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2003-03

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Guten Tag, liebe Leserinnen und Leser!<br />

Wenn es auf jemanden zutrifft, dass Rentner<br />

ja vermeintlich nie Zeit haben, so kann<br />

man das von unserer langjährigen Kollegin<br />

Erika Krumm ohne jegliche Abstriche sagen.<br />

Manchmal haben wir den Eindruck,<br />

mittlerweile auch „in die Jahre gekommen“<br />

möchte sie noch schnell mehrere Leben<br />

hinter sich bringen! Bei all der Lebensfülle<br />

ist ihr ein Phänomen zu eigen, ihre absolute<br />

Zuverlässigkeit, was nicht nur Termine<br />

und Arbeit betrifft. Das, was sie abliefert, ist<br />

immer von hoher Qualität, gut durchdacht,<br />

feinsinnig beobachtet und philosophischeigensinnig<br />

niedergeschrieben. Ihre Buchbesprechungen<br />

anregend spannend, neu-<br />

Erika Krumm<br />

gierig machend. Ihre Theaterbeschreibung in der letzten Ausgabe gibt viel<br />

Persönliches frei. Die Schauspielerei ist es auch, die ihr neben der Redaktionsarbeit<br />

viel schöne Zeit schenkt. Derzeit steht sie mit dem Seniorentheater<br />

SenTheSie „auf den Brettern, die die Welt bedeuten“.<br />

Maria Anspach<br />

Unsere Redakteurin Maria Anspach vorstellen<br />

konnte niemand passender als unser<br />

„professioneller“ Kollege Jan Vering in seiner<br />

Buchbesprechung auf Seite 12 dieser<br />

Ausgabe. Er schreibt: „Mindestens zwei<br />

Generationen hiesiger Journalisten aller<br />

Formate – gedruckt oder gesendet – haben<br />

von ihrer Arbeit und dem persönlichen<br />

Kontakt mit Mary oder Maria profitiert.<br />

Weil sie ein sehr ungewöhnlicher Mensch<br />

ist: offen bis hin zur Verletzlichkeit, herzlich,<br />

dabei ganz ohne Maske, was eigene<br />

Ängste und Zweifel angeht. Vor allem aber<br />

ist sie eine Engagierte und Kreative reinsten<br />

Wassers.“<br />

Neben der ehrenamtlichen Mitarbeit bei uns ist Maria Anspach weiterhin<br />

als Gerichtsreporterin berufstätig und zieht aus dieser Arbeit das Material<br />

für ihre bekannten Kurzkrimis.<br />

Das Titelbild für diese Ausgabe hat Maria Anspach für ihren Beitrag „Siegener<br />

Badefreuden in früheren Jahrhunderten“ ausgesucht.<br />

Die Redaktion des durchblick wünscht Ihnen noch einen warmen, angenehmen<br />

Spätsommer, besinnliche Tage in der beginnenden dunklen Jahreszeit.<br />

Kommen Sie gesund durch den Herbst, aber jetzt erst einmal viel<br />

Freude beim Lesen Ihres neuen durchblick.<br />

Ihr<br />

Friedhelm Eickhoff<br />

verantw. Redakteur<br />

durch<br />

blick<br />

Aus der Redaktion<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 3


durch<br />

blick<br />

Aus dem Siegerland<br />

Der Lachkrampf<br />

Ich war noch fünfzehn und schon einige Monate<br />

Luftwaffenhelfer. Unser Zug hatte vier halbautomatische<br />

3,7-cm-Geschütze, mit denen man die hochfliegenden<br />

Bomber nicht erreichen konnte und die<br />

für die Bekämpfung von Tieffliegern viel zu langsam<br />

waren. So kamen wir nie zum Einsatz und mussten<br />

doch irgendwie beschäftigt werden. So ordnete der<br />

Batteriechef die Ausbildung am Gewehr an. Und vor<br />

den Schießübungen hatte das so genannte Griffeklopfen<br />

zu erfolgen.<br />

Der Zug trat in seinem Drillichzeug unter der<br />

Leitung eines Obergefreiten an. Die fünfzehn zur<br />

Verfügung stehenden Gewehre wurden an eine<br />

Gruppe verteilt und diese musste immer wieder<br />

Befehle wie „Das Gewehr über!“, „Präsentiert das<br />

Gewehr!“ und „Das Gewehr ab!“ ausführen, während<br />

der Rest des Zuges zugucken musste. Was sich so<br />

leicht anhört, fiel uns gar nicht so leicht, denn die<br />

Knarre war ungewohnt schwer und die Kommandos<br />

folgten immer schneller aufeinander. Einige konnten<br />

das Tempo noch halten, andere hinkten hinterher, hatten<br />

den einen Griff noch nicht ausgeführt, als der<br />

Obergefreite schon den nächsten Befehl brüllte.<br />

Ich muss zugeben, dass ich zu den Langsamen<br />

gehörte. Ängstlich blickte ich nach links und rechts,<br />

um zu sehen, ob es die anderen schafften. Und wie<br />

ich so um mich sah, überkam mich ein Lachanfall. Es<br />

war richtig schlimm, dieses Lachenmüssen, ohne es<br />

zu dürfen. Selbstverständlich wusste der Obergefreite,<br />

wie in derartigen Fällen mit Leuten umzugehen war:<br />

Kniebeugen mit der Knarre in Vorhalte wären im<br />

Normalfall ein Gegenmittel gewesen. Aber ich konnte<br />

über solche Anordnungen nur lachen, nichts als lachen.<br />

Nicht wieder aufhören konnte ich. Ich hielt<br />

mich in jenem Augenblick selbst für krank. Alle<br />

schienen mich für krank zu halten.<br />

Der Ausbilder beauftragte zwei meiner Kameraden,<br />

mich auf die Bude zu bringen. Für mich war an<br />

diesem Vormittag der Dienst beendet. Keiner erwähnte<br />

noch einmal diese peinliche Szene.<br />

Heute ist mir dies überhaupt nicht mehr peinlich.<br />

Stellen Sie sich vor, ein Regisseur ließe diese fünfzehn<br />

Jungen auf der Bühne auftreten! In ihren<br />

schlotternden Drillichuniformen, die für erwachsene<br />

Soldaten zugeschnitten worden waren und nicht für<br />

uns Jüngelchen nach fünf Jahren Kriegsernährung.<br />

Schon die viel zu langen Ärmel störten beträchtlich<br />

bei diesen Griffübungen. Stellen Sie sich die Disharmonie<br />

durch die unterschiedlichen Tempi vor –<br />

und die verrenkungsartigen Bewegungen einzelner,<br />

denen diese Übungen besonders schwer fielen! Diese<br />

Szene würde einen Schwall von Gelächter auslösen,<br />

wenn sie nur der Realität exakt nachgespielt wäre.<br />

Vielleicht war damals gar nicht ich der Kranke.<br />

Gerhard Paetsch<br />

Dieser Beitrag wurde uns von unserer Leserin<br />

Edith Reinhardt zugesandt. Sie schreibt dazu:<br />

Ein Freund, ehemaliger Siegener Mitbürger,<br />

schickt mir von Zeit zu Zeit seine späten Gedanken.<br />

Mir schien, beiliegende Erinnerung könnte vielleicht<br />

für Ihre Zeitung von Interesse sein. Täusche ich<br />

mich?<br />

„durchblick“ Schreibwerkstatt<br />

Nun ist es soweit, gemeinsam mit der VHS<br />

Siegen wird in den Redaktionsräumen des durchblick<br />

eine Schreibwerkstatt eingerichtet.<br />

Schon mehrere Jahre betreut Ursula Adler professionell<br />

Menschen, die Lust und Freude am Schreiben<br />

haben. Nicht die Schriftstellerin oder der Schriftsteller<br />

wird in dem Kurs erwartet! Niemand muss dichten<br />

können! Es sollte nur Schreiblust mitgebracht werden.<br />

Das Handwerkszeug, so Frau Adler, vermitteln wir<br />

Ihnen. Sie bekommen Anregungen, in Ihren Erinnerungen<br />

zu kramen, um sie aufzuschreiben. Anhaltspunkte<br />

werden Gegenstände, Geschichten, Briefe,<br />

Erlebnisse usw. aus der Vergangenheit und Gegenwart<br />

sein. Damit die Phantasie nicht zu kurz kommt,<br />

wird auch Platz für „Erfundenes“ sein, z. B. eigene<br />

Märchen.<br />

Vielleicht stellt der eine oder andere (wie C. Bay<br />

Lewis) im Laufe der Schreibwerkstatt für sich auch<br />

nur fest: „Ich schreibe nicht, um verstanden zu werden,<br />

ich schreibe, um zu verstehen.“<br />

Raum der Schreibwerkstatt<br />

Der nächste Kurs beginnt Mittwoch, 8. Oktober,<br />

dauert 8 x 3 Unterrichtsstunden und kostet 64,50 e.<br />

Anmelden können Sie sich bei der VHS Siegen oder<br />

zu den Geschäftszeiten beim durchblick.<br />

4 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


durch<br />

blick<br />

Gedicht<br />

Frau Schmidt kauft ein<br />

Frau Schmidt kauft ein, sie tut das gerne.<br />

Herr Schmidt zög lieber in die Ferne,<br />

weil er, das kennt er schon genau,<br />

stets warten muss auf diese Frau.<br />

Er schätzt es, durch die Stadt zu eilen.<br />

Frau Schmidt beliebt es zu verweilen.<br />

Er sagt: „Nun komm“ – sie sagt: „nimm Zeit.“<br />

„Siehst du das grüne Abendkleid?<br />

Ich könnt es doch mal anprobieren.“<br />

Herr Schmidt wagt, sanft zu protestieren.<br />

Sie strahlt und gibt ihm einen Kuss.<br />

„Ich kauf nur einen Reißverschluss.“<br />

Und fröhlich segelt sie von hinnen,<br />

dem Kaufhaus zu – schon ist sie drinnen.<br />

Sie kommt partout nicht wieder raus.<br />

Die Zeit verrinnt und Schmidt harrt aus.<br />

Bald kann er nicht mehr schmerzfrei stehen.<br />

Ein Fuß schwillt an bis in die Zehen.<br />

Die Sonne sticht, es brennt die Haut.<br />

Herr Schmidt hat fast schon abgebaut.<br />

Er sinnt, ob wegen Reißverschlüssen<br />

auch andre Männer leiden müssen,<br />

die sich dann trösten im Verdruss:<br />

Die Frau kauft nur ’n Reißverschluss.<br />

Frau Schmidt erforscht nun mit Methode<br />

im Kaufhaus junge Damenmode.<br />

Das Kleid, das sie im Fenster sah –<br />

vielleicht ist es noch einmal da.<br />

Das Grüne mit dem gelben Kragen,<br />

sie muss nur den Verkäufer fragen.<br />

Und der geht freundlich darauf ein,<br />

es könnte noch am Lager sein.<br />

Falls nicht, na dann probiert sie eben<br />

das Lila-Seidene daneben<br />

Ihr Mann denkt schließlich – weit vom Schuss:<br />

„Die Frau kauft nur ’nen Reißverschluss.“<br />

Das Grüne mit dem gelben Kragen,<br />

es kneift, das kann Frau Schmidt nicht tragen.<br />

Das Silberschwarze, kleinkariert,<br />

das sie nun auch noch anprobiert,<br />

das passt, so wie für sie genäht,<br />

nur meint sie, dass es ihr nicht steht.<br />

Der Rock hingegen mit den Biesen,<br />

Frau Schmidt entscheidet sich für diesen.<br />

Der passt genau, der steht ihr gut,<br />

nun fehlt noch Jacke, Tuch und Hut.<br />

Schmidt murmelt bis zum Überdruss:<br />

„Die Frau kauft nur ’n Reißverschluss.“<br />

Da steht Herr Schmidt in seiner Qual.<br />

Drei Stunden sind bisher verronnen.<br />

Für Schmidt hat ein Problem begonnen<br />

Die Blase drückt ihn ungesund.<br />

Die Frau hat Geld und Schlüsselbund<br />

Es brennt die Sonne auf ihn nieder,<br />

Frau Schmidt kommt immer noch nicht wieder.<br />

Ein alter Freund eilt auf ihn zu<br />

und staunt: „Nanu, noch immer du?<br />

Ich machte durch die Stadt die Runden<br />

und sah dich hier schon vor drei Stunden.“<br />

Herr Schmidt sagt, was er sagen muss:<br />

„Die Frau kauft nur ’nen Reißverschluss.“<br />

Es wird schon kühl, der Abend dämmert.<br />

Herr Schmidt fühlt sich total belämmert.<br />

Der Magen hängt ihm bis zum Knie.<br />

Er muss noch immer – aber wie?<br />

Ein Hund beschnüffelt seine Beine.<br />

Schmidt schimpft, nein, Bäume sind das keine.<br />

Ein Wachmann kommt und fragt ganz dumm:<br />

„Was steh’n Sie hier so lange rum?<br />

Woll’n Sie noch heute Nacht hier stehen?<br />

Warum nicht mal nach Hause gehen?“<br />

Herr Schmidt knurrt: „Weil ich warten muss:<br />

Die Frau kauft nur ’n Reißverschluß.“<br />

Vom Kirchturm schlägt es sieben Mal,<br />

da steht Herr Schmidt in seiner Qual.<br />

Der Rücken steif, das Knie geschwollen.<br />

Ist diese Frau denn ganz verschollen?<br />

O, nein, sie naht mit leichtem Schritt.<br />

Fünf große Tüten bringt sie mit.<br />

Sie flötet: „Kannst du das mal tragen?“<br />

Schmidt hätt’s die Sprache fast verschlagen.<br />

Er stößt hervor:„Du meine Güte,<br />

für’n Reißverschluss reicht eine Tüte.“<br />

Hell lacht sie auf: „Schatz welch ein Stuss.<br />

Ich brauch doch keinen Reißverschluss.<br />

Ja, was denn für ein Reißverschluss?“<br />

… Ja, was denn<br />

Maria Anspach<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 5


Seit etwa fünf Jahren treffen sich vier Damen<br />

ziemlich regelmäßig in der Woche einmal, um ihrer<br />

Spielleidenschaft zu frönen. Man geht nicht etwa ins<br />

Casino oder in die Spielhalle, es ist nicht Poker oder<br />

Black Jack, nein, ganz simpel „Mensch ärgere dich<br />

nicht“. Ein Spiel aus der Jugendzeit, allerdings in<br />

abgewandelter Form, um höheren Ansprüchen zu<br />

genügen. Das Ambiente ist sehr gepflegt, die Damen<br />

sind kultiviert (dieser Hinweis ist sehr wichtig). Auch<br />

der Dunst von Alkohol vernebelt nicht das Gehirn, er<br />

wird erst gar nicht angeboten. Trotzdem steigt ein<br />

böser Geist aus der Flasche.<br />

Ein gemeinsamer<br />

Spielabend<br />

bringt Menschen<br />

gegeneinander<br />

auf. Er ist Psycho-Terror<br />

und<br />

Seelenstriptease.<br />

durch<br />

blick<br />

Unterhaltung<br />

Die Zockerinnen<br />

Wenn alles nichts hilft, futtert der Verlierer den<br />

Frust in Form von Keksen in sich hinein oder<br />

Rauchopfer werden pausenlos dargebracht. Haltung<br />

nimmt er wieder an, wenn ein neues Spiel beginnt, er<br />

darf ja anfangen.<br />

Ich bin immer froh, wenn kein Blut fließt. Nachbarn<br />

werden vorher gewarnt, es handele sich nur um<br />

einen Spielabend, ein Eingreifen oder Anrufen bei<br />

der Polizei sei nicht erforderlich. Ärgerlich ist jede<br />

Form von Unterbrechung, nicht nur die, welche der<br />

Hund verursacht. Wehe, das Telefon klingelt oder<br />

Wir benutzen<br />

ein edles Spielbrett<br />

aus Glas<br />

von Leonardo,<br />

die Glaskugeln<br />

schillern geheimnisvoll,<br />

der<br />

Würfel muss in<br />

seiner Farbe darauf<br />

abgestimmt<br />

sein, das Licht<br />

muss stimmen,<br />

die Würfelunterlage darf nicht zu glatt sein, aber<br />

auch keine Falten werfen. Wir gehen die Sache langsam<br />

an, es darf nur kurz geplaudert werden, dann ertönt<br />

von irgendeiner Seite der Schlachtruf. Freund<br />

wird zum Feind. Zuerst bin ich noch locker, allmählich<br />

heizt sich die Atmosphäre auf, sie fängt an zu<br />

knistern, die Spannung steigt. Gute Manieren fallen<br />

unter den Tisch, wo ein kleiner Wau-Wau liegt, der<br />

einem gelegentlich um die Beine streicht. Geschimpft<br />

wird, wenn er ablenkt. Es wird gehetzt, unflätige<br />

Worte entweichen dem eigenen Mund, erwachsene<br />

Menschen herrschen sich mit mühsam<br />

kaschierter Verbitterung an. Die Farbe Rot wird verteufelt,<br />

alle rotten sich gegen mich zusammen, hämisches<br />

Gelächter erklingt. Die Unterlage wird beanstandet,<br />

der Würfel wird getauscht, er wird mit<br />

höchster Konzentration beschworen und zur Liebkosung<br />

an die Lippen gepresst, der Sitzplatz wird gewechselt.<br />

eine von uns muss ihre Blase entleeren, die ja pausenlos<br />

mit Sprudel aufgefüllt wird. Es ertönt der<br />

kurze Ruf: „Wer ist dran?“ Eine reine Formsache, da<br />

nicht gewartet wird, der Nachbar würfelt für den<br />

Sünder mit.<br />

Das Motto des Abends: einmal im Leben nicht der<br />

Verlierer sein! Trotz aller Verbissenheit gibt es<br />

tatsächlich Momente, in denen sich der eine oder andere<br />

des eigenen Verhaltens bewusst wird, der Humor<br />

sich Bahn bricht und schallendes Gelächter ertönt,<br />

öfter vielleicht mit mehr oder weniger<br />

hysterischer Färbung. Es ist ein Ventil, und nicht das<br />

schlechteste. Am Ende des Abends ist jeder von uns<br />

wieder der, der er vorher war, nicht nachtragend,<br />

nicht bleibend traumatisiert. Mit Spannung sehen wir<br />

der nächsten Spielverabredung entgegen.<br />

Erika Krumm<br />

6 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


Die Sonne schickt immer noch ihre wärmenden<br />

Strahlen, aber es ist nicht mehr so heiß. Ein kleines<br />

Windchen sorgt für angenehme Temperaturen. Unter<br />

der alten Weide, die ihre biegsamen Äste im Teich badet,<br />

lädt eine weiße Bank mich zum Verweilen ein.<br />

Ich folge ihrer Einladung gerne und nehme Platz.<br />

Eine wohlige Stille umgibt mich. Ein Schwan zieht<br />

fast unbeweglich seine Kreise auf dem Wasser. Stolz<br />

reckt er seinen langen, schlanken Hals. Ich bewundere<br />

ihn. Es geht eine wunderbare Haltung von ihm<br />

aus. Das ist Grazie! Eine schlummernde Graugans<br />

hebt träge ihr Köpfchen aus dem Gefieder, schaut<br />

mich mit ihren schlauen, dunklen Augen lange an,<br />

bevor sie weiter schläft Was hat sie mir wohl sagen<br />

wollen?<br />

Nahe der Wasseroberfläche entdecke ich große<br />

Fische. Sie liegen träge nebeneinander. Plötzlich zerreißt<br />

ein greller Schrei einer Ente die Ruhe. Rasch<br />

watschelt sie zum Ufer und gleitet ins Wasser. Sie<br />

wirkt erregt und nun sehe ich auch warum. Ein schöner<br />

Enterich verfolgt sie. Bald nehmen zwei weitere<br />

die Verfolgung auf. Die Ente schnattert und schreit.<br />

Sie will dieses Liebeswerben nicht. Schließlich öffnet<br />

sie ihre Flügel und schießt davon. Von diesem<br />

Lärm sind nun auch die anderen Teichbewohner erwacht.<br />

Eine Welle der Bewegung tut sich auf. Scharren,<br />

kratzen, rupfen, picken. Wie auf Kommando beginnen<br />

alle zu fressen. Ein herrliches Leben – denke<br />

ich – nur dösen, schlafen, fressen. Eine Schar Spat-<br />

Licht und Dunkelheit gehören zusammen, denn<br />

ohne die Dunkelheit würde das Licht nicht die Bedeutung<br />

haben. Denke ich an Verdunkelung oder die<br />

Bunker im Kriege, so verbinde ich damit Ängste<br />

und unangenehme Erinnerungen. Dunkelheit hat<br />

immer etwas Bedrohliches, dagegen wirkt Licht immer<br />

befreiend.<br />

Unsere Kursleiterin von der VHS möchte wissen,<br />

wann das Licht in unserem Leben eine wichtige Bedeutung<br />

gespielt hat.<br />

„In dir ist Licht“ hörte ich erstmalig in Afrika. Ein<br />

Sprichwort von dort sagt: „Wo Licht in den Menschen<br />

ist, leuchtet es aus ihnen.“ Bei weiteren Überlegungen<br />

stelle ich fest, dass in der dunkel lockenden<br />

Welt von Tania Blixen das Licht auch eine besondere<br />

Rolle spielt. Bleiben wir doch mit dem Licht in<br />

Afrika. Im Hof des Missionskrankenhauses erlebte<br />

durch<br />

blick<br />

Jahreszeiten<br />

Spätsommer am Teich.<br />

zen fliegt heran. Sie schimpfen laut. Vielleicht ein<br />

Familienstreit? Gottlob tragen sie ihn bald woanders<br />

aus, nur mit der Ruhe scheint es erst einmal vorbei zu<br />

sein. Alle Enten watscheln ins Wasser und der bis<br />

jetzt still liegende<br />

Teich wird<br />

von Linien durchzogen.<br />

Sieht nun<br />

aus wie ein abstraktes<br />

Gemälde.<br />

Der stolze<br />

Schwan geht an<br />

Land. Er will sein<br />

Reich nicht mit<br />

der Menge teilen.<br />

Der Pulk der großen Fische teilt sich. Jeder schwimmt<br />

in eine andere Richtung. Über dem Wasser tanzen<br />

zwei Libellen. Ihre gläserne Schönheit hält mich für<br />

eine Zeit gefangen. Dann ziehen sie weiter. Der Wind<br />

bewegt die silbrigen Blätter der Zitterpappel. Die<br />

Spiräen und Margeriten, die den kleinen Teich wie ein<br />

Band umsäumen, neigen einander ihre Köpfe zu, so<br />

als wollten sie über die wunderbaren Geheimnisse der<br />

Natur reden, die ein Mensch nur an einem solchen<br />

Platz und zu solch einer Stunde eventuell erahnen<br />

kann.<br />

Das Licht<br />

Leise stehe ich auf und gehe. Es war so friedlich<br />

hier. Ein kleines Stück dieses Friedens nehme ich mit.<br />

Inge Göbel<br />

ich das wunderbare Licht Afrikas. Ich war wie geblendet.<br />

Warum sind die Menschen hier trotz aller Armut<br />

so fröhlich, habe ich mich oft gefragt? Wenn ich<br />

an die heutige Heilkunde mit allen möglichen Lichttherapien<br />

denke, dann liegt diese Fröhlichkeit bestimmt<br />

an dem hellen Licht.<br />

Ein anderes Licht habe ich in der Nacht bei der<br />

Landung in Jeddah, Saudi-Arabien, erlebt. Ein<br />

gleißendes Lichtermeer, welches den Reichtum an<br />

Energie dieses Landes demonstrierte, ist mir noch<br />

heute wie ein Standfoto aus einem alten Film in<br />

Erinnerung.<br />

Das Licht hat wohl immer eine besondere Faszination<br />

auf die Menschen ausgeübt. Ob in Gedichten<br />

oder Geschichten, es wird immer nur mit dem Guten<br />

verbunden und symbolisiert immer etwas Positives.<br />

Elisabeth Hanz<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 7


„Und was Sie jetzt noch zur Genesung brauchen,<br />

ist ganz viel Ruhe.“ Diese Worte des Weißbekittelten<br />

habe ich noch im Ohr, als ich mich in den Kissen<br />

wälze. Kaum geschlafen in der ersten Nacht. Das<br />

fremde Bett, die Umstellung, die Schmerzen. Irgendwo<br />

dämmert der Morgen. Die Tür geht auf. „Guten Morgen,<br />

guten Morgen, einen schönen guten Morgen.“<br />

Viel zu laut und viel zu fröhlich. Fenster auf. Mir ist<br />

kalt, denn ich hänge immer noch in dem OP-Hemd,<br />

vorne alles, hinten nichts. „Wir werden Ihnen beim<br />

Waschen helfen.“ und<br />

schon fegt mir ein kalter<br />

Waschlappen durchs Gesicht.<br />

Über meinem Rücken<br />

entleert man eine ganze<br />

Flasche saukalter, aber gut<br />

riechender Tinktur. Dann<br />

klopft man mir mit der hohlen<br />

Hand den Rücken<br />

trocken. Meine Lungenbläschen<br />

schlagen Purzelbaum.<br />

Das soll ein schöner Morgen<br />

sein? Ich bin noch so<br />

müde, aber man stellt mich<br />

vors Bett. Nur ganz kurz,<br />

aber gerade lang genug, um<br />

meine ganze Schwäche zu<br />

erkennen. Ich falle zurück<br />

in das frisch bezogene Bett.<br />

Die fröhliche Meute in<br />

Weiß verlässt das Zimmer.<br />

Oh, tut die Ruhe gut, denke<br />

ich gerade, als sich die Tür<br />

wieder öffnet. „Guten Morgen“ (schon wieder). „Ich<br />

will nur Ihren Blutdruck messen.“ – Bitte hier, meinen<br />

Arm. Puls und Sättigung des Blutes erfasst ein<br />

kleiner schlauer Clip an meiner Fingerkuppe. Schon<br />

fertig. Die Schwester verlässt den Raum.<br />

durch<br />

blick<br />

Krankenhaus<br />

Sie brauchen jetzt ganz viel Ruhe<br />

Ein Tag im Krankenhaus<br />

Es vergehen keine drei Minuten, als ein neues<br />

Gesicht hereinschaut. „Ich bringe Ihre Medikamente,<br />

bitte genau die Zeiten und die Dosierung einhalten.“ –<br />

Ja, natürlich, mach ich, danke. – Mir fallen die Augen<br />

zu. Ich könnte auf der Stelle einfach wieder einschlafen,<br />

aber da steigt mir Kaffeeduft in die Nase.<br />

Das Frühstück wird herein gebracht. Na, nun wird der<br />

Morgen wohl doch noch schön, denke ich, bis ich<br />

feststellen muss, dass Frühstück im Bett unter diesen<br />

Umständen doch nicht das „Nonplusultra“ ist. Das<br />

Kaffeekännchen ist heimtückisch. Es gießt daneben.<br />

Deshalb kleckert die Tasse jetzt auf das frisch bezogene<br />

Bett. Die Marmelade landet auf meinem Hemd.<br />

Verdammt, bin ich ungeschickt. Der Kaffee tut gut,<br />

aber meine Lebensgeister weckt er nicht.<br />

Ich lege mich zurück und fühle mich wohl. Jetzt<br />

werde ich ein wenig Schlaf nachholen. Die Rechnung<br />

war allerdings ohne den Wirt gemacht, bzw. ich<br />

vergaß, dass ich im Krankenhaus bin. Die Tür geht<br />

auf. Das Geschirr wird abgeholt. Aber nun müsste es<br />

doch klappen mit dem „Ein wenig ruhen!“ Ne, Ne,<br />

Lieber Besuch kommt. Ich freue mich zweimal<br />

falsch gedacht. In der Tür erscheint ein ganzes Geschwader<br />

in Weiß. Nach dem obligaten „Guten<br />

Morgen“ reden sie mehr mit sich als mit mir. Nur<br />

dass ich sehr viel Ruhe brauche, bestätigen sie mir<br />

aufs Neue. Der Pulk verlässt das Zimmer. Also ich<br />

soll ruhen, so tue ich es jetzt auch. Augen zu!! Ich<br />

weiß nicht, wie lange mein Päuschen war, drei Minuten?<br />

Fünf Minuten?<br />

Die Tür wird aufgestoßen, prallt gegen die<br />

Schranktür. Eine Person stolpert herein. Grüßt kurz<br />

und wischt, wischt, wischt, über Bett, Tisch, Schrank.<br />

Verschwindet, kommt wieder rein und putzt, putzt,<br />

putzt, oder sollte ich besser sagen, stößt, pufft, knallt<br />

gegen Bett, Tisch, Schrank. „Ich lasse das Fenster<br />

auf, dann trocknet es schneller“, sagt sie noch, und<br />

fort ist sie. Auf dem Boden könnten kleine Entchen<br />

schwimmen lernen. In diese Nässe kommt bestimmt<br />

8 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


durch<br />

blick<br />

Krankenhaus<br />

keiner rein, denke ich und verordne mir sofort eine<br />

Mütze voll Schlaf.<br />

Denkste – Türe auf – der Zivi rutscht ins Zimmer.<br />

„Dies ist der Essenplan für die Woche. Bitte kreuzen<br />

Sie an, was Sie jeweils mittags und abends essen wollen.“<br />

– Ja, mach ich – danke!– Er ist wieder weg. Augen<br />

schließen, nur für einen Moment. „Möchten Sie<br />

noch Sprudelwasser?“, fragt mich eine freundliche<br />

Stimme, nein, nein, kein Sprudelwasser, nur etwas<br />

Ruhe! Draußen auf dem Flur ist es hektisch. Schnelle<br />

Schritte, Gespräche, Stimmen, Geräusche aller Art.<br />

Es erinnert mich an eine Bahnhofshalle. Gott sei Dank<br />

ist meine Türe zu. Getäuscht – das Mittagessen wird<br />

serviert. Es ist die Zeit, in der ich mir zu Hause die ersten<br />

Gedanken mache: „Was will ich heute kochen?“<br />

Das Essen schmeckt lecker. Suppe, Hauptgericht und<br />

Nachtisch. Trotzdem würde ich einen Tausch eingehen.<br />

Das gesamte Essen gegen eine Stunde Ruhe. Das<br />

Geschirr wird abgeräumt. In jedem normalen Haus ist<br />

jetzt Mittagsruhe. Vielleicht auch hier? Erneuter Versuch,<br />

ein Nickerchen zu machen. Als kurze Zeit später<br />

bereits der Kaffee gebracht wird, möchte ich aus dem<br />

OP-Hemd springen. Ich will keinen Sprudel, ich will<br />

kein Essen, ich will keinen Kaffee, ich will nur etwas<br />

Ruhe!!! Aber das ist zuviel verlangt. Es geht munter<br />

weiter. „Sie müssen zum Röntgen.“ Der Rollstuhl lässt<br />

sich schwer schieben. Die Schwester hat ihre Last<br />

damit. Sollte es vielleicht gar nicht der Stuhl sein? Ich<br />

weiß, ich habe Übergewicht. Meine Füße werden kalt<br />

und ich friere, als ich so verlassen auf dem langen Flur<br />

stehe, bis ich wieder abgeholt werde. Dann endlich<br />

wieder in meinem Nest. Da schiebt sich ein Blumenstrauß<br />

durch den Türschlitz.<br />

Lieber Besuch kommt. Ich freue mich zweimal.<br />

Einmal als er kommt und einmal als er wieder geht.<br />

Mensch bin ich K.O. Irgendwie ist plötzlich Ruhe auf<br />

der Station. Nun werde auch ich zur Ruhe kommen.<br />

Da geht die Tür auf. Ein unbekanntes, aber freundliches<br />

Gesicht erscheint im Türrahmen. „Ich bin der<br />

Krankenhauspfarrer und wollte nicht versäumen, Sie<br />

zu besuchen.“ Oh, sicherlich hätte ich mich morgen<br />

mehr über seinen Besuch gefreut, für heute war es<br />

eigentlich schon genug, aber er ist sehr nett und wir<br />

unterhalten uns eine Weile. Der Pfarrer geht – das<br />

Abendessen kommt. In Bayern würde man zu dieser<br />

Zeit eine Vesper zu sich nehmen. Geschirr rein,<br />

Geschirr raus. Ich habe keinen Hunger. Ich schaue auf<br />

die mitgebrachten Blumen und wünsche mir, wie die<br />

Blumen auf der Wiese meinen Kopf zu senken und<br />

zu ruhen, aber nach 18.00 Uhr ist die Zeit der Telefonate.<br />

Freunde rufen an. Wollen wissen, wie es mir<br />

geht. „Nun gönne dir endlich mal die Ruhe“, bekomme<br />

ich immer wieder zu hören. Welche Ruhe? Ich<br />

mache das Licht aus. Döse vor mich hin. Kurz vor<br />

dem Einschlafen erscheint die Nachtschwester mit<br />

Strickjacke und Bauchladen. „In welcher von Ihren<br />

Tabletten finde ich denn die Ruhe“, frage ich sie. Sie<br />

gibt mir eine Himmelblaue. Ich schlucke sie bald,<br />

denn ich brauche ja: „Ganz viel Ruhe.“<br />

Inge Göbel<br />

Gedanken vor der OP<br />

Natürlich wusste ich es schon lange. Es musste<br />

gemacht werden, aber heute war es nun soweit.<br />

Gestern im Krankenhaus aufgenommen, Zimmer<br />

zugewiesen, Ärzte und Schwestern kennen gelernt,<br />

Fragen gestellt und beantwortet, hundert Kreuzchen<br />

in Fragebogen gemacht. Alles unterschrieben. Blutentnahme,<br />

wiegen, messen. Narkosebesprechung.<br />

Alles wird gut. Das hoffe ich doch sehr! Die Nacht<br />

im fremden Bett, schlecht. Morgens duschen, dann<br />

die Kompressionsstrümpfe. Wer weiß, wie lange ich<br />

die nun tragen muss. Das OP-Hemd. Es hat keine<br />

Taschen. Blasenkatheter scheußlich. Beruhigungstablette.<br />

Ich bin „vorbereitet“. Da liege ich nun und<br />

horche in mich hinein. Ich bin ganz ruhig. Wirkt die<br />

Tablette schon? Keine Ahnung.<br />

Die Tür geht auf. Es geht los. Schwestern schieben<br />

mein Bett über den langen Flur. Ich zähle die<br />

Deckenlampen. Dreizehn Stück. Rein in den Fahrstuhl.<br />

Absolute Stille. Raus aus dem Fahrstuhl… eine<br />

andere Welt, laut und kalt. Gleißendes Licht. Abweisende,<br />

unbekannte Gerätschaften. Grüne Gestalten.<br />

Ich wundere mich, als ich angesprochen werde. Das<br />

sind ja Menschen! Ich friere. Ein grünes Tuch deckt<br />

mich zu. Um mich reges Treiben. Ich bin ganz alleine.<br />

Fühle mich total ausgeliefert. Ob in diesem<br />

Augenblick einer an mich denkt? Jemand nimmt<br />

meinen Arm. Ein kleiner Stich. „Gleich werden Sie<br />

fest schlafen!“ Na hoffentlich!<br />

Dann werden die Augenlider schwer. Die Geräusche<br />

laufen rückwärts, laut, leise, ganz leise – still!!<br />

Morpheus – der Geistige – nimmt mich in seine<br />

warmen Arme und trägt mich fort – weit fort.<br />

Adieu, du schnöde Welt!<br />

Inge Göbel<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 9


durch<br />

blick<br />

Krankenhaus<br />

keiner rein, denke ich und verordne mir sofort eine<br />

Mütze voll Schlaf.<br />

Denkste – Türe auf – der Zivi rutscht ins Zimmer.<br />

„Dies ist der Essenplan für die Woche. Bitte kreuzen<br />

Sie an, was Sie jeweils mittags und abends essen wollen.“<br />

– Ja, mach ich – danke!– Er ist wieder weg. Augen<br />

schließen, nur für einen Moment. „Möchten Sie<br />

noch Sprudelwasser?“, fragt mich eine freundliche<br />

Stimme, nein, nein, kein Sprudelwasser, nur etwas<br />

Ruhe! Draußen auf dem Flur ist es hektisch. Schnelle<br />

Schritte, Gespräche, Stimmen, Geräusche aller Art.<br />

Es erinnert mich an eine Bahnhofshalle. Gott sei Dank<br />

ist meine Türe zu. Getäuscht – das Mittagessen wird<br />

serviert. Es ist die Zeit, in der ich mir zu Hause die ersten<br />

Gedanken mache: „Was will ich heute kochen?“<br />

Das Essen schmeckt lecker. Suppe, Hauptgericht und<br />

Nachtisch. Trotzdem würde ich einen Tausch eingehen.<br />

Das gesamte Essen gegen eine Stunde Ruhe. Das<br />

Geschirr wird abgeräumt. In jedem normalen Haus ist<br />

jetzt Mittagsruhe. Vielleicht auch hier? Erneuter Versuch,<br />

ein Nickerchen zu machen. Als kurze Zeit später<br />

bereits der Kaffee gebracht wird, möchte ich aus dem<br />

OP-Hemd springen. Ich will keinen Sprudel, ich will<br />

kein Essen, ich will keinen Kaffee, ich will nur etwas<br />

Ruhe!!! Aber das ist zuviel verlangt. Es geht munter<br />

weiter. „Sie müssen zum Röntgen.“ Der Rollstuhl lässt<br />

sich schwer schieben. Die Schwester hat ihre Last<br />

damit. Sollte es vielleicht gar nicht der Stuhl sein? Ich<br />

weiß, ich habe Übergewicht. Meine Füße werden kalt<br />

und ich friere, als ich so verlassen auf dem langen Flur<br />

stehe, bis ich wieder abgeholt werde. Dann endlich<br />

wieder in meinem Nest. Da schiebt sich ein Blumenstrauß<br />

durch den Türschlitz.<br />

Lieber Besuch kommt. Ich freue mich zweimal.<br />

Einmal als er kommt und einmal als er wieder geht.<br />

Mensch bin ich K.O. Irgendwie ist plötzlich Ruhe auf<br />

der Station. Nun werde auch ich zur Ruhe kommen.<br />

Da geht die Tür auf. Ein unbekanntes, aber freundliches<br />

Gesicht erscheint im Türrahmen. „Ich bin der<br />

Krankenhauspfarrer und wollte nicht versäumen, Sie<br />

zu besuchen.“ Oh, sicherlich hätte ich mich morgen<br />

mehr über seinen Besuch gefreut, für heute war es<br />

eigentlich schon genug, aber er ist sehr nett und wir<br />

unterhalten uns eine Weile. Der Pfarrer geht – das<br />

Abendessen kommt. In Bayern würde man zu dieser<br />

Zeit eine Vesper zu sich nehmen. Geschirr rein,<br />

Geschirr raus. Ich habe keinen Hunger. Ich schaue auf<br />

die mitgebrachten Blumen und wünsche mir, wie die<br />

Blumen auf der Wiese meinen Kopf zu senken und<br />

zu ruhen, aber nach 18.00 Uhr ist die Zeit der Telefonate.<br />

Freunde rufen an. Wollen wissen, wie es mir<br />

geht. „Nun gönne dir endlich mal die Ruhe“, bekomme<br />

ich immer wieder zu hören. Welche Ruhe? Ich<br />

mache das Licht aus. Döse vor mich hin. Kurz vor<br />

dem Einschlafen erscheint die Nachtschwester mit<br />

Strickjacke und Bauchladen. „In welcher von Ihren<br />

Tabletten finde ich denn die Ruhe“, frage ich sie. Sie<br />

gibt mir eine Himmelblaue. Ich schlucke sie bald,<br />

denn ich brauche ja: „Ganz viel Ruhe.“<br />

Inge Göbel<br />

Gedanken vor der OP<br />

Natürlich wusste ich es schon lange. Es musste<br />

gemacht werden, aber heute war es nun soweit.<br />

Gestern im Krankenhaus aufgenommen, Zimmer<br />

zugewiesen, Ärzte und Schwestern kennen gelernt,<br />

Fragen gestellt und beantwortet, hundert Kreuzchen<br />

in Fragebogen gemacht. Alles unterschrieben. Blutentnahme,<br />

wiegen, messen. Narkosebesprechung.<br />

Alles wird gut. Das hoffe ich doch sehr! Die Nacht<br />

im fremden Bett, schlecht. Morgens duschen, dann<br />

die Kompressionsstrümpfe. Wer weiß, wie lange ich<br />

die nun tragen muss. Das OP-Hemd. Es hat keine<br />

Taschen. Blasenkatheter scheußlich. Beruhigungstablette.<br />

Ich bin „vorbereitet“. Da liege ich nun und<br />

horche in mich hinein. Ich bin ganz ruhig. Wirkt die<br />

Tablette schon? Keine Ahnung.<br />

Die Tür geht auf. Es geht los. Schwestern schieben<br />

mein Bett über den langen Flur. Ich zähle die<br />

Deckenlampen. Dreizehn Stück. Rein in den Fahrstuhl.<br />

Absolute Stille. Raus aus dem Fahrstuhl… eine<br />

andere Welt, laut und kalt. Gleißendes Licht. Abweisende,<br />

unbekannte Gerätschaften. Grüne Gestalten.<br />

Ich wundere mich, als ich angesprochen werde. Das<br />

sind ja Menschen! Ich friere. Ein grünes Tuch deckt<br />

mich zu. Um mich reges Treiben. Ich bin ganz alleine.<br />

Fühle mich total ausgeliefert. Ob in diesem<br />

Augenblick einer an mich denkt? Jemand nimmt<br />

meinen Arm. Ein kleiner Stich. „Gleich werden Sie<br />

fest schlafen!“ Na hoffentlich!<br />

Dann werden die Augenlider schwer. Die Geräusche<br />

laufen rückwärts, laut, leise, ganz leise – still!!<br />

Morpheus – der Geistige – nimmt mich in seine<br />

warmen Arme und trägt mich fort – weit fort.<br />

Adieu, du schnöde Welt!<br />

Inge Göbel<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 9


Immer noch zu viele Menschen rufen trotz typischer<br />

Symptome zu spät den Rettungswagen. Jeder<br />

dritte Betroffene stirbt, bevor er die Klinik erreicht.<br />

Die Deutsche Herzstiftung informiert die Bevölkerung<br />

bundesweit über Alarmzeichen eines Herzinfarkts<br />

und das richtige Verhalten.<br />

Treten im Brustkorb schwere Schmerzen oder ein<br />

massives Engegefühl auf, ist sofort an einen Herzinfarkt<br />

zu denken. Häufig strahlen die Schmerzen<br />

auch in Arme, Schulterblätter, Bauch, Hals oder<br />

Kiefer aus. Nichts ist dann wichtiger als schleunigst<br />

den Rettungsdienst zu alarmieren. Entweder über die<br />

Telefonnummer 112 oder über die örtliche Notrufnummer,<br />

wie dies zum Beispiel in Baden-Würtemberg<br />

und im Saarland zusätzlich möglich ist.<br />

Eile ist deshalb angesagt, weil bei einem Herzinfarkt<br />

oft lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen<br />

auftreten, im schlimmsten Fall Kammerflimmern,<br />

„das ohne sofortige ärztliche Maßnahmen in wenigen<br />

Minuten zum Tod führt“, so Professor Dr. med.<br />

Thomas Meinertz. Außerdem droht sich der Herzinfarkt<br />

ohne rasche Therapie zu verschlimmern. Wird<br />

nämlich in den Herzkranzgefäßen die Verstopfung,<br />

die den Hauptgrund von Herzinfarkten darstellt, nicht<br />

umgehend beseitigt, stirbt wegen des Blut- und Sauerstoffmangels<br />

immer mehr Herzgewebe ab. Und je<br />

größer der Schaden, desto massiver wird der Betroffene<br />

in seinem weiteren Leben beeinträchtigt sein.<br />

Selbst einfaches Treppensteigen kann zur Qual werden,<br />

wenn eine schwere Herzschwäche die Folge ist.<br />

Wichtig ist allerdings nicht nur, den Notruf ohne<br />

Zeitverzögerung abzusetzen, sondern auch an der<br />

richtigen Stelle anzurufen. Statt sofort 112 zu wählen,<br />

versuchen viele erst einmal den Hausarzt zu erreichen,<br />

was natürlich eine riesige Zeitverzögerung<br />

nach sich zieht.<br />

Bei einem Herzinfarkt geht es nicht um einen<br />

„ärztlichen Rat oder eine normale Behandlung, die<br />

Stunden Zeit hat“, so der Hinweis von Prof. Meinertz.<br />

Auf keinen Fall sollte man sich bei einem Herzinfarkt<br />

von Angehörigen mit dem Auto in die Klinik bringen<br />

lassen oder sich womöglich noch selbst ans Steuer<br />

setzen. Tritt unterwegs Kammerflimmern auf, muss<br />

sofort mit einem Defibrillator ein Elektroschock<br />

verabreicht werden, was im Rettungswagen möglich<br />

ist.<br />

durch<br />

blick<br />

Gesundheit<br />

Jede Minute zählt!<br />

Herzwoche der Deutschen Herzstiftung vom 1. bis 8. November<br />

Programm 25. 10. <strong>20<strong>03</strong></strong><br />

7. Siegener Arzt-Patienten-Seminar<br />

im Gläsersaal der Siegerlandhalle<br />

Herzinfarkt und koronare Herzkrankheit<br />

Risikofaktor: Diabetes mellitus<br />

Vorbeugung des Schlaganfalls bei<br />

Herzerkrankungen<br />

Vorbeugen – Früherkennen – Behandeln<br />

8.00 Kostenlose Messung von Blutzucker und<br />

Cholesterin.<br />

9.00 Begrüßung<br />

Prof. Dr. med. Peter Schuster, Chefarzt<br />

Ulf Stötzel, Bürgermeister der Stadt Siegen<br />

Bertram Müller, Regionaldirektor der AOK<br />

Eberhard Klaes, Deutsche Herzstiftung<br />

9.15 Koronare Herzkrankheit – von der Entstehung<br />

der Arteriosklerose bis zum Herzinfarkt<br />

– Welche Behandlungsmöglichkeiten<br />

gibt es?<br />

9.45 Herz und Diabetes – Die Krankheit vor dem<br />

Herzinfarkt – Schlaganfall<br />

10.15 Akute Behandlungsmaßnahmen beim Schlaganfall<br />

11.55 Bewegungspause<br />

12.00 Chirugische Möglichkeiten der Behandlung<br />

der koronaren Herzkrankheit einschließlich<br />

der Herztransplantation<br />

Prof. Dr. med. Reiner Körfer, Direktor des<br />

Herzzentrums NRW, Bad Oeynhausen<br />

13.00 Arbeits- und Diskussionsgruppen<br />

1.Quickwertselbstbestimmung und Blutverdünnung<br />

bei Herzklappenfehlern, Herzrhythmusstörungen<br />

und Herzschwäche<br />

2. Lebensstil und Schutzfaktoren – Ernährung,<br />

Bewegung, Entspannung –<br />

3. Herz und Diabetes<br />

14.00 Ende des Arzt-Patienten-Seminars<br />

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen. Der<br />

Eintritt ist frei, lediglich für Getränke und Imbiss<br />

werden 5 S pro Person erhoben.<br />

10 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


durch<br />

blick<br />

Kolumne<br />

Rheuma, Arthrose – Vorbeugen mit der richtigen Ernährung!<br />

Über kein Thema<br />

wird soviel diskutiert<br />

wie über die<br />

„richtige“ Ernährung.<br />

Zahlreiche<br />

Meinungen und vor<br />

allem die Werbung<br />

im Lebensmittelbereich<br />

verunsichern<br />

die Verbraucher. Angefangen<br />

mit cholesterinsenkender<br />

Margarine, über<br />

Sabine Vollwerth, Apothekerin<br />

Omega-Brot bis hin<br />

zur Extraportion Milch, jede/r kennt die Werbeslogans,<br />

die unser Einkaufsverhalten prägen.<br />

Liegen bereits Entzündungsherde vor, lohnt sich<br />

die Einnahme von Vitamin E in Kombination mit<br />

Vitamin C. Die Zufuhr von Vitamin E alleine reicht<br />

oft nicht aus, da es durch die Entzündungsreaktionen<br />

vernichtet wird. Da die Umstellung der Ernährung<br />

nicht für jede/jeden so einfach umzusetzen ist, bieten<br />

spezialisierte Apotheken ein Vitaminprogramm an,<br />

bei dem der individuelle Vitalstoffbedarf anhand<br />

eines ausführlichen Fragebogens ermittelt wird.<br />

Hierbei werden nicht nur Ernährungsverhalten, sportliche<br />

Aktivität und Umweltbelastungen erfasst, sondern<br />

auch Beschwerden und Vorerkrankungen berücksichtigt,<br />

die den Vitalstoffbedarf erhöhen. So kann<br />

gezielt für jede/jeden ein Granulat von uns zusammengestellt<br />

werden, das genau auf die individuellen<br />

Bedürfnisse abgestimmt ist.<br />

Doch immer wieder bestätigt sich: Unsere<br />

Ernährung nimmt maßgeblich Einfluss auf das<br />

Entstehen von Krankheiten. Sei es bei Multipler<br />

Sklerose, Krebs oder degenerativen Erkrankungen<br />

wie Rheuma und Arthrose. Trotz reich gedecktem<br />

Tisch laufen wir in Deutschland Gefahr, an einer<br />

Unterversorgung von Vitaminen, Mineralien und<br />

Spurenelementen zu leiden. Obst und Gemüse<br />

werden häufig unreif geerntet, lange transportiert und<br />

durch Bestrahlung oder chemische Behandlung<br />

haltbar gemacht.<br />

Dieses Granulat besteht aus dem pflanzlichen<br />

Ballaststoff der Guarbohne, der die einzelnen<br />

Vitamine, Mineralien und Spurenelemente so<br />

umschließt, dass diese sich nicht gegenseitig stören.<br />

Der Ballaststoff quillt im Magen und Darm, so dass<br />

eine große Oberfläche entsteht, die die optimale<br />

Freigabe der lebensnotwendigen Stoffe sichert. Diese<br />

Methode ergänzt unsere Zufuhr von Vitalstoffen und<br />

beugt effektiv Krankheiten vor.<br />

Die Zubereitung wie Waschen, Kochen<br />

und Warmhalten vernichtet einen großen Teil<br />

an diesen Vitalstoffen. Leider nehmen Umweltbelastungen<br />

wie Chemikalien, Stress, Genussgifte,<br />

Ozon immer mehr zu, so dass unser<br />

Bedarf an Vitalstoffen steigt.<br />

Wir müssten praktisch fünfmal pro Tag<br />

Obst und fünfmal pro Tag Gemüse essen, um<br />

unseren Körper effektiv vor den zunehmenden<br />

Belastungen zu schützen. Häufig überwiegen<br />

jedoch tierische Nahrungsmittel im<br />

täglichen Speiseplan. Eine norwegische Studie<br />

hat vor einigen Jahren einen<br />

antientzündlichen Effekt bei Polyarthritis<br />

durch Heilfasten und vegetarische Ernährung<br />

nachweisen können. Vor allem das Meiden<br />

von Nahrungsmitteln, die viel Arachidonsäure<br />

enthalten (Schweineschmalz, Leberwurst,<br />

Sesamöl) erwies sich als günstig, da aus dieser<br />

ungesättigten Säure Entzündungsfaktoren<br />

im Körper gebaut werden.<br />

Jeder Mensch ist anders...<br />

Vitamine, Mineralien und Spurenelemente sind lebensnotwendige<br />

Vitalstoffe für jeden Menschen. Um unseren<br />

Körper vor wachsenden Umwelteinflüssen zu schützen,<br />

benötigen wir fünfmal täglich Obst und fünfmal täglich<br />

Gemüse. Schaffen Sie das?<br />

Unterstützen Sie Ihren Körper mit Vitalstoffen, die wir<br />

individuell nach Ihrem Bedarf zusammen stellen.<br />

Decken Sie Mangelzustände auf, bevor Krankheiten<br />

entstehen. Fragen Sie uns nach Ihrer ganz persönlichen<br />

Vitalstoff - Analyse!<br />

Koblenzer Str. 24 - 57072 Siegen<br />

fon 0 27 1 - 51 84 3 fax 0 27 1 - 25 17 6<br />

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3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 11


Maria Anspach ist eine Siegerländer Institution.<br />

Zwar würde das niemand vehementer bestreiten als<br />

sie selbst, aber es stimmt trotzdem. Mindestens zwei<br />

Generationen hiesiger Journalisten aller Formate –<br />

gedruckt oder gesendet – haben von ihrer Arbeit und<br />

dem persönlichen Kontakt mit „Mary“ oder „der Maria“<br />

profitiert. Weil sie ein sehr ungewöhnlicher<br />

Mensch ist: offen bis hin zur Verletzlichkeit, herzlich,<br />

dabei ganz ohne Maske, was eigene Ängste und<br />

Zweifel angeht. Vor allem aber ist sie eine Engagierte<br />

und Kreative reinsten Wassers. Wenn sie in ihren 16<br />

Jahren als Redeakteurin bei der Westfälischen Rundschau<br />

wieder einmal<br />

von Gericht kam,<br />

dann spürte ihr jeder<br />

ab, wie sehr sie sich<br />

innerlich oft eingelassen<br />

hatte auf die<br />

Schicksale von Opfern<br />

und/oder Tätern. „Der<br />

hatte bestimmt auch<br />

’ne schlimme Jugend“<br />

war (und ist) dann ein<br />

redaktioneller Standardscherz,<br />

erwachsen<br />

aus der Erfahrung,<br />

dass Maria Anspach<br />

immer und am meisten<br />

wissen wollte (und<br />

will), warum jemand<br />

so und nicht anders<br />

geworden ist. Für<br />

nichts auf der Welt<br />

interessiert sie sich<br />

mehr als für Menschen.<br />

Es ist keine<br />

oberflächliche Berufsneugier,<br />

die sie treibt,<br />

sondern die Grundsolidarität<br />

von Menschenskind<br />

zu Menschenskind.<br />

Ihre Weisheit<br />

rührt daher, dass sie mit dünnerer Haut lebt und mit<br />

sensibleren Antennen, für den Nächsten ebenso wie<br />

für den Fernen.<br />

Wer diese bemerkenswerte Frau noch nicht kennt,<br />

kann sie wunderbar kennen lernen in ihrem soeben<br />

veröffentlichten Buch „Mummenschanz – Lieder und<br />

Gedichte“. Da gibt sie Pegasus, ihrem zweitliebsten<br />

Haustier (nach der Katze), die Sporen. Immer schon<br />

hat sie sich auf alle Ungereimtheiten des Lebens ihren<br />

durch<br />

blick<br />

Buchbesprechung<br />

Mummenschanz<br />

Reim gemacht. Immer schon gehörten Wortspiel und<br />

Hintersinn untrennbar zu Maria Anspach, als Kehrseite<br />

der seriösen Journalistin. Jetzt hat sie die Perlen<br />

dieses Schaffens auf 120 äußerst lesenswerten Seiten<br />

zusammengefasst, eingeteilt in die Kategorien „Böse<br />

Lieder“, „Schräge Lieder“, „Schwarze Lieder“,<br />

„Gespensterlieder“ und „Siegener Lieder“.<br />

Wer sich auf das – mit Karikaturen fein illustrierte –<br />

Opus einlässt, merkt schnell, dass die Autorin zur<br />

Spezies des „homo ludens“, des spielerischen Menschen,<br />

gehört. Wobei Spiel und Ernst bei ihr nicht<br />

Gegensätze sind, sondern<br />

Geschwister. Der<br />

Begriff „Lieder“ deutet<br />

auf eine Verwandtschaft<br />

zum Bänkelsong<br />

hin. Große Kabarettisten<br />

wie Lore Lorentz<br />

und Ernst H. Hilbich<br />

haben Anspach-Texte<br />

ebenso interpretiert<br />

wie Siegens frühere<br />

Bürgermeisterin Hilde<br />

Neuerscheinung im Verlag „Im Hainchen“ Siegen-Weidenau<br />

Fiedler. Manchmal<br />

muss einem auch das<br />

Lachen im Halse<br />

stecken bleiben, etwa<br />

wenn die Autorin in<br />

knappen Versen über<br />

Mord und Totschlag –<br />

von der Kreuzigung<br />

Christi und den Hexenverbrennungen<br />

bis<br />

nach Auschwitz – sinniert<br />

oder wenn sie<br />

Gevatter Tod nachspürt.<br />

Selbsterkenntnis<br />

ist unvermeidbar,<br />

wo sie Scheinheiligkeit<br />

aufspießt. Kulturheiligtümer<br />

wie Mona<br />

Lisa oder den Alleswisser Johann Wolfgang von<br />

Goethe verbessert sie gerne mal oder deutet sie um in<br />

ungeahnte Richtungen. Und ihre Lust am Makaberen<br />

führt zu Zeilen, die man nie wieder los wird, etwa<br />

wenn der frauenliebende Serienmörder memoriert:<br />

„Ich leg der Anne den Fön in die Wanne.“ Oder wenn<br />

sie den Lauf der Welt in sechs karge Wörtlein packt:<br />

„Hühner mögen Würmer, Würmer mögen Türmer.“<br />

Kann man mehr an Sinndeutung erwarten?!<br />

Jan Vering<br />

12 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


Anlässlich des Deutschen Seniorentags (6. bis 8. Oktober<br />

<strong>20<strong>03</strong></strong>) plant das Seniorenbüro der Stadt Siegen<br />

gemeinsam mit Alteraktiv Siegen e.V. und dem<br />

durchblick eine eintägige Fahrt nach Hannover. Gemeinsam<br />

laden sie zu einer Busfahrt am 7. Oktober<br />

ein. Angesprochen sind interessierte Einzelpersonen<br />

sowie Gruppen und Verbände im Kreis Siegen-Wittgenstein.<br />

Veranstalter des Seniorentags ist die Bundesarbeitsgemeinschaft<br />

der Seniorenorganisationen (BAGSO),<br />

unter deren Dach gegenwärtig 79 bundesweit tätige<br />

Seniorenorganisationen) zusammengeschlossen sind.<br />

Alle drei Jahre richtet die BAGSO mit den angeschlossenen<br />

Verbänden den Deutschen Seniorentag<br />

jeweils in einem anderen Bundesland aus. Mit Blick<br />

auf andere europäische Länder und die Erweiterung<br />

der Union setzt der 7. Deutsche Seniorentag in diesem<br />

Jahr in Hannover folgende Ziele:<br />

durch<br />

blick<br />

Reisen<br />

Organisierte durchblick Leserreisen billiger!<br />

• Das Verantwortungsbewusstsein von Senioren<br />

für Missstände zu schärfen und zu deren Abhilfe<br />

zu motivieren.<br />

Die weite Palette der Möglichkeiten in Europa –<br />

insbesondere auf dem Hintergrund der Erweiterung –<br />

aufzuzeigen, die eine aktive Lebensgestaltung und<br />

freiwilliges Engagement bis ins hohe Alter eröffnen.<br />

• Die Leistungen zu verdeutlichen, die ältere<br />

Menschen für das Allgemeinwohl erbringen.<br />

• Ein neues Verständnis des Alterns zu fördern,<br />

das die sozialen und wirtschaftlichen Potenziale<br />

älterer Menschen intensiver nutzt.<br />

• Die Voraussetzungen für eine stärkere Beteiligung<br />

Älterer am gesellschaftlichen Leben<br />

sowie den Erhalt ihrer Selbstständigkeit in den<br />

Ländern der Europäischen Union zu verbessern.<br />

• Die Solidarität zwischen Alten und Jungen<br />

durch beispielhafte Modelle im In- und Ausland<br />

zu festigen.<br />

Eine weitere organisierte durchblick-Leserreise<br />

ist für den 3. und 4. November <strong>20<strong>03</strong></strong> geplant. An<br />

diesen Tagen findet die Senioren-Messe NRW<br />

(„vitactiv“) in Essen statt. Vom Siegener Seniorenbüro<br />

wurde ein gemeinsamer Stand angemeldet für<br />

den durchblick, das Internetcafé (Senecafé), den Seniorenbeirat<br />

und die Seniorenhilfe.<br />

Das Programm der vitactiv <strong>20<strong>03</strong></strong> steht unter dem<br />

Motto „Alter hat viele Gesichter“. Geplant sind<br />

Präsentationen zu thematischen Schwerpunkten wie<br />

Bürgerengagement, Neue Medien, Leben aktiv u. a..<br />

Bitte hier abtrennen und an den durchblick-Leserreisen, Marienborner Str.151 · 57074 Siegen senden<br />

Ich melde mich und Personen für<br />

folgende Tagesreisen an:<br />

Busfahrt für 20 Euro inkl. Eintritt zum<br />

„Deutschen Seniorentag“ nach Hannover,<br />

Dienstag, 7. Oktober <strong>20<strong>03</strong></strong><br />

Busfahrt für zur Seniorenmesse „vitactiv“,<br />

nach Essen, Montag, 3. November <strong>20<strong>03</strong></strong>,<br />

oder Dienstag, 4. November<br />

Über Abfahrtszeiten und Abfahrtsorte in Ihrer<br />

Nähe werden Sie rechtzeitig informiert.<br />

Meine Anschrift:<br />

Name/Vorname<br />

Straße<br />

PLZ/Ort<br />

Telefon<br />

E-Mail<br />

Unterschrift:<br />

Anmelden können Sie sich auch unter den Telefonnummern Seniorenbüro 02 71 / 40 4-13 34 sowie dienstags<br />

ab 15 Uhr beim durchblick unter 02 71 / 6 16 47 oder per E-Mail: info@senioren.de<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 13


durch<br />

blick<br />

Reisen<br />

Abenteuerlicher Sprachunterricht<br />

Fortsetzung<br />

Ende war. Die Kamera hatte er dabei. Meine Rührung<br />

konnte ich nicht verbergen. Von dem Wert der Kamera<br />

hätte dieser Mann einen Monat leben können.<br />

Auf dem Basar in Quito<br />

Am nächsten Morgen wachte ich schon früh auf,<br />

um ja den Unterrichtsbeginn nicht zu verpassen.<br />

Linda zeigte mir die Haltestelle, an der ich in den Bus<br />

steigen musste, der auf Handzeichen hielt. Die<br />

Adresse der Schule hielt ich bereit, und der Busfahrer<br />

half mir am rechten Ort auszusteigen.<br />

In der Schule angekommen, empfing mich ein<br />

Sprachengewirr von Italienisch, Französisch, Englisch<br />

und Deutsch. Die jungen Studenten staunten nicht<br />

schlecht, mich hier zu sehen. Auf ihre Frage: „Sind Sie<br />

ganz allein, was wollen Sie denn hier?“ antwortete ich:<br />

„Das gleiche wie ihr, ich möchte Spanisch lernen!“<br />

Sofort stieg ich in ihrer Achtung. Für eine Frau in meinem<br />

Alter schon ein Wagnis. Jeder hatte Einzelunterricht.<br />

Meine Lehrerinnen Martha und Maria wurden<br />

mir vorgestellt. So begann meine erste Stunde.<br />

Nach zwei Stunden Unterricht schwirrte mir der<br />

Kopf von all den fremden Worten. Immerhin konnte<br />

ich guten Tag, guten Abend, wie geht es dir und<br />

meinen Namen nennen. Da klopfte es an der Tür, und<br />

der Herr Direktor stand vor mir. Er bedeutete mir, mit<br />

hinauszugehen. Mein Taxifahrer vom Flughafen<br />

stand dort. Wir verständigten uns mit Blicken. Er<br />

wartete zweieinhalb Stunden, bis mein Unterricht zu<br />

Marco und ich wurden Freunde. Auf dem Weg zu<br />

meiner Familie verabredeten wir uns fürs Wochenende.<br />

Er zeigte mir viele Sehenswürdigkeiten rund<br />

um Quito, auch das Denkmal „die Mitte der Welt“,<br />

da der Äquator durch das Zentrum verläuft, daher<br />

auch der Name des Landes. Leider konnte ich mich<br />

mit Marco nur durch Gesten verständlich machen.<br />

Abseits vom Tourismus erlebte ich das Land. Von<br />

Montag bis Freitag lernte ich nach Kräften. Wenn<br />

man die Grammatik nicht versteht, ist das schon sehr<br />

schwierig. Von Tag zu Tag wurde es besser. Nach eineinhalb<br />

Wochen traute ich mich, eine junge Ecuadorianerin<br />

anzusprechen und nach dem Bus zu fragen,<br />

der in meinen Stadtteil fuhr. Unsere Unterhaltung im<br />

Bus war auch mit wenigen Worten für mich einfach<br />

schön, konnte ich doch das Gelernte anwenden. Ich<br />

achtete nicht darauf, wo wir hinfuhren, bis sie sagte:<br />

„La, proscima parada – an der nächsten Haltestelle<br />

müssen wir aussteigen!“ Die Gegend war mir fremd.<br />

Als ich fragte: „Wie komme ich denn zu meiner<br />

Straße?“, antwortete sie mir: „Yo no lose.“ Ich weiß<br />

es nicht, aber mein Mann hat einen Stadtplan, komm<br />

mit mir nach Hause. Es wurde schon dunkel, und ich<br />

fühlte mich nicht wohl dabei, aber nach kurzem Überlegen<br />

ging ich doch mit. Meine Straße war leider<br />

nicht verzeichnet. Der nette Ehemann war bereit,<br />

mich in seinem Auto eine halbe Stunde zu fahren, bis<br />

ich bekannte Gefilde entdeckte. Mein Dank war<br />

groß. Am Eingang meiner Straße fiel dem Wachposten<br />

auf, dass ich sehr spät war. Schnell eilte ich<br />

nach Hause, wo ich schon ungeduldig erwartet wurde.<br />

Linda wollte<br />

mit mir reden.<br />

Dass ich das<br />

Wochenende immer<br />

außerhalb<br />

verbrachte, war<br />

ihr aufgefallen.<br />

Sie sagte: „Du<br />

fährst doch immer<br />

mit dem Taxifahrer,<br />

kann<br />

ich mir das Geld<br />

nicht verdienen?“<br />

„Gern“, antwortete<br />

ich und<br />

machte den Vor-<br />

14 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


durch<br />

blick<br />

Reisen<br />

Buntes Treiben in Cuenca, Frauen bei der Wäsche<br />

schlag: „Benzin, Unterkunft und Verpflegung oder ein<br />

Honorar zahle ich dir. Was möchtest du lieber?“<br />

Natürlich wollte sie beides. Dies lehnte ich entschieden<br />

ab. Soviel Unverschämtheit hatte ich nicht<br />

erwartet. Inzwischen war es 23 Uhr und sie gebot<br />

mir, die Wohnung sofort zu verlassen. Nach dem ersten<br />

Schock überlegte ich, was zu tun sei. Wohin in der<br />

Nacht? Für die Nacht entschied ich mich, im Haus zu<br />

bleiben, um den Morgen abzuwarten. Mein Zimmer<br />

verbarrikadierte ich, packte meinen Koffer und<br />

schrieb in deutscher Sprache an Linda einen langen<br />

Brief, um alles, was mich bedrückte, einmal los zu<br />

werden. Mit dem Taxi fuhr ich am Morgen zur Schule.<br />

Der Direktor war tief bestürzt. Er bot mir in einer<br />

anderen Familie eine Unterkunft an. Im Hotel zu<br />

wohnen zog ich jedoch vor. Nun konnte ich zu Fuß<br />

bequem die Schule erreichen und am Nachmittag mit<br />

den jungen Leuten etwas unternehmen. Am Wochenende<br />

bereiste ich mit Marco und manchmal auch<br />

seiner Familie das Land. Picknick am Fuße des Colopasci-Nationalparks,<br />

Otavalo – bekannt für seine<br />

bunten Webereien und den Bauernmarkt. Dort kann<br />

man nicht nur Tiere, Gemüse und Bekleidung kaufen,<br />

sondern alles, was man in Haus und Garten braucht.<br />

Ein lebhaftes buntes Treiben, schön zu erleben.<br />

lustige, abenteuerliche Fahrt über unterspülte Straßen,<br />

durch Wasserfälle und auf unbefestigten Straßen.<br />

Wenn auch die Fahrt strapaziös war, die herrliche Natur<br />

entschädigte mich tausendfach. In<br />

Pnyo angekommen, einem kleinen Dorf<br />

im Urwald, tauchte ich in eine andere<br />

Welt. In einem großen Gemeinschaftshaus<br />

leben hier noch Indigenas (Eingeborene)<br />

wie zu Urzeiten.<br />

Leider war Marco nicht bereit, den<br />

Kontakt zu den Indianern herzustellen.<br />

Sie sind nur eine Minderheit und die<br />

Ecuadorianer lehnen sie ab. Auch hier<br />

Konfliktsituationen, wie an anderen Stellen<br />

auf der Welt auch. In der Urwaldlodge<br />

war ich gut untergebracht. Nach<br />

der hektischen Großstadt Quito konnte<br />

ich hier meinen Körper und meine Seele<br />

erquicken. In der Dunkelheit hörte ich<br />

die Rufe der Tiere aus dem Dschungel.<br />

Auf den Spaziergängen beeindruckten<br />

mich riesige Baumfarne, blühende große Bäume,<br />

Orchideen, verschiedene Schmetterlinge und Insekten,<br />

alles in schillernden Farben, einfach prachtvoll.<br />

Auch die lästigen Moskitos gab es genug. Jedoch hatte<br />

ich gut vorgesorgt, und ich kam, ohne gestochen zu<br />

werden, davon.<br />

Viel zu schnell verging die Zeit, und ich musste<br />

nach Quito zurück. Fünf Wochen durfte ich lernen,<br />

soviel Land und Menschen kennen lernen. Mit vielen<br />

neuen Eindrücken, die mich tief bewegten, kehrte ich<br />

nach Deutschland zurück.<br />

Doris Meinertzhagen<br />

Cuenca, eine zauberhafte Stadt, in spanischer Sprache<br />

bedeutet der Name Flussbecken oder Schüssel,<br />

liegt auf 2549 m Höhe und ist die drittgrößte Stadt<br />

Ecuadors. Neben vielen sakralen Bauten aus der<br />

Kolonialzeit ist Cuenca auch bekannt für seine<br />

Kunsthandwerker.<br />

So bereisten wir auch den Oriente. Eine Dschungellandschaft<br />

mit vielen Flüssen (Amazonas). Eine<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 15


Der in Grund bei Hilchenbach geborene Heinrich<br />

Jung-Stilling lebte in der Zeit von 1787–18<strong>03</strong> in<br />

Marburg und hatte eine Professur an der dortigen<br />

Universität. Es ist die Zeit, in der er zu der entscheidenden<br />

geistlichen Wende und zu seiner eigentlichen<br />

und endgültigen Haltung und Prägung gelangte, durch<br />

die er zum „Patriarchen der Erweckung“ werden<br />

sollte. Neben seiner beruflichen Tätigkeit an der<br />

Universität und als Augenarzt widmete er sich vor<br />

allem der Schriftstellerei. So reifte in ihm die klare<br />

Erkenntnis, dass das akademische Lehramt der Staatswirtschaft<br />

seine „endgültige Bestimmung“ noch<br />

nicht gewesen war. Er verfasste in der Hauptsache<br />

religiös-erbauliche Schriften, Erzählungen und Romane<br />

und gab Zeitschriften heraus. Dabei erkannte er<br />

immer mehr, dass sein eigentlicher Beruf diese Tätigkeit<br />

war, die er als Gottesdienst erfasste. Er verspürte<br />

umso mehr die Verpflichtung, „dem Herrn und seinem<br />

Reich“ ganz allein und aus allen seinen Kräften zu<br />

dienen. 1794 erschienen seine „Scenen aus dem<br />

Geisterreiche“ und der Roman „Das Heimweh“. 1795<br />

begann die Herausgabe der erwecklichen Zeitschrift<br />

„Der graue Mann“, 1798 kam die „Siegesgeschichte“<br />

heraus, die Werke, die hauptsächlich seinen Ruhm<br />

als Schriftsteller und Religionsphilosoph begründeten.<br />

Vergleicht man Jung-Stillings theologische Gedanken<br />

aus den Schrift vor 1790, als er noch im<br />

Bannkreis der frommen Aufklärung stand, mit den<br />

Grundgedanken der erwecklichen Schriften nach<br />

1790, so lässt sich seine Wendung und die dadurch<br />

durch<br />

blick<br />

Historisches<br />

Jung-Stillings Begegnung mit dem Zaren.<br />

Portrait Jung-Stillings aus dem Jahr 1810.<br />

bewirkte Veränderung seiner Theologie deutlich erkennen.<br />

18<strong>03</strong> wurde Jung-Stilling im Auftrag des damaligen<br />

Kurfürsten Karl Friedrich von Baden nach<br />

Heidelberg berufen, wo er sich nur noch seiner religiösen<br />

Schriftstellertätigkeit widmete. Er setzte die<br />

schon genannte erweckliche Zeitschrift „Der graue<br />

Mann“ bis 1816 fort und gab andere periodisch erscheinende<br />

Schriften heraus. Seit 1806 bis zu seinem<br />

Tode im Jahre 1817 weilte Jung-Stilling als<br />

geistlicher Berater des Kurfürsten in Karlsruhe.<br />

Seine Hauptarbeit bestand von nun an in der<br />

erwecklichen Schriftstellerei und der Briefseelsorge.<br />

Seine Korrespondenz und Briefseelsorge<br />

nahm nach Erscheinen seines Hauptwerkes,<br />

des Romans „Das Heimweh“, beständig zu.<br />

Dieser Roman machte ihn weit und breit bekannt,<br />

sogar in Asien, wo es christlich gesinnte<br />

Deutsche gab, wurde das Buch gelesen. Von<br />

überall bekam er Briefe, die ihm den lautesten<br />

Beifall bezeigten. Auch am russischen Hof waren<br />

seine Werke bekannt. Seit 1805 erschienen<br />

in Russland Übersetzungen von Werken Jung-<br />

Stillings, die zeitweilig weite Verbreitung und<br />

starke Resonanz fanden. Der russische Zar<br />

Alexander I. war von seinen Schriften sehr begeistert.<br />

Neben der täglichen Lektüre der Bibel<br />

zählten Jung-Stillings Werke zu seinem Lesestoff.<br />

Seine Person war für ihn eine geistliche<br />

Autorität, und seine Stimme hatte für ihn ein<br />

16 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


großes Gewicht. Der Krieg von 1812 und der Sieg<br />

Russlands über Napoleon hatten in Russland wie in<br />

Europa das Wiedererwachen der Religiosität zur Folge<br />

gehabt. Jung-Stilling schrieb in seinen Briefen und<br />

im „Grauen Mann“ wiederholt über diese religiöse<br />

Erweckung, besonders betont er, dass diese „Erweckung“<br />

alle Menschen und Schichten in Russland<br />

erfasst habe, vom Kaiser Alexander I. bis zu der Bauernhütte.<br />

Zar Alexander I. äußerte den Wunsch, Jung-<br />

Stilling persönlich kennenzulernen.<br />

durch<br />

blick<br />

Historisches<br />

Es traf sich günstig, dass er mit seiner Gemahlin<br />

und seiner Suite 1814 in Baden weilte, wo die Zarin<br />

Elisabeth ihren Aufenthalt bei ihren Eltern in Bruchsal<br />

nahm, also in der Nähe Jung-Stillings. Das<br />

Zusammentreffen mit dem Zaren wurde durch die<br />

erste Hofdame der Zarin, Roxandra Sturdza, vermittelt.<br />

Sie war die Schwester von Alexander Sturdza, der im<br />

diplomatischen Dienst am russischen Hof tätig war<br />

und Jung-Stilling persönlich kannte. Die Sturdzas<br />

waren Adlige rumänischer Herkunft und gute Kenner<br />

und Verehrer der Werke Jung-Stillings. So kam es<br />

dann zu einem Treffen des Zaren mit Heinrich Jung-<br />

Stilling am 9. und 10. Juli 1814 in Bruchsal. Bei dieser<br />

Begegnung standen religiöse Fragen im Vordergrund.<br />

Auf die Frage des Kaisers an Jung-Stilling, welche<br />

der christlichen Parteien er am meisten übereinstimmend<br />

glaube mit der reinen Christuslehre, bekannte<br />

er frei heraus, sein Gewissen erlaube ihm nicht, einen<br />

Vorzug einzuräumen, es komme, nicht auf die Form<br />

an, sondern auf den Menschen, wenn der Mensch nur<br />

gut sei, könne er in jeder christlichen Form gedeihen.<br />

Auch nahm Jung-Stilling mit Kaiser, Kaiserin und<br />

dem Hof an einem orthodoxen Gottesdienst teil, lernte<br />

also den praktischen Kirchengebrauch der orthodoxen-griechischen<br />

Kirche lernen, der sich von dem<br />

protestanischen sehr unterscheidet, und konnte nun<br />

von einem neuen Standpunkt aus über sie urteilen.<br />

Seine Begegnung mit dem russischen Hof war für<br />

Jung-Stilling von hoher religiöser Bedeutung. Es war<br />

ihm gelungen, sich mit Menschen des orthodoxen<br />

Glaubens im „religiösen Herzensverein“ zu fühlen,<br />

und er hatte bei ihnen versucht, im Sinne seiner Ideen<br />

zu wirken.<br />

Jung-Stilling ist niemals in Russland gewesen,<br />

hatte aber ein nahes Verhältnis zu diesem Land,<br />

davon zeugen ein reger Briefverkehr, den er mit den<br />

russischen Übersetzern seiner Werke, mit bedeutenden<br />

Persönlichkeiten, auch aus den höchsten Adelskreisen,<br />

und den russlanddeutschen Gemeinden hatte.<br />

Einige seiner Nachkommen lebten und wirkten dort,<br />

vor allem im Baltikum bzw. in den russischen Ostseeprovinzen.<br />

Dorothea Istock<br />

Bildnis des Zaren Alexander I.<br />

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3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 17


Wenn heute ein Siegener Bürger seine Hochzeitsgäste<br />

zur Reinigung, zum gemeinsamen Baden und<br />

zum anschließenden Festschmaus in die städtische<br />

Badeanstalt einladen würde, dann würde solches<br />

Vorhaben mit Sicherheit am städtischen Einspruch<br />

scheitern. Das war im Mittelalter im alten Siegen<br />

einmal ganz anders.<br />

In Heinrich von Achenbachs Chronik der Stadt<br />

Siegen ist nachzulesen, dass im Mittelalter das warme<br />

Baden in besonders dazu eingerichteten „Badstuben“<br />

üblich und oft verpflichtend war. Da heißt es in der<br />

Chronik wörtlich: „Bei festlichen Gelegenheiten wie<br />

Hochzeiten zogen die Gäste zur Badstube, um hier zu<br />

baden und weiter zu schmausen. Arm und reich, vornehm<br />

und gering, Frauen und Männer gehörten zu<br />

den Besuchern.“<br />

durch<br />

blick<br />

Historisches<br />

Siegener Badefreuden in früheren Jahrhunderten<br />

Intelligenzblattes zu erfahren. Da war im „Blättchen“<br />

im Juli 1851 zu lesen: „Badewannen in verschiedener<br />

Größe stehen einem geehrten Publikum leihweise täglich<br />

zu Diensten.“ Ganz fortschrittlich war eine Weidenauerin,<br />

die 1843 im Ortsteil Fickenhütten ein erstes<br />

Saunabad eröffnete. Auch die risikofreudige<br />

Inhaberin, die Witwe Jüngst, hatte sich mit einer<br />

Anzeige an die Öffentlichkeit gewandt. Da hieß es:<br />

Indem ich dem Publikum hiermit die ganz ergebenste<br />

Anzeige mache, dass meine Badeanstalt am 1. Mai<br />

eröffnet wird, ersuche ich insbesondere die Herren<br />

Ärzte, auf das Russische Dampfbad und die eingerichteten<br />

Douschebäder zu medizinischem Gebrauch<br />

zu reflektieren. Ich hoffe, dass meine Bestrebungen<br />

zur Erhaltung und Vervollkommenung dieser wohltätigen<br />

Anstalt die verdiente Anerkennung finden<br />

werden. Die Witwe Jüngst, zugleich Inhaberin eines<br />

Gasthauses mit Konzertsaal, hat mit ihrer Wohltätigkeit<br />

bei den Siegerländern keinen dauerhaften Erfolg<br />

gehabt. In der Chronik der heimischen Badeeinrichtungen<br />

hat diese mutige Frau aber ganz sicherlich<br />

ihren Platz.<br />

Maria Anspach<br />

Nach einer Rentmeisterrechnung beteiligte sich<br />

um 1440 sogar die damalige Gräfin von Nassau am<br />

Badevergnügen. Im Jahre 1482 hielten die Bürgermeister<br />

mit dem Amtmann und den Räten des Grafen<br />

ihre Sitzungen in der Badestube ab und nahmen zuvor<br />

ein Bad. Es gab in Siegen eine oberste und eine niederste<br />

Badestube, beide an der Barstenwende gelegen.<br />

Die oberste Badestube war der Kirche, die unterste<br />

dem Hospital unterstellt. Die Einrichtungen,<br />

die der „Reinlichkeit und der geselligen Gemeinschaft“<br />

dienen sollten, waren zusätzlich mit Küche<br />

und Kammern versehen. In großen Kesseln wurde das<br />

Wasser auf dem Kachelofen erhitzt. Der Raum für die<br />

Schwitz- und Reinigungsprozedur war mit Badewannen<br />

aus aufgeschnittenen Fässern, Flockenbetten<br />

und Schwitzlagern versehen. Auf den Lagern wurden<br />

die Badenden zum Schwitzen gebracht, „gerieben, gekratzt,<br />

mit Reisigbüscheln gestrichen und schließlich<br />

gewaschen“. Obwohl am gemeinsam Baden von<br />

Männern und Frauen niemand Anstoß nahm, waren<br />

Räume für „getrennte Verhältnisse“ im Angebot. Bis<br />

zum großen Stadtbrand von 1695 wurde der fröhliche<br />

Badebetrieb fortgesetzt.<br />

Was sich die Siegener in Bezug auf Reinigungsaktionen<br />

und Badefreuden in späteren Jahrhunderten<br />

einfallen ließen, ist aus alten Ausgaben des Siegener<br />

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3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 19


„Unsere Firma hat Ihnen viel zu verdanken. Wir<br />

werden Sie nicht vergessen. Alles Gute für den<br />

verdienten Ruhestand.“ Diese Worte des Juniorchefs<br />

vom Südfrüchte-Großhandel Oppermann und Co.<br />

hatte Pauline Pumm nach ihrer kurzen Verabschiedung<br />

im Chefzimmer dauerhaft im Gedächtnis, als sie<br />

die Tür zu ihrer Mietwohnung am Stadtrand aufschloss.<br />

Sie spießte den Dankeschön-Strauß mit von<br />

Schleierkraut umwobener Gerbera im Schirmständer<br />

auf. Der Obstkorb aus der Werbeabteilung, den der<br />

Chef ihr noch bis zur Tür nachgetragen hatte, erhielt<br />

einen Tritt, der die hübsch dekorierten Apfelsinen aus<br />

dem Gleichgewicht brachte. Alles Gute für den verdienten<br />

Ruhestand. Das war es also nach 40 Jahren<br />

als Buchhalterin im Früchte-Großmarkt. Der Junior<br />

hatte ihr mit dem Korb in der Hand noch zugerufen:<br />

„Genießen Sie das erste Firmenobst, über das Sie<br />

nicht mehr Buch führen müssen.“ Seine Worte hatte<br />

er mit drei schnellen Lachern wirkungsvoll vertieft.<br />

Auch dieser sinnige Satz kursierte hinter der von<br />

weißen Strähnchen umkräuselten Stirn der frisch gebackenen<br />

Rentnerin: Buchführen, Bilanzen schreiben<br />

– das hatte ihr Leben ausgefüllt. Und was<br />

konnte sie sonst?<br />

Das bisschen Haushalt hatte sie täglich in Windeseile<br />

erledigt und sich in der verbleibenden Zeit um die<br />

kranke Mutter gekümmert. Dabei wurde genau Buch<br />

geführt, über Medizin-Einnahmen, das tägliche<br />

Fiebermessen, die Kalorienzufuhr und schließlich<br />

über Fortschritte im Sprechen nach Mutters erstem<br />

Schlaganfall. Mutters letzte Worte hatten ähnlichen<br />

Inhalt wie die Sätze des Juniorchefs, aber es hatte<br />

ganz anders geklungen: „Großes Dankeschön für all<br />

die Jahre. Du weißt schon, was ich meine.“ Pauline<br />

durch<br />

blick<br />

Kurzgeschichte<br />

Die Buchhalterin<br />

Buchführen, Bilanzen<br />

schreiben – das hatte<br />

ihr Leben ausgefüllt<br />

wusste es. Ihre Mutter war vor drei Wochen gestorben<br />

und sie vermisste sie sehr.<br />

Mit einem tiefen Verschaufer setzte sie sich am<br />

nächsten Tag in ihrer kleinen Wohnung in den blauen<br />

Korbsessel auf den von Efeu umrankten Balkon und<br />

nahm sich vor, die Sätze des Juniors aus dem<br />

Gedächtnis zu verbannen. Nie wieder Buch führen –<br />

es gab wohl Schlimmeres.<br />

Durch die Efeublätter lugte sie auf<br />

die Straße: Die vier Personen, die an der<br />

Bushaltestelle standen, wohnten mit ihr<br />

in dem siebenstöckigen Miethaus in der<br />

Seestraße, die ihren Namen einem kleinen<br />

Weiher in Sichtweite hinter dem<br />

Haus verdankte.<br />

Von den vier Leuten kannte Pauline<br />

bei ihrem Durchblick durch die Blätter<br />

niemand näher persönlich. „Das ist besser<br />

so, das vermeidet Ärger“, hatte sie<br />

immer gedacht. Der ältere Herr mit gelber<br />

Krücke hieß Lindemann und wohnte<br />

nebenan. Mit ihm hatte sie schon einmal<br />

auf der Treppe ein paar Worte<br />

gewechselt. Die Einladung zu einer Tasse<br />

Tee hatte sie abgelehnt. Die junge Frau mit dem<br />

kleinen Jungen an der Hand, die auch auf den Bus<br />

wartete, wohnte über ihr. Da waren abends oft neben<br />

Fußgetrappel laute Kinderstimmen zu hören. Die hörte<br />

Pauline auch jetzt, wo die Mutter nicht dabei war;<br />

das steigerte sich zum Geschrei. „Es wird schon jemand<br />

aufpassen“, beruhigte sie sich und wunderte<br />

sich über sich selbst. Das ging sie doch gar nichts an,<br />

was da oben in der Wohnung los war. Pauline nahm<br />

sich vor, die Zahl der Kinder im Haus einmal festzustellen<br />

und zu notieren, die Namen vielleicht auch.<br />

Von den meisten Mietern kannte sie weder die Namen<br />

noch das Alter.<br />

Während sie beobachtete, dass die Frau mit Kind<br />

und der junge Mann vom Erdgeschoss, der immer<br />

freundlich grüßte, in den Bus stiegen, hatte Pauline<br />

die Sätze des Juniorchefs fast vergessen. Herr Lindemann,<br />

der Etagennachbar mit der Krücke, der<br />

eigentlich gar nicht behindert wirkte, stand immer<br />

noch an der Haltestelle, machte dann eine Kehrtwendung<br />

und setzte sich auf die überdachte Bank.<br />

Worauf wartete er noch? Pauline, die ihren kleinen<br />

Fiat jetzt abschaffen wollte, nahm sich vor, die angeschlagenen<br />

Abfahrtermine der Buslinie abzuschreiben.<br />

20 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


durch<br />

blick<br />

Kurzgeschichte<br />

Herr Lindemann bekam jetzt Gesellschaft. Der<br />

Mann mit der Schirmmütze, der sich neben ihn<br />

gesetzt und eine Bierdose aus der Plastiktüte geholt<br />

hatte, den hatte Pauline auf dem Weg zur Arbeit schon<br />

öfter auf der Bank gesehen, vielleicht fünfmal<br />

morgens und dreimal abends. Im Haus wohnte er<br />

jedenfalls nicht.<br />

Zu dem Paar gesellte sich nun spontan ein anderer<br />

Hausgenosse, der schwarz-weiß-gelbe Kater der<br />

Nachbarin – wie hieß sie doch gleich – aus der<br />

zweiten Etage. Der Kater hieß Murr, das war<br />

während der Verfolgung durch seine Besitzerin nicht<br />

zu überhören. Blöder Name, das lässt sich doch so<br />

schlecht rufen. Murr, Murr, Murr… schnurrte<br />

Frauchen mit rollendem R, aber Murr entwischte.<br />

Als Pauline ihren Spähsitz und das Haus verließ, um<br />

die Buszeiten aufzuschreiben, wurde sie freundlich<br />

von Herrn Lindemann begrüßt. Von ihm kam das<br />

Angebot: „Ich kann Ihnen die Zeiten auswendig<br />

nennen, ich fahre selten mit dem Bus, aber ich sitze<br />

hier oft, da prägt sich das ein.“ Neben die Abfahrzeiten<br />

der Linie 19 kam unter eine neue Rubrik in<br />

Paulines Notizbuch der Name der Katzenbesitzerin<br />

Frau Rot, den hatte ihr Herr Lindemann verraten. Das<br />

konnte sich Pauline gut merken. Rot war eine Farbe<br />

und die Katze war bunt.<br />

Der kleine Mann mit dem freundlichen zerknitterten<br />

Gesicht und den Bierdosen hieß einfach nur<br />

Bruno. „So können mich hier alle nennen, Sie auch“,<br />

hatte er gönnerhaft verraten und hinzugefügt: „Ich gehe<br />

jetzt mit Ihrem Nachbarn zum Teich Enten füttern.<br />

Sie können ja mitkommen.“ Pauline kam mit. Es gab<br />

zwei Entenfamilien und einen Schwan, registrierte die<br />

Buchhalterin. Ein zuvor einsam seine Runden ziehender<br />

Erpel mischte sich plötzlich schnatternd unter<br />

die Familien seiner Artgenossen: „Wie ich“, dachte<br />

Pauline, als sie sich von Herrn Lindemann und Bruno<br />

verabschiedet hatte. „Bis zum nächsten Mal“, hatte<br />

Bruno ihr noch zugerufen. Als sie die Haustür aufgeschlossen<br />

hatte, sauste Murr mit erhobenem<br />

Schwanz an ihr vorbei und landete mit lautem Miau<br />

auf der Fußmatte seines „Reviers“, im zweiten Stock,<br />

rechts. Frau Rot schien noch nicht wieder zu Hause zu<br />

sein. Wieder auf dem Balkon, sah Pauline die nach<br />

Murr fahndende Nachbarin auf der anderen Straßenseite<br />

um die Ecke spurten. Sie rief über das Geländer<br />

gebeugt so laut sie konnte: „Hallo Frau Rot, er sitzt<br />

schon vor Ihrer Tür.“ „Oh, danke, danke“ – brüllte Frau<br />

Rot zurück und überquerte im Eiltempo den Fahrdamm.<br />

Das laute Kindergeschrei aus der Wohnung im<br />

siebenten Stock hielt immer noch an. „Es geht mich<br />

überhaupt nichts an“, dachte Pauline. Dann stopfte<br />

sie zwei Bananen und drei Apfelsinen aus dem Korb<br />

von Südfrüchte Oppermann in ein Netz und begab<br />

sich nach oben. Ein<br />

verheultes kleines<br />

Mädchen öffnete ihr<br />

die Tür, an der der<br />

Name Helga Hoffmann<br />

stand. Wie spricht man<br />

mit einem unglücklichen kleinen Mädchen, das man<br />

nicht kennt? Da hatte Pauline keine Übung. Sie versuchte<br />

es ganz sachlich. „Ich wohne unter euch und<br />

habe so ein lautes Schreien gehört, ist alles in Ordnung?“<br />

„Martin heult so, weiß nicht was er hat“, schluchzte<br />

das Mädchen. Pauline entdeckte den dicken Wespenstich<br />

auf dem nackten Oberärmchen des schreienden<br />

Jungen im Kinderbett. Als sie mit einer Flasche<br />

essigsaurer Tonerde aus ihrer Wohnung zurückkam,<br />

war Frau Hoffmann wieder da und bedankte sich<br />

aufgeregt: „Ich musste doch Medizin aus der Apotheke<br />

holen, weil Martin so schlimm erkältet ist. Ich habe<br />

doch sonst niemand für die Kinder.“<br />

Am Abend dieses ereignisreichen Tages legte<br />

Pauline Pumm ein Tagebuch an: Von jetzt an wurde<br />

Buch geführt über die Ereignisse in der Seestraße 17<br />

und drum herum. Nach wenigen Wochen waren fast<br />

alle 40 Mieter namentlich und falls vorhanden mit<br />

Kinderzahl in ihrem Buchhaltergedächtnis registriert.<br />

Wiederholt hatte sie Frau Rot bei der Fahndung nach<br />

Murr einen Tipp vom Balkon geben können. Den<br />

kleinen Martin hatte sie beaufsichtigt, als dessen<br />

Mutter mit den beiden anderen Kindern, die sich<br />

angesteckt hatten, zum Arzt musste. Herr Lindemann,<br />

bei dem sie schon zweimal zum Tee eingeladen war,<br />

hatte ihr – gemeinsam mit Bruno – am Weiher<br />

geholfen, den Obstkorb von Südfrüchte Oppermann<br />

bis zur Neige zu leeren. Und als Bruno von der Polizei<br />

verdächtigt wurde, ein an der Hauswand abgestelltes<br />

Fahrrad gestohlen zu haben, konnte Pauline beschwören,<br />

dass sie den wahren Dieb vom Balkon aus<br />

gesehen hatte, als er mit dem Rad verschwand. Da<br />

wusste sie nur noch nicht, dass es gestohlen war.<br />

Sie wurde unentbehrlich mit ihrer mitmenschlichen<br />

Buchführung. Glücklicher als je zuvor bei Südfrüchte<br />

Oppermann ist sie auch geworden, wie im Haus vermutet<br />

wird – mit Herrn Lindemann. Es wird behauptet,<br />

dass er die Nachbarin liebevoll „Pummelchen“ nennt,<br />

natürlich nur wegen ihres Namens. Die Bilanz der<br />

Pauline Pumm im „verdienten Ruhestand“ ist glücklich<br />

aufgegangen.<br />

Maria Anspach<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 21


durch<br />

blick<br />

Gesellschaft<br />

…und mittwochs wird getanzt!<br />

Jeden Mittwoch treffen sich in der Freikirchlichen<br />

Gemeinde Siegen-Weidenau Senioren (Frauen und<br />

Männer) zum Folkloretanz. Die Folkloretanzgruppe<br />

wurde von Prof. Hartmut Kapteina von der Uni<br />

Siegen in Zusammenarbeit mit der Freikirchlichen<br />

Gemeinde Siegen-Weidenau vor fünf Jahren gegründet.<br />

Die Teilnehmerzahl liegt bei etwa 40 Personen<br />

im Alter von 25 bis 86 Jahren. Beim Seniorentanz<br />

steht das gesellige Miteinander im Vordergrund, aber<br />

auch die Gefühle und Empfindungen werden durch<br />

das Tanzen erweckt. Der Tanz vermittelt Erlebnisse<br />

und Geborgenheit in einer Gemeinschaft und steigert<br />

dadurch die Toleranz im täglichen Miteinander.<br />

Manchmal sind die Menschen sehr traurig, oder sie<br />

haben eine harte Woche hinter sich. Wenn sie dann<br />

aber tanzen, singen, reden, erwächst<br />

neue Kraft und neuer Mut.<br />

Der Volkstanz ist so alt wie das Volk<br />

selbst, er ist ein naturnotwendiger<br />

Ausdruck seines Lebensdaseins, ein<br />

unentbehrliches Mittel, den Jahres- und<br />

Lebenskreislauf zu ordnen, Taten und<br />

Leiden zu betanzen und sie so der<br />

Nachwelt zu überliefern. Er ist aus echtem,<br />

tiefem Empfinden erwachsen. Er<br />

wurde von Generation zu Generation<br />

weitergegeben und wurde im Laufe der<br />

Zeit von Ort zu Ort und von Geschlecht<br />

zu Geschlecht umgeändert. Wissenschaftliche Untersuchungen<br />

haben ergeben, dass Tanzen die geistige<br />

Leistungsfähigkeit steigert und einen positiven<br />

Gesundheitseffekt besonders auf ältere Menschen hat.<br />

Dazu Meinungen einiger Teilnehmerinnen: „Das<br />

Tanzen ist für mich ein Symbol der Befreiung. Durch<br />

das Tanzen kann ich ein Gefühl für meinen Körper<br />

entwickeln und mit Menschen in Kontakt treten, ohne<br />

auch nur ein Wort zu wechseln.“<br />

„Beim Volkstanz vergesse ich die Schmerzen die<br />

mich täglich quälen.“<br />

„Mein Denken wird beim Volkstanz in ungewohnte<br />

Bahnen gelenkt. In ihm spüre ich den Herzschlag<br />

des Volkes.“<br />

„Volkstanz vemittelt mir inneren Frieden und<br />

Wohlbefinden in einer Gemeinschaft.“<br />

werden die Schrittfolgen von Prof. Kapteina und Frau<br />

Ingrid Kolb erklärt und vorgezeigt. Nicht immer<br />

klappt es auf Anhieb. Wird ein Schritt vergessen oder<br />

wird mit dem falschen Bein begonnen, wird die<br />

laufende Tanzfolge unterbrochen, dann muss der<br />

Ablauf des Tanzes wiederholt werden, bis er richtig<br />

ist. Bis jetzt haben wir einfache Tänze aus Deutschland,<br />

Frankreich, Irland, Griechenland, Israel, Schottland,<br />

Serbien, Rumänien, Russland, USA mit viel<br />

Spaß erlernt und getanzt. Zwischendurch lesen unsere<br />

Tanzleiter fröhliche oder nachdenkliche Verse vor.<br />

Beendet wird der Nachmittag mit einem ruhigen Tanz<br />

nach besinnlicher Musik. Beim Auseinandergehen<br />

freuen wir uns schon auf die nächste Woche.<br />

„Und Woche für Woche<br />

vereinigt uns einmal für kurze Zeit<br />

der Tanz zur Gemeinschaft,<br />

die Liebe und Weisheit des Schöpfers<br />

in Schwingen der Klänge feiert.“<br />

Dorothea Istock<br />

Jeder Tanznachmittag beginnt mit einem gemütlichen<br />

Kaffeetrinken an schön gedeckten Tischen in<br />

der Cafeteria des Hauses. Danach geht es los zum<br />

Tanzen. Erst ohne, später mit Musik werden verschiedene<br />

Schritte und Bewegungen erlernt. Mit Geduld<br />

22 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


durch<br />

blick<br />

Seniorenbeirat<br />

Seniorenbeirat für mehr Sicherheit<br />

Der Seniorenbeirat der Stadt Siegen griff eine<br />

Idee der Stadt Lüdinghausen auf, die alle Bänke<br />

außerhalb des Wohnbereiches ihrer Stadt mit Nummern<br />

versah, damit in Notfällen schnelle Hilfe geleistet<br />

werden kann.<br />

In enger Zusammenarbeit mit dem Siegener<br />

Vermessungsamt und der Rettungsleitstelle in der<br />

Fludersbach wurde unter der Regie von Horst<br />

Schwarz, Mitglied des Seniorenbeirates der Stadt<br />

Siegen, für unsere Region ein kartographisches<br />

Kennungssystem entwickelt. Alle Heimatvereine<br />

wie auch die verschiedenen SGV-Vereine haben diese<br />

Maßnahme tatkräftig unterstützt bzw. werden bei<br />

der Umsetzung große Hilfe leisten. Ortskundige<br />

Mitglieder werden die Bänke, Strommasten, Schutzhütten<br />

usw. in regionale Karten eintragen und später<br />

diese Objekte gut sichtbar mit Nummern versehen.<br />

Sollte bei einem eventuellen Notfall Hilfe gebraucht<br />

werden, lässt sich die leicht per Handy rufen, es<br />

braucht dann nur noch die Objektnummer angegeben<br />

werden, und die Rettungskräfte<br />

können<br />

unverzüglich an die<br />

richtige Stelle gelenkt<br />

werden.<br />

Horst Schwarz<br />

sagt dazu: „Nicht nur<br />

Senioren, alle Bevölkerungsgruppen<br />

profitieren<br />

von dieser Initiative.<br />

Hilfe kann so<br />

viel leichter über die<br />

mit dem Handy angewählte<br />

Notrufnummer<br />

angefordert werden.“<br />

Horst Schwarz<br />

vom Seniorenbeirat<br />

Horst Schwarz möchte die Kennzeichnung noch in<br />

diesem Sommer fertigstellen und freut sich insbesondere<br />

darüber, dass der SGV diese Maßnahme auf das<br />

gesamte Kreisgebiet ausdehnen will. In Kreuztal<br />

macht man sich ebenfalls darüber Gedanken, wie diese<br />

Idee in ihrem Stadtgebiet umgesetzt werden kann.<br />

Audi Zentrum Siegen<br />

Leimbachstraße 165 · 57074 Siegen<br />

Tel. 02 71/23 44 60 · Fax 02 71/23 44 /01/11 · www.audi-zentrum-siegen.de<br />

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Und um Sie.<br />

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3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 23


durch<br />

blick<br />

Weltaltenplan<br />

Aktionsplan zugunsten älterer Erwachsener<br />

In der Diskussion um die Finanzierbarkeit der<br />

Sozialsysteme fühlen sich viele ältere Menschen<br />

hilflos, überfordert und unverstanden. Etwas mehr<br />

Selbstbewusstsein täte ihnen gut, der Blick auf<br />

scheinbare oder befürchtete Defizite hilft nicht weiter.<br />

Dazu die Bundesseniorenministerin Renate Schmidt:<br />

„Wir brauchen ein Verständnis<br />

von Jugend, das Jugendlichkeit<br />

nicht zum<br />

Maßstab aller anderen Lebensalter<br />

macht. Und wir<br />

brauchen ein Bild des<br />

Alters, das diesen Lebensabschnitt<br />

nicht mit Hilfsbedürftigkeit<br />

und Krankheit<br />

gleichsetzt.“ Allerdings ist<br />

das ungerechte und falsche<br />

Bild des Alters weltweit verbreitet. Und – wie in<br />

Deutschland – zwingt der demografische Wandel<br />

weltweit zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit<br />

diesem Thema. Aus diesem Grund wurde in der 2.<br />

Weltversammlung zu Fragen des Alterns, im April<br />

2002 in Madrid, ein neuer Anlauf unternommen, nachdem<br />

die Vereinten Nationen bereits 1982 den 1. Weltaltenplan<br />

angeregt hatten. Im April 2002 erkannten<br />

alle Nationen den demografischen Wandel als gemeinsame<br />

Herausforderung. In den folgenden Monaten<br />

wurden die wichtigsten Themen festgelegt und<br />

die Staatengemeinschaft einigte sich auf politische<br />

Zielsetzungen. Auch im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen<br />

Bundesregierung wurde vereinbart, dass ein<br />

nationaler Aktionsplan erstellt werden soll. An der Erarbeitung<br />

dieses nationalen Aktionsplans sollen möglichst<br />

viele gesellschaftliche Kräfte beteiligt werden.<br />

Als Ergebnis einer am von 56 UNO-Mitgliedsstaaten<br />

besuchten Ministerkonferenz (Berlin, 13.<br />

Septemer 2002) verständigte man sich zudem auf<br />

einen konkreten Handlungskatalog mit insgesamt 10<br />

Verpflichtungen. Diese werden, je nach ihrer Bedeutung<br />

in Deutschland, mehr oder weniger vorrangig<br />

umgesetzt.<br />

10 Verpflichtungen/ Nationaler Aktionsplan<br />

1. Einbeziehung der Dimension des Alterns in alle<br />

politischen Bereiche, um Gesellschaften und Volkswirtschaften<br />

mit dem demografischen Wandel in<br />

Einklang zu bringen und eine Gesellschaft für alle<br />

Lebensalter zu verwirklichen.<br />

(In einer Gesellschaft für alle Lebensalter ist die Würde<br />

jedes Menschen tatsächlich unverletzlich; die ihm<br />

zukommende Wertschätzung ist nicht abhängig von<br />

seinem Alter oder seiner Arbeitskraft. Alle Bereiche<br />

menschlichen Handelns – in den Wissenschaften, in<br />

der Politik und Verwaltung, in der Wirtschaft und in<br />

den Medien – sind diesem Ziel verpflichtet.).<br />

2. Gewährleistung der vollen gesellschaftlichen<br />

Integration und Teilhabe der älteren Menschen.<br />

(Die Rollenlosigkeit der Alten heute, ihre Ausgrenzung,<br />

aber auch ihr Rückzug in die eigene kleine Welt,<br />

kann als das zentrale Dilemma des Altenproblems in<br />

den Industriestaaten angesehen werden).<br />

3. Förderung eines gerechten und nachhaltigen<br />

Wirtschaftswachstums als Antwort auf das Altern der<br />

Bevölkerung.<br />

(Die Chancen, durch gesunde Lebensführung und<br />

Ernährung das individuelle Leben zu verlängern,<br />

werden z. B. durch eine riskante Industriepolitik,<br />

durch eine nicht zu verantwortende Umweltvergiftung<br />

wieder zunichte gemacht).<br />

4. Angleichung der sozialen Sicherungssysteme<br />

als Antwort auf den demografischen Wandel und seine<br />

sozialen und wirtschaftlichen Folgen.<br />

(Die sozialen Sicherungssysteme enthalten auch eine<br />

Bringschuld – nicht nur einen Anspruch. Jeder Bürger,<br />

soweit er nicht ernsthaft krank oder wirklich zu jung<br />

oder zu alt ist, muss wieder in die Verantwortung für<br />

das Ganze genommen werden: ideell und materiell.)<br />

5. Unterstützung der Arbeitsmärkte bei der<br />

Anpassung an die wirtschaftlichen und sozialen<br />

Konsequenzen der Bevölkerungsalterung.<br />

(Eine Verlängerung der Tätigkeitsphase älterer Menschen<br />

– nicht zwangsläufig der Lohnerwerbstätigkeit<br />

auf dem gewohnten Niveau – ist unausweichlich. Und<br />

wenn es an klassischen Arbeitsplätzen mangelt, muss<br />

soziale Arbeit eingefordert werden, die vertretbar,<br />

aber nicht überzogen honoriert wird.<br />

1. Förderung von lebenslangem Lernen und Angleichung<br />

des Bildungssystems, um den sich ändernden<br />

wirtschaftlichen, sozialen und demografischen<br />

Verhältnissen gerecht zu werden.<br />

(Mit dem wachsenden Anteil älterer Menschen an der<br />

Gesamtbevölkerung steigt auch ihr Bedarf und Interesse<br />

an Bildungsangeboten, an Weiterbildungsmög-<br />

24 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


durch<br />

blick<br />

Weltaltenplan<br />

lichkeiten usw. Gleichzeitig wird immer deutlicher,<br />

dass die Gesellschaft auf das Erfahrungswissen und<br />

die Beteiligung der Älteren nicht verzichten kann.)<br />

2. Versuch der Sicherstellung von Lebensqualität<br />

in jedem Lebensalter und der Beibehaltung eines unabhängigen<br />

Lebens, einschließlich Gesundheit und<br />

Wohlbefinden.<br />

(…Lebenslanges Lernen kann z. B. entscheidend zu<br />

einem sinnvollen, unabhängigen und selbstbestimmten<br />

Alter beitragen…)<br />

3. Einbringung einer gleichstellungsorientierten<br />

Strategie in eine alternde Gesellschaft.<br />

(Alter ist in vielen Teilen der Welt noch gleichbedeutend<br />

mit Armut und wiederum sind alte Frauen stärker<br />

von Armut betroffen als Männer. Mit Armut kombiniert<br />

sind oft schlechte Gesundheit und es wirken<br />

sich die Diskriminierungen eines langen Lebens aus:<br />

Unterschiede beim Zugang zu Bildungsangeboten,<br />

wenige Möglichkeiten sich durch bezahlte Arbeit eine<br />

Altersversorgung zu sichern. Oft sind es erschreckende<br />

Schicksale, die mit Vernachlässigung,<br />

Missachtung der Rechte, mit körperlicher und seelischer<br />

Gewalt einhergehen.)<br />

4. Unterstützung von Familien, die ältere Menschen<br />

betreuen, und Förderung intergenerationeller<br />

und intragenerationeller Solidarität unter den Familienangehörigen.<br />

(intergenerationell = mehrere Generationen umfassend,<br />

intragenerationell = innerhalb einer Generation.)<br />

5. Förderung der Umsetzung und Weiterverfolgung<br />

der regionalen Implementierungsstrategie durch<br />

regionale Kooperation.<br />

(Die Umsetzung des Aktionsplans soll durch Zusammenarbeit<br />

in überschaubaren Bereichen geschehen.)<br />

(Allen, die sich intensiver mit der Frage der<br />

demografischen Veränderung in unserer Gesellschaft<br />

beschäftigen möchten, sei der Titel „Der demografische<br />

Imperativ – Von der internationalen Sozialpolitik<br />

zu einem nationalen Aktionsplan“, erschienen im<br />

Vincentz Verlag Hannover, empfohlen).<br />

Erich Kerkhoff<br />

Pflegeversicherung für Senioren<br />

Die BAGSO (Bundesarbeitsgemeinschaft der<br />

Senioren-Organisation e.V.) empfiehlt:<br />

Selekta 3-D-PflegeVorsorge der Thuringia<br />

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3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 25


durch<br />

blick<br />

Alter<br />

Endstation Fünfundsiebzig<br />

„Verfallsdatum erreicht?“<br />

Empörung über Vorschläge zweier Wissenschaftler<br />

Empörung über Vorschläge zweier Wissenschaftler:<br />

„Euthanasie aus Altersgründen“, so las ich es ein paar<br />

Tage später nach der Fernsehsendung „Report aus<br />

Mainz“ (10. Juni <strong>20<strong>03</strong></strong>) in der Bistumszeitung „Der<br />

Dom“ (Nr. 24 vom 15. Juni <strong>20<strong>03</strong></strong>) aus Paderborn.<br />

Auch mein Mann und ich hatten diese Sendung<br />

gesehen, wobei es uns kalt über den Rücken lief. Vor<br />

allen Dingen konnten wir es nicht fassen, aus welchen<br />

Richtungen diese ungeheuerlichen Vorschläge kamen.<br />

Schweigend hatten mein Mann und ich diesen Beitrag<br />

angesehen und gehört, bis mein Mann sagte: „Dann<br />

hast du ja auch bald das Verfallsdatum erreicht!“<br />

Sollte Hippokrates selig das miterlebt haben, so hätte<br />

er sich beschämt und traurig abgewandt. Von den<br />

Lesern unserer Seniorenzeitung wurde ich danach<br />

häufig gefragt: „Warum schreibt auch ihr nicht eure<br />

Meinung dazu? Es wird so viel über uns, die Senioren,<br />

geredet, zerredet, diskutiert und beschlossen,<br />

aber doch nur über unsere Köpfe hinweg!“<br />

Haben wir überhaupt eine Lobby? Wagen wir uns<br />

zu äußern, werden wir in den meisten Fällen mit den Beurteilungen<br />

ganz schnell abgestempelt. Entweder sind<br />

wir nicht mehr klar denkfähig oder besserwisserisch.<br />

Heute, am Sonntag, dem 29. Juni <strong>20<strong>03</strong></strong>, schreibe ich<br />

diese Zeilen. Der „durchblick“ erscheint nur 4-mal<br />

im Jahr. Bis wir zu aktuellen Themen unsere Meinung<br />

äußern können, sind oft 2–3 Monate vergangen. In<br />

der Zeit wird dieser Report so durch die Medien<br />

gegeistert sein, so dass unser Kommentar wohl kaum<br />

noch Interesse findet. Oder doch? Bestimmt aber bei<br />

unseren Lesern, den Senioren, für die dieses Thema<br />

ja wohl kaum an Aktualität verloren hat.<br />

Um uns geht es ja, die so genannte demographische<br />

Herausforderung, was wir kaum mehr hören können –<br />

wir wissen es selbst und können auch nichts daran<br />

ändern. Anstatt die Verantwortlichen ein Miteinander<br />

der Generationen anstreben, wird alles getan, um das<br />

Gegenteil zu erreichen.<br />

Wie sieht die Wirklichkeit aus, wie erleben wir sie<br />

täglich? Aus den Erfahrungen meiner Freunde und<br />

Bekannten weiß ich, dass es immer wieder zu bedauerlichen<br />

und provozierenden Erlebnissen kommt.<br />

Wenn ich nach einem mehrwöchigen Klinikaufenthalt,<br />

so wörtlich, von einer jungen Ärztin höre: „Sie<br />

sind 70 Jahre alt und haben viel Geld gekostet. Was<br />

soll das nur werden, wenn Sie das Alter meiner<br />

Großmutter, die 92 Jahre alt ist, erreichen?!“ Die<br />

Offenheit dieser Ärztin verblüffte mich so sehr, dass<br />

mir dazu die passende Antwort fehlte, mir hatte es<br />

einfach die Sprache verschlagen. Gott sei Dank sind<br />

es nur Einzelne mit diesen Denkweisen.<br />

26 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


Um noch einmal auf die Vorschläge dieser Sozialwissenschaftler<br />

zurückzukommen und deren<br />

Vorstellungen auf den Punkt zu bringen, sollte ja<br />

jeder, der das 75. Lebensjahr erreicht hat, kein Recht<br />

mehr auf kostspielige Behandlung oder Arznei haben,<br />

sofern er es nicht selbst bezahlen kann. Es ist eine<br />

brutale Ausgrenzung der Armen durch die Reichen,<br />

eine soziale Ungerechtigkeit und menschenverachtend.<br />

Nachdem ich im Dom Nr. 24 einige Kritiken zu<br />

diesem Report gelesen hatte, fiel mir die letzte<br />

besonders ins Auge.<br />

Dem gegenüber hat die Deutsche Hospizstiftung<br />

die Reaktionen von Politik und Verbänden angesichts<br />

der Forderung nach einer Altersbegrenzung bei<br />

teuren medizinischen Leistungen als „scheinheilig“<br />

bezeichnet. Der von dem Bochumer katholischen<br />

Theologen Joachim Wiemeyer geäußerte Vorschlag<br />

sei längst Realität. „Der Aufschrei beweißt also nur<br />

die Ignoranz der Verantwortlichen in Politik und Gesundheitssystem“,<br />

erklärte die Stiftung in Dortmund.<br />

Hat uns die Zeit wieder eingeholt? Waren es<br />

damals nicht auch nur Einzelne, die so viel Unheil<br />

angerichtet haben?<br />

durch<br />

blick<br />

Alter<br />

„Gott sei Dank“ sind die Senioren bzw. Bedürftigen<br />

in unserer Zeit nicht mehr der Willkür hilflos ausgeliefert!<br />

Eine schlagkräftige Lobby finden Hilfesuchende<br />

in den verschiedenen Sozialverbänden, z. B.<br />

dem VDK, dem Reichsbund, der Gruppe „Handeln<br />

statt Mishandeln“, um nur einige zu nennen, die ihre<br />

Vertretungen auch hier in Siegen haben.<br />

Elisabeth Hanz<br />

Mehr Service für BürgerInnen<br />

Servicetelefon des Ministeriums für Senioren.<br />

Seit August stehen erfahrene Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter zu allen Fragen, die das Bundesministerium<br />

betreffen, zur Verfügung. Das Servicetelefon<br />

ist zu erreichen mo. bis do. von 7–19 Uhr Tel.:<br />

0 18 01/90 70 50 (aus dem Festnetz für 4,6 Cent/Min.)<br />

Arbeitsgruppe<br />

ALTERAktiv<br />

Siegen<br />

Ausdruck einer Lebensweise<br />

für Menschen im dritten Lebensalter.<br />

Besuchen Sie unsere Homepage<br />

www.senioren-siegen.de,<br />

dort erfahren Sie mehr über uns<br />

und unsere Ziele.<br />

Kontaktadresse:<br />

Erich Kerkhoff, Im Wolfseifen 68<br />

57072 Siegen, Tel. 02 71/3 72 08 18<br />

Besuchen Sie das<br />

Senec@fé<br />

das Internetcafé für Senioren<br />

im Haus Herbstzeitlos in Siegen,<br />

Kaan-Marienborner Straße 151.<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag: 14.00–18.00 Uhr<br />

Mittwoch: 9.00–12.00 Uhr<br />

sowie nach vorheriger Terminabsprache<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 27


Um noch einmal auf die Vorschläge dieser Sozialwissenschaftler<br />

zurückzukommen und deren<br />

Vorstellungen auf den Punkt zu bringen, sollte ja<br />

jeder, der das 75. Lebensjahr erreicht hat, kein Recht<br />

mehr auf kostspielige Behandlung oder Arznei haben,<br />

sofern er es nicht selbst bezahlen kann. Es ist eine<br />

brutale Ausgrenzung der Armen durch die Reichen,<br />

eine soziale Ungerechtigkeit und menschenverachtend.<br />

Nachdem ich im Dom Nr. 24 einige Kritiken zu<br />

diesem Report gelesen hatte, fiel mir die letzte<br />

besonders ins Auge.<br />

Dem gegenüber hat die Deutsche Hospizstiftung<br />

die Reaktionen von Politik und Verbänden angesichts<br />

der Forderung nach einer Altersbegrenzung bei<br />

teuren medizinischen Leistungen als „scheinheilig“<br />

bezeichnet. Der von dem Bochumer katholischen<br />

Theologen Joachim Wiemeyer geäußerte Vorschlag<br />

sei längst Realität. „Der Aufschrei beweißt also nur<br />

die Ignoranz der Verantwortlichen in Politik und Gesundheitssystem“,<br />

erklärte die Stiftung in Dortmund.<br />

Hat uns die Zeit wieder eingeholt? Waren es<br />

damals nicht auch nur Einzelne, die so viel Unheil<br />

angerichtet haben?<br />

durch<br />

blick<br />

Alter<br />

„Gott sei Dank“ sind die Senioren bzw. Bedürftigen<br />

in unserer Zeit nicht mehr der Willkür hilflos ausgeliefert!<br />

Eine schlagkräftige Lobby finden Hilfesuchende<br />

in den verschiedenen Sozialverbänden, z. B.<br />

dem VDK, dem Reichsbund, der Gruppe „Handeln<br />

statt Mishandeln“, um nur einige zu nennen, die ihre<br />

Vertretungen auch hier in Siegen haben.<br />

Elisabeth Hanz<br />

Mehr Service für BürgerInnen<br />

Servicetelefon des Ministeriums für Senioren.<br />

Seit August stehen erfahrene Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter zu allen Fragen, die das Bundesministerium<br />

betreffen, zur Verfügung. Das Servicetelefon<br />

ist zu erreichen mo. bis do. von 7–19 Uhr Tel.:<br />

0 18 01/90 70 50 (aus dem Festnetz für 4,6 Cent/Min.)<br />

Arbeitsgruppe<br />

ALTERAktiv<br />

Siegen<br />

Ausdruck einer Lebensweise<br />

für Menschen im dritten Lebensalter.<br />

Besuchen Sie unsere Homepage<br />

www.senioren-siegen.de,<br />

dort erfahren Sie mehr über uns<br />

und unsere Ziele.<br />

Kontaktadresse:<br />

Erich Kerkhoff, Im Wolfseifen 68<br />

57072 Siegen, Tel. 02 71/3 72 08 18<br />

Besuchen Sie das<br />

Senec@fé<br />

das Internetcafé für Senioren<br />

im Haus Herbstzeitlos in Siegen,<br />

Kaan-Marienborner Straße 151.<br />

Öffnungszeiten:<br />

Montag: 14.00–18.00 Uhr<br />

Mittwoch: 9.00–12.00 Uhr<br />

sowie nach vorheriger Terminabsprache<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 27


durch<br />

blick<br />

Wohnen<br />

Selbstbestimmung und Lebensqualität im Alter<br />

Seit 40 Jahren entwickelt das Kuratorium Deutsche<br />

Altershilfe (KDA) Konzepte und Modelle für die<br />

Altenhilfe, fördert sie und hilft, sie in die Praxis<br />

umzusetzen. Das KDA wurde 1962 von Bundespräsident<br />

Heinrich Lübke und seiner Frau Wilhelmine<br />

Lübke ins Leben gerufen. Anlass für die Gründung<br />

war die damals als unzureichend empfundene Versorgung<br />

älterer Menschen und vor allem die defizitäre<br />

Situation der Heime mit ihrem Charakter von Verwahranstalten.<br />

Das KDAsteht unter Schirmherrschaft<br />

des Bundespräsidenten Johannes Rau.<br />

In den vergangenen drei Jahren hat das KDA zur<br />

Eröffnung von rund 260 neuen Internetcafés in Nordrhein-Westfalen<br />

beigetragen. Es handelte sich dabei<br />

um ein in Deutschland einmaliges Internetprojekt für<br />

Menschen ab 55. Unter dem Markenzeichen „Senioren<br />

OnLine“ (SOL) wurden u. a. eine umfangreiche<br />

und mehrfach ausgezeichnete Senioren-Internetplattform<br />

aufgebaut sowie mehr als 40 Begleit- und<br />

Lernmaterialien für die Praxis erstellt. Ein besonderes<br />

Augenmerk soll in Zukunft auf die praktischen<br />

Einsatzmöglichkeiten des Internet in der „offenen<br />

Altenhilfe“ gerichtet werden.<br />

Der folgende (gekürzte) Beitrag ist – mit freundlicher<br />

Genehmigung der Autorin Annette Scholl –<br />

dem Magazin PRO ALTER, 2/<strong>20<strong>03</strong></strong> entnommen.<br />

Hintergrund geraten. Mit Hilfe des „Forum Seniorenarbeit<br />

NRW“ will das KDA die Fachdiskussion in<br />

Gang bringen und die gemeinwesenorientierte<br />

Seniorenarbeit wieder stärker ins Bewusstsein der<br />

Fachöffentlichkeit rücken. Die Einrichtungen und<br />

Träger sollen durch „Forum Seniorenarbeit“ bei der<br />

Konzeptionierung zeitgemäßer Angebote unterstützt<br />

werden, indem beispielsweise praktische Einsatzmöglichkeiten<br />

neuer Medien herausgearbeitet werden.<br />

Darüber hinaus sollen Grundlagen und Erfahrungswissen<br />

über die gemeinwesenorientierte<br />

Seniorenarbeit gesammelt, strukturiert und unter<br />

www.forum-seniorenarbeit.de weiterverbreitet werden.<br />

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es häufig<br />

schwierig ist, an Fachliteratur und Konzepte zu<br />

gelangen, und viel zu selten werden Fort- und<br />

Weiterbildungen zur offenen Altenarbeit angeboten.<br />

Innovativ will das KDA auch dahingehend wirken,<br />

indem es mit „Forum Seniorenarbeit“ die haupt- und<br />

ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für<br />

die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen<br />

älterer Frauen und Männer sensibilisiert. So<br />

werden geschlechtersensible Aspekte im Sinne eines<br />

„Gender Mainstreaming“ (geschlechtsspezifisch) in<br />

allen fünf Arbeitsfeldern des „Forums Seniorenarbeit“<br />

berücksichtigt.<br />

Neuer SOL-Schwerpunkt:<br />

KDA geht mit „Forum Seniorenarbeit“<br />

an den Start<br />

Neue Medien können einen innovativen Beitrag<br />

zur Qualifizierung haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter leisten und sich positiv<br />

auf die gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit auswirken.<br />

Im Rahmen des Folgeprojektes von Senioren<br />

OnLine (SOL II) baut das Kuratorium Deutsche<br />

Altershilfe (KDA) daher eine Internet-Plattform zur<br />

offenen Seniorenarbeit auf. Unter www.forum-seniorenarbeit.de<br />

gibt es Informationen, Praxishilfen und<br />

Adressen aus den Arbeitsfeldern Beratung, Prävention,<br />

Freizeitgestaltung, Bildungs- und Kulturarbeit,<br />

Engagementförderung, Partizipation, Medienarbeit<br />

sowie Wohnen im Alter. Forum Seniorenarbeit ist ein<br />

Projekt des NRW-Familienministeriums im Verbund<br />

mit dem KDA.<br />

Seit Einführung der Pflegeversicherung ist die<br />

Weiterentwicklung der offenen Seniorenarbeit in den<br />

Netzwerke knüpfen<br />

Der Netzwerk-Charakter, der schon in der ersten<br />

Phase von Senioren OnLine von großer Bedeutung<br />

war, spielt auch jetzt eine entscheidende Rolle. Unter<br />

Zuhilfenahme neuer Medien sollen die Akteure der<br />

sozialen Altenarbeit stärker miteinander vernetzt<br />

werden. Die interaktiven Möglichkeiten des Internets<br />

sollen dazu beitragen, den fachlichen Austausch auch<br />

virtuell zu ermöglichen. Denn Netzwerkarbeit bringt<br />

Wissen, Erfahrungen und Erleben unterschiedlicher<br />

Menschen und Institutionen zusammen und ermöglicht,<br />

gemeinsam neue Wege zur Verbesserung der<br />

Lebensqualität älterer Menschen zu entwickeln.<br />

Erich Kerkhoff<br />

28 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


Auf seiner Informationsreise durch<br />

Nordrhein-Westfalen machte der Ministerpräsident<br />

Peer Steinbrück auch Station<br />

in unserer Region, um sich am<br />

„Tag des Ehrenamtes“ über Aktivitäten<br />

in Siegen aufklären zu lassen. Großes<br />

Interesse zeigte Peer Steinbrück an dem<br />

Informationsstand des Hauses Herbstzeitlos,<br />

der in der Bahnhofstraße aufgebaut<br />

war. Die Seniorenbeauftragte<br />

der Stadt Siegen, Astrid Ellen Schneider,<br />

stand dem sehr interessierten Ministerpräsidenten<br />

Rede und Antwort, sie<br />

erklärte, dass 1997 mit Unterstützung<br />

des Landes NRW und Sponsoring ein<br />

ehemaliger Schulpavillon zu einer<br />

selbstverwalteten Selbsthilfe- und Begegnungsstätte<br />

für Senioren umgebaut<br />

wurde. Grundlage für die Namensgebung war ein<br />

öffentlicher Wettbewerb. Gemeinsam mit Vertretern<br />

aller beteiligten Gruppen wurde im Büro des damaligen<br />

Sozialministers Horstmann der Name „Haus<br />

Herbstzeitlos“ ausgewählt. Träger des Hauses ist die<br />

Stadt Siegen.<br />

Im „Haus Herbstzeitlos“ werden Modelle und<br />

Projekte entwickelt und gefördert, die ermöglichen,<br />

dass ältere Menschen<br />

• etwas für sich,<br />

• etwas für andere oder<br />

• etwas mit anderen tun können.<br />

Die Strukturen lehnen sich an die Zeit der selbstverwalteten<br />

Jugendzentren an. Delegierte aller<br />

durch<br />

blick<br />

Nachrichten<br />

Steinbrück informiert sich<br />

über das Seniorenzentrum „Haus Herbstzeitlos“ in Siegen<br />

Senioren-Hotline<br />

Ministerpräsident Peer Steinbrück im Gespräch mit der Seniorenbeauftragten<br />

der Stadt Siegen Astrid E. Schneider.<br />

Gruppen entscheiden gemeinsam über alle das Haus<br />

betreffende Belange. Veränderungen und Entwicklungen<br />

werden im sogen. Hausbeirat diskutiert und<br />

beschlossen.<br />

Die Aktivitäten sind vielfältig, ebenso wie das<br />

Motto des Hauses, das zentral an der Vorderfront<br />

angebracht wurde: „Graue Haare, buntes Leben“.<br />

Aktuell bringen die folgenden Gruppen „buntes“ Leben<br />

ins Haus:<br />

• Seniorenhilfe Siegen e.V. mit<br />

• Frühstückstreff<br />

• Dämmerstunde<br />

• Literaturtreff<br />

• Handarbeitsgruppe<br />

• Singe- und Musikgruppe<br />

• Wandergruppen<br />

• Seniorenzeitung „durchblick“ mit<br />

• Schreibwerkstatt<br />

• Seniorenbeirat der Stadt Siegen<br />

montags von 9.00 bis 16.00 Uhr<br />

Wir kümmern uns<br />

Seniorenbeirat der Stadt Siegen<br />

• ALTERAktiv e.V. mit<br />

• Internet-Cafe<br />

• Computerschulungen<br />

• (Holz- )Werkstatt<br />

• Seniorenfreizeitclub<br />

„Regenbogentreff“<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 29


durch<br />

blick<br />

Nachrichten<br />

Ältere sind anspruchsvolle Kunden<br />

Seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen<br />

„Riesenchance“ für die Wirtschaft – Potenzial<br />

für 100 000 neue Arbeitsplätze.<br />

„Ältere Menschen wollen nicht mehr verzichten,<br />

sondern sich etwas gönnen – vorausgesetzt Qualität<br />

und Service stimmen. Und das Geld haben sie. Das ist<br />

eine Riesen-Chance – für die Wirtschaft – wenn sie<br />

bei Produkten und Dienstleistungen ältere Menschen<br />

als anspruchsvolle Kunden ernst nimmt. Und das bedeutet<br />

ein Potenzial von 100.000 neuen Arbeitsplätzen<br />

in NRW.“ So NRW-Familienministerin Birgit Fischer.<br />

Potenziale des Alters<br />

in Wirtschaft und Gesellschaft<br />

nicht verschleudern!<br />

Die Alterspyramide dreht sich auf den Kopf.<br />

Ältere Menschen werden zunehmend eine wichtige<br />

Rolle in unserer Gesellschaft spielen.<br />

Immer mehr ältere Menschen stehen immer<br />

weniger jungen Menschen gegenüber. Bereits 2010<br />

wird ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland 60<br />

Jahre und älter sein. Im Jahr 2<strong>03</strong>0 wird es doppelt so<br />

viele ältere wie jüngere Menschen geben. Seit 1950<br />

hat sich das Bild dann genau umgekehrt. Angesichts<br />

dieser Entwicklung wird es einen Beitrag älterer<br />

Menschen zum Zusammenhalt der Generationen<br />

geben müssen.<br />

Ministerin Birgit Fischer in Siegen.<br />

Nach einer Untersuchung der Forschungsgesellschaft<br />

für Gerontologie (Alternsforschung) Dortmund<br />

und des Instituts für Arbeit und Technik, Gelsenkirchen<br />

leben die älteren Menschen in unserem Land in guten<br />

bis sehr guten Verhältnissen:<br />

• Durchschnittlich verfügt ein Seniorenhaushalt in<br />

NRW über ein Nettoeinkommen von 2550 e im<br />

Monat.<br />

• Die Haushalte Älterer in NRW haben einen<br />

durchschnittlichen Betrag von 1492 e zur freien<br />

Verfügung.<br />

• Neben den regelmäßigen Einkünften sind noch<br />

weitere Finanzquellen vorhanden: 87 % aller<br />

Haushalte verfügen über Barvermögen, 42 %<br />

besitzen ein Geldvermögen bis 12 750 e, 30 %<br />

besitzen ein Geldvermögen zwischen 12 750 e<br />

und 51 000 e und 15 % stehen mehr als 51 000 e<br />

zur Verfügung.<br />

• 62 % der befragten Haushalte verfügen über<br />

Haus-, Wohnungs- oder Grundeigentum.<br />

• 30 % des Haushaltsnettoeinkommens werden<br />

durchschnittlich für das Wohnen aufgewendet.<br />

Dazu die Bundesministerin für Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend, Renate Schmidt: „Der Erhalt<br />

unseres hohen sozialstaatlichen Niveaus und die<br />

Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft sind davon<br />

abhängig, wie wir den Herausforderungen des demographischen<br />

Wandels begegnen. Wir müssen eine<br />

Gesellschaft gestalten, in der Aufgaben neu verteilt<br />

und auch Belastungen neu, aber gerecht, ausgehandelt<br />

werden. In der Wirtschaft zählen ältere Beschäftigte<br />

leider schnell zum alten Eisen.<br />

In 60 Prozent aller Unternehmen in Deutschland<br />

gibt es keine Arbeitnehmerinnen und keine Arbeitnehmer<br />

über 50 Jahre mehr. Eine solche Entwicklung<br />

schadet allen, auch Unternehmen. Die ältere Generation<br />

muss Gelegenheit haben, ihr Können, ihr Wissen<br />

und ihre Erfahrung einzubringen und die Wirtschaftskraft<br />

in Deutschland zu stärken. Die längere<br />

durchschnittliche Lebensdauer darf nicht als Problem,<br />

sondern muss als Gewinn für die Gesellschaft<br />

und für die Wirtschaft betrachtet werden.<br />

Die Jahre von 60 bis 80 sind ein neuer Lebensabschnitt,<br />

in dem anders als früher die Menschen<br />

noch leistungsfähig und zunehmend leistungsbereit<br />

sind. Dieser Lebensabschnitt soll nicht nur individuell,<br />

sondern auch für die Gesellschaft genutzt<br />

werden – im Interesse eines gelungenen Lebensabschnitts<br />

für die Betroffenen und im Interesse der<br />

gesamten Gesellschaft. Das Know-how, die Kompetenz<br />

und die Lebenserfahrung dürfen weder in der<br />

Wirtschaft noch in der Gesellschaft weiter verschleudert<br />

werden.“<br />

30 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


Es ist so weit: Die neue BAGSO-Homepage ist<br />

online! Eine der wichtigsten Neuerungen: die Suchfunktion,<br />

mit deren Hilfe Sie schnell Begriffe und<br />

Informationen zu einem bestimmten Thema finden,<br />

auch aus den älteren BAGSO-Nachrichten. Diese<br />

stehen ab der Ausgabe 1/1999 zur Verfügung.<br />

Natürlich finden Sie auch ausführliche Informationen<br />

zum 7. Deutschen Seniorentag. Hier lautet<br />

die Internet-Adresse:<br />

durch<br />

blick<br />

Nachrichten<br />

Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO)<br />

„Bedienungsfreundlichkeit technischer Geräte“ –<br />

seit 1. 9. im Netz<br />

www.bagso.de/dst<strong>03</strong>.html<br />

Außerdem ist seit einigen Tagen jetzt auch das<br />

BAGSO-Verbraucherforum geöffnet, dessen Realisierung<br />

durch das BMVEL unterstützt wurde:<br />

Der Beschwerde-Pool für Verbraucher im Seniorenalter<br />

wurde jetzt auf der BAGSO-Homepage eingerichtet!<br />

Technische Geräte<br />

Um einen allgemeinen Überblick zu erhalten, eröffnen<br />

wir gleichzeitig eine Verbraucher-„Meckerecke“.<br />

Per Internet kann sich nun jeder ältere Kunde bzw.<br />

jede Kundin kritisch oder zustimmend zu Warenangeboten<br />

oder Dienstleistungen äußern. Wir beginnen<br />

mit einer Befragungsaktion zum Thema „Verpackungen“.<br />

Das Projekt soll dazu beitragen, mehr über die<br />

Ansprüche und Probleme von Senioren bei der alltäglichen<br />

Nutzung von Produkten und Dienstleistungen<br />

zu erfahren.<br />

Verpackungen<br />

Im zeitlichen Abstand folgen:<br />

„Ernährung im Alter“ – seit August im Netz<br />

Ernährung<br />

Erste Ergebnisse der Fragebogenaktion werden<br />

auf dem Deutschen Seniorentag in Hannover anlässlich<br />

der Eröffnung der SenNova am 6. Oktober um<br />

9.30 Uhr im Beisein von Bundesministerin Renate<br />

Künast präsentiert, deren Ministerium das Pilot-Projekt<br />

fördert.<br />

Beschwerde-Pool und Fragebögen finden Sie<br />

unter den Internet-Adressen:<br />

www.bagso-verbraucherforum.de<br />

und<br />

www.bagso-vf.de<br />

Da die BAGSO mit möglichst eindrucksvollen<br />

und öffentlichkeitswirksamen Ergebnissen bei Bedarf<br />

erheblichen Druck auf Anbieter am Markt<br />

erzeugen will, ist eine hohe Beteiligung an der Aktion<br />

erforderlich. Wir bittet deshalb, die genannten<br />

Internetadressen möglichst vielen Mitgliedern und in<br />

Frage kommenden Personen im Umfeld bekannt zu<br />

machen.<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 31


durch<br />

blick<br />

Gesellschaft<br />

„Gepflegte Vorurteile“<br />

Aus unserem Alltagsleben sind Computer und<br />

Internet kaum noch wegzudenken. Wer sich umfassend<br />

informieren und am gesellschaftlichen Leben<br />

teilnehmen möchte, benötigt zunehmend Kenntnisse<br />

im Umgang mit dem Internet. Zum Beispiel werden<br />

Nachrichten- und andere Informationssendungen in<br />

Radio und Fernsehen häufig mit Hinweisen auf das<br />

Internet beendet: „Weiteres unter www.soundso!“<br />

Auch Fahrplan- und andere Auskünfte sind – wenn<br />

überhaupt – oft zuverlässiger und schneller über das<br />

Internet abrufbar. Während jüngere Menschen diese<br />

Entwicklung wie selbstverständlich mit vollziehen,<br />

scheuen viele der jetzt Älteren davor zurück und<br />

nutzen die gegebenen Möglichkeiten des neuen<br />

Mediums nicht.<br />

Dr. Holger Jenrich, Redaktionsleiter des Fachmagazins<br />

für die ambulante und stationäre Altenpflege,<br />

spießt diesen Sachverhalt auf. Unter der Überschrift<br />

„Gepflegte Vorurteile“ macht er gleichzeitig deutlich,<br />

dass das Internet keine Einbahnstraße ist, sondern<br />

vielmehr einen wechselseitigen Informationsaustausch<br />

ermöglicht („Altenpflege“, Mai <strong>20<strong>03</strong></strong> Vincentz<br />

Verlag Hannover).<br />

Den folgenden Beitrag geben wir mit freundlicher<br />

Genehmigung des Autors wieder:<br />

Frauen können nicht Auto fahren. Ausländer sind<br />

schmutzig. Fernsehen macht dumm. Schwarze sind<br />

faul. Belgier fressen kleine Kinder. Friseusen sind<br />

blond und blöd. Politiker lügen wie gedruckt. Chefs<br />

sind gemein. Lehrer haben ständig Urlaub. Schotten<br />

sind geizig. Die Bahn kommt immer zu spät. Journalisten<br />

sind fiese Möpps. Der Glaube an Vorurteile gilt<br />

in der Welt bekanntlich als gesunder Menschenverstand.<br />

Besonders beliebt sind seit jeher Vorurteile<br />

gegenüber alten Menschen. Männern und Frauen im<br />

Rentenalter sagt man negative Eigenschaften gleich<br />

doppelt und dreifach nach. Entsprechend lang ist die<br />

Lästerliste. Darauf steht: Alte sind unflexibel. Alte<br />

sind besserwisserisch. Alte sind lästig, Alte sind immobil.<br />

Alte sind schwerhörig. Alte sind langweilig.<br />

Alte sind geistig träge. Alte sind geizig. Alte sind wunderlich.<br />

Alte sind zu nichts mehr zu gebrauchen. Alte<br />

sind technikfeindlich. Alte sind nicht auf der Höhe der<br />

Zeit. Alte sind von gestern<br />

Ein paar tausend Kilometer weiter östlich denkt<br />

man über alte Menschen anders. In Japan jedenfalls<br />

gibt es gegenüber Senioren so etwas wie positive<br />

Voreingenommenheit. Im Land der aufgehenden Sonne<br />

hält man Alte für flexibel. Für aufgeschlossen. Für<br />

geistig beweglich. Und für geeignet, den Herausforderungen<br />

der Welt von morgen erfolgreich zu<br />

begegnen. Und zwar schon heute. In den vergangenen<br />

Jahrzehnten hat Japan die Unterhaltungselektronik<br />

revolutioniert, die Telekommunikationsbranche, den<br />

Automarkt. Jetzt ist die Altenpflege dran.<br />

Auf Hokkaido nämlich testet der Staat derzeit ein<br />

ungewöhnliches Modell: Altenpflege per Internet.<br />

Dabei werden alte Menschen tagtäglich per Bildschirm<br />

nach ihrem Befinden gefragt. Dort können sie<br />

wählen zwischen den eingespeicherten Antworten<br />

„Mir geht es gut“, „Ich fühle mich schlecht“ und<br />

„Ich fühle mich einsam“. Bei negativer Antwort wird<br />

automatisch eine E-Mail an das Mobiltelefon eines<br />

Altenbetreuers gesendet. Dieser nimmt dann Kontakt<br />

mit dem Absender auf und entscheidet über das<br />

weitere Vorgehen. Ein spannender Versuch. Ob er<br />

gelingt, wird sich weisen. Klar ist bisher nur eins: Die<br />

Japaner sind einmal mehr cleverer als andere. Und<br />

die Deutschen gucken mal wieder brav zu. Was übrigens<br />

gängige asiatische Vorteile gegenüber uns<br />

Germanen bestätigt. Deutsche, so heißt es dort gern,<br />

sind schwerfällig, stur und absolut veränderungsresistent…<br />

Glücklicherweise handelt es sich hier um eine<br />

Ansichtssache! Andererseits ist an der vermuteten<br />

Veränderungsresistenz schon was dran. Dabei ist klar,<br />

dass in Deutschland einiges verändert werden muss.<br />

Zum Beispiel ist das System der soziales Sicherung<br />

in Deutschland nicht länger haltbar. Zweifellos entspricht<br />

es der Würde und auch der Verantwortung<br />

älterer Menschen, wenn sie die nötigen und möglichen<br />

Veränderungen selbst mit gestalten. Eine dieser<br />

Möglichkeiten ist das Lernen bis zum Lebensende.<br />

Und das – siehe oben – geht nicht mehr ohne Zugang<br />

zum Internet.<br />

Internetcafé im Raum der „durchblick“-Redaktion<br />

32 3/<strong>20<strong>03</strong></strong>


durch<br />

blick<br />

Leserbriefe<br />

Aus der Redaktion 2/<strong>03</strong><br />

Den „durchblick“, der sich diesmal im Maiengrün<br />

präsentiert, nehme ich gleich mit in den Garten.<br />

Friedhelm Eickhoff schreibt im Vorwort zu den Erfahrungen<br />

von Elisabeth Hanz „Am Ende des zweiten<br />

Weltkrieges“: Ganz normale Menschen verrohen,<br />

tun Entsetzliches im Krieg. Ist es der Dämon in uns,<br />

herausgelassen durch die Kriegsschrecknisse, der uns<br />

würgt? Wo beginnt der Krieg? Ich lese aus Zeilen der<br />

Zeitzeugin die Sensibilität als Betroffene und die<br />

notwendige Aufmerksamkeit, die heute notwendig ist<br />

und die sie weitergeben möchte, auch an mich, einen<br />

Begnadeten der späten Geburt (Helmut Kohl). Ich<br />

habe keinen Krieg erleben müssen. Die Ablehnung<br />

eines Krieges in Deutschland ist groß, wie wir in den<br />

letzten Monaten erleben durften. Das ermutigt. Gibt<br />

es einen gerechten Krieg? Wessen Interessen werden<br />

bedient? „Zu guter Letzt“: den Leserbrief von Carl<br />

Radaz „durchblick“ 1/<strong>03</strong> solltet ihr nicht überbewerten.<br />

Stehen lassen und weiter machen. Vieles was<br />

man tut, trifft auf Widerstand. Für gute Kritik sollte<br />

man dankbar sein. Zu guter Letzt ist alles gesagt bzw.<br />

geschrieben.<br />

Anton Fiege, Rieder/Thüringen<br />

Leserbriefe 2/<strong>03</strong><br />

Als ich nach sorgfältiger Lesung vom „durchblick“<br />

– worauf wir uns schon immer freuen – zur<br />

vorletzten Seite gekommen bin, habe ich dort einen<br />

Nörgler gefunden. Sollte ein gewisser Dr. Radaz, der<br />

anscheinend mit sich und der Welt unzufrieden ist,<br />

seinen Frust abgeben an unseren „durchblick“, nein<br />

wie primitiv. Ich hoffe nur, dass er sein Rückflugticket<br />

nach Deutschland verliert. Denn solche Personen<br />

brauchen wir hier nicht. Aber wenn er die Ausgabe<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> lesen sollte, hoffe ich, dass er sich besinnt und<br />

mal die Frage stellt, welche Arbeit in einer Zeitung<br />

steckt. Und lieber Herr Dr. wenn Sie nicht wissen, was<br />

Sie mit Ihrer freien Zeit anfangen sollen, die Redaktion<br />

„durchblick“ ist bestimmt über jede helfende<br />

Hand dankbar, aber bitte nicht immer motzen, sondern<br />

klotzen.<br />

Marc Vervenne, Siegen<br />

Mein Kompliment für die Anmerkung der Redaktion<br />

zum Leserbrief des Dr. Radaz.<br />

Lothar Stock, Neunkirchen<br />

Über Ihren saloppen Kommentar zu dem Leserbrief<br />

des nörgeligen Lesers auf Tenerifa habe ich<br />

herzhaft lachen müssen. Unanbhängig davon fand ich<br />

ihre Einlassung aber auch gleichzeitig etwas frech.<br />

Hannelore Henning, Leverkusen<br />

Mobilität – ein verändertes Altenbild?<br />

Seit Jahren erhalten wir als Schutzbund der Senioren<br />

und Vorruheständler in Weimar aus Siegen auf<br />

Grund einer alten Verbindung ein paar Exemplare des<br />

„durchblick“ zugesandt. Wir reichen dann die Zeitschrift<br />

in Weimarer Seniorenverbände und -einrichtungen<br />

zum Lesen weiter und geben zustimmende<br />

Urteile für Inhalt und neue Aufmachung gern nach<br />

Siegen weiter. Vielleicht sind die Zeitschriftenexemplare<br />

aus Siegen ein kleiner Beitrag für das<br />

Wachsen der deutsch-deutschen Verständigung.<br />

Im Inhalt des „durchblick“ fällt mir auf, dass das<br />

veränderte Altenbild, hinsichtlich der Mobilität,<br />

immer mehr Raum einnimmt. Es ist nunmal eine<br />

Folge des demographischen Wandels und damit im<br />

Zusammenhang die Zunahme immer mehr „mobiler<br />

Alter“, dass sich das Erscheinungsbild der älteren<br />

Generation sehr rasch verändert.<br />

Ich kann das auch für Weimar nur bestätigen. Die<br />

Zahl kreativer Selbsthilfegruppen nimmt immer<br />

mehr zu, die Ehrenamtsarbeit wird überwiegend von<br />

Senioren bestritten und die vielen Touristengruppen,<br />

die täglich die Stadt bevölkern, sind keinesfalls<br />

tütelige Alte, sondern kultur- und kunstinteressierte<br />

Leute, die in einem Weimarbesuch etwas für ihre<br />

Bildung tun wollen.<br />

Meine Freunde und ich sind gespannt auf die weiteren<br />

Ausgaben des „durchblick“.<br />

Erwin Rotter, Weimar<br />

Gedächtnistraining<br />

Wir Teilnehmer und Teilnehmerinnen vom VHS-<br />

Gedächtniskurs in Siegen-Seelbach freuen uns jedes<br />

Mal auf den neuen „durchblick“. Seite für Seite<br />

finden wir gut, deshalb haben wir uns eine kleine<br />

Gedächtnisübung für die Leser und Leserinnen als<br />

Anregung ausgedacht. Wir haben aus dem Wort<br />

„durchblick“ ein Anagramm gemacht, d. h. so viele<br />

Wörter wie möglich daraus zu bilden. Über 30 haben<br />

wir geschafft und vielleicht würde der eine oder der<br />

andere noch mehr herausfinden. Den „durchblick“<br />

bekommen wir von unserer Kursleiterin Frau B.<br />

Kerkhoff zur Verfügung gestellt.<br />

Hildegard Stenke, Siegen<br />

Wir freuen uns über jeden Leserbrief,<br />

nutzen sie bitte auch die Möglichkeit des<br />

E-Mail-Versandes:<br />

durchblick-siegen@gmx.de<br />

3/<strong>20<strong>03</strong></strong> 33


durch<br />

blick<br />

Kleinanzeigen<br />

Erste Mitgliederversammlung<br />

Nach erfolgter Vereinsgründung wurde der<br />

ALTERAktiv Siegen e. V. als „gemeinnützig“ anerkannt.<br />

Die erste Mitgliederversammlung ist geplant<br />

für Montag, den 13. Oktober <strong>20<strong>03</strong></strong>, um 16 Uhr im<br />

Haus Herbstzeitlos, Marienborner Straße 151 in Siegen.<br />

Auch Nichtmitglieder sind herzlich eingeladen.<br />

Hilfe beim „Versilbern“<br />

Sie wollen einen Teil Ihrer Einrichtungsgegenstände<br />

oder eine Sammlung „versilbern“? Der ALTERAktiv<br />

Siegen e. V. unterstützt Sie beim Verkauf Ihrer Schätze.<br />

Gegen eine geringe Gebühr werden diese auf der<br />

vereinseigenen Homepage www.senioren-siegen.de<br />

angeboten und vermittelt. Auskunft: info@seniorensi.de<br />

oder telefonisch, montags von 14.30 bis 16.00<br />

Uhr unter 02 71 / 6 16 47.<br />

Private Anzeigen bis vier Zeilen veröffentlichen<br />

wir kostenlos. Anzeigenschluss für die nächste<br />

Ausgabe ist der 30. Oktober <strong>20<strong>03</strong></strong><br />

Grammophone, Schellackplatten, alte Musikgeräte<br />

usw. kauft, sammelt und tauscht: Lothar<br />

Stock, Van-Kinsbergen-Ring 17, 57290 Neunkirchen<br />

Tel. 0 27 35 / 52 60<br />

Wandergruppe „Die Gemächlichen“<br />

An jedem 1. und 3. Dienstag im Monat führt diese<br />

Gruppe eine Kurzwanderung von max. 2–3 Std. und<br />

12 km durch.<br />

Treffpunkt, Wanderbeginn und Wanderziel werden<br />

kurzfristig festgelegt und sind unter folgenden Rufnummern<br />

zu erfragen:<br />

02 71 / 39 08 98 Frau Stein<br />

02 71 / 7 38 82 Frau Tonnsen<br />

02 71 / 8 42 19 Frau Ullrich<br />

02 71/ 5 48 70 Herr Helmrath<br />

Verteiler gesucht. Wer hat alle drei Monate<br />

einige Stunden Zeit, ehrenamtlich den durchblick an<br />

Apotheken, Sparkassen und Ärzte zu verteilen? Wir<br />

freuen uns über jede Hilfe. Telefon 4 04-13 34<br />

Prostata-Selbshilfegruppe Siegerland ist<br />

noch offen für Interessenten. Informationen unter<br />

Telefon Nr. 0 27 35 / 52 60<br />

Putzstelle gesucht, von junger Frau, (32 Jahre),<br />

für einige Stunden wöchentlich im Privathaushalt.<br />

Interessenten wenden sich bitte an die Seniorenhilfe,<br />

Telefon 6 61 <strong>03</strong> 35, Mo.–Fr. 10–12 Uhr.<br />

durch<br />

blick<br />

Redaktion: Marienborner Str. 151 · 57074 Siegen<br />

Tel. + Fax 02 71/ 6 16 47 · Mobil: 01 60 / 95 98 74 06<br />

E-Mail: durchblick-siegen@gmx.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

montags und dienstags von 9.00 bis 12.00 Uhr<br />

Herausgeber: Stadt Siegen –<br />

Der Bürgermeister – Seniorenbüro<br />

Redaktion: Maria Anspach, Friedhelm Eickhoff<br />

(verantw.), Inge Göbel, Elisabeth Hanz, Dorothea<br />

Istock, Erich Kerkhoff, Erika Krumm, Doris Meinertzhagen.<br />

Geschäftsführung: Friedhelm Eickhoff<br />

An dieser Ausgabe haben ferner mitgewirkt:<br />

Elke Strunk; Sabine Vollwerth; Horst Mahle; Astrid<br />

E. Schneider; Helga Siebel-Achenbach; Jan Vering<br />

Fotos/Zeichnungen/Graphik: D. Meinertzhagen,<br />

F. Eickhoff, M. Anspach, D. Istock, E. Kerkhoff<br />

Erscheinungsweise: März, Juni, Sept., Dezember<br />

Gesamtherstellung:<br />

Vorländer Obergraben 39 · 57072 Siegen<br />

Gestaltung: Sascha Bär (Vorländer)<br />

Auflage: 6 500. Der durchblick wird kostenlos<br />

verteilt. Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />

geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

wieder. Die Redaktion behält sich vor, eingesandte<br />

Beiträge und Leserbriefe zu kürzen. Unverlangte<br />

Beiträge werden nicht zurückgeschickt<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste 5/2002.<br />

Zu guter Letzt:<br />

Wollte doch unlängst der kleine Janik die sich<br />

selbst aufgehäufte Portion Nudeln partout nicht<br />

aufessen. Der erziehungserfahrene Opa Wolfgang<br />

blieb daraufhin bei der Frage des Nachtisches hart:<br />

Erst aufessen – dann Eis!!! Eine Weile verging, der<br />

dreijährige Enkel sitzt still auf seinem Stuhl, als<br />

Oma Gertrud seine Tränen bemerkt. Betroffen erklärt<br />

Janik: „Kullern einfach so raus.“<br />

Wie weggeblasen waren alle Erziehungsvorsätze.<br />

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