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„Natur und Technik<br />
spielen mit unserem Leben Schach …“<br />
Vor 100 Jahren stürzte bei Tiefenort ein Zeppelin vom Himmel<br />
Die Notlandung des Marineluftschiffs<br />
L55 auf der Wacht bei Tiefenort ist<br />
nun schon einhundert Jahre her. Vor<br />
80 Jahren setzte man in Erinnerung an<br />
diese Begebenheit einen Gedenkstein<br />
an gleicher Stelle. Beide Ereignisse<br />
sind nach wie vor präsent in Tiefenort.<br />
Der Zeppelin L55 war von beeindruckender<br />
Größe. Die Länge betrug fast<br />
zweihundert Meter. Der größte Durchmesser<br />
wird mit knapp 24 Metern angegeben.<br />
Insgesamt fasste er zwanzig<br />
Mann Besatzung und 55.000 Kubikmeter<br />
Gas. Unter dem Kommandanten<br />
Kapitänleutnant Hans Kurt Flemming<br />
flog er am 19. <strong>Oktober</strong> 1917 einen Generalangriff<br />
auf England als Teil eines<br />
Geschwaders von zehn Luftschiffen<br />
für die „Funkenschlacht“. Über Birmingham<br />
stehend, krachten 2500 Kilo<br />
Bomben auf die Stadt. Dann wurde der<br />
Luftriese nach London abgetrieben<br />
und geriet in einen „Kuhsturm“. Der<br />
Weg zum Standort Ahlhorn erwies sich<br />
als schwierig. Über Dover, den Ärmelkanal<br />
und die Westfront ging es zurück<br />
nach Deutschland. Mittlerweile war der<br />
Sendeapparat ausgefallen. Um dem<br />
Beschuss zu entgehen, stieg der Zeppelin<br />
auf 7500 Meter Höhe. Diese „Sieben-fünf<br />
“ sind bis heute der Höhenrekord<br />
für Luftschiffe. Oberleutnant<br />
zur See Otto Kohlhauer, Wachoffizier<br />
in der L55, schrieb später: “Natur und<br />
Technik spielen mit unserem Leben<br />
Schach.“ Das Thermometer sank auf<br />
minus 34 Grad. Die Mannschaft litt<br />
unter der Höhenkrankheit, die sich in<br />
Kopfschmerzen, Augenschmerzen und<br />
schweren Gliedern äußerte. Das Atmen<br />
fiel trotz Sauerstoffmaske schwer. Nach<br />
Absinken auf 1000 Meter wird der Kurs<br />
gesetzt. Otto Kohlhauer schreibt dazu:<br />
„Wir koppeln unseren Kurs, verfolgen<br />
Städte und Flussläufe. Endlich herrscht<br />
Einigkeit über den Standort. …. Wir stehen<br />
über Aachen. Denken wir….“ Der<br />
Standort Ahlhorn müsste nun bald in<br />
Sicht kommen. Man war allerdings im<br />
Irrtum. Statt über Aachen stand man<br />
über Darmstadt. Der Kurs von Aachen<br />
nach Ahlhorn ist der gleiche wie von<br />
Darmstadt nach Immelborn – der richtige<br />
Kurs auf der falschen Linie. Die<br />
Bahnstation Immelborn war der erste<br />
Anhaltspunkt, dass man vom Weg abgekommen<br />
war.<br />
Aufgrund der Beschädigungen am<br />
Schiff versucht der Kapitän den Flughafen<br />
Gotha zu erreichen, muss aber<br />
dann doch notlanden. Auf der Wacht,<br />
einem leicht ansteigenden Flurstück<br />
bei Tiefenort, stürzte der Luftriese zu<br />
Boden und wurde an Kiefern vertäut.<br />
Die Landung war im Ort nicht unbemerkt<br />
geblieben, so dass schon bald<br />
Einheimische auf dem Weg zum Landeplatz<br />
waren. Von Beginn an gab es<br />
ein enges und freundliches Verhältnis<br />
zwischen der Mannschaft und den Einwohnern.<br />
Kommandant Flemming und<br />
seine Truppe erhielten Unterkunft und<br />
Verpflegung in Tiefenorter Häusern.<br />
Die Tiefenorter Feuerwehr übernahm<br />
für die übermüdete Mannschaft die<br />
Nachtwache über das Luftschiff. Später<br />
wird in der Zeitung zu lesen sein:“<br />
Überaus herzlich gestaltete sich vom<br />
Augenblick der Landung an, das Verhältnis<br />
der Schiffsbesatzung und auch<br />
später des Arbeitskommandos zu den<br />
Bewohnern der Gemeinde Tiefenort.<br />
Kapitän Flemming hat auch die Anerkennung<br />
der Ministerien in Weimar<br />
und Berlin veranlasst.“ Am nächsten<br />
Tag sollte es zurück nach Ahlhorn gehen.<br />
Die Beschädigungen am L55 waren<br />
aber so schwer, dass es noch vor Ort<br />
Kommandant Kapitänleutnant<br />
Hans Kurt Flemming