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Literatur<br />
stellt man fest, dass diese Kulturräume<br />
sich immer wieder gegenseitig<br />
beeinflusst und bereichert<br />
haben. Im Buch zeigen wir viele<br />
kleine und große Beispiele auf.<br />
Können Sie uns ein Beispiel<br />
dafür geben?<br />
Als historisches Beispiel könnte<br />
ich spontan etwas verkürzt und<br />
plastisch sagen: Wir haben Aristoteles<br />
und andere griechische<br />
Philosophen dem Orient zu verdanken!<br />
Die Araber lernten im<br />
Zuge ihrer Expansion auch das<br />
Wissen der alten Griechen und<br />
Römer kennen. Sie verarbeiteten<br />
und entwickelten es weiter. Im<br />
Kontrast zu dieser Entwicklung<br />
im arabischen Raum ging dieses<br />
antike Wissen im christlichen Bereich<br />
verloren. Im 12. und 13. Jh.<br />
kam dieses alte Wissen aber über<br />
die arabisch-islamische Welt nach<br />
Europa zurück. In der sogenannten<br />
Übersetzerschule im spanischen<br />
Toledo wurden hunderte<br />
von arabischen Werken in europäische<br />
Sprachen übersetzt. Das<br />
führte letztendlich zur Renaissance<br />
und später zur Aufklärung<br />
hierzulande.<br />
Sie schreiben, dass Religion<br />
nur ein Faktor neben anderen in<br />
der Entwicklung ist...<br />
Ja, natürlich. Die Motive, die Menschen<br />
haben und die ihr Handeln<br />
bestimmen, reichen ja von dem<br />
Wunsch nach Überleben und<br />
menschlicher Geborgenheit über<br />
materielle Sicherheit und Fortkommen<br />
bis hin zu Machtstreben.<br />
Da spielt manchmal die Religion<br />
als regelndes Prinzip eine<br />
Rolle, aber oft wird sie auch nur<br />
als Tarnung benutzt und instrumentalisiert.<br />
Wenn Abend- und Morgenland<br />
so viel gemeinsam haben –<br />
in der Kultur, Wissenschaft, Geschichte<br />
– wie erklären sie sich,<br />
dass viele Muslime und Christen<br />
in ihrem Umgang miteinander<br />
immer noch „fremdeln“?<br />
Weil sie viel zu wenig voneinander<br />
und über die gemeinsamen Wurzeln<br />
wissen. Wo das Wissen fehlt,<br />
ist man natürlich schnell unsicher<br />
und besorgt. Dann greift man gerne<br />
nach einfachen Klischees.<br />
Brauchen Islamisten und Islamhasser<br />
einander, um ihre Positionen<br />
und Taten zu rechtfertigen<br />
oder gar zu legitimieren?<br />
Manchen Strategen auf beiden<br />
Seiten ist sicher bewusst, dass sie<br />
für die Polarisierung, durch die sie<br />
Mehrheiten für sich erhoffen, die<br />
aggressiven Gegner brauchen. Wir<br />
sehen das ja heute bei so manchen<br />
Staatsführern in verschiedenen<br />
Gegenden der Welt. Sie polarisieren<br />
systematisch und fördern<br />
bewusst gegenseitige Feindschaft.<br />
Aber ich denke, viele der Mitläufer<br />
sind Manipulierte, die den<br />
Hasstiraden folgen, solange sie<br />
nicht „die Anderen“ mal kennengelernt<br />
haben.<br />
Auf der Rückseite Ihres Buches<br />
ist ein mittelalterliches<br />
Bild abgedruckt, das einen<br />
Mönch mit einem Muslim in einem<br />
lebhaften, aber friedlichen<br />
Dialog zeigt. Ist das die Antwort,<br />
die Ihr Buch geben will?<br />
Das sind keine fiktiven Figuren!<br />
Auf dem Bild sind Franz von Assisi<br />
und der Sultan Malek al Kamil<br />
zu sehen. Sie haben uns 1219, also<br />
vor knapp 800 Jahren in einer von<br />
Kreuzzügen geprägten Zeit vorgemacht,<br />
wie man mit Wissen und<br />
Offenheit für Fremdes in ein Gespräch<br />
finden kann, ohne die eigene<br />
Kultur aufzugeben. Zu dieser<br />
mehr denn je aktuellen Botschaft<br />
will unser Buch beitragen.<br />
Thomas Pregl<br />
Nevfel Cumart<br />
Wir wollten mit<br />
einem Rückblick<br />
in die Geschichte<br />
zeigen, was Orient<br />
und Okzident<br />
kulturell verbindet.<br />
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