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01-56-Fraenkische-Nacht-September-2017-ALLES

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Interview mit Nevfel Cumart,<br />

Bambergs Meisterdichter,<br />

über sein erstes politisches Buch<br />

„Das Fremde<br />

als kulturelle<br />

Bereicherung!“<br />

Nevfel Cumart ist ein leiser Mensch, ohne jede Schärfe,<br />

mit einer jeden verzaubernden Samtstimme. Dennoch<br />

findet er überall Gehör – meist mit seinen nachdenklichen,<br />

zuweilen auch heiteren Gedichten, die um Gott,<br />

die Liebe, das Leben und die Welt kreisen. Der Bamberger<br />

zählt schon seit Jahren zu den besten deutschen<br />

Literaten, zahlreiche Auszeichnungen krönen sein unermüdliches<br />

Bestreben, zwischen Christentum und Islam<br />

Brücken zu bauen. Meist reichen ihm dafür in seinen Gedichtbänden<br />

wenige lyrische Zeilen. Nun hat Bambergs<br />

Meisterdichter zusammen mit dem Naturwissenschaftler<br />

Ulrich Waas ein geschichtlich-politisches Buch („Orient<br />

und Okzident – die andere Geschichte“) geschrieben, das<br />

neue, zuweilen auch überraschende Sichtweisen in einer<br />

überhitzten Debatte um Islam und Christentum zulässt.<br />

Die FN hockte sich mit ihm nicht auf einen Diwan, sondern<br />

auf eine Bierbank zum Gespräch.<br />

Um etwas zu beschreiben,<br />

brauchen Sie in Ihren Gedichtbänden<br />

meist nur wenige Zeilen.<br />

In Ihrem neuesten Werk<br />

„Orient und Okzident“ sind es<br />

über 7500 Zeilen auf 245 Seiten.<br />

Was verführt einen Dichter<br />

zu einem solchen geschichtlich-politischen<br />

Werk?<br />

Nevfel Cumart: Mit Gedichten<br />

kann man Menschen ja besonders<br />

über das Gefühl und den Bauch<br />

erreichen, bei einem Sachbuch<br />

ist das natürlich anders. Da muss<br />

eher die Vernunft angesprochen<br />

und mit sachlichen Informationen<br />

und Argumentationen gearbeitet<br />

werden. Besonders angesichts der<br />

zusehends aggressiver werdenden<br />

gesellschaftlich-politischen Diskussion.<br />

Wir wollten mit einem<br />

Rückblick in die Geschichte zeigen,<br />

was Orient und Okzident kulturell<br />

verbindet. Und auch belegen,<br />

dass oftmals Ablehnung und<br />

Aggression auf fehlenden Informationen<br />

und falschen Klischees<br />

beruhen. Übrigens kam die Idee<br />

zu diesem Buchprojekt von Ulrich<br />

Waas, der mich schon nach dem<br />

ersten Gespräch überzeugte.<br />

Ihr Buch beginnt ohne Umschweife<br />

schon in den ersten<br />

Sätzen mit dem islamistischen<br />

Terror.<br />

Das ist ja etwas, was die Menschen<br />

wirklich bedrückt! Und damit<br />

meine ich nicht nur die Menschen<br />

hierzulande, sondern auch<br />

die große Mehrheit im Orient.<br />

Sie hat unter dem Terror weitaus<br />

mehr gelitten als wir hier in Europa.<br />

Aber wir wollten zu Beginn<br />

des Buches auch verdeutlichen,<br />

dass die Fundamentalisten, die<br />

sich hier auf das Christentum oder<br />

die „Rettung des Abendlands“ berufen,<br />

ebenso zur Gewaltspirale<br />

beitragen.<br />

Eine Grundthese in der heutigen<br />

Islam-Debatte lautet: Der<br />

islamistische Terror ist ein Teil<br />

des Islams.<br />

Die Islamisten berufen sich zwar<br />

auf den Koran, aber sie interpretieren<br />

bewusst willkürlich und in<br />

falscher Weise. Das werfen viele<br />

Muslime den Islamisten auch zu<br />

Recht vor. Leider werden die zahlreichen<br />

Stimmen, die eine zeitgemäße<br />

und friedliche Koraninterpretation<br />

vertreten und gegen die<br />

Gewalttätigen kämpfen, bei uns<br />

viel zu wenig wahrgenommen.<br />

Wie begegnet man terroristischer<br />

Propaganda und vermeidet<br />

es, Gemäßigte und Gewalttätige<br />

in einen Topf zu werfen?<br />

Das ist ein ganz wichtiger Punkt,<br />

den wir im Buch aufgreifen. Es gibt<br />

in den muslimischen Gesellschaften<br />

einen Streit zwischen den<br />

Gemäßigten und den Gewalttätigen<br />

über die richtige Koranauslegung.<br />

Für die Gemäßigten enthält<br />

der Koran im Wesentlichen eine<br />

friedliche Botschaft. Man müsste<br />

ihnen zustimmen und den Gewalttätigen<br />

entgegenhalten, dass<br />

sie gegen unser Rechtssystem und<br />

auch gegen den Koran verstoßen.<br />

Stattdessen vertreten bei uns viele<br />

selbsternannte Experten die Meinung,<br />

dass der Koran nur gewalttätig<br />

interpretiert werden könne.<br />

Damit stellen sie sich inhaltlich<br />

auf die Seite der Terroristen und<br />

gegen die Gemäßigten. Dieses<br />

Verhalten ist nicht nur sachlich<br />

falsch, sondern politisch auch<br />

sehr unklug, da es den Kampf der<br />

gemäßigten Muslime gegen die<br />

Terroristen schwächt.<br />

Der Untertitel Ihres Buches<br />

heißt „Das Fremde als kulturelle<br />

Bereicherung“. Was meinen Sie<br />

damit?<br />

Wenn man sich die Geschichte der<br />

kulturellen Entwicklung von Orient<br />

und Okzident genau anschaut,<br />

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