Operiert oder nicht? Diese Frage wird heute immer weniger wichtig, kosmetische Korrekturen sind breiter akzeptiert.
JUGEND Ewige <strong>Jugend</strong> – der Seiltanz zwischen Traum und Wahn Der Traum von der ewigen <strong>Jugend</strong> ist so alt wie die Menschheit. Warum die Menschen heute weniger denn je bereit sind, das Altwerden tatenlos hinzunehmen, mit welchen Tricks sie die Natur zu überlisten versuchen und wer davon profitiert. Von Jacqueline Perregaux, Redaktion Bulletin Foto: Getty Images/Stone/Andreas Kuehn Kleopatra badete in Eselsmilch, Faust verhökerte seine Seele an den Teufel und Dorian Erbanlage und Gray ging für sein makelloses Äusseres über Leichen. Heute lassen sich Leute mit Altersphobien das Bakteriengift Botox unter die Stirnhaut injizieren, sobald erste Fältchen auch nur ansatzweise erkennbar sind. Die Methoden mögen grundverschieden sein, der Zweck ist jedoch immer derselbe: sein jugendliches Aussehen so lange wie möglich zu bewahren. Dass die Gesichtshaut ungefähr ab dem 30. Altersjahr an Elastizität einbüsst, sich Lachfältchen, Krähenfüsse und Schatten unter den Augen bemerkbar machen, wissen zwar alle und ist zu erwarten. Trotzdem kann der morgendliche Blick in den Spiegel schon mal zu einer kurzen Schrecksekunde führen. Im Unterschied zu früher – und früher heisst hier vor zehn bis zwanzig Jahren – lassen sich heute immer mehr Menschen unter 30 «verjüngen». Für die Sendung «Beautyclinic» auf RTL, einem Sender, der zwar nicht gerade wegen seiner Seriosität bekannt ist, jedoch über einen untrüglichen Riecher für Alltagstrends verfügt, bewarben sich bereits 18-Jährige um kostenlose, vom Sender gesponserte Schönheitsoperationen. Schönheitschirurgen unterscheiden denn auch zwischen zwei Patiententypen: Der «geriatrische» Typ ist über 45 (sic!) Jahre alt und möchte sich operieren lassen, um jünger auszusehen. Der «genetische» Typ hat seine «Schönheitsfehler» von Geburt an: Die Palette an Makeln, die unter diesen Begriff fallen, ist nicht nur sehr breit, sondern stark von der subjektiven Wahrnehmung bestimmt. «Genetische» Patientinnen und Patienten möchten sich durch operative Eingriffe ihrem Schönheitsideal so weit wie möglich annähern. Dr. Jan Poëll, ehemaliger Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie, unterscheidet jedoch deutlich zwischen dem, was in der Schweiz und etwa Amerika üblich ist. «Die Hemmschwelle für kosmetische Korrekturen ist aber in den letzten zehn Jahren gesunken. Man spricht auch viel offener darüber.» Allerdings sei es sicher nicht der Fall, dass sich <strong>Jugend</strong>liche zum 18. Geburtstag anstatt Fahrstunden eine erste Schönheitsoperation wünschten. Eines hat sich jedoch bestimmt verändert: Während sich noch vor wenigen Jahren hauptsächlich Frauen über 50 vom Skalpell der plastischen Chirurgen ewige <strong>Jugend</strong> versprachen, sind heute nicht nur wesentlich Jüngere in Lebensstil bestimmen das Tempo des Alterungsprozesses. deren Wartezimmern anzutreffen, sondern auch immer mehr Männer. Und: Mit einer einzigen Operation gibt man sich längst nicht immer zufrieden. Psychologen nennen dieses Phänomen die Suche nach «Permajugend». Damit umschreiben sie die Unfähigkeit, das eigene Altern zu akzeptieren. Der dauernde Versuch, den «heiligen Gral» der <strong>Jugend</strong>lichkeit zu finden, kann sogar zur Sucht werden – und ist doch zum Scheitern verurteilt. Rettung in der Not versprechen sich viele von Anti-Ageing- und Life- Extension-Methoden, mit denen sich zurzeit gutes Geld verdienen lässt. Ausgehend von der Beobachtung, dass Leute unterschiedlich schnell altern und zum Teil trotz ihres kalendarisch identischen Alters jünger oder eben älter aussehen, kamen die Forscher zur Erkenntnis, dass der Alterungsprozess nicht nur durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird, sondern, und viel wichtiger, selbst beeinflussbar ist. Wie schnell jemand altert, ist zu einem grossen Teil durch die Erbanlagen bestimmt. Ausserdem produziert unser Körper mit zunehmendem Alter weniger Hormone, was die Alterung beschleunigt. Mit diesen Erkenntnissen im Hinterkopf scheint die Lösung nahe zu liegen: eine Hormontherapie. Das Swiss Health & Life Extension Institute der Praxis und Klinik Piano in Biel setzt deshalb unter anderem auf Hormone als Jungbrunnen. Ziel sei zu verhindern, dass der Hormonspiegel abfällt und als Folge davon Körper, Geist und Seele erschlaffen, heisst es auf der Homepage der Klinik. Vielfach gelinge das durch eine einfache Reaktivierung der Drüsen, die daraufhin wieder genügend Hormone produzierten. Ansonsten werde auf die Hormonsubstitution zurückgegriffen. Bei dieser Methode werden dem Körper Hormone, die fehlen oder in zu geringer Menge vorhanden sind, in genauer Dosierung zugeführt. Doch ein Rückgang der Hormone und ihrer Wirkung ist nicht alleine verantwortlich für den Alterungsprozess. Ernährung und Lebensstil haben da ebenfalls ein Wörtchen mitzureden. Junk Food, übermässiger Alkoholkonsum und Rauchen belasten den Organismus stark und erzeugen so genannten oxidativen Stress, der sich in einer beschleunigten Alterung der Zellen äussert. Auch sonst scheint das Leben recht anstrengend zu sein; jedenfalls ist genügend Schlaf ein Schlüssel zur «ewigen <strong>Jugend</strong>». Denn im Schlaf regeneriert und reinigt sich der Körper. Credit Suisse Bulletin 4-<strong>02</strong> 23