28.11.2017 Aufrufe

Hamm, Unna, Hagen - coolibri Dezember 2017

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

BLICKPUNKT REGION<br />

D O R T M U N D<br />

Perspektiven<br />

Atemberaubende Aussicht vom Dortmunder U<br />

Foto: Lina Niermann<br />

Die eigene Stadt mit<br />

anderen Augen sehen<br />

– Wie ist es, einen<br />

Tag lang als<br />

Tourist durch die<br />

Heimat zu streifen?<br />

Wir haben es ausprobiert.<br />

Lina Niermann<br />

hat sich Dortmunds<br />

Touristen-<br />

Magneten angesehen<br />

und Tossia Corman<br />

war in Düsseldorf<br />

unterwegs.<br />

Die Tour startet bei strömendem Regen am<br />

Hauptbahnhof Dortmund. Auf dem Vorplatz treffe<br />

ich Tanja Rudloff und ihre Tochter Linnea. Sie<br />

sind für das Helene-Fischer-Konzert extra aus<br />

Lüneburg angereist. Ihr erster Eindruck von<br />

Dortmund? „Der Bahnhof ist etwas schmuddelig“,<br />

meint Tanja. Dann deutet sie auf die Stadtund<br />

Landesbibliothek auf der gegenüberliegenden<br />

Straßenseite. „Was ist das denn für ein<br />

schönes Gebäude?“, fragt sie. Der halbrunde,<br />

von dem Schweizer Mario Botta entworfene<br />

Glasbau sieht mit seinen verspiegelten Scheiben<br />

tatsächlich ganz schick aus, stelle ich fest.<br />

Wie es sich für einen echten Touristen gehört,<br />

geht es vom Bahnhof zuerst zum Tourismusbüro<br />

in der Kampstraße. Die Dame hinter dem Info-<br />

Schalter empfiehlt u. a. die Petrikirche, das Dortmunder<br />

U, eine Hop-on Hop-off Citytour mit dem<br />

Doppeldecker-Bus und die Thier-Galerie.<br />

Goldenes Wunder<br />

Das mittelalterliche Sandsteingebäude ragt vor<br />

mir auf. Bisher bin ich an der Petrikirche immer<br />

nur vorbeigelaufen. Jetzt wird es Zeit, auch einmal<br />

das Innere zu betreten. Angeblich gibt es<br />

dort ein Wunder zu bestaunen. Das Goldene<br />

Wunder von Westfalen, ein flämischer Flügelaltar<br />

aus dem Jahr 1521, nimmt den kompletten<br />

vorderen Teil der Kirche ein. Er ist gleich mit<br />

zwei Flügelpaaren ausgestattet, sodass der Altar<br />

in drei verschiedenen Öffnungszuständen<br />

„Wandlungen“ gezeigt werden kann. Seine volle<br />

Pracht entfaltet er immer ab dem zweiten Sonntag<br />

im Oktober, denn dann wird er vollständig<br />

geöffnet und die in seinem Bauch verborgenen<br />

Schnitzfiguren kommen zum Vorschein. Die sogenannte<br />

Festtagsseite beherbergt 633 vergoldete,<br />

detailreich gestaltete Figuren, die die Passionsgeschichte<br />

darstellen. Antwerpener Handwerkskunst<br />

par excellence.<br />

8<br />

Kunst in der Brauerei<br />

„Emerging Artists <strong>2017</strong>“ lautet der Titel einer<br />

kostenlosen Ausstellung in der ehemaligen Union-Brauerei.<br />

Kunst für umsonst? Nichts wie<br />

rein. Unter den Werken ist auch das Projekt<br />

„Wörter aus einem untergegangenen Land“ der<br />

Künstlerin Mahsa Esmaeili. Dabei nimmt sie<br />

DDR-Begriffe und stellt sie in Fotos dar. Auf einem<br />

Bild streckt ein Mann sein Bein aus der<br />

Wanne, an seinem Fuß eine rote Socke. Der<br />

Westler rätselt. Zum Glück erklärt eine Tafel,<br />

dass „rote Socke“ in der DDR eine Bezeichnung<br />

für regimetreue Bürger war. Für einen Augenblick<br />

kommt die Sonne raus, also noch zur<br />

Dachterrasse des U-Turms, von der aus der Blick<br />

frei über die Stadt schweifen kann. Dortmund,<br />

mit seinen in die Luft stechenden Kirchturmspitzen,<br />

dem RWE Tower und den rostroten Eisenbahnschienen,<br />

die sich nördlich des Walls<br />

entlangschlängeln. Am Horizont zeichnen sich<br />

Hoesch-Gasometer und Florianturm ab.<br />

Imbiss und Shopping-Wahn<br />

Hunger macht sich breit. Und wie lautet eine uralte<br />

Touristen-Weisheit? Wenn du etwas Gutes<br />

haben willst, gehe dorthin, wo die Einheimischen<br />

essen. Die Schlange vor Wurst Willi ist<br />

lang. Ein gutes Zeichen. Als ich an der Reihe bin,<br />

bestelle ich ein Gericht, das zu einem Ruhrpott-<br />

Tag einfach dazugehört: Currywurst-Pommes.<br />

„Scharf machen?“ fragt mich die routinierte Verkäuferin.<br />

Ich bin kurz irritiert, dann nicke ich.<br />

Gut gestärkt geht es in die empfohlene Thier-Galerie,<br />

aber nur kurz. Der nasse Samstag hat halb<br />

Dortmund in den Shopping-Tempel gespült. Das<br />

Gewimmel und Geschiebe ist nicht auszuhalten.<br />

Mit der nächsten Welle Kauflustiger lasse ich<br />

mich wieder auf die Straße tragen. Da sind mir<br />

die kleinen Geschäfte in Kaiserstraßen- und<br />

Kreuzviertel doch wesentlich lieber.<br />

Nur der BVB<br />

Dortmund gilt als Fußballmetropole. Seit zwei<br />

Jahren beherbergt die Stadt nun auch das Deutsche<br />

Fußballmuseum. Im Foyer hockt eine bunt<br />

bejackte Männertruppe zwischen ihren Fahrrad-Taschen.<br />

Die vier Männer aus dem Münsterland<br />

machen einmal im Jahr eine längere Radtour.<br />

Diesmal sollte es über den Ruhrtal-Radweg<br />

durch das Ruhrgebiet gehen, doch der Regen<br />

hat ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht.<br />

Jetzt wollten sie sich wenigstens noch<br />

das Museum ansehen. „Aber der Eintrittspreis<br />

hat uns abgeschreckt“, sagt Karsten Schulz. So<br />

warten Karsten, Swen, Bruno und Norbert im<br />

Trockenen auf ihren Anschluss-Zug nach Hause.<br />

Auch mir ist der Eintritt mit 17 Euro zu teuer.<br />

Dann lieber zum Stadion und zum BVB-Fanshop.<br />

Wer noch auf der Suche nach einem Dortmunder<br />

Souvenir ist, wird dort mit Sicherheit fündig.<br />

Mit vollbepackten Einkaufstüten stehen Siegfried<br />

und Melanie Engel vor dem Laden. Sie sind<br />

aus Memmingen angereist und eingefleischte<br />

BVB-Fans. Im vergangenen Jahr haben sie die<br />

kleine Stadiontour gemacht, eine Führung hinter<br />

die Kulissen des Vereins. „Ein absolutes<br />

Highlight, kann ich nur empfehlen“, schwärmt<br />

Siegfried Engel, „man kommt sogar bis in die<br />

Mannschaftskabine.“<br />

Im Fanshop gibt es nichts, was es nicht gibt.<br />

Neben Fußballtrikots, BVB-Bademänteln und<br />

Gläsern mit original BVB-Bratwurst-Senf strahlen<br />

mich schwarz-gelbe Gartenzwerge an. Vielleicht<br />

einen BVB-Schnuller? Oder ein 3D-Stadionpuzzle?<br />

Sogar eine nachgebaute Tribüne<br />

steht im Laden. Dahinter eine Fototapete, die<br />

das Innere des Stadions zeigt. Was fehlt noch<br />

für einen echten Touri-Tag? Richtig, ein Selfie.<br />

Ich setze mich auf die Tribüne, greife noch<br />

schnell die überdimensionale Plüschbiene Emma<br />

und – bitte lächeln! Lina Niermann

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!