syndicom magazin Nr. 2 - Lohn. Vom Wert der Arbeit
Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.
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Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes.
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syndicom
Nr. 2 Nov.–Dez. 2017
magazin
Lohn.
Vom Wert
der Arbeit
Ich wollte bei der Arbeit einige
Minuten sparen und habe Monate
meines Lebens verloren.
So viel Zeit muss sein:
www.suva.ch/regeln
Sicher arbeiten kostet keine Zeit. Schütze dich und deine Kollegen mit den
lebenswichtigen Regeln und stoppe bei Gefahr die Arbeit.
Inhalt
4 Teamporträt
5 Kurz und bündig
6 Die andere Seite
7 Gastautorin
8 Dossier: Wert der Arbeit
16 Arbeitswelt
21 GAV für Sunrise
22 Politik
24 Recht so!
25 1000 Worte
26 Freizeit
28 Bisch im Bild
30 Aus dem Leben von ...
31 Kreuzworträtsel
32 Inter-aktiv
Liebe Leserinnen und Leser
Lohn ist die Gegenleistung für Erwerbsarbeit.
Auf der sicheren Seite sind alle Beschäftigten
im Monatslohn. Doch auch nur dann, wenn man
mit diesem Lohn ein Leben in Würde führen
kann. Dafür braucht es engagierte Gewerkschafterinnen
und Gewerkschafter.
Uns braucht es auch, um einen wichtigen
Grundsatz zu sichern: Lohn und Arbeitszeit
sind untrennbar verbunden. Es darf nicht sein,
dass projektbezogene Arbeit dazu führt, für
gleichen Lohn immer mehr zu arbeiten. Das ist
versteckter Lohnabbau und krank machende
Ausbeutung der Arbeitskraft!
Wer gesuchte Fähigkeiten hat, erhält einen
höheren Lohn. Der Staat unterstützt Menschen
bei der Aus- und Weiterbildung zu wenig. Umso
wichtiger ist die Forderung, die Arbeitslosenkassen
zu Bildungskassen auszubauen. Ebenso
das Ziel, in allen GAV das Anrecht auf Aus- und
Weiterbildung zu verankern.
Doch das alleine reicht noch nicht. Im digitalen
Zeitalter brauchen wir das Recht auf Arbeit.
Und die Verkürzung der Arbeitszeit. Stellt euch
vor, Frauen müssten für die Familie nicht mehr
auf den halben Lohn verzichten, weil sie Teilzeit
arbeiten. Von selbst kommt das nicht; das
müssen wir uns erkämpfen. Als aktive Gewerkschafterinnen
und Gewerkschafter, gemeinsam
mit syndicom.
4
8
21
Mariem Kekic el Hachimi
Präsidentin der Personalvertretung bei UPC
4
Teamporträt
AG Lohn in der visuellen Kommunikation
Janine Fuchs (41)
Gymnasium und Lehre als Grafikerin,
MAS Design Culture, ZHdK. Seit zehn
Jahren betreibt sie mit einem Partner
das Büro GRAFIK2.ch im Impact Hub
Zürich. Co-Gründerin von WE SHAPE
TECH, der Bewegung zur Förderung von
Diversität in der Technologiebranche.
Jule Puppato-Krüger (40)
Lehre zur Mediengestalterin, Studium
Kommunikationsdesign (IN.D Düsseldorf),
Grafikdesignerin in Werbeagenturen
in DE und CH, 2014 CAS Typografie
& Print an der ZHdK. Seit neun Jahren
selbstständige Grafikdesignerin in
Zürich: designhexe.com.
Naomi Baldauf (39)
Ausbildung zur visuellen Gestalterin an
der HGKZ. Praktika in Designstudios in
Tokio, z. B. Shiseido Package Design
Department. Selbstständige Grafikdesignerin
und Illustratorin in Zürich,
Mitinhaberin des Papeterielabels
Le pigeon voyageur. naomibaldauf.ch
In den Arbeitsgruppen engagieren
sich ausserdem: Roger Emmenegger,
Grégoire Murith, Patrizia Pfenninger,
Marina Rivero und Anne Siegenthaler.
Text: Nina Scheu
Bild: Michael Moser
Wir entwickeln eine
Umfrage, um den
Wert kreativer Arbeit
beziffern zu können.
«Die Digitalisierung verändert unsere
Berufe und damit auch das Lohngefüge
in den Branchen. Es war
noch nie einfach, den Wert kreativer
Arbeit zu beziffern. Aber in dem
Masse, wie die globale Verfügbarkeit
von grafischem Design selbstverständlich
geworden ist, sind die
Lohnvorstellungen der Auftraggeber
gesunken. Bei Plattformen wie
99Designs arbeiten alle GrafikerInnen
gratis, ausser dem/der Glücklichen,
der oder die schliesslich den
Zuschlag erhält. Diese Entkoppelung
des Lohns von der Arbeit bedrängt
immer mehr auch die übrige Branche.
Etablierte wie BerufseinsteigerInnen
müssen die Kosten darum
immer wieder neu aushandeln.
Dabei sollte man doch von seinem
Beruf leben können. Im Branchenvorstand
wurde immer wieder
diskutiert, wie wichtig es ist, Löhne
und Tarife transparent zu machen,
um zu verhindern, dass man gegeneinander
ausgespielt wird.
Ausgehend von einer Initiative
der Tessiner KollegInnen entstanden
drei regionale Arbeitsgruppen aus
aktiven Mitgliedern, die das Problem
konkret anpacken wollten. Weil wir
neben der Arbeit in unseren Grafikbüros
niemals Zeit hätten, uns auf
nationaler Ebene regelmässig zu
treffen, koordiniert der Zentralsekretär
bei syndicom die Treffen und
verknüpft uns, sodass wir im ständigen
Austausch miteinander bleiben.
Wir entwerfen eine Umfrage, die
aufzeigen soll, zu welchen Bedingungen
in der visuellen Kommunikation
(von Agenturen und erfahrenen DesignerInnen
bis zu frisch Diplomierten)
gearbeitet wird. Dazu entwickeln
wir einen Fragebogen, der auch Einblicke
in die sich verändernden
Arbeitsformen geben soll: Wird
Grafikdesign hauptberuflich ausgeübt
oder brauchen die Leute daneben
einen «Brotjob»? Genügt das
Einkommen, um damit eine Rente
aufzubauen, um eine Familie zu
ernähren, oder nur knapp, um die
Miete und die Krankenkasse zu
bezahlen? Die Ergebnisse werden
wir im nächsten Sommer veröffentlichen.
Wir wollen auch zeigen, wie
wichtig es ist, Löhne und Tarife zum
Thema zu machen – und zusammen
für Verbesserungen einzustehen.»
Kurz und
bündig
Verhandlungsstart Medien-GAV \ Billig-Korrektorat bei der NZZ
Umfrage grafische Industrie \ Kongress Uni Global Post & Logistik
Lichterlöschen bei der Billag \ Bezug Reka-Schecks 2017
5
GAV-Verhandlungen nach 13
verflixten Jahren Stillstand
Am 13. Oktober fand endlich die erste
Verhandlungsrunde für einen neuen
Gesamtarbeitsvertrag für die Medienschaffenden
statt. 2004 hatten die
Verleger den GAV gekündigt, jetzt wurden
mit den Verhandlungsdelegationen
von syndicom und impressum acht
Termine und Themen festgelegt. Mehr
dazu unter syndicom.ch/aktuell. (nsc)
Ausgerechnet! NZZ lagert
die Qualitätssicherung aus
Die Korrektur der NZZ-Regionalblätter
in der Ostschweiz wird nach Banja Luca
ausgelagert. Zwar ging der Auftrag an
eine deutsche Firma, doch die heuerte
«in ihre Heimat zurückgekehrte Flüchtlinge»
an, die vorher lange genug in
Deutschland gelebt hätten, um Germanistik
zu studieren. Natürlich geht es
hier nicht um gutmenschige Stellenvermittlung,
sondern darum, dass die
KorrektorInnen in Bosnien und Herzegowina
nur 13 Franken pro Stunde
verdienen. Was die Auslagerung des
Korrektorats für die Redaktionen und
letztlich für die Qualität der Artikel
bedeutet, kann erahnen, wer weiss,
dass sogar die NZZ-Medien nicht nur
orthografisch, sondern auch inhaltlich
gegengelesen werden sollten. (nsc)
Mitgliederumfrage in
der grafischen Industrie
2018 muss der Gesamtarbeitsvertrag
der grafischen Industrie neu verhandelt
werden. Im Vorfeld bitten wir die Mit -
glieder der Branche, an einer Umfrage
teilzunehmen, mit der wir erfahren
wollen, wo der Schuh am meisten
drückt. Auf syndicom.ch/GIV findet ihr
auch eine Briefvorlage zur geplanten
«Verbandsöffnung» des Viscom. (nsc)
Kongress Uni Global
Post und Logistik
Die Herausforderungen im Postmarkt
der Zukunft standen im Mittelpunkt des
europäischen Kongresses der Post- und
Logistikgewerkschaften. Insbesondere
die digitalen Herausforderungen und
die universelle Leistungserbringung
lieferten Diskussionsstoff. Dabei wurde
klar, dass die Trennung von Brief- und
Paketmarkt weitgehend unsinnig ist.
Ganz im Gegenteil muss inskünftig von
einem universellen Postmarkt gesprochen
werden, bei dem Service public,
Qualität und faire Arbeitsbedingungen
im Zentrum stehen. (dro)
Geordnetes Lichterlöschen
bei der Billag
Der Schock bei den Angestellten der
Billag sass tief, als der Bund im März
2017 der Billag völlig überraschend den
Auftrag für das Inkasso der Radio- und
TV-Gebühren entzog. Denn dieser
Entscheid führt sehr wahrscheinlich
zum Aus der Billag.
In der Zwischenzeit hat die Billag
vieles unternommen, um die Arbeitsmarkt
fähigkeit ihrer Mitarbeitenden zu
verbessern. Worklink unterstützt
die Mitarbeitenden bei der Standortbestimmung
und dem Bewerbungsprozess.
Die Billag fördert ihrerseits
die Aus- und Weiterbildung. Das Ziel
ist, dass möglichst alle Mitarbeitenden
ab 2019 eine Anschlusslösung haben.
Die meisten Arbeitsplätze sind bis am
31.12.2018 gesichert, einzelne noch
ein paar Monate darüber hinaus. (fsc)
Informationen zum Bezug
von Reka-Schecks 2017
Das Jahr 2017 neigt sich dem Ende zu.
Bekanntlich können alle Mitglieder von
syndicom einmal im Jahr vergünstigt
Reka-Shecks beziehen. Für alle Bestellungen,
die bis am 20. Dezember 2017,
15.00 Uhr, bei uns eintreffen, garantieren
wir den Bezug im laufenden
Jahr. Allerdings nur, wenn die Einzahlung
vor dem 31. Dezember 2017
erfolgt. Erste Bestellungen für 2018
sind ab 10. Januar möglich.
Für den Bezug stehen die folgenden
Möglichkeiten zur Auswahl:
Wert: 700 Fr., du zahlst 651 Franken
Wert: 400 Fr., du zahlst 372 Franken
Wert: 300 Fr., du zahlst 279 Franken
Bearbeitungsgebühr 8 Fr. geschenkt.
Die Bestellung erfolgt am einfachsten
online auf my.syndicom.ch. Dabei
benötigen wir nur den gewünschten
Betrag, und schon ist die Bestellung
erfasst. Du kannst auch eine Mail an
info@syndicom.ch senden. Falls kein
Internetzugang vorhanden ist, nehmen
wir die Bestellungen auch über das
Telefon entgegen (058 817 18 18). (red)
Agenda
November
20.
Wie ein gerechter Lohn
zustande kommt
Movendo-Kurs D2.2.1702
Kurs in der Jugendherberge, Zürich
Inhalt: Faktoren für einen gerechten
Lohn, rechtliche Grundlagen zu Lohn
und Lohnbestandteilen, Fallbeispiele,
Analyse des eigenen Arbeitsvertrags,
Lohn im Fokus des Gleichstellungsgesetzes.
Mit: Janine Junker (Rechtsanwältin).
Anmelden unter:
movendo.ch
7./9./21.
Buchtreff, der Treffpunkt von syndicom
für BuchhändlerInnen
7. in Bern, Hotel National, 19 Uhr
9. in Zürich, Rest. Cooperativo, 19 Uhr
21. in Basel, Restaurant Pinar, 19 Uhr
29.
Journitalk:
«Hauptsache, es flimmert»
mit Beni Thurnheer. Medienzentrum
Bundeshaus, Bern. 12 bis 13 Uhr.
Dezember
8./9.
Jugend-Skiweekend
syndicom lädt alle Mitglieder U31 zum
diesjährigen Skiweekend in Davos ein!
Geniesse unberührte Pulverschneehänge
und endlose Tiefschnee-Abfahrten,
und vergiss für einen Moment
deinen Alltag. Für syndicom-Mitglieder
gratis! Für alle anderen: 80 Franken.
19.
Buchtreff, der Treffpunkt von syndicom
für BuchhändlerInnen
Basel, Restaurant Pinar, 19 Uhr
Bern und Zürich: Winterpause
Januar
22./23.
Kurs für syndicom-Mitglieder: «In zwei
Tagen zur eigenen Website — Joomla»
Alle Infos auf: helias.ch
syndicom.ch/agenda
6 Die andere
Daniel Hügi
Seite
ist Geschäftsführer des Zeitung-Frühzustellbetriebs
Presto Presse-Vertriebs AG, der der Post gehört. Er ist
eidgenössisch diplomierter Organisator sowie Logistiker
und Kaufmann.
1
Worin sehen Sie die Vorteile eines
Gesamtarbeitsvertrags (GAV)?
Der GAV ist eine gemeinsame
Willensäusserung durch Arbeitgeber
und Gewerkschaften. Und trägt
sowohl den sozialen Bedürfnissen
der Arbeitnehmer als auch den
wirtschaftlichen Gegebenheiten des
Arbeitgebers Rechnung. Dadurch
trägt er dazu bei, den Arbeitsfrieden
zu sichern.
2
Wie einigen Sie sich im Konfliktfall
mit Ihren Mitarbeitenden?
Für uns ist zentral, dass zwischen
Mitarbeitenden und Führungsverantwortlichen
ein Klima des Respekts
und Vertrauens herrscht. Und dass
sich die Mitarbeitenden im Konfliktfall
an ihren Verträgerchef wenden.
Es liegt in der Natur der Sache, dass
nicht alle Konflikte nach den Vorstellungen
der Mitarbeitenden gelöst
werden können. Wichtig ist, dass die
Mitarbeitenden ernst genommen
werden und dass sie die Gründe für
den gefällten Entscheid kennen.
3
Was sind die Aufgaben der Personalkommission
in Ihrem Betrieb?
In unserer Firma haben wir an jedem
Standort eine Personalkommission.
Ihre Aufgabe ist es, betriebliche
Probleme zu thematisieren und
bei der Lösung mitzuarbeiten – als
Bindeglied zwischen den Mitarbeitenden
und den Führungsverantwortlichen.
4
Wie bewerten Sie das Lohnniveau
in Ihrer Branche? Liegt Presto höher
oder tiefer als der Durchschnitt?
Wir bieten Menschen mit unterschiedlichstem
kulturellen und
sozialen Hintergrund einen Nebenverdienst
für 90 bis 120 Minuten
Arbeit im Tag an. Der Printmarkt,
in dem wir uns bewegen, ist bedauerlicherweise
stark rückläufig und wird
von Onlineangeboten substituiert.
Dadurch ist das Lohnniveau für
diesen Nebenverdienst auf einem
eher tieferen Niveau. Andere in der
Zeitungsfrühzustellung tätigen
Firmen bewegen sich auf demselben
Lohnniveau.
5
Bei welchen Gelegenheiten haben
Sie Kontakt mit Ihren Mitarbeitenden?
Welche Klage hören Sie dann
am häufigsten? Und welches Lob?
Da sich mein Büro im Eingangsbereich
unseres Standortes Bern
befindet und meine Türe immer
offen ist, komme ich oft ins Gespräch
mit unseren Verträgerinnen und
Verträgern. Ihnen gefällt die Unabhängigkeit
bei der Arbeit und die
Möglichkeit eines Zusatzverdienstes
vor Arbeitsbeginn ihres Haupt be rufs.
Geklagt wird bei Anlieferverspätungen
des Transportes und wegen der
damit verbundenen Wartezeiten.
Diese werden jedoch entschädigt.
6
Was regt Sie an den Gewerk schaften
richtig auf?
Bei Forderungen der Gewerkschaften
entsteht teilweise der Eindruck,
dass diese nicht auf die wirtschaftliche
Lage der Firma beziehungsweise
der Branche abgestimmt sind.
Text: Sina Bühler
Bild: Yoshiko Kusano
Gastautorin
«Der Lohn eines Künstlers ist der
Applaus», verkündet Reto Wyss, Vorsteher des
Kulturdepartements des Kantons Luzern, um
die Kürzung von 40 Prozent der Gelder für freie
Kulturschaffende zu begründen. Und mit dieser
selbstlosen Gesinnung steht er nicht allein da.
Gibt es doch immer wieder diese Diskussionen
um den lieben Lohn, und am Ende muss Künstlerin
sich sagen lassen, sie sei so leidenschaftslos
und geldgierig. Der Vermieter der Künstlerin
ist jedoch mit der Aussage von Reto Wyss nicht
einverstanden. Künstlerin: «Guten Tag. Ich kann
nicht mehr so viel Miete bezahlen.» Vermieter:
«Gut. Wir schauen, ob Ende Monat Ihre Zahlung
bei uns eintrifft. Wenn nicht, müssen Sie ausziehen.»
Künstlerin: «Darf ich Ihnen ein Angebot
machen? Ich komme zu Ihnen ins Büro und
applaudiere Ihnen für Ihre tolle Arbeit.» Um die
drohende Kündigung zu vermeiden, sucht sich
Künstlerin nun aber einen Job. Arbeitgeber:
«Tut uns leid. Mehr können wir Ihnen leider nicht
anbieten.» Künstlerin: «Ich habe ein Kind in Ausbildung
und bin Alleinverdienerin.» Arbeitgeber:
«Wir bieten Ihnen viel Freiheit. Sie erstellen die
Stundenpläne, erledigen die Kommunikation mit
ihren Klassen und organisieren die Ausflüge.»
Künstlerin: «Unbezahlt?» Arbeitgeber: «Hätten
wir nicht so hohe Personalkosten, würde unser
Unternehmen ständig wachsen. Und wie Sie ja
wissen, bedeutete das Wohlstand für alle.» Die
Krankenkasse der Künstlerin ist zwar grundsätzlich
mit dieser Haltung einverstanden, hat
aber wenig Verständnis für die daraus entstehenden
Schwierigkeiten. Künstlerin: «Guten Tag.
Ich arbeite in einem Unternehmen. Die haben
Probleme mit den Personalkosten. Könnten Sie
für eine Weile meine Prämien aussetzen?»
Krankenkasse: «Sind Sie verrückt?» Künstlerin:
«Müsste ich keine Prämien bezahlen, wäre ich
nicht so gestresst und viel gesünder. Und wie
Sie ja wissen, gesunde Menschen bedeuten
wachsende Unternehmen.» Krankenkasse: «Also
das ist nun eine unzulässige Vereinfachung.»
Vom Lohn
der Selbstlosen
Johanna Lier ist Dichterin, Schriftstellerin
und Journalistin. Sie ist viel in
dieser Welt unterwegs und engagiert
sich als Aktivistin für offene Grenzen und
sichere Fluchtwege. Sie liebt Jugendliche
und Kinder und arbeitet als Dozentin
an der Kunsthochschule in Luzern und
als Künstlerin im Schulhausromanprojekt.
Dank guter ArbeitgeberInnen bekommt
sie zurzeit mehr als nur Applaus.
7
Thema Dossier
Unsere Arbeit ist mehr wert als unser Lohn
«Robokalypse»: So greifen sie Löhne, Arbeitszeit und GAV an
Höhere Löhne gegen die Krise, Mindestlöhne in Neuenburg
Erfolg im Tessin: 1000 Franken mehr Lohn
9
Lohn.
Vom Wert
der Arbeit
10 Dossier
Unsere Arbeit ist mehr wert
als unser Lohn
Rufen Sie den Telematiker zu Hilfe, fährt keine
Einhundert-Franken-Note vor. Sondern ein
Mensch, der eine längere Berufsbildung hinter
sich hat. Geld arbeitet nicht.
Text: Bo Humair
Bilder: Yoshiko Kusano
Grafiken: Daniela Raggi
Nur menschliche Arbeit schafft Wert. Ist dies ein banaler
Satz? Sollte es eigentlich sein. Ökonomen von Verstand
wissen das. Doch Banken behaupten das Gegenteil («Hier
schwitzt Ihr Geld!»). Auch der Bundesrat scheint zu glauben,
der Wohlstand der Schweiz komme vom Geld. Und
sogar ein Teil der ÖkonomenZunft verdient (gutes) Geld
mit der Irrlehre, Geld schaffe Wert. Wahrscheinlich müssen
sie das tun, denn sonst liessen sich die riesigen Kapitalgewinne
kaum rechtfertigen.
Geld misst (manchmal) Wert, produziert aber keinen.
Geld schmiert die Ökonomie. Geld vermehrt sich. Aber
neuen Wert schafft nur die lebendige Arbeit. Das ist die
erste Sache, die man wissen muss, wenn man über die
Löhne spricht.
Die zweite Sache habe ich sehr jung erfahren. Als wir
über meinen ersten richtigen Arbeitsvertrag als Ökonom
sprachen, erstarrte mein Vater. Er gönnte mir meinen
Lohn. Aber er erkannte in diesem Moment, dass man ihm
und seiner Arbeit als «techn. Konstrukteur» nach 35 Jahren
nur etwa halb so viel Wert beimass wie meinem frisch
gelernten Tun. Bis heute halte ich dies für ungerecht:
Alles, was in meinem Job wirklich wichtig ist, habe ich von
ihm gelernt. Zum Beispiel, wie man Tapeziernägel richtig
in altes Holz treibt. Und wieso sollte meine Arbeit für die
Gesellschaft nützlicher sein als seine?
bezahlte Arbeit zu haben, wirft dich an den Rand der
Gesellschaft. Manchmal stimmt es ja auch, dass wir für
besonders gute Arbeit belohnt werden. Ein bisschen. Die
Grundregel allerdings lautet anders: Gute Löhne werden
bezahlt, wenn die Arbeitenden besonders gut organisiert
sind.
Mehr als zwei Dutzend ökonomische Studien belegen:
Wo die Gewerkschaften stark sind und wo Gesamtarbeitsverträge
gelten, sind die Löhne höher und die Arbeitsbedingungen
besser als in den «ungeschützten» Bereichen
der Wirtschaft. Sagt unter anderem die Internationale
Arbeitsorganisation in Genf. Die Löhne spiegeln ein Kräfteverhältnis.
Sie sind keine individuelle Angelegenheit,
sondern eine Wasserstandanzeige für den Zustand einer
Gesellschaft.
Löhne sind keine individuelle Angelegenheit
Das fängt damit an, dass die Arbeitenden mit dem Lohn
nur einen Teil des Wertes bekommen, den sie erarbeiten
– den anderen Teil schnappen sich die Arbeitgeber
(denen wir in Wahrheit unsere Arbeit geben) für Kapitalzinsen,
Gewinnentnahmen, Dividenden an die Aktionäre
etc. Das ist keine ideologische Aussage, sondern die banale
Geschäftsgrundlage unseres Gesellschaftssystems. Anders
kann es nicht funktionieren. Je nach Land nehmen
sich die Arbeitgeber einen Drittel bis mehr als die Hälfte
des Wertes, den wir schaffen.
Lange funktionierte das ganz gut. Denn auf dieser
Grundlage ist auch die Sozialpartnerschaft aufgebaut. In
ihr wird der grundlegende Interessenkonflikt zwischen
Was ein Lohn nicht aussagt
Mit Nützlichkeit einer Arbeit hat der Lohn wenig zu tun.
Der CEO einer Grossbank, der Milliarden vernichtet, ist so
nützlich wie Fusspilz, aber er kassiert dafür viele Millionen
Franken Lohn und Boni. Eine Ärztin ist in der Regel
nützlicher für uns und sie hat sich lange ausgebildet, also
soll sie gut verdienen. «Verdienen»? Verdient es ein Pflegefachmann,
einen so viel schlechteren Lohn als die Ärztin
für seinen schweren Job zu haben? Warum soll ein Bürojob
bei PostFinance viel mehr Wert sein als die Arbeit des
Kabelverlegers, der uns mit der Welt verbindet?
Mit dem Lohn ist es eine merkwürdige Sache. Wir
wissen, dass Löhne ungerecht sind. In den 40 grossen Unternehmen
der Schweiz, die von der Gewerkschaft Unia in
ihrer LohnschereStudie regelmässig untersucht werden,
verdienen die Topmanager und Topmanagerinnen durchschnittlich
165mal mehr als die Basismitarbeitenden
(Studie 2017). Anders gesagt: Für eineinhalb Tage Arbeit
bekommen die Bestbezahlten so viel wie die Schlechtbezahlten
für ein ganzes Jahr. Und dass Frauen für die
gleiche Arbeit weniger verdienen als Männer, ist seit zwei
Jahrzehnten schlicht verfassungswidrig und illegal.
Dennoch neigen wir dazu, den Lohn als Mass für den
Wert unserer Arbeit zu nehmen. Guter Lohn, mehr Lohn,
viel Lohn erhöht in der Regel unser Selbstwertgefühl.
Lohn ist Kaufkraft, Lohn ist Status, Lohn ist Sicherheit
(Miete, Krankenkasse, AHV). Keinen Lohn, also keine
Arbeitgeber
schnappen
sich oft mehr
als einen
Drittel des
Wertes, den
wir schaffen.
Arbeit und Kapital auf Eis gelegt. Wir erhöhen die Produktivität
und damit den Wert, die Aktionäre investieren, und
wir bekommen unseren Teil an den Produktivitätsgewinnen.
Zum Beispiel in Form von mehr Lohn. Oder in Form
von kürzeren Arbeitszeiten, mehr Ferien, Elternurlaub
und anderen Vorteilen wie den Sozialversicherungen.
Freiwillig geschah dies nicht, die Arbeitenden und ihre
Gewerkschaften mussten das erzwingen, zum Teil mit
harten Streiks. Die AHV war eine Forderung des Generalstreiks
von 1918, realisiert wurde sie 1948.
Seit Mitte der 1980erJahre bröckelt dieser Kompromiss.
Nicht nur in der Schweiz. Die Unternehmen geben
immer weniger von den Produktivitätsgewinnen an die
Arbeitenden weiter. Gewinne und Boni explodieren, die
Löhne stagnieren. Nur die Spitzenlöhne fliegen davon, die
Aktionäre investieren lieber an den aufgeblähten Finanzmärkten
als in der Produktion. Eine neoliberale Offensive
nennen das die Ökonomen, die Ideologen des Finanzkapitalismus
sprechen sogar von ihrer «Revolution». Das
Wort trifft zu: Sie wollen den sozialen Ausgleich kippen.
Die Revolution der Reichen schafft Armut
Mit dieser Umverteilung von unten nach oben fachten sie
den alten, stillgelegten Konflikt zwischen Arbeit und
Kapital neu an. Die Ungleichheiten und die Kapitalkonzentration
in den reichen Ländern sind inzwischen so
schreiend, dass sogar das Weltwirtschaftsforum in Davos,
das jährliche Treffen der Weltenlenker im Januar, den
Notstand ausrief. In Deutschland hatten die Gewerkschaften
gekuscht. Die Löhne gingen über Jahre zurück. Jetzt
exportiert Deutschland mehr denn je, aber auch die Armut
explodierte. Mehr als 16 Prozent der Arbeitenden können
heute von ihrem Lohn nicht mehr leben. Sie sind «working
poor». Sogar die Weltbank forderte jetzt Deutschland auf,
die Löhne massiv zu erhöhen. Wenn Menschen 100 Prozent
arbeiten, aber um Sozialhilfe betteln müssen, verliert
das Wirtschaftssystem jede Legitimität. Der neue französische
Präsident Emmanuel Macron will nun dasselbe
Modell auf Frankreich anwenden – und dafür die Gewerkschaften
brechen.
Die Schweizer Gewerkschaften widerstanden besser,
in diesem Ringen um das sozialpartnerschaftliche Modell.
In den 1990erJahren riefen hohe Arbeitgebervertreter das
Ende der Gesamtarbeitsverträge aus. Die Gewerkschaften
wehrten den Angriff ab. Handkehrum scheiterten später,
2013, die Initiative für gerechte Löhne (1:12) und, 2014,
die MindestlohnInitiative. Immerhin erlaubten es diese
Initiativen, in der Praxis die Erhöhung der tiefsten Löhne
durchzusetzen. Jetzt läuft im Streit um Lohn, Arbeitszeit
und den Wert unserer Arbeit der nächste Angriff der
Arbeitgeber. Via Digitalisierung versuchen sie, Arbeitsgesetz
und GAV auszuhebeln. Ihr Ziel ist es, die Lohnquote
zu verringern, also noch grössere Anteile am Wohlstand
zu konfiszieren. Ein alter Traum der Aktionäre: Wachstum
ohne Jobs, Gewinn ohne Löhne.
Mehr zum Thema Verteilung der Löhne:
verteilungsbericht.ch
12
Dossier
«Robokalypse»: So greifen sie
Löhne, Arbeitszeit und GAV an
Setzen die Gewerkschaften keine soziale
Digitalisierung durch, werden die Arbeitgeber
den digitalen Umbau zur Zerstörung sozialer
Errungenschaften nutzen.
Text: Bo Humair
Avenir Suisse ist die LobbyDenkfabrik der Konzerne.
Finanziert unter anderem durch Banken, Versicherungen,
Multis und ... Swisscom. Jetzt freut sich Avenir Suisse
über die Digitalisierung und verlangt die völlige Deregulierung
des Schutzes der Arbeitenden. Titel der Kampfschrift:
«Wenn die Roboter kommen. Den Arbeitsmarkt
für die Digitalisierung vorbereiten.»
Darin verraten die Arbeitgeber ihre Absichten. Sie wollen
viel mehr Flexibilisierung. Die Arbeitszeit soll nicht
mehr von der Freizeit getrennt werden. Schluss mit
Arbeits zeiterfassung und Begrenzung der Arbeitszeit. Arbeits
und Gesundheitsschutz würden zunehmend zu
«bürokratischen Hindernissen», schreibt Avenir Suisse.
Ein schlechter Witz. Niemand hindert einen Menschen
daran, länger zu arbeiten, wenn er will. Niemand
zieht um 18 Uhr den Stecker. Die Arbeitszeit zu entgrenzen,
dient nur dazu, jene zur Mehrarbeit zwingen zu
können, die nicht mehr arbeiten wollen.
Der wüste Traum der Digitalisierer
Das Idealbild der Konzerne ist eine Schweiz von Heimwerkern,
die rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche
dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, auf Abruf arbeiten,
schlecht entlöhnt sind und sozial nicht mehr abgesichert.
Ihr Traum von der digitalen Zukunft.
Was Avenir Suisse da plant, ist längst Teil einer umfassenden
Offensive gegen die hart erkämpften Errun
genschaften der Arbeitenden. Bereits haben mehrere
Par la mentarierInnen (unter anderem die WarenhausLobbyistin
Karin KellerSutter, FDP, und der MultiVerwaltungsrat
Konrad Graber, CVP) die weitgehende Lockerung
der Arbeitszeitregeln verlangt.
Das würde zwar ein Referendum durch die Gewerkschaft
kaum überstehen, spurt aber vor. In Wahrheit geht
es darum, wie viel die Arbeit kostet. Frontal die Löhne anzugreifen,
ist für die Arbeitgeber schwierig. Leichter, so
glauben sie, ist die Erhöhung der Arbeitszeit. Auch eine
Form, die Lohnkosten zu senken.
Ziel: Arbeitsverträge weg
Doch die Lockerung des Arbeitsschutzes ist nur ein erster
strategischer Schritt. Die Uberisierung der Schweiz ist
ihr langfristiges Ziel. Das macht die «Studie» von Avenir
Suisse in ihrem ÖkonomenSlang deutlich: «Digitale
Güter sind grundlegend anders. (...) In gewissen Bereichen
könnten sogar Monopsone entstehen, grosse PlattformUnternehmen,
an denen man nicht vorbeikommt,
wenn man eine bestimmte Tätigkeit ausüben will. Solche
Plattformen könnten die Entlöhnung deutlich unter die
Grenzproduktivität drücken.»
Im Klartext: Hungerlöhne. Die Gewerkschaft syndicom
hat eine Gegenwehr entwickelt, gegen den Plan, immer
mehr Arbeitende ohne GAV im Auftragsverhältnis
oder als Scheinselbstständige chrampfen zu lassen: Wir
fordern einen universellen, geschützten Arbeitsvertrag
für jede Form von Arbeit. Heimarbeit («Freelance») am
Bildschirm inklusive.
Weitere Infos auf unserer brandneuen
Website: syndicom.ch/Lohn
Die obersten Löhne ziehen davon
1% besitzt mehr als 90%
Lohnwachstum nach Lohnklasse 1996–2014, preisbereinigt
+50%
+43%
+40%
Oberstes
1%
Anteile an allen Reinvermögen
nach Gruppen von
Steuerpflichtigen, 2012
9%
besitzen
34%
+30%
Tiefste
+21%
+16%
0% Löhne
1996
10%
+14%
Mittlere
+20%
+10%
Quelle: BFS
Oberste
10%
2000 2004 2008 2012 1%
besitzt 41%
90%
besitzen 25%
Dossier
Höhere Löhne gegen die Krise
13
Warum Ökonomie keine
Milchbüchlein-Rechnung ist
Text: Bo Humair
Beim Thema Lohn wird klar, warum die Ökonominnen
und Ökonomen gerne eine Art Geheimsprache benützen.
Sie soll die Machtverhältnisse verstecken und auch, dass
ihre Lehre in Wahrheit von Ideologie und Täuschung
bestimmt wird.
Das hohe Lohnniveau in der Schweiz? Konzerne begründen
damit Auslagerungen ins Ausland, andere ihre
Lohndrückereien. Könnte einleuchten, ist aber oft falsch.
Entscheidend sind in Wahrheit die Arbeitskosten pro
Stück (pro Dienstleistung etc.). Also: Wie viel jemand in
einer Stunde wegschafft. Die Produktivität. Beispiel:
Jemand verdient 30 Franken die Stunde und bedient
10 Kundinnen. Der Job wird ausgelagert an einen Betrieb,
der nur 20 Franken bezahlt. Rentabel? Nicht unbedingt.
Wenn dort nur 6,5 Kunden pro Stunde bedient werden,
arbeitet die Billiglohnfirma teurer. Theorie? Nein, Praxis.
Studien aus diversen Branchen zeigen: Das reale Lohnniveau
in der Schweiz ist in vielen Bereichen dank der
hohen Produktivität tiefer als anderswo.
Doch das ist auch ein zweischneidiges Argument. Wir
rufen nicht zur Arbeitshetze auf. Hohe Löhne haben volkswirtschaftlich
grundsätzlich viele Vorteile. Zum Beispiel
die Kaufkraft, also die Inland oder Binnennachfrage. Sie
hat in der Schweiz nach 2007 die Krise abgefedert. Erst der
spekulativ hohe Franken hat das am Ende gebrochen.
Sogar die neoliberalen Organisationen wie der Internationale
Währungsfonds rufen heute Deutschland auf, die
Löhne stark zu erhöhen. Die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften
dort hat zwar die Exporte beflügelt, aber
auch die Armutsquote hochgetrieben. Und andere Volkswirtschaften
ins Elend gestürzt. Lohnerhöhungen sind oft
das beste Mittel gegen die Krise. Kein geringes Paradox.
Ökonomie ist eben keine MilchbüchleinRechnung. Und
Arbeit ist keine Ware.
Frauen beim Lohn diskriminiert
Monatlicher Bruttolohn (Median) nach Ausbildung
und Geschlecht, privater Sektor, 2014
5128
6171
5408
5000
4337
Ohne abgeschlossene
Berufsausbildung
8625
7235
Höhere Berufsausbildung,
Fachschule
Abgeschlossene
Berufsausbildung
9698
7502
Fachhochschule
10906
8426
Universitäre
Hochschule
10000
5000
Quelle: BFS
Arbeit muss angemessen bezahlt
werden – egal, wer man ist.
sgb.ch/aktuell/blogdaniellampart
Tiefe Löhne und Lohnungleichheit sind für viele Frauen und
MigrantInnen Realität. Erhebungen zeigen: Frauen verdienen
in der Schweiz 7,7 Mia. Franken weniger als Männer. Seit
Jahrzehnten kämpfen wir Gewerkschaften für Lohngleichheit.
Im Parlament fordern wir die Einführung von zwingenden
Lohnkontrollen mit Sank tionsmöglichkeiten. Sonst geht es
nie vorwärts! Trotzdem besteht die Gefahr eines Papiertigers.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga sagte dazu kürzlich:
«Im Lohnunterschied drückt sich letztlich nichts anderes aus
als die Haltung: Die Frau ist weniger wert als der Mann. Und
diese Haltung dulden wir nicht!» Die zunehmende Prekarisierung
ist eine Folge der Digitalisierung der Wirtschaft,
die besonders die MigrantInnen trifft. Ihnen droht vermehrt
die Auslagerung in Subunternehmen ohne Gesamtarbeitsvertrag
mit schlechteren Arbeitsbedingungen und tieferen
Löhnen. syndicom setzt alles daran, solche Konstrukte zur
Umgehung der Vorschriften gesetzlich zu verhindern.
Patrizia Mordini ist Leiterin Gleichstellung
und Mitglied der syndicom-Geschäftsleitung
14
Dossier
Der Kanton Neuenburg
als erster Wegbereiter
Mieten und Krankenkassenprämien
fressen Lohnerhöhungen weg
Veränderung der verfügbaren Einkommen pro
Monat nach Einkommensklassen, 2000-2014,
in Franken
Seit dem 4. August 2017 ist in Neuenburg
der erste kantonale Mindestlohn der Schweiz
in Kraft. Das Bundesgericht hat dies gegen
den Willen der Arbeitgeber definitiv bestätigt.
Das Gesetz schreibt vor, dass der Mindestlohn
bei 20 Franken pro Stunde liegt.
+2500
+2000
+1500
+1000
+500
0
-500
-40
Unterste 10%
Mittlere Löhne
+40
+60
+320
+490
Oberste 10%
Oberstes 1%
Quelle: Berechnungen SGB
+940
+1740
+2750
+3000
Singles
Familien
2 Kinder
Singles
Familien
2 Kinder
Singles
Familien
2 Kinder
Singles
Familien
2 Kinder
Text: Yves Sancey
Nun darf im Kanton Neuenburg kein Arbeitgeber mehr
einen Bruttolohn von unter 20 Franken pro Stunde auszahlen,
was einem Bruttomonatslohn von mindestens
3640 Franken (über 12 Monate) entspricht. Nach der Einreichung
des Erlassentwurfs für einen Mindestlohn durch
solidaritéS verstrichen elf Jahre, bis alle Hürden überwunden
waren, welche die politische Rechte und die
Arbeit geberschaft zur Verhinderung dieses Grundprinzips
der sozialen Gerechtigkeit aufgestellt hatten.
Nach einer intensiven Kampagne der Gewerkschaften
sagten die Neuenburger Stimmberechtigten im November
2011 Ja zum kantonalen Mindestlohn. Aber vier Einsprachen
mehrerer Arbeitgeberverbände verhinderten
eine rasche Inkraftsetzung der neuen Bestimmung.
Schliesslich lehnte das Bundesgericht (BGer) in seinem
Entscheid vom 4. August die Rekurse gegen die gesetzlichen
Bestimmungen zum Mindestlohn ab, der zudem
mit einer Indexierungsklausel versehen ist. Nach
Ansicht des obersten Gerichts handelt es sich hier um ein
Instrument zur Armutsbekämpfung, das keinen Eingriff
in die Wirtschaftsfreiheit darstellt.
Rund 2700 Personen, die früher weniger verdienten,
kommen nun in den Genuss des neuen Mindestlohns.
2013 hatte der Kanton Jura eine Initiative für «anständige
Löhne» angenommen, die noch nicht umgesetzt wurde.
Das Tessin folgte 2015. Dieser Sieg im Kanton Neuenburg
eröffnet schweizweit neue Wege.
Der neue Mindestlohn muss nun angewandt und eingehalten
werden. Dazu benötigt man Kontrollen. Die Gewerkschaft
Unia verlangt vom Neuenburger Parlament,
dass die Verwaltung genügend Mittel erhält, um diese
Kontrollen durchzuführen.
Hohe Löhne bedeuten nicht automatisch mehr Kaufkraft.
So konnten die Gewerkschaften zwar erzwingen, dass die
tiefsten Löhne etwas angehoben wurden (wie die Grafik
auf Seite 12 zeigt). Aber steigende Mieten und Krankenkassenprämien
haben die Lohnerhöhungen weggefressen,
gerade bei den untersten Prämien. Für den Wohlstand
einer Person oder einer Familie ist eben nicht entscheidend,
wie hoch der Lohn ist, sondern wie viel von diesem
nach den Abgaben wie z. B. der Krankenkassenprämie
noch übrig bleibt. Also, wie viel Einkommen tatsächlich
zur Verfügung steht. Zieht man die Berechnungen des
SGB zurate, erkennt man: Eigentlich haben von den Lohnerhöhungen
nur die 10 Prozent Bestverdienenden profitiert.
Für 90 Prozent der Bevölkerungen stagnierte das
verfügbare Einkommen – oder ging sogar zurück.
Analyse eines Rechtsanwaltsbüros:
walderwyss.com/publications/2119.pdf
Dossier
Erfolg im Tessin:
1000 Franken mehr Lohn
15
Aus dem Kanton Tessin gibt es eine positive
Nachricht zu vermelden: 1000 Franken mehr
Lohn für die Fahrer kleiner Transportunternehmen,
die für eine führende, auch international
tätige Postdiensteanbieterin arbeiten.
Text: Giovanni Valerio
Das ist endlich einmal eine gute Nachricht für die Arbeitnehmenden
und eine Erfolgsgeschichte für die Gewerkschaft:
1000 Franken mehr Lohn in einem Kanton wie
dem Tessin, wo die Arbeitswelt mit Lohndumping zu
kämpfen hat. Alles begann damit, dass unser Regionalsekretariat
von den betroffenen Arbeitnehmenden auf
eine Ungerechtigkeit aufmerksam gemacht wurde. Dabei
handelte es sich um die Chauffeure kleinerer Transportunternehmen,
die für einen bedeutenden, auch international
tätigen Postdiensteanbieter arbeiten. Im Frühling
dieses Jahres kam bei mehreren Treffen mit den
Sekre tären von syndicom in Lugano ans Licht, dass die
Fah rerInnen nicht mehr als zwölf Monatslöhne zwischen
2500 und 3000 Franken erhalten, und zwar ohne Stundenabrechnung,
Mahlzeitenvergütung oder Pausenregelung.
Solche Bedingungen gibt es tatsächlich bei den Fahrerinnen
und Fahrern von sogenannten Subunternehmern, an
die die Postdienstaufträge weitervergeben werden.
GAV unterschreiben, dann auslagern
Die Leitung des Transportunternehmens wurde von den
Gewerkschaftssekretären freundlich, aber bestimmt darauf
hingewiesen, dass es für diesen Sektor einen Gesamtarbeitsvertrag
gibt, den GAV KEP & Mail, der seit dem
1. Juli 2016 in Kraft ist. Damit konnte syndicom zuerst auf
regionaler Ebene den kleinen Transportunternehmen
und dann auf nationaler Ebene dem grossen Postdiensteanbieter
entgegentreten. Das Ergebnis ist ein voller Erfolg:
Die Fahrerinnen und Fahrer haben eine Lohnerhöhung
von bis zu 1000 Franken im Monat erhalten, was
rund einem Drittel ihres früheren Lohns entspricht.
Trotz diesem Ergebnis sind die Signale, die der Sektor
in den letzten Jahren ausgesendet hat, nicht gerade ermutigend.
Marco Forte, Regionalsekretär in Lugano, hält
fest, dass solche Phänomene immer häufiger zu beobachten
sind. «Betriebe, die sich als sozial bezeichnen, unterschreiben
den GAV, lagern den Dienst dann aber aus, um
bei den Arbeitsbedingungen zu sparen. Dieser Fall ist
symptomatisch: Nachdem die Gewerkschaft eingegriffen
hatte, erinnerte sich der Betrieb an seine soziale Verantwortung
und nicht zuletzt daran, dass er einen Ruf zu verlieren
hat. In kurzer Zeit wurde das Problem gelöst und die
Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft aufgenommen.»
Matteo Antonini, Zentralsekretär syndicom, betont, wie
wichtig es ist, das Mittel des Vertrags weiterzuentwickeln:
«Wir müssen unbedingt Kontrollmassnahmen vorsehen,
da seit der Liberalisierung des Sektors im Jahr 2004 der
Wettbewerb immer nur auf Kosten der Arbeitsbedingungen
gespielt hat.
Zum Dossier auf unserer brandneuen
Website: syndicom.ch/Lohn
Fotostrecke
Die Bilder zu diesem Themendossier machte die freischaffende
Fotografin Yoshiko Kusano in den Kantinen der Druckerei
Stämpfli (Seite 11) und von Swisscom (Seiten 1, 13, 14 und
15) sowie während der Mittagspause im Aufenthaltsbereich
beim Velokurier in Bern (Seiten 3 und 8/9).
Auch die Pausen verbringen wir häufig am Arbeitsort. Unsere
Lebenszeit ist meistens einiges mehr wert als der Lohn,
den wir dafür erhalten. Darum bebildern wir dieses Dossier
mit Fotos von Pausen- statt von den Arbeitsplätzen.
yoshikokusano.com
16
Eine bessere
Arbeitswelt
Guter Lohn und
Freizeit sind ein Stück
Zivilisation. Und erst
noch ökonomisch
notwendig.
In manchen Köpfen wüten neuerdings
Ideen aus frühkapitalistischen Zeiten,
die wir für längst überwunden hielten.
Etwa die Theorie des «natürlichen
Lohnes» von Thomas Malthus (1766–
1834). Richtig sei der Lohn, notierte
der Pfarrer und Ökonom vor gut
200 Jahren, wenn er gerade nur das
Existenzminimum decke.
Heute ist die UberÖkonomie mit
Vollgas unterwegs zurück zu Malthus.
Und manche Konzernstrategen liebäugeln
schon wieder mit dem sogenannten
«Subsistenzlohn», dem Lohn,
der zum Leben nicht reicht. Betriebswirtschafter
finden ihn nett, weil er
die Profite erhöht. Volkswirtschaftlich
ist er blanker Unsinn. Wer kauft dann
das nächste iPhone?
Doch als Gewerkschaft beharren
wir auf einem anderen Punkt. In langen
Kämpfen haben wir soziale Sicherheit,
faire Löhne und freie Zeit errungen.
Es geht um viel mehr als um
Geld. Diese Trilogie ist Menschenrecht.
Grundlage von sozialem Frieden
und Zivilisation. Chance auf ein
wenig Würde und Emanzipation. Das
ist unsere Aufgabe, das haben wir
nicht vergessen, auch dort nicht, wo
wir noch solide GAV haben. (red)
Manchmal muss man für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne auf die Strasse. (© Margareta Sommer)
syndicom.ch/aktuell
Erfolg im Kampf gegen
Auslagerungen bei
der SwissSign AG
Die SwissSign AG ist neu ein Joint Venture
zwischen den SBB und der Post.
Bis dato war die SwissSign AG im Gesamtarbeitsvertrag
(GAV) von Swiss
Post Solutions (SPS) integriert. Das
Joint Venture soll nach Meinung der
Post offenbar nicht mehr sozialpartnerschaftlich
begleitet und gestaltet
werden, denn die Post verlangte die
Herauslösung der SwissSign aus SPS
und damit verbunden eine höhere
Flexibilität der Mitarbeitenden. Dies
notabene bei einer höheren Wochenarbeitszeit
sowie weniger Ferien und
Freitagen. syndicom wehrte sich gegen
die Auslagerung und zeigte sich in
den Verhandlungen unnachgiebig. In
der Folge mussten die Auslagerungsgelüste
begraben werden. Der Versuch,
die Errungenschaften des GAV
mit Outsourcing zu umgehen, ist ganz
schlechter Stil und wird von syndicom
immer mit aller Kraft bekämpft werden.
(David Roth)
«Es geht bei den Lohnverhandlungen nicht nur um die Höhe der Löhne,
sondern auch um die gerechte Verteilung bei Erhöhungen.» Daniel Münger
17
Heisser Herbst
im Sektor Logistik
Lohnrunde 2018, Wahl des Stiftungsrats
der Pensionskasse Post, neue Arbeitszeitberechnung
«My Time» bei
den Postboten, Verhandlungen des
Gesamtarbeitsvertrags der Velokuriere
... Das ist nur eine Auswahl der
brisanten und hochaktuellen Themen,
welche die Arbeit im Sektor Logistik
spannend, aber auch herausfordernd
machen. Die Vielfältigkeit
verlangt den vollen Einsatz der Mitarbeitenden
von syndicom und all unserer
Vertrauensleute in den Betrieben.
Bei den Lohnverhandlungen müssen
wir alle einen speziellen Effort leisten.
Es geht nicht nur um die reine Höhe
der Lohnsumme, sondern mindestens
genauso um deren gerechte Verteilung.
Für die Paketboten gibt es
grosse Veränderungen bei der Arbeitszeitberechnung.
Das unbeliebte System
AZB wird ersetzt durch «My Time».
Nach monatelangen Verhandlungen
tritt dieses endlich in die Testphase.
Wir werden genau beobachten, ob die
Transparenz und die Nachvollziehbarkeit
unseren Ansprüchen genügen.
Der Verhandlungsstand des GAV Velokuriere
wird derzeit vor bestehenden
und künftigen Mitgliedern präsentiert.
Für syndicom ist es ein sehr
wichtiger Schritt, den Geltungsbereich
von GAV auch auf elektronische
Plattformen auszuweiten und dabei
mit einem anständigen Mindestlohn
zu starten.
Daniel Münger ist Leiter des Sektors Logistik
und Mitglied der syndicomGeschäftsleitung.
Regionale Unterschiede führen zu
Ungleichbehandlung bei PostAuto
Weil die Umsetzung von Gesetzes- und GAV-Bestimmungen
den regionalen PostAuto-Unternehmern überlassen wurde, kam
es an einigen Orten zu Vertragsverletzungen. syndicom setzt
sich mit den PeKos für eine Harmonisierung der Regelungen ein.
Immer wieder kam es in der Vergangenheit
vor, dass die Umsetzung des
Gesetzes und der GAVBestimmungen
an die Regionen von PostAuto überwälzt
wurde. Die betroffenen Regionen
haben diese Aufgabe jeweils unterschiedlich
wahrgenommen. In der
Folge ergaben sich massive Unterschiede
in der Umsetzung, die bis heute
weiterbestehen und zur Ungleichbehandlung
der Arbeitnehmenden
bei PostAuto führen.
So zum Beispiel die GAVBestimmung
zur verkürzten Absagezeit bei
geplanten Diensten, welche in der regionalen
Umsetzung durch nicht entschädigte
Bereitschaftsdienste umgangen
wurde. Das ist eine faktische
Verletzung des GAV. Auch wurden Piketteinsätze
geleistet, die für das Fahrpersonal
von PostAuto gar nicht erlaubt
sind.
Personalkommissionen stärken –
Harmonisierung erreichen
syndicom versucht nun, auf nationaler
Ebene engere Leitplanken zu setzen
und die bereits im GAV geregelten
Bestimmungen so zu präzisieren, dass
eine Harmonisierung zwischen den
einzelnen Regionen stattfinden kann.
Gleichzeitig wollen wir die Personalkommissionen
(PeKos) mit spezifischen
Weiterbildungsangeboten stärken
und stehen ihnen für alle Fragen
rund um das Gesetz und die Anwendung
des GAV als Anlaufstelle zur Verfügung.
Denn aufgrund der Bestimmungen
im Arbeitszeitgesetz kommt
den PeKos bei PostAuto eine entscheidende
Rolle zu. Der Arbeitgeber ist
verpflichtet, das Personal vor der endgültigen
Festsetzung der Dienstpläne
und Dienst einteilungen anzuhören.
Ohne Zustimmung des Personals können
auch keine Dienstschichten verlängert,
Pausen gekürzt oder Zuschläge
gestrichen werden.
Verantwortungsvolle Führungspersonen
haben schon längst erkannt,
dass eine starke PeKo das Fundament
eines guten Betriebsklimas ist. Denn
wenn sich die Mitarbeitenden gut vertreten
fühlen, identifizieren sie sich
mit ihrem Arbeitgeber, zeigen mehr
Eigenverantwortung und engagieren
sich im Berufsalltag verstärkt. (Sheila
Winkler)
Fairness fehlt: weil die Gesetze und der GAV unterschiedlich umgesetzt werden. (© Die Post)
syndicom.ch/branchen/ postundfinanzdienstleistungen
18 Arbeitswelt
«Die steigenden Krankenkassenprämien werden bei der
Berechnung der Teuerung nicht berücksichtigt.» Matteo Antonini
Post: Es braucht mehr Lohn
und eine faire Verteilung
Der Auftrag der Sektorkonferenz ist klar: Es braucht zwei
Prozent mehr Lohn und endlich ein faires Verteilsystem
für Lohn erhöhungen. Ansonsten droht ein Kaufkraftverlust,
weil die Teuerung heute falsch berechnet wird.
Bei den Lohnverhandlungen geht es darum, unsere Kaufkraft mindestens zu erhalten. (© syndicom)
Die Erhöhung der Löhne und damit
die Erhöhung oder zumindest die
Garantie der Kaufkraft ist und bleibt
die Hauptaufgabe einer Gewerkschaft.
Wir müssen uns darum kümmern,
dass die Arbeitnehmenden am Ende
des Tages mehr in der Tasche haben.
Aber immer stärker müssen wir auch
auf die Frage der Verteilung der Lohnerhöhung
fokussieren, genauso wie
auf die Sicherstellung, dass vereinbarte
Lohnerhöhungen und deren Verteilung
auch entsprechend durchgesetzt
werden. In den vergangenen Jahren
haben wir sowohl individuelle als
auch generelle Lohnerhöhungen erhalten.
Das ist gerecht, weil alle ihren
Beitrag für die positiven Abschlüsse
der Post geleistet haben. Die Erhöhung
ist allerdings weniger direkt im
Portemonnaie zu spüren, dafür umso
mehr in der Pensionskasse, in welche
der Arbeitgeber jetzt höhere Beiträge
leistet. Das ist eine Erhöhung, von der
insbesondere Teilzeitangestellte und
Junge profitieren.
Transparent und nachvollziehbar
Ein nächstes Ziel muss es sein, die
ungerechte Verteilung innerhalb der
Lohnklassen zu reduzieren. Dafür
müssen wir zuerst einen Mechanismus
finden, mit dem wir diese systematischen
Ungerechtigkeiten überhaupt
erfassen können. Auf dieser
Grundlage werden wir eine Systematik
erarbeiten können, welche auch Vorgesetzte
vor schwierigen Entscheidungen
und in der Folge oft willkürlichen
Verteilungen der Lohnerhöhung bewahrt.
Erst wenn wir ein System haben,
in dem die Erhöhung der Gesamtlohnsumme
der Post nach einem
klaren und transparenten Mechanismus
funktioniert, können wir von
einem Erfolg sprechen. Die Sektorkonferenz
hat in ihrem Verhandlungsmandat
festgehalten, dass zwei Prozent
mehr Lohn und ein fairer
Verteilmechanismus das klare Ziel für
die kommenden Lohnverhandlungen
sind.
Teuerung neu denken
In den Verhandlungen versuchen Arbeitgeber
oft, Lohnerhöhungen mit
dem Verweis auf die fehlende Teuerung
abzuweisen. Das werden wir
auch in den kommenden Monaten
wieder hören. Hier besteht allerdings
ein Konstruktionsfehler in der offiziellen
Teuerungsberechnung. Die ständig
steigenden Krankenkassenprämien
werden beispielsweise gar nicht
berücksichtigt. Es ist an der Zeit, dass
sich dies ändert. (Matteo Antonini)
Alle News der Branche:
syndicom.ch/branchen/logistik
PostFinance verpasst
den Digitalisierungszug,
und das Personal
muss dafür bezahlen
Victoria ist ein schöner Name. Er bedeutet
«Siegerin». Aber manchmal
verbergen sich hinter hübschen Bezeichnungen
auch sehr unschöne Vorgänge.
So finden unter dem klingenden
Namen «Victoria» bei PostFinance
derzeit riesige Umwälzungen statt.
Zu gewinnen gibt es dabei für das Personal
kaum etwas – im Gegenteil:
Eben erst angekündigt wurden die
Standortschliessungen in St. Gallen,
Kriens und Münchenstein. 250 Personen
droht eine Änderungskündigung,
120 Personen sollen ausgelagert werden,
mit massiven Lohneinbussen.
Das ist klassisches Lohndumping und
eine Umgehung des GAV. PostFinance
rennt dem Digitalisierungszug hinterher
und vergisst dabei, das Personal
mitzunehmen.
Die Digitalisierung hat nicht erst
heute begonnen
Jedenfalls werden die Hauruckübungen
im Rahmen des vermeintlichen
Siegeszugs («Victoria») mit der Digitalisierung
begründet. Die kommt allerdings
alles andere als überraschend,
die Umwälzungen begannen
doch schon vor einigen Jahren. Doch
die PostFinanceFührung hat es verpasst,
gemeinsam mit dem Personal
und den Gewerkschaften rechtzeitig
die Folgen dieser Entwicklung zu diskutieren
und gegebenenfalls abzufedern.
Dies muss sich ändern. Die Digitalisierung
muss gemeinsam mit den
Gewerkschaften bewältigt werden.
syndicom hat an allen betroffenen
Standorten zum Konsultationsverfahren,
das jetzt notwendig ist, Versammlungen
durchgeführt und von der Belegschaft
das Mandat erhalten, sich in
ihrem Namen einzubringen. Die Mobilisierung
läuft auf Hochtouren – wir
lassen niemanden im Regen stehen.
(Roland Lamprecht)
Roland Lamprecht ist Zentralsekretär des Sektors
Logistik und betreut die Branche PostFinance.
«Zum Kernbereich der anlaufenden GAV-Verhandlungen gehören auch die Löhne
und Honorare der Medienschaffenden.» Stephanie Vonarburg
19
Die Löhne der
Medienschaffenden:
Wir verdienen mehr!
Das Obligationenrecht erwähnt das
Wort Gesamtarbeitsvertrag über fünfzig
Mal! Dies veranschaulicht die tragende
Rolle, welche dem GAV in der
Schweiz zukommt: Alle Mitglieder der
Verbände – aufseiten der Arbeitgeberinnen
ebenso wie aufseiten der
Arbeitnehmenden – verpflichten sich
in einem kollektiv verhandelten Vertrag,
die Arbeitsbedingungenm branchen
spezifisch zu regeln. Dazu gehört
im Kernbereich auch der Lohn und für
die freischaffenden JournalistInnen,
die in der Regel als unselbstständig erwerbend
gelten, das Honorar.
Denn das Arbeitsentgelt sichert
den angemessenen Lebensunterhalt
der Lohnabhängigen. Es beeinflusst
zudem massgebend die finanzielle
Situation im Alter. Es lohnt sich also,
genau hinzusehen.
Im allzu lange andauernden vertragslosen
Zustand bei den privaten
Medien haben sich die Löhne und insbesondere
die Honorare der Freien
verschlechtert. Lohnumfragen wie
diejenige im Buchhandel (siehe unten)
zeigen: Nur ein GAV mit Mindestlöhnen
hilft einer Branche, die Löhne
trotz Wirtschaftskrise und Strukturwandel
zu entwickeln. Daher gilt auch
in den Medien vor allem eines: Die
Löhne müssen verstärkt thematisiert
werden. Darauf werden wir auch in
den anlaufenden GAVVerhandlungen
der Medienbranche achtgeben.
Stephanie Vonarburg ist Zentralsekretärin für
die Branche Presse und elektronische Medien.
Lohnerhöhungen nur dank GAV
Eine gross angelegte Umfrage unter den Buchhändlern und
Buchhändlerinnen in der Deutschschweiz zeigt, dass Lohnerhöhungen
im Buchhandel nur dort umgesetzt wurden,
wo es der Gesamtarbeitsvertrag verlangt.
Vor zehn Jahren hat syndicom (damals
noch als Mediengewerkschaft comedia)
zum letzten Mal die Löhne im
Deutschschweizer Buchhandel untersuchen
lassen. Ziel der diesjährigen
Studie war es, die Lohnsituation im
Deutschschweizer Buchhandel zehn
Jahre nach der letzten Lohnstudie mit
der Situation von 2007 zu vergleichen.
Dies nicht zuletzt, weil es bei den alljährlichen
Lohnverhandlungen eine
aktuellere Grundlage braucht, mit der
sich die gewerkschaftlichen Forderungen
belegen lassen.
Gerade im Buchhandel ist das jeweils
kein einfaches Unterfangen,
weil sich die Branche seit dem Fall der
Buchpreisbindung und aufgrund des
starken Frankens, vor allem aber wegen
des Siegeszugs mächtiger Onlinehändler
wie Amazon, in einer ernsthaften
Krise befindet.
Die Ergebnisse der diesjährigen
Lohnstudie zeigen im Vergleich mit
der letzten, dass die von syndicom mit
dem SBVV ausgehandelten Lohnabschlüsse
sich vor allem in den ersten
Berufsjahren direkt auswirkten. 60%
der Beschäftigten erhielten in den
letzten zehn Jahren jedoch keine
Lohnerhöhung; für langjährige Angestellte
stagnierten die Löhne, denn
mehr als der in den Lohnrunden 2008,
2009 und 2011 ausgehandelte Teuerungsausgleich
(total 3,2%) schaute
für die meisten nicht heraus. Anzeichen
für zahleiche individuelle
Lohnanpassungen, die oft als Argument
gegen eine generelle Lohnerhöhung
ins Feld geführt werden, können
in der Analyse nicht eruiert werden.
Stagnation bekämpfen
syndicom folgert aus den Erkenntnissen
der Lohnstudie, dass es nur dank
den GAVMindestlöhnen und den
jähr lichen Lohnrunden zwischen
2007 und 2017 überhaupt eine Lohnentwicklung
in der Branche gab. Dazu
kommt, dass die Mindestlöhne erst
mit über zehn Jahren in der gleichen
Buchhandlung oder frühestens im Alter
von 35 Jahren spürbar übertroffen
werden. Wir schliessen daraus, dass
für die Erzielung einer kontinuierlichen
Lohnentwicklung die Einführung
von weiteren Mindestlöhnen,
z. B. ab dem 7. und 10. Berufsjahr, erforderlich
ist. Dafür werden wir uns
in den nächsten GAVVerhandlungen
einsetzen. (Roland Kreuzer)
Die Löhne im Buchhandel sind tief und bewegen sich nur dort, wo der GAV greift. (© syndicom/Yves Sancey)
syndicom.ch/branchen/buch
20 Arbeitswelt
«Chancen und Risiken liegen beim Umgang mit
künstlicher Intelligenz nahe beeinander.» Giorgio Pardini
Sinkende Löhne dienen
den Rechtspopulisten
Eine US-Studie zeigt, dass sich die Löhne seit Jahrzehnten
im Sinkflug befinden. Sozialer Abstieg befeuert Ressentiments.
Kein Wunder, erleben die Rechtspopulisten einen Höhenflug.
Gewerkschaftsdemo in Detroit: Die wirtschaftliche Erholung ist nur Schein. (© Keith Douglas/Alamy Stock Foto)
1973 verdiente ein Vollzeit arbeitender
USAmerikaner durchschnittlich
54 030 Dollar im Jahr. 2016 waren
es inflationsbereinigt nur noch
51 640 Dollar. Das Durchschnittseinkommen
sank also um 2390 Dollar.
Dieser Bericht aus der «New York
Times» stützt sich auf eine neue Studie
aus den USA, mit der die lebenslangen,
realen Arbeitseinkommen von
mehreren Hundert Millionen Amerikanerinnen
und Amerikanern im Zeitraum
von 1957 bis 2013 miteinander
verglichen wurden.
Die Studie zeigt, dass bis in die späten
1960erJahre bei Männern das lebenslange
mittlere Arbeitseinkommen,
das sie zwischen ihrem 25. und
55. Altersjahr erzielten, von Jahrgang
zu Jahrgang gestiegen war. In den
Anfängen des Neoliberalismus, in den
späten 1960erJahren, stoppte dieser
Wachstumsprozess. Seither sinken
die lebenslangen Arbeitseinkommen
von Jahrgang zu Jahrgang. Für rund einen
Fünftel der Beschäftigten sieht es
besser aus. Kombiniert mit der Zunahme
der Vollzeitbeschäftigung steigen
darum die Haushaltseinkommen in
den USA in den offiziellen Statistiken.
Kein Wunder misstrauen viele
Menschen in den USA den offiziellen
Statistiken. Wer von Jahr zu Jahr weniger
zum Leben hat und für seine Kinder
keine Perspektive sieht, verliert
den Glauben in Politik und Behörden
– und wird anfällig für populistische
Forderungen. Einige neigen zu
Links populismus, in den USA verkörpert
durch Bernie Sanders. Noch stärker
profitieren aber die rechtspopulistischen
Bewegungen rund um den
Präsidenten Donald Trump.
Perspektive schützt vor Populismus
Rechtspopulisten können sich nun
sagen, in dem Fall brauche man nur
die Löhne zu senken – und schon gewinnt
man Wahlen. Dieses Rezept
mag für eine gewisse Zeit aufgehen.
Doch die Geschichte zeigt uns, dass
letztlich alle verlieren. Denn der
Rechtspopulismus als Vorstufe zum
Rechtsradikalismus macht vor nichts
halt. Am Ende dieser Entwicklung
stehen wir vor Trümmern.
Wer seine Werte über Generationen
erhalten und vermehren will,
sollte deshalb mit den Gewerkschaften
zusammenspannen. Denn solange
die Arbeitseinkommen die Menschen
einigermassen zufriedenstellen
und ihnen Perspektiven bieten, hat
der Populismus keine Chance. (Franz
Schori, Zentralsekretär Sektor ICT)
Mehr Studien über die Einkommensverhältnisse
in den USA: confrontingpoverty.org
Transparenz
bei künstlicher
Intelligenz
Wer sich heute auf der Website von
PostFinance über deren Dienstleistungen
informieren will, trifft auf
einen digitalen Assistenten. Freundlich
empfängt dieser den Kunden:
«Guten Tag, ich bin Ihr digitaler Assistent
und lerne laufend dazu. Wie kann
ich Ihnen helfen?» Wir sind in einem
Dialog mit der Maschine, tippen unsere
Frage ein und erhalten blitzschnell
eine professionelle Antwort. Dies ist
angewandte künstliche Intelligenz
(KI), im Fachjargon Chatbot genannt.
Mit unseren Fragen an die KI lernt
diese laufend dazu und erweitert so
ihr «Wissen».
In unserem Alltag treffen wir bewusst
oder unbewusst immer öfter auf
die künstliche Intelligenz. Chancen
und Risiken der KI liegen sehr nahe
beieinander. Bei einem angemessenen
Einsatz von KI zum Schutz der
Mitarbeitenden und zur Steigerung
der Produktivität überwiegen sicher
die Chancen.
Doch dies setzt Transparenz voraus,
damit wir wissen, mit wem wir es
zu tun haben. Darüber hinaus ist die
zentrale Frage zu beantworten, auf
welcher Basis die KI Entscheidungen
fällt? Der Entscheidungsprozess muss
aufgezeichnet werden und zurückverfolgbar
sein. Denn die Ethik, auf der
moralisches Handeln basiert, muss
für die KI genauso gelten wie für den
Menschen.
Giorgio Pardini ist Leiter des Sektors ICT
und Mitglied der syndicomGeschäftsleitung.
Neu müssen Vorgesetzte bei Sunrise jetzt begründen,
weshalb sie ein Gesuch um Weiterbildung nicht gewähren.
21
SunriseHauptsitz bei Nacht: Ausserhalb der Arbeitszeiten müssen SunriseMitarbeitende jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen. (© Bruno Helbling)
Der erneuerte GAV Sunrise
enthält erste Regelungen
zur Digitalisierung
Mit dem erneuerten Gesamtarbeitsvertrag (GAV) bei Sunrise
gelingt es syndicom, erste Pflöcke zur Digitalisierung der
Arbeitswelt einzuschlagen. Nur sozialpartnerschaftliche
Regelungen ermöglichen es, der Digitalisierung der Arbeitswelt
rasch die soziale Verantwortung einzuimpfen. Ansonsten droht
der Fortschritt auf Kosten der Arbeitnehmenden zu gehen.
Was in der konstruktiven Sozialpartnerschaft
mit Sunrise erstmals gelungen
ist, wollen wir nun in weitere GAV
tragen. Dazu gehört das Recht auf
«Abschalten»: Die zunehmende Flexibilisierung
der Arbeit erhöht die psychische
Belastung am Arbeitsplatz.
Besonders, wer über technische Geräte
immer mit der Arbeit verbunden ist,
hat Mühe, «abzuschalten» und sich zu
erholen.
Auch für Sunrise ist die Erholungszeit
ihrer Mitarbeitenden wichtig, sodass
Sunrise bei diesem Thema rasch
bereit war, am Verhandlungstisch
neue Wege zu finden. Dank dem GAV
haben SunriseMitarbeitende nun das
Recht auf «Abschalten»: Sie müssen
ausserhalb der vereinbarten Arbeitszeit
für ihren Arbeitgeber nicht mehr
erreichbar sein.
Aus- und Weiterbildung stärken
In der digitalen Wirtschaft können
sich die Anforderungen an die Arbeit
rasend schnell verändern. Deshalb betonen
auch Arbeitgeberverbände die
zunehmende Wichtigkeit des lebenslangen
Lernens. Sunrise ist der erste
Sozialpartner von syndicom, der sich
offen gezeigt hat, die Aus und Weiterbildung
seiner Mitarbeitenden im
GAV zu stärken. So haben die Mitarbeitenden
bei Sunrise neu einen expliziten
Anspruch auf Aus und Weiterbildung.
Damit drehen wir den Spiess
um. In Zukunft müssen die Vorgesetzten
begründen, weshalb sie im Einzelfall
keine Weiterbildung zugunsten
der Arbeitsmarktfähigkeit gewähren
wollen.
Grosszügige Urlaubsregelungen
Für Mitglieder des syndicomFirmenvorstands
bei Sunrise ist der weitreichende
Kündigungsschutz von herausragender
Bedeutung. Weiter
ver fügen alle aktiven syndicomMitglieder
über fünf bezahlte Urlaubstage
pro Jahr für die Teilnahme an
gewerkschaftlichen Konferenzen und
drei bezahlte Urlaubstage für ihre gewerkschaftliche
Ausbildung. Auch die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
wird immer wichtiger. Im erneuerten
GAVSunrise konnten nun der Mutterschafts
und der Vaterschaftsurlaub
verlängert werden. Ausserdem erhalten
die Eltern bei Sunrise Unterstützung
bei der Kinderbetreuung.
Mit den Neuerungen im GAV
nimmt Sunrise ihre Arbeitgeberrolle
verantwortungsvoll wahr. Wir sind
überzeugt davon, dass weitere Unternehmen
diesem Beispiel folgen werden.
So können wir Schritt für Schritt
dazu beitragen, dass die digitale Umgestaltung
der Arbeitswelt mit sozialer
Verantwortung erfolgt und damit
auch von den Beschäftigten mitgetragen
wird. (Christian Capacoel)
syndicom.ch/branchen/telecom/sunrise
22 Politik
syndicom ist
im Aufbruch
Daniel Münger (56) leitete ab
2015 den Sektor Logistik und
ist Mitglied der syndicomGeschäftsleitung.
Jetzt hat ihn
der Zentralvorstand zum
Kandidaten für das Präsidentenamt
bestimmt (das Interview
fand vor dem Kongress
statt). Der gelernte Metallbauschlosser
und Fernmeldetechniker/Bauleiter
arbeitet seit 1996 für die
Gewerkschaften, ab 2009 als
Zentralsekretär im Sektor
IT/Telecom von syndicom.
Seither haben sich die Arbeitswelt
und das wirtschaftliche
Umfeld für die syndicomBerufe
grundlegend
gewandelt.
Interview: Bo Humair
Bild: Sam Buchli
Gewerkschaften sind lebendige
Wesen. Sie verändern sich. syndicom
ist seit 2010 zur Netzwerk und
Mediengewerkschaft zusammengewachsen.
Mit allen Erschütterungen
und Erfolgserlebnissen eines
solchen Prozesses. Heute erzwingt
der digitale Umbau, der immer
mehr die Wucht einer vierten industriellen
Revolution annimmt, eine
intensive strategische Neuausrichtung.
Daniel Münger, Mitglied der
Geschäftsleitung*, skizziert ihre
Konturen.
syndicom: Unsere Gewerkschaft
sei im Aufbruch, haben Sie kürzlich
gesagt. Wohin bricht sie denn auf?
Daniel Münger: In jüngerer Zeit
haben wir uns zu oft mit uns selbst
beschäftigt. Jetzt ist gut damit.
Die Gewerkschaft muss wieder
dahin, wo sie hingehört. Das wird
uns einige Anstrengung kosten.
Wir sind auf dem Weg ...
... zurück zu den gewerkschaftlichen
Fundamenten?
Nicht nur. Wir sind die Organisation
der Arbeitenden in der Logistik,
in der ICT, in den Medien. Die
Arbeitenden schaffen den Wert,
den Wohlstand. Also sollen sie ihre
Arbeitsverhältnisse mitbestimmen
können. Wir sind also eine Selbstorganisation.
Als Sozialpartnerin
in diversen Branchen und Betrieben
haben wir für gute Gesamtarbeitsverträge,
gute Löhne, faire Bedingungen
und mehr zu sorgen. Das
tun wir jeden Tag, das ist die Basis.
Aber darüber hinaus müssen die
Arbeitenden ein starkes Wort bei
der Ausgestaltung der Zukunft
haben. Wir sind in der digitalen
Welt angekommen. Diese vierte
industrielle Revolution wird unsere
Arbeit und unser Leben verändern.
Doch wir stehen an ihrem Beginn,
und sie ist noch formbar. Darum ist
es für die Arbeitenden entscheidend,
den digitalen Umbau offensiv
mitzu gestalten.
Was kann da mitgestaltet werden?
Wird die Digitalisierung nicht
einfach von der technischen
Innovation getrieben?
Die Technik ist ein wichtiger
Treiber. Aber die Vorstellung, der
technische Sachzwang bestimme,
wie wir künftig arbeiten und leben,
ist falsch. Jene, die entscheiden,
wo investiert wird, handeln nach
ökonomischen Kriterien ...
Gemacht wird, was Gewinn bringt?
Genau. Und das bedeutet zweierlei:
Erstens wird zuerst digitalisiert,
wo kurzfristig gespart werden kann,
also bei der Arbeit. Viele Jobs sind
in Gefahr. Wir von syndicom haben
Erfahrung mit der Jobvernichtung
durch Digitalisierung, weil sie
schon vor vielen Jahren in Druck
und Medien Einzug gehalten hat.
Und zweitens werden viele Chancen
der Digitalisierung so vergeben.
Da müssen wir nachfragen: Von
welchen Chancen sprechen Sie?
Das Mögliche zu sehen, ist entscheidend,
will man es möglich machen.
Eine technischökonomische Umwälzung
wie die Digitalisierung
kann eine Gesellschaft hervorbringen,
in der die erwarteten hohen
Produktivitätsgewinne für Arbeitszeitverkürzungen
genutzt werden,
in der schwere oder stupide Arbeiten
von Maschinen erledigt werden
und in der die Menschen mehr
Freizeit und die Möglichkeit haben,
sich weiterzubilden und zu entfalten.
Arbeit 4.0, wie wir das nennen,
kann uns von vielen Zwängen
befreien. Aber sie kann uns auch in
eine verarmte HeimarbeitendenGesellschaft
ohne korrekte Arbeitsverträge
und GAV, ohne Arbeitsschutz
und Solidarität führen. In die totale
Uberisierung, mit vielen Scheinselbstständigen,
die auf Abruf
arbeiten, schlecht bezahlt sind
und keine soziale Sicherheit mehr
kennen.
Heute scheint das pessimistische
Szenario realistischer. Seit einiger
Zeit schon versuchen die Arbeitgeber,
die Arbeitszeit zu entgrenzen
«Die Digitalisierung kann uns von vielen Zwängen befreien. Aber sie kann uns auch in eine
verarmte HeimarbeitendenGesellschaft ohne korrekte Arbeitsverträge und GAV, ohne Arbeitsschutz
und Solidarität führen. (...) Deshalb müssen wir entschieden für die bessere, die soziale
Digitalisierung kämpfen. Wir können das.»
23
«Die Stärke
einer Gewerkschaft
sind
zuerst ihre
Mitglieder,
ihre Vertrauensleute
und die innere
Demokratie.»
und die Arbeitsverträge aufzuweichen
...
Das geschieht, wenn wir diese
wichtigen Entscheide den Aktionären
und ihren Politikern überlassen.
Nicht aber, wenn wir entschieden
für die bessere, die soziale Digitalisierung
kämpfen. Wir können das.
Wir haben erste Lösungen entworfen.
Zum Beispiel die Verankerung
des Rechts auf Arbeit und den universellen
Arbeitsvertrag. Wir verlangen
die Kontrolle des digitalen
Taylorismus am Arbeitsplatz. Ein
Recht auf lebenslange Bildung.
Oder einen digitalen Service public.
Die Digitalisierung verändert also
auch die Gewerkschaft: syndicom
erweitert ihr gewerkschaftliches
Mandat?
Das ist zwingend. Die Arbeitenden
und ihre Organisationen müssen
in die gesellschaftliche Debatte
eingreifen. Schliesslich geht es
darum, wie wir leben und arbeiten
werden. Gute Digitalisierung
braucht öffentliche Verhandlung,
sozialpartnerschaftliche Abstimmung
und eine starke, steuernde
öffentliche Hand. Die Rechte der
Arbeitenden müssen gesichert und
verstärkt werden. In den nächsten
Jahren stehen diverse Gesamtarbeitsverträge
zur Neuverhandlung
an. Dabei werden wir unsere Forderungen
für die Arbeit 4.0 auf den
Tisch legen. Doch darüber hinaus
wollen wir unseren Zielen auch
öffentlich und politisch Nachdruck
verleihen. Ich erwarte harte Auseinandersetzungen
um die Arbeitszeit,
die Datenhoheit und den Arbeitsvertrag.
Wir wappnen uns dafür.
Wird syndicom sich durchsetzen
können? Was zum Beispiel mit
den Poststellen geschieht, macht
uns wenig zuversichtlich.
Das wird sich weisen. Unsere
Kampagne nimmt Fahrt auf. Sogar
das Parlament sieht heute dringenden
Handlungsbedarf, und das ist
eine Folge der Kampagne. Wir
wollen möglichst viele Poststellen
erhalten. Den das Poststellennetz
steht für die Zukunft der Post in
der digitalisierten Welt und wir
wollen, dass die Struktur, die übrig
bleibt, so stark ist, dass sie nachhaltig
Bestand hat. Nur Nein zu
sagen, führt zu Auslagerungen oder
zum langsamen Sterben. Unser
Ziel ist, dass die Post ihre Zukunft
mit uns, mit den Arbeitenden
zusammen entwickelt.
Wie stellt sich syndicom für die
Konflikte auf, die Sie erwarten?
Oder konkreter gefragt: Was steht
im Programm des designierten
Präsidenten?
syndicom gewinnt, wenn wir sämtliche
Gremien und alle Beteiligten
weit stärker in die Entscheidungsprozesse
einbinden. Möglichst viele
Mitglieder sollen an der Entwicklung
unserer Ziele, Strategien und
Aktionen teilhaben. Die Stärke einer
Gewerkschaft sind zuerst ihre Mitglieder,
ihre Vertrauensleute, die
innere Demokratie und ihr Zusammenhalt.
Ich habe die Gewerkschaft
eine «Selbstorganisation der Arbeitenden»
genannt. Das ist genau der
Punkt. Heute sieht das auch eine
starke Mehrheit der Leute im Profi
Apparat von syndicom genau so.
Stark ist eine Gewerkschaft, wenn
sie viele Mitglieder hat. Was sagen
Sie einem Mann oder einer Frau
mit höherer Qualifikation, um sie
oder ihn für die Gewerkschaft zu
gewinnen?
Früher gab es in den Gewerkschaften
diese Thematik Blue Collar
gegen White Collar, Produktionsarbeitende
gegen Angestellte.
Tempi passati! Die Unterschiede
verwischen sich. Auch höher
Qualifizierte sind heute ständig
wechselnden Qualifikationen,
neuen Jobprofilen, Re und Umorganisationen,
Berufswechseln,
Lohndruck, längeren Arbeitszeiten
und deren gesundheitlichen Folgen
ausgesetzt. Ich denke, es setzt
sich immer stärker das Verständnis
durch, dass wir nur gemeinsam
unsere Interessen als Arbeitnehmende
durchsetzen können. Und
ich habe keine Zweifel, dass syndicom
auch für diese Kolleginnen und
Kollegen immer attraktiver wird. In
unserer Mitgliedschaft ist ein hohes
Wissen und Können versammelt.
Das zeigt sich etwa in der Qualität
unserer Vorschläge und Forderungen
für die Arbeit 4.0.
* Das Interview fand vor dem syndicom
Kongress statt. Zu diesem Zeitpunkt
war Daniel Münger einziger Kandidat
für das Präsidium der Gewerkschaft.
syndicom.ch/digitalisierung
24
Recht so!
Fragen an den syndicom-Rechtsdienst:
Ich kontaktiere Sie, weil ich mit meinem Lohn unzufrieden
bin: Ich verdiene als gelernte Buchhändlerin (30-jährig,
fünf Jahre Berufserfahrung) in einer grösseren Buchhandels
kette (Mitglied des Schweizer Buchhändler- und
Verleger-Verbandes) seit meiner Anstellung vor fünf Jahren
denselben Lohn und frage mich, ob dies zulässig ist.
Können Sie mir mitteilen, ob und wie das Gesetz die
Lohnhöhe regelt und ob ich nach all den Jahren meiner
Anstellung das Recht auf eine Lohnerhöhung habe?
Ausserdem finde ich meinen Lohn recht mager. Sofern das
Gesetz keine Vorgaben zur Lohnhöhe macht, würde mich
darum interessieren, ob ausserhalb des Gesetzes solche
Vorgaben existieren, welche mein Arbeitgeber einhalten
muss. Ich gehe zudem davon aus, dass Sie die Durchschnittslöhne
im Buchhandel kennen, und würde gerne
von Ihnen wissen, ob Sie meinen Lohn (49 400 Franken
im Jahr bei einem Beschäftigungsgrad von 100%) als
angemessen erachten.
Falls Sie den Lohn als zu tief einschätzen, wie kann
ich vorgehen, um den mir zustehenden Lohn zu erhalten?
Ich bin sehr gespannt auf Ihre Antworten.
Freundliche Grüsse
Frau E. M. aus T.
Antwort des syndicomRechtsdienstes
Im Gesetz steht zur Lohnzahlungspflicht
bloss, dass die Arbeitgeberin
dem/der Arbeitnehmenden den Lohn
zu entrichten hat, der verabredet oder
üblich, durch Normalarbeitsvertrag
oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt
ist (Art. 322 Abs. 1 OR). Im Gesetz
wird also kein Minimal oder Durchschnittslohn
definiert, sondern in
erster Linie auf die Vereinbarung –
d. h. den Arbeitsvertrag – verwiesen.
Lohn ist also Verhandlungssache.
Sofern keine Lohnhöhe definiert
wurde, ist der für die betreffende
oder vergleichbare Tätigkeit übliche
Lohn zu bezahlen. Ein gesetzlicher
Anspruch auf Lohnerhöhung existiert
nicht.
Da ich Ihren Arbeitsvertrag und ein
allfällig geltendes Reglement nicht
kenne, kann ich nicht beurteilen,
ob Ihr Lohn vertragskonform ist. Da
Ihr Arbeitgeber Mitglied des SBVV
ist, gilt für Ihr Arbeitsverhältnis der
Gesamtarbeitsvertrag für den Buchhandel
der deutschsprachigen
Schweiz. Diesen GAV hat syndicom
mit dem SBVV verhandelt. Jährlich
werden zwischen den Sozialpartnern
dieses GAV die Mindestlöhne ausgehandelt.
Bei Ihrer Berufserfahrung
beträgt der Mindestlohn zurzeit
54 210 Fr. pro Jahr bei 100%. Ihr Lohn
liegt also unter dem Mindestlohn!
Diesen muss der Arbeitgeber zwingend
bezahlen (auch rückwirkend).
Um Ihnen die Frage nach dem
angemessenen Lohn beantworten zu
können, brauchen wir mehr Informationen
wie Erfahrungen, Sprachkenntnisse,
Arbeitsregion, Stellenanforderungen,
Lohnsystem etc. Der
Schweizerische Gewerkschaftsbund
stellt auf seiner Website einen
Lohnrechner zur Verfügung, wo
Sie Anhaltspunkte zur Lohnhöhe
erhalten können. Kontaktieren
Sie zudem unsere erfahrenen JuristInnen,
welche Sie gerne beraten
und, falls gewünscht, auch zu der
Verhandlung mit Ihrem Arbeitgeber
begleiten.
syndicom.ch/recht/rechtso
1000 Worte
Max Spring
25
26 Freizeit
Tipps
100 Jahre Landesstreik:
Ursachen, Konfliktfelder, Folgen
Eine historische Tagung
für alle Interessierten
Mittwoch, 15. November 2017
9.15–17.00 Uhr
Hotel National, Bern
Anmeldung:
www.generalstreik.ch
Weiterbildung: Wie kommen
«gerechte Löhne» zustande?
100 Jahre
Landesstreik!
Lohn, Honorar, Salär: ein Grundthema
der Gewerkschaften. Nicht
nur in den GAVVerhandlungen
und in der Rechtsberatung unserer
Mitglieder, beim Aushandeln von
Sozialplänen oder in den Diskussionen
rund um den Kampf gegen
die Lohndiskriminierung, auch
in zahlreichen Weiterbildungskursen
der Gewerkschaften dreht sich
alles ums liebe Geld und die Frage,
wie man für seine Arbeit gerecht
entschädigt wird.
Im vergangenen Oktober erhielten
festangestellte und freischaffende
syndicomMitglieder wertvolle
Tipps zum Aushandeln besserer
Löhne und Honorare. Das Feedback
der 20 KursteilnehmerInnen war
jedenfalls einhellig begeistert. Im
November veranstaltet Movendo,
das Bildungsinstitut der Gewerkschaften,
einen Kurs, der sich mit
rechtlichen Grundfragen rund ums
Thema Lohn befasst. Die Teilnehmenden
erfahren darin, wie der
Lohn zustande kommt und aus
welchen Bestandteilen er sich zusammensetzt,
und was die Faktoren
sind, die einen gerechten Lohn
überhaupt erst möglich machen,
sie analysieren ihre eigenen Arbeitsverträge
und können dann auch
fundiert beurteilen, inwieweit das
Gleichstellungsgesetz bezüglich der
Lohnfrage umgesetzt wurde. Und
natürlich erhalten sie auch Tipps,
wie sie ihr Wissen bei den nächsten
Salärverhandlungen gewinnbringend
einsetzen können. (nsc)
«Wie ein gerechter Lohn zustande kommt»,
Movendokurs D2.2.1702: 20. November
2017 in Zürich, 390 Franken. syndicom
Mit glieder Ermässigung oder gratis. Das
komplette Kursangebot und die Anmeldeformulare
finden sich auf movendo.ch.
100 Jahre Generalstreik
Eine historische Tagung
Im November 2018 jährt sich die
grösste Massenstreikbewegung der
Schweizer Geschichte zum 100. Mal.
250 000 ArbeiterInnen folgten dem
Streikaufruf. Das Oltner Aktionskomitee
forderte unter anderem den
Achtstundentag und das Pro porzwahlrecht,
das Frauenstimmrecht
sowie eine Alters und Invalidenversicherung.
Der Streik wurde abgebrochen,
ohne dass die Forderungen
erfüllt waren. Denoch kam es in
der Folge zu Fortschritten bei den
Arbeitsbedingungen, in der Sozialpolitik
und bezüglich der politischen
Teilhabe. In den kommenden
Wochen und Monaten wird es
zahlreiche Jubiläumsveranstaltungen
geben. Den Auftakt macht am
15. November die Tagung des
Schweizerischen Gewerkschaftsbunds
(SGB) in Bern. Sie zeigt den
aktuellen Forschungsstand auf und
bietet eine Plattform für alle Interessierten,
sich mit HistorikerInnen
darüber auszutauschen. Neben den
Ursachen und damaligen Konflikten
soll es auch um die Frage nach dem
Erbe des Generalstreiks gehen und
um seine Auswirkungen bis heute.
Mit Silvia Arlettaz, Bernard
Degen, Pierre Eichenberger, Dore
Heim, Annette Hug, Elisabeth Joris,
Hans Ulrich Jost, Stefan Keller,
Christian Koller, Maria Meier, Marc
Perre noud, Paul Rechsteiner,
Roman Rossfeld, Andreas Thürer,
Rebekka Wyler und Adrian Zimmermann.
(red)
15. November 2017, Hotel National, Bern.
Alle Veranstaltungen: Generalstreik.ch
Buchtipp: «Staatenlos»
In ihrem dritten Buch hat Shumona
Sinha an Intensität zugelegt.
«Staatenlos» ist noch erschreckender,
noch aufwühlender als seine
Vorgänger. Ein Roman, der mich an
Grenzen führt. Er erzählt von drei
Frauen, die einer unerschütterlich
scheinenden männlichen Ordnung
gegenüberstehen, sich aber mit
aller Kraft dagegen wehren. Ob in
Paris oder Kalkutta, das Gefühl der
Heimatlosigkeit der drei gleicht
sich. Wir erfahren von Mina, einer
Analphabetin in der bengalischen
Provinz, die von ihrem Cousin
schwanger wird und weiss, dass
man ihr nie erlauben wird, ihn zu
heiraten. Sie begegnet Marie, die
durch Indien reist, um ihrer Herkunft
auf die Spur zu kommen.
Als Baby von Franzosen adoptiert,
sucht sie heute Halt in politischen
Aktionen. Die dritte der Frauen
heisst Esha und ist das Alter Ego
der Autorin. Sie stammt aus intellektuellen
Kreisen in Kalkutta und
ist der französischen Sprache wegen
nach Paris gezogen. Ihr Bestreben,
im Gastland die Staatsbürgerschaft
zu erhalten, wird zum Albtraum,
sieht sie sich doch mit Rassismus
und Frauenhass konfrontiert.
Sinhas Sätze wirken bisweilen wie
Schreie, die Geschichten überlagern
sich und verknoten sich ineinander.
Ein unbequemes Buch, das Fragen
zur Gewalt im Alltag stellt. (Christine
Hunziker)
Shumona Sinha, «Staatenlos»
Edition Nautilus 2017, 160 S., ca. Fr. 28.90,
ISBN 9783960540472
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Begegnungen an der «Journée de la typographie» vom 30.9. in Nyon und am «Tag
der Typografie» vom 9.§9. in Biel, die beide seit 1989 von syndicom mit organisiert
werden. Fachleute und Studierende aus der visuellen Kommunikation treffen
sich zu Vorträgen und Workshops mit internationaler Ausstrahlung.
2
3
1
5
4
15 Journée de la typographie, Nyon (© PierreAntoine Grisoni, Strates.ch) 69 Tag der Typografie, Biel (© František Matouš)
29
6
8
7
9
30
Aus dem
Leben von ...
Patrizia Pfenninger
Der Wert einer Idee
Die in Zürich geborene und im Tessin
aufgewachsene Patrizia Pfenninger
erwarb 2003 ein Diplom in angewandter
Kunst an der Tessiner Kunstgewerbeschule
CSIA und 2006 einen Abschluss
in visueller Kommunikation an der
SUPSI in Lugano. Neben ihrer selbstständigen
Tätigkeit erwarb sie danach
ein Diplom als Marketingspezialistin
und einen Master in Interaction Design.
Seit 2016 ist sie Präsidentin des
Branchenvorstands Visuelle Kommunikation
der Sektion Tessin und Moesano.
Text: Giovanni Valerio
Bild: Flavia Leuenberger Ceppi
Es geht mir um den
Wert geistiger Arbeit.
«Der Bereich Kommunikation und
Design ist eine faszinierende Welt,
in der man eine Dienstleistung
anbietet, die aus einem kreativen
Teil und einem beratenden Aspekt
besteht. Der Ausgangspunkt ist
jedoch immer eine Idee. Deshalb
habe ich die Plastik IDEA geschaffen,
bei der die vier Buchstaben aus
100Euro Scheinen bestehen. Das
Konzept ist einfach: Kreative
Menschen haben Ideen, und diese
schöpfen Wert, auch finanziellen.
Die dreidimensionale Gestaltung
des Wortes mit Geld ist eine Aufforderung,
sich unmit telbarer der
kulturellen Seite und des Wertes
des Projekts bewusst zu werden.
Die Plastik wurde letztes Jahr im
Rahmen von «Communico», dem
von unserer Sektion organisierten
Tag des Designs und der visuellen
Kommunikation, präsentiert. Damit
begann ein Weg, der mich quer
durch Italien, von Turin bis Neapel,
führte. Mein Auftritt löste jedes Mal
Diskussionen über den ökonomischen
Wert geistiger Arbeit aus. Wer
behauptet, von Kultur müsse man
nicht leben können, vergisst, dass
intellektuelle Berufe Umsatz und
Beschäftigung generieren. Das ist
ein typisches Gewerkschaftsthema.
Schon als Studentin bin ich der
Gewerkschaft beigetreten, und seit
2016 engagiere ich mich als Präsidentin
des Branchenvorstands
Visuelle Kommunikation. Oft habe
ich ein Unbehagen gespürt und die
Erfahrungsberichte von Kolleginnen
und Kollegen gehört, die nicht angemessen
bezahlt wurden. Wir stecken
in einer Krise, aber ich empfinde
die Krise als Wendepunkt und als
Chance zur Entwicklung. Wir
müssen reagieren!
Was die Digitalisierung angeht,
bin ich überzeugt, dass die Technologie
die Prozesse vereinfacht. Aber
Maschinen können den Geist nicht
ersetzen. Hinter allem stehen der
Mensch und seine Kreativität. Ich
habe nie aufgehört, zu erforschen,
zu lernen und Neues zu entdecken.
So habe ich beispielsweise in Miami
eine Schulung zu Mind Mapping
absolviert. Diese Technik ist in verschiedenen
Bereichen sehr hilfreich
und kann für die Planung
von Kon ferenzen, die Ausarbeitung
von Projekten, die Strukturierung
der Gedanken und auch zum Lernen
eingesetzt werden. Das ist perfekt
für mich, denn ich liebe es, mit
dem Kopf und den Händen etwas
zu erschaffen!
Als Kind steckte ich immer
zwischen den Herden des Restaurants
meiner Familie am Zürichsee.
Das Restaurant hatte meine Grossmutter
(eine leidenschaftliche Bildhauerin)
gegründet, und bis vor
wenigen Jahren war mein Vater der
Küchenchef. Ich bin ohne Zeitpläne
aufgewachsen und lebe noch heute
als Selbstständige so. Bis vor einigen
Jahren hatte ich ein festes Atelier,
aber inzwischen lasse ich mich
ganz auf die Welt meiner Kunden
ein und arbeite dort. Heute bin
ich überzeugt, dass das die richtige
Daseins und Arbeitsweise ist.»
indica.ch
Impressum
Redaktion: Marie Chevalley, Giovanni Valerio,
œil extérieur: Nina Scheu
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Porträts, Zeichnungen: Katja Leudolph
Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg
Layout und Korrektorat: Stämpfli AG, Bern
Druck: Stämpfli AG, Wölflistrasse 1, 3001 Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Abobestellung: info@syndicom.ch
Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für
Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Ausgabe Nr. 3 erscheint am 26. Januar 2018
Redaktionsschluss: 4. Dezember 2017.
31
Das syndicom-Kreuzworträtsel
Zu gewinnen gibt es eine Hotelcard,
gültig für ein Jahr, gespendet von
unserer Dienstleistungspartnerin
Hotelcard. Das Lösungswort wird in
der nächsten Ausgabe zusammen mit
dem Namen der Gewinnerin oder des
Gewinners veröffentlicht.
Lösungswort und Absender auf einer
A6-Postkarte senden an: syndicom-
Magazin, Monbijoustrasse 33, Postfach,
3001 Bern. Einsendeschluss: 20. Dez. 17.
Der Gewinner
Die Lösung des syndicom-Kreuzworträtsels
aus dem syndicom-Magazin Nr. 1
lautet: WEMAKEIT. Gewonnen hat
Teddy Zigerli aus Biel/Bienne. Er erhält
ein praktisches Cold Pack von unserer
Dienstleistungs-partnerin KPT.
Wir gratulieren herzlich!
Was läuft bei den Pensionierten?
Das neue syndicom-Magazin erscheint heute zum zweiten Mal, die neue Webseite ist online.
Nun können wir euch auch über die Umsetzung des «Extrablatts» für die RentnerInnen informieren.
Bald steht uns wieder eine Papier-Publikation mit spezifischen
Inhalten für die RentnerInnen zur Verfügung, wie von vielen
gewünscht! Es wird eine Beilage zum syndicom-Magazin geben,
ein «Extrablatt». An der 7. Retraite des Nationalvorstandes
der IG Pensionierte am 25. Oktober in Bellinzona sind die Details
festgelegt worden.
Dies sind die Eckdaten:
• Erscheinungsweise flexibel bis zu 6-mal jährlich,
je nach Menge des eingesandten Materials
• Umfang flexibel: 2, 4, 6 oder 8 Seiten
• alle drei Landessprachen werden in einer Ausgabe vereint
• Die erste Nummer ist für Anfang 2018 angedacht
Es hat sich eine Redaktionsgruppe gebildet, welche in
freiwilligem Engagement die Zusammenstellung der Texte
und Bilder übernimmt.
Bitte beachtet, dass vorerst keine Einladungen im Magazin
untergebracht werden können. Bis das «Extrablatt» steht, bitten
wir euch, die aktuellen Einladungen weiterhin über den
zentralen Monatsversand zu verbreiten. Hier die aktuellen
Infos zum Vorgehen Monatsversand:
• Mailadresse bleibt gleich: redaktion@syndicom.ch
• Nur Einladungen senden, keine Berichte! Berichte vorläufig
nur aufs Internet!
• Die Einsendungen werden nicht gekürzt!
• Einsendeschlüsse: einsenden bis Ende des Vormonats.
Der Versand ist Mitte Monat bei den Leuten, spätestens am 15.
• Im Januar hat man eine Woche länger Zeit, einsenden
bis 8. Januar, bei den Leuten am 26. Januar 2018.
Wir hoffen auf euer Verständnis, danken für eure Geduld und
freuen uns auf die neue Publikation für die RentnerInnen.
32 Inter-aktiv
syndicom social
Warum Web first
Big Data am Arbeitsplatz –
Datenschutz und Datendemokratie
Wem gehören die Daten im Zeitalter von
Big Data? Wie können wir sicherstellen,
dass die Daten den Menschen nützen?
Und wie den Schutz persönlicher Daten
am Arbeitsplatz verbessern und ausbauen?
In einer digitalen Wirtschaft sind
Datenschutzbedürfnisse zu achten und
das Datenbewusstsein zu stärken.
Der Zentralvorstand hat bestimmt,
dass syndicom ihre Mitglieder
aktueller und schneller informieren
soll. Der schnellste Kanal ist das
Internet – und darum lautet die
neue Strategie «Web first». Die
Kommunikation zwischen der Gewerkschaft
und euch Mitgliedern
läuft in beide Richtungen schneller,
präziser und vor allem direkter.
@VivianeHoesli
@syndicom_de Ich mag das neue @syndicom_de
magazin.