Rundbrief der Emmausgemeinschaft - Ausgabe 04|17
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6 | Gastgeschichte<br />
Wer zuletzt klopft …<br />
Der kräftige Mann mir gegenüber ist an beiden Ober- und Unterarmen stark tätowiert.<br />
Einer vom Typ „Türsteher“ – jemand, dem man nicht unbedingt nachts im<br />
Dunklen begegnen muss.<br />
von Kurt Neumeyr<br />
Herbert, so heißt <strong>der</strong> 37-jährige, erzählt<br />
mir, dass er seit über einem<br />
Jahr Christ sei. Da mir das auf Anhieb<br />
nichts Beson<strong>der</strong>es zu sein scheint,<br />
frage ich nach: „Und vorher?“<br />
Die Geschichte, die mir Herbert anschließend<br />
erzählt, ließe sich als über zwei<br />
Jahrzehnte währende „Alkohol- und Drogenhölle“<br />
betiteln.<br />
„So an die zwanzig Flaschen Bier habe ich<br />
täglich konsumiert und zwischendurch<br />
auch Koks genommen. Meine Beziehung<br />
zu Lisa wäre fast daran zerbrochen. Dass<br />
mir die Ärzte noch drei Jahre gegeben<br />
haben, wenn ich diesen Lebensstil weiterführe,<br />
hat mich nachdenklich gemacht.<br />
Entwöhnungsprogramme, Suchtberatungen<br />
und <strong>der</strong>gleichen stellten sich bei mir<br />
allerdings stets als wirkungslos heraus.<br />
Umso mehr hat sich die Frage nach dem<br />
Sinn meines Lebens aufgedrängt, letztlich<br />
die Frage nach Gott.“<br />
Der sogar während seiner Fabriksarbeit<br />
an einer Maschine unter Alkoholeinfluss<br />
stehende Mann beginnt in <strong>der</strong> Bibel zu<br />
lesen. Ein Glück ist, dass seine Freundin<br />
Lisa, die später seine Frau wird, sein ungewöhnliches<br />
Hobby teilt. Beide beschließen,<br />
in einer Kirche heimisch zu werden.<br />
Eine völlig neue Erfahrung für beide, die<br />
einen Gottesdienst das letzte Mal vermutlich<br />
in Kindheitstagen besucht haben.<br />
Herbert und Lisa beginnen, Kirchengemeinden<br />
in ihrer Umgebung abzuklappern.<br />
Schließlich werden sie fündig: in<br />
einer kleinen, überschaubaren Kirchengemeinde,<br />
die sich für Neue offen zeigt.<br />
„Beim ersten Gottesdienstbesuch dort ist<br />
mir schlagartig klar geworden: Hier bleibe<br />
ich! Das war am Sonntag, dem 9. März<br />
2014. Seit diesem Morgen habe ich auch<br />
keinen Schluck Alk mehr getrunken.“<br />
Stattdessen vertieft sich Herbert immer<br />
mehr in die Schriften <strong>der</strong> Bibel – für ihn<br />
Lebenselixier und Wort Gottes.<br />
„Auch wenn es verrückt klingt: Manchmal<br />
stehe ich nachts auf, aber nicht um wie<br />
früher zu trinken, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> Schrift<br />
zu lesen.“<br />
Engelchen und Teufelchen<br />
Dass <strong>der</strong> völlige Verzicht auf Alkohol anfangs<br />
keine „g‘mahte Wiesn“ war, klingt<br />
Foto: HieroGraphic/shutterstock.com