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Naturfreund 3 | 2017

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Editorial<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

In der vorliegenden Ausgabe des «<strong>Naturfreund</strong>s» berichtet<br />

ein (Hobby-)Winzer über seine Arbeit(en) im Weinberg. Es<br />

ist ein Weinberg im Tessin, bei Intragna, am Eingang zum<br />

Centovalli (im Nachbardorf, in Verscio, hat der im Sommer<br />

2016 verstorbene, weitum bekannte Clown Dimitri vor 46<br />

Jahren seine Schauspielschule gegründet hat). Besagter Weinberg<br />

ist von bescheidener Grösse; es ist ein Mini-Weinberg<br />

im Vergleich zu den Rebflächen, die beispielsweise in Spanien<br />

oder in Kalifornien bewirtschaftet werden. Gleichwohl<br />

gewährt der «<strong>Naturfreund</strong>» dem Betreuer dieses Mini-Weinbergs<br />

auffallend viel Raum. Warum?<br />

Was mir an der Vorgehensweise dieses Winzers gefällt, ist seine gelassen wirkende<br />

Art der Konzentration; es ist diese Fähigkeit des genauen Hinschauens. Und es ist die<br />

Fähigkeit, das dabei Erkannte mit früher gewonnenen Erkenntnissen in Beziehung<br />

zu bringen, daraus Lehren zu ziehen und davon ausgehend Entscheide zu fällen über<br />

nächste im Weinberg auszuführende (oder aber nicht-auszuführende) Massnahmen/<br />

Eingriffe. Unser (Hobby-)Winzer und Tagebuchschreiber war in seinen jüngeren Jahren<br />

als Arzt tätig, auch im Berggebiet. In meiner (vielleicht naiven) Vorstellung ist ein<br />

guter Arzt ein sehr guter Beobachter und Zuhörer, und er ist einer, der darin die Kausalitäten<br />

erkennt. Ein guter Arzt sucht nach Lösungen, nach Möglichkeiten – und er ist<br />

in der Lage, (trotz all seiner Wissenschaft) jeweils auch die Grenzen eben dieser seiner<br />

Möglichkeiten anzuerkennen. Wie der Arzt, so hat es auch der Winzer mit der Natur<br />

zu tun. Und Entwicklungen in der Natur, ob im Weinberg oder beim Mensch, sind nie<br />

bis ins Letzte vorhersehbar und steuerbar.<br />

Ein guter Winzer ist sich dessen bewusst. Er beobachtet, greift ein, lenkt. Und akzeptiert,<br />

dass nicht alles in seiner Hand liegt (und sei’s auch bloss der Einfluss des Wetters).<br />

Der gute Winzer masst sich nicht an, sämtliche Probleme lösen zu können. Vielmehr<br />

hat er eine Balance gefunden, eine Art von Demut. Das bedeutet, auch mal Nein<br />

zu sagen. Er muss nicht alles können – auch wenn’s heisst: wir schaffen das.<br />

Auf der anderen Seite der Demut ist der Hochmut. Eine Eigenart des Hochmuts<br />

besteht darin, sich mit Idealbildern zu identifizieren. Ein guter Winzer wird sich davor<br />

hüten – und man möchte es ihm gleichtun.<br />

In diesem Sinne wünsche ich eine anregende Lektüre und gute Herbsttage!<br />

Herbert Gruber<br />

Redaktor «<strong>Naturfreund</strong>»<br />

3 | <strong>2017</strong><br />

<strong>Naturfreund</strong> 3

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