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Interview mit Nevfel Cumart,<br />
Bambergs Meisterdichter,<br />
über sein erstes politisches Buch<br />
„Das Fremde<br />
als kulturelle<br />
Bereicherung!“<br />
Nevfel Cumart ist ein leiser Mensch, ohne jede Schärfe,<br />
mit einer jeden verzaubernden Samtstimme. Dennoch<br />
findet er überall Gehör – meist mit seinen nachdenklichen,<br />
zuweilen auch heiteren Gedichten, die um Gott,<br />
die Liebe, das Leben und die Welt kreisen. Der Bamberger<br />
zählt schon seit Jahren zu den besten deutschen<br />
Literaten, zahlreiche Auszeichnungen krönen sein unermüdliches<br />
Bestreben, zwischen Christentum und Islam<br />
Brücken zu bauen. Meist reichen ihm dafür in seinen Gedichtbänden<br />
wenige lyrische Zeilen. Nun hat Bambergs<br />
Meisterdichter zusammen mit dem Naturwissenschaftler<br />
Ulrich Waas ein geschichtlich-politisches Buch („Orient<br />
und Okzident – die andere Geschichte“) geschrieben, das<br />
neue, zuweilen auch überraschende Sichtweisen in einer<br />
überhitzten Debatte um Islam und Christentum zulässt.<br />
Die FN hockte sich mit ihm nicht auf einen Diwan, sondern<br />
auf eine Bierbank zum Gespräch.<br />
Um etwas zu beschreiben,<br />
brauchen Sie in Ihren Gedichtbänden<br />
meist nur wenige Zeilen.<br />
In Ihrem neuesten Werk<br />
„Orient und Okzident“ sind es<br />
über 7500 Zeilen auf 245 Seiten.<br />
Was verführt einen Dichter<br />
zu einem solchen geschichtlich-politischen<br />
Werk?<br />
Nevfel Cumart: Mit Gedichten<br />
kann man Menschen ja besonders<br />
über das Gefühl und den Bauch<br />
erreichen, bei einem Sachbuch<br />
ist das natürlich anders. Da muss<br />
eher die Vernunft angesprochen<br />
und mit sachlichen Informationen<br />
und Argumentationen gearbeitet<br />
werden. Besonders angesichts der<br />
zusehends aggressiver werdenden<br />
gesellschaftlich-politischen Diskussion.<br />
Wir wollten mit einem<br />
Rückblick in die Geschichte zeigen,<br />
was Orient und Okzident kulturell<br />
verbindet. Und auch belegen,<br />
dass oftmals Ablehnung und<br />
Aggression auf fehlenden Informationen<br />
und falschen Klischees<br />
beruhen. Übrigens kam die Idee<br />
zu diesem Buchprojekt von Ulrich<br />
Waas, der mich schon nach dem<br />
ersten Gespräch überzeugte.<br />
Ihr Buch beginnt ohne Umschweife<br />
schon in den ersten<br />
Sätzen mit dem islamistischen<br />
Terror.<br />
Das ist ja etwas, was die Menschen<br />
wirklich bedrückt! Und damit<br />
meine ich nicht nur die Menschen<br />
hierzulande, sondern auch<br />
die große Mehrheit im Orient.<br />
Sie hat unter dem Terror weitaus<br />
mehr gelitten als wir hier in Europa.<br />
Aber wir wollten zu Beginn<br />
des Buches auch verdeutlichen,<br />
dass die Fundamentalisten, die<br />
sich hier auf das Christentum oder<br />
die „Rettung des Abendlands“ berufen,<br />
ebenso zur Gewaltspirale<br />
beitragen.<br />
Eine Grundthese in der heutigen<br />
Islam-Debatte lautet: Der<br />
islamistische Terror ist ein Teil<br />
des Islams.<br />
Die Islamisten berufen sich zwar<br />
auf den Koran, aber sie interpretieren<br />
bewusst willkürlich und in<br />
falscher Weise. Das werfen viele<br />
Muslime den Islamisten auch zu<br />
Recht vor. Leider werden die zahlreichen<br />
Stimmen, die eine zeitgemäße<br />
und friedliche Koraninterpretation<br />
vertreten und gegen die<br />
Gewalttätigen kämpfen, bei uns<br />
viel zu wenig wahrgenommen.<br />
Wie begegnet man terroristischer<br />
Propaganda und vermeidet<br />
es, Gemäßigte und Gewalttätige<br />
in einen Topf zu werfen?<br />
Das ist ein ganz wichtiger Punkt,<br />
den wir im Buch aufgreifen. Es gibt<br />
in den muslimischen Gesellschaften<br />
einen Streit zwischen den<br />
Gemäßigten und den Gewalttätigen<br />
über die richtige Koranauslegung.<br />
Für die Gemäßigten enthält<br />
der Koran im Wesentlichen eine<br />
friedliche Botschaft. Man müsste<br />
ihnen zustimmen und den Gewalttätigen<br />
entgegenhalten, dass<br />
sie gegen unser Rechtssystem und<br />
auch gegen den Koran verstoßen.<br />
Stattdessen vertreten bei uns viele<br />
selbsternannte Experten die Meinung,<br />
dass der Koran nur gewalttätig<br />
interpretiert werden könne.<br />
Damit stellen sie sich inhaltlich<br />
auf die Seite der Terroristen und<br />
gegen die Gemäßigten. Dieses<br />
Verhalten ist nicht nur sachlich<br />
falsch, sondern politisch auch<br />
sehr unklug, da es den Kampf der<br />
gemäßigten Muslime gegen die<br />
Terroristen schwächt.<br />
Der Untertitel Ihres Buches<br />
heißt „Das Fremde als kulturelle<br />
Bereicherung“. Was meinen Sie<br />
damit?<br />
Wenn man sich die Geschichte der<br />
kulturellen Entwicklung von Orient<br />
und Okzident genau anschaut,<br />
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