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2017_2_franziskaner

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sommer <strong>2017</strong><br />

magazin für franziskanische kultur und lebensart<br />

Europa –<br />

mon amour<br />

Demokratie, Frieden und Achtung der Menschenwürde<br />

www.<strong>franziskaner</strong>.de<br />

Weitere Themen: Die Katholiken und der Rechtspopulismus +++ Franziskanische<br />

Familie: Erster Orden +++ Südsudan – Gefangen in der Logik des Krieges


Franziskanische<br />

Familie<br />

Vor 500 Jahren spaltete<br />

sich der franziskanische<br />

Männerorden.<br />

Anlass für uns, den<br />

Ersten Orden (Minoriten,<br />

Franziskaner und<br />

Kapuziner) genauer<br />

anzuschauen.<br />

Seite 24–27<br />

Südsudan<br />

Seit 2011 unabhängig,<br />

reich an Rohstoffen und<br />

doch arm und zerstört.<br />

Wie geht das zusammen?<br />

Und vor allem:<br />

Was kann man tun für<br />

die Menschen, die von<br />

Krieg und Hungersnot<br />

bedroht sind?<br />

Seite 30–32<br />

Sommer <strong>2017</strong><br />

Zeitschrift der Deutschen Franziskaner<br />

4 Kultur<br />

Anregungen und mehr<br />

6 Europa und Rechtspopulismus<br />

• Europa, mon amour<br />

• Die Rettung des Christlichen im Abendland?<br />

• Interview mit Andreas Püttmann<br />

17 Spiritualität<br />

Geistlicher Wegbegleiter<br />

21 Theologischer Impuls<br />

Kleines theologisches Wörterbuch: Geschichte<br />

22 Franziskanisch leben<br />

Vivere – Leben in franziskanischer Inspiration<br />

24 Franziskanische Familie<br />

• Franziskaner zwischen Einheit und Vielfalt<br />

• Kapuziner – Minoriten – Franziskaner<br />

28 Berufungsgeschichten<br />

Peter Amendt OFM<br />

29 Nachrichten<br />

30 Aktuelles<br />

Südsudan – Gefangen in der Logik des Krieges<br />

33 Auszug aus dem Kursprogramm<br />

34 Impressum und Buchverlosung<br />

35 Bruder Germanicus<br />

36 Franziskanerklöster in Deutschland<br />

Wir gedenken des am 16. Juni verstorbenen Helmut Kohl<br />

mit einem Bild, das ihn mit dem damaligen französischen<br />

Präsidenten François Mitterand im Jahr 1984 zeigt. Es ruft<br />

ihn als Kanzler der Einheit und Wegbereiter der Europäischen<br />

Union in Er innerung. »Die deutsche Einheit und die<br />

europäische Einigung sind zwei Seiten ein und derselben<br />

Medaille«, sagte er einmal.<br />

© oben: meinhardt • don bosco mission bonn • melinda nagy - stock.adobe.com • © unten picture alliance/ap photo<br />

Die Zeitschrift »Franziskaner«<br />

… erscheint viermal im Jahr … wird klimaneutral auf Recyclingpapier gedruckt … liegt in allen franziskanischen Häusern aus<br />

… können Sie sich kostenlos nach Hause liefern lassen:<br />

Provinzialat der Deutschen Franziskaner provinz<br />

Frau Ingeborg Röckenwagner<br />

Sankt-Anna-Straße 19, 80538 München<br />

zeitschrift@<strong>franziskaner</strong>.de<br />

Tel.: 0 89 2 11 26-150, Fax: 0 89 2 11 26-111<br />

… wird zu großen Teilen über Spenden finanziert:<br />

Spenden zur Finanzierung dieser Zeitschrift erbitten wir<br />

unter Angabe des Verwendungszweckes »Spende Zeitschrift«<br />

auf das Konto der Deutschen Franziskanerprovinz<br />

IBAN DE40 5109 1700 0080 8888 80<br />

BIC VRBUDE51 bei der Bank für Orden und Mission


Europa, mon amour<br />

Wenn man den Angstmachern<br />

glaubt, steht Europa kurz vor<br />

dem Abgrund und »die Politik«<br />

ist an allem schuld. Dabei<br />

leben wir in der Luxusecke der<br />

Welt. Es ist an der Zeit, sich für<br />

Europa, für Demokratie, Frieden<br />

und die Achtung der Menschenwürde<br />

starkzumachen.<br />

Seite 6–16<br />

europa braucht ideen, keine angstmache<br />

1957 legten Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande<br />

in den Römischen Verträgen den Grundstein für die Europäische Union. Gut zehn Jahre nach<br />

dem Ende des Zweiten Weltkrieges, der Europa in ein einziges Schlachtfeld und einen riesigen Friedhof<br />

verwandelt hatte, war das ein mutiger Schritt. 60 Jahre danach kommt dennoch keine Feierstimmung<br />

auf. Europa wackelt. Solidarität bröckelt. Neue nationale Gräben tun sich auf. In Europa werden wieder<br />

Zäune gebaut. England steigt aus, andere Länder könnten folgen.<br />

»Es kommen Franzosen, es eilen Spanier herbei, Deutsche und Engländer schließen sich an.« Diese<br />

Worte beziehen sich nicht auf die EU. Sie stammen vom Anfang des 13. Jahrhunderts und beschreiben<br />

das Wachsen der franziskanischen Bruderschaft. Diese war durchaus eine europäische Bewegung. Ihre<br />

Anhänger, aus verschiedenen Kulturen und ohne einheitliche Sprache, hatten eine verbindende Idee,<br />

»sie wollten im Kleid und nach der Regel unseres Ordens leben« (1 C 27).<br />

© oben: alotofpeople – fotolia.com/bearbeitung: meinhardt<br />

Jedes gemeinsame Projekt braucht eine gemeinsame Idee. Auch Europa. Die Baumeister der EU, Robert<br />

Schumann, Konrad Adenauer, Alcide De Gasperi, waren überzeugte Christen. Europa hat tief christliche<br />

Wurzeln. Aber zu seiner Geschichte gehören auch die römische und griechische Antike, Juden und Muslime,<br />

die Aufklärung und die Religionskritik. Europa war immer schon »multikulturell«. Diese Mischung<br />

hat einen einzigartigen Wertekanon geschaffen: Respekt vor der Würde der menschlichen Person, Solidarität,<br />

Recht, Gerechtigkeit, Freiheit, Demokratie.<br />

Die aktuelle Europa-Müdigkeit lässt leicht vergessen: Die europäische Idee hat diesem von Kriegen zerrissenen<br />

Kontinent die seit Jahrhunderten längste Friedensperiode gebracht. Europa ist kein Faktum.<br />

Europa ist eine Aufgabe. Das war nach dem Krieg so und das ist heute wieder so. Das europäische Haus<br />

ist entstanden, weil Menschen und Staaten bereit waren, sich füreinander zu öffnen. Auf diesem Fundament<br />

steht auch ein künftiges Europa. Es wächst nicht aus Angst. Populismus spielt mit der Angst, kennt<br />

nur eigene Interessen und grenzt sich ab. Das aber sind Haltungen, die der biblischen Botschaft zutiefst<br />

widersprechen.<br />

Europa lebt von der Basis, von Menschen, die die europäische Idee aktiv mittragen, nicht nur bei einer<br />

Wahl, sondern auch im Gespräch am Stammtisch und in der Verwandtschaft. Dazu möchte die vorliegende<br />

Ausgabe unserer Zeitschrift FRANZISKANER einladen.<br />

Cornelius Bohl OFM (Provinzialminister)<br />

editorial<br />

3


BRUDER THOMAS EMPFIEHLT<br />

»Einen Besuch im jüdischen Museum in Berlin«<br />

Gehen Sie Stufe für Stufe den Weg nach oben.<br />

Ab und zu queren Gänge der Erinnerung an<br />

dunkle Zeiten der Geschichte. Am Ende der<br />

langen Treppe öffnet sich der Blick in die<br />

reiche Geschichte jüdischen Lebens in<br />

Deutschland. Auch wenn ich einiges<br />

wusste, manches ahnte, beim Besuch des<br />

jüdischen Museums in Berlin wurde mir<br />

deutlich, wie verkürzt unser Blick auf das<br />

deutsche Judentum häufig ist. »Between the<br />

lines« nennt Daniel Libeskind seinen<br />

architektonisch sehr interessanten<br />

Museumsbau. Für mich beschreibt er<br />

die schwierige Wanderung zwischen<br />

zwei Linien, der schwarzen des<br />

Holocausts und der goldenen<br />

eines verklärten Blicks auf die<br />

Vergangenheit. Im jüdischen<br />

Museum Berlin gelingt der Blick<br />

auf die lange und reiche jüdische<br />

Tradition, ohne durch die kurzen<br />

dunklen Jahre verstellt zu werden<br />

und ohne diese zu überspielen.<br />

Jüdisches Museum Berlin,<br />

Lindenstraße 9–14, 10969 Berlin,<br />

www.jmberlin.de, Eintritt: 8 Euro,<br />

ermäßigt 3 Euro, Familien: 14 Euro<br />

(2 E, 4 K).<br />

© picture-alliance/akg-images /florian profitlich<br />

Bruder Thomas Abrell OFM (52) arbeitet als Referent in der franziskanischen Bildungsstätte Haus Ohrbeck bei Osnabrück<br />

Angebote für junge Erwachsene – www.projekt.sandamiano.de<br />

Berufen zum Menschsein – Berufen zum Christsein – Berufen zum Gehen in den Fußspuren Jesu<br />

Weitere Informationen 33www.projekt.sandamiano.de<br />

Assisi – praktisch und direkt<br />

2. bis 9. September<br />

Mit Bruder René und Bruder Pascal eine Woche Assisi<br />

in franziskanischer Perspektive erleben.<br />

In dieser Zeit bilden wir eine kleine geistliche<br />

Gemeinschaft in einem Wohnhaus mitten in<br />

Assisi. Ganz praktisch werden wir in dieser<br />

Woche unser Leben und Beten miteinander<br />

gestalten und uns als Gruppe selbst versorgen.<br />

Nebenbei wird es unsere Aufgabe sein, die<br />

Kapelle Santo Stefano zusammen mit dem dort<br />

angrenzenden Garten zu betreuen.<br />

Hüttenwoche in der Natur<br />

am Fuß der Benediktenwand<br />

6. bis 12. August<br />

Eine Hüttenwoche im Hochmoor nahe des<br />

Klosters Benediktbeuern (Oberbayern).<br />

Als Gruppe wollen wir einfach leben und der<br />

Natur und Gott ganz nahekommen. Geplant<br />

sind angepasste Wandertouren durch die<br />

Gebirgslandschaften oder um den<br />

Walchensee, Badetage, Führungen durch das<br />

Kloster Benediktbeuern, Erkundung des<br />

Moorlehrpfades etc. – aber vor allem viel Zeit<br />

für Dich.<br />

Pilgern auf den Spuren des<br />

heiligen Franziskus<br />

10. bis 23. Juli<br />

Auf der Via Francescana zu Fuß unterwegs von Spoleto<br />

über Assisi nach Rom.<br />

Wir wandern durch die faszinierende Landschaft<br />

Mittelitaliens. Gemeinsam feiern wir Eucharistie,<br />

lesen die Bibel und erfahren viel vom Leben des<br />

heiligen Franziskus, der mit seinen Gefährten oft<br />

durch diese Landschaft gezogen ist.<br />

Orientierungsbaukasten:<br />

Finde deine Berufung<br />

Ein Angebot junger Ordensleute für dich.<br />

<br />

20. bis 22. Oktober <strong>2017</strong>: Mein/-e Lebensarchitekt/-in –<br />

Mit Gott rechnen<br />

<br />

26. bis 28. Januar 2018: Meine Lebenswerkzeuge –<br />

Kennenlernen, was hilft<br />

<br />

13. bis 15. April 2018: Meine Lebensbaustellen –<br />

Entschieden leben<br />

SURFTIPP Frische franziskanische Impulse zu kirchlichen<br />

Themen im Jahreskreis bietet die neue Website forumfranziskus.com.<br />

Theologie-Studenten aus Münster haben mit dem Kapuziner Thomas<br />

Schied die Internetsite eingerichtet, um ihre Begeisterung für den<br />

Glauben zu teilen. Ihnen liegt besonders die Botschaft von Papst<br />

Franziskus und seine Berufung auf den heiligen Franziskus von Assisi<br />

am Herzen. Die Site bietet jeden Monat einen Impuls in bewusst<br />

franziskanischer Färbung zu christ lichen Themen und lädt zur<br />

Kommentierung ein. > > forumfranziskus.com<br />

4 kultur


Bruder Rangel kocht<br />

Vorschau: Heilig-Land-Fahrt Ostern 2018<br />

Israel/Palästina 2018<br />

26. März 2018 – 3. April 2018 (von Montag in der Karwoche<br />

bis Osterdienstag)<br />

Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, Berg Tabor, Heiligtümer<br />

am See Gennesaret und anderes.<br />

Ein Angebot des Kommissariats des Heiligen Landes für<br />

alle Interessierten!<br />

Infos und Anmeldung:<br />

Kommissariat des Heiligen Landes,<br />

Werner Mertens OFM, Tel.: 0 29 22 9 82-131,<br />

Mail: werner.mertens@<strong>franziskaner</strong>.de<br />

> > www.heilig-land.de<br />

Küstensalat<br />

Wie die Elemente Erde, Wasser und Luft an der Küste aufeinandertreffen,<br />

vereinen sich in diesem sommerfrischen Salat Rote Bete,<br />

Lachs und Apfel in einer Komposition. Die Herbheit der Erde trifft auf<br />

die Frische der See und die süße Frucht des Baumes. Der Salat passt<br />

gut zu Gegrilltem: Dadurch kommt dann auch noch das Feuer als<br />

viertes klassisches Element hinzu. Ein Lobgesang an die Schöpfung.<br />

Studienreise nach Bosnien-Herzegowina<br />

18. bis 24. September <strong>2017</strong><br />

Zutaten (für 4 Personen)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

150 g vorgekochte Rote Bete<br />

200 g in Öl eingelegter Lachs<br />

1 Apfel<br />

1 Zwiebel<br />

½ Kopf Eisbergsalat<br />

300 g Gartenbohnen<br />

(z. B. Stangenbohnen)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

500 g Kartoffeln<br />

1 Teelöffel Zitronensaft<br />

1 Esslöffel Bouillon<br />

(Klare-Brühe-Pulver)<br />

2 Esslöffel Mayonnaise<br />

Salz, Pfeffer<br />

© bild oben: marie-armelle beaulieu/cts<br />

Reisegruppe der letzten Studienreise nach Istanbul im<br />

September 2016<br />

In Kooperation mit Bruder Jürgen Neitzert OFM lädt die<br />

»franziskanische Initiative 1219. Religions- und Kulturdialog<br />

e. V.« zu einer interreligiösen Studienreise ein. Der Balkan<br />

hat durch die Jahrhunderte eine wechselvolle interreligiöse<br />

Geschichte durchlebt. Römer, Slawen, Osmanen,<br />

Österreicher und viele andere haben eine Pluralität entstehen<br />

lassen, die mal friedlich, mal konfliktreich war:<br />

Muslime, orthodoxe und römisch-katholische Christen<br />

sowie Juden lebten und leben bis heute in dieser Region<br />

zusammen. Im Rahmen unserer Reise, die uns nach<br />

Sarajevo, Mostar und Srebrenica führen wird, werden wir<br />

uns mit der Frage auseinandersetzen, wie das friedliche<br />

Zusammenleben der Religionen gelingen kann. Dazu<br />

besuchen wir Gedenkorte und Gotteshäuser und kommen<br />

mit Menschen unterschiedlicher Religion zusammen.<br />

Leistungen: Reiseleitung, Ü/F in einfachen Hotels,<br />

Fahrtkosten, Eintrittspreise. Kosten: ca. 800 Euro.<br />

Informationen: Tel.: 0 30 51 05 77 73 oder unter:<br />

> > www.1219.eu/studienreise<strong>2017</strong>/<br />

Zubereitung<br />

Kartoffeln kochen (ca. 40 Minuten), schälen, abkühlen lassen. Die<br />

Bohnenkerne aus der Hülse lösen, garkochen und abkühlen lassen.<br />

Die vorgekochten Rote Bete schälen (wegen der intensiven Farbe u. U.<br />

Handschuhe tragen) und zerkleinern. Lachs zusammen mit dem Öl<br />

in eine große Schüssel geben. Zitrone, Bouillonpulver, Mayon naise,<br />

Kartoffeln und Rote Bete hinzugeben und kräftig zerstampfen.<br />

Zwiebeln schälen und sehr fein zerhacken. Eisbergsalat in feine<br />

Streifen schneiden. Apfel schälen, entkernen und fein zerkleinern.<br />

Alles der Schüssel hinzugeben und behutsam vermengen. Mit Salz<br />

und Pfeffer abschmecken.<br />

Guten Appetit!<br />

bruder rangel geerman ofm (43)<br />

wurde auf Aruba (Niederländische Antillen)<br />

geboren und lebt in Megen in den Niederlanden.<br />

Von Beruf ist er Krankenpfleger. Er bekocht die Brüder<br />

und die Gäste des Klosters und engagiert sich<br />

in der Jugendarbeit.


Stefan Federbusch OFM<br />

Ich bin in einem Europa groß geworden, das durch Schüleraustausch, Städtepartnerschaften<br />

und andere Formen der Begegnungen Verständnis füreinander wachsen lässt<br />

und Freundschaften pflegt, das mit dem Schengen-Abkommen seine nationalen<br />

Grenzen öffnete und mit einer gemeinsamen Währung das Bezahlen in vielen Ländern<br />

erleichterte. Dieses Europa schätze ich.<br />

wortung für nicht geglückte politische<br />

Entscheidungen auf »Brüssel« geschoben,<br />

ohne zu erwähnen, dass hierfür wesentlich<br />

die nationalen Regierungen verantwortlich<br />

waren. Mit den Lorbeeren für<br />

positive Entwicklungen schmückten sich<br />

die nationalen Regierungen dagegen<br />

gerne.<br />

Europa, quo vadis? Diese Frage stellt<br />

sich mir nach dem Brexit genannten<br />

Austritt der Briten aus der Europäischen<br />

Union. Europa, bleibst du bestehen? Die<br />

Vorstellung, dass Europa auseinanderfallen<br />

könnte, beschäftigte mich wie<br />

viele andere im Vorfeld der Präsidentschaftswahl<br />

in Frankreich. Würde ein<br />

weiteres Land von nationalistisch ein­<br />

Doch dieses Lebensgefühl »Europa«<br />

teilen aktuell viele nicht mehr. Mir ist<br />

natürlich bewusst, dass die Europäische<br />

Union in ihrer jetzigen Konstruktion<br />

Demokratiedefizite aufweist und durch<br />

Überreglementierungen zum Sündenbock<br />

geworden ist. So wird »Europa«<br />

häufig mit schwerfälliger Bürokratie und<br />

Fremdbestimmung gleichgesetzt. Vielleicht<br />

ist Europa nicht mehr unumstritten,<br />

weil seine positiven Errungenschaften<br />

wie Frieden und (Reise-)Freiheit zu selbstverständlich<br />

geworden sind. Und weil<br />

es die verantwortlichen Politiker und<br />

auch wir Bürger versäumt haben, die<br />

Vision von Europa weiterzuentwickeln<br />

und das gemeinsame Haus zukunftsfähig<br />

zu gestalten. Zu oft wurde die Verantgestellten<br />

Politikern regiert, wie das<br />

bereits in einigen osteuropäischen Ländern<br />

wie Polen und Ungarn der Fall ist?<br />

Mit Emmanuel Macron wurde letztlich<br />

ein europafreundlicher Politiker gewählt.<br />

»Europa atmet auf!«, so der Tenor der<br />

meisten Kommentare. Vorerst jedenfalls.<br />

»Glauben Sie mir, wir werden mit Europa<br />

keinen Erfolg haben mit ausschließlich<br />

juristischer Expertise oder wirtschaftlichem<br />

Know-how (...) Wenn es uns in<br />

den kommenden zehn Jahren nicht gelingt,<br />

Europa eine Seele zu geben, es mit<br />

einer Spiritualität und einer tieferen<br />

Bedeutung zu versehen, dann wird das<br />

Spiel zu Ende sein.« Diese Mahnung<br />

vom damaligen Kommissionspräsidenten<br />

© bild oben: picture alliance/andreas arnold/dpa, porträt: kerstin meinhardt<br />

6 europa


Immer wieder sonntags: Jeden 1. Sonntag im Monat treffen sich um 14 Uhr Menschen unter dem Motto »Pulse<br />

of Europe«. Sie wollen einen Beitrag für ein vereintes, demokratisches Europa leisten.<br />

Jacques Delors – ausgesprochen 1992,<br />

als der Vertrag von Maastricht an einem<br />

Referendum in Dänemark zu scheitern<br />

drohte – hat nichts von ihrer Dringlichkeit<br />

verloren. Im Gegenteil: Die Frage<br />

nach der Zukunft Europas stellt sich<br />

drängender denn je.<br />

was verbindet uns?<br />

Was hält die Europäische Union zusammen?<br />

Die viel beschworene Grundierung<br />

als christliches Abendland ist es schon<br />

lange nicht mehr. In der EU-Verfassung<br />

ist anstelle des Gottes-Bezugs in der<br />

Präambel nur noch vom »kulturellen,<br />

religiösen und humanistischen Erbe<br />

Europas« die Rede. In den 1957 geschlossenen<br />

Verträgen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft,<br />

der Vorläuferin<br />

der Europäischen Gemeinschaft, wurde<br />

die Wirtschaft als Mittel und Zweck der<br />

politischen Einigung und als Instrument<br />

Auf die Problematik der unterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten bei der äußeren<br />

und inneren Entwicklung hat der<br />

CDU-Europapolitiker Karl Lamers verwiesen:<br />

»Krisen sind der natürliche Entwicklungsmodus<br />

von solchen politischen<br />

Großprojekten, wie es die Europäische<br />

Union ja zweifelsfrei ist. Denn<br />

dabei geht es einerseits um die Neuorganisation<br />

der politischen Macht, um<br />

eine überstaatliche. Aber es geht gleichzeitig<br />

auch um das, was mit dem Nationalstaat<br />

bislang verbunden war, nämlich<br />

die Nation, ein Gefühl der Selbstachtung,<br />

der Selbstvergewisserung, der<br />

Identität. Und solche Identitäten ändern<br />

sich weniger schnell, als die Wirklichkeit<br />

sich ändert.«<br />

Die Frage nach der Identität gilt gleichermaßen<br />

für Deutschland, wo die Debatte<br />

um unsere Leitkultur wieder aufgebrochen<br />

ist. Wer sind wir als »Volk«, was<br />

macht uns aus als »Nation«? In einem<br />

säkularen Staat, in dem das Christentum<br />

immer mehr an Bedeutung verliert und<br />

die Zahl der Menschen mit anderer Religionszugehörigkeit<br />

zunimmt, stellt<br />

sich automatisch die Frage nach dem<br />

Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.<br />

Die offene, freie und plurale Gesellschaft<br />

wird von manchen Teilen der Bevölkerung<br />

nicht mehr als Wert an sich gesehen.<br />

Dem Modell des »Multikulti« wird das<br />

Modell der »Nation« gegenübergestellt,<br />

jeweils mit links- wie rechtsextremen<br />

Ausbuchtungen. In Europa lebten bis<br />

2014 weniger als sieben Prozent »Nicht-<br />

EU-Bürger« und selbst durch die Zuwanderung<br />

von Flüchtlingen in den Jahren<br />

danach ist ihr Anteil nur geringfügig<br />

angestiegen. Dennoch gelingt es, bei<br />

einigen die Angst vor »Überfremdung«<br />

zu schüren. Während die einen Vielfalt<br />

als Bereicherung erleben, stellt sie für<br />

andere eine Bedrohung dar. Auf die<br />

damit verbundenen Herausforderungen<br />

reagieren sie mit einfachen Antwortmustern.<br />

Konstruierte Gegensätze wie<br />

»Die da oben und wir hier unten« sowie<br />

»Wir und die anderen« reichen jedoch<br />

nicht aus, unsere Welt zu begreifen, geschweige<br />

denn sie zu gestalten. Durch<br />

populistische Parolen zunehmend eine<br />

»Misstrauensgesellschaft« zu schaffen,<br />

vertieft die Gräben und führt in die Spaltung<br />

innerhalb der Gesellschaft und<br />

zwischen den Völkern.<br />

© casa rosada (argentina presidency of the nation)<br />

von Frieden und Freiheit benannt. Diese<br />

rein wirtschaftliche Zielsetzung reicht<br />

heute nicht mehr aus. Der konservative<br />

spanische Europaabgeordnete Esteban<br />

González Pons stellt fest: »Wir können<br />

einen gemeinsamen Markt haben, aber<br />

wenn wir keine gemeinsamen Träume<br />

haben, haben wir nichts.« Ähnlich sieht<br />

es auch der Bonner Staatsrechtler und<br />

ehemalige Bundesverfassungsrichter<br />

Udo Di Fabio. Europa habe mit dem<br />

Einigungsprozess seine philosophischen<br />

und religiösen Wurzeln zu stark vernachlässigt.<br />

Es sei nicht zu unterschätzen,<br />

»wie bedeutend kulturelle Wurzeln und<br />

eine Sinnsuche jenseits reiner Zweckrationalität<br />

sind«. Auf einem Symposion<br />

zum Thema »Europa – christlich?« betonte<br />

er, dass eine »nostalgisch rückwärtsgewandte<br />

Konstruktion eines christlichen<br />

Europa als verbindliche Leitkultur<br />

kein Kompass einer offenen Welt« sei.<br />

Dennoch gäben die Geschichte und die<br />

Idee Europas festen Halt und Orientierung.<br />

Papst Franziskus<br />

»Die Wirklichkeit der Demokratien lebendig zu erhalten,<br />

ist eine Herausforderung dieses geschichtlichen<br />

Momentes (…) Das ist eine Herausforderung, die Ihnen<br />

die Geschichte heute stellt. (...)<br />

Liebe Europaabgeordnete, die Stunde ist gekommen, gemeinsam das<br />

Europa aufzubauen, das sich nicht um die Wirtschaft dreht, sondern<br />

um die Heiligkeit der menschlichen Person, der unveräußerlichen<br />

Werte; das Europa, das mutig seine Vergangenheit umfasst und vertrauensvoll<br />

in die Zukunft blickt, um in Fülle und voll Hoffnung seine<br />

Gegenwart zu leben. Es ist der Moment gekommen, den Gedanken<br />

eines verängstigten und in sich selbst verkrümmten Europas fallen<br />

zu lassen, um ein Europa zu erwecken und zu fördern, das ein Protagonist<br />

ist und Träger von Wissenschaft, Kunst, Musik, menschlichen<br />

Werten und auch Träger des Glaubens ist. Das Europa, das den<br />

Himmel betrachtet und Ideale verfolgt; das Europa, das auf den Menschen<br />

schaut, ihn verteidigt und schützt; das Europa, das auf sicherem,<br />

festem Boden voranschreitet, ein kostbarer Bezugspunkt für die gesamte<br />

Menschheit!«<br />

(Auszug aus der Ansprache vom 25. November 2014 in Straßburg)<br />

europa<br />

7


was brauchen wir und was<br />

nicht?<br />

Politisch und gesellschaftlich traditionelle<br />

Werte und konservative Positionen<br />

zu vertreten, ist völlig legitim. Problematisch<br />

wird es jedoch immer dann, wenn<br />

sich wertkonservative Grund haltungen<br />

mit rechtspopulistischen Tendenzen<br />

und rechten Weltbildern verbinden. Für<br />

viele Christen hat beispielsweise der<br />

Schutz der Familie eine hohe Bedeutung.<br />

Gefährlich wird es dann, wenn<br />

sich dies zum »Anti-Genderwahn« und<br />

zur »Homophobie« ausweitet. Ähnliches<br />

gilt für den Umgang mit Andersgläubigen,<br />

wenn der Schutz der Christen und<br />

der christlichen Lebenskultur zum Antiislamismus<br />

(Islamophobie) oder Antijudaismus<br />

wird. Allgemein gesprochen:<br />

Alar mierend wird es immer dann, wenn<br />

die eigene Identität durch Feindbilder<br />

und Ausgrenzung abgesichert werden<br />

soll.<br />

Wie reagieren die Kirchen auf diese Entwicklung?<br />

Wie zahlreiche Beispiele zeigen,<br />

wenden sie sich mit großer Klarheit<br />

gegen den (Rechts-)Populismus. Doch<br />

was bedeutet es aus christlicher Sicht,<br />

wenn laut einer Umfrage der Tageszeitung<br />

»La Croix« 46 Prozent der gelegentlich<br />

praktizierenden und etwa ein Drittel<br />

der regelmäßig praktizierenden Katholiken<br />

bei der französischen Präsidentschaftswahl<br />

für Marine Le Pen und<br />

den Front National gestimmt haben?<br />

Dass sich so viele Christen von ab- und<br />

ausgrenzenden Parolen ansprechen lassen,<br />

mag insbesondere bei den Älteren<br />

auch daran liegen, dass die Kirchen lange<br />

Zeit autoritäre Staats- und Gesellschaftsvorstellungen<br />

vertreten und den Gläubigen<br />

ein einfaches Gut/Böse-Denken<br />

vermittelt haben.<br />

Während Rechtspopulisten gern den<br />

Begriff des »Volkes« als Gegenbegriff<br />

zum politischen Establishment ins Spiel<br />

bringen als Bekundung einer vermeintlichen<br />

Mehrheit, die Minderheiten vehement<br />

ausgrenzt, sollten Christen mit<br />

dem Begriff »Volk Gottes« gerade die<br />

universale Weite der einen Menschheitsfamilie<br />

ins Spiel bringen. Europa braucht<br />

eine Seele, wie Jacques Delors zu Recht<br />

angemahnt hat. Es braucht Spiritualität,<br />

und wer wäre da kompetent, wenn nicht<br />

die Kirchen.<br />

wie können wir europa<br />

wieder beseelen?<br />

Wie geht es weiter mit Europa? Einem<br />

Europa, das seine Bedeutung und weltweite<br />

Verantwortung derzeit in nationalistischen<br />

Egoismen zu verlieren droht.<br />

Einem Europa, das sich durch die Entwicklungen<br />

in den USA vor die Aufgabe<br />

gestellt sieht, seine Rolle ganz neu zu<br />

definieren. Wird es wieder ein Europa<br />

der offenen Grenzen werden? Ein Europa<br />

bunter Vielfalt, ein Europa der Regionen?<br />

Ein Europa, das sich nicht durch das Einstimmigkeitsprinzip<br />

permanent selbst<br />

blockiert? Ein Europa der unterschiedlichen<br />

Geschwindigkeiten? Ein Europa<br />

mit mehr Transparenz?<br />

Laut Hirnforschung sind sowohl Entscheidungen<br />

wie Erinnerungen stark an<br />

Emotionen gebunden. Unser Gehirn ist<br />

durch die Evolution darauf ausgerichtet,<br />

aus der Vergangenheit eine gewünschte<br />

Zukunft zu gestalten. Dazu werden die<br />

als erinnerungswert geglaubten Wahrnehmungen<br />

an entscheidungsrelevante<br />

Emotionen gekoppelt wie etwa gut, böse,<br />

lustig, gefährlich, wichtig. Darin liegt<br />

einerseits die Gefahr der Verführbarkeit<br />

beispielsweise für populistische Parolen,<br />

andererseits die Chance, Menschen mit<br />

wirklich guten Ideen und Projekten zu<br />

begeistern. Auf die zunehmenden rechtsextremen<br />

Tendenzen reagieren immer<br />

mehr Menschen mit kreativen Aktionen<br />

zugunsten Europas. Wieder Begeisterung<br />

für Europa zu wecken, versucht etwa die<br />

Bewegung »Pulse of Europe«, die regelmäßig<br />

in zahlreichen Städten Menschen<br />

versammelt, um für ein vereintes Europa<br />

zu werben. Europa braucht neue Perspektiven,<br />

es braucht Visionen. Es braucht<br />

neben dem großen Ganzen eines geeinten<br />

Europas Teilnahme und Teilhabe,<br />

Mitentscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten<br />

vor Ort, um den Begriff<br />

»Europa« wieder mit emotional positiven<br />

Erfahrungen zu besetzen. Das zunehmend<br />

als formale Verwaltungseinheit<br />

empfundene Europa wieder zu »beseelen«<br />

und als attraktiven Lebensraum<br />

zu gestalten, ist die große Herausforderung<br />

der kommenden Jahre. n<br />

stefan federbusch ofm (49)<br />

ist Redaktionsleiter der Zeitschrift<br />

»Franziskaner« und Leiter des<br />

Exerzitienhauses in Hofheim<br />

© bilder-erzbistum-köln.de<br />

Rainer Maria Kardinal Woelki<br />

»Die Kirche lehnt die politische Programmatik des Rechtspopulismus ab, bestimmten rechtspopulistischen<br />

Positionen und Kampagnen widerspricht sie entschieden und ächtet sie. Die Kirche lehnt<br />

auch die Frontstellung gegenüber den gesellschaftlichen Unterschichten im Rechtspopulismus ab.<br />

Sie tritt ein für die Inklusion und für die gesellschaftliche Teilhabe aller gesellschaftlichen Schichten (…)<br />

Die Kirche lehnt die Frontstellung gegenüber vermeintlich ›Fremden‹ im Rechtspopulismus ab.<br />

Stattdessen tritt sie für die ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt ein. Christen unterscheiden nicht<br />

nach Herkunft, Kultur und Religion, sondern erkennen in jedem Menschen das Abbild Gottes. (…)<br />

Die Kirche ächtet rechtspopulistische Positionen und Kampagnen, die gegen die Menschenwürde verstoßen oder gegen die Gewährleistung<br />

von Menschenrechten gerichtet sind. (…)<br />

Gegen die Menschenwürde verstoßen Positionen und Kampagnen (…) wenn sie einzelne gesellschaftliche Gruppen pauschal<br />

diskriminieren. Dies ist der Fall bei der Pegida-Kampagne gegen eine vermeintliche ›Islamisierung‹ des Abendlands oder auch<br />

bei der ausgrenzenden Position der AfD, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre.«<br />

(aus »AFD, Pegida und Co.«, Herder Verlag <strong>2017</strong>)<br />

8 europa


Die Rettung des<br />

Christlichen im Abendland?<br />

Demokratie und Menschenwürde statt Rechtspopulismus<br />

Ein Aufatmen ging am Abend des 7. Mai <strong>2017</strong> durch Europa: »Gerettet!«<br />

Marine Le Pen vom Front National hatte den Kampf um die Präsidentschaft<br />

in Frankreich verloren. Wenngleich unklar war, für welche Politik<br />

der Sieger – der parteilose frühere Wirtschaftsminister und Investmentbanker<br />

Emmanuel Macron – stand: Allein, dass er einen europafreundlichen<br />

Kurs versprach, war Grund genug für ein Gefühl der Erleichterung.<br />

Denn Marine Le Pens Konzept für Frankreich hieß: raus aus der EU, dem<br />

Euro und der Nato. Die rechtspopulistischen Parteien anderer europäischer<br />

Staaten teilen ihre Vorstellungen, gleichzeitig haben sie sich der<br />

Rettung des christlichen Abendlandes verschrieben, was dann meist<br />

heißt: Muslime raus! Europaweit sind solche Gruppierungen seit einigen<br />

Jahren auf dem Vormarsch.<br />

woher kommen die rechtspopulistischen<br />

bewegungen?<br />

Noch vor wenigen Jahren galten diese Gruppen bis auf wenige Ausnahmen<br />

als unbedeutende Randerscheinungen des Parteienspektrums. Wie<br />

kam es »quasi über Nacht« zu einem solchen Bedeutungszuwachs? Manche<br />

Beobachter vermuten, es sei eine Folge der Zuwanderung von Schutzsuchenden<br />

aus den Kriegsgebieten im Nahen Osten, in Afghanistan oder<br />

Afrika. Nach allen Untersuchungen bewegen sich aber schon seit Mitte<br />

der Neunzigerjahre wachsende Teile der Bevölkerungen in verschiedenen<br />

Ländern Europas politisch nach rechts. Parteienforscher halten rechtspopulistische<br />

Parteien daher nicht für eine kurzlebige Erscheinung. Sie<br />

erklären ihren anhaltenden Wahlerfolg unter anderem damit, dass die<br />

alten Volksparteien ihre Funktion als Interessenvertretungsorgan zwischen<br />

Staat und Gesellschaft eingebüßt haben und sich viele Menschen<br />

nicht mehr von ihnen vertreten fühlen. So werden beispielsweise die<br />

sozialdemokratischen Parteien Europas nicht mehr als<br />

Anwalt der »kleinen Leute« wahrgenommen und konservative<br />

Parteien treten als Modernisierer auf. Durch<br />

die Bewegung der großen Parteien zur Mitte der Parteienlandschaft<br />

entstanden an den Rändern Freiräume, die<br />

neu besetzt wurden. In Südeuropa traten auch linkspopulistische<br />

Parteien auf den Plan, im Rest Europas<br />

sind es vornehmlich rechtspopulistische Parteien,<br />

denen politische Bedeutung zukommt. In Polen stellt<br />

die ultrarechte Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)<br />

sogar die Regierungschefin, in Ungarn die Fidesz –<br />

KDNP den Ministerpräsidenten, und in Österreich<br />

verlor der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ nur<br />

knapp die Präsidentschaftswahlen. Auch in allen anderen<br />

Nachbarländern Deutschlands sind Parteien mit<br />

rechtspopulistischer Ausrichtung in den Parlamenten<br />

vertreten.<br />

Das Auftreten solcher Gruppierungen machen Forscher<br />

vor allem in Zeiten des Umbruchs aus. Ändern sich<br />

Lebens- und Arbeitsverhältnisse sehr schnell, fällt es<br />

großen Teilen der Bevölkerung schwer, sich zu orientieren.<br />

Die Zukunft erscheint unsicher, ja bedrohlich.<br />

Alles, was sicher geglaubt war, Normen und Werte der<br />

Elterngeneration – darunter auch die traditionellen<br />

Familienbilder – sind infrage gestellt. Die Zunahme<br />

an Freiheitsgraden wird nicht als Entwicklungschance,<br />

sondern als Überforderung erlebt, und die große<br />

©dpa<br />

rechtspopulismus<br />

9


Gegenwärtig haben wir es mit Anpassungsproblemen<br />

an die digitalisierte Produktions- und Arbeitsweise<br />

der Zukunft – Wirtschaft 4.0 genannt – zu<br />

tun. Hier fürchten besonders Ältere, den damit<br />

verbundenen Anforderungen nicht mehr gewachsen<br />

zu sein sowie jüngere nicht Hochqualifizierte,<br />

durch die rasante Automatisierung und den Einsatz<br />

von Robotern als Arbeitskräfte überflüssig zu<br />

werden. Wir leben zudem in einer Welt, die unter<br />

den Auswirkungen des Klimawandels und zahlreichen<br />

gewaltsam ausgetragenen Krisen und<br />

Kriegen leidet. Große Wanderungsbewegungen<br />

von Schutzsuchenden nach Europa führen unter<br />

anderem zu massiven Besitzstandswahrungsproblemen,<br />

insbesondere bei denen, die Migranten<br />

als Konkurrenten um Arbeit und Wohnung empfinden.<br />

Es ist die Angst vor dem sozialen Abstieg,<br />

gepaart mit dem Gefühl, machtlos und von den<br />

etablierten Parteien und Politikern nicht vertreten<br />

zu sein, die anfällig macht für populistische Botschaften.<br />

Das Gefühl, diesen Entwicklungen scheinbar<br />

hilflos ausgeliefert zu sein, und eine damit einhergehende<br />

Zukunftsangst verstärken bei vielen den Wunsch nach »der<br />

guten alten Zeit«, nach Überschaubarkeit und einfachen Lösungen. Modernisierungsverlierer<br />

und verunsicherte Menschen, die real oder vermeintlich<br />

die Verlierer von morgen sind machen daher einen großen Anteil an<br />

der Wählerschaft rechtspopulistischer Parteien aus.<br />

Menschenleere Produktionsstraße. Welchen Platz hat der<br />

Mensch in den Zukunftsszenarien der Wirtschaft 4.0? Die Digitalisierung<br />

verändert die Arbeitswelt massiv. Viele Menschen<br />

verlieren die Orientierung in einer Phase rapider Umbrüche und<br />

reagieren mit Angst. Dieses Gefühl macht anfällig für die simplen<br />

Schwarz-Weiß-Vorstellungen rechtspopulistischer Parteien.<br />

Unübersichtlichkeit wirkt ängstigend. Statusverlust<br />

droht und politische Entfremdungsgefühle entstehen.<br />

Hinzu kommt, dass die Lebenswirklichkeiten<br />

zwischen städtischen Zentren und ländlichen Gebieten<br />

noch stärker als früher auseinanderfallen.<br />

Die Aufmerksamkeit von Politik und Medien konzentriert<br />

sich aber in der Regel auf die Zentren.<br />

wie »ticken« die rechtspopulisten?<br />

Ursprünglich war »Populist« eine herabsetzende Fremdzuschreibung. Gemeint<br />

war eine Haltung, die den wechselnden Stimmungen der Bevölkerung<br />

nachläuft und der es nicht um die Sache an sich geht, sondern um die Zustimmung<br />

der Massen mit dem Ziel einer öffentlichkeitswirksamen Selbstinszenierung.<br />

In den letzten Jahren wird die Bezeichnung vermehrt auch<br />

als positive Selbstbezeichnung gebraucht. »Populistisch und stolz darauf!«,<br />

so Marine Le Pen, der es gelungen ist, den rechtsextremen Hintergrund des<br />

Front National zu kaschieren und ihre Partei als einen Verein von Biedermännern<br />

darzustellen, die das Abendland retten wollen. Ihr italienischer<br />

Kollege Matteo Salvini von der Lega Nord meint, dass es wohl nicht falsch<br />

sei, auf der Seite des Volkes zu stehen und dafür zu sorgen, dass die Meinung<br />

des Volkes Politik werde: »Sono un Populista!« – Ich bin Populist! –<br />

steht auf seinen T-Shirts.<br />

Wer verstehen will, wie Rechtspopulisten denken, kann dies beim US-Präsidenten<br />

Donald Trump in Reinkultur studieren. Bei aller Unterschiedlichkeit<br />

eint populistische Weltbilder, dass sie die Gesellschaft als zwei voneinander<br />

getrennte – in sich einheitliche – Gruppen begreifen. Auf der einen Seite<br />

steht »das reine Volk«, auf der anderen eine korrupte, unmoralische Elite,<br />

die an der Macht klebt und im Kern verdorben ist. Die reale Vielfältigkeit<br />

der Bevölkerung, ihre zum Teil weit auseinanderfallenden Lebenswelten<br />

und -stile, ihre unterschiedlichen Werte und Einstellungen werden ignoriert.<br />

Rechtspopulistische Parteien auf dem Vormarsch<br />

Europäische Parlamente mit rechtspopulistisch zugeordneten Parteien<br />

Im Parlament vertreten An der Regierung beteiligt Stellt Regierungschef<br />

Eine Übersicht über die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien in Europa<br />

bietet eine interaktive Karte auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung:<br />

http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/<br />

© bild oben links: istock.com – phonlamaiphoto/bild rechts: picture alliance/zumbapress.com<br />

10 rechtspopulismus


einfache antworten auf komplexe probleme<br />

Die populistische Wirklichkeitsdeutung erfolgt nach einem stets gleichen<br />

Muster: Das einheitliche Volk ist Grundlage der politischen Gemeinschaft,<br />

aber einige Akteure missachten die Souveränität dieser Volksgemeinschaft.<br />

Der von den Populisten ausgemachte Missstand wird lautstark und mit<br />

emotionsgeladenen Bildern angeprangert. Bei der Erfüllung des Ziels, dem<br />

bevormundeten Volk wieder zu seinem Recht zu verhelfen, ist nahezu jedes<br />

Mittel recht, offensichtliche Lügen – alternative Fakten genannt – eingeschlossen.<br />

Die Bedrohung der Souveränität des Volkes geht nach populistischer<br />

Weltsicht von ganz unterschiedlichen »Eliten« aus: Mal ist es das<br />

internationale Finanzkapital, dann wieder sind es technokratische Steuerungseliten<br />

der EU-Bürokratie oder die sogenannten»Systemparteien«.<br />

Vertreter rechtspopulistischer Ideen führen gerne auch die political correctness<br />

einfordernde Bildungselite, Befürworter des »Genderwahns«, »Flüchtlingsfreunde,<br />

die Islamisten ins Land holen« oder ganz allgemein »die linken<br />

Meinungsmacher« als Schuldige an der vermeintlichen Misere an. In verschwörungstheoretischer<br />

Sichtweise werden diese als Verräter am eigentlichen<br />

Volkswillen gebrandmarkt.<br />

zwischen opfermythos und hass auf alles fremde<br />

Sich selbst sehen Populisten als »Anwälte«, als »Retter des Volkes«, die von<br />

ihren Gegnern »aufs Übelste« verunglimpft werden. Insofern wird man<br />

kaum einen Rechtspopulisten erleben, der sich nicht zugleich als Opfer<br />

sieht, mit dem »schlimmer als jemals mit anderen« umgesprungen wird. In<br />

diesem Opfermythos sind fassungslos machende Bezüge beliebt, bei denen<br />

die Gegner der Rechtspopulisten zu Nazischergen und sie selbst zu Verfolgten<br />

»wie die Juden unter Hitler« werden. Infame Vergleiche, vor allem, wenn<br />

bedacht wird, dass Rechtspopulisten nicht nur das »einheimische Volk« in<br />

Stellung gegen die »herrschende Elite« bringen, sondern auch gegen alle,<br />

die gemäß ihrem Weltbild nicht zum reinen Volk gehören. Es geht gegen<br />

alles Fremde, so zum Beispiel gegen »die Ausländer«, aber auch gegen Bevölkerungsteile<br />

mit anderer sexueller Orientierung, anderer sexueller Identität<br />

oder mit anderen politischen Überzeugungen.<br />

verbale ausfälle zwecks grösster medialer<br />

aufmerksamkeit<br />

Obwohl sich Rechtspopulisten in Parteien organisieren, lehnen sie den Auftrag<br />

des Grundgesetzes an die Parteien ab, den politischen Willen des Volkes<br />

zu bündeln und zu bilden. Jede Instanz zwischen Volk und Macht birgt<br />

nach ihrer Auffassung das Risiko, den wahren Volkswillen zu verfälschen.<br />

Populisten fordern eine Willensbekundung des Volkes durch eine direkte<br />

Demokratie. Um den »Volkswillen« unmittelbar zum Ausdruck zu bringen,<br />

setzen Populisten gerne auf charismatische Führungspersönlichkeiten, die<br />

als Sprachrohre des Volkes gelten. Die Führer der populistischen Bewegungen<br />

sind häufig Außenseiter. Sie kommen zum Beispiel als Quereinsteiger, etwa<br />

als Unternehmer oder Professoren, in die Politik, wodurch sie sich vom<br />

verhassten politischen Establishment absetzen können. Individueller Reichtum<br />

ist dabei kein Hindernis oder gar ein Hinweis darauf, Teil der Elite zu<br />

sein, sondern gilt als Gewähr dafür, nicht käuflich zu sein. Die populistischen<br />

Wortführer nehmen dann für sich in Anspruch, im Wissen um das<br />

Wollen des Volkes zu sein und mit der Stimme des Volkes oder mit dem<br />

»gesunden Menschenverstand« zu sprechen. Die Sprache, derer sie sich<br />

bedienen, ist simpel, prägnant, bildhaft und emotionsgeladen. Skandale<br />

und Grenzüberschreitung sind gewollt, um für möglichst große mediale<br />

Aufmerksamkeit zu sorgen.<br />

Amnesty International setzte Anfang Juni in Hannover ein Zeichen<br />

für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und<br />

intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI). Rechtspopulisten ängstigt<br />

die »bunter« werdende Gesellschaft. Sie meinen, in einer Welt des<br />

Umbruchs sollten wenigstens die traditionellen Familienbilder erhalten<br />

bleiben.<br />

was ist so gefährlich am<br />

rechtspopulismus?<br />

Rechtspopulisten nehmen Stimmungen des Volkes<br />

auf und bringen sie zu Gehör, so Matteo Salvini<br />

von der italienischen Lega Nord. Was soll verkehrt<br />

daran sein in Zeiten, in denen sich zunehmend<br />

mehr Menschen nicht mehr von den Volksparteien<br />

vertreten fühlen?<br />

Das Problem ist, dass sie nicht Stimmungen aufnehmen,<br />

sondern dass sie Stimmungen machen!<br />

Sie schüren Ängste, sie polarisieren und sie hetzen<br />

gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Die Angst<br />

der Europäer vor »dem Fremden« ist die Angst, die<br />

Rechtspopulisten am stärksten bedienen und verstärken.<br />

Zwar haben nicht die Flüchtlinge zu den<br />

rechtsextremen Einstellungen geführt, die Forscher<br />

schon länger bei Umfragen bemerkten. Sie haben<br />

aber der diffusen Angst vor dem Morgen, der Angst<br />

vor sozialem Abstieg und Statusverlust ein konkretes<br />

Gesicht gegeben. Die politischen Fehler bei der<br />

Steuerung der Zuwanderung und bei der Integration<br />

wiederum haben die bereits vorhandenen Abneigungen<br />

gegen »die Fremden« verstärkt. Studien<br />

wie die Leipziger »Mitte«-Studie zeigen, wie weit<br />

es rechtsextremes Gedankengut bereits in die Mitte<br />

der Gesellschaft geschafft hat. Auch die Bereitschaft<br />

zur Gewaltanwendung ist gestiegen. Antieuropäische,<br />

demokratieverachtende oder rassistische Be­<br />

rechtspopulismus<br />

11


kenntnisse werden zwar nicht von der Mehrheit der Bundesbürger geteilt, aber<br />

sie werden »normaler«. Eine klare Abgrenzung von rechtspopulistischen zu<br />

rechtsextremen Haltungen ist schwer zu ziehen. Rechtspopulisten sind Türöffner<br />

für Rechtsextreme. Nicht zuletzt die personelle Überschneidung beider<br />

Kreise macht dies deutlich.<br />

Christen in der AfD? Bettina Warken, Anette Schultner (AfD), Liane Bednarz und<br />

der evangelische Bischof Markus Dröge beim Evangelischen Kirchentag <strong>2017</strong>. »Ich<br />

kann mich als Christ nicht in einer Partei engagieren, die Ängste dramatisiert,<br />

Misstrauen sät und Ausgrenzung predigt«, so der Theologe Dröge. Es finde sich<br />

kein christliches Menschenbild im Programm der AfD: »Die Partei missbraucht<br />

Christen als Feigenblatt.«<br />

Seit die AfD in Deutschland in die Parlamente eingezogen ist, werden<br />

fremden feindliche Äußerungen offener als zuvor geäußert. »Das wird man<br />

ja wohl mal sagen dürfen …« Rechtspopulistische Parteien nutzen geschickt<br />

die Tatsache, dass die Angst vor dem Fremden in unserer Gesellschaft stetig<br />

wächst. Wenn der Teil des Gehirns, in dem Angst entsteht, das Kommando<br />

übernimmt, hat es die Vernunft schwer: Angst hat ihren Ort in einem entwicklungsgeschichtlich<br />

sehr alten Teil unseres Gehirns, der sich nur schwer<br />

durch die jüngeren, intelligenteren Teile steuern lässt. Und es sind nicht nur<br />

Zuwanderer aus anderen Ländern, die durch ihr Anderssein Angst machen.<br />

Hinzu kommt die real fassbare Angst vor dem Terror islamistischer Gruppen<br />

und Einzeltäter – wie jüngst in Manchester und London. Obwohl die Wahrscheinlichkeit,<br />

in Europa zum Opfer eines Anschlags zu werden, statistisch<br />

gesehen gering ist, ist die gefühlte Gefahr immens. Und Angst spielt in den<br />

europäischen Gesellschaften schon allein dadurch eine zunehmende Rolle,<br />

weil diese Gesellschaften einen hohen Altersdurchschnitt haben. Ältere<br />

Menschen haben offenbar größere Schwierigkeiten als jüngere, die aus der<br />

Steinzeit geerbte Angststeuerung in den Griff zu bekommen. Eine Untersuchung<br />

des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der<br />

Bundeswehr hat im vergangenen Jahr dieses Phänomen auf der Grundlage<br />

deutscher Verhältnisse bestätigt. »Demnach fühlen sich die Wählerinnen<br />

und Wähler der AfD – einer Partei, die kollektive Ängste geschickt aufgreift<br />

und sie in eine Politik des Alarmismus und des Beschwörens nationaler<br />

Identität umsetzt – im Vergleich zu denen anderer Parteien am unsichersten.<br />

Als größte Bedrohungen nehmen sie religiösen Fundamentalismus und die<br />

Zuwanderung wahr. Die Befragung zeigt auch: AfD-Wähler sind im Schnitt<br />

älter als die anderer Parteien. Und die über 65-Jährigen unter ihnen haben<br />

deutlich mehr Angst als der Durchschnitt ihrer Altersgruppe«, so die Theologin<br />

und Historikerin Britta Baas in der Zeitschrift Publik-Forum<br />

(12/2016). Sie meint, dass eine Konfrontation<br />

mit dem Angstauslöser helfen könne,<br />

die Angst zu bewältigen. Im Konkreten heißt dies<br />

zum Beispiel durch Begegnungen mit Flüchtlingen.<br />

»Entängstigung durch Begegnung« nennt es auch<br />

der österreichische Theologe Paul Zulehner in seinem<br />

Buch »Entängstigt euch! Die Flüchtlinge und<br />

das christliche Abendland«. Er meint, dass die<br />

Christen nicht das christliche Abendland retten<br />

müssten, sondern das Christliche im Abendland.<br />

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki unterstützt<br />

diese Position, wenn er rechtspopulistische<br />

Positionen und Kampagnen, die gegen die Menschenwürde<br />

verstoßen, ächtet. Als Beispiel hierfür<br />

benennt er die Pegida-Kampagne gegen eine vermeintliche<br />

»Islamisierung« des Abendlands oder<br />

»ausgrenzende Positionen der AfD, dass der Islam<br />

nicht zu Deutschland gehöre«.<br />

was tun gegen den<br />

rechtspopulismus?<br />

Auch wenn es so scheint, als sei mit Argumenten<br />

schlecht gegen rechtspopulistische Haltungen anzukommen,<br />

ist es wichtig, mutig und deutlich eine<br />

klare Aussage dagegenzustellen. Statt Pseudoneutralität<br />

ein eindeutiges Bekenntnis zu den Werten, für<br />

die Europa steht, und zur Demokratie!<br />

Richtig ist, dass die Zunahme des Rechtspopulismus<br />

auf Probleme aufmerksam macht, die es anzugehen<br />

gilt: Es gibt Demokratie- und Beteiligungsdefizite.<br />

Es gibt Probleme bei der Steuerung des Zuzugs und<br />

bei der Integration von Zuflucht suchenden Menschen.<br />

Es ist richtig, dass die Politik der vergangenen<br />

Jahrzehnte die Menschen der Willkür eines aus dem<br />

Ruder gelaufenen globalisierten Finanz- und Wirtschaftssystems<br />

überlassen hat. Es fehlt ein überzeugendes<br />

Konzept, wie ein nachhaltiges, umwelt- und<br />

menschenfreundliches Wirtschaftssystem aussehen<br />

kann, in dem alle, die arbeiten wollen, dies zu vernünftigen<br />

Löhnen tun können. Es gibt offensichtlich<br />

auch die Notwendigkeit, zu prüfen, ob die Abgabe<br />

nationaler Zuständigkeiten zur Regelung von europäischen<br />

Belangen immer im Sinne der Menschen<br />

gewesen ist oder ob sie primär privatwirtschaftlichen<br />

Interessen diente. Darüber hinaus wäre eine konsequente<br />

Anwendung des Subsidiaritätsprinzips wegweisend.<br />

Keine EU-Kommission muss Waschbeckengrößen<br />

in Toiletten regeln! Wo Regelungsbedarf<br />

besteht, sollte dieser auf der untersten Ebene<br />

vor Ort von den Betroffenen geklärt werden.<br />

Die Tatsache, dass Rechtspopulisten tatsächlich den<br />

Finger in manche Wunde legen, darf für Politiker<br />

© bild oben: picture alliance/lino mirgeler/dpa, bild rechts: www.kottiundco.net<br />

12 rechtspopulismus


Zehn Regeln<br />

für Demokratie-Retter<br />

und Parteien nicht heißen, dass sie sich selbst rechtspopulistisch<br />

gebärden, um Wählerstimmen zu bekommen.<br />

Überall dort, wo dies in der Vergangenheit<br />

versucht wurde, war die Folge nur, dass rechtsextreme,<br />

menschenverachtende Forderungen hoffähig<br />

wurden. Die richtige Schlussfolgerung für die Parteien<br />

wäre, dass sie sich in ihrer Organisationsform<br />

verändern. Sie müssen sich wieder zu den Bürgern<br />

öffnen und ihre gesellschaftliche Meinungsbildungsund<br />

Bündelungsfunktion wahrnehmen, statt von<br />

oben gesteuerte Mitglieder- und Funktionärsparteien<br />

zu Sein, deren Hauptziel der Machterhalt ist. Darüber<br />

hinaus sollte erwogen werden, direktdemokratische<br />

Beteiligungsverfahren einzubauen, denn eine<br />

solche Forderung muss nicht den Rechtspopulisten<br />

überlassen werden. Ganz offensichtlich fehlt es an<br />

Beteiligungsmöglichkeiten im demokratischen Prozess,<br />

wenn sich bedeutsame Teile der Bevölkerung<br />

nicht mehr vertreten fühlen.<br />

Liebe deine Stadt.<br />

Mache dir die Welt zum Dorf.<br />

Bleibe gelassen im Umgang mit Demokratie-Verächtern.<br />

Fürchte dich nicht vor rechten Schein-Riesen.<br />

Verliere nicht den Kontakt zu Menschen,<br />

die nicht deiner Meinung sind.<br />

Packe Probleme nicht in Watte.<br />

Verabschiede dich von der Attitüde, eigentlich<br />

gegen diese Gesellschaft zu sein.<br />

Warte nicht auf den großen Wurf.<br />

Wehre dich, wenn von »den« Politikern die Rede ist.<br />

Verbinde Gelassenheit mit Leidenschaft.<br />

Wer nach den Gründen für die Politikverdrossenheit<br />

sucht, kommt an der Erkenntnis nicht vorbei, dass<br />

das Interesse an politischen Fragen stark vom Einkommen<br />

und somit vom sozialen Status abhängig<br />

ist. Die Wahlbeteiligung liegt in reichen Viertel regelmäßig<br />

um 20 Prozent höher als in Sozialbausiedlungen.<br />

Gerade diejenigen, die ein Interesse daran<br />

haben müssten, dass sich etwas ändert, gehen nicht<br />

zur Wahl. Dahinter steht auch die Einschätzung,<br />

dass, egal wer die Wahl gewinnt, die Situation für<br />

die sozial Benachteiligten immer dieselbe bleibt.<br />

Wenn Gewerkschaften in diesem Zusammenhang<br />

einen Job hätten, dann den des Empowerments, der<br />

Hilfe zur Selbstorganisation der Abgehängten.<br />

Keine Alternative zur Zuflucht zu Extremen oder Resignation? Von wegen!<br />

Am Berliner Kottbusser Tor, der als einer der sozial schwächsten Stadtteile in Deutschland<br />

gilt, hat eine Nachbarschaftsinitiative gezeigt, dass es durch Selbstorganisation<br />

der »Abgehängten« möglich ist, die Parteien unter Druck zu setzen.<br />

Tipps aus dem Buch »Zehn Regeln für Demokratie-Retter« (KiWi-<br />

Taschenbuch, ISBN: 978-3-462-05071-4) von Jürgen Wiebicke, um die<br />

Ratlosigkeit angesichts des zunehmenden Rechtspopulismus zu<br />

überwinden. Er zeigt, dass es auf jeden Einzelnen ankommt bei der so<br />

dringend nötigen Neubelebung der Demokratie.<br />

Auffällig bei der gesamten Debatte um die Zunahme<br />

rechtspopulistischen Gedankengutes ist, dass die<br />

wirtschaftliche und politische Grundbildung, die<br />

in der Vergangenheit zum Beispiel in gewerkschaftlichen<br />

und kirchlichen Arbeitervereinen vermittelt wurde, heute in breiten<br />

Teilen der Bevölkerung fehlt. Da tut sich ein wichtiges Arbeitsfeld für<br />

die Erwachsenenbildung auf, die gefordert ist, Konzepte jenseits des<br />

Ausschreibens von Kursangeboten zu entwickeln, im Sinne einer »aufsuchenden<br />

Bildungsarbeit« damit andere, als die ohnehin gut versorgten<br />

bildungsbürgerlichen Kreise erreicht werden.<br />

Zu guter Letzt: Auch wenn das christliche Abendland eigentlich ein<br />

Kampfbegriff ist, um unchristliche Ziele durchzusetzen, sollte das<br />

»Christliche im Abendland« gerettet werden. Hier sind die Kirchen gefragt.<br />

Wie das geht, zeigt sich bereits im Engagement vieler christlicher<br />

Gemeinden für die Flüchtlinge, im Kampf gegen Rechtspopulismus und<br />

für eine menschenfreundliche Gesellschaft. Für die Mehrzahl der Christen<br />

sind Demokratie, Achtung der Menschenwürde,<br />

Rechtsstaatlichkeit, freiheitliches Denken<br />

und Handeln, Toleranz und Respekt eine selbstverständliche<br />

Grundlage ihres Gemeinwesens.<br />

Sie sollten jenen rechts konservativen Christen,<br />

die versuchen, die Kirchen auf einen rechtspopulistischen<br />

Kurs zu bringen, oder ihnen alternativ<br />

einen politischen Maulkorb verpassen<br />

wollen, eine deutliche Absage erteilen: Christentum<br />

geht nicht mit Ausgrenzung einher, denn<br />

Christen sehen in jedem Menschen das Eben bild<br />

Gottes, der die wunderbare Vielfalt aller seiner<br />

Geschöpfe liebt. n<br />

kerstin meinhardt (55)<br />

ist Mitglied der Redaktion des Franziskaners.<br />

Die Diplom-Soziologin lebt in Idstein im Taunus.<br />

rechtspopulismus<br />

13


Radikalisierungstendenzen am<br />

rechten Rand der Kirche<br />

Sind Christen weniger anfällig für rechtspopulistische Bewegungen und Parteien<br />

als Nichtchristen? Was sind eigentlich Rechtskatholiken, welche Bedeutung haben<br />

sie für rechtspopulistische Parteien wie die AfD? Über diese Fragen sprachen wir mit<br />

Dr. Andreas Püttmann. Der katholische Politikwissenschaftler und Publizist aus<br />

Bonn beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Thema. Er versteht sich selber als<br />

konservativen Katholiken, der aber eine klare Trennungslinie zu rechtskatholischen<br />

und autoritären Positionen zieht und vehement für Demokratie, Menschenrechte<br />

und die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes streitet.<br />

Herr Püttmann, was haben wir unter »Rechtskatholizismus« zu<br />

verstehen?<br />

Eine eindeutige Definition ist sicherlich schwierig, aber es gibt<br />

Kriterien. Zunächst einmal bezogen auf Parteien und Organisationen:<br />

Rechtskatholik ist der, der mit rechtskonservativen oder<br />

rechtsradikalen Organisationen, Parteien und Verbänden sympathisiert,<br />

zusammenarbeitet oder hier sogar Mitglied ist.<br />

Ein anderes Kriterium zielt auf das ideologische Webmuster.<br />

Typisch für den Rechtskatholizismus ist eine Tendenz zu autoritären<br />

Modellen von Staat und Gesellschaft statt zur gewaltenteiligen,<br />

liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie. Und zu diesem<br />

ideologischen Moment gehört auch das nationale, im Sinne von<br />

nationalistisch.<br />

Das dritte Kriterium hängt mit dem vorherigen zusammen: Im<br />

Mittelpunkt des politischen Denkens von Rechtskatholiken steht<br />

nicht das freie Individuum mit seiner Personenwürde, sondern<br />

die Ordnung. Das geht bis zu ständestaatlichen Vorstellungen<br />

und beinhaltet manchmal sogar ausdrückliche Kritik an der »falschen<br />

Idee von Gleichheit«.<br />

Wie groß ist der Anteil der Katholiken mit reaktionären und<br />

rechtspopulistischen Überzeugungen?<br />

Dies kann man am ehesten anhand des ersten genannten Kriteriums,<br />

der Nähe zu bestimmten rechtsextremen oder rechtskonservativen<br />

Gruppierungen bestimmen. Bei NPD oder auch den<br />

Republikanern ist der Anteil der Katholiken und auch der Christen<br />

insgesamt immer deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Bei<br />

der AfD hingegen, also beim Rechtspopulismus, sieht es schon<br />

etwas anders aus. Laut einer Allensbach-Umfrage vom Sommer<br />

2016, sozusagen zur Blütezeit der AfD, als diese bundesweit bei<br />

etwa 14–15 Prozent lag, haben sich 8 Prozent der kirchennahen<br />

Katholiken und 12 Prozent der kirchenfernen Katholiken als<br />

poten zielle Wähler der AFD bekannt. Damit hätten wir es mit<br />

etwa 300.000 kirchennahen und ca. 2,5 Millionen kirchenfernen<br />

Katholiken zu tun. Zu knapp 3 Millionen<br />

Katholiken kommt eine ähnliche Anzahl evangelischer<br />

Christen, die zumindest ansprechbar sind durch den<br />

Rechtspopulismus.<br />

Was sind die Themen, die Christen für ein rechtspopulistisches<br />

Politikangebot ansprechbar machen?<br />

Das erste, sicherlich wichtigste, ist der Widerstand<br />

gegen den sogenannten »Genderwahn«. Dieser Themenbereich<br />

ist mit einer zum Teil apokalyptischen Vorstellung<br />

von der Auflösung der Familie und der Geschlechterordnung<br />

verbunden bis hin zu Verschwörungstheorien.<br />

Wobei hier der Begriff der »Homolobby«<br />

eine entscheidende Rolle spielt. Bei der Genderwahn­<br />

Idee geht es darüber hinaus um das Verhältnis der<br />

Geschlechter; also wie ist die Aufgaben- und Rollenverteilung<br />

zwischen Mann und Frau in der Partnerschaft,<br />

mit dem Spezialthema der Kinderbetreuung<br />

und der Berufstätigkeit der Frau. Dann gibt es den<br />

Bereich der sogenannten »political correctness« . Doch<br />

die Hauptstoßrichtung richtet sich nach meiner Beobachtung<br />

gegen Homosexuelle, die als die eigentliche<br />

Gefahr für Ehe und Familie angesehen werden.<br />

Woher kommt diese irrationale Angst vor Gleichberechtigung?<br />

Es wird ja niemand etwas weggenommen.<br />

Ich denke, die Sichtbarkeit ist der Punkt. Nach dem<br />

Motto: Wir sind nicht homophob, wir möchten nur<br />

nichts davon in der Öffentlichkeit sehen, wir wollen<br />

nichts davon in der Schule hören. Was jemand in seinen<br />

vier Wänden macht, ist seine Sache. Heterosexualität<br />

darf sich in der Öffentlichkeit zeigen, Homosexualität<br />

nicht, damit die natürliche Ordnung unbeschadet<br />

bleibt.<br />

14 rechtspopulismus


Was sind die zentralen Anknüpfungspunkte für Rechtskatholiken<br />

an das Politikangebot der AfD?<br />

Dieses Ordnungs- und Autoritätsfokussierte verbindet sicherlich<br />

die nichtkirchliche mit der kirchlichen Rechten, wenn auch die<br />

Motive oder Begründungen unterschiedlich sind. Für die einen<br />

ist es die Schöpfungsordnung, für die anderen ist es die Volksgesundheit<br />

oder der »gesunde Volkskörper«. Hier gibt es die<br />

größte Schnittmenge.<br />

Das Zweite ist die Islam-Angst, wenngleich nach einer Allensbach-Umfrage<br />

die Gottesdienstbesucher – sowohl regelmäßige<br />

als auch gelegentliche – weniger Vorbehalte gegen Muslime als<br />

Nachbarn haben als kirchenferne Katholiken. Die Katholiken<br />

haben sogar insgesamt nochmal etwas weniger Vorbehalte gegen<br />

Muslime als Protestanten und erst recht weniger als Konfessionslose.<br />

Aber es gibt auch in der katholischen Kirche eine kleine,<br />

aber lautstarke Gruppe, die die sogenannte Islamisierung des<br />

Abendlandes als große Gefahr ansieht, auch als Gefahr für das<br />

Christentum. Doch dieses Thema scheint bei Rechtskatholiken<br />

gegenüber dem Genderwahn-Thema eher zweitrangig. Allerdings<br />

gibt es unter Katholiken wie in der Gesellschaft insgesamt eine<br />

Mehrheit, die Bedenken und Vorbehalte gegenüber dem Islam<br />

hat. Zweifel bestehen gegenüber der Integrationswilligkeit, gegenüber<br />

dem Bekenntnis zum Vorrang des Grundgesetzes gegenüber<br />

religiös begründeten Rechts- und Gesellschaftsvorstellungen,<br />

und es gibt sicher auch ein Unbehagen, sich in manchen<br />

Stadtteilen von Großstädten nicht mehr heimisch zu fühlen.<br />

Insoweit gelingt einer rechtspopulistischen Partei wie der AfD<br />

beim Thema Islam durchaus eine gewisse Anschlussfähigkeit an<br />

große Gruppen in Kirche und Gesellschaft.<br />

Grundsätzlich muss man meines Erachtens feststellen, dass eine<br />

gewisse Nähe zu autoritären Ordnungen durchaus in den katholischen<br />

»Genen« liegt. Dies zeigt auch ein Blick auf den Faschismus<br />

in katholischen Gesellschaften im letzten Jahrhundert, beispielsweise<br />

in Spanien, Portugal oder auch in lateinamerikanischen<br />

Ländern. Es ist die straffe Hierarchie, in der man gewohnt<br />

ist, kirchlicherseits zu leben, und das ausgeprägte »Ordodenken«,<br />

also das Denken in einer von Gott gesetzten Ordnung<br />

im Gegensatz zu den von Menschen gemachten Normen,<br />

was zu einer gewissen Antiliberalität führen kann.<br />

Welche Vorteile bringen die Rechtskatholiken der AfD?<br />

Ich sehe hier vier Dimensionen: Erstens erschließen<br />

sie der AfD eine hoch motivierte, gut vernetzte und<br />

spendenbereite Anhängerschaft.<br />

Zweitens legitimiert man den Anspruch der Rechtspopulisten,<br />

Verteidiger des Abendlandes zu sein, da<br />

sie sagen können, wir haben ja auch Christen bei uns.<br />

Drittens wirkt die Mitarbeit von Christen für die Rechtspopulisten<br />

wie eine Art moralische Unbedenklichkeitserklärung,<br />

sie vermittelt den Eindruck einer gediegenen,<br />

braven Bürgerlichkeit.<br />

Das Vierte ist, dass die Rechtskatholiken und auch<br />

Rechts protestanten die AfD in ihrer Kirchen- und<br />

Bischofskritik bestätigen. Sie sind sozusagen die Kronzeugen<br />

für die Hetze gegen diese sogenannten »verrotteten<br />

Funktionsträger und Staatsbeamten«.<br />

Wie finden rechtskatholische Aufhetzer ihr Publikum?<br />

Wie organisieren sie ihre Anhänger?<br />

Das ist extrem schwer nachzuvollziehen, weil es sich<br />

hier um informelle Netzwerke handelt, die einfach<br />

durch eine Vielzahl persönlicher Kontakte entstehen.<br />

Was man aber sagen kann, ist, dass der »Internetkatholizismus«<br />

eine Schlüsselrolle spielt. Ein besonderer<br />

Kristallisationspunkt ist dabei das österreichische<br />

Internetportal »Kath.net«, aber auch einige Blogger.<br />

Hier spiegelt sich das gesamtgesellschaftliche Phänomen,<br />

dass das Internet im Grunde neben allen Segnungen<br />

und Vorteilen, die es bringt, doch auch eine<br />

große Radikalisierungsmaschine ist, in der man die<br />

Selbstbestätigung findet, die man sucht. Hier kann<br />

Konservative Christen und andere Gruppierungen demonstrierten zuletzt am 25. Juni <strong>2017</strong> in der Innenstadt von Wiesbaden unter dem Motto<br />

»Demo für alle« gegen den neuen Lehrplan zur Sexualkunde an hessischen Schulen<br />

© boris roessler/dpa<br />

rechtspopulismus<br />

15


Widerspruch vermieden werden, und auch sachliche Einreden<br />

und Korrekturen finden kaum statt, weil der Zusammenhalt der<br />

Gruppe, der Korpsgeist, immer wichtiger ist.<br />

Neben der Funktion des Internets als zentralem Kommunikationskanal<br />

gibt es auch bestimmte Gruppierungen, die Kongresse<br />

abhalten, die als große Heerschau dienen, wo man sich dann<br />

auch Face-to-Face sieht und Verabredungen trifft.<br />

Dann gibt es das Forum Deutscher Katholiken, in dem man eine<br />

Häufung von Rechtskatholiken erleben kann, neben anderen, die<br />

einfach nur traditionell fromm und konservativ sind; aber doch<br />

auch einige, die durch eine gewisse Nähe zu Rechtspopulisten,<br />

zu Putin oder zur AfD aufgefallen sind.<br />

Was wäre nötig, um dem Rechtspopulismus und dem mit ihm<br />

verbündeten Rechtskatholizismus in Deutschland erfolgreich<br />

entgegentreten zu können?<br />

Wichtig wäre aus meiner Sicht, die Sozialethik nicht als ein im<br />

Grunde unbedeutendes theologisches Nebenfach zu begreifen.<br />

Jesus ist zwar nicht für ein politisches Programm angetreten, aber<br />

es ist selbstverständlich, dass die christliche Lehre politische<br />

Konsequenzen hat. Wenn ich sage, »was ihr dem geringsten meiner<br />

Brüder getan habt, das habt ihr mir getan«, dann muss ich<br />

mich natürlich auch in meinem Tun um die Bestandsvoraussetzungen<br />

eines humanen politischen Systems sorgen. Die Kirche<br />

hat hierfür ja mit ihren Sozialprinzipien »Personalität, Solidarität,<br />

Subsidiarität, Gemeinwohl, Nachhaltigkeit« auch ein Instrumentarium.<br />

Ich meine, das gehört zum Tafelsilber der Theologie und<br />

ist keine Nebenspielwiese, die man vernachlässigen kann.<br />

Der im vergangenen Monat veröffentlichte<br />

Essayband unseres Interviewpartners setzt<br />

sich mit den Versuchungen einer<br />

schrumpfenden katholischen Kirche<br />

auseinander und bricht eine<br />

Lanze für die Ökumene.<br />

Andreas Püttmann<br />

Wie katholisch ist Deutschland …<br />

… und was hat es davon?<br />

Bonifatius, 16,90 €, ISBN 978-3-89710-712-0<br />

Die sozialethischen Kriterien für das politische Handeln müssen<br />

klar herausgearbeitet werden. Dass man für Flüchtlingshilfe und<br />

gegen Antisemitismus und gegen Rassismus ist, ist selbstverständlich.<br />

Aber was man speziell nacharbeiten muss, ist etwas,<br />

was ich in aller Vorsicht »Theologie der Demokratie« nennen<br />

würde: dass ein politisches System aus katholischer Sicht sich<br />

nicht vor allem dadurch legitimiert, was es an katholischen Gesetzen<br />

hervorbringt. Sondern dass die Demokratie – selbst wenn<br />

sie gelegentlich unchristliche Gesetze hervorbringt – als korrekturfähiges<br />

System, das den Menschen und seine Würde in den Mittelpunkt<br />

stellt, einen Eigenwert hat, der der christlichen Anthropologie<br />

nähersteht als alle anderen Gesellschaftssysteme.<br />

Hier müsste die Kirche noch etwas deutlicher werden.<br />

Wichtig wäre zudem die Verstärkung der politischen Bildungsarbeit<br />

in den zahlreichen kirchlichen Bildungseinrichtungen.<br />

Hier besteht ein großer Bedarf, wenn man<br />

sich die Untersuchungen zur Politikverdrossenheit anschaut<br />

oder zur Haltung gegenüber unserem repräsentativen<br />

System, zur Gewaltenteilung.<br />

Was sind die schönsten Früchte des Christentums, gleichsam<br />

seine DNA? »Empathie, Demut und Gelassenheit«.<br />

Was sind die hervorstechendsten Eigenschaften des<br />

Rechtspopulismus? »Empathielosigkeit, rabiater, individueller<br />

oder kollektiver Egoismus und Sozialdarwinismus,<br />

Hybris und Daueraufgeregtheit«. Man kann den Rechtspopulismus<br />

beschreiben als nahezu vollständige Leugnung<br />

eines christlichen Selbstverständnisses oder einer christlichen<br />

Tugendethik.<br />

Dies deutlich herauszuarbeiten, wäre aus meiner Sicht<br />

Aufgabe kirchlicher Bildungsarbeit.<br />

Sollten Kirche und Christen mit der AfD sprechen?<br />

Man sollte kein Podium für die AfD bieten. Das heißt,<br />

einerseits Dialogbereitschaft zu zeigen, wenn etwa AfD-<br />

Parla mentarier beim katholischen Büro anklopfen und<br />

sprechen wollen, dann soll man mit ihnen sprechen. Genau<br />

wie jeder Katholik und jeder Protestant mit Freunden, im<br />

Bekanntenkreis, in der Verwandtschaft sein Zeugnis geben<br />

muss und nicht nur sein Glaubenszeugnis, sondern auch<br />

sein ethisches Zeugnis. Also keine Dialogverweigerung!<br />

Aber man muss einer solchen Partei nicht neue Räume<br />

für die Verbreitung ihrer »Wahrheiten« eröffnen in der<br />

Hoffnung, man werde sie schon entzaubern. Die Vorstellung,<br />

man müsse sie nur einmal öffentlich beim Katholikentag<br />

reden lassen und dann seien sie demaskiert, ist völlig<br />

naiv und unterschätzt massiv das demagogische Potenzial<br />

dieser Leute.<br />

Ich halte es zudem für wichtig, dass konservative Katholiken<br />

und Protestanten im kirchlichen Mainstream nicht an den<br />

Rand gedrängt werden. Ich habe das früher auch selbst<br />

erfahren, als eher konservativer Vertreter. Es wurde nach<br />

dem Motto verfahren: »Wer einmal beim Forum Deutscher<br />

Katholiken gesprochen hat, ist verstrahlt und taugt nicht<br />

mehr als Referent.« Solche Ausgrenzungsmechanismen<br />

gegenüber Konservativen treiben diese Leute, die eigentlich<br />

gar nicht rechtskonservativ oder rechtsradikal werden<br />

müssten, in die Hände der politischer Rattenfänger. n<br />

interview und bearbeitung: thomas meinhardt (60)<br />

Der Redakteur des Franziskaner ist<br />

Diplom-Soziologe und lebt in Idstein im Taunus<br />

Das vollständige Interview mit Dr. Andreas Püttmann<br />

33www.zeitschrift.<strong>franziskaner</strong>.de<br />

16 rechtspopulismus


geistlicher wegbegleiter – sommer <strong>2017</strong><br />

im glauben reifen<br />

geistlicher wegbegleiter<br />

Im Glauben reifen<br />

©kerstin meinhardt<br />

In einem Glaubensgespräch beschäftigten<br />

wir uns mit dem Apostolischen<br />

Glaubensbekenntnis. Ein<br />

Text aus dem fünften Jahrhundert<br />

nach Christus, der Sonntag für<br />

Sonntag in den christlichen Kirchen<br />

gebetet wird. »Wäre es nicht besser,<br />

das Glaubensbekenntnis in heutiger<br />

Sprache zu formulieren? Die Frage<br />

nach Gott stellt sich heute doch<br />

ganz anders als vor 1.500 Jahren.«<br />

Eine andere nickte: »Durch die moderne<br />

Wissenschaft wissen wir zum<br />

Beispiel, dass sich die Welt allmählich<br />

und stufenweise entwickelt hat<br />

und nicht fix und fertig von Gott<br />

geschaffen wurde.« Andere meinten:<br />

»Nein, einen solchen Basistext wie<br />

das Glaubensbekenntnis kann man<br />

nicht einfach verändern. Wenn wir<br />

uns an manchen Aus sagen reiben,<br />

wird unser Glaube spannend und<br />

lebendig.« Wir kamen zur Überzeugung:<br />

Es ist gut, dass wir die Texte,<br />

die uns durch die Kirche überliefert<br />

worden sind, bewahren und beten.<br />

Sie regen uns an, Fragen zu stellen,<br />

den Glauben neu zu bedenken und<br />

ihn auch in die heutige Sprache zu<br />

übersetzen.<br />

Nicht nur im Lauf der langen Menschheitsgeschichte<br />

wandelt sich das<br />

Glaubensverständnis, auch im Lauf<br />

eines jeden Menschenlebens – von<br />

einem nicht hinterfragten Kinderglauben<br />

zum Aufbegehren in der<br />

Jugendzeit hin zu einem erwachsenen<br />

Verständnis des Glaubens.<br />

Unser Glaube ist keine Schatzkiste<br />

mit katalogisiertem Inhalt, sondern<br />

ein lebendiger Organismus, der<br />

ständig wächst. Damit er wächst,<br />

braucht er Pflege. Wie eine Pflanze,<br />

die sich entwickelt, braucht unser<br />

Glaube Licht, Nahrung, Ruhe, Aufmerksamkeit,<br />

Liebe.<br />

Wir laden Sie ein, einmal Ihr persönliches<br />

Wachsen und Reifen im<br />

Glauben zu meditieren. Lassen Sie<br />

ruhig und ehrlich auch die Fragen<br />

und Zweifel zu. Und staunen Sie,<br />

was aus dieser »Pflanze« geworden<br />

ist und noch werden kann.<br />

Wir wünschen Ihnen einen fruchtbaren<br />

geistlichen Weg und eine erfüllte<br />

Sommerzeit!<br />

Ricarda Moufang und<br />

Helmut Schlegel<br />

Ricarda Moufang (56) ist Referentin im Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg.<br />

Helmut Schlegel OFM (74) ist Leiter des Zentrums für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg in Frankfurt.<br />

17


geistlicher wegbegleiter – sommer <strong>2017</strong> – juli<br />

im glauben reifen<br />

Meine Geschichte<br />

mit Gott<br />

gespräch mit der bibel<br />

»Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der ›Ich-binda‹.<br />

Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen:<br />

Der ›Ich-bin-da‹ hat mich zu euch gesandt. Weiter sprach<br />

Gott zu Mose: So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott<br />

eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der<br />

Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein<br />

Name für immer und so wird man mich nennen in allen<br />

Generationen.« (Ex 3,14 f.)<br />

Mehr als ein Name ist, was Gott dem Mose offenbart.<br />

»Ich bin da« ist der Ausdruck zeitloser Gegenwart: Im<br />

Hier und Jetzt ist Gott, in jedem Augenblick meines<br />

Daseins, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht. Leben<br />

ist immer Sein vor Gott. Ein Ja zum Leben ist Gebet.<br />

meditation<br />

Du<br />

mein roter Faden<br />

Von der Nabelschnur<br />

bis zum Grablot<br />

seidener Faden in Todesangst<br />

Seemannsgarn im Zweifel<br />

festes Tau im Seelensturm<br />

Drahtseil auf Messers Schneide<br />

»Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und<br />

gläubig angenommen. Gott ist die Liebe, und wer in<br />

der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.«<br />

(1 Joh 4,16)<br />

Die Sinne, der Verstand, die Worte – sie alle erreichen<br />

Gott nicht, weil er immer der ganz Andere ist. Er wohnt<br />

in unzugänglichem Licht. Das ist die Not des Glaubens.<br />

Doch es gibt einen sicheren Weg zu Gott – die Liebe.<br />

Wo immer Menschen über das Ego hinaus denken, wo<br />

sie uneigennützig handeln, wo sie vergeben, wo das<br />

kleine Wort »Du« ihr Herz bewegt – da sind sie bei Gott<br />

und in Gott.<br />

Unsichtbares Netz<br />

vom Ich zum Wir zum Du<br />

zeitloser Halt<br />

in haltloser<br />

Zeit<br />

fünf anregungen für den alltag<br />

••<br />

Ich atme das Wort »Gott« ein und aus und<br />

spüre, wie ich durchströmt werde von Leben,<br />

Licht, Liebe.<br />

••<br />

Die Geschichte meiner Gottesbeziehung<br />

ist kein künstlicher Kanal, sondern ein lebendiger<br />

Fluss. Oder: Welche anderen Bilder<br />

stellen sich bei mir ein?<br />

••<br />

Ich suche Orte auf, die mir von Gott erzählen.<br />

••<br />

Ich denke an Menschen, deren Leben für<br />

mich Gott bezeugt.<br />

••<br />

Im Gebet bitte ich Gott, mir seine Version<br />

der Geschichte mit mir zu erzählen.<br />

impuls<br />

Jeder Mensch geht einen eigenen Weg mit Gott. Manche<br />

erfahren Gottes Nähe schon früh und intuitiv, in<br />

der Natur, im Spiel, im Staunen. Andere »erlernen« Gott<br />

durch ihre Eltern, Großeltern, Pfarrer, Lehrerinnen oder<br />

Freunde. Meine Beziehung zu Gott wandelt sich im<br />

Laufe der Zeit, ebenso verändert sich mein Bild von<br />

Gott. Eine andere Erfahrung ist Gottes Abwesenheit<br />

und sein Nicht-Eingreifen, was häufig Glaubens krisen<br />

auslöst und tiefe Zweifel weckt. Menschen erleben aber<br />

auch die ganz persönliche Berufung und die mystische<br />

Einheit mit Gott:<br />

••<br />

Vielleicht ist Gott mein Freund und Ratgeber oder<br />

mein intimster Gesprächspartner?<br />

••<br />

Vielleicht ist er ein Richter, vor dem ich mich fürchte.<br />

Oder Gott ist für mich die Liebe?<br />

••<br />

Vielleicht ist Gott für mich mehr als Person, mehr als<br />

Mann oder Frau, mehr als Schöpfer?<br />

••<br />

Welchen Weg bin ich mit Gott gegangen? Welchen<br />

Weg ging Gott mit mir?<br />

© bilder links und rechts: günter harmeling<br />

18


geistlicher wegbegleiter – sommer <strong>2017</strong> – august<br />

im glauben reifen<br />

gespräch mit der bibel<br />

»Kommt zu ihm, dem lebendigen Stein, der von den<br />

Menschen verworfen, aber von Gott auserwählt und<br />

geehrt worden ist. Lasst euch als lebendige Steine zu<br />

einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen<br />

Priester schaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer<br />

darzubringen, die Gott gefallen.« (1 Petr 2,4f.)<br />

»Er (Christus) ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist<br />

die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der<br />

Toten; so hat er in allem den Vorrang.« (Kol 1,18)<br />

Der Eckstein hat neben der gestalterischen auch eine<br />

stabilisierende Funktion: Er gibt Halt in verschiedene<br />

Richtungen. Die Steine sind in der Vorstellung der Bibel<br />

nicht materiell und tot, sondern lebendig und beweglich.<br />

Dies gibt dem »Gebäude Kirche« eine besondere<br />

Dynamik. Und doch ist es gut, dass im Neuen Testament<br />

das Bild vom Organismus jenes vom Bauwerk »überholt«.<br />

Kirche ist mehr als Architektur, sie ist Beziehung.<br />

Weil Christus das Haupt des Leibes Kirche ist, muss die<br />

entscheidende Frage der Kirche immer die Frage nach<br />

Jesus sein.<br />

fünf anregungen für den alltag<br />

••<br />

Woran denke ich, wenn ich das Wort Kirche höre?<br />

Welche Gefühle kommen mir?<br />

••<br />

Kenne ich Menschen, die für mich glaubwürdig<br />

Kirche verkörpern?<br />

••<br />

Ich meditiere die biblischen Bilder von der Kirche:<br />

Schiff auf dem Meer – Gottesvolk auf dem Weg –<br />

Zelt – Fels – Gebäude mit dem Eckstein Christus –<br />

Leib Christi.<br />

••<br />

Wenn ich mich als »lebendigen Stein« im Bauwerk<br />

Kirche verstehe, wo sehe ich meinen Platz?<br />

••<br />

Wenn ich mich als wachsendes, aber auch verletzbares<br />

Glied im Organismus Kirche verstehe,<br />

was empfinde ich dabei?<br />

impuls<br />

Meine Beziehung zur Kirche ist so vielgestaltig wie die<br />

Kirche selbst. Es gibt die Gemeinde, in der ich aufwuchs.<br />

Es gibt die Gemeinde(n), wo ich Gottesdienst feiere. Es gibt<br />

die sozialen und politischen Kircheninitiativen. Es gibt die<br />

Institution, mit Bischöfen und Papst, Dogmen und Kirchenrecht.<br />

Es gibt Kirchenräume, in denen das Heilige spürbar<br />

ist. Es gibt die Weltkirche.<br />

Kirche ist ein weites Feld:<br />

••<br />

Vielleicht ist die Kirche für mich das einzig Sichere in<br />

einer unberechenbaren Welt, ein Ort der verlässlichen<br />

Menschen und stabilen Strukturen?<br />

••<br />

Vielleicht komme ich mit den vielen Reformen, mit den<br />

Großpfarreien und mit dem schmerzhaften Schrumpfen<br />

der Gemeinden nicht zurecht?<br />

••<br />

Vielleicht gehen mir die Veränderungen aber auch viel<br />

zu langsam voran und ich kritisiere das starre Festhalten<br />

an Dogmen und »unmodernen« Lebensvorschriften?<br />

••<br />

Vielleicht wurde ich durch die Kirche verletzt und sie ist<br />

mir fremd geworden?<br />

••<br />

Vielleicht sind Kirchenräume meine spirituellen Rückzugsorte?<br />

Welchen Weg bin ich mit der Kirche gegangen?<br />

meditation<br />

FELS auf dünnem Eis<br />

getragen von Hoffnung<br />

von Sehnsucht<br />

von Not.<br />

Eingeritzt in die Felswände<br />

verwittert und trotzig<br />

das ewige Wort<br />

das alte Versprechen:<br />

Wir werden<br />

übers Wasser gehen.<br />

Hand<br />

in Hand.<br />

Meine Geschichte<br />

mit der Kirche<br />

19


geistlicher wegbegleiter – sommer <strong>2017</strong> – september<br />

im glauben reifen<br />

meditation<br />

Ich vertraue<br />

auf eine Liebe<br />

die jeden Menschen sucht<br />

ich vertraue<br />

auf eine Kraft<br />

die jedes Herz umwirbt<br />

ich vertraue<br />

auf dich Menschensohn<br />

und auf die Gemeinschaft<br />

der deinen<br />

auf die Heilung<br />

die uns zugesprochen ist<br />

im JETZT<br />

das niemals aufhört<br />

Meine Geschichte<br />

mit dem Glauben<br />

impuls<br />

gespräch mit der bibel<br />

Begonnen hat meine Glaubensgeschichte – so<br />

sagt es jedenfalls die Bibel – vor meiner Zeit.<br />

Sie sagt, dass mein Glaube tiefer geht als mein<br />

Bewusstsein. Sie sagt, dass Glaube eine Partnerschaft<br />

ist, in der ich »seit Ewigkeit geliebt« bin.<br />

Wenn das stimmt, dann ist meine Glaubensgeschichte<br />

zuerst »Seine« Geschichte. Glaube<br />

ist Gnade, Geschenk, gratis. Wenn »Credo«<br />

bedeutet, das Herz zu verschenken (cor dare),<br />

dann ist mein Ja-Wort Antwort auf das schon<br />

immer gegebene Ja-Wort Gottes:<br />

••<br />

Meine Glaubensgeschichte ist kein massiver<br />

Block, sondern eine Geschichte, da ist etwas<br />

»geschichtet«.<br />

••<br />

Da lagern verschiedene Schichten übereinander.<br />

Es gibt Sedimente aus guten und<br />

harmonischen Zeiten. Und es gibt poröse<br />

Schichten, die aus Zeiten stammen, da alles<br />

zusammenzubrechen drohte.<br />

••<br />

In jedem Fall ist diese Geschichte lebendig.<br />

Mein Glaube ist ein Beziehungsgeschehen.<br />

••<br />

Deswegen stehen wohl die Glaubensinhalte<br />

nicht an erster Stelle. Glaube ist zuerst eine<br />

Beziehung – ein wortloses Band von Herz<br />

zu Herz.<br />

»Amen, das sage ich euch: Wenn euer Glaube auch nur so groß ist<br />

wie ein Senfkorn, dann werdet ihr zu diesem Berg sagen: Rück von<br />

hier nach dort! und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich<br />

sein.« (Mt 17,20)<br />

Eines der bekanntesten Gleichnisse der Bibel: Der Glaube als Senfkorn.<br />

So klein, dass es unter den Fingernägeln verschwindet. Und<br />

doch wohnt in ihm eine große Kraft. Ist es nicht oft unsere Not, dass<br />

wir nicht an die Kraft des Glaubens glauben? Dass wir selbst unseren<br />

Glauben kleinreden? Dabei ist er gerade das Wunder. Die kleinsten<br />

Schritte im Glauben – ein Senfkorn Vertrauen, ein kleiner Spalt<br />

Wagnis, ein Schimmer an Hoffnung – verändern die Welt.<br />

fünf anregungen für den alltag<br />

••<br />

Was glaube ich? – Wem glaube ich? Ich mache mir bewusst,<br />

dass die Frage nach dem »Du« die entscheidende Glaubensfrage<br />

ist.<br />

••<br />

Ich meditiere meinen Glauben angesichts eines blühenden<br />

Baumes, eines Kindergesichtes, eines Kunstwerks, eines Grabsteins,<br />

eines Christusbildes.<br />

••<br />

Ich zeichne meine Glaubensgeschichte in der Form eines Flusses<br />

nach. An welche markanten Stellen erinnere ich mich?<br />

••<br />

Was wäre in meinem Handeln und in meinen Begegnungen<br />

anders, wenn ich nicht glaubte? Warum?<br />

••<br />

Ich meditiere das »Du-Gebet«, das Franz von Assisi geschrieben<br />

hat (Gotteslob Nr. 7,2) und formuliere selbst ein Du-Gebet.<br />

© günter harmeling<br />

20


kleines theologisches wörterbuch<br />

Religiöser Fundamentalismus ist brand gefährlich. Sein<br />

Gottesbild bestimmt auch die Sicht von Geschichte:<br />

So ein Gott greift unmittelbar ein, schafft Sieger und<br />

Verlierer, macht die einen stark und lässt andere untergehen.<br />

»Im Namen Gottes« geschehen in der Geschichte unvorstellbare<br />

Grausamkeiten.<br />

Sollte man Gott nicht besser ganz aus der Geschichte heraushalten?<br />

Nun können gerade wir Christen das nicht: Die Heilige<br />

Schrift erzählt durchgehend von Menschen, die in ihrer<br />

Geschichte auch eine Geschichte zwischen Gott und sich<br />

erfahren. Gott ist nicht über oder hinter der Geschichte. Die<br />

Geschichte ist Raum Gottes. In Jesus wird er selbst ein Stück<br />

Geschichte. Im Glauben an die Wiederkunft Christi steckt<br />

die Überzeugung, dass die Geschichte auf ihn zuläuft und<br />

in ihm ein gutes Ende findet.<br />

Diese Konzeption von »Heilsgeschichte« will Grund fragen<br />

beantworten, die sich auch in völlig säkularer Form stellen:<br />

Kann man Geschichte verstehen? Gibt es einen Sinn in der Geschichte?<br />

Hat Geschichte ein Ziel? Konkret: Verläuft Geschichte<br />

in einer aufsteigenden Linie, so dass, durch alle Katas trophen<br />

hindurch, letztlich alles immer besser wird? Davon haben die<br />

Marxisten geträumt oder die Fortschrittsuto pisten der Siebzigerjahre.<br />

Oder steuert alles auf die große Katastrophe zu? Dafür<br />

gibt es realistische Szenarien. Oder wabert die Geschichte im<br />

Kreis vor sich hin? Nach Karl Popper hat die Geschichte keinen<br />

Sinn, aber der Mensch kann ihr einen Sinn verleihen. Friedrich<br />

Nietzsche hat der Kirche<br />

vorgeworfen, die Geschichte<br />

Israels wie die<br />

Menschheitsgeschichte<br />

zur Vorgeschichte des<br />

Christentums gefälscht<br />

zu haben.<br />

Geschichte<br />

Menschheitsgeschichte;<br />

Gottes Geschichte mit den Menschen<br />

Wie also erlebt sich der Glaubende in der Geschichte?<br />

Mir selbst scheint wichtig:<br />

Christsein geht nur in Geschichte, nicht neben<br />

ihr. Gott hat sich geschichtlich offenbart. Er ist in<br />

Jesus in die Geschichte eingetreten. Jesus sendet<br />

in die Geschichte.<br />

Das Reich Gottes beginnt schon in der Geschichte,<br />

aber es ist nie mit einer konkreten geschichtlichen<br />

Situation zu identifizieren. »Die Geschichte ist<br />

nicht das Letzte, um was es geht. Aber es geht um<br />

das Letzte nur in der Geschichte«<br />

(Alfred Delp SJ).<br />

Geschichte ist auf weite Strecken grausam und<br />

unverständlich. Aber es gibt in der Geschichte<br />

auch die Erfahrung von Versöhnung, Solidarität,<br />

Einsatz für Gerechtigkeit. Dabei können wir<br />

etwas vom Reich Gottes ahnen.<br />

Wir können Geschichte nicht »machen«, haben<br />

aber Verantwortung in ihr. Geschichte ist<br />

immer offen, appelliert an unsere Freiheit, fordert<br />

Entscheidungen. Politik und Weltgestaltung<br />

gehören untrennbar zur christlichen<br />

Berufung.<br />

Als Gott in Jesus Mensch wird, schreibt er keine<br />

Sieger geschichte. Sein Leben ist die Geschichte<br />

eines Verlierers. Christen haben daher einen<br />

besonderen Blick für die Opfer der Geschichte.<br />

Der Glaube selbst ist geschichtlich. Er hat sich<br />

im Lauf der Geschichte immer weiter ent faltet<br />

und kulturell wie sprachlich wechselnde Ausdrucks<br />

formen angenommen. Auch mein Lebens ­<br />

weg ist eine lebendige Geschichte mit Gott. n<br />

cornelius bohl ofm (55)<br />

ist Provinzialminister der Deutschen<br />

Franziskanerprovinz<br />

© okalinichenko – fotolia.com<br />

theologischer impuls<br />

21


Vivere<br />

Leben in franziskanischer Inspiration<br />

Franz von Assisi und die franziskanische Spiritualität haben für viele Menschen etwas<br />

Begeisterndes. Seit Anbeginn der Bruderschaft des heiligen Franziskus machten sich daher<br />

immer wieder Männer und Frauen auf den franziskanischen Weg der Nachfolge Christi.<br />

Die, die dies nicht in einer klösterlichen Gemeinschaft tun wollten, aber gleich wohl den<br />

Anschluss an eine Gruppe suchten, traten sogenannten »Laienbewegungen« bei.<br />

Auch heute existieren eine Vielzahl solcher Weggemeinschaften, oftmals fühlen sie<br />

sich einer Ordensniederlassung besonders verbunden.<br />

Hiltrud Bibo aus Kiedrich im Rheingau teilt die Begeisterung<br />

vieler Menschen für den heiligen Franziskus und hat das Ansteckende<br />

der franziskanischen Spiritualität in vielen Begegnungen<br />

mit Franziskanern immer wieder erfahren. Spätestens<br />

ihre Teilnahme an Studienreisen der Missionszentrale der<br />

Franziskaner nach Indien und Assisi und das intensive Erleben<br />

des gemeinsamen Unterwegsseins mit einer Gruppe gleichgesinnter<br />

Männer und Frauen ließen in ihr einen Wunsch<br />

reifen: »Das Franziskanische« soll nicht nur in punktuellen<br />

Begegnungen aufscheinen oder bei gemeinsamen Reisen<br />

spürbar sein, sondern in den Alltag ausstrahlen …<br />

»Was das Franziskanische genau<br />

ist? Das ist schwer zu fassen!«,<br />

lacht die sympathische 56-jährige<br />

Chemieingenieurin. »Eigentlich<br />

bin ich beruflich und<br />

durch ehrenamtliches Engagement<br />

voll ausgelastet, und ich<br />

will auch noch Zeit für meine<br />

Enkel tochter haben, aber da gibt<br />

es etwas, dem ich auf den Grund<br />

gehen möchte! Für Einzelne ist<br />

es meist schwierig, im Alltag<br />

Veränderungen anzustoßen.<br />

Daher bin ich auf der Suche nach<br />

einer Gruppe von gleichgesinnten<br />

Menschen, mit denen ich<br />

mich austauschen kann, die<br />

mich bestärken oder die mir<br />

auch mal kritisch den Spiegel<br />

vorhalten. Ich hoffe, so eine Weggemeinschaft<br />

zu finden. «<br />

Die Gelegenheit bot sich, als die Franziskaner Hermann<br />

Schalück, Helmut Schlegel, Johannes Küppers und Martin<br />

Lütticke vor zwei Jahren mit der Idee einer neuen franziskanischen<br />

Bewegung an die Öffentlichkeit traten. »Wir fanden,<br />

es war an der Zeit, endlich das Verhältnis von Laien und Ordensleuten<br />

neu auszurichten. Es braucht einen Aufbruch aus der<br />

Abgeschlossenheit des Ordenslebens«, so meint Hermann<br />

Schalück, der ehemalige Generalminister der Franziskaner.<br />

»Vivere«, so nennt sich der neue Impuls für ein franziskanisches<br />

Miteinander. Es ist ein Angebot an Menschen wie Hiltrud<br />

Bibo, die auf der Suche nach einer Verortung im »Franziskanischen«<br />

sind.<br />

Im Juni 2015 lud die Deutsche Franziskanerprovinz erstmals<br />

zu zwei Begegnungstreffen unter dem Titel »Vivere« ein. Seitdem<br />

gab es eine Reihe an bundesweiten und regionalen Veranstaltungen.<br />

Ziemlich bald nach dem ersten Treffen im Haus<br />

Ohrbeck fand sich eine erste Regionalgruppe im Rheinland,<br />

und auf dem Hülfensberg trifft sich im dortigen Kloster regelmäßig<br />

eine Regionalgruppe, die von Johannes Küppers unterstützt<br />

wird. Weitere Gruppen existieren mittlerweile in Ohrbeck<br />

und in Fulda.<br />

Hiltrud Bibo ist seit den ersten Treffen der Vivere-Bewegung<br />

dabei. Mit Ulrich Rau von der Regionalgruppe Rheinland und<br />

Pater Hermann hatte sie das Konzept für ein Vivere-Wochenende<br />

im Franziskanerkloster Großkrotzenburg entwickelt,<br />

das Ende April mit 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmern<br />

stattfand. Im Nachgang traf sich bereits eine mögliche Regionalgruppe<br />

Rhein-Main. Ob Hiltrud Bibo dort die erhoffte franziskanische<br />

Weggemeinschaft findet und ob es in der Vivere-<br />

Bewe gung eventuell sogar zu gemeinschaftlichen Lebensprojekten<br />

kommt, bleibt abzuwarten.<br />

Hiltrud Bibo beim Vivere-Wochenende in Großkrotzenburg<br />

22 franziskanisch leben


Im vergangenen Jahr wurde beim überregionalen Jahrestreffen von Vivere<br />

das Leitbild der neuen Bewegung und deren Strukturen diskutiert. »Das<br />

war schwierig, ja geradezu konfliktträchtig«, erinnert sich Pater Hermann.<br />

Aber gemeinsam einen guten Weg zu finden, Konflikte zu bewältigen, ist<br />

eine wichtige Erfahrung. In diesem Jahr wird vom 30. Juni bis zum 2. Juli<br />

im Franziskanerkloster in Rheda- Wiedenbrück der Schwerpunkt des Bundestreffens<br />

auf der Vertiefung der franziskanischen Spiritualität, dem Wahrnehmen<br />

der Schöpfung und dem Zusammenwachsen der Gemeinschaft<br />

liegen.<br />

In der franziskanischen Welt gab es immer wieder Aufbrüche. Manches zarte<br />

Pflänzchen machte in seiner Wachstumsphase eine Reihe an Anpassungen<br />

durch. Nicht alle blühten und trugen Früchte. Die älteste heute noch existierende<br />

Laienbewegung in der katholischen Kirche ist der Ordo Franciscanus<br />

Saecularis (OFS), früher Franziskanische Gemeinschaft genannt. Seine Anfänge<br />

reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Heute gehören weltweit mehrere<br />

hunderttausend Christen beiderlei Geschlechts, aller Altersstufen und<br />

Berufe sowie in den verschiedensten Lebensverhältnissen zum OFS, darunter<br />

auch Priester und Bischöfe. Auch der OFS ist in Regionalgruppen<br />

organisiert. Hätte Hiltrud Bibo nicht auch im OFS eine franziskanische Heimat<br />

finden können? »Vielleicht, aber mich hatte die Idee gepackt etwas Neues<br />

zu entwickeln und dabei über die Grenzen des ›katholischen Milieus‹ hinauszugehen«,<br />

meint die Rheingauerin. »Vivere ist sehr offen und weltzugewandt,<br />

das zeigt auch unser Leitbild, bei uns muss man – strenggenommen – nicht<br />

mal Christ sein. Aber wir sehen uns nicht als Konkurrenz, wir hoffen auf<br />

einen guten, partnerschaftlichen Kontakt mit der gesamten franziskanischen<br />

Familie.«<br />

Vivere-Wochenende in Großkrotzenburg<br />

mit Hermann Schalück OFM<br />

Vivere, die junge franziskanische Bewegung, versteht sich als Bereicherung,<br />

als Teil eines franziskanischen Netzwerks. Bei den Treffen von Vivere sind<br />

folglich auch immer wieder Mitglieder anderer franziskanischer Weggemeinschaften<br />

oder des OFS dabei. Inwieweit sich auch Brüder und Schwestern<br />

verstärkt in diese Aufbruchbewegung einbringen, wird sich zeigen.<br />

Damit es wirklich zu einem neuen Miteinander, zu einer Neubestimmung<br />

des Verhältnisses von Laien und Ordensleuten kommt, wäre dies sicher<br />

nötig. n<br />

kerstin meinhardt<br />

Informationen zu franziskanischen Weggemeinschaften, Taukreisen, Vivere, dem<br />

OFS und anderen Gruppen 3 3 <strong>franziskaner</strong>.net/mitmachen/franziskanisch-leben<br />

»Vivere« bedeutet Leben (aus dem Leitbild von Vivere 3 3 www.vivere-leben.de)<br />

Leben als Geschenk und Aufgabe war die Vision von Franziskus und Klara von Assisi.<br />

Unter Vivere verstehen wir die Bewegung, in der wir gemeinsam nach einem Weg suchen, das Evangelium in franziskanischer<br />

Spiritualität zu leben – zunächst in unserem jeweiligen persön lichen Alltag, aber auch mit der Perspektive,<br />

Gemeinschaftsleben zu wagen. Unser Glaube ist unsere gemeinsame Kraftquelle.<br />

Wir wollen in geschwisterlichem Einklang mit und in Verantwortung für die Schöpfung leben. Wir suchen den Dialog mit<br />

allen Menschen und allen Religionen. Wir setzen uns mit den drängenden Fragen des Glaubens und der Religionen, der<br />

Gesellschaft und einer globalisierten Welt auseinander. Wir wenden uns den Armen und Ausgegrenzten liebevoll zu,<br />

teilen mit ihnen und setzen uns aktiv für Frieden und Gerechtigkeit auf dieser Welt ein.<br />

Vivere heißt alle Menschen – gleich welcher Herkunft, Religion, Weltanschauung oder Prägung – willkommen, die sich mit<br />

uns auf diesen Weg machen wollen. Wir treffen uns sowohl in Regionalgruppen als auch zu überregionalen Veranstaltungen.<br />

Auch zwischen den Treffen halten wir Kontakt untereinander (zum Beispiel in einem Internetforum) und bleiben<br />

in Gedanken und im Gebet miteinander verbunden.<br />

franziskanisch leben<br />

23


Franziskanische Familie<br />

Franziskaner zwischen Einheit und Vielfalt<br />

Menschen, die ein Tau-Kreuz um den Hals tragen, kann man unschwer als<br />

franziskanisch inspiriert erkennen. Das gilt auch für die Kuttenträger mit der<br />

weißen Kordel. Aber nur der »Eingeweihte« wird auch gleich an Farbe und<br />

Form des Ordenskleides erkennen, ob es sich dabei um Franziskaner, Konventualen<br />

(bzw. »Minoriten«) oder Kapuziner handelt. So lauten die eher volkstümlichen<br />

Bezeichnungen der drei Männerorden, die aus der Gemeinschaft<br />

der Minderbrüder um Franziskus von Assisi hervorgegangen und heute in<br />

Deutschland mit je einer Ordensprovinz vertreten sind. Ein Blick in die Geschichte<br />

zeigt, dass das Erscheinungsbild des Minderbrüderordens in der<br />

Vergangenheit noch viel unübersichtlicher war. Aber wie kam es überhaupt<br />

zu dieser Vielfalt? Macht sie heute noch Sinn?<br />

»Ich habe das Meine getan, was euer ist, möge<br />

euch Christus lehren!« Mit diesen Worten entließ<br />

der sterbende Franziskus seine Brüder in<br />

eine selbstverantwortete offene Zukunft. Zwar<br />

wusste sich die junge Gemeinschaft an die gemeinsame<br />

Regel und das inspirierende Beispiel<br />

des Gründers gebunden; die konkrete zukünftige<br />

Gestalt jedoch galt es immer wieder neu<br />

zu finden im Hinhören auf das Gotteswort und<br />

auf die religiösen und sozialen Anliegen der<br />

jeweiligen Zeit. Der Bewegung standen unendlich<br />

viele Gestaltungsformen offen, was freilich,<br />

historisch gesehen, zu einer Profilunschärfe<br />

führte. Wofür stehen die Franziskaner eigentlich?<br />

Das ließ und lässt sich leichter bei den<br />

reinen Priesterorden sagen oder auch bei denjenigen<br />

neuzeitlichen Gründungen, die man<br />

»funktionale Orden« nennen könnte, da sie ein<br />

bestimmtes Aufgabengebiet als Gründungszweck<br />

und Identitätsmerkmal aufweisen.<br />

1517: die erste spaltung<br />

Vielen Spaltungen und Neugründungen innerhalb<br />

des franziskanischen Männerordens lagen<br />

denn auch keine konkreten sozial-pastoralen<br />

Orientierungen zugrunde, sondern die Intuition,<br />

etwa den Armutsgedanken oder die kontemplative<br />

(zurückgezogene) Lebensweise der<br />

Anfangszeit wieder neu zu beleben. Die Reformgruppen<br />

nutzten dazu die verfügbaren Charismen<br />

in den eigenen Reihen und machten sich<br />

die hilfreiche Unterstützung durch kirchliche<br />

und weltliche Würdenträger dienstbar. Guadalupenser,<br />

Amadeiten und Clarener benannten<br />

sich nach ihrem Ideengeber, die Colettaner gar<br />

nach Colette von Corbie (1381–1447), der<br />

französischen Klarissenreformerin. Nominell<br />

blieben alle Gruppierungen der Minderbrüder<br />

unter dem Dach des einen Franziskanerordens<br />

geeint, bis Papst Leo X. im Jahr 1517 alle reformwilligen<br />

Brüder im sogenannten Orden der<br />

Minderbrüder von der regulären Observanz<br />

(kurz »Observanten« – als Ausdruck der strikten<br />

Befolgung der Armutsforderungen der<br />

24 franziskanische familie


Die franziskanische Familie wird häufig als Baum mit<br />

zahlreichen Ästen und unzähligen alten und neuen<br />

Trieben beschrieben. Selbst Eingeweihte überblicken den<br />

Baum in seiner Gesamtheit nicht immer. Aus Anlass der<br />

ersten »Verzweigung« eines der Hauptstämme des<br />

franziskanischen Baumes vor 500 Jahren – 1517 spaltete<br />

sich der franziskanische Männerorden – starten wir mit<br />

einem Beitrag über den sogenannten Ersten Orden eine<br />

Reihe zur Geschichte der franziskanischen Familie.<br />

Erster Orden<br />

Ordens regel) zusammenfasste. Daneben bestand<br />

der nun separate Orden der Franziskaner­<br />

Konventualen, die sich mehr auf ein Gemeinschaftsleben<br />

in Großkonventen verlegt hatten<br />

und aufgrund päpstlicher Privilegien Eigentum<br />

erwerben durften.<br />

ein franziskanischer<br />

flickenteppich<br />

Doch diese Zäsur war nicht mehr als eine historische<br />

Momentaufnahme, da die nächsten<br />

Reformer sozusagen bereits in den Startlöchern<br />

knieten. Die Kapuziner, welche sich zunächst<br />

»Minderbrüder vom eremitischen Leben«<br />

nannten, breiteten sich seit 1574 von Italien<br />

herkommend über die Alpen aus und erlangten<br />

1619 die völlige Eigenständigkeit als nunmehr<br />

dritter Minderbrüderorden. Ihr ursprünglich<br />

zurückgezogenes Leben wich jedoch bald<br />

einer umfangreichen Predigttätigkeit. In Italien,<br />

Spanien und Frankreich bildeten sich etwa zeitgleich<br />

die Reformgruppen der Reformaten,<br />

Alkantariner und Rekollekten innerhalb des<br />

Observantenordens aus. Auch hierzulande<br />

spiegelten sich diese Prozesse. Nach den Einschnitten<br />

von Reformation und Dreißigjährigem<br />

Krieg wiedererstarkt, nahm sich die franziskanische<br />

Präsenz in den (ungefähren) Grenzen<br />

des heutigen Deutschlands wie ein Flickenteppich<br />

aus. Die Konventualen waren mit zwei,<br />

die Kapuziner mit vier Provinzen vertreten.<br />

Aufseiten der Observanten nahmen vier Provinzen<br />

die Rekollektenreform an. Die bayerische<br />

sowie die nach Südwestdeutschland hinein<br />

ragende vorderösterreichische Provinz dagegen<br />

schlossen sich auf Druck der Landesherren<br />

den Reformaten an und unterhielten enge<br />

Beziehungen nach Italien. Im Grunde genommen<br />

versuchten Rekollekten wie Reformaten, dem<br />

franziskanischen Armuts- und Bußgedanken<br />

eine neue Gestalt zu geben, wobei sich die Rekollekten<br />

– wie im Namen (»die Gesammelten«)<br />

angedeutet – auch als Spezialisten des inneren<br />

Gebetes profilierten.<br />

wiedervereinigung und/oder<br />

franziskanische ökumene?<br />

Nach den Einbrüchen des 19. Jahrhunderts – die meisten Orden hatten nicht<br />

nur numerisch unter den diversen Säkularisierungswellen gelitten – wurde<br />

der Observantenorden neu aufgestellt. Papst Leo XIII. sah in einem geeinten<br />

Orden größere Chancen für eine tiefgreifende Erneuerung. So vereinigte er<br />

1897 alle der Observanz zugehörigen Zweige zum Minderbrüderorden, deren<br />

Mitglieder sich heute – in Abhebung von den Konventualen und Kapuzinern –<br />

weithin einfach Franziskaner nennen. Heutzutage mag es so aussehen, als sei<br />

die Maßnahme Leos XIII. halbherzig gewesen, da sich die Frage weiterhin<br />

stellt: Ist es nicht an der Zeit, dass sich alle historischen männlichen franziskanischen<br />

Erstordenszweige zusammenschließen, um ein für alle Mal einen<br />

Schlussstrich unter die oft hässlichen und banalen Rivalitäten der Vergangenheit<br />

zu ziehen? Was Franziskaner, Konventualen und Kapuziner heute voneinander<br />

trennt, ist in der Tat relativ unerheblich und drückt sich vor allem<br />

durch unterschiedliche gruppenspezifische Verhaltensformen und Gebräuche<br />

aus. Diese Orden auf weltweiter Ebene zusammenzuführen, käme jedoch<br />

einem administrativen Herkulesakt gleich, der die Kräfte der Brüder für mindestens<br />

ein oder zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde. Dabei rücken<br />

die franzis kanischen Männerorden bereits heute mehr zusammen. Gemeinsame<br />

Projekte mit den je anderen Ordenszweigen, aber auch mit Franziskanerinnen<br />

und Klarissen führen zu einer gelebten »franziskanischen Ökumene«,<br />

die überraschende Synergien schafft; wie beispielsweise bei dem in der weltweiten<br />

franzis kanischen Familie angewandten Lern- und Reflexionsprogramm<br />

zum franziskanisch-missionarischen Charisma. Zudem werden die jungen Ordensmitglieder<br />

dazu angeleitet, über den nationalen Tellerrand zu schauen und<br />

sich auf die internationale Vernetzung der franziskanischen Bewegung einzulassen.<br />

Momen tan schicken die deutschen Franziskaner ihre Novizen nach<br />

Killarney/Irland, die Kapuziner nach Salzburg und die Konventualen nach Assisi.<br />

Im späten 17. Jahrhundert erklärte der niederländische Minderbruder Mathias<br />

Croonenborch das Fehlen eines einheitlichen franziskanischen Exerzitienentwurfes<br />

mit dem Hinweis auf die unterschiedlichen Vorlieben in Sachen geistliche<br />

Übungen, genauso wie die einen ja den spanischen, andere den Rheinwein bevorzugen<br />

würden. Eine strikt reglementierte Uniformität war<br />

noch nie die Stärke der franziskanischen Bewegung. Vielleicht<br />

braucht es diese auch gar nicht, solange der »franzis kanische<br />

Wein« – in allen seinen farblichen und geschmacklichen<br />

Nuancen – nach der Freiheit des Evangeliums und der Lebensfreude<br />

des »kleinen Armen aus Assisi« schmeckt. n<br />

benedikt mertens ofm (54)<br />

Der Theologe ist Schriftleiter der wissenschaftlichen Zeitschrift<br />

»Archivum Franciscanum Historicum« und lebt im<br />

Franziskaner konvent San Isidoro in Rom<br />

franziskanische familie<br />

25


Kapuziner – Franziskaner – Minoriten<br />

Der jeweilige Stallgeruch und die leeren Ställe<br />

Worin bestehen sie denn eigentlich: die<br />

Unterschiede zwischen den drei franziskanischen<br />

Männerorden? Einige Antworten<br />

lassen sich sicher in der Geschichte<br />

finden. Aber worin bestehen die Unterschiede<br />

500 Jahre nach der ersten Teilung<br />

des Ordens heute noch? Und wie sieht die<br />

Situation im Jahr <strong>2017</strong> in Deutschland aus?<br />

Um dieser Realität auf die Spur zu kommen,<br />

habe ich ein wenig Recherche betrieben<br />

und die drei Provinzialminister Cornelius<br />

Bohl OFM (Franziskaner), Bernhardin M.<br />

Seither OFMConv (Minorit) und Marinus<br />

Parzinger OFMCap (Kapuziner) um Informa<br />

tionen und Stellungnahmen gebeten.<br />

die zahlen sind durchaus<br />

ernüchternd<br />

In den jeweiligen Deutschen Ordensprovinzen<br />

leben derzeit 288 Franziskaner in 35 Konventen<br />

sowie vier zugeordneten Filialen, 44 Minoriten<br />

in 5 Konventen und 122 Kapuziner in 12 Konventen.<br />

Novizen gibt es aktuell in keiner der drei<br />

Ordensprovinzen, bei Minoriten und Kapuzinern<br />

befindet sich jeweils ein junger Mann in der ersten Orientierungsphase,<br />

dem Postulat; jeweils vier jüngere Franziskaner und Kapuziner befinden<br />

sich derzeit im sogenannten Juniorat, das heißt, sie haben sich zeitlich,<br />

aber noch nicht auf Dauer an den Orden gebunden. Das Durchschnittsalter<br />

beträgt bei den Franziskanern 74, bei den Kapuzinern gut 66 und bei den<br />

Minoriten knapp 65 Jahre.<br />

die minderbrüder der deutschen provinzen<br />

davon 8 Brüder<br />

im Ausland<br />

davon 3 Brüder<br />

im Ausland<br />

122<br />

Kapuziner<br />

44<br />

Minoriten<br />

288<br />

Franziskaner<br />

davon 16 Brüder<br />

im Ausland<br />

© bild oben: kapuzinerprovinz österreich-südtirol/sarah schuller-kanzian<br />

26 franziskanische familie


und jenseits der zahlen?<br />

Liest man die Antworten der Provinzialminister, scheint es von<br />

der Lebensweise her keine definierbaren Unterschiede zu<br />

geben. Auf die Frage nach den jeweiligen Schwerpunktaufgaben<br />

sind die Antworten ebenfalls kaum zu unterscheiden. Alle<br />

drei Ordenszweige sind tätig in Bildungsarbeit, Wallfahrts-,<br />

Exerzitien- und Pfarrseelsorge; alle drei haben soziale Projekte<br />

und betreiben Beichtpastoral, Gottesdienstaushilfen und<br />

Schwestern seelsorge. Die drei unterscheiden sich durch das<br />

eine oder andere Projekt wie Citypastoral oder Gemeinschaften,<br />

die mit Laien und Menschen mit Behinderung zusammenleben.<br />

Aber wirklich markante Unterschiede sind kaum auszumachen.<br />

Alle drei Provinzialminister sprechen von der Schwierigkeit,<br />

»lebensfähige Konvente« zu besetzen, und alle mühen sich,<br />

für die hohe Anzahl der älteren und pflegebedürftigen Brüder<br />

adäquate Aufgaben und Orte zu finden, an denen diese<br />

Brüder leben oder betreut werden können. Alle drei haben<br />

ein mulmiges Gefühl mit Blick auf den fehlenden Nachwuchs.<br />

Der strukturelle Umbau der Provinz – zum Beispiel<br />

die Auflösung von Häusern – sowie die finanzielle Vorsorge<br />

für die kommenden Jahrzehnte beschäftigen die Provinzleitungen<br />

aller drei Ordenszweige in gleicher Weise. Erfreulich<br />

ist, dass alle drei dennoch den Mut haben, nach vorne<br />

zu schauen und Neues zu wagen. Aber wie lange wird die<br />

Kraft dazu noch reichen? Und: Worin unterscheiden sie sich<br />

denn nun wirklich – die drei Zweige des Ersten Ordens des<br />

heiligen Franzis kus in Deutschland? Bei dieser Frage verweisen<br />

die drei Ordensleiter (unisono!) auf den jeweiligen<br />

»Stallgeruch«. Worin dieser aber besteht, vermag keiner so<br />

genau zu formulieren.<br />

Und wie sehen die Provinzialminister die Zukunft des Ersten<br />

Ordens in Deutschland? In einem sind sich alle drei einig:<br />

Auf alle Fälle braucht es eine stärkere Zusammenarbeit zwischen<br />

den verschiedenen Zweigen. Anknüpfungspunkt könnten<br />

eine gemeinsame Grundausbildung in Postulat, Noviziat<br />

und Juniorat sein, auch wenn ungewiss ist, wie die obersten<br />

Ordensleitungen in Rom dann dazu stehen werden. Und ob<br />

an eine Vereinigung der drei Ordenszweige zu denken sei,<br />

beantwortet einer der drei mit dem Satz: »Persönlich kann<br />

ich mir ein Zusammengehen der drei Ordenszweige gut vorstellen,<br />

mit Blick auf die drei weltweiten Orden halte ich es<br />

augenblicklich aber noch für sehr unrealistisch.«<br />

so weit, so gut, aber ...<br />

Als Kapuziner kann ich mich – aus ordensinterner nüchterner<br />

Sicht – allen diesen Einschätzungen und Zukunftsoptionen<br />

anschließen. Auch die Rede vom »Stallgeruch« könnte ich mit<br />

keinem anderen Wort ersetzen. Dennoch beschleichen mich<br />

ein paar Fragen:<br />

Was nützt der Stallgeruch, wenn am Ende kein Rind<br />

mehr im Stall steht (Hab 3,17)?<br />

Können wir uns angesichts der drastisch sinkenden<br />

Zahlen in allen drei Ordenszweigen einer noch<br />

gezielteren verbindlichen Zusammenarbeit verschließen?<br />

Alle drei Ordenszweige machen sich Gedanken über<br />

ihre Grundausbildung in Postulat, Noviziat und<br />

Juniorat. Die Franziskaner planen ein europäisches<br />

Noviziat in Irland. Die nordwesteuropäische Kapuzinerkonferenz<br />

hat ähnliche Über legungen für ein<br />

Noviziat in Irland. Treffen sich dann in Zukunft<br />

deutsche Franziskaner- und deutsche Kapuzinernovizen<br />

in zwei getrennten Noviziaten in Irland?<br />

Die Diözesankirchen erweitern allerorts ihre pastoralen<br />

geografischen Räume und schaffen Megapfarreien<br />

und Megastrukturen. Wollen auch die drei<br />

Zweige des Ersten Ordens einfach nur ihre geografischen<br />

Grenzen ausweiten? Sprich: In Zukunft gibt es<br />

eine Euro päische Franziskanerprovinz, eine Europäische<br />

Mino ritenprovinz und eine Europäische<br />

Kapuziner provinz? Ist das wirklich zukunftsfähig?<br />

Natürlich wäre das Zusammengehen der drei Ordenszweige<br />

– systemisch und juristisch gesehen – ein<br />

»Gewaltakt«. Aber haben Kirche und Orden nicht<br />

schon ganz andere »Gewalt akte« hinbekommen?<br />

Was spricht eigentlich gegen folgendes Zahlenspiel:<br />

1517 Trennung des Ordens in Konventualen und<br />

Observanten<br />

1527 Kapuzinerreform<br />

1897 Leoninische Union<br />

<strong>2017</strong> Gedenken an die erste Trennung des Ordens<br />

2027 Wiedervereinigung des Ersten Ordens<br />

Manchmal entwickeln sich die Dinge deutlich schneller<br />

als gedacht. So schlossen die drei Generalminister bei<br />

einem Treffen Ende Mai eine künftige Vereinigung nicht<br />

aus. Sie ermutigten vielmehr dazu, Initiative zu ergreifen,<br />

neue Formen der Gemeinschaft und der Brüderlichkeit<br />

zu »testen«. Vielleicht fangen wir einfach mal damit an,<br />

uns alle wieder »Minderbrüder« zu nennen. Oder – sollte<br />

dieser Begriff vielleicht doch zu sehr in der mittelalterlichen<br />

Stände ordnung verhaftet sein – wie wär’s, wenn<br />

wir uns ab sofort alle nur noch »Franzis kaner« nennen?<br />

Eine gemeinsame Zeitschrift unter<br />

diesem Titel hätten wir dann ja<br />

schon. n<br />

christophorus<br />

goedereis ofmcap (52)<br />

ist Kirchenrektor in Frankfurt<br />

Liebfrauen und Stellvertreter des<br />

Povinzials der Deutschen<br />

Kapuzinerprovinz<br />

franziskanische familie<br />

27


Seine Vision: teilen<br />

»Wir wollten die Welt verändern –<br />

doch die Welt hat uns verändert.«<br />

<strong>franziskaner</strong> werden<br />

Mit abgeschlossenem Theologiestudium, aber ohne den klassischen<br />

Weg Richtung Priesteramt, kehrte Peter an den Rhein zurück. Er zog<br />

nach Essen in eine Franziskaner-Kommunität in einer Obdachlosensiedlung.<br />

Das Zimmer verrammelt, die Fensterscheibe eingeschmissen,<br />

ein einfaches Bett auf dem Boden. Größer konnte der Kontrast<br />

zum monastisch geprägten Klosterleben in München nicht sein.<br />

Doch Peter war froh, denn er wollte als Franziskaner das Leben der<br />

Armen teilen. Sein Studium der Sozialwissenschaften, das er bereits<br />

in München parallel begonnen hatte, konnte er in Bochum abschließen<br />

und anschließend noch promovieren. Die Mischung von Theologie<br />

und Soziologie faszinierte ihn, und so arbeitete er als wissenschaftlicher<br />

Assistent an der Universität. Hätte seine Ordensleitung<br />

damals nicht sein Organisationstalent erkannt und<br />

ihn mit neuen Aufgaben betraut, so hätte<br />

er sich auch eine wissenschaftliche<br />

Laufbahn gut vorstellen können.<br />

Aber nach einer kurzen Episode<br />

als Präfekt im Ordensinternat<br />

in Vossenack<br />

wurde Bruder Peter<br />

Sekre tär der Interfranziskanischen<br />

Arbeitsgemeinschaft<br />

(INFAG)<br />

und Sekretär der damaligen<br />

Kölner Franziskanerprovinz.<br />

Sein<br />

Interesse an sozialer<br />

Gerechtigkeit und sein<br />

Bedürfnis, den Men<strong>franziskaner</strong><br />

sein<br />

Bruder Peter belädt seinen kleinen PKW mit einigen<br />

Laib Brot und süßen Stückchen, die er von einer<br />

Bäcke reifiliale kurz vor Ladenschluss gespendet bekommt.<br />

Die Lebensmittel sind für den Nachtbus bestimmt,<br />

mit dem er in einer Stunde seine Tour durch<br />

die Düsseldorfer Altstadt fahren wird, um obdachlosen<br />

Menschen das Nötigste für die Nacht anzubieten.<br />

»Ich fühle mich hier am richtigen Platz. Es ist wahrscheinlich<br />

die franziskanischste Zeit meines Lebens.<br />

Den Menschen zu helfen, nah bei ihren Nöten zu<br />

sein, genau das ist es, was ich immer wollte«, freut<br />

sich Bruder Peter, der vor Kurzem seinen 70. Geburtstag<br />

feiern durfte.<br />

Peter Amendt stammt aus Bonn und ist durch sein<br />

katholisches Elternhaus schon als Kind in ein kirchlich<br />

geprägtes Milieu hineingewachsen. Er war Messdiener<br />

und besuchte ein Ordensinternat der Redemptoristen.<br />

Von den Franziskanern erfuhr Peter zum ersten<br />

Mal kurz vor dem Abitur, als er im heimischen<br />

Garten saß und mit halbem Ohr ein Gespräch seiner<br />

Mutter mit einer Bekannten verfolgte. Diese erzählte<br />

über den Gartenzaun hinweg – und mit viel Begeisterung<br />

– von ihrem Neffen, der bei den Franziskanern<br />

eingetreten sei. »Das hat irgendwie ein Licht<br />

in meinem Kopf entzündet. Keine feste Idee,<br />

aber es hatte irgendwie den Geschmack von<br />

Freiheit«, erinnert sich Peter an sein erstes »Berufungserlebnis«.<br />

Nach seinem Schulabschluss hat er sich<br />

dann tatsächlich bei den Franziskanern beworben.<br />

Der Weg im Orden war damals klar<br />

vorgezeichnet: Wer mit Abitur kam, ging<br />

nach dem Noviziat in das sogenannte Klerikat,<br />

um Theologie zu studieren und Priester zu<br />

werden. So kam Bruder Peter Mitte der 1960er<br />

Jahre zum Studium nach München. Es war die<br />

Zeit eines großen gesellschaftlichen Umbruchs,<br />

die Zeit von Arbeiter- und Studentenprotesten, die<br />

Zeit des Zweiten Vatikanums. »Wir wollten die Welt<br />

verändern – doch die Welt hat<br />

uns verändert«, erinnert sich<br />

Bruder Peter. Die Veränderungen<br />

waren auch im Orden massiv spürbar.<br />

Peter begann seinen Weg kritisch zu hinterfragen und ihm wurde<br />

klar: »Franziskaner will ich sein, aber zu einer ›Karriere‹ als Priester<br />

fehlt mir die Berufung.«<br />

Bruder Peter Amendt<br />

28 berufungsgeschichten


<strong>franziskaner</strong>aktuell<br />

weitere informationen 33 www.<strong>franziskaner</strong>.net<br />

schen zu helfen, führten ihn einige<br />

Jahre später auch zur Missionszentrale<br />

der Franziskaner (MZF) in<br />

Bonn. Dort war er, neben seiner Aufgabe<br />

als Provinz sekretär, 24 Jahre<br />

lang als Projektkoordi nator für<br />

Hilfsprojekte in Lateinamerika und<br />

Afrika tätig.<br />

Für Bruder Peter war es eine erfüllte<br />

Zeit, doch es gab auch immer wieder<br />

Projekte, die strukturell nicht in<br />

die Förderung der MZF passten.<br />

»Dahinter standen oft Nöte von<br />

Menschen, die mir sehr nahegingen«,<br />

erinnert sich Peter Amendt.<br />

2005 schließlich setzte er seinen<br />

Wunsch, diesen Menschen unbürokratisch,<br />

abseits des großen Missionshilfswerks<br />

der Franziskaner zu<br />

helfen, in die Tat um. Er gründete<br />

sein eigenes kleines Hilfswerk<br />

»vision teilen« in Düsseldorf. Der<br />

Orden stellte ihn dafür frei.<br />

Wenn Bruder Peter heute mit dem<br />

Nachtbus die Obdachlosen in<br />

Düssel dorf zu später Stunde besucht<br />

und dem einen mit einem<br />

Brot, einem anderen mit einer warmen<br />

Decke durch die Nacht hilft,<br />

dann ist das nur eines von vielen<br />

seiner Hilfsprojekte für Menschen<br />

am Rand der Gesellschaft. Denn<br />

seine Vision ist das Miteinanderteilen<br />

– hier in Düsseldorf und in<br />

der ganzen Welt. n<br />

natanael ganter ofm (45)<br />

ist Öffentlichkeitsreferent der<br />

Deutschen Franziskanerprovinz und<br />

lebt in München<br />

Frischer Wind in der Redaktion<br />

Hofheim am Taunus • Drei neue Mitglieder werden die Redaktion dieser Zeitschrift<br />

verstärken (v. l.): Johannes Roth OFM (35) aus Ohrbeck, Andreas Brands OFM (50) aus<br />

Berlin und Pascal Sommerstorfer OFM (42) aus Fulda. Wir freuen uns auf die Zusammen<br />

arbeit mit den Brüdern.<br />

Wo Licht ist, ist auch Schatten: Wir verabschieden die langjährigen Redakteure Michael<br />

Blasek OFM und Thomas Abrell OFM und danken den beiden Franziskanern für ihre Mitarbeit.<br />

Wir sind sehr froh, dass sie uns durch ihre Beiträge (»Bruder Thomas empfiehlt«<br />

und durch die Karikaturen von Michael Blasek) weiterhin verbunden bleiben.<br />

Franziskaner, Kapuziner und Minoriten auf dem Weg zur<br />

Ordensvereinigung?<br />

Hofheim am Taunus • Vom 12. bis 14. Juni <strong>2017</strong> trafen sich 70 Mitglieder der drei franziskanischen<br />

Männerorden (Franziskaner, Kapuziner und Minoriten) im Exerzitienhaus<br />

der Franziskaner in Hofheim bei Frankfurt. Anlass des Treffens war die vor 500 Jahren<br />

verfügte Teilung des »Ersten Ordens« und das Reformationsgedenken. Unter den<br />

Teilnehmern des dreitägigen Treffens waren die Provinzialminister der Leitungsgremien<br />

der drei Männerorden, die zum sogenannten »Ersten Orden« des heiligen<br />

Franziskus gehören.<br />

Das Treffen war das erste gemeinsame »Mattenkapitel« der Minderbrüder in Deutschland.<br />

Mattenkapitel sind Zusammenkünfte der Ordensmitglieder, die bereits von Franz<br />

von Assisi eingeführt wurden. Sie dienen der gemeinsamen Beratung über die Zukunft<br />

der Gemeinschaften.<br />

Die drei Provinzialminister von Deutschland, Cornelius Bohl OFM (Franziskaner),<br />

Bernhardin M. Seither OFMConv (Minoriten) sowie Marinus Parzinger OFMCap (Kapuziner)<br />

halten eine künftige Wiedervereinigung der Minderbrüder für möglich. Sie<br />

haben gemeinsam mit den versammelten Brüdern konkrete Schritte für die kommenden<br />

Jahre vereinbart, um die Zusammenarbeit zu intensivieren und das Zusammenwachsen<br />

zu fördern. Ein ausführlicher Bericht folgt in der nächsten Ausgabe.<br />

Papst Franziskus fordert: »Schluss mit dem Waffenhandel«<br />

Rom • Mit unmissverständlichen Worten und eindringlichen Bildern klagt Papst<br />

Franzis kus in seiner Videobotschaft im Juni dieses Jahres die Staaten an, die mit organisiertem<br />

Waffenhandel dazu beitragen, Kriege zu unterstützen. Drastische Worte<br />

findet der Papst für die Regierungen und ihre nationalen Führer, die den Waffen handel<br />

im großen Stil betreiben und ihr Tun heuchlerisch mit Friedensmotiven verkleiden.<br />

»Es ist ein absurder Widerspruch, wenn man vom Frieden spricht und Friedensverhandlungen<br />

führt, gleichzeitig aber den Waffenhandel fördert oder zulässt!«<br />

Papst Franziskus fordert die nationalen Führer auf, diesem Treiben endgültig ein Ende<br />

zu setzen. Auch die Franziskaner in Deutschland engagieren sich gegen den Waffenhandel<br />

und fordern von der Bundesregierung, endlich die Rüstungsexporte aus<br />

Deutschland, vor allem außerhalb der NATO, zu beenden. Sie sind eine der Trägerorganisationen<br />

der Kampagne »Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!«<br />

nachrichten<br />

29


Südsudan<br />

Gefangen in der Logik<br />

Zwei Wochen lang war Silja Engelbert, Mitarbeiterin der<br />

Don Bosco Mission, im Südsudan. Das ostafrikanische<br />

Land leidet unter einem seit Jahren andauernden Bürgerkrieg<br />

und einer akuten Hungersnot. Im Don-Bosco-Zentrum<br />

in der Hauptstadt Juba befindet sich eines von vielen<br />

Flüchtlingslagern des Landes. Nach ihrer Rückkehr war<br />

die erfahrene Projektreferentin erschüttert: »Ich selber<br />

habe noch nie so viele Waffen in einem Land gesehen. Die<br />

Militärs sind meist angetrunken, die Soldaten zu einem<br />

großen Teil Jugendliche unter 20 Jahren.«<br />

Rückblick: Im Jahr 2011 wurde der Südsudan als 54. Staat<br />

Afrikas unabhängig. Das Land verfügt über reiche Bodenschätze,<br />

vor allem über Erdöl und Gold. Anders als viele<br />

andere Länder des Kontinents besitzt der Südsudan zudem<br />

genügend fruchtbares Ackerland. Gerade darin liegt jedoch<br />

die Tragik der gegenwärtigen Situation: Das Land<br />

könnte die Kornkammer für die gesamte Region sein,<br />

doch der jüngste Staat der Welt ist sechs Jahre nach seinem<br />

hoffnungsvollen Aufbruch auch einer der ärmsten. Eine<br />

Dürre und vor allem der seit Ende 2013 wütende Bürgerkrieg<br />

haben die Landwirtschaft weitgehend zum Erliegen<br />

gebracht.<br />

Im Krieg stehen sich die Regierung unter Salva Kiir vom<br />

Stamm der Dinka und Rebellen unter dem ehemaligen<br />

Vizepräsidenten Riek Machar vom Stamm der Nuer unversöhnlich<br />

gegenüber. Auf beiden Seiten kämpfen Veteranen<br />

aus dem Unabhängigkeitskrieg; auch in der Regierung<br />

und den Ministerien haben vor allem ehemalige<br />

Warlords das Sagen. Sie nutzen den Staat als Selbstbedienungsladen<br />

und bereichern sich ohne Rücksicht auf die<br />

Bevölkerung. Die Kämpfe toben längst nicht mehr nur im<br />

Norden, wo sich vor allem die Ölquellen befinden, sondern<br />

haben weite Teile des Landes erfasst.<br />

die grösste flüchtlingskrise afrikas<br />

Rund 100 Volksstämme leben im Südsudan, und es gelingt<br />

den Warlords zunehmend, sie gegeneinander auszuspielen.<br />

Inzwischen spielt sich hier die größte Flüchtlingskrise<br />

Afrikas ab: Die Zahl der Menschen, die vor der<br />

Gewalt in die Nachbarländer Uganda, Kenia und Äthiopien geflüchtet<br />

sind, wird auf 1,8 Millionen geschätzt. Nach Angaben von UNICEF<br />

sind rund zwei Millionen Kinder aus ihrer Heimat vertrieben, etwa<br />

die Hälfte davon innerhalb des Landes. Mitte Mai forderten die Vereinten<br />

Nationen 1,4 Milliarden Dollar Hilfsgelder bis Jahresende,<br />

um die Flüchtlinge in den Nachbarländern versorgen zu können.<br />

Wie in vielen Regionen Ostafrikas trifft die extreme Dürre auch die<br />

Menschen im Südsudan sehr hart. Anfang Mai waren nach UN-Angaben<br />

100.000 Menschen im Südsudan unmittelbar vom Hungertod<br />

bedroht, rund sechs Millionen Südsudanesen werden in diesem Jahr<br />

auf Nothilfe angewiesen sein. Die Trockenheit ist dabei nicht einmal<br />

der ausschlaggebende Faktor: Während Zehntausende hungern, gebe<br />

die Regierung mindestens die Hälfte ihrer Einnahmen für Waffen<br />

aus, kritisierte der Weltsicherheitsrat vor einigen Wochen. Die Hungersnot<br />

ist demnach vor allem auch das Resultat des Krieges und der<br />

Waffenkäufe. Ein UN-Waffenembargo scheiterte zuletzt Ende 2016<br />

am Veto Russlands.<br />

wer verdient am sterben im südsudan?<br />

In der südsudanesischen Hauptstadt Juba kämpft der Franziskaner<br />

Federico Gandolfi auf der lokalen Ebene gegen Ursachen und Folgen<br />

des Bürgerkrieges an. Er und seine Mitbrüder bieten Jugendlichen<br />

Workshops für Friedensbildung, Versöhnung und Traumabewältigung.<br />

Federico Gandolfi OFM besucht Freunde<br />

30 aktuelles


des Krieges<br />

libyen<br />

ägypten<br />

saudiarabien<br />

tschad<br />

sudan<br />

jemen<br />

zentralafrikanische<br />

republik<br />

südsudan<br />

äthiopien<br />

demokratische<br />

republik kongo<br />

uganda<br />

kenia<br />

somalia<br />

tansania<br />

Mehr als 25 Millionen Menschen sind derzeit in Afrika vom Hungertod bedroht. Besonders betroffen sind der Nordosten<br />

Nigerias, Südsudan, Somalia, Äthiopien und Kenia. Allein im Südsudan leiden mehr als fünf Millionen Menschen an extremem<br />

Hunger. Besonders schlimm ist die Situation für Kinder, schwangere und stillende Frauen sowie für alte Menschen.<br />

© bild oben: paul jeffrey<br />

»Das Öl ist vielleicht die einzige Einnahmequelle für den<br />

Südsudan, aber das Öl ist nicht das Problem. Es ist die<br />

Frage, was die Regierung mit dem Geld macht«, betont<br />

Bruder Federico. »Und wenn die Regierung Waffen kauft,<br />

dann muss es andere Regierungen geben, die Waffen verkaufen.<br />

Wo liegt hier die Verantwortung?«<br />

Don-Bosco-Expertin Silja Engelbert sieht das ähnlich:<br />

»Auch andere Länder profitieren vom südsudanesischen<br />

Öl, sie unterstützen die eine oder andere Seite mit Waffen<br />

und sind daran interessiert, dass der Krieg weitergeht – so<br />

makaber das klingt. So können die Ressourcen des Landes<br />

leichter ausgebeutet werden«, sagt sie. Fachleute gehen<br />

davon aus, dass auch Waffenlieferungen mit Option auf<br />

zukünftige Bezahlung von Staaten wie Israel, Ägypten,<br />

der Ukraine und anderen den Krieg am Laufen halten.<br />

Im Oktober 2016 wurde nahe der Hauptstadt Juba das<br />

Zentrum zur Förderung des Friedens und zur Behandlung<br />

von Traumata eingeweiht. Am Bau des »Good Shepherd<br />

Peace Center« beteiligten sich alle 46 im Südsudan vertretenen<br />

Ordensgemeinschaften. Für die Comboni-Missionare<br />

wirkte der Deutsche Hans Eigner MCCJ bei der Errichtung<br />

mit. Bruder Hans arbeitet seit 2014 im Südsudan und kennt das Land,<br />

seine Menschen und die Probleme wie kaum ein anderer. »Es ist vor<br />

allem der Export von Öl in die asiatische Welt, der die Waffenkäufe<br />

und den Krieg ermöglicht«, so Bruder Hans. »Nicht zu unterschätzen<br />

ist in diesem Zusammenhang auch der Goldabbau im Südosten des<br />

Landes.«<br />

die regierung hängt am öl-tropf<br />

Der Preissturz auf dem Rohölmarkt und die Zerstörungen von Pumpanlagen<br />

durch den Krieg haben die Regierung jedoch in finanzielle<br />

Schwierigkeiten gebracht. Die Inflation stieg zwischenzeitlich auf<br />

800 Prozent, Beamte und Soldaten konnten nicht mehr bezahlt werden.<br />

»Weil die Einnahmen aus dem Ölexport nicht mehr so reichlich<br />

fließen, sucht die Regierung nach allen Möglichkeiten, Einnahmen<br />

in US-Dollar zu erhalten«, sagt Hans Eigner. Dabei scheint den Machthabern<br />

jedes Mittel recht zu sein: Unmittelbar nachdem Ende März<br />

erstmals offiziell von einer drohenden Hungerkatastrophe die Rede<br />

war, kündigte Präsident Salva Kiir an, die Gebühren für die Arbeitserlaubnis<br />

ausländischer Hilfsorganisationen drastisch zu erhöhen.<br />

Die weltweite Empörung zwang den Präsidenten, Anfang Mai eine<br />

gemäßigtere Erhöhung in Aussicht zu stellen. Nichtregierungsorganisationen<br />

sollen demnach jährlich »nur« 3.500 US-Dollar statt wie<br />

bisher 600 zahlen.<br />

aktuelles<br />

31


Hans Eigner hat dafür neben der Finanznot des Staates<br />

eine weitere Erklärung: »Viele der zahlreichen Nichtregierungsorganisationen<br />

im Land helfen den regierungskritischen<br />

und regierungsfeindlichen Gruppen, also den<br />

›Falschen‹. So ist es aus der Sicht der Regierung nur logisch,<br />

die Gebühren für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

internationaler Hilfswerke zu erhöhen.« Noch hat Präsident<br />

Kiir die Ankündigung nicht umgesetzt. Sollte es dazu<br />

kommen, würden sich vor allem kleine Organisationen<br />

die Gebühren kaum mehr leisten können. Leidtragend<br />

wäre einmal mehr die hungernde Bevölkerung.<br />

angst und misstrauen lähmen das land<br />

Kirchen und Ordensgemeinschaften müssen zwar keine Gebühren<br />

zahlen, werden in ihrer caritativen und sozialen Arbeit<br />

aber trotzdem behindert. Weil die sogenannten Rebellen spirituelle<br />

und pastorale Tätigkeiten dulden, verdächtigt die Regierung<br />

kirchliche Einrichtungen immer wieder der Kooperation<br />

mit den Aufständischen. Auch Federico spürt die allgegenwärtige<br />

Atmosphäre von Angst und Misstrauen, die das Land<br />

lähmt: »Natürlich verurteilen wir die Grausamkeiten, die hier<br />

verübt werden. Aber wenn wir die Handlungen von den Menschen<br />

trennen, also die Sünde vom Sünder, wird das in diesem<br />

Umfeld nicht unbedingt verstanden«, so der Franziskaner.<br />

»Wir müssen extrem vorsichtig sein, denn sogar während unserer<br />

Gottesdienste sind Leute da, die sich Notizen darüber<br />

machen, was wir über die Regierung sagen.«<br />

Hoffnung keimte auf, als Präsident Kiir am 14. Dezember<br />

2016 einen »Nationalen Dialog« ankündigte. Er sollte auf<br />

lokaler Ebene beginnen und in einer großen Versöhnungskonferenz<br />

münden. Tatsächlich glauben viele Experten im<br />

Südsudan, dass nur ein Nationaler Dialog unter neutraler<br />

Leitung einen Friedensprozess in Gang bringen könnte. »Wenn<br />

es keinen Nationalen Dialog gibt, dann bleibt leider nur der<br />

Krieg, um die Vormachtstellung der vor allem vom Stamm<br />

der Dinka geführten Regierung einzuschränken. Das wäre die<br />

schlechteste Lösung«, sagt beispielsweise Hans Eigner. Doch<br />

mangelndes Vertrauen mache inzwischen jeden Dialog fast<br />

unmöglich.<br />

Bischof Paride Taban (vorne) mit Mitgliedern des von ihm im Jahr<br />

2004 gegründeten Friedensdorfes »Holy Trinity Peace Village Kuron«<br />

bei der Feldarbeit. Das Friedensdorf soll nach den Vorstellungen des<br />

Bischofs ein Modell für das Zusammenleben der verschiedenen Ethnien<br />

im Südsudan sein.<br />

33 www.kuronvillage.net<br />

Die Regierung tut indes wenig, um Vertrauen aufzubauen:<br />

Offenbar um den Anschein von Inklusion zu erwecken, wurden<br />

einige namhafte Persönlichkeiten des Landes in das Komitee<br />

für den Nationalen Dialog berufen – ohne vorher gefragt<br />

worden zu sein. Viele, wie auch Friedensbischof Paride Taban,<br />

lehnten dies ab. Sie misstrauen der Clique einstiger Warlords<br />

(Kriegsherren) in der Regierung. Außerdem dürften sie an<br />

der Neutralität des Gremiums gezweifelt haben, nachdem<br />

sich Salva Kiir als »Patron« des Nationalen Dialogs installiert<br />

hatte. Dass der Präsident die umstrittene Stellung unlängst<br />

wieder aufgegeben hat, dürfte nur wenig helfen. Wie es mit<br />

dem Nationalen Dialog weitergehen soll, weiß derzeit niemand.<br />

ein funken hoffnung bleibt<br />

Obwohl es in Juba seit Anfang des Jahres keine größeren Kampfhandlungen<br />

mehr gegeben hat, ist auch die Hauptstadt vom<br />

Krieg schwer gezeichnet. Dort hat Bruder Federico die Hoffnung<br />

auf Frieden nicht aufgegeben. »Es gibt so viele gute Menschen<br />

hier in Südsudan, so dass Gottes Werk für uns alle sehr<br />

klar zu erkennen ist. Auch wenn der Krieg sehr vieles zerstört<br />

hat, so hat er doch den Glauben und die Hoffnung, dass es<br />

eines Tages Frieden geben wird, nicht zerstören können.« n<br />

andré madaus (46)<br />

war lange Jahre Redakteur der Zeitschrift Franziskaner.<br />

Heute lebt er als freiberuflicher Journalist in Ingelheim.<br />

© bild unten: paul jeffrey<br />

32 aktuelles


Auszug aus dem Kursangebot unserer Bildungshäuser<br />

Weitere Angebote unserer Bildungs- und Exerzitien häuser erhalten Sie bei den genannten Adressen. Auch Konvente unserer Provinz<br />

und einzelne Brüder bieten Kurse und Fahrten an. Informationen dazu finden Sie auf unserer Website www.<strong>franziskaner</strong>.de<br />

exerzitienhaus – franziskanisches zentrum für stille und begegnung<br />

Kreuzweg 23, 65719 Hofheim, Tel.: 0 61 92 99 04-0, Fax: -39, E-Mail: info@exerzitienhaus-hofheim.de, www.exerzitienhaus-hofheim.de<br />

7. 8.-<br />

11. 8. <strong>2017</strong><br />

7. 8.-<br />

11. 8. <strong>2017</strong><br />

11. 8.-<br />

13. 8. <strong>2017</strong><br />

25. 8.-<br />

27. 8. <strong>2017</strong><br />

4. 9.-<br />

10. 9. <strong>2017</strong><br />

8. 9.-<br />

10. 9. <strong>2017</strong><br />

22. 9.-<br />

24. 9. <strong>2017</strong><br />

25. 9.-<br />

30. 9. <strong>2017</strong><br />

9. 10.-<br />

13. 10. <strong>2017</strong><br />

13. 10.-<br />

15. 10. <strong>2017</strong><br />

13. 10.-<br />

15. 10. <strong>2017</strong><br />

Malexerzitien<br />

Atem im Fluss –<br />

Zazen und Bogenschießen<br />

Yoga-Wochenende<br />

Vom inneren Kind zum<br />

selbstbewussten Erwachsenen<br />

Einzelexerzitien<br />

Leben aus der Kraft der Ursymbole:<br />

WEG – Meditationswochenende<br />

Klassische Musikmeditation<br />

Fasten und Unterwegssein<br />

Qi-Gong-Woche<br />

Herz-Qi-Gong<br />

Glaubenswochenende<br />

Meditatives Malen, Schweigezeiten,<br />

Einübung in die Meditation (Atem)<br />

Meditatives Bogenschießen, Austausch,<br />

durchgängiges Schweigen<br />

Yoga-Übungen für Körper und Geist,<br />

spirituelle Impulse<br />

Aufstellungs- und Biografiearbeit,<br />

Achtsamkeitsübungen<br />

Impulse zur Bibel- und Lebensbetrachtung,<br />

Begleitungsgespräche, durchgängiges<br />

Schweigen<br />

Jutta Schlier, Exerzitienbegleiterin<br />

Otto Bammel, Theologe, Gestaltseelsorger;<br />

Dr. Alexander Ullrich, Psychotherapeut<br />

Katja Bergmann<br />

Dr. Isolde Macho, Theologin, Meditationsbegleiterin<br />

Norbert Lammers, Franziskaner, Exerzitienbegleiter;<br />

Dorothee Laufenberg, Steyler Missionsschwester,<br />

Klinikseelsorgerin, geistliche Begleiterin<br />

Textliche Impulse, Meditation, Zeiten der Stefan Federbusch, Franziskaner, Erwachsenenbildner<br />

Stille, Austausch in der Gruppe, kreatives Tun<br />

Die Kunst des Hörens. Sie brauchen Herz,<br />

Verstand und Ihre Hände.<br />

Entspannung und Meditation, Fasten- und<br />

Ernährungsberatung, Wanderungen<br />

Die Qi-Gong-Praxis der 18 Bewegungen<br />

steht im Vordergrund<br />

Bewegungen, Austausch, kurze Vorträge<br />

und Abendmeditation<br />

»Werdet wie die Kinder!« – Aber wie geht<br />

das eigentlich als Erwachsener?<br />

Wolfgang Zeitler, Psychotherapeut, Musiktherapeut<br />

Elisabeth Müller, Fastenleiterin<br />

Hans Martin Lorentzen, Qi-Gong- und Tai-Chi-Lehrer<br />

Hans Martin Lorentzen, Qi-Gong- und Tai-Chi-Lehrer<br />

Patrick Tavanti, Theatertherapeut<br />

16. 10.-<br />

20. 10. <strong>2017</strong><br />

Spiritualität und Psychosynthese<br />

Übungen aus Psychosynthese, Meditation,<br />

Gespräch und Austausch, Liturgie<br />

Peter van Gool, Jesuit, Therapeut<br />

haus ohrbeck – katholische bildungsstätte<br />

Am Boberg 10, 49124 Georgsmarienhütte, Tel.: 0 54 01 33 6-0, Fax: -66, E-Mail: info@haus-ohrbeck.de, www.haus-ohrbeck.de<br />

23. 7.-<br />

30. 7. <strong>2017</strong><br />

14. 8.-<br />

18. 8. <strong>2017</strong><br />

18. 8.-<br />

20. 8. <strong>2017</strong><br />

15. 9.-<br />

17. 9. <strong>2017</strong><br />

21. 9.-<br />

23. 9. <strong>2017</strong><br />

29. 9.-<br />

1. 10. <strong>2017</strong><br />

6. 10.-<br />

8. 10. <strong>2017</strong><br />

9. 10.-<br />

10. 10. <strong>2017</strong><br />

Internationale Jüdisch-Christliche<br />

Bibelwoche<br />

Wanderwoche <strong>2017</strong><br />

Das Buch der Sprichwörter<br />

Halbtages- und Tageswanderungen im<br />

Teutoburger Wald<br />

Rabbiner Prof. Dr. Jonathan Magonet;<br />

Dr. Uta Zwingenberger, Theologin, und Team<br />

Maria Feimann, Supervisorin (DGSv)<br />

Übergänge im Leben gestalten Zwischen »nicht mehr« und »noch nicht« Rainer Fincke und Ulla Peffermann-Fincke, Enneagramm-Trainer;<br />

Aadel Maximilian Anuth, Theologe<br />

Fußläufig? Feldenkrais-Methode und Musik Romy Bronner, Feldenkrais-Pädagogin;<br />

Thomas Abrell, Franziskaner, Theologe<br />

Grundkurs Bibliolog Zweiteilige Fortbildung, Teil 1 Andrea Schwarz, Bibliolog-Trainerin;<br />

Dr. Uta Zwingenberger, Theologin<br />

Du fehlst: Meine Trauer.<br />

Meine Erinnerungen.<br />

entscheiden!<br />

Jiddische und hebräische Lieder<br />

zum Thema Frieden<br />

Wochenende für trauernde junge<br />

Erwachsene von 18 bis 30 Jahren<br />

Wochenende für junge Erwachsene zur<br />

Ent scheidungsfindung<br />

Lieder-Workshop mit Chasan<br />

Daniel Kempin<br />

Christoph Aperdannier, Referent Junge Erwachsene;<br />

Aadel Maximilian Anuth, Theologe<br />

Jan Aleff, Pastoraler Mitarbeiter;<br />

Aadel Maximilian Anuth, Theologe<br />

Chasan Daniel Kempin, Sänger und Gitarrist;<br />

Dr. Christiane Wüste, Theologin<br />

kloster und meditationshaus im altmühltal – <strong>franziskaner</strong>kloster dietfurt<br />

Klostergasse 8, 92345 Dietfurt, Tel.: 0 84 64 65 2-0, Fax: -22, E-Mail: dietfurt@<strong>franziskaner</strong>.de, www.meditationshaus-dietfurt.de<br />

18. 9.-<br />

24. 9. <strong>2017</strong><br />

2. 10.-<br />

8. 10. <strong>2017</strong><br />

9. 10.-<br />

15. 10. <strong>2017</strong><br />

T'ai Chi Ch'uan Einführungskurs Petra und Sunyata Kobayashi, Tai-Chi-Lehrer<br />

Sesshin: Zen-Meditation Nur für Geübte Johannes Fischer, Zen-Lehrer<br />

Nuad Phaen Boran<br />

Körperlicher und seelischer Ausgleich<br />

durch Berührung<br />

Heike Pfletschinger, Nuad-Phaen-Boran-Lehrer<br />

programm<br />

33


uchverlosung<br />

In der letzten Ausgabe fragten wir nach dem Ort, den unser Bruder<br />

Germanicus besuchte. Die richtige Antwort lautete: Münster. Unter den<br />

75 richtigen Einsendungen haben wir drei Gewinnpakete verlost.<br />

deutsche<br />

<strong>franziskaner</strong>provinz<br />

Adressänderung und Bestellungen<br />

Dieses Mal verlosen wir unter allen Teilnehmenden, die uns die folgende Frage<br />

richtig beantworten, drei Exemplares des unten vorgestellten Buches.<br />

Niklaus Kuster/Nadia Rudolf von Rohr<br />

Fernnahe Liebe<br />

Niklaus und Dorothea von Flüe<br />

Germanicus genießt den Sommer<br />

und besucht eine Stadt mit einem<br />

bedeutenden Dom, der im Hintergrund<br />

zu erkennen ist. In welcher<br />

Stadt hält er sich auf?<br />

❏<br />

❏<br />

❏<br />

Regensburg<br />

Trier<br />

Köln<br />

Patmos, 2. Auflage <strong>2017</strong>, 192 Seiten, Hardcover mit Leseband, vierfarbig,<br />

mit mehreren Abbildungen, 19,00 Euro (D), ISBN: 978-3-8436-0876-3<br />

Niklaus von Flüe, der Nationalheilige der Schweiz, ist<br />

undenkbar ohne Dorothea, seine Frau, mit der er gern<br />

»zu Tanze ging« und mit der er seinen Weg gemeinsam<br />

errungen hat.<br />

Antwort und Ihre Adresse an:<br />

meinhardt Verlag und Agentur,<br />

Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein,<br />

Stichwort: Franziskaner<br />

Einsendeschluss: 15. August <strong>2017</strong>.<br />

Es gilt das Datum des Poststempels.<br />

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

Dieses Buch lässt Dorothea sprechen. Sie erzählt vom<br />

Leben einer großen Bauernfamilie in der Zentralschweiz<br />

im 15. Jahrhundert, von 20 glücklichen Ehejahren,<br />

von Niklaus’ überraschender Lebenswende mit 50 und von ihrem<br />

eigenen Werden.<br />

Dabei zeigt sich das Bild zweier kantiger Persönlichkeiten und ihrer<br />

Lebenswege, die sich verbunden haben und die trotz Trennung untrennbar<br />

geblieben sind. So geht es nicht nur um Mystik und Politik des Heiligen,<br />

sondern ebenso um eine Ehe- und Liebesgeschichte, die um Verantwortung,<br />

Bindung und Freiheit weiß.<br />

Franziskaner Mission<br />

Die Ausgabe Nummer 2 unseres Schwestermagazins<br />

»Franziskaner Mission« können Sie kostenfrei<br />

bestellen bei Franziskaner Mission,<br />

Tel.: 02 31 17 63 37-65, E-Mail: info@<strong>franziskaner</strong>mission.de<br />

bzw. in Bayern unter Tel.: 0 89 21 12 61 10,<br />

E-Mail: missionsverein@<strong>franziskaner</strong>.de<br />

Provinzialat der Deutschen Franziskaner provinz<br />

Zeitschrift Franziskaner<br />

Frau Ingeborg Röckenwagner<br />

Sankt-Anna-Straße 19, 80538 München<br />

zeitschrift@<strong>franziskaner</strong>.de<br />

Tel.: 0 89 2 11 26-150, Fax: 0 89 2 11 26-111<br />

Impressum<br />

Franziskaner – Magazin für franziskanische<br />

Kultur und Lebensart<br />

Zeitschrift der Deutschen Franziskaner<br />

ISSN 1869-9847 – Zeitungskennziffer 50876<br />

Herausgeber Provinzialat der Deutschen<br />

Franziskaner, Sankt-Anna-Straße 19,<br />

80538 München<br />

Redaktionsanschrift Stefan Federbusch OFM,<br />

Exerzitienhaus, Kreuzweg 23, 65719 Hofheim,<br />

Tel.: 0 61 92 99 04-0,<br />

E-Mail: redaktion@<strong>franziskaner</strong>.de<br />

Redaktion Andreas Brands OFM, Stefan Federbusch<br />

OFM (Redak tions leiter), Natanael Ganter<br />

OFM, Kerstin Meinhardt, Thomas Meinhardt, Jürgen<br />

Neitzert OFM, Johannes Roth OFM, Pascal<br />

Sommerstorfer OFM,<br />

Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht<br />

in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder.<br />

Die Rechte an den Artikeln liegen bei den jeweiligen<br />

Autoren. Eine Wiedergabe – auch auszugsweise<br />

– ist nur mit vorheriger<br />

Genehmigung gestattet.<br />

Weitere Mitarbeitende dieser Ausgabe<br />

Michael Blasek OFM, Cornelius Bohl OFM,<br />

Christo phorus Goedereis OFMCap, André Madaus,<br />

Bene dikt Mertens OFM, Ricarda Moufang, Helmut<br />

Schlegel OFM<br />

Bildnachweise Titel: © dpa. Alle anderen Nachweise<br />

stehen auf den Seiten, ungekennzeichnete<br />

Bilder ent stammen dem Archiv der Franziskaner<br />

oder dem der Firma meinhardt.<br />

Layout Kerstin Meinhardt (art-dir.), Désirée Neff<br />

Verlag, Gestaltung und Anzeigenverwaltung<br />

meinhardt Verlag und Agentur,<br />

Magdeburgstraße 11, 65510 Idstein,<br />

E-Mail: info@meinhardt.info,<br />

www.meinhardt.info<br />

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Hameln<br />

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Germanicus und die Wahl der Gallier<br />

Franziskus und Germanicus überschritten die Grenze<br />

nach Gallien. Franziskus schwärmte: »Dies ist das<br />

Land, dem ich meinen Namen verdanke.<br />

Francesco, kleiner Franzose, so hat mich mein Vater<br />

genannt.« – »Heißt nicht auch der Präsident hier wie<br />

du? Fran çois?« – »Wo lebst du, Germanicus? Die Gallier<br />

haben einen neuen Präsidenten gewählt!« »Ach ja?<br />

Und wie heißt der?« – »Emmanuel.« – »Ach du lieber<br />

Gott! Dann verdankt der ja seinen Namen unserem<br />

Herrn Jesus. ›Er soll Immanuel heißen‹, hat doch der<br />

Engel damals verkündet. Endlich haben auch die Gallier<br />

ihren Retter.«<br />

In ihrer Begeisterung gingen sie einen Schritt<br />

schneller. »Sag mal, Franziskus, sind Engel<br />

eigentlich Männer oder Frauen?« – »Wie<br />

kommst du denn darauf?« – »Naja, bei uns<br />

in Germanien, da regiert die mächtige Angela;<br />

das ist doch der lateinische Name für Engel. Die<br />

Angela verkündet bei uns die großen Verheißungen.« –<br />

»Dann wundert‘s mich nicht«, meinte Franziskus, »dass<br />

der Retter Emmanuel schon am zweiten Tag die mächtige<br />

Angela besucht hat.« Germanicus jubelte: »Da siehst du mal,<br />

unser Europa ist und bleibt das christliche Abendland. Es<br />

wimmelt hier nur so von Engeln und Heiligen und Rettern.«<br />

text helmut schlegel ofm<br />

illustration michael blasek ofm


München<br />

Gemeinschaft am Goetheplatz<br />

www.<strong>franziskaner</strong>.de<br />

Eine von 35 Gemeinschaften der Franziskaner in<br />

Deutschland (v. l.): Igor Hollmann, Nikolaus Voss,<br />

Heinz Schnitker und Bernd Leopold.

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