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26 Kapitel 1<br />

sowie der zu beachtenden Restriktionen, als auch bei der Beurteilung und<br />

schließlich der Auswahl der Handlungsalternativen simultan und interdependent<br />

handlungsorganisierend wirken. 25<br />

– Neben der Akteurkategorie der Individuen sind aber auch »Aggregatphänomene«<br />

von Individuen in die Analyse einzubeziehen. Sofern solche<br />

»Aggregatphänomene« von Individuen »intern« für die Zuschreibung von<br />

Entscheidungen und Handlungen hinreichend »einheitlich« strukturiert<br />

sind (was jeweils empirisch zu überprüfen ist), ist es im wesentlichen eine<br />

pragmatische Frage des jeweiligen Erklärungszusammenhanges, ob der<br />

Rekurs auf die die Aggregatphänomene konstituierenden Individuen vorgenommen<br />

wird oder die Aggregatphänomene selbst als handelnde Einheiten<br />

in die Analyse einbezogen werden (Coleman 1990: 5). 26<br />

Von besonderer Bedeutung für die Untersuchung von Prozessen in<br />

funktionalen Teilsystemen moderner Gesellschaften sind unter den »Aggregatphänomenen«<br />

sogenannte »korporative Akteure«. Hierunter werden<br />

zumeist formal organisierte Personen-Mehrheiten verstanden, die über<br />

tuationen auf je verschiedene Weise handlungsleitend werden, daher vom Individuum<br />

spezifiziert werden.<br />

25 Modelle rationaler Wahlhandlungen (vgl. zur soziologischen und politikwissenschaftlichen<br />

Nutzung solcher Modelle etwa Esser 1990, 1991; Coleman 1990; Lindenberg 1990,<br />

1991; siehe auch den Überblick in Wiesenthal 1987 und die kontroversen Diskussionen<br />

zur sozialwissenschaftlichen Fruchtbarkeit dieses Paradigmas in den Sammelbänden von<br />

Coleman/Fararo 1992 und Zey 1992) sind daher nur unzureichend in der Lage, das<br />

menschliche Entscheidungsverhalten hinreichend abzubilden: Zum einen erfassen sie weder<br />

normorientiertes noch emotional motiviertes Verhalten angemessen (vgl. Scheff 1992;<br />

Etzioni 1992; Badura 1994b); des weiteren klammern sie die »Ambiguität« der Kognition<br />

realer Umweltzustände, persönlicher Präferenzen und Identitäten zumeist aus beziehungsweise<br />

vereinfachen sie unzulässig (vgl. March 1994: 175–220); und schließlich sind die<br />

Individuen – wie eine große Zahl empirischer Untersuchungen gezeigt hat (vgl. Überblikke<br />

etwa bei Schoemaker 1982; Markus/Zajonc 1985; Abelson/Levi 1985; Frey/Eichenberger<br />

1989) selbst für hinreichend »eindeutig« definierte Problemstellungen weit davon<br />

entfernt, den Kalkulations- und Konsistenzanforderungen, die Theorien rationaler Wahlhandlungen<br />

formulieren, zu genügen, was für die gegenüber Laborsituationen meist deutlich<br />

komplexere soziale Realität in verstärktem Maß gelten dürfte. Modelle »eingeschränkter«<br />

Rationalität (vgl. etwa Simon 1955, 1956; Klopstech/Selten 1984) tragen<br />

zwar den begrenzten kalkulatorischen Kapazitäten der Individuen stärker Rechnung, die<br />

Einbindung normorientierten und emotional motivierten Verhaltens bleibt allerdings auch<br />

hierbei zumeist unbefriedigend (Schlicht 1990).<br />

26 Die Betrachtung von Aggregatphänomenen als handlungsfähige (und handelnde) Akteure<br />

erscheint insbesondere auch dann plausibel, wenn im jeweils vorliegenden empirischen<br />

Kontext die Akteureigenschaft den Aggregatphänomen von anderen Akteuren zugeschrieben<br />

wird – diese also in ihren Entscheidungen davon ausgehen, daß die Aggregatphänomene<br />

zum Entscheiden und Handeln in der Lage sind (Geser 1990; Scharpf 1990).

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