Neue Szene Augsburg_2017-10
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GERILLTES<br />
FRÄULEIN BRECHEISEN<br />
SUPERGRATTLER<br />
(In gute Hände Records)<br />
Mittlerweile hat sich das <strong>Augsburg</strong>er<br />
Jazz-Disco Punk-Ensemble so etwas<br />
wie einen regionalen Legendenstatus<br />
erarbeitet. Man könnte es sich also<br />
locker im eigenen Sound von einer Million<br />
herrlich funkelnder Diskokugeln<br />
gemütlich machen, aber das ist nicht<br />
die Ambition von Fräulein Brecheisen.<br />
Darum haben sich Harald Brecheisen<br />
und David Jahnke zusammen mit dem<br />
<strong>Augsburg</strong>er Filmkomponisten Michael<br />
Kamm ins Studio begeben, um jetzt<br />
eine geniale Neo-Disco-Platte auszuspucken.<br />
Schon das Plattencover sagt mehr<br />
über den Sound aus, als es Worte tun<br />
könnten und wen das Austro-Quartett<br />
„Bilderbuch“ heiß machte, der wird<br />
auch bei Fräulein Brecheisen in wilde<br />
Ekstase geraten. Word! (max)<br />
<br />
CRO<br />
TRU.<br />
(Chimperator Productions/Groove<br />
Attack)<br />
„Tru.“ ist das dritte Album des Deutschpop-Rappers<br />
aus Mutlangen. Mit den<br />
ersten beiden hat er abgeräumt ohne<br />
Ende. Cro macht aber jetzt nicht einfach<br />
so weiter, dudelt seine Songs herunter<br />
und sackt die Kohle ein. Vielmehr<br />
nimmt er wenig Rücksicht auf die Erfolge<br />
und Erwartungen und das ist mutig,<br />
ehrlich, kreativ und gut so. Cro hat sich<br />
nicht neu erfunden, aber er ist definitiv<br />
älter geworden und das spürt man musikalisch<br />
und inhaltlich. Die Songs sind<br />
länger geworden, gehen tiefer und sind<br />
fast schon kleine Kunstwerke. Obwohl<br />
auch Hits auf dem Album sind, werden<br />
Teenies mit „Tru.“ nicht mehr allzu viel<br />
anfangen können und auch das ist gut<br />
so. „Tru.“ ist ein Meisterwerk. (cs)<br />
<br />
LYDIA DAHER<br />
WIR HATTEN GROSSES VOR<br />
(Trikont/Indigo)<br />
Nur das Wort kann auf Dauer auch<br />
ein bisschen langweilig sein. Wenn<br />
das Wort aber durch Musik unterstützt<br />
oder noch besser, wenn das Wort selber<br />
zur Musik wird, sind wir beim neuen<br />
Album von Lydia Daher. Dieses ist ein<br />
wunderbares und starkes Statement<br />
von Lydia, das einfach, gleichzeitig<br />
aber vielschichtig rüberkommt. Die<br />
in sich geschlossenen Songs, die wie<br />
selbstverständlich aus einem Guss<br />
fließen, führen uns tief hinein in ihre<br />
Welt. Soundschubladentechnisch ist<br />
das Ganze irgendwo zwischen Jazz,<br />
Minimal und Avantgarde einzuordnen.<br />
„Wir hatten Großes vor“ ist das kompletteste<br />
Album von Lydia Daher, das<br />
alles was sie denkt, fühlt und bewegt<br />
auf den Punkt bringt. (cs)<br />
<br />
FREDDA<br />
LAND<br />
(Le Pop Musik/Groove Attack)<br />
Die französische Chansonette Fredda<br />
hatte eigentlich schon immer ein Faible<br />
für den Sound, der aus den Staaten<br />
kommt, sei es Blues, Folk oder Pop. Für<br />
ihr neues Album hat sie sich mit den zu<br />
Hause aufgenommenen Songs nach Tuscon/Arizona<br />
unter die Fittiche von Jim<br />
Waters begeben, der den Songs die Weite<br />
der Wüste Arizonas verlieh. Zusammen<br />
mit ihm schafft Fredda die Fusion von<br />
französischem Chanson und amerikanischem<br />
Tex-Mex-Sound. Und das passt<br />
erstaunlicherweise sehr gut zusammen.<br />
Gehauchte französische Chansons mit<br />
Mariachi-Trompeten, Pedal-Steel-Gitarre,<br />
wehmütigen Geigen, viele Songs im<br />
Dreivierteltakt. Fredda hat endlich das<br />
Album aufgenommen, das sie schon<br />
immer machen wollte. (cs)<br />
<br />
CHUCKAMUCK<br />
CHUCKAMUCK<br />
(Staatsakt)<br />
Garage-Punk-Fans aufgepasst! Chuckamuck<br />
um Sänger Oska Wald ist zurück<br />
und lässt uns in ihrem dritten Studioalbum<br />
erneut in frohlockende Tanzstimmung<br />
verfallen. Und doch scheint sich<br />
nicht so viel verändert zu haben, denn die<br />
Stimme des Frontmanns klingt vielleicht<br />
ein wenig schäbiger, verrauchter, vertrunkener<br />
und die Gitarren jangeln auch bei<br />
den neusten Songs gekonnt vor sich hin.<br />
Textlich geht es mal wieder vor allem<br />
um eines, nämlich um Beziehungen.<br />
Möglicher Geheimtipp auf der Scheibe:<br />
„20.000 Meilen “- ein entspannter Sound<br />
der ein bisschen an Element of Crime<br />
erinnert. Herausgekommen ist eine schöne<br />
Platte, die Sonne in den herbstlichen<br />
Alltag bringt. (jk)<br />
<br />
THE LUXEMBOURG SIGNAL<br />
BLUE FIELD<br />
(Shelfield rec./Kleine Untergrund<br />
Schallplatten)<br />
Die Shoegazer bleiben auch mit diesem<br />
Werk ihrem Genre treu, obgleich sie mit<br />
Songs wie „There´s nothing more beautiful<br />
than a well made machine“ die sonst<br />
so sanften Dreampop-Töne durch härtere<br />
Gitarren- und Synthieriffs durchbrechen<br />
können. Da ist trotz allem der wunderbar<br />
zart-harmonische zweistimmige Gesang<br />
von den beiden Frontfrauen Beth Arzy<br />
und Ginny Pitchford, welcher der zauberhaften<br />
Instrumentierung der Songs den<br />
letzten Schliff verleihen kann. Highlight<br />
der Platte: „Fall feeling“, der zusammen<br />
mit Bobby Wratten vom „Sarah Records“-<br />
Klassiker „The Field Mice“ eingesungen<br />
wurde. Blue Field ist ein Insider Tipp, den<br />
es sich zu hören lohnt! (jk)<br />
<br />
ALVVAYS<br />
ANTISOCIALITIES<br />
(Transgressive)<br />
Die zweite LP der kanadischen Indie-<br />
Popper und damit vor allem die Stimme<br />
der Frontfrau Molly Rankins scheint<br />
deutlich hochproduzierter, die Instrumentalisierung<br />
aufwändiger und alles<br />
ist einfach ein wenig cleaner und poppiger.<br />
Aber das tut dem Ganzen keinen<br />
Abbruch, sind doch potentielle Hits<br />
versteckt wie „Hey“, „Dreams tonite“ oder<br />
„In undertow“. Die zehn Stücke, die zwar<br />
von ihrem ursprünglichen Folk-Charme<br />
ein wenig verloren haben, scheinen in<br />
einem homogenen Guss aus Surf und<br />
Indiepop-Gitarren entstanden zu sein,<br />
so sehr gleichen sie sich, ohne dabei je<br />
langweilig zu werden. Ein Album das<br />
musikalisch wie textlich hervorragend<br />
in das Jahr <strong>2017</strong> passt. (jk)<br />
<br />
THE HOWLIN` MAX MESSER<br />
SHOW<br />
S/T<br />
(Off Label Records)<br />
Max Messer ist einer der schillerndsten<br />
Typen der Stadt. Er ist so eine Mischung<br />
aus Voodoo-Priester und Lümmel von<br />
der ersten Bank und authentisch bis<br />
ins Knochenmark. Mit seinen Hokum<br />
Drive-Kumpanen veröffentlichte er<br />
jetzt bei Off Label Records ein Album<br />
mit zehn Song. Es kracht, fiept, jault<br />
und scheppert aus jeder Pore und die<br />
vier Herren laden uns auf eine rasante<br />
und schweißtreibende Geisterbahnfahrt<br />
durch ihre 60ies-Psychedelic-Garage-<br />
Swamp-Rockabilly-Trash-Welt. Schön,<br />
dass Steuermann Messer in den richtigen<br />
Momenten auch mal vom Gas geht und<br />
dem Album damit Soul einhaucht. Rock<br />
& Roll supreme! (ws)