Leseprobe aus "KLIMT - erzählt für Kinder"
Aus der Serie JULIE GEHT INS MUSEUM
Nora Rath-Hodann . Peter Diamond
KLIMT
erzählt für Kinder
Leseprobe: Kapitel 12 (Auszug)
„Der Einsatz von Gold ist das Unverwechselbare an Klimts Kunst. Zwei
Gemälde sind ganz besonders berühmt: das Bildnis Adele Bloch-Bauer und Der
Kuss.“
„Die kenne ich!“ Diese Bilder hat Julie in einem Andenkengeschäft gesehen.
„Adele war zum Zeitpunkt der Entstehung des gleichnamigen Gemäldes rund
Mitte zwanzig. Trotzdem wirkt sie sehr ernst und erwachsen auf dem Bild. Das
Edelmetall verstärkt diesen Eindruck noch, wie ich finde. Wie schon damals bei
Sonja Knips konzentrierte sich Klimt auf den Kopf und auf die Hände. Genauso
wie er es in den Kirchen gesehen hatte, blieben nur diese beiden Bereiche
frei – der Rest war mit Gold bedeckt. Auch hier sitzt die Frau auf einem Stuhl.
Allerdings zerfließen die Grenzen zwischen Körper, Möbel und Hintergrund.
Und während der Hintergrund ganz flächig und einheitlich ist, sind der Stuhl
und Adeles Kleid über und über mit Ornamenten geschmückt. Gustav setzte
dort Elemente wie Ovale, Rechtecke, Dreiecke und Spiralen ein. Diese wurden
aber nicht nur mit Goldfarbe gemalt, sondern mit hauchdünnem Blattgold
aufgetragen, sodass sie leicht erhaben sind.
Manche sagen, dass das viele Gold auch Adele in ihrem goldenen Käfig
darstellt. Sie war eine kluge Frau und hätte gerne studiert. Jedoch unterlag
sie den Zwängen ihrer Zeit, in der das nicht möglich war. Obwohl sie sehr
wohlhabend war, war sie nicht frei zu tun, was sie wollte. Das bezeichnet man
als ‚goldenen Käfig‘. Vielleicht ist
sie aber auch eine Königin auf ihrem Thron. Es gibt viele Möglichkeiten ...“
Julie sitzt mit offenem Mund vor dem Buch. Sie hätte nie gedacht, dass es rund
um Gemälde so viele Geschichten geben könnte.
„Wie du dir denken kannst, hat auch dieses Bild nicht allen gefallen. Jemand
sagte darüber Mehr Blech als Bloch, womit gemeint war, dass es eigentlich
kein gemaltes Kunstwerk mehr war, sondern Klimt mit dem vielen Metall
einfach nur Aufmerksamkeit erregen wollte. Dabei gab es kaum ein Bild,
auf das sich Klimt mehr vorbereitet hatte. Er hatte unzählige Zeichnungen
angefertigt.
Das vielleicht berühmteste Bild, Der Kuss, zeigt einen Mann und eine Frau, die
sich umarmen. Der Mann gibt der Frau einen Kuss auf die Wange – daher der
Name des Bildes. Es gibt Leute, die sagen, dass es sich bei den beiden um
Gustav Klimt und Emilie Flöge handelt – zwei Menschen, die einander in tiefer
Freundschaft verbunden sind und sich wortwörtlich sehr nahe stehen.
Viele wiederum meinen, dass es genau umgekehrt sei, und dass die Frau gar
nicht so recht geküsst werden möchte.“
„Wie weiss ich, ob das die richtige Geschichte ist?“
„Kleine, gar nicht. Niemand weiss mit Sicherheit, was Klimt mit diesem
Werk ausdrücken wollte. Es haben sich schon viele Experten mit diesem
Bild beschäftigt. Und heute geht man tatsächlich davon aus, dass die Frau
den Kuss nur widerwillig über sich ergehen lässt. Ich finde, das ist gerade
das Spannende an Klimts Gemälden. Man kann nicht auf den ersten Blick
erkennen, worum es geht, und jeder sieht vielleicht etwas anderes.“
Leseprobe aus: KLIMT- erzählt für Kinder. ISBN 978-3-9504065-6-6
Text von Nora Rath-Hodann . Illustrationen von Peter Diamond
© JGIM Verlag, Wien . www.juliegehtinsmuseum.at
Auch in englischer Sprache verfügbar: KLIMT - The Golden Painter. ISBN 978-3-9504065-7-3