br />

gemeldet. Der neue Musikverein entfaltete - wenn<br />

auch unter gewissen Schwierigkeiten und Rückschlägen -<br />

unter Anpassung an die von der Mitgliederversammlung<br />

beschlossenen Statuten eine Aufwärtsentwicklung, die eine<br />

erhöhte Leistungsfähigkeit erkennen ließ. Die das Vereinsleben<br />

regelnden Statuten sahen übrigens recht drastische Konventionalstrafen<br />

beim Fehlen der Proben, die am Mittwoch,<br />

Freitag und Samstag stattfanden, vor.<br />

Anläßlich der 100jährigen Mozart-Gedächtnistage - Mozart<br />

war am 5. Dezember 1781 gestorben - veranstaltete der<br />

Verein »zur Freude der Einwohnerschaft« am 5. Dezember<br />

1891 einen Umzug. Die Hohenz. Volkszeitung (»Donaubote«)<br />

brachte über die Gedenkkundgebung am 6. Dezember<br />

1891 folgenden Bericht: »Eine angenehme Überraschung<br />

wurde uns gestern Abend durch die von Herrn Musiklehrer J.<br />

Fischer neugegründete hiesige Stadtmusik bereitet. Zur Feier<br />

62<br />

mischen, kann der Nichtkenner scherzhaft fragen: »Was<br />

motzet ihr denn do zemmanand nei?« Den Brotlaib hat man<br />

ehemals in der Tischschublade aufbewahrt. Im Sommer<br />

wurde das Brot oft trocken und fiel beim Essen in kleinen<br />

Stücken auseinander. »Kinder« ermahnten dann die Eltern,<br />

»gebt acht auf eurer Brot, es braiselet«.<br />

Die Mundart war schon da vor uns. Sie prägt unser Leben<br />

seelisch und geistig mit und wird zu einem wertvollen und<br />

unverlierbaren Stück Heimat.<br />

des hundertjährigen Todestages des berühmten Musik-Altmeisters<br />

Mozart veranstaltete die Kapelle nämlich unter<br />

Fakel- und Lampionsbegleitung einen Umzug um die Stadt<br />

und trat mit dieser Veranlassung zum ersten Male öffentlich<br />

vor das Publikum. Wir müssen gestehen, daß nach dem uns<br />

zu Gehör Gebrachten Herr Fischer mit seinen Musikern<br />

schon recht Gutes geleistet hat, zumal wenn man bedenkt,<br />

daß sich bei der Gesellschaft verschiedene junge, in der Musik<br />

bisher ganz unerfahrene Leute befinden. Großer Eifer und<br />

guter Wille sowohl seitens des Dirigenten wie jedes einzelnen<br />

Mitgliedes sind erforderlich, um in so kurzer Zeit solche<br />

Fortschritte zu machen. Gut angesprochen hat besonders der<br />

beim Rathhause gespielte Marsch, der auch beim Prinzenpalais<br />

vor Seiner Königlichen Hoheit dem Fürsten Leopold<br />

wiederholt wurde. - Wir wünschen dem nun in die Oeffentlichkeit<br />

getretenen jungen Verein ein immerwährendes<br />

Wachsen und Blühen und namentlich auch eine recht große<br />

Zahl Passivmitglieder, um so durch Entgegenkommen seitens<br />

der Einwohner die jungen Musiker zu immer weiterem<br />

Streben und Ausharren auf der von ihnen beschrittenen Bahn<br />

-anzueifern und den hier schon so lange gehegten Wunsch<br />

nach einer »einigen« und »technisch geschulten« Musik für<br />

immer verwirklicht zu sehen.«<br />

Der Verein hat dann im Verlauf der Zeit einige beachtliche<br />

Konzertveranstaltungen gewagt. Im Jahre 1919 hat sich das<br />

Donau-Orchester mit dem Musikverein vereinigt; damit war<br />

ein weiterer Schritt zur Steigerung der Leistungsfähigkeit<br />

gemacht. In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts findet<br />

man in den Vereinsakten wiederholt - so auch in der Festschrift<br />

zur Einweihung des neu erbauten Rathauses im Jahre<br />

1927 - die Bemerkung: »Jetzt sei man in Sigmaringen nicht<br />

mehr auf auswärtige Kräfte angewiesen, der Verein verfüge in<br />

gleicher Weise den Anforderungen, die heutzutage an jedes<br />

gute Orchester gestellt werden, das habe der Verein in<br />

mehrfachen Konzerten bewiesen.«<br />

Für die Geschichte des Vereins sind die Dirigenten, die den<br />

Verein seit 1891 geleitet haben, besonders wichtig. Da ist<br />

zunächst der Musiklehrer Fischer zu nennen, der von 1891 an<br />

als Dirigent wirkte. Ihm folgte 1897 für kurze Zeit Schuhmachermeister<br />

Fleisch, der, wie bereits vermerkt, vier Instrumente<br />

gespielt haben soll. Der Nachfolger von Fleisch wurde<br />

Lehrer Gauggel, der bis 1898 als Dirigent tätig war. Im Jahre<br />

1898 übernahm Hofhafnermeister Lehle die Direktion bis<br />

1909. Weiterhin sind zu nennen als Dirigenten ab 1909: Josef<br />

Hofherr, ab 1909 Berthold von der Unteroffiziers-Vorschule<br />

Sigmaringen, um 1914 kurzfristig Reg. Amtsmeister Bartels.<br />

Von 1914 bis 1921 lag die Direktion bei Wilhelm Dittmar aus<br />

Helmstedt in Braunschweig, geboren 1875. Wilhelm Dittmar<br />

sah als Aufgabe und Zielsetzung des Vereins die Pflege guter<br />

Streichmusik.


Das Jahr 1921 brachte die große Wendung in der musikalischen<br />

Leitung, als Chordirektor Richard Hoff, später Musikdirektor<br />

des kath. Kirchenchores St. Johann Sigmaringen, die<br />

Direktion des Vereins übernahm. Richard Hoff, geboren am<br />

10. Mai 1875 bei Mönchen-Gladbach, zuletzt tätig als Domorganist<br />

in Fünfkirchen/Ungarn, war ein Musiker von ho-<br />

Buchbesprechungen<br />

Fasnet im Hegau und Linzgau<br />

Herausgegeben von Herbert Berner. 336 Seiten mit 208<br />

Abbildungen, davon 100 mehrfarbige, vierfarbiger Einband,<br />

55.- DM. Im Verlag des SÜDKURIER Konstanz.<br />

Das Thema des Buches ist die bezaubernde, für »Ausländer«<br />

vielleicht sogar etwas geheimnisvoll beängstigende Welt der<br />

Fasnetsnarren in der Landschaft des westlichen Bodensees.<br />

17 sachkundige Autoren stellen in 23 Beiträgen den Ursprung<br />

und Ablauf der schwäbisch-alemannischen Fasnacht und ihre<br />

Entwicklung bis in die jüngste Gegenwart dar. Das Werk<br />

beleuchtet die Fasnacht von der historischen, theologischen<br />

und volkskundlichen Seite. In dem Beitrag »Warum Fasnacht?«<br />

wird das Thema zusätzlich von medizinisch-psychologischer<br />

Seite her behandelt. Etwas ganz Neues wird für<br />

viele Leser die Schilderung der jüdischen Fasnet, der Gailinger<br />

Purim, sein. Ein spezieller Beitrag ist dem Fasnachtsmuseum<br />

im Schloß Langenstein gewidmet, welches seit seiner<br />

Gründung im Jahre 1969 ein lebendiger Kristallisationspunkt<br />

der Hegau-Bodensee-Fasnacht ist.<br />

Im Mittelpunkt aber steht die ausführliche Schilderung der<br />

ländlichen Fasnacht, ihrer Figuren, Narrengestalten, Heischebräuche<br />

und Fasnetsversle. Die über 110 in der Narrenvereinigung<br />

Hegau-Bodensee zusammengeschlossenen<br />

Zünfte werden einzeln mit ihren Besonderheiten im Brauchtum<br />

vorgestellt.<br />

Eine ausführliche Darstellung gilt der Fasnet in den Narrenstädten<br />

Stockach, Radolfzell, Singen, Konstanz, Engen,<br />

Meßkirch, Überlingen, Pfullendorf, Markdorf und Meersburg.<br />

Das Buch ist reichlich mit Bildern ausgestattet. Die Auswahl<br />

der Bilder ist in der Mehrzahl repräsentativ und gut, auf<br />

einige jedoch hätte man verzichten können, da sie nur die<br />

interessieren, die darauf dargestellt sind.<br />

Angelika Bischoff-Luithlen:' Der Schwabe und sein Häs<br />

Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 28 DM.-.<br />

Das Manuskript dieses Buches stellte Angelika Bischoff-<br />

Luithlen noch kurz vor ihrem Tod 1981 fertig. Unser Wissen<br />

um die Kleidung der bäuerlichen Bevölkerung in alter Zeit ist<br />

sehr gering. Der Verfasserin ist es gelungen, eine bisher nicht<br />

genützte Quelle zu erschließen. Sie ging die »Inventuren« in<br />

den Gemeindearchiven durch, welche bei Heirat oder Tod<br />

einer Person aufgestellt wurden. Hier wurden auch die<br />

vorhandenen Kleidungsstücke verzeichnet. Nicht selten stieß<br />

sie auf Bezeichnungen, deren Sinn längst vergessen war und<br />

mühsam geklärt werden mußte. Oft wurde den Landbewohnern<br />

durch obrigkeitliche Kleiderordnungen vorgeschrieben,<br />

was sie tragen durften. Das Buch ist für jeden volks- und<br />

<strong>heimat</strong>kundlich Interessierten von bleibendem Wert. Mit 42<br />

- teils farbigen - Abbildungen wird das Geschriebene veranschaulicht. <br />

hem Rang und hat - dank seiner großen musikalischen<br />

Befähigung und seiner virtuosen Beherrschung mehrerer<br />

Musikinstrumente bedeutende konzertante Veranstaltungen<br />

des Musikvereins - seit 1926 Orchesterverein genannt -<br />

geleitet. Gleich im Jahr 1921 erfolgte unter Hoff die Aufführung<br />

der 1. Symphonie von Beethoven. (Schluß folgt)<br />

Martin Blümcke (Hrsg.): Abschied von der Dorfidylle?<br />

Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 28.- DM.<br />

Martin Blümcke hat in der Sendung »Land und Leute« des<br />

Süddeutschen Rundfunks in den vergangenen zehn Jahren<br />

über 500 Vorträge zur Landes- und Volkskunde gebracht.<br />

Eine Auswahl erschien nun in Buchform. Vom Beginn des<br />

19. Jahrhunderts bis zu Themen der Gegenwart wird eine<br />

Fülle von Informationen vermittelt. Das Buch wird zu Recht<br />

als Lesebuch bezeichnet, denn man nimmt es immer wieder<br />

gerne zur Hand. Die Autoren gehören zu den bekanntesten<br />

Landeskundlern und Landeshistorikern in Baden-Württemberg.<br />

Erika Dillmann: Von der Donau zum See. Ein oberschwäbisches<br />

Skizzenbuch<br />

Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 19,80 DM.<br />

Ein unterhaltsames Lesebuch mit Federzeichnungen von<br />

Hagen Binder. Es ist kein Kunst- und Reiseführer, sondern<br />

ein Büchlein, in dem Geschichten erzählt werden von Städten,<br />

Klöstern, Kirchen und natürlich von den Menschen in<br />

Oberschwaben. Jeder Freund Oberschwabens hat seine<br />

Freude daran, und wer die Landschaft noch nicht kennt,<br />

einen Anreiz, sie kennenzulernen.<br />

Ottmar Engelhardt, Joachim Feist: Albstadt<br />

Konrad Theiss Verlag, Stuttgart, 38.- DM.<br />

Die Gemeindereform hat vor einem Jahrzehnt die neue Stadt<br />

Albstadt geschaffen. Sie reicht vom höchsten Dorf der Alb,<br />

Burgfelden, bis nach Ebingen. Obwohl ihr Gesicht durch<br />

eine teilweise weltbekannte Industrie bestimmt wird, hat<br />

Albstadt Naturschönheiten und reizvolle alte Stadt- und<br />

Dorfteile. Ottmar Engelhardt schildert die Landschaftsgeschichte<br />

und die Geschichte der Dörfer und Städte. Albstadt<br />

bemüht sich auch um kulturelles Leben. In nur wenigen<br />

Jahren hat sich die Städtische Galerie einen Namen gemacht.<br />

Im ehemaligen Stauffenbergschloß in Lautlingen wird die<br />

bedeutende musikhistorische Sammlung Jehle der Öffentlichkeit<br />

gezeigt. Sehr schön sind die von Joachim Feist<br />

aufgenommenen Bilder, 26 davon sind in Farbe. Erwähnt sei<br />

auch die farbige Wiedergabe einer Verwaltungskarte vom<br />

Jahre 1753 als Frontispiz. Sie zeigt u.a. eine bisher nicht<br />

veröffentlichte Darstellung der Burg Hohenzollern und der<br />

Stadt Hechingen.<br />

Barbara Scholkmann: Burg Baldenstein. Das »Alte Schloß«<br />

bei Gammertingen<br />

Jan Thorbecke Verlag, Sigmaringen, 20.- DM.<br />

In Nr. 1/1982 der Hohenz. Heimat wurde ausführlich über<br />

die Arbeiten von Frau Dr. Barbara Scholkmann berichtet<br />

(Burg Baldenstein, Sitz der Grafen von Gammertingen).<br />

Diese sind nun mit Unterstützung der Stadt Gammertingen<br />

in Buchform erschienen. Am 26. November 1982 wurde das<br />

Buch im Rahmen einer Vortragsveranstaltung in Gammertingen<br />

der Öffentlichkeit vorgestellt. Das hervorragend ausgestattete<br />

Buch ist nicht nur für jeden Heimatfreund von<br />

Interesse, sondern auch als Geschenk geeignet.<br />

63


Verlag: <strong>Hohenzollerischer</strong> <strong>Geschichtsverein</strong><br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

W <strong>3828</strong> FX<br />

Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.<br />

Ausstellung Kloster Inzigkofen<br />

Vom 25. September bis 3. Oktober 1982 veranstaltete die<br />

Gemeinde Inzigkofen in den ehemaligen Klosterräumen,<br />

dem heutigen Volkshochschulheim, eine Ausstellung:<br />

»Kloster Inzigkofen, Geschichte und Kultur eines Augustinerinnenchorfrauenstiftes<br />

(1354—1856)«. Es war ein sehr<br />

verdienstvolles Unternehmen, die kulturelle Hinterlassenschaft<br />

des Klosters in die alten Räume zurückzubringen und<br />

sie der Öffentlichkeit in einer Ausstellung zugänglich zu<br />

machen. Das Kloster Inzigkofen wurde durch die Säkularisation<br />

nicht so rücksichtslos aufgehoben wie die meisten anderen<br />

Klöster Oberschwabens. Bis 1856 lebten noch Chorfrauen<br />

in dem alten Kloster. Nach ihrem Tode wurden von<br />

Pfarrer Thomas Geiselhart zahlreiche Kunstwerke gerettet,<br />

die man sonst wahrscheinlich verschleudert und vernichtet<br />

hätte. Klosterurkunden, Handschriften und Bücher waren<br />

schon vorher ins Fürstliche Archiv und in die Hofbibliothek<br />

gekommen, einiges gelangte später ins Kloster Beuron. Manche<br />

klösterliche Hinterlassenschaft kam auch in Privatbesitz.<br />

Unter Mithilfe des Staatsarchivs Sigmaringen, vor allem<br />

Herrn Dr. Becker und Herrn Bartl Ismann, wurde eine<br />

vorbildliche Ausstellung gestaltet. In 30 Urkunden über<br />

Stiftungen und Käufe spiegelten sich Aufbau und Konsolidierung<br />

des Klosters und seines Besitzes im 14. und 15. Jahrhundert.<br />

Zahlreiche Gemälde und Plastiken zeugten vom reichen<br />

Kunstbesitz des Klosters, dessen bestes Stück heute als die<br />

Berliner Christus-Johannes-Gruppe in der Kunstwelt<br />

berühmt ist. Man spricht allerdings von einer Sigmaringer<br />

Gruppe und verschweigt Kloster Inzigkofen, wo sie Jahrhunderte<br />

lang ihre Heimat hatte. Der Ausstellungskatalog beschreibt<br />

167 Exponate und berichtet gleichzeitig zur Geschichte<br />

von Inzigkofen, zum klösterlichen Leben und den<br />

kulturellen Schätzen. Für jeden der zahlreichen Besucher war<br />

die Ausstellung eine Freude und ein Gewinn.<br />

HOHENZOLLERISCHE HEIMAT<br />

hrsggbn. vom Hohenz. <strong>Geschichtsverein</strong>.<br />

Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«<br />

ist eine <strong>heimat</strong>kundliche Zeitschrift. Sie will<br />

besonders die Bevölkerung in Hohenzollern<br />

und der angrenzenden Landesteile mit der<br />

Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie<br />

bringt neben fachhistorischen auch populär<br />

gehaltene Beiträge.<br />

Bezugspreis: 6,00 DM jährlich.<br />

Konten der »Hohenzollerischen Heimat«:<br />

802507 Hohenz. Landesbank Sigmaringen<br />

12363-707 Postscheckamt Stuttgart<br />

Druck:<br />

M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH &i Co.,<br />

7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.<br />

64<br />

Die Autoren dieser Nummer:<br />

An unsere Leser<br />

Hermann Bayer<br />

Fürstlich Hohenzollernsche Hüttenverwaltung<br />

Laucherthal, 7485 Sigmaringendorf<br />

Walter Bleicher, Rektor<br />

Schlehenweg 5, 7947 Mengen<br />

Dr. Wolfgang Irtenkauf<br />

An der Lehmgrube 35, 7257 Ditzingen<br />

Pfr. Johann Adam Kraus<br />

Erzbischöfl. Archivar i. R.<br />

Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler<br />

Dr. Maren Kuhn-Rehfus<br />

Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen<br />

Josef Mühlebach<br />

Landesverw. Rat i. R.,<br />

Leopoldstraße 41, 7480 Sigmaringen<br />

Johannes Wannenmacher, Schulrat i.R.,<br />

Eichertstraße 9, 7487 Gammertingen<br />

Die allgemeine Kostenerhöhung geht leider auch an<br />

der »Hohenz. Heimat« nicht spurlos vorbei. Ab 1983<br />

müssen wir leider den Bezugspreis auf jährlich 8 DM<br />

erhöhen. Wer den Bezugspreis nicht abbuchen läßt,<br />

möge bitte für 1983 8 DM überweisen. Die Konten:<br />

Hohenz. Landesbank Sigmaringen Nr. 802507 (BLZ<br />

653 51050) und Postscheckamt Stuttgart Nr. 12363-<br />

707.<br />

Ausstellung der Kunstfreunde<br />

Donau e. V. in Herbertingen<br />

An zwei Wochenenden und am Büß- und Bettag im November<br />

1982 fand die diesjährige Ausstellung der Kunstfreunde<br />

Donau in Herbertingen statt. Sie stand unter dem Thema<br />

»Brauch und Sitte«. Erinnerungen und Liebesgaben von der<br />

Wiege bis zur Bahre. Bäuerliche Portraits, Trachten, Möbel<br />

und alte Schlösser. Der Heuneburgverein brachte eine Tonbildschau<br />

und stellte Keltische Grabfunde aus. Freizeitkünstler<br />

zeigten in einer Verkaufsschau ihre Arbeiten. Es ist kaum<br />

zu glauben, welche Fülle von Gegenständen der Verein zum<br />

Thema Brauch und Sitte zusammengetragen hatte. Der Katalog<br />

führte 80 Nummern auf, wobei sich meistens unter einer<br />

Nummer zahlreiche Exponate verbargen. Beispiel Kat. Nr.<br />

1, Vitrine mit 40 Taufbriefen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert<br />

usw. Kat. Nr. 31, Kasten mit 150 Wallfahrtsandenken aus<br />

dem Süddeutschen Raum, darunter Walpurgis-Ölfläschchen,<br />

Skapuliere, Reliquienbehälter, Reliquienkreuze, Breverle<br />

usw. Kat. Nr. 58, 10 Votivtafeln aus Oberschwaben. Kat.<br />

Nr. 61, 40 (!) Totenandenken in verschiedenen Darstellungen<br />

als Graphik, Hinterglas-Stick- oder Haarbild, darunter zwei<br />

große Totentafeln der Walburga Enderle (Feldstetten).<br />

Bei den Freizeitkünstlern gab es ebenfalls eine Menge von<br />

Gegenständen, die fast alle verkäuflich waren. Die Preise<br />

waren teilweise zivil, so daß sich mancher Besucher einen -<br />

vielleicht lange gehegten - Wunsch erfüllen konnte.<br />

Schriftleitung:<br />

Dr. med. Herbert Burkarth,<br />

7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)<br />

Die mit Namen versehenen Artikel geben die<br />

persönliche Meinung der Verfasser wieder;<br />

diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge<br />

verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung<br />

sind als solche gekennzeichnet.<br />

Manuskripte und Besprechungsexemplare<br />

werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.<br />

Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische<br />

Heimat« weiter zu empfehlen.

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