WirtschaftsKRAFT 2017
„WirtschaftsKraft“: Die Kraft der Region im Hochglanzformat. Die Leistungsfähigkeit des Standortes Nordschwarzwald in gedruckter und digitaler Form dargestellt. - Was kleine, mittlere und große Unternehmen leisten, die in der Region Nordschwarzwald aktiv sind, wird nicht selten weltweit abgerufen. Die innovativen und qualitativen Produkte sowie die Menschen, die sie mit großer Begeisterung herstellen haben international einen exzellenten Ruf. „Made in Black Forest“ ist längst zu einem wertvollen Prädikat geworden.
„WirtschaftsKraft“: Die Kraft der Region im Hochglanzformat. Die Leistungsfähigkeit des Standortes Nordschwarzwald in gedruckter und digitaler Form dargestellt. - Was kleine, mittlere und große Unternehmen leisten, die in der Region Nordschwarzwald aktiv sind, wird nicht selten weltweit abgerufen. Die innovativen und qualitativen Produkte sowie die Menschen, die sie mit großer Begeisterung herstellen haben international einen exzellenten Ruf. „Made in Black Forest“ ist längst zu einem wertvollen Prädikat geworden.
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Ausgabe 5 | <strong>2017</strong><br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong><br />
Digitale Aufbruchstimmung im Nordschwarzwald<br />
Das Magazin Pforzheim GmbH
Willkommen in der Zukunft<br />
Der Sturm der Digitalisierung zieht durch alle Lebensbereiche –<br />
und quer durch diese Magazin-Ausgabe<br />
EDITORIAL<br />
Spätestens seit der Freiluftausstellung<br />
in Wittenberg anlässlich des<br />
500. Reformationsjubiläums sollte<br />
dem letzten Zweifler klar sein: die<br />
Digitalisierung dringt in jeden Bereich<br />
unseres Lebens vor. Bis September<br />
<strong>2017</strong> segnete der Roboter<br />
BlessU-2 die Gläubigen nach ihren<br />
individuellen Wünschen. Zur<br />
Auswahl standen sieben Sprachen<br />
– inklusive einer Dialektvariante –,<br />
wahlweise gesprochen mit Männeroder<br />
Frauenstimme. Außerdem hatte<br />
die Maschine mit menschenähnlicher<br />
Erscheinung 31 verschiedene<br />
Sprüche im Repertoire. Mehrere<br />
Tausend Menschen ließen sich von<br />
der computergesteuerten Blechkiste<br />
den Segen geben – obwohl das Kom -<br />
munikationsexperiment eigentlich<br />
zur Diskussion über die Folgen der<br />
Digitalisierung provozieren sollte.<br />
In der Wirtschaft wird längst über<br />
den digitalen Wandel diskutiert.<br />
Unlängst auch in Pforzheim beim<br />
Zukunftsforum 2030 der Industrieund<br />
Handelskammer Nordschwarzwald.<br />
Nicht nur dort wurde deutlich,<br />
dass wir sowohl Zeitzeugen<br />
wie auch Akteure und Betroffene<br />
der vierten industriellen Revolution<br />
sind. Bereits in 10 oder 15 Jahren<br />
kann unsere Gesellschaft eine völlig<br />
andere sein. Ob die Unternehmen<br />
dabei untergehen oder als Revolutionsgewinner<br />
in die neue Ära<br />
eintauchen werden, das entscheiden<br />
sie weitgehend selbst. Wie? Sie<br />
müssen handeln und die Weichen<br />
stellen für den Wechsel. Und zwar<br />
heute. Zugegeben, das ist nicht<br />
leicht. Angesichts der Konjunktur,<br />
die momentan auf voller Drehzahl<br />
läuft, fällt es umso schwerer, über<br />
das Morgen nachzudenken. Wer<br />
möchte sich schon mit Zukunft befassen,<br />
wenn das althergebrachte<br />
Geschäftsmodell im Hier und Jetzt<br />
so hervorragend läuft?<br />
Dass es gerade jetzt, zumal in guten<br />
Zeiten wichtig ist, den unternehmerischen<br />
Schritt ins nächste Zeitalter<br />
vorzubereiten, das sollen die Beiträge<br />
in dieser Magazin-Ausgabe<br />
aufzeigen. Der Sturm der Digitalisierung<br />
zieht mal mehr, mal weniger<br />
stark durch das gesamte Magazin.<br />
Denn ob Automotive-Bereich,<br />
Tourismusbranche oder Weiterbildungsbetrieb,<br />
ob Landgemeinde,<br />
Baugenossenschaft oder Krankenkasse<br />
– in jedem Redaktionsgespräch,<br />
gleich zu welchem Thema, kamen<br />
die Interviewten auf die digitale<br />
Herausforderung und ihre Chancen<br />
zu sprechen. Wir befinden uns also<br />
bereits mitten im Revolutionsprozess.<br />
Willkommen in der Zukunft.<br />
Ein herzliches Willkommen auch<br />
an unseren publizistischen Partner<br />
WFG, Wirtschaftsförderung Nordschwarzwald<br />
GmbH. Die WFG ist<br />
erstmals mit einem eigenen Redaktionsteil<br />
in <strong>WirtschaftsKRAFT</strong><br />
ver treten. Insgesamt also abwechslungsreicher<br />
Lesestoff. Ich wünsche<br />
Ihnen interessante Einblicke bei der<br />
Lektüre.<br />
Gerd Lache,<br />
Leitender Redakteur<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong><br />
Foto: Sebastian Seibel
Foto: Julian Stratenschulte<br />
„Wir müssen radikaler denken“ 06 – 10<br />
Skytron: Technologiemix für schnellen Breitbandausbau 12<br />
Begeistert von den Weiten des Schwarzwalds 14 – 16<br />
Zukunftsmodell Genossenschaft 18 – 20<br />
Mit Vollgas in die Zukunft 22 – 26<br />
IMO Oberflächentechnik GmbH 29<br />
„Gravierende Veränderungen“ 30 – 32<br />
Präzision hat bei EBERLE Tradition 33<br />
Chance und Herausforderung 34 – 35<br />
„Es ist an der Zeit umzudenken“ 36 – 39<br />
Dörwang: Den Wandel der Zeit erkennen 40<br />
Den Schwarzwald modern interpretieren 42 – 47<br />
WFG-KOMPAKT:<br />
20 Jahre alt und kein bisschen leise! 48 – 49<br />
Netzwerke: Innovationen im Verbund 50 – 51<br />
Plastics InnoCentre packt heiße Eisen an 52 – 53<br />
WPC: Zwei Welten, ein genialer Stoff 54 – 55<br />
Gewerbeflächen und wo sie zu finden sind 56 – 57<br />
Interessantes Angebot für eine große Nachfrage 58 – 59<br />
Vielfalt als Chance 60 – 61<br />
Der Schwarzwald – eine Region macht auf Blau 62 – 63<br />
Tagungsregion Nordschwarzwald 64 – 65<br />
RegioHOLZ: Mehrwert durch konkrete Projekte 66 – 67<br />
4
Weitere<br />
Informationen zu<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> finden<br />
Sie im Internet unter<br />
www.wirtschafts-kraft.de<br />
Impressum<br />
Herausgeber und Konzeption:<br />
INFO – Das Magazin<br />
Pforzheim GmbH,<br />
ein Unternehmen der PZ Medien<br />
Poststraße 12<br />
75172 Pforzheim<br />
Telefon 07231 16899-0<br />
www.info-pforzheim.de<br />
INHALT | IMPRESSUM<br />
Mit BANG gegen den Fachkräftemangel 68 – 70<br />
Automotive-Branche in den Spagat gezwungen 72 – 75<br />
Wirtschaftlicher Kompetenz-Standort<br />
und attraktiver Lebensraum für Familien 76 – 79<br />
Mit Emotionen und Humor die Klickzahlen pushen 80 – 83<br />
Goldrausch im Nordschwarzwald 84<br />
Die Geschichte vom tapferen Holzhauer 86 – 87<br />
Wirtschaftsförderung auf High-Tech-Niveau 88 – 89<br />
Wilde Ideen und innovative Projekte für die digitale Welt 90 – 91<br />
Phönix aus der Asche 92 – 95<br />
S&M: Führender Dienstleister 96<br />
OBE: Preisgekrönte Innovation<br />
als Unabhängigkeitserklärung 98 – 99<br />
Lebens- und Wirtschaftsraum<br />
mit glänzenden Perspektiven 100 – 103<br />
Nachwuchsschmiede für die Region 104<br />
Passwort statt Wohnungsschlüssel 106 – 107<br />
Wenn der Vorgesetzte als Stressfaktor wirkt 108 – 109<br />
Corthum: Ökonomie und Ökologie in Einklang bringen 111<br />
Leuchtturm für die Produktion der Zukunft 112 – 114<br />
Geschäftsführung:<br />
Albert Esslinger-Kiefer<br />
Wolfgang Altmann<br />
Gestaltung, Layout, Satz:<br />
Mirjam Müller<br />
Redaktion:<br />
Gerd Lache (V.i.S.d.P.)<br />
Doris Löffler<br />
Redaktion WFG-KOMPAKT:<br />
WFG<br />
Anzeigen:<br />
Sabine Schwarz, Peter Widmaier,<br />
Wolfgang Altmann<br />
Titelbild:<br />
Aeroakustischer Windkanal im Porsche-<br />
Entwicklungszentrum Weissach/Mönsheim,<br />
der im Frühjahr 2015 in Betrieb<br />
genommen wurde. Foto: Rafael Krötz<br />
Druck und Verarbeitung:<br />
Systemedia GmbH<br />
www.systemedia.de<br />
Auflage:<br />
8.000 Exemplare<br />
Alle Inhalte des Magazins<br />
„<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>“ sind urheberrechtlich<br />
geschützt. Jeder von uns<br />
erstellte redaktionelle Beitrag,<br />
jedes Foto sowie jede von uns<br />
gestaltete Anzeige dürfen ohne<br />
unsere ausdrückliche Genehmigung<br />
nicht in anderen Print- und Online-<br />
Medien veröffentlicht werden.<br />
Stand:<br />
September <strong>2017</strong><br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 5
Region Nordschwarzwald<br />
Roboter lösen<br />
die Menschen ab<br />
Prognose: Von zwei Millionen Arbeitsplätzen<br />
in der Autoindustrie, einschließlich der Zulieferbetriebe,<br />
bleiben gerade mal zehn Prozent übrig<br />
Foto: Sven Hoppe<br />
6
Mir gefällt …<br />
„Wir müssen<br />
radikaler denken“<br />
Mit kraftvoller Rationalisierung und<br />
disruptiver Innovation die Herausforderungen<br />
der Zukunft meistern<br />
Von Gerd Lache<br />
„Wir sind auf dem Weg in eine<br />
Gesellschaft, in der die Hälfte der<br />
Bevölkerung nicht mehr arbeitet.“<br />
Und warum? „Viele Tätigkeiten, vor<br />
allem Dienstleistungsberufe, die bis -<br />
her von Menschen gemacht wurden,<br />
übernehmen zukünftig Roboter und<br />
Computer.“ Diese Prognose des Publizisten<br />
und Philosophen Richard<br />
David Precht ist für Unternehmenslenker<br />
und Personalverantwortliche<br />
derzeit schwer vorstellbar. Denn<br />
auch in der Region Nordschwarzwald<br />
gibt es aktuell zahlreiche<br />
unbesetzte Stellen. Prechts Aussagen<br />
beim IHK-Zukunftsforum in<br />
Pforzheim vor rund 250 Zuhörern<br />
stützen sich auf Ergebnisse von<br />
Zukunftsforschern. So besagt etwa<br />
die Oxford-Studie, dass es in 20<br />
bis 25 Jahren für knapp die Hälfte<br />
der Menschen nichts mehr zu tun<br />
geben wird. Davon betroffen seien<br />
rund 700 Berufsgruppen.<br />
Zwar konzentriert sich „Oxford“<br />
ausschließlich auf die USA. Allerdings<br />
kommt eine Studie der<br />
London School of Economics für<br />
Deutschland zu ähnlichen Aussagen.<br />
Beispiele: Bei den Tätigkeiten<br />
im Medizinbereich trifft es Precht<br />
zufolge nicht nur die Angestellten<br />
in den Praxen: „Der Hausarzt<br />
kann in einigen Jahren nichts,<br />
was eine Apple-Uhr nicht besser<br />
kann.“ Schon heute sind Service-<br />
Jobs in Versicherungsunternehmen<br />
bedroht. So wurde im Juni <strong>2017</strong><br />
bekannt, dass der Versicherungskonzern<br />
Allianz (rund 29 000 Beschäftigte)<br />
in Deutschland bis 2020<br />
voraussichtlich 700 Vollzeitstellen<br />
abbauen will. Annähernd 600 weitere<br />
Jobs streicht der Konzern über<br />
Altersteilzeit. Begründung für diese<br />
Maßnahme: Sachbearbeiter-Aufgaben<br />
können künftig über standardisierte<br />
digitale Prozesse, also von<br />
Robotern, übernommen werden.<br />
Offen bleibt, ob dies erst der Anfang<br />
war.<br />
Der japanische Konzern Fokoku<br />
Mutual Life Insurance ist bedeutend<br />
weiter mit der Digitalisierung.<br />
Laut Medienberichten hat er bis<br />
März <strong>2017</strong> ein Drittel seiner Mitarbeiter<br />
in der Abteilung Schadensbemessung<br />
durch den Super-<br />
Computer „Watson“ ersetzt. Wer ist<br />
„Watson“? Das System verfügt nach<br />
IBM-Angaben über eine enorme<br />
Rechenkapazität. Die Architektur<br />
sei darauf ausgelegt, „die natürliche<br />
menschliche Sprache zu verstehen,<br />
deren Wörter und Kontext<br />
zu analysieren, diese Informationen<br />
schnell zu verarbeiten und so<br />
präzise Antworten auf Fragen in<br />
natürlicher Sprache auszugeben“.<br />
Damit kann beispielsweise ein Versicherer<br />
die Standardanfragen seiner<br />
Kunden über Algorithmen beantworten<br />
lassen. Ziel von IBM ist<br />
ein lernendes Computersystem für<br />
unterschiedlichste Einsatzbereiche,<br />
das in der Lage ist, selbstständig<br />
Informationen aus Daten zu gewinnen<br />
und Schlüsse zu ziehen.<br />
Bernd Müller, Geschäftsführer<br />
IMO Oberflächentechnik GmbH<br />
Königsbach-Stein.<br />
Foto: www.ch-ernst.de<br />
Unsere Region ist heute ein<br />
gefragter Wirtschaftsstandort.<br />
Sowohl mittelständische Unternehmen<br />
als auch Weltmarktführer<br />
werden für ihre Qualität<br />
und ihr technologisches Knowhow<br />
geschätzt. Insbesondere die<br />
Stanz-, Präzisions- und Oberflächentechnik<br />
genießt weltweit<br />
einen hervorragenden Ruf. Doch<br />
die wirtschaftlichen Entwicklungen<br />
machen auch vor unserer<br />
Branche nicht Halt. Im Zuge der<br />
Industrie 4.0 ändern sich nicht<br />
nur die Arbeitsmittel, sondern<br />
auch die Menschen selbst und<br />
ihre Arbeitsziele. Wir müssen unsere<br />
Organisationsstruktur und<br />
Unternehmensführung an die zu -<br />
künftigen Anforderungen anpassen.<br />
Durch die EDV-Anbindung<br />
werden die Prozessabläufe<br />
in der Fertigung immer anspruchsvoller.<br />
Das Personal muss<br />
heute über ein breites Fachwissen<br />
verfügen und sich durch<br />
Schulungen ständig weiter qualifizieren.<br />
Dennoch steht der<br />
Mensch nach wie vor im Mittelpunkt<br />
der Arbeit. Das Vertrauen<br />
der Mitarbeiter zu gewinnen<br />
und zu bewahren ist uns als inhabergeführter<br />
Familienbetrieb<br />
ein wichtiges Anliegen. Unser<br />
Ziel ist es, eine zu den Lebensphasen<br />
unserer Mitarbeiter passende<br />
Personalpolitik zu bieten.<br />
TITELSTORY<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 7
Region Nordschwarzwald<br />
„Nicht die<br />
Roboter vernichten<br />
Arbeitsplätze,<br />
sondern Manager, die ihr<br />
Unternehmen nicht auf die<br />
di gitale Transformation<br />
ausrichten.“<br />
Kai Mantzel,<br />
Experience Lead bei<br />
Microsoft<br />
Stichwort: Künstliche Intelligenz (KI).<br />
Bedingt durch KI würden „mehr als<br />
die Hälfte der Juristen in den kommenden<br />
20 Jahren ihre Jobs verlieren“,<br />
sagt Precht. Denn wer beispielsweise<br />
eine Wirtschaftsexpertise<br />
haben wolle, der spreche sein<br />
Anliegen in das System und „bekommt<br />
kurz darauf das Ergebnis<br />
ausgedruckt“.<br />
Auch die Autoindustrie sei in hohem<br />
Maße betroffen. Laut Precht<br />
fallen mit dem autonomen Fahren<br />
beispielsweise die Taxi-Jobs weg.<br />
Nicht nur das: Von derzeit etwa<br />
zwei Millionen Arbeitsplätzen, einschließlich<br />
der Zulieferbetriebe,<br />
würden gerade mal zehn Prozent<br />
übrig bleiben. Im autonomen Zeitalter<br />
des Vehikels sei ohnehin kein<br />
eigenes Fahrzeug mehr nötig, es<br />
werde bei Bedarf über eine Flatrate<br />
gemietet. Die Folge: Der Bedarf an<br />
neuen Autos schrumpfe und die<br />
Produktion sinke auf schätzungsweise<br />
ein Fünftel des heutigen<br />
Ausstoßes. Bedeutet dies das Aus<br />
für zahlreiche Zulieferbetriebe in<br />
der Region, die den Automotive-<br />
Bereich bedienen? Das muss nicht<br />
sein, konstatiert Professor Dieter<br />
Spath vom Fraunhofer-Institut:<br />
„Kraftvolle Rationalisierung und<br />
disruptive Innovation“, also sich<br />
umstellen auf neue Anforderungen<br />
und Herausforderungen, das seien<br />
zwei wichtige Punkte beim Blick in<br />
die Zukunft.<br />
Zukunft? Dieser wirtschaftliche<br />
und gesellschaftliche Umbruchprozess<br />
habe längst begonnen, macht<br />
der Manager von Cisco Deutschland,<br />
Bernd Heinrichs, deutlich.<br />
Bedenkenswert für ihn ist, dass<br />
sich aktuell nur eine von vier Firmen<br />
mit diesem Thema intensiv<br />
beschäftige. Heinrichs warnt: Wer<br />
erst warte, bis er die Notwendigkeit<br />
der Veränderung erkannt habe,<br />
„für den ist es oft schon zu spät“.<br />
Er gibt den Unternehmen noch<br />
knapp drei Jahre Zeit, bis die Disruption<br />
greift. Seine Mahnung zum<br />
schnellen Handeln packt er in die<br />
provokante Prognose: „40 Prozent<br />
der etablierten Marktführer werden<br />
bis 2030 vom Markt verschwunden<br />
sein.“ Dazu sagt Kai Mantzel, der<br />
als Experience Lead bei Microsoft<br />
das Bespielungskonzept der neuen<br />
Deutschlandzentrale in München<br />
verantwortet, bei seiner Rede<br />
im CongressCentrum Pforzheim:<br />
„Nicht die Roboter vernichten Arbeitsplätze,<br />
sondern Manager, die<br />
ihr Unternehmen nicht auf die digitale<br />
Transformation ausrichten.“<br />
Und David Hermanns vom Cyberforum<br />
Karlsruhe macht Druck: „Wir<br />
haben nicht mehr viel Zeit.“<br />
Auch Professor Wilhelm Bauer,<br />
schlägt Alarm: Einer IHK-Umfrage<br />
zufolge hätten 48 Prozent der be-<br />
Die größten Zukunftschancen haben bestehende Unternehmen, die den technologischen Wandel annehmen und rasch darauf reagiern.<br />
Foto: Christiane Hübscher<br />
8
fragten Unternehmen die Digitalisierung<br />
„noch gar nicht auf der<br />
Agenda“. Ein Hemmnis, sich mit<br />
dem Thema zu befassen, sei die<br />
anhaltend gute Konjunktur. Angesichts<br />
voller Auftragsbücher äußert<br />
Bauer zwar Verständnis dafür, dass<br />
die Inhaber und Manager nur bedingt<br />
bereit sind, ihr bisheriges Geschäftsmodell<br />
über den Haufen zu<br />
werfen: „Sie gehen lieber in ihren<br />
Betrieb als in einen Digitalworkshop.“<br />
Dennoch gelte: „Sie müssen<br />
sich zwingen.“<br />
Bauer ist Geschäftsführender Institutsleiter<br />
am Fraunhofer-Institut für<br />
Arbeitswirtschaft und Organisation<br />
IAO, Stuttgart. Die Landesregierung<br />
hat ihn Ende 2016 zum Technologiebeauftragten<br />
von Baden-Württemberg<br />
ernannt. Eine seiner Aufgaben:<br />
Er soll „Empfehlungen zur<br />
Umsetzung von Wirtschaft 4.0 und<br />
zur Hebung der Technologie- und<br />
Innovationspotenziale des Mittelstands<br />
entwickeln“.<br />
Für den Publizisten und Philosophen<br />
Richard David Precht ist<br />
angesichts des Vormarschs der<br />
Regt die Unternehmer mit seinen Thesen zum Nachdenken und Handeln an:<br />
Publizist und Philosoph Richard David Precht. Foto: Jens Kalaene<br />
Digitalisierung klar: „Wir befinden<br />
uns am Ende der Gesellschaft, wie<br />
wir sie kannten. Und wir stehen am<br />
Beginn einer neuen Gesellschaft.“<br />
Diese vierte industrielle Revolution<br />
bezeichnet er als „gewaltigen<br />
Fortschritt“, vergleichbar mit der<br />
ersten industriellen Revolution vor<br />
rund 250 Jahren. Indes gibt es einen<br />
bedeutenden Unterschied: „Es<br />
ist nicht Zweck der Digitalisierung,<br />
die Märkte zu vergrößern. Der<br />
Zweck der Digitalisierung ist es, die<br />
bestehenden Märkte effektiver zu<br />
machen.“ Anders formuliert: Nicht<br />
Wachstum ist angesagt, sondern<br />
das Rationalisieren von Arbeitsprozessen.<br />
Damit stehe fest, dass –<br />
anders als bei den bisherigen industriellen<br />
Revolutionen – nicht mehr<br />
Jobs generiert würden. Precht widerspricht<br />
damit der bisher gültigen<br />
TITELSTORY<br />
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<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 9
Region Nordschwarzwald<br />
Theorie, wonach der Fortschritt<br />
langfristig mehr Arbeitsplätze schaffe<br />
als nehme. „Daran kann keiner<br />
mehr glauben.“ Sein Argument: Die<br />
Bedingungen dazu wären expandierende<br />
Märkte. Doch diese Voraussetzung<br />
sieht er als nicht gegeben<br />
– siehe die Beispiele schrumpfende<br />
Automobilproduktion oder Roboter<br />
statt Menschen in den Versicherungskonzernen.<br />
Professor Dieter Spath vom Fraunhofer-Institut<br />
kann dieser größten<br />
bevorstehenden Produktivitätswelle<br />
durchaus positive Seiten abgewin -<br />
nen: Angesichts der Demografieentwicklung<br />
und des Fachkräftemangels<br />
sei „Produktivitätssteigerung<br />
das Gebot der Stunde“. Für<br />
Spath bietet die Digitalisierung „immense<br />
Chancen“. Voraussetzung:<br />
„Wir müssen radikaler denken.“<br />
Mehr noch: Einst an Billigstandorte<br />
verlorene Jobs können zurückgeholt<br />
werden. Ein aktuelles Beispiel<br />
nennt Uwe Häberer, der bei Siemens<br />
die Division „Digital Factory<br />
Deutschland“ leitet. Demnach wird<br />
der Sportartikelhersteller Adidas<br />
einen Teil seiner Auslandsproduktion<br />
nach Deutschland verlagern.<br />
Der Grund: Für den Serviceanspruch,<br />
dem einzelnen Kunden mit<br />
digitaler Unterstützung einen Laufschuh<br />
nach dessen individuellen<br />
Wünschen herzustellen und in<br />
kürzester Zeit auszuliefern – Stichwort<br />
Losgröße eins –, seien Standorte<br />
wie Asien zu weit weg.<br />
Die spannende Frage lautet für<br />
Precht: „Wie muss eigentlich eine<br />
solche neue Gesellschaft aussehen?“<br />
Oder anders gefragt: „Wie<br />
wollen wir in Zukunft leben? Wie<br />
machen wir die Zukunft enkeltauglich?“<br />
Über die Verteilung des enormen<br />
wirtschaftlichen Zugewinns,<br />
den die Digitalisierung hervorrufe,<br />
müsse ebenfalls nachgedacht werden.<br />
Denn „wenn Millionen von<br />
Leuten ihren Job verlieren, dann<br />
drohen bürgerkriegsähnliche Zustände“.<br />
Der technische Fortschritt<br />
mit seinen dramatischen gesellschaftlichen<br />
Umwälzungen könne<br />
Konsequenzen hervorbringen, vor<br />
denen er Angst habe. „Deshalb bin<br />
ich für das bedingungslose Grundeinkommen“,<br />
sagte der Publizist<br />
und Philosoph.<br />
Zur Person<br />
Richard David Precht ist 1964<br />
in Solingen geboren. In Köln<br />
studierte er Philosophie, Germanistik<br />
und Kunstgeschichte und<br />
wurde 1994 in Germanistik zum<br />
Dr. phil. promoviert. Er ist Honorarprofessor<br />
für Philosophie<br />
an der Leuphana Universität<br />
Lüneburg und Honorarprofessor<br />
für Philosophie und Ästhetik an<br />
der Hochschule für Musik Hanns<br />
Eisler in Berlin. In Vorträgen,<br />
Essays und Interviews beschäftigt<br />
sich Precht mit den Folgen<br />
der Digitalisierung für die Gesellschaft.<br />
Im ZDF diskutiert der<br />
Philosoph und Publizist in seiner<br />
eigenen Sendung namens<br />
„Precht“ mit jeweils einem Gast<br />
aus Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft<br />
oder Politik über aktuelle<br />
Ereignisse und Themen.<br />
wikipedia/gel<br />
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10
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kurzzeitig nur mit einem Mausklick<br />
Überall Highspeed-Internet zu haben,<br />
ohne auf eine einzige Technologie<br />
zu setzen, ist keine Vision. „Die Ver -<br />
netzung der verschiedenen Technologien<br />
im Breitbandausbau z.B. Glas -<br />
faser, innovativer Funktechnologie<br />
oder leistungsstarke Mobilfunklösungen<br />
sorgen für den schnellen und<br />
zeitnahen kostengünstigen Ausbau<br />
der Netzinfrastruktur in der Region“,<br />
sagt Frank-Thomas Hück, Geschäftsführer<br />
von Skytron. Insbesondere<br />
Firmen an Standorten im ländlichen<br />
Raum, die von herkömmlichen Anbietern<br />
nicht ausreichend versorgt<br />
werden, bekommen ein individuell<br />
zugeschnittenes und umfangreiches<br />
Service-Paket von dem Karlsbader<br />
Unternehmen. Dies kann über eine<br />
permanente Standleitung durch Glasfaser<br />
geschehen oder mit der innovaeine<br />
Bandbreitenerhöhung individuell<br />
festzulegen, ohne einen neuen<br />
Vertrag abzuschließen.<br />
„Wir können ganze Städte mit schnel -<br />
lem Internet versorgen“, sagt Hück.<br />
Selbst an Standorten, an denen über<br />
Kabel kein Signal oder nur ein geringes<br />
Signal ankomme, könne die<br />
Skytron-Mix-Technologie digital<br />
aufs Tempo drücken. Umfassende<br />
WLAN-Angebote für Kommunen,<br />
Handel und Unternehmen profitieren<br />
von der leistungsstarken Netzinfrastruktur.<br />
Pforzheim fungiert<br />
da bei als Referenz. Als erste Großstadt<br />
in Deutschland ist dort der<br />
freie WLAN-Zugang im öffentlichen<br />
Raum geschaffen worden – und zwar<br />
mit Skytron-Technologie. Mittlerwei -<br />
le zählen auch Calw und Ettlingen<br />
in der Region dazu. So entstand das<br />
erste regionale WLAN-Netzwerk.<br />
SKYTRON Communications<br />
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12
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der Medizintechnik werden aus unseren Materialien hochwertige<br />
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der Werkstoffe sowie die Anforderungen der Medizintechnik<br />
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Region Schwarzwald<br />
Begeistert von den Weiten<br />
des Schwarzwaldes<br />
Neuer STG-Geschäftsführer Mair will die digitale<br />
Transformation der Ferienregion vorantreiben<br />
und gleichzeitig das Naturerlebnis stärken<br />
Seit 1. September <strong>2017</strong> Chef der Schwarzwald<br />
Tourismus GmbH: Hansjörg Mair.<br />
Foto: STG<br />
Von Gerd Lache<br />
Ob Schweizer, Franzosen, Holländer<br />
oder Belgier – viele von ihnen<br />
verbringen ihre schönsten Wochen<br />
des Jahres im Schwarzwald<br />
zwischen Pforzheim und Lörrach,<br />
zwischen Rhein und Neckar. Sie<br />
sorgten 2016 damit für einen<br />
Gästezahl-Rekord: rund 5,8 Millionen<br />
Bundesbürger und etwa<br />
2,3 Millionen ausländische Urlauber<br />
übernachteten 21,5 Millionen<br />
Mal in der 11.000 Quadratkilometer<br />
großen Ferienregion. Der Bruttoumsatz<br />
der Branche in der Region<br />
belief sich im selben Jahr auf<br />
immerhin 6,14 Milliarden Euro.<br />
Damit sichert der Tourismus im<br />
Schwarzwald weit mehr als eine<br />
halbe Million Arbeitsplätze.<br />
15 Jahre lang hat Christopher<br />
Krull als Geschäftsführer der<br />
Schwarzwald Tourismus GmbH<br />
(STG) die Ferienwirtschaft der<br />
Region verwaltet und vermarktet.<br />
Bei der STG-Jahrestagung in<br />
Bad Herrenalb wurde er offiziell<br />
zum 1. September verabschiedet.<br />
Krull will in Oberstaufen als<br />
Tourismusdirektor die touristische<br />
Struktur des Allgäuer Schroth-<br />
Heilbads neu ordnen. Seinen Nachfolger<br />
gab STG-Aufsichtsratsvorsitzende<br />
Landrätin Dorothea Störr-<br />
Ritter nach einer Sitzung des Gremiums<br />
in Bad Herrenalb bekannt:<br />
Der Südtiroler Hansjörg Mair (49)<br />
hat sich unter sechs Bewerbern<br />
durchgesetzt und ist seit 1. September<br />
für die Geschäfte unter<br />
dem Zeichen des Bollenhuts verantwortlich.<br />
Sein Dienstsitz ist<br />
Freiburg. Daneben hat die STG<br />
noch eine Außenstelle in Pforzheim,<br />
die von Bereichsleiterin<br />
Heide Glasstetter geleitet wird.<br />
Der Schwarzwald wird seinem Ruf als Genießerregion auch durch Schlemmerwanderungen und die hohe Dichte an Sterne-Restaurants<br />
gerecht. Foto: Ulrike Klumpp<br />
14
Zum Thema<br />
Natur pur: Der Wildsee bei Kaltenbronn im Nordschwarzwald. Foto: Ulrike Klummp<br />
Mair war zuvor seit 2001 Geschäftsführer<br />
des Tourismusverbandes<br />
„Südtirols Süden“ in Bozen<br />
und dort an der Entwicklung für<br />
die Marke Südtirol beteiligt. Außerdem<br />
hat er die Digitalisierung<br />
im Tourismus der Region maßgeblich<br />
vorangetrieben. Was plant er<br />
im Schwarzwald? Erste Eindrücke<br />
vermittelt das Interview mit WirtschaftsKraft.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Herr Mair, Sie<br />
tauschen die Dolomiten gegen<br />
den Feldberg, den Kalterer See<br />
gegen den Titisee und Bozen gegen<br />
Freiburg. Was zieht Sie von<br />
Südtirols Süden in den Schwarzwald?<br />
Hansjörg Mair: Mich reizte die<br />
starke Marke, ein hervorragend<br />
entwickelter Tourismus und das<br />
Potenzial, das ich für den Schwarz -<br />
wald sah. Der Schwarzwald könnte<br />
einmal Deutschlands begehrtester<br />
Lebensraum sein. Diese Entwicklung<br />
zu begleiten und mit zu gestalten,<br />
ist für mich eine große<br />
Herausforderung, auf die ich mich<br />
vom ersten Moment an freute.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Die Herkunft<br />
Ihrer Lebenspartnerin ist ein<br />
Bezugspunkt zum Schwarzwald.<br />
Wie gut kennen Sie Ihr neues<br />
Aktionsgebiet?<br />
Hansjörg Mair: Der Schwarzwald<br />
ist riesengroß, viel größer als die<br />
Region, für die ich bisher gearbeitet<br />
habe. Klar, ich kenne dank<br />
meiner Lebensgefährtin schon einiges<br />
und ich habe mir natürlich<br />
viel Wissen über die verschiedenen<br />
Aspekte der Ferienregion<br />
an geeignet. Aber ich werde die<br />
nächsten Monate jede freie Minute<br />
dazu nutzen, die Region in allen<br />
ihren Facetten aktiv zu erleben.<br />
Ich will die Breite des Angebotes<br />
in der Praxis ausloten und ich will<br />
möglichst schnell viele Akteure<br />
kennen lernen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Spannend ist<br />
immer auch der Blick von außen:<br />
Was machen für Sie die Besonderheiten<br />
des Nordschwarzwaldes<br />
einerseits und des Südschwarzwaldes<br />
andererseits aus?<br />
Hansjörg Mair: Zuvorderst ist<br />
der Schwarzwald natürlich eine<br />
einzige große Ferienregion, die<br />
größte in Deutschland. Zwei Drittel<br />
davon sind Mittelgebirge, das<br />
höchste und größte im Land. Allein<br />
schon das bringt eine Vielzahl<br />
völlig unterschiedlicher Lebens-<br />
und Erlebniswelten mit sich.<br />
Der Nordschwarzwald mit seinen<br />
langgezogenen Waldbergen, der<br />
landwirtschaftlich geprägte Mittlere<br />
Schwarzwald mit seinen weiten<br />
Tälern und der hoch aufragende<br />
Südschwarzwald mit seiner<br />
Höhenlandwirtschaft und ausgeprägten<br />
Hochtälern – solche Lebensräume<br />
prägen auch ihre Bewohner<br />
auf unterschiedliche Art.<br />
Ebenso die Hügellande im Osten,<br />
der Oberrheingraben im Westen,<br />
der Kaiserstuhl, der Dinkelberg,<br />
Schwarzwald Tourismus GmbH<br />
(STG)<br />
Als Tourismusdachverband und<br />
Marketingorganisation ist die Die<br />
Schwarzwald Tourismus GmbH<br />
(STG) national und international<br />
für das touristische Marketing der<br />
11.100 Quadratkilometer großen<br />
Ferienregion Schwarzwald zuständig.<br />
Schwerpunkte der Arbeit sind<br />
Imagebildung, Themenprofilierung,<br />
Service- und Angebotsoptimierung,<br />
Tourismuswerbung<br />
und PR-Kommunikation.<br />
Unterstützt wird die STG vom Land<br />
Baden-Württemberg, den Landkreisen,<br />
Kommunen und Wirtschaftspartnern.<br />
In der Hauptgeschäftsstelle<br />
in Freiburg und<br />
einer Außenstelle in Pforzheim<br />
sind 30 Mitarbeiter beschäftigt.<br />
Das Jahresbudget liegt derzeit<br />
bei 4,12 Millionen Euro. Jährlich<br />
erzielt die STG einen Umsatz<br />
von rund 9 Millionen Euro,<br />
unter anderem für Servicekarten<br />
sowie die Vorzeigeprojekte<br />
Konus und SchwarzwaldCard.<br />
Vorsitzende des Aufsichtsrats ist<br />
Landrätin Dorothea Störr-Ritter.<br />
Gesellschafter der STG sind die<br />
zwölf Landkreise Calw, Enzkreis,<br />
Freudenstadt, Karlsruhe, Breisgau-Hochschwarzwald,<br />
Emmendingen,<br />
Lörrach, Ortenaukreis,<br />
Rastatt, Rottweil, Schwarzwald-<br />
Baar und Waldshut sowie die vier<br />
Stadtkreise Pforzheim, Baden-<br />
Baden, Freiburg und Karlsruhe.<br />
Die insgesamt 321 Gemeinden<br />
werden von der STG im In- und<br />
Ausland touristisch vertreten.<br />
gel<br />
INTERVIEW<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 15
Region Schwarzwald<br />
die geschäftige Region am Hochrhein.<br />
Diese vielen regionalen Besonderheiten<br />
und Vorzüge machen<br />
den Schwarzwald stark. Mir ist<br />
wichtig, dass alle Partner immer<br />
den Blick aufs große Ganze richten.<br />
Denn von einer starken Marke<br />
Schwarzwald profitieren alle.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Mit welcher<br />
Strategie, mit welchem Konzept<br />
für den Schwarzwald, haben Sie<br />
beim Bewerbergespräch gepunktet<br />
– die Entscheidung für Sie<br />
soll ja mit großer Mehrheit gefallen<br />
sein?<br />
Hansjörg Mair: Ich glaube nicht,<br />
dass ein einzelner Punkt für meine<br />
Berufung ausschlaggebend ge -<br />
wesen war. Wenn, dann mein Cre -<br />
do, dass der Schwarzwald zum be -<br />
gehrtesten Lebensraum in Deutschland<br />
werden kann. Mit welcher<br />
Strategie wir das erreichen, welches<br />
Konzept wir dabei verfolgen<br />
wollen, werden wir in den nächsten<br />
Wochen im Rahmen einer<br />
Klausurtagung mit den Gesellschaftern<br />
festlegen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Gibt es Gemeinsamkeiten<br />
zwischen Südtirols<br />
Süden und dem Schwarzwald?<br />
Hansjörg Mair: Ich finde, es gibt<br />
eine Reihe von Gemeinsamkeiten<br />
auf landschaftlicher, kultureller<br />
und auf angebotsseitiger Ebene<br />
– auch wenn viele Menschen bei<br />
Südtirol erst mal an Dolomiten<br />
denken mögen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Die Zielgruppen<br />
von beiden Destinationen<br />
sind ähnlich. Werden Sie also<br />
künftig potenzielle Südtirol-Touristen<br />
für den Schwarzwald abwerben?<br />
Hansjörg Mair: Die Ferienregion<br />
Schwarzwald ist nicht die einzige,<br />
in der Menschen einen tollen<br />
Urlaub machen können. Aber<br />
wenn wir Menschen begeistern<br />
können, die sich in ihrem Urlaub<br />
aktiv in einer attraktiven Naturlandschaft<br />
bewegen wollen, die<br />
ein authentisches Erlebnis suchen,<br />
sich selbst wahrnehmen oder auch<br />
einfach wieder zu sich kommen<br />
wollen, stellt sich die Frage nach<br />
Wettbewerbern gar nicht. Diese<br />
Gäste finden im Schwarzwald ihr<br />
Urlaubsglück, ihre zweite Heimat,<br />
und jede Menge hochwertige Angebote,<br />
eine gute Küche und ein<br />
gepflegtes Ambiente.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Von welchen<br />
Ihrer Erfahrungen in Südtirol<br />
kann der Schwarzwald künftig<br />
profitieren?<br />
Hansjörg Mair: Es wird einerseits<br />
unvermeidbar sein, dass die langjährige<br />
Erfahrung aus Südtirol<br />
mit in die operative und strategische<br />
Arbeit fließen wird. Andererseits<br />
kann ich jetzt aber Dinge,<br />
die in Südtirol nicht so gut gelaufen<br />
sind, besser machen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Sie haben an<br />
Ihrer bisherigen Wirkungsstätte<br />
die Digitalisierung erfolgreich<br />
vorangetrieben. Was waren die<br />
wesentlichen Maßnahmen?<br />
Hansjörg Mair: Zunächst kam<br />
es auf die durchgängige Onlinebuchbarkeit<br />
der Betriebe an. Mein<br />
Credo war immer: Sog ist besser<br />
als Druck. Wenn ich mit guten<br />
Konzepten und einigen innovativen<br />
Partnern Erfolge aufweisen<br />
kann, dann tu ich mich viel leichter,<br />
weitere Partner für die Innovation<br />
mit ins Boot zu holen, als<br />
wenn ich alle Partner mitnehmen<br />
und sozusagen zwangsbeglücken<br />
muss. Wir haben eine gemeinsame<br />
große Datenbank aufgebaut, welche<br />
mittlerweile von vielen Plattformen<br />
aus dem In- und Ausland<br />
genutzt wird und wodurch sich die<br />
Sichtbarkeit drastisch erhöht hat.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Wo sehen Sie<br />
beim Thema Digitalisierung noch<br />
Optimierungsmöglichkeiten im<br />
Schwarzwald-Tourismus?<br />
Hansjörg Mair: Das Thema Digitalisierung<br />
der Wirtschaft ist in<br />
Baden-Württemberg top aktuell.<br />
Es betrifft nicht nur den Tourismus.<br />
Aber natürlich werden wir<br />
auch überlegen müssen, mit welchen<br />
Konzepten wir die digitale<br />
Transformation befördern können.<br />
Wo erreichen wir potenzielle<br />
Gäste, wann und mit welchen digitalen<br />
Angeboten.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Ihr Jahresbudget<br />
bei der STG liegt bei rund<br />
4,1 Millionen Euro. Wie hoch war<br />
das Budget in Südtirols Süden?<br />
Hansjörg Mair: Der Tourismusverband<br />
Südtirols Süden hatte<br />
definitiv ein kleineres Budget –<br />
er ist ja auch viel kleiner als der<br />
Schwarzwald. Doch im Zusammenspiel<br />
mit lokalen Partnern ist<br />
es gelungen, gemeinsam größere<br />
Budgets zu stemmen und zielführend<br />
in den Märkten einzusetzen.<br />
Diesen Weg hat ja auch Schwarzwald<br />
Tourismus schon eingeschlagen,<br />
den werden wir kreativ weiter<br />
gehen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Herr Mair, wo<br />
wird der Schwarzwald-Tourismus<br />
in 5 Jahren stehen, was sind Ihre<br />
Visionen?<br />
Hansjörg Mair: Der Schwarzwald<br />
wird für immer mehr Menschen<br />
zum begehrtesten Lebensraum in<br />
Deutschland.<br />
Zum Freizeitangebot gehört auch eBiken, wie hier auf den Höhen von Bad Wildbad.<br />
Foto: Touristik Bad Wildbad<br />
INTERVIEW<br />
16
ROM 312<br />
Bereits über 450.000 Besucher!<br />
Noch einmal für Sie verlängert!<br />
„Ich bin dabei, wenn Konstantin in Rom im Jahr 312 n. Chr. die Macht<br />
übernimmt“ – dieses Gefühl sollte der Besucher emp nden, wenn er<br />
das imposante Rundbild sieht, so wünscht es sich der Künstler<br />
Yadegar Asisi. Wer in der Rotunde steht oder die 15 Meter hohe Besucherplattform<br />
in der Mitte besteigt, der macht spontan ebendiese erstaunliche<br />
sinnliche Erfahrung und er spürt deutlich, dass es sich um ein erhabenes<br />
Ereignis handelt. Wer ganz oben steht, be ndet sich jetzt auf dem<br />
Kapitolinischen Hügel, einem der höchsten Punkte Roms. Im Maßstab 1:1<br />
öffnet das Riesenrundbild auf über 3500 qm Bild äche den Blick noch weit<br />
über die Metropole hinaus, über ihre Tempel, Paläste, Thermen, Basiliken<br />
und Mietskasernen hinweg bis hin zu den Albaner Bergen am Horizont.<br />
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einer Höhe von 12 Metern (ausgenommen Dachterrasse<br />
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individuellen Zeiten.<br />
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täglich frische Kuchen und Snacks.<br />
KONTAKT<br />
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Hohwiesenweg 6<br />
75175 Pforzheim<br />
Telefon: +49 7231 7760-997<br />
Fax: +49 7231 7760-996<br />
info@gasometer-pforzheim.de<br />
www.gasometer-pforzheim.de<br />
/ gasometer.pforzheim<br />
@Gasometer_PF
Region Nordschwarzwald<br />
Zukunftsmodell<br />
Genossenschaft<br />
Zentraler Akademiestandort des BWGV<br />
in Karlsruhe reagiert auf den digitalen Wandel<br />
in der Weiterbildungsbranche<br />
Von Gerd Lache<br />
Mitgliederrekord im Südwesten<br />
und Unesco-Auszeichnung erhalten<br />
– damit hat der Baden-Württembergische<br />
Genossenschaftsverband<br />
(BWGV) im Jahr <strong>2017</strong><br />
doppelten Grund zum Feiern.<br />
Die Genossenschaftsidee und ihre<br />
Umsetzung in der Praxis wurde<br />
von der Weltkulturorganisation<br />
(Paris) zum „Immateriellen Kulturerbe<br />
der Menschheit“ erklärt.<br />
Sowohl die Vielfalt an Genossenschaften<br />
als auch die Zahl der<br />
Mitglieder nimmt nach Angaben<br />
des Verbandes immer weiter zu.<br />
Mit mehr als 3,9 Millionen Mitgliedern<br />
ist Baden-Württemberg<br />
das „Land der Genossenschaften“<br />
– der Südwesten hat deutschlandweit<br />
die mit Abstand höchste Dichte<br />
an Genossenschaftsmitgliedern.<br />
„Noch erhebliches Potenzial für<br />
Genossenschaften besteht unter<br />
anderem in der kommunalen Infrastruktur,<br />
bei sozialen Dienstleistungen<br />
und im Gesundheitswesen“,<br />
sagt BWGV-Präsident Dr.<br />
Roman Glaser.<br />
Die wachsende Mitgliederzahl zeige,<br />
wie beliebt Genossenschaften<br />
seien und wie sehr sich diese<br />
Rechts- und Unternehmensform<br />
für die Bewältigung vieler Herausforderungen<br />
der Zukunft<br />
eig ne. Glasers Angaben zufolge<br />
ist die Zahl der Mitglieder in den<br />
vergangenen zehn Jahren in Baden-Württemberg<br />
um annähernd<br />
550.000 gewachsen.<br />
Noch nie habe es so viele unterschiedliche<br />
Genossenschaften im<br />
Südwesten gegeben wie heute.<br />
Die aktuell 830 Unternehmen in<br />
der Rechtsform der eG verteilen<br />
sich auf rund 50 Branchen. Glaser:<br />
„Genossenschaften können<br />
sowohl ein Modell für Kooperationen<br />
im Mittelstand sein als auch<br />
den Strukturwandel im ländlichen<br />
Raum begleiten.“ Alleine im Südwesten<br />
seien in den vergangenen<br />
zehn Jahren 280 neue Genossenschaften<br />
gegründet worden.<br />
Derweil gab Glaser unlängst bekannt,<br />
dass der gesamte Akademiebetrieb<br />
des BWGV in Karlsruhe-Rüppurr<br />
konzentriert werde.<br />
Die Digitalisierung spielt bei der<br />
Entscheidung eine wesentliche<br />
Rolle, wie Glaser im Interview<br />
deutlich macht.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Herr Dr. Glaser,<br />
der Baden-Württembergische<br />
Genossenschaftsverband zentralisiert<br />
seine zwei Akademien auf<br />
den Standort Karlsruhe-Rüppurr.<br />
Was sind die Gründe dafür?<br />
Dr. Roman Glaser: Bisher hatten<br />
wir durch die 2009 erfolgte Fusion<br />
Durch Fernlehrgänge und Webinare sinkt der Zimmerbedarf des verbandseigenen BWGV-Akademiehotels.<br />
Diese Räume in Karlsruhe werden für die Verwaltung umgebaut. Foto: Doris Löffler<br />
18
des Badischen und des Württembergischen<br />
Verbands zum BWGV<br />
zwei Verwaltungs- und zwei Akademie-Standorte.<br />
Mit unserem<br />
Standort-Konzept, das zum Jahresende<br />
<strong>2017</strong> planmäßig abgeschlossen<br />
sein wird, konzentrieren<br />
wir uns auf den Verwaltungssitz<br />
GENO-Haus Stuttgart sowie auf<br />
die Akademie Karlsruhe-Rüppurr.<br />
Durch die Konzentration unserer<br />
Akademie in Rüppurr stärken wir<br />
unseren sehr wichtigen Bildungsbereich<br />
und geben zudem ein<br />
klares Bekenntnis zum Bildungsund<br />
Wissenschaftsstandort Karlsruhe<br />
ab.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Auch die Bildungsbranche<br />
ist vom Digitalisierungstrend<br />
erfasst. Wie spürt<br />
der Verband diese Veränderung<br />
des klassischen Akademiebetriebs?<br />
Dr. Roman Glaser: Die Art des Lernens<br />
verändert sich stark. Themen<br />
wie Blended-Learning-Formate,<br />
das heißt, Produkte, die sowohl<br />
Online- als auch Präsenzphasen<br />
beinhalten, werden von uns verstärkt<br />
angeboten. Dabei ist der Anteil<br />
Präsenz zu Online derzeit 60<br />
zu 40. Die Nachfrage nach Fernlehrgängen<br />
nimmt stetig zu. Auch<br />
das Thema Webinare verzeichnet<br />
ein entsprechendes Wachstum. So<br />
hat sich zwischen 2013 und 2016<br />
die Anzahl der Webinare als auch<br />
die der Teilnehmer vervierfacht.<br />
zum Beispiel die neue Homepage<br />
der Akademie an den Start – mit<br />
vielen interessanten und smarten<br />
Features für unsere Mitglieder<br />
und Kunden. Außerdem nehmen<br />
wir als moderner Bildungsdienstleister<br />
aktiv an den weiteren Entwicklungen<br />
der Digitalisierung<br />
teil und profitieren dadurch auch<br />
für die Weiterentwicklung unserer<br />
BWGV-Mitarbeiterinnen und<br />
-mitarbeiter.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Was sind die<br />
Inhalte der Akademie-Seminare,<br />
gibt es Schwerpunkte?<br />
Dr. Roman Glaser: Unsere Akademie<br />
deckt die komplette Palette der<br />
Bedarfe unserer genossenschaftlichen<br />
Mitglieder ab. Als erster<br />
Ansprechpartner und Dienstleister<br />
für alle Aspekte der beruflichen<br />
Qualifizierung von Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern sowie<br />
Führungskräften ist sie kompetenter<br />
Profi in der Erarbeitung von<br />
Designs für individuelle, teamorientierte<br />
oder auf die Unternehmensstrategie<br />
bezogene Entwicklungsprogramme<br />
oder einzelne<br />
Weiterbildungsmaßnahmen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Woher kommen<br />
die Teilnehmer der Akademie-Seminare,<br />
wie hoch ist der<br />
Anteil der externen Teilnehmer?<br />
Zum Thema<br />
eG – eingetragene<br />
Genossenschaft<br />
Die eingetragene Genossenschaft<br />
bietet sich immer dann an, wenn<br />
Wirtschaftsakteure ihre Kräfte<br />
bündeln und die Vorteile der<br />
Kooperation nutzen möchten,<br />
ohne dabei ihre Eigenständigkeit<br />
aufzugeben. Der Wesenskern<br />
einer jeden Genossenschaft<br />
ist: Das Mitglied steht immer im<br />
Mittelpunkt, es bestimmt mit und<br />
wird gefördert – immer nach dem<br />
Motto „Gemeinsam mehr erreichen“.<br />
In den vergangenen Jahren<br />
gab es mit mehr als 140<br />
Gründungen die größten Zuwächse<br />
bei Energiegenossenschaften.<br />
Insgesamt gibt es im<br />
Südwesten neben den Volksbanken<br />
und Raiffeisenbanken 306<br />
gewerbliche Genossenschaften<br />
mit 62.000 Mitgliedern. Knapp<br />
4.800 Mitarbeiter erwirtschaften<br />
hierbei einen Umsatz von 5,2<br />
Milliarden Euro. Die 333 landwirtschaftlichen<br />
Genossenschaften<br />
(104.700 Mitglieder) erzielen<br />
zudem einen Umsatz von 3,4<br />
Milliarden Euro – mit Getreide,<br />
Obst, Gemüse, Milch, Wein und<br />
vielem mehr. Sie beschäftigen<br />
fast 6.000 Mitarbeiter. pm<br />
INTERVIEW<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Welche Vorteile<br />
hat die Digitalisierung für<br />
die Akademieteilnehmer?<br />
Dr. Roman Glaser: Die Teilnehmer<br />
ersparen sich zum Teil lange Anfahrtswege<br />
und können sich am<br />
internetfähigen Computer mit dazugehöriger<br />
Web-Kamera von jedem<br />
Ort der Welt aus weiterbilden.<br />
Lernen wird selbstbestimmter.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Und welche<br />
Vorteile bieten sich dem Verband?<br />
Dr. Roman Glaser: Digitalisierung<br />
verstehen wir als Chance. Es eröff -<br />
nen sich Möglichkeiten in Form<br />
von neuen Produkten und Angeboten.<br />
Auch können wir die<br />
Prozesse zu unseren Kunden effizienter<br />
gestalten. Im Herbst geht<br />
Nicht nur die jüngere Zielgruppe bevorzugt zunehmend den digitalen Weg bei den<br />
Weiterbildungsangeboten. Foto: lev dolgachov- Fotolia.com<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 19
Region Nordschwarzwald<br />
Sieht den Südwesten Deutschlands als Land der Genossenschaften:<br />
Verbandspräsident Dr. Roman Glaser. Foto: BWGV<br />
Dr. Roman Glaser: In erster Linie<br />
kommen die Teilnehmer von<br />
unseren BWGV-Mitgliedern. Das<br />
sind die Volksbanken und Raiffeisenbanken,<br />
die ländlichen und ge -<br />
werblichen Warengenossenschaften.<br />
Der Anteil der externen Teilnehmer<br />
ist vergleichsweise gering.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Sehen Sie<br />
mittel- bis langfristig die völlige<br />
Abkehr vom traditionellen Seminarbetrieb<br />
mit der dann fehlenden<br />
Präsenz der Teilnehmer in<br />
Karlsruhe?<br />
Dr. Roman Glaser: Nein. Präsenzveranstaltungen<br />
wird es weiterhin<br />
geben. Eine völlige Abkehr vom<br />
persönlichen Zusammenkommen<br />
sehen wir nicht.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Bleibt das<br />
Akademie-Hotel mit seiner bisherigen<br />
Zimmerzahl von 140 erhalten?<br />
Dr. Roman Glaser: Aufgrund der<br />
rückläufigen Präsenzveranstaltungen<br />
benötigen wir die bisherige<br />
Hotelbetrieb-Kapazität nicht mehr<br />
vollumfänglich. Wir reduzieren<br />
um zirka 10 Prozent. Die dadurch<br />
frei werdende Fläche bauen wir zu<br />
Verwaltungsräumen um.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Mit der Zusammenführung<br />
der Akademie-<br />
Mitarbeiter in Karlsruhe hat<br />
deren Leiter Ralph Müller unter<br />
anderem auch angekündigt, dass<br />
neue Arbeitsformen getestet werden<br />
sollen. Er sprach von „agilem<br />
Arbeiten“. Was verstehen Sie<br />
konkret darunter?<br />
Dr. Roman Glaser: Agiles Arbeiten<br />
bedeutet für uns vernetztes<br />
und interdisziplinäres Arbeiten<br />
mit einem hohen Maß an Transparenz.<br />
Dabei steht immer der Kunde<br />
im Mittelpunkt. Es gibt überschaubare<br />
Planungs- und Umsetzungszyklen<br />
mit konkreten Ergebnissen.<br />
Die Zwischenschritte werden<br />
stets, auch unter Einbindung der<br />
Kunden, einem Check unterzogen.<br />
Somit sind etwaige Fehlentwicklungen<br />
schnell sichtbar und können<br />
in einem frühen Stadium korrigiert<br />
werden. Ausprobieren und<br />
Fehler sind erlaubt. Prioritäten<br />
werden regelmäßig auf den Prüfstand<br />
gestellt und angepasst.<br />
Flexibilität anstatt starrer Regeln,<br />
ein iteratives Vorgehen und crossfunktionale<br />
Teams sollen für eine<br />
schnelle Anpassungsfähigkeit an<br />
die sich heute schnell verändernden<br />
Rahmenbedingungen sorgen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Welche Bedeutung<br />
auf mittel- bis langfristige<br />
Sicht wird die Akademie für<br />
den Verband haben?<br />
Dr. Roman Glaser: Der BWGV hat<br />
die vier Geschäftsfelder Beratung,<br />
Bildung, Interessenvertretung und<br />
Prüfung. Unser Geschäftsfeld Bildung<br />
ist und bleibt deshalb bedeutend,<br />
weil unsere Mitglieder von<br />
unserer Akademie erwarten, dass<br />
wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
für die Veränderungen in<br />
den jeweiligen Märkten, in denen<br />
sich unsere Mitgliedsunternehmen<br />
bewegen, fit machen. Dieser Herausforderung<br />
werden wir gerecht<br />
– heute, morgen und übermorgen.<br />
Zur Person<br />
Dr. Roman Glaser<br />
ist Präsident des Baden-Württembergischen<br />
Genossenschaftsverbands<br />
(BWGV). Mitte <strong>2017</strong><br />
wurde er zum Vizepräsidenten<br />
des Deutschen Raiffeisenverbands<br />
(DRV) in Berlin gewählt.<br />
Er vertritt dort den Baden-<br />
Württembergischen Genossenschaftsverband<br />
und damit die<br />
Interessen der baden-württembergischen<br />
Genossenschaften.<br />
Der DRV vertritt die Interessen<br />
der genossenschaftlich orientierten<br />
Unternehmen der deutschen<br />
Agrar- und Ernährungswirtschaft<br />
insbesondere auf<br />
Bundes- und europäischer Ebene.<br />
Die 2.186 Mitgliedsunternehmen<br />
erzielen im Handel und<br />
in der Verarbeitung von pflanzlichen<br />
und tierischen Erzeugnissen<br />
mit 82.000 Mitarbeitern<br />
einen Umsatz von 60,1 Milliarden<br />
Euro. gel<br />
Zum Thema<br />
BWGV<br />
Der Baden-Württembergische<br />
Ge nossenschaftsverband hat<br />
nach eigenen Angaben mehr<br />
als 900 Mitgliedsunternehmen,<br />
830 davon sind Genossenschaften<br />
mit über 3,9 Millionen Einzelmitgliedern.<br />
Zu seinen Auf -<br />
gaben gehören neben der Prüfung<br />
der Mitglieder auch die<br />
Felder Beratung und Bildung<br />
sowie Interessenvertretung.<br />
Etwa 34.000 Menschen in Baden-Württemberg<br />
arbeiten für<br />
genossenschaftliche Unternehmen,<br />
darunter beispielsweise<br />
die Volksbanken und Raiffeisenbanken<br />
im Nordschwarzwald so -<br />
wie Einkaufsgenossenschaften<br />
wie Intersport oder die in Pforzheim<br />
ansässige Fleischer-Einkauf<br />
Pforzheim eG – um nur<br />
einige zu nennen. gel<br />
www.wir-leben-genossenschaft.de<br />
INTERVIEW<br />
20
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 21
Region Nordschwarzwald<br />
Elektrisiert<br />
Technologische Sprünge zwingen die Automobilhersteller<br />
zu einem komplett neuen Denken<br />
Foto: Porsche AG<br />
22
Mit Vollgas in die Zukunft<br />
„Wir stellen<br />
festgelegte Prozesse in<br />
Frage, wir experimentieren,<br />
gehen Risiken ein. Dabei<br />
passieren Fehler, das darf und<br />
muss so sein. Genau so schaffen<br />
wir aber auch Platz für neue<br />
Ideen, die uns weiterbringen<br />
werden.“<br />
Oliver Blume, Porsche<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
AUTOMOTIVE<br />
Porsche bringt den ersten rein elektrisch angetriebenen<br />
viersitzigen Sportwagen auf die Straßen –<br />
Zulieferer aus der Region Nordschwarzwald<br />
profitieren von der „Mission E“<br />
Von Gerd Lache<br />
Die Branche war lange im Tiefschlaf,<br />
sagt Uwe Hück über die<br />
deutsche Automobilindustrie. Sie<br />
müsse jetzt rasch wach werden.<br />
Wer wichtige Trends verschlafe, der<br />
verschwinde von der Bildfläche.<br />
Hück lebt mit seiner Familie im<br />
Enzkreis. Seinen Job macht er in<br />
Stuttgart bei Porsche. Der Verdienstkreuzträger<br />
und Gründer der<br />
Pforzheimer „Lernstiftung Hück“ ist<br />
Gesamtbetriebsratsvorsitzender<br />
und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender<br />
der Porsche AG. Nachhaltigkeit<br />
und Digitalisierung sowie<br />
Bildung sind derzeit seine maßgeblichen<br />
Themen bei Auftritten in der<br />
Öffentlichkeit.<br />
Angst vor der Digitalisierung hat<br />
der Ex-Profiboxer nicht. Im Gegenteil:<br />
„Wir werden die Digitalisierung<br />
nicht aufhalten, deshalb müssen<br />
Die Digitalisierung annehmen, aber die Menschen nicht vergessen – so lautet<br />
die Devise von Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück (rechts), daneben Ministerpräsident<br />
Winfried Kretschmann und Vorstandschef Oliver Blume. Foto: Doris Löffler<br />
wir sie gestalten“, sagt Hück und<br />
kündigt auch für den Sportwagenbauer<br />
an: „Künftig werden Roboter<br />
und Menschen gemeinsam arbeiten.“<br />
Porsche-Vorstandsvorsitzender<br />
Oliver Blume ergänzt: „Technologische<br />
Sprünge zwingen uns zu<br />
einem komplett neuen Denken.“<br />
Und Lutz Meschke, stellvertretender<br />
Vorstandsvorsitzender und<br />
Vorstand Finanzen und IT macht<br />
deutlich: „Die digitale Transformation<br />
erfasst alle Bereiche des Unternehmens<br />
– interne Prozesse, die<br />
Kundeninteraktion sowie unsere<br />
Produkte und Services.“ Die zunehmende<br />
Vernetzung der Fahrzeuge<br />
sowie veränderte Mobilitätskonzepte<br />
führen laut Meschke zu<br />
einem „massiven Umbruch in der<br />
Automobilindustrie und rufen neue<br />
Wettbewerber auf den Plan“. In diesem<br />
Umfeld habe der Sportwagenbauer<br />
das klare Ziel: „Porsche wird<br />
sich zur innovativsten Marke für<br />
exklusive und sportliche Mobilität<br />
entwickeln.“<br />
Und einer der Wege zu diesem Ziel<br />
heißt „Mission E“. Am Stammwerk<br />
in Stuttgart-Zuffenhausen entsteht<br />
derzeit die Produktionsstätte für<br />
das geplante Elektroauto. Uwe Hück<br />
hat sich gemeinsam mit den 8700<br />
Beschäftigten in Stuttgart massiv<br />
dafür eingesetzt, dass der Standort<br />
für „die Zukunft der Marke“ –<br />
wie Wolfgang Porsche die Mission<br />
nannte – in Zuffenhausen sein wird.<br />
Denn mit den klassischen Sportwagen<br />
alleine sieht der Betriebsratschef<br />
die Beschäftigung langfristig<br />
nicht gesichert.<br />
Die Entscheidung, den künftigen<br />
Elektro-Sportwagen am Stammsitz<br />
zu fertigen, hat laut Porsche<br />
„eine Signalwirkung, die weit über<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 23
Region Nordschwarzwald<br />
Konzeptstudie des elektrisch betriebenen Porsche E, der im Entwicklungszentrum Weissach/Mönsheim „geboren“ wurde.<br />
Foto: Graeme Fordham<br />
Stuttgart hinausreicht. Die Mission<br />
E wird ein neues Aushängeschild für<br />
die gesamte Region“. Auch bei den<br />
zahlreichen Automobilzulieferern<br />
im Nordschwarzwald und rund um<br />
Pforzheim wird sich das Projekt entsprechend<br />
niederschlagen. Ohne hin<br />
wurde das mit feinster Technik bestückte<br />
Fahrzeug im Grenzgebiet des<br />
Enzkreises ersonnen, in der Design-<br />
und Ingenieursschmiede von Porsche,<br />
dem Entwicklungszentrum in<br />
Weissach/Mönsheim.<br />
Bei seinem Besuch in Zuffenhausen<br />
erfuhr der baden-württembergische<br />
Ministerpräsident Winfried<br />
Kretschmann (Grüne) von Porsche-<br />
Vorstandsvorsitzendem Oliver Blume<br />
und Uwe Hück, wie „der Tribut<br />
an morgen“ aussehen wird: Vier<br />
Hat noch viele Pläne für den Standort Weissach/Mönsheim: Porsche-Vorstandschef<br />
Oliver Blume. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko<br />
Türen und vier Einzelsitze, über<br />
440 kW (600 PS) Systemleistung<br />
und mehr als 500 Kilometer Reichweite.<br />
Allradantrieb und Allrad -<br />
lenkung, in unter 3,5 Sekunden von<br />
null auf 100 km/h und eine Ladezeit<br />
mit einer eigens Entwickelten<br />
Schnellladeeinheit von lediglich<br />
rund 15 Minuten für 80 Prozent der<br />
elektrischen Energie.<br />
Über die Eckdaten des Mission E,<br />
des ersten rein elektrisch angetriebenen<br />
viersitzigen Sportwagens von<br />
Porsche, zeigte sich der Ministerpräsident<br />
beeindruckt. Ende des<br />
Jahrzehnts kommt der Mission E<br />
auf die Straße. Doch zuvor gilt es,<br />
eine völlig neue Produktion aufzubauen.<br />
Die bereits begonnenen Bau -<br />
maßnahmen sollen Anfang 2019<br />
abgeschlossen sein. Hück spricht<br />
mit Blick auf die neue Produktion<br />
von ganz neuen Wegen in Richtung<br />
Digitalisierung der Arbeitswelt. Roboter,<br />
mit Künstlicher Intelligenz<br />
(KI) ausgestattet, sollen die Beschäftigten<br />
körperlich entlasten.<br />
In der Folge müsse auch über die<br />
Gestaltung der Arbeitszeit und der<br />
Pausen nachgedacht werden.<br />
Die Fabrik 4.0 werde für Belegschaft,<br />
Gewerkschaft und Arbeitgeber „eine<br />
gewaltige Herausforderung“, weiß<br />
24
„Ich habe als<br />
Achtjähriger eine<br />
Vereinbarung mit Gott getroffen<br />
und zu ihm gesagt:<br />
Mach mich bitte groß und stark,<br />
dann kümmere ich mich um den<br />
ganzen Mist da draußen. Gott hat es<br />
gemacht. Und jetzt muss ich mein<br />
Versprechen halten.“<br />
Uwe Hück, Gesamtbetriebsratsvorsitzender<br />
und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender<br />
der Porsche AG<br />
und Gründer der<br />
„Lernstiftung Hück“<br />
der Betriebsratschef. „Wir werden<br />
neue Wege gehen, aber dabei das<br />
Soziale nicht aufgeben, verspricht<br />
Hück. Porsche fahre mit seiner Entscheidung<br />
für das E-Projekt „mit<br />
Vollgas ohne Geschwindigkeitsbegrenzung<br />
in die automobile und<br />
industrielle Zukunft“.<br />
Allein in Zuffenhausen entstehen<br />
nach Angaben des Sportwagenherstellers<br />
mehr als 1000 von den 1400<br />
im Raum Stuttgart geplanten neuen<br />
Arbeitsplätzen. Gesucht wurden be -<br />
reits vor mehr als einem Jahr Experten<br />
aus den Bereichen Digitalisierung,<br />
E-Mobility, Smart Mobility<br />
und Connected Car. Besonders<br />
gefragt waren auch Produktionsplaner,<br />
die sich mit der Fabrik 4.0<br />
und der digitalen Produktionswelt<br />
auskennen, außerdem mehr als 100<br />
IT-Spezialisten.<br />
„Tatsächlich kann man hier von<br />
einem war for talents sprechen. Bei<br />
unserer weltweiten Suche nach Experten<br />
stehen wir in unmittelbarem<br />
Wettbewerb mit anderen Automobilherstellern,<br />
Zuliefer- oder IT-Firmen“,<br />
sagt Andreas Haffner, Personalvorstand<br />
der Porsche AG. Er<br />
weiß: „Mit Geld alleine lassen sich<br />
diese Köpfe nicht locken. Es geht<br />
um packende Aufgaben, ein cooles<br />
Umfeld, möglichst viele Freiheiten<br />
für Kreativität und mehr denn je<br />
attraktive Angebote zur Work-life-<br />
Balance.“<br />
Insgesamt plant Porsche eine Milliarde<br />
Euro an Investitionen. Rund<br />
700 Millionen Euro davon fließen an<br />
den Stammsitz Zuffenhausen. In den<br />
nächsten Jahren werden dort eine<br />
neue Lackiererei und eine eigene<br />
Montage errichtet. Das bestehende<br />
Motorenwerk wird für die Herstellung<br />
der Elektroantriebe ausgebaut.<br />
Außerdem wird der vorhandene<br />
Karosseriebau erweitert. Hinzu<br />
„Druck aushalten gehört dazu“<br />
Uwe Hück und seine Lernstiftung<br />
fördern Jugendliche in Bildung und Sport<br />
Der Schlüssel für die Herausforderungen<br />
der Zukunft „ist<br />
Bildung“, sagt Uwe Hück. „Hier<br />
müssen die Arbeitgeber die Millionen,<br />
die auf irgendwelchen<br />
Konten liegen, in die Qualifizierung<br />
ihrer Mitarbeiter investieren.“<br />
Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende<br />
und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende<br />
der Por sche<br />
AG setzt mit der von ihm 2013<br />
gegründeten Pforzheimer „Lernstiftung<br />
Hück“ viel früher an, bei<br />
den Jugendlichen. Insbesondere<br />
sozial schwache Jugendliche<br />
fördert und fordert die Stiftung<br />
durch Lern-, Ausbildungs- und<br />
Integrationsprojekte.<br />
Im Juni 2015 eröffnete das Bildungs-<br />
und Sportzentrum Hück,<br />
ebenfalls mit Sitz in Pforzheim.<br />
Auch hier das Ziel: benachteiligten<br />
Jugendlichen eine Perspektive<br />
geben. Unter anderem<br />
trainiert Hück in seiner Freizeit<br />
jugendliche Thaiboxer. Und wie<br />
erklärt er dieses große Engagement?<br />
„Wir haben heutzutage<br />
die beste Jugend, die es jemals<br />
gab. Diese jungen Leute muss<br />
man fördern, ihnen die richtigen<br />
Werte vermitteln und zeigen,<br />
dass Gewalt keine Lösung ist.“<br />
Zum Kuratorium der Lernstiftung<br />
gehören unter anderem Dr.<br />
Felix Ladenburger von der renommierten<br />
Pforzheimer Kanzlei<br />
„Ladenburger Rechtsanwälte“<br />
sowie der Vorstandsvorsitzende<br />
der Sparkasse Pforzheim Calw,<br />
Stephan Scholl.<br />
„Durch Bildung und<br />
Sport sollen<br />
jungen Menschen<br />
Chancen im Berufsleben<br />
ermög-<br />
licht werden, die ihnen sonst verschlossen<br />
bleiben“, ist das Credo<br />
von Hück. Seine Vita zeugt davon,<br />
dass er weiß, wovon er spricht.<br />
Uwe Hück wurde „wahrscheinlich“<br />
am 22. Mai 1962 in Stuttgart geboren.<br />
Bis zu seiner heutigen Position<br />
als Betriebsratschef und als Stellvertreter<br />
von Wolfgang Porsche im<br />
Aufsichtsrat der Porsche AG war es<br />
ein weiter und harter Weg. Elternlos<br />
im Kinderheim Sperlingshof in<br />
Remchingen/Enzkreis aufgewachsen,<br />
machte er von 1977 bis 1981<br />
eine Ausbildung als Maler und<br />
Lackierer. Bis 1985 war er professioneller<br />
Thaiboxer und wurde<br />
zweimal Europameister.<br />
Im selben Jahr heuerte er bei Porsche<br />
an. Dort ist er seit 1990 Mitglied<br />
des Betriebsrates. In diversen<br />
Weiterbildungsmaßnahmen schob<br />
sich Hück kontinuierlich nach oben,<br />
arbeitete sich in Themen wie Arbeits-,<br />
Tarif- und Sozialrecht ein.<br />
Hück sagt: „Jeder kann aus seinem<br />
Leben etwas machen. Druck aushalten<br />
gehört einfach dazu.“<br />
1997 wurde er Betriebsratsvorsitzender<br />
der Standorte Zuffenhausen<br />
und Ludwigsburg. 2002 erfolgte der<br />
Sprung zum Gesamtbetriebsratsvorsitzenden<br />
der Porsche AG, ein<br />
Jahr später kam der Posten als Vorsitzender<br />
des Konzernbetriebsrats.<br />
2007 wurde er stellvertretender<br />
Vorsitzender des Aufsichtsrats der<br />
Porsche Automobil Holding SE,<br />
2010 stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender<br />
der Porsche AG.<br />
Seit Juli 2015 ist Uwe Hück außerdem<br />
Mitglied des Aufsichtsrats<br />
der Volkswagen AG. Am 4. September<br />
2012 erschien seine Autobiografie<br />
mit dem Titel „Volle<br />
Drehzahl“ (Campus Verlag). gel<br />
Kämpfer für<br />
Arbeitnehmerrechte<br />
und soziale<br />
Gerechtigkeit:<br />
der ehemalige<br />
Thai-Boxer und<br />
heutige Porsche-<br />
Gesamtbetriebsratschef<br />
Uwe Hück.<br />
Foto: Lernstiftung Hück<br />
AUTOMOTIVE<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 25
Region Nordschwarzwald<br />
kommen weitere Investitionen, zum<br />
Beispiel für das Entwicklungszentrum<br />
Weissach/Mönsheim.<br />
Überhaupt das Entwicklungszentrum.<br />
Hier hat laut Hück „die Zukunft<br />
Tradition“. Es befindet sich<br />
zum Teil auf Gemarkung der Enzkreis-Gemeinde<br />
Mönsheim. Seine<br />
räumliche Nähe zu Stuttgart war<br />
ein weiterer Pluspunkt, der den<br />
Ausschlag bei der Standortwahl für<br />
die E-Produktion gab. Bereits Mitte<br />
2014 hat der Sportwagenhersteller<br />
das größte Investitionsprojekt in<br />
der Geschichte des Entwicklungszentrums<br />
in Betrieb genommen. Die<br />
drei neuen Gebäude – das Design-<br />
Studio mit Konzeptbau, ein aeroakustischer<br />
Windkanal und das<br />
Elektronik-Integrationszentrum –<br />
setzen nach Unternehmensangaben<br />
neue Maßstäbe für die zukunftsorientierte<br />
Fahrzeugentwicklung<br />
mit dem Prädikat „engineered and<br />
designed in Weissach”.<br />
Erste positive Auswirkungen des<br />
Projekts „Mission E“ sind bereits in<br />
der Region Nordschwarzwald zu registrieren.<br />
So siedelt sich beispielsweise<br />
mit ThyssenKrupp System<br />
Engineering ein international agierender<br />
Systempartner der Automobilindustrie<br />
in Mühlacker/Enzkreis<br />
an. 85 Arbeitsplätze werden geschaffen.<br />
„Produziert werden dort<br />
die Karosserien für das Elektroauto<br />
von Porsche“, erklärt Günter Bächle,<br />
Fraktionsvorsitzender der CDU<br />
im Kreistag.<br />
„Man sagt ja, Baden-Württemberg<br />
sei das Land der Tüftler und Denker<br />
– in Mönsheim und Weissach<br />
wird deutlich, dass das nicht nur<br />
so ein Spruch ist”, resümiert der<br />
grüne Ministerpräsident Winfried<br />
Kretschmann angesichts der Pläne<br />
von Porsche.<br />
Im Akustiklabor Weissach<br />
geht‘s um den typischen Porsche-Sound.<br />
Foto: Bernd Kammerer<br />
AUTOMOTIVE<br />
Zum Thema<br />
EZW – die Denkfabrik<br />
von Porsche<br />
Das Entwicklungszentrum Weissach<br />
(EZW) der Dr. Ing. h.c. F. Porsche<br />
AG steht seit Jahrzehnten für innovative<br />
und intelligente Fahrzeugentwicklung.<br />
Hier ersinnt das<br />
Unternehmen seit 1971 die Sportwagen<br />
der Zukunft, die heute in<br />
Zuffenhausen, Leipzig und Osnabrück<br />
vom Band rollen und in weltweit<br />
mehr als 125 Märkten verkauft<br />
werden. Weissach ist einer von drei<br />
Standorten, an denen grundlegende<br />
Baukästen und Technologien<br />
verantwortet werden, die auch bei<br />
Fahrzeugen der Schwestermarken<br />
zum Einsatz kommen.<br />
Das Design-Studio auf dem Gelände des Entwicklungszentrums Weissach/Mönsheim<br />
von Porsche formt den optischen Charakter der Fahrzeuge. Foto: Porsche<br />
Und hier wurde der Elektro-Sportwagen<br />
„Mission E“ komplett entwickelt.<br />
Laut Vorstandsvorsitzendem<br />
Oliver Blume wird das Entwicklungszentrum<br />
darüber hinaus eine<br />
zentrale Rolle der von Porsche ausgegebenen<br />
„Strategie 2025“ spielen.<br />
„Wir haben dazu viele neue<br />
Ideen für Weissach“, sagt Blume.<br />
Die Prüfstrecke in der Gemeinde<br />
ist bereits seit 1962 in Betrieb. Im<br />
Zuge der Erweiterung des EZW im<br />
Jahr 2014 sind drei neuen Gebäude<br />
– Design-Studio mit Konzeptbau,<br />
aero-akustischer Windkanal und<br />
Elektronik-Integrationszentrum –<br />
entstanden, die auf der angrenzenden<br />
Gemarkung der Gemeinde<br />
Mönsheim im Enzkreis stehen.<br />
Auch in Friolzheim, ebenfalls zum<br />
Enzkreis gehörend, hat sich der<br />
Sportwagenbauer ein weiteres Areal<br />
gesichert.<br />
Aktuell sind im EZW über 6000<br />
Mitarbeiter von Porsche (4500) und<br />
Partnerunternehmen (1500) in der<br />
Entwicklung, im Motorsport, im<br />
Einkauf und den unterstützenden<br />
Bereichen beschäftigt. gel<br />
26
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Die IMO Oberflächentechnik GmbH<br />
in Königsbach-Stein zählt international<br />
zu den führenden Anbietern<br />
von galvanischen Oberflächen für<br />
die Bereiche Automotive, Elektronik,<br />
Telekommunikation, Medizin -<br />
technik und Erneuerbare Energien.<br />
Permanent investiert das Unternehmen<br />
in den Ausbau seiner Kapazitäten<br />
und Ressourcen. Auf<br />
modernsten Anlagen werden Vollbänder,<br />
Stanzteile und Einzelteile<br />
sicher, zuverlässig, wirtschaftlich<br />
und umweltfreundlich beschichtet.<br />
Innovationskraft, ausgezeichnete<br />
Qualität und ein hoch motiviertes<br />
Team zeichnen das Familienunternehmen<br />
aus. Klar formulierte Ziele<br />
geben den Mitarbeitern Sicherheit<br />
und bieten ihnen langfriste Perspek -<br />
tiven. Derzeit tragen über 400 Mitarbeiter<br />
mit ihrem Fachwissen, ihren<br />
Ideen und ihrem Engagement maßgeblich<br />
zum Unternehmenserfolg<br />
bei. Ein wesentlicher Bestandteil<br />
die ser nachhaltigen Unternehmens-<br />
politik ist die Nachwuchsförderung.<br />
IMO bildet jährlich in großem Umfang<br />
aus. Von großer Bedeutung ist<br />
dabei ein Beruf mit besten Perspektiven<br />
und Aufstiegsmöglichkeiten:<br />
der des Oberflächenbeschichters.<br />
Bestqualifizierte und motivierte<br />
Mit arbeiter bilden die Basis der erfolgreichen<br />
Unternehmensentwicklung.<br />
Damit dies auch für die Zukunft<br />
gewährleistet ist, gilt es heute,<br />
den Bestand an Fachkräften kontinuierlich<br />
auszubauen. Neben attraktiven<br />
Arbeitsplätzen mit modernster<br />
Ausstattung bietet das<br />
Unternehmen seinen Angestellten<br />
individuellen Gestaltungsspielraum<br />
sowie umfangreiche Leistungen und<br />
Zusatzangebote, die über das gewöhnliche<br />
Maß hinausgehen.<br />
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PORTRÄT<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 29
Region Nordschwarzwald<br />
„Gravierende<br />
Veränderungen“<br />
In der Gestaltung der digitalen Arbeitswelt<br />
sieht die Wirtschaftsministerin<br />
eine zentrale Aufgabe der Unternehmen<br />
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut MdL,<br />
Ministerin für Wirtschaft, Arbeit<br />
und Wohnungsbau des Landes Baden-<br />
Württemberg. Foto: Wirtschaftsministerium<br />
/ Sascha Baumann<br />
Von Gerd Lache<br />
„Analog war vorgestern. Die Digitalisierung<br />
hält rasanten Einzug in<br />
nahezu allen Lebensbereichen und<br />
verändert Wirtschaft und Gesellschaft,<br />
vergleichbar mit der industriellen<br />
Revolution.“ Das sagt der<br />
Pforzheimer Unternehmer und IHK-<br />
Ehrenpräsident Burkhard Thost.<br />
Bis Mitte <strong>2017</strong> war er zehn Jahre<br />
lang Präsident der Industrieund<br />
Handelskammer (IHK) Nordschwarzwald.<br />
Quasi als krönenden<br />
Abschluss seiner Präsidentschaft<br />
initiierte Thost im CongressCentrum<br />
seiner Heimatstadt das „Zukunftsforum<br />
2030“. Zwei Tage lang diskutierten<br />
anerkannte Experten aus<br />
Deutschland mit rund 250 Unternehmerinnen<br />
und Unternehmern<br />
ausschließlich über die Herausforderungen<br />
der Digitalisierung. Und<br />
insbesondere ging es um das neue<br />
Arbeiten in dieser neuen Welt. Der<br />
Titel der Veranstaltung lautete deshalb<br />
auch: „Der Mensch in der<br />
Smart World“.<br />
Die baden-württembergische Ministerin<br />
für Wirtschaft, Arbeit und<br />
Wohnungsbau, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut<br />
(CDU), die Thost für seine<br />
Verdienste mit der Wirtschaftsmedaille<br />
des Landes auszeichnete,<br />
lobte das Zukunftsforum, das die<br />
richtigen Fragen gestellt habe. Sie<br />
mahnte: Seinerzeit sei die Kommerzialisierung<br />
des Internets verschlafen<br />
worden. Nun stünde der<br />
heimischen Automobilindustrie ein<br />
massiver Strukturwandel bevor.<br />
„Wir dürfen unser Schicksal nicht<br />
den Managern im Silicon Valley<br />
überlassen“, sagte Hoffmeister-<br />
Kraut. Bei der Digitalisierung müsse<br />
die Industrie in Baden-Württemberg<br />
die Nase vorn haben.<br />
„Die zunehmende Digitalisierung<br />
führt zu gravierenden Veränderungen<br />
in der Wirtschaft und nahezu<br />
allen Lebensbereichen unserer<br />
Gesellschaft.“ Allerdings räumt die<br />
Ministerin ein: „Die erste Runde<br />
ging ganz klar an die USA.“ Das soll<br />
sich nicht wiederholen: „Die Digitalisierung<br />
der Wirtschaft ist eine<br />
der zentralen Herausforderungen.“<br />
Die industrielle Produktion verändere<br />
sich – „sie wird flexibler, individueller<br />
und effizienter“. Nicht nur<br />
das: Die ganze Welt werde gravierend<br />
anders – wie wir leben, konsumieren<br />
und wie wir arbeiten.<br />
Thema Arbeiten: „Es muss uns gelingen,<br />
dass die Diskussion um Arbeit<br />
4.0 sachlich geführt wird, faktenbasiert<br />
und vor allem vor dem<br />
Hintergrund, dass in der Arbeitnehmerschaft<br />
derzeit eine große Unsicherheit<br />
herrscht“, erklärt die Wirtschaftsministerin.<br />
Es gebe nicht nur<br />
Befürchtungen, wie der Arbeitsplatz<br />
der Zukunft aussehe, sondern<br />
ob in Zukunft noch genügend Arbeit<br />
vorhanden sein werde. Hoffmeister-Kraut:<br />
„Die Gestaltung der<br />
digitalen Arbeitswelt betrachte ich<br />
als eine der zentralen Aufgaben für<br />
die Unternehmen, die Beschäftigten,<br />
die Sozialpartner und die Politik.“<br />
Zur Person<br />
Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut<br />
wurde 1972 in Balingen geboren.<br />
Sie studierte an der Universität<br />
Tübingen Betriebswirtschaftslehre,<br />
schloss als<br />
Diplom-Kauffrau ab und promovierte<br />
2001 an der Universität<br />
Würzburg. Ihre Zeit in London<br />
begann Dr. Hoffmeister-Kraut<br />
bei der Investmentbank Morgan<br />
Stanley, danach arbeitete sie bis<br />
2005 als Analystin bei Ernst &<br />
Young in London und Frankfurt.<br />
Sie ist seit 1998 Gesellschafterin<br />
der Bizerba SE & Co. KG<br />
in Balingen. Dort war sie von<br />
2014 bis zu ihrem Amtsantritt<br />
als Ministerin Mitglied des Aufsichtsrats.<br />
Seit Mai 2016 ist sie<br />
als Mitglied der CDU im Landtag<br />
von Baden-Württemberg,<br />
am 12. Mai 2016 wurde sie zur<br />
Ministerin für Wirtschaft, Arbeit<br />
und Wohnungsbau des Landes<br />
Baden-Württemberg ernannt.<br />
Nicole Hoffmeister-Kraut ist<br />
verheiratet und hat drei Töchter.<br />
gel<br />
30
Zum Thema<br />
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere für Frauen, gilt als wichtiger<br />
Baustein bei der Gestaltung der Arbeitswelt. Foto: Daniel Naupold<br />
Ihr liege Arbeit 4.0 sehr am Herzen.<br />
Flexibilisierung könne einer<br />
der Schlüssel sein, für mehr Freiraum<br />
und für ein besseres Gelingen<br />
der Vereinbarkeit von Beruf und<br />
Familie. Die „heute starren Regeln<br />
des Arbeitszeitrechts“ könnten der<br />
Wirklichkeit vieler Unternehmen<br />
nicht mehr gerecht werden. Die<br />
Bundesregierung solle die Arbeitsbedingungen<br />
auf die Veränderungen<br />
anpassen. „Wir brauchen aber<br />
Regeln, die dem Schutz der Beschäftigten<br />
dienen. Arbeitsschutz,<br />
notwendige Ruhezeiten und andere<br />
sinnvolle Standards dürfen in<br />
Zeiten von Industrie 4.0 nicht über<br />
Bord geworfen werden“, fordert<br />
Nicole Hoffmeister-Kraut.<br />
Auch Aus- und Weiterbildung sei<br />
ein wichtiges Thema. Angesichts<br />
der Dynamik der voranschreitenden<br />
Digitalisierung betrachte sie<br />
„die Gestaltung der digitalen Arbeitswelt<br />
als eine der zentralen<br />
Aufgaben für die Unternehmen,<br />
die Beschäftigten, die Sozialpartner<br />
und die Politik“.<br />
Die Landesregierung will Baden-<br />
Württemberg zum führenden Stand -<br />
ort der digitalen Industrie machen.<br />
Deshalb wurde bereits im Jahr 2015<br />
eine Allianz Industrie 4.0 gegründet,<br />
die alle wesentlichen Akteure<br />
im Land vernetzt. Vorrangig will<br />
das Netzwerk kleinen und mittleren<br />
Unternehmen (KMU) Orientierung<br />
auf dem Weg zur Digitalisierung<br />
geben und dazu beitragen, dass<br />
sich Beschäftigte auf ein sich veränderndes<br />
Aufgabenspektrum vorbereiten<br />
können. Unterdessen sollen<br />
Unternehmen und Mitarbeiter<br />
gleichermaßen profitieren, so die<br />
Vorstellung der Wirtschaftsministerin.<br />
Der Begriff „Industrie 4.0“ stehe für<br />
das vertiefte Zusammenwachsen<br />
von Maschinenbau und Elektrotechnik<br />
mit der Informationstechnologie<br />
zu einer intelligent vernetz -<br />
ten Produktionsweise in den Fabriken<br />
der Zukunft. Dabei geht es<br />
auch um die intelligente Zusammenarbeit<br />
verschiedener Branchen<br />
in Verbindung mit einer Optimierung<br />
von Wertschöpfungsketten<br />
und industriellen Prozessen. Zentrale<br />
Themen seien Sicherheit,<br />
Standardisierung und die Entwicklung<br />
neuer Geschäftsmodelle sowie<br />
neue Arbeitswelten.<br />
Fachwissen vergeudet<br />
„Wir dürfen nicht nur über Tech -<br />
nik reden, es geht auch um die<br />
Menschen“, meint Martin Kunzmann,<br />
Vorsitzender des DGB<br />
Baden-Württemberg und ehema -<br />
liger Chef der IG Metall Pforz -<br />
heim. Bei einem Podiumsgespräch<br />
während der Industriewochen<br />
<strong>2017</strong> des Wirtschaftsministeriums<br />
in Stuttgart sagte er<br />
zudem, dass wertvolles Wissen<br />
vergeudet werde, weil weibliche<br />
Fachkräfte nicht ausreichend in<br />
den Arbeitsprozess integriert<br />
würden. „Vereinbarkeit von Fa -<br />
milie und Beruf“ sowie der<br />
Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen<br />
sind für den DGB-Landesvorsitzenden<br />
ein Mittel, um<br />
mehr Fachkräfte gewinnen zu<br />
können.<br />
Unterdessen erklärte der Gewerkschafter:<br />
„Unser zentrales<br />
Anliegen ist, dass alle Beschäftigten<br />
in den Veränderungsprozessen<br />
mitgenommen werden,<br />
dass sie eine Perspektive auf<br />
einen guten und sicheren Arbeitsplatz<br />
erhalten und sich an<br />
der Gestaltung der Arbeitswelt<br />
beteiligen können.“ Kunzmann<br />
begrüßt es, dass Wirtschaftsministerin<br />
Dr. Hoffmeister-Kraut<br />
mit verschiedenen Initiativen<br />
und Projekten „die Herausforderungen<br />
gemeinsam mit allen<br />
Beteiligten anpacken will“. gel<br />
Fordert klare Zukunfts perspektiven<br />
für die Beschäftigten:<br />
Martin Kunzmann, Vorsitzender<br />
des DGB Baden-Württemberg.<br />
Foto: Doris Löffler<br />
INDUSTRIE 4.0<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 31
Region Nordschwarzwald<br />
Wirtschaftsmedaille für Burkhard Thost<br />
Für herausragende unternehmerische<br />
Leistungen und zum Dank für<br />
besondere Verdienste um die baden-württembergische<br />
Wirtschaft<br />
hat Wirtschaftsministerin Dr. Nicole<br />
Hoffmeister-Kraut (CDU) die Wirtschaftsmedaille<br />
des Landes an den<br />
bisherigen Präsidenten der IHK<br />
Nordschwarzwald, Burkhard Thost,<br />
verliehen. Er hat das Amt Mitte<br />
<strong>2017</strong> an Claudia Gläser übergeben.<br />
„Burkhard Thost hat seine zehnjährige<br />
Präsidentschaft bei der IHK<br />
Nordschwarzwald mit seiner ganzen<br />
unternehmerischen Erfahrung<br />
und Professionalität ausgefüllt“,<br />
lobte die Ministerin. Mit Tatkraft,<br />
Ausdauer, Weitsicht, Verantwortungsbewusstsein<br />
und vor allem<br />
großem Einsatz habe er die Wirtschaftsinfrastruktur<br />
in der Region<br />
Nordschwarzwald gestärkt. Aber<br />
auch auf internationalem Terrain<br />
habe sich Thost vorbildlich und<br />
nachhaltig für die Belange der Gesamtwirtschaft<br />
eingesetzt. „Sie sind<br />
ein würdiger und geachteter Botschafter<br />
Baden-Württembergs und<br />
Aushängeschild für unser Land in<br />
aller Welt“, sagte Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut.<br />
Thost habe in seiner Amtszeit viele<br />
wichtige Themen vorangetrieben<br />
und mit Weitblick und Weltoffenheit<br />
Schwerpunkte gesetzt – mit beachtlichem<br />
Zeitaufwand und einem hohen<br />
Maß an persönlichem Verzicht.<br />
Dies alles sei ohne Idealismus und<br />
großer Leidenschaft in der Sache<br />
nicht zu leisten. Diesen Geist hätten<br />
viele Unternehmer im Südwes -<br />
ten inne: „Sie haben genau die innere<br />
Einstellung und Haltung, die<br />
unseren Mittelstand hier in Baden-<br />
Württemberg auszeichnet. Eine Haltung,<br />
die sich im persönlichen Ein -<br />
satz für das Unternehmen und seine<br />
Mitarbeiter, aber auch im langjährigen<br />
ehrenamtlichen Engagement<br />
für die Wirtschaftsregion Nordschwarzwald<br />
eindrucksvoll zeigt.“<br />
Thost brachte sich demnach intensiv<br />
in das Projekt „Regionalentwicklung<br />
2030“ ein, aus dem<br />
herausragende strukturrelevante<br />
Pro jekte hervorgingen. Beispiele<br />
sind der Campus Schwarzwald, der<br />
Ausbau der Bildungszentren in der<br />
Region sowie die Einrichtung der<br />
Kontaktstelle „Wirtschaft und Wissenschaft“.<br />
Das Amt eines IHK-Präsidenten ist<br />
ein Ehrenamt, er erhält demnach<br />
keinerlei Bezahlung für den zeitlichen<br />
und persönlichen Aufwand.<br />
Lediglich Sachkosten, wie etwa Rei -<br />
sekosten können nach einer internen<br />
Richtlinie erstattet werden.<br />
Die zeitliche Inanspruchnahme für<br />
diese Tätigkeit könne nur geschätzt<br />
werden, so IHK-Hauptgeschäftsführer<br />
Martin Keppler. Er geht von<br />
durchschnittlich rund 500 Stunden<br />
pro Jahr aus, die sich addieren<br />
durch vielfältige Termine, Verpflichtungen,<br />
Besprechungen und<br />
Sitzungsvorbereitungen.<br />
gel<br />
INDUSTRIE 4.0<br />
„Ein Ehrenamt<br />
wie das eines IHK-<br />
Präsidenten fordert die<br />
ganze Persönlichkeit<br />
über den gesamten Tag.<br />
Diese Aufgabe kann Freude<br />
bereiten, aber auch hin und<br />
wieder anstrengend sein.“<br />
Martin Keppler,<br />
Hauptgeschäftsführer der IHK<br />
Nordschwarzwald<br />
Hat das Ehrenamt des IHK-Präsidenten laut Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-<br />
Kraut mit Professionalität ausgefüllt: Burkhard Thost. Dafür erhielt er die Wirtschaftsmedaille<br />
des Landes Baden-Württemberg.Foto: Michael Hasch<br />
32
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<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 33
Landkreis Freudenstadt<br />
Chance und<br />
Herausforderung<br />
Vakuumtechnik-Marktführer J. Schmalz übernimmt<br />
GPS Gesellschaft für Produktionssysteme<br />
als weiteren Baustein seiner Digitalisierungsstrategie<br />
Berichtete beim wvib-Marketingtag<br />
über die Einrichtung eines Web-Shops:<br />
Hendrik Bittenbinder, Marketingleiter<br />
der J. Schmalz GmbH. Foto: Schmalz<br />
Von Gerd Lache<br />
Digitalisierung, das bedeutet für<br />
die J. Schmalz GmbH im Landkreis<br />
Freudenstadt „Chance und Herausforderung<br />
zugleich“. Das macht<br />
Walter Dunkmann deutlich. Er leitet<br />
das Geschäftsfeld für Vakuum-<br />
Automation. Das Unternehmen gilt<br />
als weltweit führender Anbieter in<br />
der Automatisierungs-, Handhabungs-<br />
und Aufspanntechnik und<br />
bietet Kunden aus zahlreichen<br />
Branchen Lösungen aus dem Bereich<br />
der Vakuumtechnik. Am<br />
Stammsitz in Glatten, im südlichen<br />
Teil des Nordschwarzwalds gelegen,<br />
sowie in 17 ausländischen Niederlassungen<br />
sind rund 1200 Menschen<br />
beschäftigt. Ausbildungsquote in<br />
Deutschland: 13 Prozent. Anteil von<br />
Forschung und Entwicklung am<br />
Umsatz: 8,5 Prozent. Exportquote:<br />
50 Prozent.<br />
Zum 1. Januar <strong>2017</strong> hat Schmalz<br />
die „GPS Gesellschaft für Produktionssysteme<br />
GmbH“ in Stuttgart<br />
übernommen. Laut Dunkmann „ein<br />
weiterer, wichtiger Baustein unserer<br />
Digitalisierungsstrategie“. Indes erklärt<br />
er: „Für uns steht gar nicht so<br />
sehr der Begriff der Digitalisierung<br />
im Mittelpunkt.“ Entscheidend sei<br />
vielmehr, was sich die Kunden dadurch<br />
erhoffen – „und dementsprechend,<br />
was sie von uns erwarten“.<br />
Beispiel Automobilindustrie: Die<br />
E-Mobilität erfordere auch von der<br />
Zulieferindustrie ein grundsätzliches<br />
Umdenken. „Als Hersteller von<br />
Greifsystemen lautet die klare Anforderung<br />
an Schmalz, flexible End -<br />
effektoren anzubieten, die mit dem<br />
Mix von bisherigen Antrieben auf<br />
der einen Seite sowie Hybrid- und<br />
Elektromotoren auf der anderen<br />
Seite umgehen können.<br />
Guten Zulauf hatte der Marketingtag des Wirtschaftsverbandes wvib. Die Teilnehmer<br />
kamen aus den knapp über 1000 Mitgliedsbetrieben des Verbandes. Foto: Doris Löffler<br />
Ein anderes Beispiel sind die E-<br />
Commerce-Aktivitäten des Vakuum-<br />
Spezialisten. Beim Marketingtag des<br />
Wirtschaftsverbandes Industrieller<br />
Unternehmen Baden (wvib) in Freiburg<br />
erläuterte Schmalz-Marketing -<br />
leiter Hendrik Bittenbinder die Herausforderun<br />
gen bei Planung und<br />
Umsetzung des neuen Web-Shops<br />
sowie die Ergebnisse. Bereits 100<br />
Tage nach der Freischaltung seien<br />
rund 6000 registrierte Nutzer, 50<br />
Prozent davon aus dem Ausland,<br />
registriert worden. Nach einem Jahr<br />
wurden Besucher aus 202 Ländern<br />
gezählt. „Global gesehen, bekommen<br />
wir inzwischen mehr Kontakte über<br />
Online-Quellen als auf Messen“,<br />
sagte der Marketingleiter. Dennoch<br />
bekenne sich das Unternehmen<br />
weiter zum persönlichen Kundenkontakt<br />
auf Messeveranstaltungen.<br />
Unterdessen seien Studien zu dem<br />
Ergebnis gekommen: Rund 80 bis<br />
90 Prozent der Geschäfte, bei denen<br />
Verkäufer und Käufer Unternehmen<br />
sind – kurz B2B (Business<br />
to Business) genannt – würden vom<br />
Internet beeinflusst. Eine weitere<br />
Untersuchung besage, dass der Geschäftskunde<br />
über digitale Kanäle<br />
schon etwa 60 Prozent des Weges<br />
hin zu einer Kaufentscheidung gegangen<br />
sei, bevor er mit dem Lieferanten<br />
Kontakt aufnehme.<br />
Neun Monate dauerte die Umsetzungsphase<br />
des Web-Shops bei<br />
Schmalz. Schon ein halbes Jahr davor<br />
wurde der Prozess eingeleitet.<br />
Das Dokument mit dem Anforderungsprofil<br />
umfasste 140 Seiten.<br />
34
Rund 5000 Entwicklerstunden wurden<br />
geleistet, mehrere Hundert Seiten<br />
in fünf Sprachen mussten für<br />
alle Endgeräte – vom PC bis zum<br />
Smartphone – nutzbar gemacht<br />
werden und 1400 Fehler galt es in<br />
der Testphase rasch zu beseitigen.<br />
Lohnt sich ein derartiger Aufwand?<br />
Ja, sagte der Marketingleiter. Beispielsweise<br />
hätten knapp 11.000 heruntergeladenen<br />
Produktdaten den<br />
personellen Aufwand für Postversand<br />
sowie Portokosten gespart.<br />
„Und wir haben relativ viele Katalog-Downloads.“<br />
Im Übrigen sei man<br />
bei Schmalz überzeugt, dass der<br />
Käufer beim Bestellprozess sehr viel<br />
selbstständiger werde. Bittenbinder:<br />
„Wir wollen dazu beitragen, dass<br />
der Kunde diesen Weg gehen kann.“<br />
www.schmalz.com/de<br />
Im Mittelpunkt steht nicht die Digitalisierung, sondern die Erwartung der Kunden zu<br />
diesem Thema, meint Walter Dunkmann, Leiter des Geschäftsfelds Vakuum-Automation<br />
der J. Schmalz GmbH. Foto: Schmalz<br />
MARKETING<br />
Beim Marketingtag: Premiere der wvib-App<br />
Gerd Lache<br />
Auch beim Wirtschaftsverband<br />
industrieller Unternehmen Baden<br />
(wvib) stehen die Zeichen auf Digitalisierung.<br />
Premiere beim Marketingtag<br />
<strong>2017</strong> in Freiburg hatte<br />
die App „mywvib“, die für iOS und<br />
Android entwickelt wurde. „Es funktioniert<br />
wie Whatsapp“, sagte Dirk<br />
Fabian, Leiter der wvib-Akademie.<br />
Vorteil: Die einzelnen Fachgruppen -<br />
teilnehmer der mehr als 1000 Mitgliedsunternehmen<br />
könnten sich<br />
nun durchgehend und direkt miteinander<br />
vernetzen, beispielsweise<br />
Dokumente, Bilder und Informationen<br />
austauschen. Bisher sei dies<br />
weitgehend über die Verbandsgeschäftsstelle<br />
sowie in den mehrmals<br />
jährlich stattfindenden Erfahrungsaustauschgruppen<br />
erfolgt.<br />
Die Vakuumtechnik des Marktführers J. Schmalz aus Glatten macht auch für den<br />
baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann das Anheben<br />
schwerer Lasten leicht. Hier mit Geschäftsführer Andreas Beutel. Foto: Schmalz<br />
Die Datensicherheit sieht Fabian<br />
gewährleistet: „Alles, was Sie tun,<br />
läuft über einen Server im Rechenzentrum<br />
in Appenweier, da kommt<br />
kein NSA drauf.“<br />
Zum wvib gehören Unternehmen<br />
wie Witzenmann, EVE und Kramski<br />
aus Pforzheim, Willy Lillich (Straubenhardt),<br />
OBE (Ispringen), PKT<br />
(Tiefenbronn), Herrmann Ultraschall<br />
(Karlsbad), E.G.O. (Oberderdingen),<br />
Enayati (Birkenfeld), Euro Sonic<br />
(Keltern) und Schmalz GmbH (Glatten)<br />
– um nur einige zu nennen.<br />
In einer Umfrage bei einigen seiner<br />
mehr als 1000 Mitgliedsbetriebe<br />
hat sich der Verband für die Nutzung<br />
sozialer Medien interessiert.<br />
Die Antworten ergaben folgendes<br />
Ergebnis: Die befragten Unternehmer<br />
nutzten zu ähnlich hohen Anteilen<br />
die beruflichen Plattformen<br />
Xing (38 Prozent), LinkedIn (34)<br />
und Facebook (35). Der Videokanal<br />
YouTube (23), der Kurznachrichtendienst<br />
Twitter (12) sowie die Bildund<br />
Videoplattform Instagram (6)<br />
folgen mit deutlichem Abstand. 95<br />
Prozent der befragten wvib-Unternehmen<br />
besitzen eine Homepage,<br />
39 Prozent betreiben einen Firmen-<br />
Account bei Facebook, 30 Prozent<br />
stellen ihr Unternehmen auf Xing<br />
vor, knapp gefolgt von YouTube<br />
(26) und LinkedIn (23). gel<br />
www.wvib.de<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 35
Region Nordschwarzwald<br />
„Es ist an der Zeit<br />
umzudenken“<br />
Autoren des Buchs „Sonst knallt‘s“ plädieren für<br />
Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens<br />
Von Gerd Lache<br />
Die Namensliste derer, die international<br />
für die Einführung eines<br />
Bedingungslosen Grundeinkommens<br />
(BGE) plädieren, ist hochrangig<br />
besetzt. Microsoft-Gründer<br />
Bill Gates und Tesla-Chef Elon<br />
Musk gehören ebenso dazu wie<br />
der Philosoph, Publizist und ZDF-<br />
Talker Richard David Precht. Auch<br />
Facebook-Vorstandsvorsitzender<br />
Mark Zuckerberg und Ebay-Gründer<br />
Pierre Omidyar haben sich als<br />
BGE-Fan geoutet. Und selbst der<br />
gebürtige Pforzheimer und Stuttgarter<br />
GFT-Aufsichtsratschef Ulrich<br />
Dietz, dessen IT-Unternehmen<br />
weltweit aktiv ist, sinniert, dass<br />
man über ein Grundeinkommen<br />
oder den Sinn von Arbeit reden<br />
müsse – wenngleich er von einem<br />
Einkommen, bei dem man fürs<br />
Nichtstun Geld erhält, nicht viel<br />
halte.<br />
Aktuell findet das Thema insbesondere<br />
bei den Befürworten hohe Zustimmung,<br />
die aus dem IT-Umfeld<br />
kommen und angesichts der zunehmenden<br />
Digitalisierung bereits<br />
mittelfristig den ersatzlosen<br />
Verlust zahlreicher Arbeitsplätze<br />
sehen. Anders als in den bisherigen<br />
industriellen Revolutionen<br />
würde dieser disruptive Prozess<br />
eben keine neuen Arbeitsplätze<br />
an anderer Stelle schaffen. Roboter<br />
übernehmen demnach nicht<br />
nur einfache Tätigkeiten, sondern<br />
würden zunehmend auch für kom -<br />
plexe Aufgaben eingesetzt. Stichwort<br />
Künstliche Intelligenz.<br />
Supercomputer wie beispielsweise<br />
der IBM Watson haben bereits<br />
Hunderte von Arbeitsplätzen in der<br />
Versicherungsbranche überflüssig<br />
gemacht. Auch in der Automobilbranche<br />
und damit auch bei den<br />
zahlreichen Zulieferbetrieben im<br />
Nordschwarzwald werde es im Zuge<br />
der Digitalisierung einen gravierenden<br />
Wandel mit schmerzhaf -<br />
ten Einschnitten geben, prophezeit<br />
Publizist Richard David Precht.<br />
Für den Philosophen Precht steckt<br />
bei einigen BGE-Befürworten indes<br />
weniger die Sorge um die Men -<br />
schen hinter der vehementen Forderung<br />
nach einem Bedingungslosen<br />
Grundeinkommen für jeden<br />
Bürger. Vielmehr sei es die pure<br />
Angst davor, Konsumenten zu verlieren<br />
– angesichts eines verarmten<br />
Das Interesse an Veranstaltungen zum Thema Grundeinkommen ist groß. Von links: die Buchautoren Matthias Weik, Götz W. Werner und<br />
Marc Friedrich sowie Moderator und Redakteur Gerd Lache. Foto: Thomas Meyer<br />
36
internationalen Heeres an Menschen<br />
ohne Job und Einkommen.<br />
Für dm-Gründer Götz W. Werner<br />
sowie die beiden Ökonomen und<br />
Publizisten Marc Friedrich und<br />
Matthias Weik gilt die Interpretation<br />
von Precht nicht. Werner<br />
beispielsweise hat sich schon lange<br />
vor dem massiven Vormarsch<br />
der Digitalisierung für ein Bedingungsloses<br />
Grundeinkommen<br />
eingesetzt. Über Intention und<br />
Inhalt ihres neuen Buchs „Sonst<br />
knallt’s – Warum wir Wirtschaft<br />
und Politik radikal neu denken<br />
müssen“ diskutierte das Autoren-<br />
Trio mit Leserinnen und Lesern im<br />
vollbesetzten Forum der Pforzheimer<br />
Zeitung – und bezieht nachfolgend<br />
im Interview mit <strong>WirtschaftsKRAFT</strong><br />
Position.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Herr Werner,<br />
Herr Friedrich, Herr Weik, Sie<br />
wollen die Steuerpolitik, ja die<br />
gesamte Gesellschaft radikal um -<br />
krempeln. Sie fordern die Einführung<br />
eines BGE, eines Bedingungslosen<br />
Grundeinkommens.<br />
Warum?<br />
Matthias Weik: Die Gesellschaft<br />
driftet immer weiter auseinander.<br />
Viele Parteien vertreten nicht<br />
mehr die Interessen der Bürger,<br />
sondern die von Konzernen und<br />
Finanzlobbys. Aus diesem Grund<br />
haben wir uns entschieden, ein<br />
überparteiliches Programm zu<br />
schreiben. Ein Programm für die<br />
Menschen.<br />
Marc Friedrich: Obwohl Deutschland<br />
seit Jahren wirtschaftlich<br />
auf der Überholspur fährt, kommt<br />
dieser Wohlstand bei den meisten<br />
Menschen nicht an. Hier läuft etwas<br />
gewaltig schief. Parallel erleben<br />
wir immer schlimmere Krisen<br />
und eine Finanzmarktblase nach<br />
der anderen. Der Euro und die EU<br />
wanken bedenklich. Nachhaltige<br />
Lösungsvorschläge aus Wirtschaft<br />
und Politik? Fehlanzeige! Unsere<br />
Schlussfolgerung: Das muss von<br />
unten kommen, aus der Gesellschaft.<br />
Matthias Weik: Im Zuge der Industrie<br />
4.0 werden so viele Jobs<br />
wegfallen, dass es ohne Grundeinkommen<br />
gar keine andere Lösung<br />
gibt.<br />
Marc Friedrich: Die Manager dieses<br />
Wandels haben das Großteils<br />
schon verstanden. Herr Käser von<br />
Siemens, Elon Musk von Tesla, Telekom-Vorstand<br />
Timotheus Höttges<br />
und viele andere sprechen sich<br />
für ein BGE aus.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Erklären Sie<br />
bitte die Philosophie des BGE.<br />
Götz W. Werner: Ich trete ja seit<br />
Längerem für die Ideen eines BGE<br />
und einer ausschließlichen Besteuerung<br />
des Konsums ein. Und<br />
ich versuche den Menschen zu<br />
erklären, dass unsere Wirtschaft<br />
viel zu sehr von der Illusion getrieben<br />
ist, Geld sei ein Wert an<br />
sich. Weil wir ständig aufs Geld<br />
starren, sehen wir meist nur Finanzierungsprobleme.<br />
Dabei sollte<br />
die eigentliche Frage doch lauten:<br />
Wie machen wir es möglich, dass<br />
jeder seine ureigenen Fähigkeiten<br />
und Ideen in eine Wirtschaft einbringen<br />
kann, die so leistungsfähig<br />
ist, wie keine zuvor – und die<br />
doch unsinnigerweise allzu viele<br />
Menschen zurücklässt.<br />
Jeder Mensch hat das Recht bescheiden<br />
aber menschenwürdig zu<br />
leben. Dafür braucht er ein Einkommen.<br />
Dass Arbeit und Einkommen<br />
verkoppelt sind, funktioniert<br />
nicht mehr. Das Bedingungslose<br />
Grundeinkommen ist ein Auftrag<br />
der Gemeinschaft an den Einzelnen,<br />
sich mit seinen Talenten und<br />
Fähigkeiten einzubringen.<br />
Öffentlichkeitswirksame Aktion<br />
in der Schweiz für das Bedingungslose<br />
Grundeinkommen. Foto: Magali Girardin<br />
Zur Person<br />
Matthias Weik und<br />
Marc Friedrich<br />
Die beiden Ökonomen, Querdenker,<br />
Redner und Honorarberater<br />
Matthias Weik und Marc Friedrich<br />
schrieben 2012 gemeinsam<br />
den Bestseller „Der größte Raubzug<br />
der Geschichte – warum die<br />
Fleißigen immer ärmer und die<br />
Reichen immer reicher werden“.<br />
Es war das erfolgreichste Wirtschaftsbuch<br />
2013. Im Jahr 2014<br />
gelang ihnen mit „Der Crash ist<br />
die Lösung – Warum der finale<br />
Kollaps kommt und wie Sie Ihr<br />
Vermögen retten“ ein weiterer<br />
Bestseller. Das Buch wurde im<br />
Jahresranking ebenfalls zum<br />
erfolgreichsten seiner Gattung.<br />
2016 ist ihr dritter Bestseller<br />
„Kapitalfehler – Wie unser Wohl -<br />
stand vernichtet wird und warum<br />
wir ein neues Wirtschaftsdenken<br />
brauchen“ erschienen.<br />
Im April <strong>2017</strong> ist ihr viertes Buch<br />
„Sonst knallt‘s!: Warum wir Wirtschaft<br />
und Politik radikal neu<br />
denken müssen“, das sie gemeinsam<br />
mit Götz Werner (Gründer<br />
des Unternehmens dm-drogerie<br />
markt) geschrieben haben, erschienen.<br />
Das Buch schaffte es<br />
auf Anhieb auf Platz eins der<br />
„manager magazin“- und Handelsblattbestsellerliste.<br />
Matthias<br />
Weik und Marc Friedrich sind Initiatoren<br />
von Deutschlands ers -<br />
tem offenem Sachwertfonds dem<br />
FRIEDRICH&WEIK WERTEFONDS.<br />
pm<br />
www.friedrich-weik.de<br />
www.facebook.com/<br />
friedrichundweik<br />
www.twitter.com/<br />
FRIEDRICH_WEIK<br />
INTERVIEW<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 37
Region Nordschwarzwald<br />
Marc Friedrich: Wir würden 1000<br />
Euro vorschlagen. Damit würde die<br />
Existenzangst verschwinden, etliche<br />
Milliarden an Überbürokratisierung<br />
und Verwaltung wegfallen<br />
und wie in vielen Fehlversuchen<br />
schon bewiesen Innovation, Flexibilität<br />
und die Gesundung der<br />
Gesellschaft vorangetrieben werden.<br />
Matthias Weik: Am besten führen<br />
wir das BGE zuerst für die ein, die<br />
es am meisten benötigen: Kinder<br />
und ältere Menschen. Unserer Ansicht<br />
nach ist Kinderarmut grenzenlose<br />
Dummheit und Altersarmut<br />
grober Undank.<br />
In Zukunft erhält dann jeder Bürger<br />
ab Geburt ein BGE ohne Formulare<br />
und Bedingungen vom<br />
Staat als Existenzsicherung überwiesen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Nun kommt<br />
mein Einwand, der bei fast jeder<br />
Diskussion zu diesem Thema vorgebracht<br />
wird: Würden alle Bürgerinnen<br />
und Bürger mit einem<br />
Grundeinkommen ausgestattet,<br />
was sollte sie dann noch dazu<br />
bewegen zu arbeiten?<br />
Marc Friedrich: Es wird einen klei -<br />
nen Teil der Bevölkerung geben,<br />
vielleicht ein oder zwei Prozent,<br />
die das Grundeinkommen nehmen<br />
und das war’s. Leute, die für Nichts -<br />
tun Geld bekommen, gab es aber<br />
immer schon, den Adel im Mittelalter<br />
zum Beispiel. Faulpelze gibt<br />
es auch heute. Tatsächlich aber ist<br />
das gegenteilige Phänomen viel<br />
verbreiteter. Nämlich, dass Menschen<br />
ungeheure gesellschaftliche<br />
Leistungen erbringen, ohne dafür<br />
bezahlt zu werden – sie erziehen<br />
Kinder, pflegen Angehörige, arbei -<br />
ten in Vereinen und Bürgerinitiativen<br />
oder engagieren sich anderweitig<br />
ehrenamtlich. Das zeigt<br />
einesteils die Bereitschaft der<br />
Menschen zu sinnhafter, für das<br />
soziale Gefüge wertvoller Arbeit.<br />
Andernteils verringert ein bedingungsloses<br />
Grundeinkommen<br />
ungerechte Schieflagen. Zum Beispiel<br />
stünden Frauen, die ihr Leben<br />
lang hart für ihre Familie gearbeitet<br />
haben und deshalb keine<br />
eigenen Rentenansprüche erwerben<br />
konnten, mit einem Grundeinkommen<br />
viel besser da.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Nächster Einwand:<br />
Wer soll das denn alles<br />
bezahlen?<br />
Matthias Weik: Mit der Einführung<br />
des Grundeinkommens werden<br />
Hartz-IV, Kindergeld und fast<br />
alle anderen Sozialtransfers abgeschafft,<br />
ebenso wie Steuervergünstigungen<br />
und Freibeträge. Nur besonders<br />
bedürftige Personen, etwa<br />
Schwerbehinderte, werden neben<br />
dem Grundeinkommen auf weitere<br />
soziale Leistungen angewiesen<br />
sein.<br />
Marc Friedrich: Geld ist genügend<br />
vorhanden, und zwar durch die<br />
Abschaffung aller Steuern – bis<br />
auf eine – die Konsumsteuer – und<br />
den Wegfall der Bürokratie, Behörden<br />
und dem immensen Verwaltungsaufwand.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Sie plädieren<br />
dafür, nur noch eine Steuer zu<br />
erheben. In welcher Höhe könnte<br />
sich diese Konsumsteuer bewegen?<br />
Matthias Weik: Sie müsste sich<br />
in etwa an der Staatsquote orientieren,<br />
also am Anteil sämtlicher<br />
Staatsausgaben an der<br />
Wirtschafts leistung.<br />
Marc Friedrich: Die Quote liegt in<br />
Deutschland seit Jahren um die 45<br />
Prozent.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Einige Produk -<br />
te und Dienstleistungen könnten<br />
enorm teuer werden. Das relativiert<br />
doch den Wert des BGE<br />
deutlich nach …<br />
Götz W. Werner: Nein. Wir begründen<br />
im Buch ausführlich und<br />
plausibel, warum alle Steuern<br />
ohne Ausnahme in den Preisen<br />
von Waren und Dienstleistungen<br />
enthalten, also eingepreist sind.<br />
Gibt es nur noch eine Konsumsteuer,<br />
quasi eine Mehrwertsteuer<br />
2.0, dann wandern die Steuern auf<br />
Einkommen und Unternehmensgewinne,<br />
Substanzsteuern wie die<br />
Grundsteuer sowie sämtliche heutigen<br />
indirekten Steuern – schrittweise<br />
– aus den Preisen aus. Dafür<br />
kann die Konsumsteuer – schrittweise<br />
– ansteigen. Von eventuellen<br />
kurzfristigen Sondereffekten<br />
abgesehen, wäre das bezüglich<br />
der Preise alles neutral.<br />
Marc Friedrich: Wer etwas anderes<br />
behauptet – zum Beispiel<br />
dass die Unternehmen dann die<br />
Preise erhöhen, bis das BGE sich<br />
in Luft aufgelöst habe –, der muss<br />
letztlich bestreiten, dass es auf<br />
freien Märkten Preiswettbewerb<br />
gibt, was wohl die kühnste These<br />
von allen wäre.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Mal angenommen<br />
das BGE mit seiner Konsumsteuer<br />
würde in Deutschland<br />
eingeführt, was sollte mich davon<br />
abhalten, meine Einkäufe in<br />
einem der Nachbarländer zu tätigen,<br />
in denen dieselben Produkte<br />
nicht so hoch besteuert sind?<br />
Zur Person<br />
Götz W. Werner<br />
Hartz IV nennt er „offenen Straf -<br />
vollzug“, die Wirtschaftsordnung<br />
und die politische Landschaft<br />
sieht er aus dem Lot geraten –<br />
und seit mehr als zehn Jahren<br />
kämpft er für die Durchsetzung<br />
des Bedingungslosen Grundeinkommens<br />
(BGE) für jeden Bürger:<br />
Götz W. Werner (Jahrgang<br />
1944), Gründer der Drogeriemarkt-Kette<br />
dm und inzwischen<br />
Aufsichtsrat des Unternehmens<br />
mit europaweit 55.000 Beschäftigten,<br />
hat mehrere Bücher zum<br />
BGE veröffentlicht. Außerdem ist<br />
er seit Jahren auf Vortragsreisen<br />
zu diesem Thema. Die jüngste<br />
Publikation mit dem Titel „Sonst<br />
knallt‘s“ hat er gemeinsam mit den<br />
„jungen Wilden“ Matthias Weik<br />
und Marc Friedrich verfasst. gel<br />
38
Marc Friedrich: Das können Sie<br />
gerne machen, aber dann werden<br />
Zölle erhoben. Wenn Sie heute<br />
einen Laptop, Tablet und eine<br />
schicke Uhr aus den USA und<br />
obendrein ein paar Stangen aus<br />
dem duty free shop mitbringen,<br />
benötigen sie heute eine sehr<br />
gute Antwort beim Zoll für Ihre<br />
Schnäppchen aus dem Ausland.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Angesichts der<br />
jetzt schon unterschiedlichen<br />
Ansichten in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten<br />
– glauben Sie, dass<br />
es ein gemeinschaftliches EU-<br />
BGE geben wird?<br />
Marc Friedrich: In der momentanen<br />
Verfassung der EU glauben<br />
wir nicht einmal an ein langfristiges<br />
Bestehen der EU.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Dann blicken<br />
wir mal optimistisch und visionär<br />
in die Zukunft: Wie sähe<br />
nach Ihrem Modell die Gesellschaft<br />
aus, wäre das Grundeinkommen<br />
eingeführt?<br />
Marc Friedrich: Wesentlich gerechter.<br />
Und viele im Niedriglohnsektor<br />
operierende Unternehmen<br />
müssten sich umsehen. Bestimmt<br />
würden Krankenschwestern, Pfle -<br />
ger, Kindergärtner und Kindergärtnerinnen,<br />
Altenpflege-Personal<br />
wesentlich besser verdienen.<br />
Matthias Weik: Es ist an der Zeit<br />
umzudenken. Ohne zu murren bezahlen<br />
wir weit über 100 Euro pro<br />
Stunde für die Inspektion unseres<br />
Autos, aber einer Krankenschwester<br />
oder Kindergärtnerin gönnen<br />
wir lediglich einen Bruchteil dieses<br />
Betrags.<br />
Versuche mit dem Bedingungslosen<br />
Grundeinkommen<br />
In Finnland wurden 2000 arbeitslose<br />
Bürgerinnen und Bürger<br />
für das Experiment Grundeinkommen<br />
ausgewählt. Seit An -<br />
fang <strong>2017</strong> bekommen sie steuerfrei<br />
und ohne Bedingung 560<br />
Euro pro Monat, als Alternative<br />
zur Arbeitslosenhilfe und vorerst<br />
für die Dauer von zwei Jahren.<br />
Das BGE erhalten die Teilnehmer<br />
auch dann, wenn sie einen<br />
Arbeitsplatz finden. Finnlands<br />
Regierende wollen herausfinden,<br />
ob ein Grundeinkommen die<br />
Menschen zum selbstbestimmten<br />
Arbeiten beflügelt oder ob<br />
es sie zum Müßiggang verleitet.<br />
In Kenia sollen ab <strong>2017</strong> rund<br />
25.000 Menschen ein Bedingungsloses<br />
Grundeinkommen er -<br />
halten. Der Test ist in verschiedene<br />
Phasen unterteilt: So wird<br />
ein Teil der Bezieher das BGE<br />
über einen Zeitraum von zwölf<br />
Jahren erhalten. Andere werden<br />
zwei Jahre lang monatlich<br />
ausbezahlt und wieder andere<br />
bekommen eine Einmalzahlung.<br />
Eba-Gründer Pierre Omidyar<br />
unterstützt das Projekt mit umgerechnet<br />
etwa 500.000 Euro.<br />
Schleswig-Holstein will als erstes<br />
deutsches Bundesland das<br />
Bedingungslose Grundeinkommen<br />
testen. Das Vorhaben ist im Koalitionsvertrag<br />
der Jamaika-Regie -<br />
rung (Schwarz-Gelb-Grün) verankert.<br />
Dort steht, man wolle mit<br />
Experten über „die Umsetzbarkeit<br />
neuer Absicherungsmodelle“ diskutieren<br />
wie etwa „ein Bürgergeld“<br />
oder „ein Grundeinkommen“. Damit<br />
wolle man „zentrale Fragen der Arbeitswelt“<br />
klären.<br />
In der Schweiz ist 2016 eine Initiative<br />
zur Einführung eines Bedingungslosen<br />
Grundeinkommens<br />
von umgerechnet rund 2200 Euro<br />
monatlich gescheitert. Es war die<br />
weltweit erste Volksabstimmung<br />
zu diesem Thema. 78 Prozent der<br />
Wähler stimmten dagegen. Sowohl<br />
die Regierung wie auch verschiedene<br />
Parteien appellierten an die<br />
Schweizer Bürger, das Bedingungslose<br />
Grundeinkommen abzulehnen.<br />
Es sei zu teuer und würde die Wirtschaft<br />
benachteiligen. Für die Initiatoren<br />
der Abstimmung geht die<br />
Debatte weiter. Sie fühlen sich von<br />
den 22 Prozent Zustimmung beflügelt.<br />
gel<br />
INTERVIEW<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Bis wann<br />
könnte sich ein solches Modell<br />
realisieren lassen?<br />
Marc Friedrich: Ein solches Modell<br />
wird dann realisiert, wenn<br />
immer mehr Menschen aufgrund<br />
der Industrie 4.0 und der Digitalisierung<br />
ihre Arbeit verlieren und<br />
die Eliten aus Politik und Wirtschaft<br />
Angst bekommen, dass sich<br />
das Volk erhebt.<br />
Ein Vorschlag als Antwort auf den befürchteten Job-Abbau lautet: Jeder Bürger soll<br />
monatlich 1000 Euro erhalten – ohne Bedingung. Foto: Federico Gambarini<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 39
Den Wandel der Zeit erkennen<br />
D. Dörwang GmbH verlagert Produkt-Portfolio<br />
in Richtung IT und Software-Lösungen<br />
Bereits seit 1986 zählt die D. Dörwang<br />
GmbH zu den führenden<br />
Anbietern von digitalen Drucklösungen.<br />
Als ältester Xerox-Vertragspartner<br />
in Deutschland bietet<br />
das Unternehmen Produkte und<br />
Lösungen im Bereich Bürokommunikation<br />
und Dokumentenmanagement.<br />
Am Firmensitz in Neuhausen<br />
bei Pforzheim betreut die D.<br />
Dörwang GmbH kompetent Kunden<br />
aus dem Großraum Stuttgart,<br />
Karlsruhe und Freudenstadt.<br />
Dabei reichen die Leistungen von<br />
kompakten Systemen bis hin zu<br />
komplexen Netzwerklösungen für<br />
höchste Ansprüche.<br />
Seit dem Generationenwechsel<br />
2014 hat sich das Portfolio weiter<br />
in Richtung IT- und Software-Lösungen<br />
verlagert. Fokus liegt auf<br />
dem Ausbau des Dienstleistungsangebotes<br />
im Bereich IT Services und<br />
Dokumenten-Management. Ziel ist<br />
die Steigerung der Betriebseffizienz<br />
und die Optimierung der Arbeitsproduktivität.<br />
Dabei stehen Regionalität<br />
und Kundennähe auch weiterhin<br />
im Vordergrund.<br />
Hinter dem langjährigen Erfolg<br />
der D. Dörwang GmbH steckt eine<br />
ganz besondere Firmenphilosophie.<br />
„Erfolgsorientiert handeln bedeutet<br />
den Wandel der Zeit zu erkennen,<br />
gleichzeitig aber auch der Tradition<br />
treu zu sein. Durch permanente<br />
Weiterentwicklung unserer Produkte<br />
garantieren wir höchste Qualitätsstandards<br />
und die Zufriedenheit<br />
unserer Kunden.<br />
Gleichzeitig stehen das faire Miteinander<br />
und die hohe Wertschätzung<br />
unserer Mitarbeiter an erster<br />
Stelle“, so die Geschäftsführer<br />
Robert und Michael Dörwang.<br />
D.Dörwang GmbH<br />
Aschengasse 24<br />
D-75242 Neuhausen<br />
Tel. +19 7234 9528-0<br />
Fax +19 7234 9528-50<br />
info@doerwang.de<br />
www.doerwang.de<br />
PORTRÄT<br />
40
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 41
Region Schwarzwald<br />
Den Schwarzwald<br />
modern interpretieren<br />
Motive wie dieses Foto von Sebastian Wehrle<br />
sprechen auch junge Zielgruppen an<br />
42
Mit der Datenbrille<br />
ins Reiseziel eintauchen<br />
Tourismus gilt als wichtiger Standortfaktor<br />
für den Schwarzwald, von dem auch die<br />
Unternehmen in der Region profitieren –<br />
Digitalisierung als große Herausforderung<br />
Von Gerd Lache<br />
Auf der einen Seite sind es die Hersteller<br />
von Brillen, Badarmaturen,<br />
Mineralwasser oder Gin – teilweise<br />
mit langer Tradition – die das Label<br />
Schwarzwald international positiv<br />
besetzt halten. Andererseits sind es<br />
junge Künstler wie Stefan Strumbel,<br />
Selina Haas, Jochen Scherzinger<br />
(Artwood Black Forest) oder der<br />
Fotograf Sebastian Wehrle, die<br />
zu einem neuen frischen Bild des<br />
Schwarzwalds beitragen. Rund 150<br />
Unternehmer und Tourismusexperten<br />
aus der Region Nordschwarzwald<br />
kommen alljährlich beim<br />
Tourismuskongress zusammen und<br />
diskutieren über die Zukunft der<br />
Urlaubsdestination Schwarzwald,<br />
über ihre Vermarktung, Darstellung<br />
und Weiterentwicklung.<br />
Organisatorin dieses Events ist die<br />
Tourismus-Expertin Elke Schönborn<br />
von der Industrie- und Handelskammer<br />
(IHK) Nordschwarzwald.<br />
Unter den Kammern in<br />
Baden-Württemberg hat die IHK<br />
Nordschwarzwald die Federführung<br />
des Themas Tourismus. Der<br />
Titel des diesjährigen Kongresses in<br />
Schramberg lautet „Tradition trifft<br />
Innovation“. 2016 wurde damit begonnen,<br />
das Experten-Treffen als<br />
Fünfakter zu inszenieren, zum Start<br />
mit dem Thema „Wein, Wald und<br />
Gesang“. Mit diesen fünf jährlich<br />
aufeinander folgenden Veranstaltungen<br />
soll aufgezeigt werden, wie<br />
die unterschiedlichen Branchen mit<br />
dem Tourismus zusammenkommen<br />
können. Dabei gehe es auch<br />
um die Wahrnehmung des Tourismus<br />
als Leitökonomie, betont Elke<br />
Schönborn. 2018 soll der Tourismus<br />
mit den Medien, der Wissenschaft<br />
und der Forschung zusammengebracht<br />
werden. Weitere bevorstehende<br />
Themen sind die Freizeitund<br />
Dienstleistungsbranche sowie<br />
der Handel. „Wir haben also noch<br />
viel vor“, sagt die Organisatorin.<br />
Im Interview mit <strong>WirtschaftsKRAFT</strong><br />
spricht sie über aktuelle Herausforderungen<br />
der Branche.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Frau Schönborn,<br />
der Schwarzwald-Tourismus -<br />
kongress <strong>2017</strong> trägt die Dachzeile<br />
„Wir sind Schwarzwald“. Das klingt<br />
nach ‚Wir sind Weltmeister‘. Was<br />
ist tatsächlich gemeint?<br />
Elke Schönborn: ‚Wir sind Weltmeister‘<br />
– realistisch betrachtet<br />
stimmt das natürlich nicht. Aber<br />
richtig ist: Die Marke Schwarzwald<br />
als Ganzes ist weltbekannt.<br />
Wir sind nicht Nord-, Süd- oder<br />
Hochschwarzwald, sondern der<br />
Schwarzwald – ein Gebiet, das<br />
sich von Pforzheim bis nach<br />
Freiburg und von Nagold bis nach<br />
Karlsruhe erstreckt. Deshalb haben<br />
Elke Schönborn organisiert den jährlich stattfindenden Schwarzwald-Tourismuskongress.<br />
Foto: Doris Löffler<br />
TOURISMUS<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 43
Region Schwarzwald<br />
die fünf Industrie- und Handelskammern<br />
im Schwarzwald sowie<br />
die Schwarzwald Tourismus GmbH<br />
vor einigen Jahren die Kampagne<br />
„Wir sind Schwarzwald!“ ins Leben<br />
gerufen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Was soll mit<br />
der Kampagne erreicht werden?<br />
Elke Schönborn: Es zeigt, wie unterschiedliche<br />
Branchen, Unternehmen<br />
und der Tourismus von der<br />
imageträchtigen Marke und den<br />
Synergien profitieren können. Ziel<br />
ist, regionaltypische Akteure mit<br />
einem gewissen Stolz unter einem<br />
modernen Schwarzwaldbild zu vereinen<br />
und so Synergieeffekte zu<br />
schaffen. Denn Tourismus ist immer<br />
auch ein wesentlicher Standortfaktor<br />
in einer Region.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Im zweiten<br />
Akt des Tourismuskongresses die -<br />
ses Jahr geht es um Industrie<br />
und Tourismus. Wie passen diese<br />
scheinbaren Gegensätze zusammen?<br />
Elke Schönborn: Es gab vor vielen<br />
Jahren eine internationale Studie,<br />
die belegte, dass erfolgreiche Tourismusdestinationen<br />
auch immer<br />
erfolgreiche Wirtschaftsregionen<br />
sind. Nun haben wir gerade im<br />
Nordschwarzwald auch viel Industrie<br />
und sogar Weltmarktführer und<br />
Hidden Champions in vielen technischen<br />
Bereichen. Doch ebenso<br />
ist es eine Region, die Tagesgäste<br />
aus den Ballungszentren Stuttgart<br />
oder Karlsruhe anzieht. Einfach eine<br />
Stunde fahren und raus in den Naturpark<br />
oder Nationalpark Schwarzwald.<br />
Hinzu kommen noch die<br />
Übernachtungsgäste. Denn durch<br />
die gute Infrastruktur an hervorragenden<br />
Hotels zieht die Region<br />
viele Gäste aus dem In- und Ausland<br />
an. Diese wiederum sind die<br />
Kunden unserer international agierenden<br />
Unternehmen, die ihrerseits<br />
den Black Forest kennen und ein<br />
positives Bild damit verbinden.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Kommt es<br />
also einer Symbiose gleich?<br />
Elke Schönborn: Als IHK betrachten<br />
wir immer alle Branchen in einer<br />
Region, nicht nur singulär die<br />
Hotellerie oder den Tourismus. So<br />
nehmen wir bereits seit einigen<br />
Jahren wahr, wie Industrie- und<br />
Dienstleistungsunternehmen bei der<br />
Gewinnung von Fachkräften auch<br />
auf die Stärken der Region setzen:<br />
bezahlbarer Wohnraum, Sicherheit,<br />
tolle Freizeiteinrichtungen – insbesondere<br />
für Familien –, intakte Natur<br />
und gute Gastronomie. Schlussendlich<br />
nutzt diese Infrastruktur<br />
allen, den Gästen und den Bewohnern<br />
einer Region nebst den hier<br />
ansässigen Unternehmen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Und wie ist<br />
das Verhältnis beim Hype-Thema<br />
Digitalisierung?<br />
Digitale Revolution im Reisebüro: Der Kunde kann den ausgewählten Urlaubsort<br />
via Datenbrille virtuell besuchen. Foto: Thomas Cook<br />
Elke Schönborn: Die Breitbandversorgung<br />
und Mobilfunknetzabdeckung<br />
ist heute eine Grundvoraussetzung.<br />
Da müssen wir dran<br />
bleiben, denn diese Technologie<br />
in guter Verfügbarkeit nutzt allen<br />
Zielgruppen. Die Industrie ist bei<br />
den Themen Prozessoptimierung<br />
und Digitalisierung schon weiter<br />
vorangeschritten. Gerade in der Hotellerie<br />
und Gastronomie wird sich<br />
in den kommenden Jahren einiges<br />
verändern, weil es an qualifiziertem<br />
Personal mangelt. Noch immer ist<br />
der Tourismus eine Dienstleistungsbranche,<br />
die von Menschen auf der<br />
emotionalen Ebene bestimmt wird.<br />
Doch im Hintergrund müssen auch<br />
aufgrund des hohen Bürokratieaufwands<br />
digitale und systematisierte<br />
Prozesse ablaufen, die diesen reduzieren.<br />
Das können wir von der<br />
Industrie lernen.<br />
Allerdings kenne ich auch Hotels,<br />
die tief in den Tälern liegen und<br />
aus der Not eine Tugend machen.<br />
Hier werden Gäste dazu angehalten,<br />
einfach mal ‚Digital Detox‘ im<br />
Urlaub zu machen, um vollkommen<br />
zu entschleunigen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Andererseits<br />
gibt es ein Future-Hotel, das vom<br />
Einchecken bis hin zum Frühstück<br />
ohne Personal aus Fleisch und Blut<br />
auskommt, alles läuft digital und<br />
maschinell ab. Wieviel Roboterund<br />
Algorithmen-Einsatz kann der<br />
Tourismus seinen Gästen zumuten?<br />
Elke Schönborn: Der Tourismus ist<br />
eine sehr emotionale Branche, vor<br />
allem im Ferientourismus bei uns<br />
im Schwarzwald. Da braucht es die<br />
persönliche Betreuung für den Gast.<br />
Ich sehe eher, dass die Prozesse, die<br />
im Hintergrund ablaufen, optimiert<br />
und digitalisiert werden müssen.<br />
Im gleichen Zug muss aber so<br />
manches Bürokratie-Monster verschlankt<br />
werden, da den Unternehmen<br />
oftmals die aktuellen rechtlichen<br />
Reglungen im Wege stehen.<br />
So bleibt dann auch mehr Zeit<br />
für den Gast. Ein junger Hotelier<br />
in Freudenstadt plant gerade ein<br />
modernes Hotel, das genau diesen<br />
Spagat zwischen Digitalisierung<br />
und Prozessoptimierung auf der<br />
einen Seite und Emotionalität und<br />
Wohlfühlen auf der anderen Seite<br />
vereinen wird.<br />
44
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Wie intensiv<br />
ist der Tourismus schon in die digitale<br />
Materie eingestiegen?<br />
Elke Schönborn: Bei der vergangenen<br />
Internationalen Tourismusbörse<br />
in Berlin begrüßte ein Roboter<br />
die Gäste an einem der Messestände.<br />
Auch wir von der IHK hatten<br />
zusammen mit Fraunhofer einige<br />
Veranstaltungen zum Thema Digitalisierung.<br />
In Berlin gibt es ein<br />
DER-Reisebüro, in dem der Kunde<br />
mit einer Datenbrille in sein Reiseziel<br />
eintauchen kann. Auch bei der<br />
Buchung und am Urlaubsort selbst<br />
ist der Gast auf der digitalen Customer<br />
Journey unterwegs. Es wird<br />
immer mehr im Internet und auf<br />
mobilen Geräten gebucht, Bewertungen<br />
von anderen eingeholt und<br />
Geheimtipps gesucht. Google und<br />
Airbnb sind zwar in der Hotellerie<br />
häufig umstritten, dennoch passiert<br />
dort genau das, was das Rundumpaket<br />
für den Gast ausmacht:<br />
Erlebnisse werden mit der eigentlichen<br />
Übernachtung gepaart. Der<br />
potenzielle Gast wird in seiner<br />
Sprache, mit seinen persönlichen<br />
emotionalen Bildwelten abgeholt.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Welche Rolle<br />
spielen dabei die Sozialen Medien?<br />
Elke Schönborn: Netzwerke wie<br />
Facebook oder Instagram sind ein<br />
gutes Instrument, vor allem zur<br />
Kundenbindung. Hier werden Gäste<br />
zu Fans gemacht. Ich denke, dass<br />
kein Hotel, Restaurant oder auch<br />
Einzelhandelsgeschäft mehr ohne<br />
Social-Media-Kanäle auskommt.<br />
Diese müssen dann auch professionell<br />
bespielt werden. Dennoch: Bei<br />
der eigentlichen Reise will der Gast<br />
die schönsten Wochen des Jahres<br />
oder ein entspanntes Wellnesswochenende<br />
selbst erleben. Aber<br />
das postet er dann bei Facebook für<br />
seine Freunde.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Handel, Hand -<br />
werk, Dienstleistung und Industrie,<br />
welche Bedeutung haben sie<br />
als Unterstützer und Förderer des<br />
Tourismus?<br />
Elke Schönborn: Bei der Schwarzwald<br />
Tourismus GmbH beispielsweise<br />
gibt es seit einigen Jahren<br />
für Unternehmen die Möglichkeit,<br />
sogenannter Wirtschaftspartner zu<br />
werden. Aus unserer Region sind<br />
dies die Firmen ‚Schinken Wein‘<br />
und ‚Schupp‘, beide aus Freudenstadt.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Und was leis -<br />
ten diese Wirtschaftspartner?<br />
Elke Schönborn: Sie unterstützen<br />
mit einem Partnerbeitrag oder auch<br />
einer Messebeteiligungen aktiv die<br />
Tourismuswirtschaft. Alle anderen<br />
Unternehmen werden durch die<br />
Industrie- und Handelskammern<br />
vertreten, die ebenfalls Partner des<br />
Schwarzwalds sind. Doch auch andere<br />
Unternehmen kommunizieren<br />
Die Tourismus-Expertin der Industrieund<br />
Handelskammer Nordschwarzwald:<br />
Elke Schönborn.<br />
Foto: AE PIC Photography<br />
Zur Person<br />
Elke Schönborn ist ausgebildete<br />
Hotelfachfrau mit mehrjähriger<br />
Erfahrung in 3- und 4-<br />
Sterne-Businesshotels. Ihren<br />
Abschluss als Diplom-Betriebswirtin<br />
erwarb sie an der<br />
Hochschule Heilbronn im Studiengang<br />
Tourismusbetriebswirtschaft<br />
mit der Spezialisierung<br />
auf Incoming-Tourismus<br />
und Marketing. Drei Jahre<br />
lang war sie stellvertretende<br />
Kurdirektorin in Bad Urach/<br />
Schwäbische Alb. Seit 2003 ist<br />
sie bei der IHK Nordschwarzwald<br />
als Leiterin der Tourismus<br />
Akademie Baden-Württemberg<br />
tätig, zuständig für die Betreuung<br />
der Unternehmen in der<br />
Tourismusbranche in der gesamten<br />
Region, die Weiterbildung<br />
im Tourismus sowie die<br />
Federführung Tourismus für<br />
die Kammern in Baden-Württemberg.<br />
Nebenberuflich lehrt Elke Schönborn<br />
als Dozentin an der Karlshochschule<br />
in Karlsruhe. In der<br />
Vergangenheit war sie auch Dozentin<br />
an der HFWU in Geislingen<br />
und an der ASCENSO Academie<br />
in Palma de Mallorca.<br />
pm<br />
TOURISMUS<br />
Der Freiburger Künstler Klaus Karlitzky beschäftigt sich mit seinen Cartoons<br />
auf amüsant-hintergründige Weise mit dem Schwarzwald. Foto: Doris Löffler<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 45
Region Schwarzwald<br />
Klaus Karlitzky hat für<br />
viele seiner Cartoons<br />
internationale Preise erhalten<br />
offen das Label Schwarzwald. So<br />
wirbt zum Beispiel Börlind mit dem<br />
Slogan ‚Made in Black Forest‘. Darüber<br />
hinaus gibt es auch seitens des<br />
Naturparks und des Nationalparks<br />
die Möglichkeit der Partnerschaft.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Kommen wir<br />
zu einem weiteren Themenfeld des<br />
Kongresses: Tradition trifft Innovation.<br />
Braucht es traditionelle<br />
Bollenhut-Romantik oder innovative<br />
Darstellungen wie Kuckucksuhren<br />
in flippig-bunten Farben<br />
und topgestylte Schwarzwaldmädels<br />
– was zieht mehr bei der Vermarktung<br />
im In- und Ausland?<br />
Elke Schönborn: Die Künstler, die<br />
zum Beispiel im Projekt KOSMOS<br />
Schwarzwald zusammen arbeiten,<br />
haben alle ein Ziel: Den Schwarzwald<br />
modern zu interpretieren. Darauf<br />
setzen wir ebenfalls seit einigen<br />
Jahren. Es geht im Marketing<br />
darum, mit entsprechenden Symbolen<br />
eine junge Zielgruppe anzusprechen.<br />
Dazu müssen auch die<br />
Produkte stimmen: Mountainbike-<br />
Trails, Hotels und Restaurants im<br />
modernen Design und trotzdem<br />
schwarzwaldtypisch mit viel Holz.<br />
Das geht. Andere Regionen wie Vor -<br />
arlberg machen es vor. Zu unserem<br />
Kongress haben wir deshalb Magister<br />
Andreas Reiter vom Zukunftsbüro<br />
in Wien eingeladen. Er spricht<br />
darüber, wie Landschaft, tra ditio -<br />
nelle Industriezweige und Traditionen<br />
eine Region über Jahre prägen<br />
und sich mit der Region verändern.<br />
Ich finde seinen Satz ‚Zukunft<br />
braucht Herkunft‘ sehr passend. Ins -<br />
besondere neu zugezogene Firmenmitarbeiter<br />
und Touristen wollen<br />
die Stories und die Historie wissen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Ihr Ausblick,<br />
was wird die nächste Herausforderung<br />
für die Tourismuswirtschaft<br />
sein?<br />
Spagat zwischen<br />
Tradition und Moderne<br />
Unter dem Titel „Facing Tradition“<br />
läuft noch bis einschließlich 4.<br />
November <strong>2017</strong> eine Fotoausstellung<br />
mit Werken von Sebastian<br />
Wehrle. Der Schwarzwälder Fotograf<br />
setzt traditionelle Trachten<br />
in Szene. Mit der Kunstreihe „Facing<br />
Tradition“ schafft Sebastian<br />
Wehrle den Spagat zwischen Tradition<br />
und Moderne. Sie beinhaltet<br />
derzeit rund 20 Portraits junger<br />
moderner Damen in verschiedenen<br />
Trachten des Schwarzwalds<br />
und seiner Nachbarn. Das Projekt<br />
begann 2014 und wurde dazwischen<br />
mit Partnern präsentiert.<br />
Seit 2016 führt Sebastian Wehrle<br />
das Projekt alleine weiter.<br />
Zu sehen sind die Bilder in Pforzheim<br />
in den Vitrinen an der Östlichen<br />
9, obere Ebene, und in den<br />
Schaufenstern der Galeria Kaufhof,<br />
Westliche 17-19.<br />
Der Eintritt für diese Ausstellung<br />
im Rahmen des Jubiläums 250<br />
Jahre Goldstadt ist frei. gel<br />
Bilder wie dieses Motiv mit „Backenkappe“<br />
stellt der Schwarzwälder Fotograf<br />
Sebastian Wehrle in Pforzheim aus<br />
46
Elke Schönborn: Die aktuellen Herausforderungen<br />
werden uns noch<br />
ein paar Jahre beschäftigen. Ich<br />
sehe vor allem, dass sich der Gast<br />
verändert – er will immer individueller<br />
unterwegs sein. Zu diesem<br />
Trend passt, dass die Zulassungszahlen<br />
von Wohnmobilen seit Jahren<br />
stark steigen. Ebenso boomt der<br />
Städtetourismus, was bereits Unmut<br />
bei den Bewohnern hervorruft.<br />
Sicherlich müssen in den nächsten<br />
Jahren Angebote entsprechend ge -<br />
staltet werden. Die Besucher lenkung<br />
und die Frage der Kapazitäten<br />
spielen dabei eine wichtige Rolle.<br />
TOURISMUS<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Und wie<br />
schlägt sich der Terrorismus in der<br />
Branche nieder?<br />
Elke Schönborn: Auch das Thema<br />
Sicherheit wird uns weiter beschäftigen.<br />
Wir sehen, wie schnell sich<br />
Touristenströme aus einzelnen Nationen<br />
von Problemen oder Terror<br />
verunsichern lassen. Von dieser<br />
Entwicklung und dem gestiegenen<br />
Sicherheitsbedürfnis profitiert in<br />
diesem Jahr der Schwarzwald.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Konnten sich<br />
die Betriebe im Schwarzwald also<br />
beruhigt zurücklehnen?<br />
Elke Schönborn: Keinesfalls. Das<br />
Thema Angebotspolitik hat immer<br />
mit Qualität zu tun. Viele Unternehmen,<br />
ob Hotels oder in der<br />
Gastronomie, haben in den letzten<br />
Jahren investiert. Das ist für unsere<br />
Region, auch im Hinblick auf<br />
die Wertschöpfung, Gold wert. Erfreulich<br />
ist, dass wieder mehr junge<br />
Leute in der Freizeit- und Outdoor-<br />
Branche sowie in der Gastronomie<br />
und Hotellerie den Schritt in<br />
die Selbstständigkeit wagen – und<br />
dies mit innovativen Ideen und viel<br />
Herzblut. Auch das wird den Markt<br />
bereichern und das Angebot langfristig<br />
verändern.<br />
Die vielfältige Wirkung des Tourismus als Wirtschaftsfaktor zeigt diese Grafik<br />
der dwif-Consulting GmbH in einer Studie für Baden-Württemberg<br />
Umsatz-Generator und Job-Maschine<br />
Der Tourismus gilt als klassische<br />
Querschnittsbranche.<br />
Ob Gastgewerbe, Einzelhandel,<br />
Dienstleister oder Zulieferer<br />
wie regionale Produzenten und<br />
Handwerksbetriebe, „es gibt<br />
kaum einen Wirtschaftsbereich,<br />
der nicht vom Tourismus<br />
profitiert“, stellen Dr. Manfred<br />
Zeiner und Dr. Bernhard Harrer<br />
fest. Sie sind Projektbearbeiter<br />
einer Studie der dwif-Consulting<br />
GmbH, Büro München,<br />
zum Wirtschaftsfaktor Tourismus<br />
in Baden-Württemberg.<br />
Investitionen von Kommunen<br />
und Unternehmen in die tourismusbezogene<br />
Infrastruktur,<br />
in konkrete Produkte und die<br />
touristische Vermarktung lohnen<br />
sich den Autoren zufolge<br />
angesichts der Bedeutung dieser<br />
Branche. Der Tourismus sei<br />
Umsatzbringer und leiste über<br />
Steuereinnahmen einen Beitrag<br />
zur Finanzierung der öffentlichen<br />
Haushalte. Die Tages- und<br />
Übernachtungsgäste in Baden-<br />
Württemberg mit insgesamt<br />
530 Millionen Aufenthaltstagen<br />
geben demnach jedes Jahr<br />
rund 20 Milliarden Euro im Land<br />
aus. Davon fließen gut 7 Milliarden<br />
Euro in Einkäufe. Die durchschnittliche<br />
Tagesausgabe über<br />
alle Zielgruppen hinweg wird mit<br />
38,30 Euro pro Kopf berechnet.<br />
Des Weiteren biete der Tourismus<br />
als Job-Motor zahlreichen Menschen<br />
vieler unterschiedlicher Berufsqualifikationen<br />
und Beschäftigungsverhältnisse<br />
(von der Saisonkraft<br />
bis zur Vollzeitstelle) Ein -<br />
kommensmöglichkeiten. „Er schafft<br />
und sichert ortsgebundene Arbeitsplätze.“<br />
Über Instrumente wie<br />
die Kurtaxe oder die Fremdenverkehrsabgabe<br />
trägt er der Studie<br />
zufolge zudem direkt zur Verbesserung<br />
der lokalen Infrastruktur<br />
bei. Hiervon würden Gäste ebenso<br />
wie Einheimische und Unternehmen<br />
vor Ort profitieren.<br />
Die Autoren kommen zu dem Ergebnis:<br />
„Das Tourismus-Engagement<br />
eines Ortes zahlt sich aus –<br />
in Euro und Cent für alle Branchen.<br />
Gleichzeitig steigert es die<br />
Attraktivität und Lebensqualität<br />
für alle Einwohner und Gäste.“<br />
gel<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 47
Thema: WFG<br />
20 Jahre alt und kein bisschen leise!<br />
Regionen werden immer wichtiger als Partner<br />
für das Land, den Bund und die Europäische Union<br />
Die Wirtschaftsförderung (WFG) berät Unternehmen und Unternehmer, repräsentiert die Region, organisiert<br />
regionale und überregionale Events, informiert Land und Leute, wickelt ebenso erfolgreich wie effektiv Projekte<br />
ab – und das alles stets mit einem regionalen Mehrwert im Fokus. Das Profil der Gesellschaft mit Geschäftsführer<br />
Jochen Protzer an der Spitze und einem hoch motivierten wie kompetenten Team im Rücken ist klar: Die WFG ist<br />
Partner und Dienstleister der regionalen Wirtschaft.<br />
<strong>2017</strong> = 16+3<br />
Die Basis wird immer breiter: Das<br />
Technologiezentrum Horb a.N.<br />
GmbH&Co.KG (TZH), die Hochschule<br />
Pforzheim und die Stadt<br />
Knittlingen sind neue Gesellschafter<br />
der WFG. Das Ja der Gesellschafterversammlung<br />
zur Aufnahme<br />
der drei neuen Gesellschafter<br />
ist dabei richtungsweisend: Mit<br />
der Hochschule und dem TZH erweitert<br />
die WFG ihre Expertise in<br />
den Bereichen Wissenschaft sowie<br />
der unternehmensnahen Forschung<br />
und Entwicklung. Ziel ist es, den<br />
Ausbau der Wirtschaftsförderung<br />
als eine starke regionale Solidargemeinschaft<br />
weiterzutreiben.<br />
FRISCHER WIND<br />
Die WFG wird frischer und effizienter.<br />
Um die Basis für ein noch<br />
schlagkräftigeres Konstrukt zu<br />
schaffen, wurde der Gesellschaftervertrag<br />
angepasst. Die WFG fit zu<br />
machen für die Aufnahme weiterer<br />
Gesellschafter, ist das Ziel.<br />
Und ach ja, als sichtbares Zeichen<br />
wurde der Begriff „Zukunftsregion“<br />
gestrichen. Dass die Region eine<br />
glänzende Zukunft vor sich hat, hat<br />
sich inzwischen herumgesprochen.<br />
SPIELWIESE<br />
Ein Spiel ohne (Kreis)Grenzen ist<br />
der Junior Manager Contest. Das<br />
spannende, von den Landkreisen<br />
ausgelobte Unternehmensplanspiel<br />
für clevere Schüler ab Klasse 10<br />
und Azubis bis 20 Jahre aus der Region<br />
Nordschwarzwald wird federführend<br />
von der WFG organisiert.<br />
Als Young-Manager-Casting soll<br />
die wirtschaftsaffine Ausscheidung<br />
nicht nur den Nachwuchs sondern<br />
auch die regionalen Unternehmen<br />
in den Fokus rücken. Die Vorentscheidungen<br />
finden jeweils in den<br />
drei Landkreisen statt, die Endausscheidung<br />
am 25. November in<br />
Nagold.<br />
PUBLIKUMSWIRKSAM<br />
Die WFG platzierte mit dem WirtschaftsDIALOG<br />
und Kommunal<br />
FORUM in den vergangenen Mona <br />
ten zwei hochkarätige Veranstaltungsformate<br />
in der Region. Der<br />
Name ist jeweils Programm und um <br />
reißt die Zielgruppe: Während beim<br />
KommunalFORUM tendenziell solche<br />
Themen platziert wurden, die<br />
den kommunalen Vertretern in der<br />
Region unter den Nägeln brennen,<br />
fokussiert der WirtschaftsDIALOG<br />
auf Themenbereiche an der Schnittstelle<br />
zwischen der Region und den<br />
Unternehmen. Beide Veranstaltungs <br />
formate kommen gut an und sind<br />
Startrampen für Ideen und Projekte<br />
aus der Region für die Region.<br />
HOLZWEGE<br />
RegioHOLZ kommt an: Forschungsaffine<br />
Projekte im Bereich<br />
innovative holzbasierte Werkstoffe<br />
gewinnen langsam an Fahrt. Eine<br />
der Hauptaufgaben von RegioHOLZ<br />
wird es zukünftig sein, die Akteure<br />
Bilderleiste oben von links: Die WFG zeigt Präsenz: Das INTERKOM in Simmersfeld; Hannover Messe <strong>2017</strong>;<br />
Clemens Vohrer und der Pancake-Drucker auf der Moulding Expo in Stuttgart. Fotos: WFG<br />
48
WFG-KOMPAKT<br />
innerhalb der Branche themen <br />
orientiert zu vernetzen und Transparenz<br />
über Aktivitäten zu schaffen.<br />
FORESDA ist quasi RegioHOLZ<br />
auf internationaler Ebene. Beide<br />
Projekte ergänzen sich hervorragend<br />
und bilden Synergieeffekte.<br />
FORESDA, gefördert von der Europäischen<br />
Union, schafft Kontakte<br />
vom Schwarzwald bis zum Schwarzen<br />
Meer – und zwar innerhalb der<br />
Forst-, Holz- und Möbelbranche.<br />
Das Projekt überwindet Grenzen,<br />
und das in jeder Hinsicht: Technologietransfer,<br />
Forschung & Entwicklung,<br />
nachhaltige Werkstoffe oder<br />
neue Produktideen und Fachkräfteaustausch<br />
sind die Kernthemen.<br />
REGIONAL-DIGITAL<br />
Aus der Not eine Tugend machen,<br />
das ist eine Kunst, und diese gelingt<br />
vielleicht in Kürze im Nordschwarzwald.<br />
„Digital Hubs“ heißt<br />
das Zauberwort. Die Idee des Landes<br />
Baden-Württemberg, die in Form<br />
eines Fördermittelaufrufs hinter<br />
diesem Schlagwort steckt, hat<br />
Charme: Im Flächenland Baden-<br />
Württemberg sollen regionale Digital<br />
Hubs mit spezifischen Kon <br />
zepten aus der digitalen Welt entstehen.<br />
Entwickelt werden sollen<br />
auch innovative Transferprojekte<br />
im Themenfeld „Digitalisierung der<br />
Wirtschaft“. Von den Ergebnissen<br />
sollen direkt Klein- und mittelständische<br />
Unternehmen in ländlichen<br />
Räumen profitieren. Erste Projektüberlegungen<br />
aus der Region hierzu<br />
gibt es bereits und diese sollen, abgestimmt<br />
mit allen Akteuren, letzt <br />
endlich in einem erfolgversprechenden<br />
gesamtregionalen Fördermittelantrag<br />
münden.<br />
BILDUNG FÜR ALLE<br />
Das Projekt „Bildung für Alle Nord <br />
schwarzwald“ hat mächtig eingeschlagen<br />
in der Goldstadt Pforzheim<br />
und der Region. Die Anzahl<br />
der betreuten Frauen und Männer<br />
mit Migrationshintergrund ist<br />
hoch, die Vermittlungsquote in Arbeitsverhältnisse<br />
ebenfalls. Was in<br />
Pforzheim funktioniert kommt jetzt<br />
auch im Landkreis Calw hervorragend<br />
an. Das neue BfAN-Gesicht<br />
bei der WFG und mit Arbeitsschwerpunkt<br />
rund um die Hessestadt<br />
ist die in Frankreich geborene<br />
Syrerin Zeina Elcheikh. Neben<br />
Arabisch und Deutsch spricht sie<br />
fließend Englisch und Französisch.<br />
Zeina Elcheikh sieht sich in erster<br />
Linie als Kulturdolmetscherin – und<br />
das mit großem Erfolg.<br />
BOTSCHAFT SUCHT<br />
BOTSCHAFTER<br />
Für was steht eigentlich der Nordschwarzwald,<br />
welche Inhalte und<br />
Botschaften sind authentisch und<br />
werbewirksam? Diese Frage bewegt<br />
alle Akteure in der Region. Mit<br />
einem sogenannten Pitch, einem<br />
Wettbewerb kreativschaffender Unternehmen<br />
um den Zuschlag für die<br />
Konzeption einer gesamtregional<br />
funktionierenden Marketing-Kampagne,<br />
geht die WFG neue Wege.<br />
Die Marschrichtung ist klar: Aufmerksamkeit<br />
erregen ist das Ziel,<br />
um primär Investoren und Fachkräfte<br />
in den Nordschwarzwald zu<br />
locken.<br />
SCHULTERSCHLÜSSE<br />
Es wächst zusammen was zusammen<br />
gehört: Bei den Themen Residenzbahn<br />
oder dem Polizeipräsidium<br />
Nordschwarzwald profitiert die<br />
Region massiv vom Schulterschluss<br />
aller Akteure. Weitere regionale Ko <br />
operationsprojekte stehen an: Die<br />
WFG plant gemeinsame Publikationen<br />
mit dem Regionalverband<br />
Nordschwarzwald.<br />
WIRTSCHAFTSPOLITIK 4.0<br />
Die Region Nordschwarzwald profitiert<br />
von der strukturellen Förderung<br />
des Landes Baden-Württemberg.<br />
Die Kardinalfrage in Stuttgart<br />
wie Pforzheim ist jedoch, wie diese<br />
in Zukunft ausgerichtet sein wird,<br />
um eine maximale Wirkung zu entfalten.<br />
Die an ökonomischen Prozessen<br />
in der Region beteiligten<br />
Intermediäre diskutierten diesen<br />
Themenkomplex mit Vertretern des<br />
Wirtschaftsministeriums. Fazit: Die<br />
regionale Netzwerkarbeit muss unbedingt<br />
gestärkt und die vielfältigen<br />
Aktivitäten müssen besser<br />
koordiniert werden.<br />
PRÜFSTAND<br />
Die Arbeit der WFG ist an vielen<br />
Stellen sichtbar und spürbar. Ob<br />
das Wirken der gesamtregionalen<br />
Institution jedoch auch bedarfsgerecht<br />
und effizient ist, soll eine<br />
Evaluierung der WFG durch einen<br />
externen Dienstleister an den Tag<br />
bringen. Die Ergebnisse des Prozesses<br />
sind die Basis des Qualitätsmanagements<br />
bei der WFG und ein<br />
weiterer Schritt in Richtung Dienstleistungsorientierung<br />
für die Region<br />
und regionale Prozesse.<br />
Bilderleiste oben von links: Als WFG-Geschäftsführer hat Jochen Protzer stets die Region und seine Unternehmen im Fokus;<br />
Landrat Klaus Michael Rückert, Erhard John, Bürgermeister Dieter Bischoff und Nadine Kaiser von der WFG bei der Reichert Holztechnik<br />
GmbH&Co.KG; Jörg Vetter von Hermann Hauff und Landrat Karl Röckinger auf der Moulding Expo in Stuttgart. Fotos: WFG<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 49
Thema: Netzwerke<br />
Netzwerke:<br />
Innovationen im Verbund<br />
Unverzichtbar: Netzwerke sind integrale Bestandteile<br />
einer prosperierenden Wirtschaft und nachhaltigen Unternehmenskultur<br />
So manche unscheinbare, zwischen<br />
reichlich Schwarzwälder Grün versteckte<br />
Garage spuckte in der Vergangenheit<br />
mehr Patente aus als<br />
die Entwicklungsabteilungen namhafter<br />
Unternehmen und begründete<br />
damit den Mythos des Schwarzwaldes<br />
als Innovationsschmiede<br />
schlechthin. Fakt ist jedoch: Innovationszyklen<br />
werden schneller,<br />
Märkte dynamischer und die Globalisierung<br />
wie Digitalisierung avancieren<br />
zur ultimativen Herausforderung<br />
einer globalen, sich rasant ver <br />
ändernden Wirtschaftswelt. Die Fra <br />
ge lautet deshalb: Wie müssen Unternehmen,<br />
muss eine Wirtschaftsregion<br />
aufgestellt sein, um sich<br />
ökonomisch global zu behaupten.<br />
Natürlich ist diese Fragestellung<br />
nicht nur im Nordschwarzwald<br />
virulent, sondern sorgt flächendeckend<br />
für Kopfzerbrechen, und<br />
das verstärkt auch im Land, beim<br />
Ministerium für Wirtschaft, Arbeit<br />
und Wohnungsbau. Die Frage,<br />
wie überhaupt Innovationen als<br />
ökonomische Triebfeder generiert<br />
werden, ist letztendlich auch von<br />
eminenter Bedeutung für die Förderpolitik<br />
des Landes. Aufschluss<br />
soll die vom Ministerium in Auftrag<br />
gegebene Moderations- und<br />
Explorationsstudie „Regionale Innovationssysteme“<br />
geben und diese<br />
offenbart zwar wenig Überraschendes,<br />
aber reichlich Aufschlussreiches:<br />
Die Herausforderungen der<br />
globalen Wirtschaft können nur<br />
gelöst werden, wenn Unternehmen<br />
Partnerschaften und Kooperationen<br />
mit externen Partnern eingehen.<br />
Dies gilt für das Großunternehmen<br />
genauso wie für den kleineren<br />
Handwerksbetrieb.<br />
Die Studie macht es also amtlich:<br />
Dreh- und Angelpunkte unternehmensbasierter<br />
Kooperationen sind<br />
regionale Netzwerke. Der Blick über<br />
die Grenzen der Republik hinaus<br />
offenbart jedoch unmissverständlich,<br />
viele Nachbarländer innerhalb<br />
der Europäischen Union gelangten<br />
bereits vor geraumer Zeit zu dieser<br />
Erkenntnis und setzen das Thema<br />
Netzwerkarbeit intensiver und<br />
zielgerichteter um als hierzulande.<br />
Sechs Netzwerke sind in der Region aktiv und bündeln die Interessen der Schlüsselbranchen. Bildquelle: WFG<br />
50
„Vielfältige Beispiele hierzu findet<br />
man in Alpenländern aber auch in<br />
Skandinavien oder Südosteuropa,<br />
jeweils Regionen, die mit einer vergleichbaren<br />
Struktur, wie sie auch<br />
der Nordschwarzwald bietet“, weiß<br />
Claire Duval als Europa-Expertin<br />
der WFG.<br />
Fakt ist: Wettbewerbsfähig bleibt<br />
man nicht alleine. „Dass gerade in<br />
der Region Nordschwarzwald mit<br />
seinen großen räumlichen Distanzen<br />
und der heterogenen Unternehmensstruktur<br />
Netzwerke ihre<br />
vollen Stärken ausspielen können,<br />
ist ein oft unterschätztes Moment“,<br />
plädiert Jochen Protzer, Geschäftsführer<br />
der Wirtschaftsförderung<br />
Nordschwarzwald, für eine stärkere<br />
Vernetzung auf regionaler Ebene.<br />
Als sogenannter Cluster-Knoten ist<br />
die WFG Ansprechpartner in Sachen<br />
Netzwerke, sowohl für das Land Baden-Württemberg<br />
als auch für die<br />
regionale Wirtschaft. „Als Cluster-<br />
Initiative bezeichnete man die zu<br />
einem Netzwerk zusammengefassten<br />
Akteure einer Branche“, grenzt<br />
der WFG-Chef die Begrifflichkeiten<br />
ab. Zu den Hauptarbeitsfeldern von<br />
Netzwerkstrukturen zählt Protzer<br />
die qualifizierte Außendarstellung<br />
der Branche, Kontaktpflege zu Po <br />
litik, Verbänden und anderen Netzwerken,<br />
Unterstützung bei der Forschung<br />
und Entwicklung sowie gemeinsames<br />
Engagement im Bereich<br />
Nachwuchsförderung und Fachkräftesicherung.<br />
Beispiele für Unternehmer, die von<br />
den Vorteilen der Cluster-Arbeit<br />
überzeugt sind, gibt es zuhauf.<br />
Einer davon, Ralf Schlecht von der<br />
SHL/Schlecht GmbH, bricht eine<br />
Lanze für netzwerkbasierte Kooperationen<br />
im Handwerk: „Die<br />
Kunden wollen heute immer individuellere,<br />
einzigartige Lösungen,<br />
gleichzeitig steigt der Wunsch nach<br />
Komplettleistungen aus einer Hand<br />
und die Unterscheidung verschiedener<br />
Gewerke im Handwerk ist<br />
längst schon sehr komplex.“ Eine<br />
überzeugte Netzwerkerin ist Brigitte<br />
Dorwarth-Walter, stellvertretende<br />
Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer<br />
Karlsruhe. „Kooperationen<br />
im Handwerk sind notwendig,<br />
um in Zukunft das anbieten zu<br />
können, was Kunden verstärkt nach <br />
fragen, nämlich Komplettpakete und<br />
Pauschalpreise“, argumentiert die<br />
Vize-Chefin der Handwerkskammer.<br />
Sechs Cluster-Initiativen, die unterschiedliche<br />
Branchen abdecken,<br />
sind derzeit in der Region aktiv:<br />
RegioHOLZ, das INNONET Kunststoff,<br />
Hochform (Präzisionstechnik),<br />
Create PF, IT&Medien und das<br />
Netzwerk Gesundheitswirtschaft.<br />
Als Blaupause für erfolgreiche Netzwerkarbeit<br />
gilt bundesweit das beim<br />
Technologiezentrum Horb a.N. angesiedelte<br />
und von der WFG moderierte<br />
INNONET Kunststoff, das<br />
große Bereiche der Branche abdeckt,<br />
die Kompetenz seiner Mitglieder<br />
bündelt und so branchen <br />
übergreifend neuen Ideen, Lösungen<br />
und Innovationen generiert.<br />
Über 100 Mitglieder zählt der größte<br />
und aktivste Zusammenschluss<br />
von Unternehmen der Kunststoffbranche<br />
im gesamten süddeutschen<br />
Raum, Tendenz stark steigend.<br />
In Sachen Netzwerke hat Jochen<br />
Protzer ein klares Ziel vor Augen,<br />
nämlich eine lebendige Netzwerkkultur<br />
mit regem Austausch über<br />
alle Branchen hinweg zu schaffen,<br />
die eine Strahlkraft nach außen<br />
entwickelt und den Nordschwarzwald<br />
als das darstellt was er ist:<br />
eine innovative und prosperierende<br />
Region im Herzen Europas.<br />
WFG-KOMPAKT<br />
Über 100 Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette engagieren sich inzwischen im INNONET Kunststoff. Foto: WFG<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 51
Thema: InnoCentre<br />
Plastics InnoCentre<br />
packt heiße Eisen an<br />
Innovationen Made in Horb: Die Dependance<br />
des INNONET Kunststoff in der Neckarstadt mausert<br />
sich zur Keimzelle viel beachteter Initalprojekte<br />
Plastikmüllteppiche auf den Ozeanen<br />
rütteln Verbraucher wach und<br />
werden zum Imageproblem für eine<br />
hochinnovative Branche. Analog<br />
wächst das Bewusstsein bei Herstellern<br />
wie Konsumenten dafür, ausgediente<br />
Kunststoffteile und Verpackungen<br />
als das zu sehen, was sie<br />
sein können: wertvoller Rohstoff<br />
und damit die Basis für zukunftsträchtige<br />
Geschäftsmodelle.<br />
Kunststoffrecycling ist jedoch ein<br />
an Komplexität kaum zu überbietendes<br />
Thema, und das nicht nur<br />
aufgrund der unterschiedlichen<br />
Ausgangsmaterialien sondern auch<br />
durch die Vielzahl der involvierten<br />
Akteure entlang der Wertschöpfungskette.<br />
Das Thema ist damit<br />
prädestiniert als branchenumspannendes<br />
Netzwerkprojekt und hier<br />
kommt das INNONET Kunststoff<br />
mit seinem Plastics InnoCentre<br />
zum Zug. Das Kunststoffzentrum<br />
mit seinem ausgefeilten Veranstaltungs-<br />
und Ausstellungskonzept in<br />
Horb am Neckar, im Horber Inno <br />
vationspark der Hohenbergkaserne,<br />
ist als Heimat des INNONET<br />
Kunststoff ein Kristallisationspunkt<br />
der hochinnovativen Kunststoffbranche<br />
im Südwesten Deutschlands<br />
und zugleich Startrampe für kunststoffaffine<br />
Kooperationsprojekte im<br />
Bereich Forschung und Entwicklung.<br />
Die Mittel für das Innovationszentrum<br />
stammen auch aus den<br />
Fördertöpfen des Landes Baden-<br />
Württemberg und der Europäischen<br />
Union. Im Fokus des Plastics Inno<br />
Centre stehen die Themenkomplexe<br />
Kunststoff-Recycling und Biobasierte<br />
Kunststoffe.<br />
Der Förderzeitraum ist begrenzt<br />
bis zum Jahr 2019. Um das Thema<br />
Recycling schnell an den Start zu<br />
bringen, holte sich das INNONET<br />
Kunststoff Ende letzten Jahres ex <br />
terne Expertise ins Haus: Der Berliner<br />
Technologiedienstleister VDI/<br />
VDE Innovation + Technik moderierte<br />
den Strategieprozess rund um<br />
den Komplex Kunststoff-Recycling.<br />
Dr. Marc Bovenschulte vom VDI/<br />
VDE identifizierte bei der Auftaktveranstaltung<br />
zum Recycling-<br />
Projekt, in den Räumen der Waldachtaler<br />
fischerwerke zwei Arbeits <br />
felder: Die technischen Voraussetzungen<br />
für die Verarbeitung recycelter<br />
Materialien zu meistern, wäre<br />
eines, wesentlich schwieriger wäre<br />
es jedoch eine gesellschaftliche Akzeptanz<br />
für recycelte Kunststoffmaterialien<br />
zu schaffen. Recycling<br />
wäre also laut Expertenmeinung<br />
primär ein Kopfthema und verlangt<br />
flankierend zu neuen Produktionsprozessen<br />
eine ausgefeilte<br />
Kommunikation. „Alle Beteiligten,<br />
vom Produktdesigner über den<br />
Verpackungshersteller bis hin zum<br />
Verbraucher müssen auf neue Materialien<br />
und Produktwege vorbereitet<br />
werden“, fasste Bovenschulte<br />
ein Ergebnis des Auftaktworkshops<br />
zusammen.<br />
Marc Bovenschultes Verweis auf<br />
die neue Studie der renommierten<br />
Ellen MacArthur Foundation „Rethinking<br />
the future of Plastics“<br />
zeigt das Potenzial der Thematik<br />
für die Unternehmen des INNONET<br />
Kunststoff und damit auch die Region:<br />
„Das Recycling sämtlicher<br />
Kunststoffprodukte, also nicht nur<br />
solcher, die aus leicht wiederverwertbaren<br />
sortenreinen Materialien<br />
bestehen, kann ein überaus lukratives<br />
Geschäft werden, das angesichts<br />
der Konzentration der Kunststoffindustrie<br />
im Nordschwarzwald<br />
nochmals eine besondere regionale<br />
Brisanz bekommt.“ Den extrem hohen<br />
wissenschaftlichen und ökonomischen<br />
Stellenwert des Projekts<br />
dokumentiert auch der Beitritt des<br />
Zum Wegwerfen viel zu schade: Kunststoff-Recycling ist eines der Schwerpunktthemen<br />
beim Plastics InnoCentre in Horb am Neckar. Foto: WFG<br />
52
enommierten Fraunhofer-Instituts<br />
für Chemische Technologie (ICT)<br />
zum INNONET Kunststoff®, welches<br />
beim zweiten Workshop bereits die<br />
Federführung übernehmen konnte.<br />
„In Zeiten endlicher fossiler Ressourcen<br />
und nur eingeschränkt<br />
verfügbarer nachhaltiger Alterna <br />
tiven sind Rezyklate, also recycelte<br />
Kunststoffe, das Material für die<br />
Zukunft“, erklärt Rainer Schweppe<br />
vom ICT. Der weitere Weg der<br />
Recycling-Initiative führt in die<br />
beteiligten Unternehmen. „Gefragt<br />
sind nun unternehmensspezifische<br />
Lösungen wie Kunststoffprodukte<br />
langfristig den Anforderungen der<br />
Gesellschaft und Umwelt angepasst<br />
werden können“, erklärt Schweppe<br />
und definiert die Rolle des Plastics<br />
InnoCentre im weiteren Verfahren<br />
als die einer Wissensdrehscheibe<br />
und Ideenbörse.<br />
Die Zukunft ist Bio! Die nächsten<br />
Projekte auf der Agenda des Plastics<br />
InnoCentre fokussieren auf<br />
regenerative Produktlösungen für<br />
die Kunststoffbranche. „Gemeinsam<br />
mit der Landesagentur BIOPRO BW<br />
Bunte Kreisel, produziert auf den Messen vor den Augen des interessierten Publikums,<br />
sind das Markenzeichen des INNONET Kunststoff schlechthin. Foto: WFG<br />
wollen wir versuchen, die Unternehmen<br />
und Institutionen der regionalen<br />
Kunststoffbranche für die<br />
Entwicklung von Herstellungs- und<br />
Vermarktungsprozessen biobasierter<br />
Kunststoffe zu sensibilisieren“,<br />
umreißt Projektleiter Udo Eckloff<br />
das ambitionierte Vorhaben. Einen<br />
weiteren Schwerpunkt wird das<br />
Thema Faserbasierte Kunststoffe<br />
bilden, die als hochfeste Elemente<br />
in den Zukunftsbereichen Nachhaltige<br />
Mobilität und Leichtbau nicht<br />
mehr wegzudenken sein werden.<br />
Das Plastics InnoCentre ist Kunststoff!<br />
Bereits im ersten Dreivierteljahr<br />
seines Bestehens hat sich<br />
die kunststoffaffine Innovationsschmiede<br />
auf dem Horber Hohenberg<br />
ein hervorragendes Renommee<br />
erarbeitet und ist als zentrale<br />
Einrichtung aus der südwestdeutschen<br />
Kunststoffbranche nicht<br />
mehr wegzudenken.<br />
WFG-KOMPAKT<br />
Das Plastics InnoCentre weckt Interesse, auch auf höchster politischer Ebene: Oberbürgermeister Peter Rosenberger,<br />
Landrat Klaus Michael Rückert, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und Jörg Vetter von Hermann Hauff. Foto: WFG<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 53
Thema: Wood Polymer Composites<br />
WPC: Zwei Welten,<br />
ein genialer Stoff<br />
Nicht Fisch, nicht Fleisch aber ein Materialmix mit<br />
Zukunft. WPC ist ein Baustein in Richtung Bioökonomie.<br />
Wood Polymer Composites, kurz<br />
WPC genannt, sind nachhaltige<br />
Alternativen zu rein erdölbasierten<br />
Kunststoffen. Mit den Chancen,<br />
He rausforderungen und Grenzen<br />
dieser innovativen, holzhaltigen<br />
Materialmixe sowie deren Weg vom<br />
Nischenprodukt hin zum Träger<br />
WPC-Anhänger der ersten Stunde: Eberhard Kappler von spek-Design referiert beim<br />
Workshop über mögliche Anwendungsfelder. Foto: WFG<br />
regionaler Wertschöpfung beschäftigen<br />
sich mehrere Forschungsinitiativen<br />
rund um RegioHOLZ.<br />
RegioHOLZ ist ein Projekt der Wirtschaftsförderung<br />
Nordschwarzwald<br />
(WFG), in Kooperation mit der<br />
Hochschule für Forstwirtschaft<br />
Rottenburg (HFR), mit dem Ziel,<br />
den Unternehmen der Region über<br />
eine kompetente Koordinierungsstelle<br />
einen niederschwelligen Zugang<br />
zu Forschung und Entwicklung<br />
zu ermöglichen. Innovative<br />
Werkstoffe mit bioökonomischem<br />
Hintergrund sind ein Schwerpunkt<br />
des von der Europäischen Union<br />
und dem Land Baden-Württemberg<br />
geförderten Projekts.<br />
Kunststoffe basieren üblicherweise<br />
auf fossilen Rohstoffen. Die Krux<br />
ist: Erdöl ist endlich und regional<br />
nicht verfügbar. Ein Ausweg aus<br />
diesem Dilemma könnten Wood<br />
Polymer Composites, also Verbundwerkstoffe<br />
aus Holz und Kunststoff<br />
bieten. „Die Region glänzt durch<br />
eine Vielzahl von Unternehmen mit<br />
geballter Kunststoff-Kompetenz<br />
und Holz wächst als nachhaltiger<br />
Rohstoff direkt vor der Haustüre,<br />
der Mehrwert einer Weiterentwicklung<br />
der WPC-Materialien in der<br />
Region Nordschwarzwald liegt damit<br />
auf der Hand“, plädiert Dr. Bertil<br />
Burian, Professor für Internationale<br />
Holzwirtschaft an der HFR für die<br />
Intensivierung der Forschung und<br />
Entwicklungstätigkeit in diesem<br />
Segment.<br />
Für die Herstellung von WPC finden<br />
meist Holzspäne oder Holzmehl<br />
Verwendung, also Bestandteile, die<br />
in der Branche als Reststoffe bezeichnet<br />
werden und bisweilen sogar<br />
ein ernst zu nehmendes Entsorgungsproblem<br />
darstellen.<br />
Zwar wäre WPC nicht in der Lage<br />
das Weltklima zu retten, das nachhaltige<br />
Erdölsubstitut könnte jedoch<br />
sehr wohl einen signifikanten<br />
Beitrag zum Klimaschutz und zur<br />
regionalen Wertschöpfung leisten,<br />
dies war der Tenor bereits beim<br />
54
Auftaktworkshop an der Hochschule<br />
für Forstwirtschaft in Rottenburg<br />
im März dieses Jahres.<br />
Die Holz-Kunststoff-Verbindungen<br />
punkten gegenüber ihren erdölbasierten<br />
Pendants mit einer höheren<br />
Formstabilität und Dauerhaftigkeit.<br />
Eine Verarbeitung in<br />
herkömmlichen Anlagen, sowohl<br />
im Extrusions- als auch im Spritzgussverfahren,<br />
ist problemlos möglich.<br />
Der signifikante Nachteil gegenüber<br />
den fossilen Varianten ist<br />
jedoch die deutlich geringere Produktionsgeschwindigkeit.<br />
Und Zeit<br />
ist Geld! Dies gilt insbesondere für<br />
den Kunststoff-Massenmarkt mit<br />
seinen hochgezüchteten und investitionsintensiven<br />
Anlagen. „Unser<br />
Ziel muss es also sein, Stoffe, Anwendungen<br />
und Märkte zu finden, wo<br />
WPC-Produkte eine ökonomische<br />
Alternative darstellen“, beschreibt<br />
Dr. Marcus Müller, Professor für<br />
Materialentwicklung und Fertigungstechnik<br />
an der Hochschule<br />
Rottenburg die Herausforderung<br />
für die Produkte an der Schnittstelle<br />
Holz-Kunststoff.<br />
Produktdesign und -entwicklung<br />
avancierten deshalb zu den Schwer <br />
punktthemen der WPC-Initiative.<br />
„Rund ein halbes Jahr nach Start<br />
der Initiative und zwei weiteren<br />
Expertentreffen kristallisieren sich<br />
nun konkrete Projektthemen mit<br />
Forschungsansätzen aus einem<br />
interessanten Ideenpool heraus“,<br />
bilanziert Anja Röllich, wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin bei der<br />
WFG den Stand des Projekts. Innovative<br />
Produkte aus schwer vermarktbaren<br />
Robinien-Resthölzern<br />
und designorientierte Sitzmöbel<br />
mit hoher Witterungsresistenz wären<br />
beispielhaft zwei Themen, die<br />
weiterverfolgt würden, so Röllich.<br />
Ein Ziel von RegioHOLZ ist es, den<br />
Unternehmen eine geballte Holzexpertise<br />
zu bieten. Eingebunden<br />
in die WPC-Initiative sind deshalb<br />
neben der Hochschule Rottenburg<br />
mehrere Institute der Universitäten<br />
Göttingen, Hamburg und Kassel.<br />
Das RegioHOLZ-Team<br />
Anja Röllich besetzt als wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin bei der<br />
WFG die Kontaktstelle Wissenschaft-Wirtschaft<br />
an der Hochschule<br />
Rottenburg. Ihre Aufgabe<br />
umfasst die eines „Forschungs <br />
scouts“, der proaktiv Forschungsund<br />
Entwicklungsansätze identifiziert,<br />
diese gemeinsam mit<br />
Unternehmen ausarbeitet, gezielt<br />
Kontakte zu wissenschaftlichen<br />
Einrichtungen bundes- und<br />
europaweit herstellt und Initiativen<br />
bis zur konkreten Projektreife<br />
begleitet. Als Holztechnologin<br />
und Abgängerin der Universität<br />
Dresden, Fachbereich Holztechnik<br />
und Faserwerkstofftechnik,<br />
kennt Anja Röllich die Branche<br />
ebenso gut wie die relevanten<br />
Institute im wissenschaftlichen<br />
Bereich. Foto: WFG<br />
RegioHOLZ hat ein Gesicht. Seit<br />
1. Juli unterstützt Lars Schäfer<br />
das Team der WFG als Projektleiter<br />
für die Bereiche Regio<br />
HOLZ und Fachkräftesicherung.<br />
Geboren und aufgewachsen im<br />
Schwarzwald, in einem Teilort<br />
von Horb a.N., ist Lars Schäfer<br />
ein Kind der Region. Die Holzund<br />
Möbelbranche ist für den<br />
Wahl-Karlsruher und Spross einer<br />
Schreiner-Familie keine Un <br />
bekannte. Vielfältige berufliche<br />
Erfahrungen sammelte der 31-<br />
Jährige als Projektleiter im Bereich<br />
Produktmanagement und<br />
Marketing sowie durch seine nebenberufliche<br />
Dozententätigkeit<br />
an den Hochschulen Karlsruhe,<br />
Stuttgart und für die Bildungsakademie<br />
der Handwerkskammer<br />
Karlsruhe. Foto: WFG<br />
WFG-KOMPAKT<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 55
Thema: Gewerbeflächen<br />
Gewerbeflächen und<br />
wo sie zu finden sind<br />
Grenzenlose Weite aber wenig optimaler Platz<br />
für Gewerbe: Gewerbeflächen bleiben<br />
ein spannendes Thema in der Region<br />
Es klingt kurios: Während manche<br />
Kommunen händeringend Flächen<br />
für Gewerbeansiedlungen suchen,<br />
besitzen andere solche im Überfluss.<br />
Eine Studie des Regionalverbandes<br />
Nordschwarzwald belegt: Es<br />
gibt rechnerisch genügend Gewerbeflächen<br />
in der Region, nur eben<br />
oft am falschen Platz.<br />
Die Städte und Gemeinden in der<br />
Region können aus einem Pool von<br />
insgesamt 676 Hektar Reserveflächen<br />
schöpfen. Aus einer Hochrechnung<br />
der Bebauung in den<br />
letzten zehn Jahren lässt sich ein<br />
künftiger Bedarf von rund 500<br />
Hektar bis zum Jahr 2030 ableiten.<br />
Vorhandene Reserven könnten also<br />
rein rechnerisch den künftigen<br />
Bedarf decken. „Eine solche Denkweise<br />
scheitert in der Praxis daran,<br />
dass der Bedarf der Kommune<br />
A sich eben nicht ohne Weiteres<br />
durch vorhandene Flächen in der<br />
Kommune B decken lässt“, erläutert<br />
Verbandsdirektor Dr. Matthias<br />
Standort mit Aussicht mitten im Nordschwarzwald: Das INTERKOM, der Gewerbepark<br />
auf dem Enz-Nagold-Plateau, ist eines der hochinteressanten interkommunalen Gewerbegebiete<br />
in der Region. Foto: WFG<br />
Proske die Krux. Eine gewichtige<br />
Rolle würden darüber hinaus auch<br />
die spezifischen Bedürfnisse der<br />
Unternehmen spielen.<br />
Wenig überraschend erscheint auch<br />
das Ergebnis, dass die Flächennachfrage<br />
mit der Standortqualität<br />
korreliert. Flächen in unmittelbarer<br />
Autobahnnähe sind ebenso massiv<br />
nachgefragt wie ausgewiesene Filetstücke,<br />
die mit einer schnellen<br />
Internetverbindung, ebenen Topografie,<br />
der Option auf eine künftige<br />
Erweiterung und ohne sensible Nutzung<br />
wie Wohngebiete im näheren<br />
Umfeld glänzen. Das Fazit der Studie<br />
ist ernüchternd: Ein Teil der<br />
Flächenreserven ist wenig attraktiv<br />
und optimale Standorte sind begrenzt.<br />
Eine Lösung des Problems<br />
heißt Interkommunale Gewerbegebiete,<br />
kurz IKG. Diese wären der<br />
Königsweg, weil sie die Möglichkeit<br />
böten ideale Flächen optimal<br />
zu nutzen, erklärt der Vorsitzende<br />
des Regionalverbandes und ehemalige<br />
Bürgermeister der Gemeinde<br />
Niefern, Jürgen Kurz.<br />
Für IKGs spricht vieles: „Kooperationen<br />
helfen drohende Konkurrenzsituationen<br />
zwischen Gemeinden<br />
zu vermeiden und darüber hinaus<br />
fließen die finanziellen wie organisatorischen<br />
Ressourcen in ein gemeinsames<br />
Projekt“, so Regionalverbandschef<br />
Proske. Flächen ganz<br />
ohne Konfliktpotenzial wären rar<br />
und interkommunale Zusammenarbeit<br />
erleichtere deshalb die Planung<br />
von Gewerbegebieten. Die Studie<br />
des Regionalverbandes belegt darüber<br />
hinaus: IKGs führen verstärkt<br />
zur Ansiedlung von Unternehmen<br />
von außerhalb der Region. „Wenn<br />
Kommunen Gewerbegebiete im Alleingang<br />
realisieren, so ist das Ergebnis<br />
häufig eine überschaubare<br />
Fläche mit begrenzter Infrastrukturausstattung“,<br />
so der Verbandsdirektor.<br />
Durch die Bündelung von<br />
Flächen- und Finanzressourcen<br />
entstünden Gebiete mit ausgereifter<br />
Infrastrukturausstattung und solche<br />
würden die Chance für eine wirkliche<br />
Neuansiedlung von Unternehmen<br />
signifikant erhöhen, argu <br />
mentiert Proske. Zehn Gewerbestandorte<br />
in der Region sind bereits<br />
als Interkommunale Gewerbegebiete<br />
konzipiert und weitere<br />
werden folgen: Die Kommunen<br />
Pforzheim und Calw planen derzeit<br />
interkommunale Gewerbelösungen<br />
mit Nachbargemeinden.<br />
In Sachen Planung von Gewerbegebieten<br />
versteht sich der Regionalverband<br />
als Dienstleister. „Bei<br />
der Planung und Realisierung von<br />
Gewerbegebieten haben die Kommunen<br />
als Planungsträger den Hut<br />
auf, der Regionalverband wirkt bei<br />
der Planung lediglich unterstützend<br />
mit“, skizziert Verbandsdirektor<br />
Matthias Proske das Engagement<br />
seiner Behörde. Dabei wäre es<br />
nicht die Absicht, die Kommunen<br />
bei der Gewerbegebietsentwicklung<br />
an die enge Leine zu nehmen, vielmehr<br />
würde der Verband das Thema<br />
mit den Kommunen in enger Kooperation<br />
proaktiv angehen. Konkret<br />
plant der Regionalverband<br />
eine erweiterte Flächenanalyse, um<br />
zu ergründen, welche Flächen sich<br />
in der Region für Gewerbegebiete<br />
besonders eignen, insbesondere<br />
auch als IKG.<br />
56
WFG-KOMPAKT<br />
Interkommunale Gewerbegebiete sind eine Klasse für sich und stellen attraktive Gewerbeflächen in der Region zur Verfügung.<br />
Bildquelle: Regionalverband Nordschwarzwald<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 57
Thema: Gewerbeimmobilien<br />
Interessantes<br />
Angebot für eine<br />
große Nachfrage<br />
Eine Region in den Startlöchern: Wenn es in den<br />
Metropolen eng wird, profitiert der Nordschwarzwald<br />
In den Metropolregionen rund um<br />
den Nordschwarzwald schrillen die<br />
Alarmglocken, denn attraktive Gewerbeflächen<br />
werden zur Mangelware<br />
an Neckar und Oberrhein. Auf<br />
den ersten Blick scheint noch alles<br />
in bester Ordnung rings um Karlsruhe<br />
und Stuttgart, die Wirtschaft<br />
brummt und ausgelastete Unternehmen<br />
lassen Gewerbesteuereinnahmen<br />
sprudeln. Doch stetiger Erfolg<br />
ist alles andere als garantiert,<br />
zumindest bei der genaueren Betrachtung<br />
der enormen Herausforderungen,<br />
vor der Wirtschaft und<br />
Gesellschaft stehen: Die Digitalisierung<br />
revolutioniert Geschäftsund<br />
Produktionsprozesse, alternative<br />
Wohn- und Lebenskonzepte<br />
etablieren sich und Mobilität wird<br />
zukünftig anders definiert. Eine<br />
Folge dieser rasanten Entwicklung<br />
sind neue Geschäftsmodelle, Produkte<br />
und Produktionsprozesse. Innovationen<br />
brauchen jedoch Raum<br />
– und eben dieser ist rar bis nicht<br />
mehr vorhanden in den Ballungsgebieten.<br />
Eine Lösung des Problems liegt nahe,<br />
nur einen Steinwurf entfernt in der<br />
Region Nordschwarzwald. Der Calwer<br />
Landrat und WFG-Aufsichtsratsvorsitzende<br />
Helmut Riegger<br />
bringt es auf den Punkt: „Die Region<br />
steht in den Startlöchern, wenn<br />
die Metropolen überlaufen.“ Für<br />
WFG-Chef Jochen Protzer ist es<br />
gerade jetzt an der Zeit lauter zu<br />
trommeln. „Wichtig ist es, jetzt auf<br />
die Vorzüge der Region aufmerksam<br />
zu machen, um investierenden Unternehmen<br />
eine interessante Alternative<br />
bieten zu können.“ Erklärtes<br />
Ziel wäre es, Arbeitsplätze in die<br />
Region zu holen und das Dienstleistungsangebot<br />
zu erweitern.<br />
„Die Region ist in Sachen Infrastruktur<br />
weitaus besser als ihr vermeintlicher<br />
Ruf“, sagt Armin Kamp <br />
mann von der Immobilienabteilung<br />
der Sparkasse Pforzheim Calw und<br />
relativiert damit Standortnachteile.<br />
„Wer quer durch die Landeshauptstadt<br />
zur Arbeit fährt, lernt die<br />
Region und ihre planba ren Wege<br />
schätzen“, ergänzt Kampmann.<br />
Trotz einer attraktiven virtuellen Darstellung der Gewerbeimmobilien in der Region bleibt der persönliche Kontakt zu Projektentwicklern<br />
und Investoren unverzichtbar. Die Region präsentiert sich deshalb alljährlich auf dem Gemeinschaftsstand des Landes Baden-Württemberg<br />
einem internationalen Publikum. Foto: WFG<br />
58
Virtuelle Applikationen ersetzen<br />
heute schon oftmals traditionelle<br />
Arbeitsabläufe, die Einheit von Arbeitsplatz<br />
und Unternehmen wird<br />
sich immer mehr auflösen. „Die<br />
Zukunft spielt ländlichen Regionen<br />
dabei in die Hände“, prognostizierte<br />
Michael Reiss, Breitband-<br />
Profi beim Ministerium für Inneres,<br />
Digitalisierung und Migration<br />
Baden-Württemberg. Diese Entwicklung<br />
wird sich fortsetzen, sogar<br />
potenzieren, schätzte Reiss. Das<br />
Problem ist erkannt und in Sachen<br />
Breitband greift vielerorts bereits<br />
der Bagger. Die Kommunen in der<br />
Region schaffen Lösungen, die sie<br />
in Sachen schnelles Internet an die<br />
Spitze der landesweiten Versorgungsstatistik<br />
katapultieren.<br />
„Der Nordschwarzwald ist in Sachen<br />
Gewerbeflächenangebot sicherlich<br />
keine Insel der Glückseligkeit“,<br />
bilanziert Nadine Kaiser, bei<br />
der WFG zuständig für das Gewerbe <br />
immobilienportal der Region, das<br />
Angebot. „Zwar haben wir nicht für<br />
jedes Großunternehmen reichlich<br />
Platz auf der grünen Wiese, aber<br />
das Angebot in der Region ist derart<br />
vielfältig, dass wir darüber hinaus<br />
fast jeden Bedarf decken können“,<br />
erklärt Kaiser. Die auch von Kampmann<br />
und seinen Makler-Kollegen<br />
geschätzte digitale Plattform der<br />
WFG versteht sie als Drehscheibe<br />
für die Vermarktung von Gewerbeimmobilien<br />
oder Gewerbegrundstücken<br />
und unterstützt Unternehmen<br />
wie Projektentwickler bei der<br />
Suche nach einem neuen Standort<br />
in der Region Nordschwarzwald.<br />
„Die virtuelle Präsenz unseres<br />
Gewerbeimmobilienangebotes ist<br />
wichtig, aber sie ersetzt nicht die<br />
Anwesenheit auf dem internationalen<br />
Messeparkett der Expo Real, der<br />
globalen Drehscheibe für gewerbliche<br />
Immobilien und Investitionen in<br />
München“, führt Jochen Protzer an.<br />
In der bayerischen Landeshauptstadt<br />
buhlt die Region Nordschwarzwald<br />
um Aufmerksamkeit bei Investoren<br />
und Projektentwicklern.<br />
Raum für Industrie und Gewerbe<br />
hat oberste Priorität für die regionale<br />
Wirtschaftsförderung und<br />
Jochen Protzer sieht die WFG dabei<br />
als wichtiges Bindeglied zwischen<br />
Wirtschaft und Verwaltung.<br />
Trotz allem Optimismus in Sachen<br />
Gewerbeflächen plädiert der WFG-<br />
Chef für einen kreativen Umgang<br />
mit Flächen, denn gerade die Neuausweisung<br />
von Gewerbegebieten<br />
ist langwierig und komplex. „Der<br />
Blick in andere Regionen zeigt,<br />
dass gerade im Bestand wesentlich<br />
mehr machbar ist, als es meist auf<br />
den ersten Blick den Anschein hat<br />
und hier hat unsere Region immense<br />
Potenziale.“<br />
Gewerbeangebote in der Region<br />
Nordschwarzwald finden Sie hier:<br />
www.immo.nordschwarzwald.de/<br />
WFG-KOMPAKT<br />
Das Gewerbeimmobilienportal ist eine Serviceleistung der WFG für Makler und Projektentwickler, beispielsweise auch für die Sparkasse<br />
Pforzheim Calw. Foto: WFG<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 59
Thema: Standortmarketing<br />
Vielfalt als Chance<br />
Was steht für die Region oder für was<br />
steht der Nordschwarzwald. Standortmarketing<br />
wird zum gesamtregionalen Prozess.<br />
Die Darstellung als prosperierender<br />
Wirtschaftsstandort gewinnt zunehmend<br />
an Bedeutung im regionalen Standortmarketing.<br />
Foto: WFG<br />
Pittoreske Bollenhutromantik und<br />
reichlich Tannengrün flimmerten<br />
in den Heimatfilmen der frühen<br />
Fünfziger in die guten Stuben der<br />
Republik, und was damals schon<br />
als Marketing-Element taugte,<br />
das funktioniert noch heute: Der<br />
Schwarzwald boomt als Tourismus-Destination.<br />
Klischeebehaftete<br />
Pseudo-Authentizität dominiert in<br />
der touristisch animierten Außendarstellung<br />
der Region und prägte<br />
bislang nachhaltig das ökonomische<br />
Standortmarketing. Das soll<br />
sich ändern, denn Inhalte, die explizit<br />
Gäste ansprechen, locken nicht<br />
zwingend auch Investoren, Fachkräfte<br />
und Kunden in die Region.<br />
Wie griffiges und wirtschaftsaffines<br />
Standortmarketing auszusehen hat,<br />
dem widmet sich die Wirtschaftsförderung<br />
Nordschwarzwald als<br />
eines ihrer Kernthemen.<br />
Die Ausgangslage ist mehr als rosig:<br />
Der Nordschwarzwald prosperiert,<br />
Wohnraum ist erschwinglich<br />
und es herrscht nahezu Vollbeschäftigung.<br />
Die Krux daran ist nur,<br />
dass dies niemand weiß. „Die Region<br />
hat zahlreiche versteckte Werte,<br />
aber wir verkaufen sie viel zu wenig<br />
nach außen“, so prägnant formulierte<br />
es Roswitha Keppler von<br />
der Kreishandwerkerschaft Calw<br />
beim WirtschaftsFORUM Nordschwarzwald<br />
in Höfen an der Enz.<br />
Einer, der diese Problematik ebenfalls<br />
kennt, ist Professor Bernhard<br />
Kölmel, Digitalisierungsprofi an der<br />
Hochschule Pforzheim: „Pforzheim<br />
hat als Hochschulstandort keinen<br />
schlechten Ruf, es hat schlicht gar<br />
keinen.“<br />
Weshalb eine positive Außendarstellung<br />
eminent, sogar überlebensnotwenig<br />
ist, erschließt sich erst<br />
Klischees gehören einfach dazu. Der Schwarzwald lebt auch von Bollenhut-Romantik und<br />
Kirschtorte. Foto: WFG<br />
auf den zweiten Blick, aber dieser<br />
offenbart dann bereits das Ausmaß<br />
der Misere: Schon heute sind zahlreiche<br />
unbesetzte Stellen in den Unternehmen<br />
der Region der limitierende<br />
Faktor. „Eine wirtschaftlich<br />
extrem starke Region wie der Nordschwarzwald<br />
kann es sich eigentlich<br />
nicht leisten, dass Kapazitäten<br />
nicht ausgeschöpft werden und<br />
Kunden abwandern, weil Fachpersonal<br />
fehlt“, analysiert WFG-Chef<br />
Jochen Protzer die Lage. Das aktuelle<br />
IHK-Fachkräftemonitoring prophezeit<br />
Düsteres: Bereits in 2030<br />
soll die Region Nordschwarzwald<br />
an zweiter Stelle der landesweiten<br />
Fachkräftemangel-Hitliste stehen.<br />
„Wir müssen also den Menschen<br />
klarmachen, dass die Region Nordschwarzwald<br />
nicht nur als Urlaubsziel<br />
taugt, sondern der ideale<br />
Ort zum Leben und Arbeiten ist“,<br />
umschreibt Protzer den Arbeitsauftrag.<br />
Einer, der weiß, wie das geht,<br />
ist Steffen Vetterle, Kommunikationsdesigner<br />
und Dozent an der<br />
Hochschule Pforzheim. Mögliche<br />
Ansätze den Bekanntheitsgrad der<br />
Region Nordschwarzwald nachhaltig<br />
zu steigern umriss der Medien-<br />
Profi in seinem Impulsreferat beim<br />
WirtschaftsDIALOG: „Ich setzte<br />
mich zur Vorbereitung meines Beitrags<br />
hinters Steuer, fuhr kreuz und<br />
quer durch die Region und stellte<br />
vor allem eines fest: eine enorme<br />
Vielfalt.“ Für Vetterle ist Heterogenität<br />
eines der herausragenden<br />
Alleinstellungsmerkmale der Region.<br />
Wichtig wäre es, diese Vielfalt<br />
nicht als Manko, sondern als Chance<br />
zu begreifen und sie in griffige<br />
60
Werbebotschaften umzusetzen, riet<br />
Vetterle. Wie dies gelingen kann,<br />
zeigte der Kommunikationsprofi<br />
anhand gelungener Beispiele aus<br />
anderen Regionen: Thüringen,<br />
Schleswig-Holstein und Südtirol<br />
hätten eines gemeinsam, nämlich<br />
gelungene Auftritte als starke Regionalmarken,<br />
und dies trotz vorwiegend<br />
ländlicher Strukturen<br />
im Wechsel mit wenigen urbanen<br />
Räumen. Erfolgreiches Marketing<br />
zeichnet sich durch Divergenz aus,<br />
weil diese ein breites Publikum<br />
anspricht. „Und wenn die Region<br />
eines besitzt, dann eine breite Meinungsvielfalt“,<br />
ergänzte Vetterle,<br />
für den die Region auch werbetechnisch<br />
ein immenses Potenzial<br />
bietet.<br />
Der Nordschwarzwald bietet gute<br />
Beispiele für erfolgreiche Vermarktungsstrategien:<br />
„Schwarzwald Energie<br />
ist auch deshalb erfolgreich,<br />
weil unsere Kunden mit dieser Marke<br />
Bodenständigkeit und Authentizität<br />
verbinden“, erklärte Horst<br />
Graef, Geschäftsführer der Energie<br />
Calw GmbH.<br />
Die Vielfalt der Region ist zugleich<br />
auch die größte Herausforderung.<br />
„Sprechen Sie mit einer Stimme<br />
und entwickeln sie die Region aus<br />
Holz und Herz, zwei Schlagworte, die auch in Zukunft in der Außenkommunikation eine<br />
wichtige Rolle spielen können. Foto: WFG<br />
einer Position der Stärke heraus“,<br />
mahnte Steffen Vetterle seine interessierten<br />
Zuhörer nachdrücklich.<br />
Für Vetterle als Hochschul-Dozent<br />
liegt es auf der Hand, dass die Region<br />
politisch, gesellschaftlich und<br />
letztendlich auch in Sachen Marketing<br />
ein gehöriges Stück zusammenrücken<br />
muss, um erfolgreich zu<br />
agieren.<br />
„Eine Kampagne braucht Gesichter“,<br />
postulierte Vetterle. Als Markenbotschafter<br />
identifizierte er den<br />
authentischen Typus Mensch, der<br />
überall in der Region zu finden<br />
wäre und schlug dabei in dieselbe<br />
Kerbe wie Roswitha Keppler von der<br />
Kreishandwerkerschaft Calw und<br />
Thomas Waldenspuhl, Geschäftsführer<br />
des Nationalparks Schwarzwald.<br />
Beide plädierten ebenfalls<br />
für eine Kampagne mit Menschen<br />
im Mittelpunkt. Tolle Typen, die<br />
als Gallionsfiguren taugen, bietet<br />
die Region wahrhaftig genug, davon<br />
ist auch Nadine Kaiser von der<br />
WFG überzeugt, in deren Händen<br />
das Thema Standortmarketing liegt.<br />
WFG-KOMPAKT<br />
Das Wohlfühlmoment in der Region ist einer der Aktivposten und ein griffiges Vermarktungsargument. Foto: WFG<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 61
Thema: Europa und der Nordschwarzwald<br />
Der Schwarzwald –<br />
eine Region macht<br />
auf Blau<br />
Besser als ihr augenblicklicher Ruf:<br />
Die Europäische Union ist ein wichtiger Partner<br />
für die Region - und umgekehrt!<br />
Die Briten wollen sie nicht mehr, die<br />
Griechen brauchen sie zum wirt <br />
schaftlichen Überleben und der<br />
Nordschwarzwald steht mit Leib und<br />
Seele hinter der Europäischen Union.<br />
„Wir sind überzeugte Europäer.“<br />
Deutlicher als der Nagolder Oberbürgermeister<br />
Jürgen Großmann<br />
kann man die Affinität des Nordschwarzwaldes<br />
zu Europa nicht<br />
formulieren.<br />
Der Nordschwarzwald und die EU,<br />
das ist keine Zwangsehe, vielmehr<br />
eine Gemeinschaft, die auf Synergien<br />
basiert. Sucht man nach den<br />
Gründen, weshalb gerade die Region<br />
sich intensiver als andere mit dem<br />
europäischen Gedanken identifiziert,<br />
genügt vielleicht schon ein<br />
Blick in die Geschichte. Die gebürtige,<br />
in Lothringen aufgewachsene<br />
Französin Claire Duval, bei der<br />
Wirtschaftsförderung Nordschwarz <br />
wald zuständig für Europaangelegenheiten,<br />
wagt den Versuch einer<br />
Erklärung: „Rivalitäten, allen voran<br />
mit Frankreich als direktem Nachbarn,<br />
kennzeichneten jahrhundertelang<br />
das Verhältnis Deutschlands<br />
mit den Staaten im Herzen Europas.<br />
Mit der Europäischen Union verschwanden<br />
dann die Schlagbäume,<br />
Wirtschaft und Gesellschaft begannen<br />
zusammenzuwachsen, die<br />
Menschen erkannten den Mehrwert<br />
einer gemeinsamen Währung.“ Die<br />
zentrale geografische Lage der Region<br />
Nordschwarzwald ist sicherlich<br />
ein Argument für die hohe<br />
Europa-Affinität, die stark exportorientierte<br />
Wirtschaft ein anderes.<br />
Der Austausch mit europäischen<br />
Partnern bestimmt auch das ökonomische<br />
Leben und Handeln in der<br />
Region. Ein Faktum, welches auch<br />
wenig bekannt scheint, 80 Prozent<br />
sämtlicher gesetzlicher Regelungen<br />
basieren auf der EU-Rechtsprechung.<br />
Was kann Europa? Diese Frage beantwortete eine Bus-Tour quer durch die Region zu interessanten Projekten, die durch Fördermittel<br />
von der EU überhaupt erst möglich wurden. Foto: WFG<br />
62
Die starke Ausrichtung der Region<br />
in Sachen Europa ist für WFG-Chef<br />
Jochen Protzer ein wichtiger Grund<br />
dafür, europäische Themen bei der<br />
Wirtschaftsförderung zu forcieren.<br />
Eine erst kürzlich durchgeführte<br />
Online-Umfrage bei Unternehmen<br />
gibt ihm recht: „Die regionale Wirtschaft<br />
wünscht ein starkes Engagement<br />
der WFG in Sachen Europa und<br />
sieht vor allem in der Fördermittelberatung<br />
und in unserem direkten<br />
Draht nach Brüssel einen enormen<br />
Mehrwert“, erklärte der WFG-Chef.<br />
Projekte wie „Bildung für Alle<br />
Nordschwarzwald“, „RegioHOLZ“,<br />
„FORESDA“ oder auch das beim<br />
IN NONET Kunststoff angesiedelte<br />
„Plastics InnoCentre“ hätten letztendlich<br />
nur ein Ziel, nämlich mit<br />
Fördermitteln aus Brüssel den Unternehmen<br />
im Nordschwarzwald<br />
durch Nachhaltigkeit und Innovation<br />
Standortvorteile zu verschaffen.<br />
Das vielfältige und nachhaltige<br />
Engagement der Nordschwarzwälder<br />
in Sachen EU wird in Brüssel<br />
überaus positiv gesehen. Evelyne<br />
Gebhardt, die stellvertretende Präsidentin<br />
des Europaparlaments,<br />
zeigte sich bei ihrem Besuch in der<br />
Region überaus erfreut über die<br />
Kreativität, mit welcher die WFG<br />
samt ihrer Partner, die Landkreise<br />
der Region, die blau-gelbe Fahne<br />
hochhalten, gerade auch in Zeiten,<br />
in denen Europa der Wind mächtig<br />
ins Gesicht bläst.<br />
Evelyne Gebhardt zeigte sich als Vize-<br />
Präsidentin des Europäischen Parlaments<br />
bei einem Besuch in Nagold begeistert vom<br />
Engagement der Region in Sachen EU.<br />
Foto: WFG<br />
WFG-KOMPAKT<br />
Öffentlichkeitswirksamen Aktionen<br />
der WFG sorgen für Aufmerksamkeit<br />
in Brüssel. Erfolgreiche Formate<br />
wie „Europa on Tour“, eine<br />
Bus-Tour für Interessierte zu unterschiedlichen<br />
EU-Förderprojekten<br />
in der Region, die primär das Ziel<br />
verfolgte, den europäischen Gedanken<br />
den Menschen näherzubringen,<br />
weckten das Interesse der<br />
EU-Politikerin Evelyne Gebhardt<br />
bei ihrer Stippvisite an der Nagold.<br />
Gebhardt würde solche Events lieber<br />
heute als morgen als Blaupause<br />
nutzen und flächendeckend in ganz<br />
Europa kopieren. „Transparenz ist<br />
extrem wichtig und den Menschen<br />
erlebbar machen, was mit den Fördermitteln<br />
aus Brüssel passiert,<br />
halte ich für einen genialen Gedanken“,<br />
lobte die stellvertretende Parlamentspräsidentin<br />
die Info-Tour<br />
durch die Region. „Wir freuen uns,<br />
dass solche Formate Kreise ziehen<br />
und die Region bekannt machen als<br />
das was sie ist: weltoffen und innovativ“,<br />
kommentiert Jochen Protzer<br />
die begeisterten Worte aus Brüssel.<br />
Mehr Europa bitte! Das ist die<br />
Quintessenz der WFG-Umfrage und<br />
zugleich ein integraler Bestandteil<br />
der Strategie der regionalen Wirtschaftsförderung.<br />
„Wir werden zukünftig<br />
mit Veranstaltungen und<br />
Publikationen besser und umfassender<br />
informieren und europäische<br />
Themen in die Region tragen“,<br />
erklärt Jochen Protzer.<br />
Ein großes Plus in der Goldstadt dank EU: Das EMMA Kreativzentrum wäre<br />
ohne entsprechende Fördermittel nicht denkbar. Foto: WFG<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 63
Thema: Kongressregion<br />
Tagungsregion<br />
Nordschwarzwald<br />
Tourismus boomt im Nordschwarzwald.<br />
Die Region wird zunehmend interessanter<br />
für Tagungen und Seminare.<br />
2016 übernachteten 5,78 Millionen<br />
Bundesbürger und 2,34 Millionen<br />
Gäste aus dem Ausland insgesamt<br />
21,54 Millionen Mal im gesamten<br />
Schwarzwald. Das sind Rekordwerte.<br />
Rund 85 Prozent davon sind<br />
Erholungssuchende. Fakt ist: Im<br />
Bereich Tagungs- und Kongress-<br />
Tourismus steckt noch immenses<br />
Potenzial.<br />
Virtuelle Kommunikation wird die<br />
Geschäftswelt revolutionieren und<br />
die persönlichen Begegnungen im<br />
beruflichen Umfeld vollkommen<br />
verdrängen, die Digitalisierung des<br />
Kongresswesens ist nicht mehr aufzuhalten,<br />
das war noch vor wenigen<br />
Jahren die einhellige Expertenmeinung.<br />
Tatsächlich präsentiert sich<br />
der Tagungs- und Kongressmarkt –<br />
auch in der Region Nordschwarzwald<br />
– heute robuster denn je und<br />
das hat gute Gründe: „Je mehr wir<br />
uns im Tagesgeschäft dem medialen<br />
Overkill nähern, umso mehr wächst<br />
der Wunsch nach direkter und per <br />
sönlichkeitsbezogener Kommunikation,<br />
erklärt Carsten Dryden, Geschäftsführer<br />
des Hotels Teuchelwald.<br />
Was kurios klingt scheint Fakt<br />
zu sein: Die Digitalisierung frisst<br />
sich selbst. Flexible Arbeitszeitmodelle,<br />
dezentrale Arbeitsstrukturen<br />
und Homeoffice-Lösungen<br />
entfremden Mitarbeiter zunehmend<br />
von ihren Unternehmen und Team-<br />
Building-Events avancieren immer<br />
mehr zur unternehmerischen Notwendigkeit.<br />
Die Tagungs- und Kongressbranche<br />
in der Region reagiert<br />
auf den Wandel in der Arbeitswelt.<br />
Partizipation statt Langeweile lautet<br />
das Credo vieler Anbieter.<br />
Die Lage in der Nähe zu den Metropolen Stuttgart und Mittlerer Oberrhein prädestinieren die Region als Standort für Seminare und<br />
Tagungen. Insbesondere Kommunen wie Bad Wildbad profitieren durch die gute Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Foto: WFG<br />
64
„Vor Jahren genügte es noch, Räume<br />
mit der entsprechenden Größe<br />
zur Verfügung zu stellen, heute<br />
werden mehr denn je komplette<br />
Angebote nachgefragt“, erklärt Hotelmanager<br />
Dryden. Die Tagungsevents<br />
werden anspruchsvoller, aber<br />
genau hier liegt die Chance für die<br />
Betriebe der Hotel- und Gaststättenbranche<br />
in der Region Nord <br />
schwarzwald sich von der landesweiten<br />
und sehr aktiven Konkurrenz<br />
abzuheben. Traditionelle Tagungsformate<br />
sind out! Wer in Sachen<br />
alternative Veranstaltungsformen<br />
neue Ideen entwickelt, Interaktivität<br />
mit einbezieht, flexibel bei der<br />
Organisation ist, die Intensität des<br />
Austausches auf allen Ebenen verstärken<br />
kann und den Tagungsgästen<br />
ein unvergessliches Erlebnis,<br />
verbunden mit ganz viel Erkenntnisgewinn,<br />
vermitteln kann, hat gute<br />
Chancen sich am Tagungsmarkt zu<br />
behaupten.<br />
„In der internationalen Ausrichtung<br />
unserer regionalen Industrie-<br />
Unternehmen sehen wir als Touristiker<br />
vor Ort große Chancen“,<br />
ergänzt Dryden, der sich Kooperationen<br />
zwischen Industrie und Hotellerie<br />
durchaus vorstellen könnte.<br />
Wichtig ist: Die Qualität muss passen!<br />
Vor allem bei ausländischen<br />
Gästen hat Deutschland als Tourismus-Destination<br />
einen hervorragenden<br />
Ruf, was wiederum eine<br />
hohe Erwartungshaltung generiert.<br />
Was sich Business-Gäste aus dem<br />
In- und Ausland von Destinationen<br />
im Schwarzwald wünschen<br />
weiß Professor Monika Bachinger<br />
vom Fachbereich Tourismus an der<br />
Hochschule Rottenburg: „Authentizität<br />
und Glaubwürdigkeit sind<br />
Grundbausteine erfolgreicher touristischer<br />
Angebote.“ Authentisch<br />
sei jedoch nicht gleichbedeutend<br />
mit opulent und teuer, relativiert<br />
Bachinger, die aktuell im Rahmen<br />
des Forschungsprojekts „Wissensdialog<br />
Nordschwarzwald“ der Hoch <br />
schule Rottenburg und der Universität<br />
Freiburg Kundenanforderungen<br />
an naturnahe Tourismusangebote<br />
untersucht. Authentizität<br />
sei einerseits durch das gekennzeichnet,<br />
was charakteristisch für<br />
eine Region sei; andererseits hinge<br />
die wahrgenommene Authentizität<br />
aber auch von den Erwartungen der<br />
Gäste ab. Und immer mehr Gäste<br />
erwarteten nachhaltige Angebote,<br />
gerade im Schwarzwald.<br />
„Eigentlich sollte es selbstverständlich<br />
sein, den eigenen Betrieb ressourcenschonend<br />
und emissionsreduziert<br />
zu betreiben. Doch man<br />
kann damit auch wirklich erfolgreich<br />
Kunden für sich werben“,<br />
ergänzt Bachinger. Für die Tourismusprofessorin<br />
ist klar: Green<br />
Meetings werden zukünftig noch<br />
stärker eine Rolle spielen. Und wer<br />
damit punkten kann, gewinnt die<br />
Sympathie und Gäste.<br />
Für WFG-Chef Jochen Protzer besitzt<br />
das Thema Organisation und<br />
Abwicklung eine hohe Priorität.<br />
„Über den Gedanken in Zukunft<br />
eine Tagungsregion Nordschwarzwald<br />
mit buchbaren Formaten, die<br />
ein breites Unternehmens- und Interessentenspektrum<br />
ansprechen,<br />
ins Leben zu rufen, lohnt es sich<br />
grundsätzlich nachzudenken.<br />
WFG-KOMPAKT<br />
Attraktive Tagungsmöglichkeiten gibt es im gesamten Nordschwarzwald; eher naturnah im Süden oder mit urbanem Flair im Norden<br />
der Region. Foto: Sparkasse Pforzheim Calw<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 65
Thema: RegioHOLZ<br />
RegioHOLZ:<br />
Mehrwert durch<br />
konkrete Projekte<br />
Mehr Wald gibt es kaum. Nirgendwo sonst ist deshalb<br />
eine Initiative zur Vernetzung der Holzbranche<br />
wichtiger als in der Region Nordschwarzwald<br />
Der Wald ist das Stammkapital der<br />
Region. So war es vor Generationen<br />
und ist es auch noch heute, zumindest<br />
im übertragenen Sinne. Zwar<br />
sind mächtige Tannen und Fichten<br />
aus den Beständen zwischen dem<br />
Kinzig und Enztal noch immer wahre<br />
Verkaufsschlager, jedoch liegt die<br />
Wertschöpfung in den nachgelagerten<br />
Industriezweigen der Holzund<br />
Möbelbranche heute wohl sehr<br />
deutlich über der der Urproduktion.<br />
Die prosperierende Region Nordschwarzwald<br />
steht also für holzaffine<br />
Maschinenbauunternehmen<br />
mit Weltmarktführerstatus, für eine<br />
Vielzahl von hoch spezialisierten<br />
Firmen aus den Bereichen Objekteinrichtung<br />
und Möbelbau und für<br />
geballtes handwerkliches Knowhow<br />
im Holzbereich. Die Zahlen<br />
sprechen für sich: Rund 15 Prozent<br />
aller gewerblich Beschäftigten<br />
arbeiten in einem Unternehmen<br />
der Holz- und Möbelbranche, weit<br />
mehr als in anderen Industriezweigen.<br />
Noch deutlicher wird dies an <br />
gesichts der Zahlen des Landkreises<br />
Calw, einem traditionellen Schwerpunkt<br />
der Möbelbranche in Baden-<br />
Württemberg. Hier erwirtschafteten<br />
die holzaffinen Unternehmen knapp<br />
die Hälfte des Gesamtumsatzes im<br />
Bereich des produzierenden Gewerbes.<br />
Die Branche boomt! Aber sie<br />
besitzt auch ihre ganz spezifischen<br />
Problemzonen, und zwar über alle<br />
Betriebsgrößen hinweg. Ob als<br />
holzaffiner Maschinenbauer mit<br />
internationalem Renommee oder<br />
als mittelständischer Handwerksbetrieb<br />
mit regionaler Ausrichtung<br />
– alle Unternehmen müssen sich in<br />
einem sich immer schneller verändernden<br />
Umfeld behaupten.<br />
„Der Schlüssel zum nachhaltigen<br />
Erfolg sind Innovationen, und ge <br />
nau hier fehlt es in der Region<br />
bislang noch an der Bereitschaft<br />
vieler, vor allem kleiner und mittelständischer<br />
Unternehmen in entsprechende<br />
Prozesse einzusteigen“,<br />
analysiert Brigitte Dorwarth-Walter,<br />
stellvertretende Hauptgeschäftsführerin<br />
der Handwerkskammer,<br />
die Lage im Kammerbezirk. Dies<br />
soll RegioHOLZ ändern. „Das beim<br />
RegioWIN-Wettbewerb des Landes<br />
Baden-Württemberg erfolgreiche<br />
und von der Europäischen Union<br />
geförderte Projekt wurde ins Leben<br />
gerufen, um den Unternehmen<br />
der Branche einen möglichst niederschwelligen<br />
Zugang zu Hochschulwissen<br />
und Einrichtungen im<br />
Bereich Forschung und Entwick <br />
lung zu bieten“, skizziert WFG-Chef<br />
Jochen Protzer das Grobziel des<br />
Eine Branche mit Zukunft: Wer sich für einen Job in der Holz- und Möbelbranche entscheidet, hat die allerbesten Zukunftschancen.<br />
Foto: WFG<br />
66
Projekts. „Eigens für diesen Zweck<br />
wurde eine Stelle geschaffen und<br />
genau dort angesiedelt, wo wir das<br />
größte Potenzial in Sachen holz <br />
affine Synergieeffekte sehen, näm <br />
lich an der Hochschule Rottenburg,<br />
einer Einrichtung mit internationalem<br />
Renommee im Holzbereich“,<br />
begründet Dr. Klaus Michael<br />
Rückert, Freudenstädter Landrat<br />
und Vorsitzender der WFG-Gesellschafterversammlung,<br />
den Schulterschluss<br />
zu einer Einrichtung<br />
außerhalb der Region als Regio<br />
HOLZ-Kooperationspartner im wissenschaftlichen<br />
Bereich.<br />
Aller Anfang ist schwer. Für Anja<br />
Röllich, seit November 2016 wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin im<br />
Projekt RegioHOLZ, bewahrheitet<br />
sich dieser Satz in besonderem<br />
Maße. „Unsere Angebote werden<br />
leider aktuell noch von wenigen<br />
Unternehmen wahrgenommen, obwohl<br />
sie eine echte Chance bieten<br />
mit neuen Produkten auf den Markt<br />
zu kommen“, erklärt die Holztechnologin.<br />
Erste Erfolge sind jedoch<br />
sichtbar und über diese freut<br />
sich Anja Röllich besonders: „Das<br />
Thema Wood Plastic Composites<br />
(WPC), also der Holz-Kunststoff-<br />
Verbundwerkstoff, gewinnt an<br />
Fahrt und aktuell beschäftigen sich<br />
mehrere Arbeitsgruppen in diesem<br />
Tradition und Moderne, die Holz- und Möbelbranche vereint handwerkliches Können mit<br />
industrieller Kompetenz und ist ein wirtschaftliches Schwergewicht in der Region. Foto: WFG<br />
Holzjobs werden von Schulabgängern eher stiefmütterlich behandelt. Eine Lanze für<br />
hochattraktive Jobs in einer innovativen Branche zu brechen ist ein Ansatz der Initiative<br />
RegioHOLZ. Foto: WFG<br />
Bereich mit innovativen Ideen“, so<br />
Röllich.<br />
Für die Wissenschaftlerin und<br />
den RegioHOLZ-Projektleiter Lars<br />
Schäfer ist das Thema WPC die<br />
Blaupause für weitere Projekte mit<br />
Erfolgspotenzial.<br />
Zentrales Gremium des Regio<br />
HOLZ-Projekts ist der Steuerkreis.<br />
Neben Vertretern der finanzierenden<br />
Kommunen, der Industrie,<br />
Bildung und Wissenschaft vertritt<br />
Ralf Schlecht von der SHL/Schlecht<br />
GmbH die Interessen des Handwerks<br />
bei RegioHOLZ. „Die Stärken<br />
von RegioHOLZ sehen wir als innovatives<br />
Unternehmen auch im immensen<br />
Vernetzungspotenzial, die<br />
diese Initiative bietet“, erklärt der<br />
Geschäftsführer des renommierten<br />
Objektausstatters aus Garrweiler im<br />
Landkreis Calw. Man kennt sich,<br />
aber man spricht zu wenig miteinander<br />
über Themen, die die<br />
Branche wirklich bewegen, dessen<br />
ist sich Ralf Schlecht sicher. Ein<br />
Thema, welches wirklich allen Unternehmen<br />
der Branche unter den<br />
Nägeln brennt, ist der sich beinahe<br />
täglich verschärfende Mangel an<br />
Fachkräften.<br />
„Zwar können wir auch keine<br />
Fachkräfte für die Holzbranche<br />
backen, so gerne wir das täten, aber<br />
durch eine entsprechende Besetzung<br />
der RegioHOLZ-Gremien und<br />
Projektpartnerschaften mit Ein <br />
richtungen der beruflichen Bildung<br />
haben wir zumindest einen<br />
Zirkel geschaffen, der einen Dialog<br />
in Gang bringt und auf diesem<br />
Weg einiges bewegen kann“, wirbt<br />
Jochen Protzer für ein Engagement<br />
der Unternehmer im Projekt.<br />
Das Ziel ist klar formuliert: Holzjobs<br />
sollen wieder den gesellschaftlichen<br />
Stellenwert bekommen, den<br />
sie einst hatten. „Holz ist hip und<br />
Holz ist Hightech, nur leider wissen<br />
das viel zu wenige. Dies zu ändern<br />
ist eine Aufgabe von RegioHOLZ“,<br />
erklärt Jochen Protzer zum Ziel des<br />
ehrgeizigen Projekts mit Leuchtturmcharakter.<br />
WFG-KOMPAKT<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 67
Region Nordschwarzwald<br />
Mit BANG gegen den<br />
Fachkräftemangel<br />
Ausbildungsnetzwerk für kleine und mittlere<br />
Unternehmen im Nordschwarzwald gegründet<br />
Von Gerd Lache<br />
Duale Ausbildung war gestern.<br />
Jetzt ist das Triale Ausbildungssystem<br />
angesagt. Zumindest gilt<br />
das für kleine und mittlere Unternehmen,<br />
die aufgrund ihrer Größe<br />
und/oder ihres hohen Spezialisierungsgrades<br />
nicht ausreichend<br />
Möglichkeiten und Kapazitäten<br />
haben, den dringend notwendigen<br />
Nachwuchs in der komplett<br />
erforderlichen Breite im eigenen<br />
Betrieb auszubilden.<br />
Das triale System basiert auf der<br />
Idee, das duale Ausbildungssystem<br />
aus Betrieb und Berufsschule<br />
um eine dritte Säule zu erweitern:<br />
das BANG-Ausbildungsnetzwerk.<br />
Dieses übernimmt vielfältige Aufgaben<br />
rund um die Ausbildung<br />
und macht damit interne Kapazitäten<br />
des Unternehmens für andere<br />
Aufgaben frei, die sonst durch<br />
den administrativen und betreuenden<br />
Bereich gebunden wären.<br />
BANG steht für „Berufliches Ausbildungsnetzwerk<br />
im Gewerbebereich“.<br />
In einem solchen Netzwerk<br />
schließen sich kleine und mittelständische<br />
Unternehmen innerhalb<br />
eines Bezirkes zu regionalen<br />
Netzwerken zusammen. Ihr Ziel:<br />
Sicherung des zukünftigen Fachkräftebedarfs.<br />
Bei einer Versammlung im März<br />
in Remchingen/Enzkreis ergriffen<br />
sieben Unternehmen die Initiative<br />
Ein Netzwerk ermöglicht es kleinen und mittleren Unternehmen, ihre Auszubildenden<br />
umfassend und zeitgemäß ausbilden zu lassen. Foto: Steffen Kugler<br />
und gründeten nach dem bis dahin<br />
nur in Nordrhein-Westfalen<br />
bestehenden Modell den gemeinnützigen<br />
Verein BANG Nordschwarzwald.<br />
Ihr Ziel, so die erste<br />
Vorsitzende Elke Lillich (Willy<br />
Lillich GmbH, Straubenhardt):<br />
„Die Attraktivität der Metall-Berufe<br />
zu steigern, die betriebliche<br />
Ausbildung zu fördern, zu unterstützen<br />
und zu entlasten und uns<br />
für eine qualitativ hochwertige<br />
Aus- und Weiterbildung in der<br />
Region einzusetzen.“<br />
Wie läuft eine solche triale Ausbildung<br />
ab? Grundsätzlich orientiert<br />
sich die Dienstleistung am jeweiligen<br />
Bedarf des einzelnen Mitglieds.<br />
So kann das Netzwerk auf<br />
Wunsch bereits bei der Suche und<br />
der Vorauswahl von qualifizierten<br />
Bewerbern tätig werden. Wie auch<br />
beim dualen System üblich, stellt<br />
jedes Unternehmen Auszubildende<br />
ein, indem es einen Ausbildungsvertrag<br />
abschließt. Danach erhält<br />
der Lehrling in einem Trainingszentrum<br />
einen viermonatigen<br />
Grundkurs und wechselt danach<br />
in den Betrieb über.<br />
Während der gesamten Ausbildung<br />
ergänzt das Trainingszentrum<br />
in bestimmten Intervallen<br />
die praktischen und theoretischen<br />
Lehrinhalte, abgestimmt auf<br />
das jeweilige Berufsbild. Hinzu<br />
kommt der berufsschulunterstützende<br />
Werkunterricht sowie<br />
Workshops zu Spezialgebieten<br />
wie beispielsweise CNC-Technik,<br />
Werkstoffkunde oder E-Pneumatik.<br />
Schließlich wird der Auszubildende<br />
in Kursen auf die Prüfung<br />
vorbereitet.<br />
Der eingetragene Verein BANG<br />
Nordschwarzwald hat eine Kooperation<br />
mit dem Berufsförderungswerk<br />
(BFW) Schömberg,<br />
das als Bildungsträger die Auszubildenden<br />
„in zentraler Lage in<br />
Pforzheim in bestimmten Intervallen<br />
praktisch schult“, erklärt<br />
die erste Vorsitzende des Vereins.<br />
Im Trainingszentrum erhalten die<br />
Auszubildenden demnach jene Inhalte<br />
vermittelt, die der Betrieb<br />
aufgrund seiner hohen Spezialisierung<br />
oder auch eines hohen<br />
Auftragsvolumens und der damit<br />
verbundenen Personalbindung<br />
nicht vermitteln könne.<br />
68
BANG Nordschwarzwald als<br />
Dienstleiter der Mitgliedsunternehmen<br />
entlaste die Betriebe im<br />
jeweils gewünschten Maß und<br />
befreie damit von den Aufgaben<br />
und Tätigkeiten, die im Zusammenhang<br />
mit der Ausbildung<br />
entstehen. Im Ergebnis führe die<br />
Übernahme des zeit- und kapitalintensiven<br />
betrieblichen Personalbetreuungsaufwands<br />
durch<br />
das Netzwerk zu einer deutlichen<br />
Entlastung in den Betrieben.<br />
Wichtig für die Vorsitzende: Aufgrund<br />
einer Mitbestimmungsregelungen<br />
in Form einer rechtsfähigen<br />
Körperschaft haben die<br />
Betriebe jederzeit die Möglichkeit,<br />
auf Umfang und Betreuungsintensität<br />
der Maßnahmen einzuwirken.<br />
Diese Mitbestimmungsstruktur<br />
sieht Elke Lillich als wesentliches<br />
Unterscheidungsmerkmal gegenüber<br />
einer Auftragsausbildung.<br />
Wie ist die Resonanz seit der Vereinsgründung<br />
im März? „Sehr<br />
groß, gerade bei kleineren Unternehmen,<br />
die diese Unterstützung<br />
sehr schätzen“, sagt Elke Lillich.<br />
Nach den Erfahrungswerten in<br />
Nordrhein-Westfalen seien rund<br />
60 Prozent der Auszubildenden<br />
Hauptschüler. Und bemerkenswert:<br />
„Die Abbrecherquote liegt<br />
bei lediglich zwei Prozent.“<br />
Nachdem sich BANG Nordschwarzwald<br />
im Raum Pforzheim/<br />
Enzkreis etabliert hat, wird der<br />
Kreis erweitert. Soll heißen: „Wir<br />
haben schon erste Kontakte mit<br />
Calw geknüpft.“ Auch der Raum<br />
Freudenstadt gehört zu den Expansionsplänen<br />
von BANG. Des<br />
Weiteren stünde die Industrieund<br />
Handelskammer (IHK) Nordschwarzwald<br />
dem Projekt positiv<br />
gegenüber.<br />
„Wir werden mittelfristig eine<br />
stabile Landschaft für unternehmensnah<br />
qualifizierte Fachkräfte<br />
in der Region aufbauen“, erklärt<br />
Elke Lillich. Neue Mitglieder aus<br />
der industriellen Metall-, Elektro-<br />
und Kunststoffbranche seien<br />
immer willkommen. Denkbar sei<br />
auch, die Palette an betreuten<br />
Berufsbildern zu erweitern sowie<br />
die Leistungen des Vereins dem<br />
Bedarf der aktiven Mitglieder anzupassen.<br />
BANG Nordschwarzwald<br />
Das Berufliche Ausbildungsnetzwerk<br />
im Gewerbebereich,<br />
BANG Nordschwarzwald, ist ein<br />
eingetragener Verein, der am<br />
16. März <strong>2017</strong> in Remchingen/<br />
Enzkreis gegründet worden ist.<br />
Zweck des Vereins ist es nach<br />
eigenen Angaben, die Attraktivität<br />
der Metall-Berufe zu steigern<br />
und die betriebliche Ausbildung<br />
sowie eine hochwertige<br />
Weiterbildung zu fördern. Die<br />
Initiative gibt es neben Nordschwarzwald<br />
in den Regionen<br />
Hövelhof, Gütersloh, Lippe,<br />
Hochstift, Bielefeld, Hochsauer -<br />
land, Ahlen und Aachen.<br />
Interessant sei BANG für Unter -<br />
nehmen mit Interesse an industriellen<br />
Metall- und Elektroberufsbildern.<br />
Das regionale Aus -<br />
bildungsnetzwerk BANG Nordschwarzwald<br />
wurde gegründet<br />
von: Willy Lillich GmbH (Straubenhardt),<br />
Schüssler Technik<br />
GmbH & Co. KG (Pforzheim),<br />
Pmh Präzisionsmechanik Heyn<br />
Gmbh (Pforzheim), Britsch<br />
Spannzeuge GmbH (Pforzheim),<br />
OMP Ottmar Mayer Präzisionsdrehteile<br />
GmbH (Neuhausen),<br />
Zeus GmbH (Paderborn) und<br />
gpdm mbH (Paderborn).<br />
Letztere, die gpdm, Gesellschaft<br />
für Projektierungs- und Dienstleistungsmanagement,<br />
ist ein bundesweit<br />
tätiges Beratungsunternehmen<br />
auf den Arbeitsfeldern<br />
Bildungsmanagement, Regionalentwicklung<br />
und Öffentliche Ver -<br />
waltung. Die gpdm-Projekte konzentrieren<br />
sich auf zentrale Fragen<br />
der Ausbildung, Qualifizierung<br />
und Kompetenzentwicklung.<br />
Ausbildungsberufe bei BANG<br />
sind: AnlagenmechanikerIn, Elek -<br />
tronikerIn für Betriebstechnik,<br />
Fachkraft für Metalltechnik, Fein -<br />
werkmechanikerIn, IndustriemechanikerIn,<br />
KonstruktionsmechanikerIn,<br />
Maschinen- und AnlagenführerIn,<br />
MechatronikerIn,<br />
Stanz- und UmformmechanikerIn,<br />
Technische/r ProduktdesignerIn,<br />
VerfahrensmechanikerIn KuK,<br />
WerkzeugmechanikerIn, ZerspanungsmechanikerIn.<br />
gel<br />
Kontakt:<br />
Günter Breuninger,<br />
Beratung Süddeutschland,<br />
Telefon (0 15 1) 14 15 07 55;<br />
Fax (0 52 51) 77 60 77;<br />
E-Mail: gbreuninger(at)gpdm.de<br />
http://bang-netzwerke.de<br />
Jedes BANG-Unternehmen wählt individuell aus, welche Ausbildungsbausteine es für<br />
seine Lehrlinge benötigt. Foto: Bang<br />
NETZWERK<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 69
Region Nordschwarzwald<br />
Innovationspreis für BANG<br />
Von Gerd Lache<br />
Kaum den Gründungsstart des Ausbildungsnetzwerks<br />
BANG Nord -<br />
schwarzwald e.V. im März hingelegt,<br />
konnte die Vereinsvorsitzende<br />
Elke Lillich (Straubenhardt)<br />
bereits im Juni aus besonderem<br />
Anlass nach Berlin zum „5. Innovationstag<br />
Fachkräfte für die Region“<br />
reisen. Gemeinsam mit BANG-<br />
Netzwerkeleiter Achim Gerling<br />
nahm sie eine Urkunde vom Bun -<br />
desministerium für Arbeit und<br />
Soziales (BMAS) entgegen. Das<br />
BMAS hat fünf herausragende, innovative<br />
Netzwerke und drei Netz -<br />
werkkoordinatoren ausgezeichnet,<br />
die sich für regionale Fachkräftesicherung<br />
engagieren und, so<br />
hieß es, „durchaus neue Wege beschreiten“.<br />
Mit der Auszeichnung<br />
würdigt das Ministerium „das<br />
außerordentliche Engagement im<br />
Bereich der Fachkräftesicherung<br />
und das hohe Niveau der Netzwerkarbeit“,<br />
wie Staatssekretär<br />
Thorben Albrecht betonte.<br />
Nahmen in Berlin die Auszeichnung für das innovative Ausbildungsnetzwerk BANG<br />
entgegen: Elke Lillich und Netzwerkeleiter Achim Gerling. Foto: Bang<br />
Mit dem Angebot eines trialen Ausbildungssystems will die BANG-Initiative auch die<br />
Attraktivität der Metall-Be rufe steigern. Foto: Daniel Bockwoldt<br />
Laut Alberecht steigere die zunehmende<br />
Digitalisierung der Arbeitswelt<br />
den Qualifizierungsbedarf.<br />
Dies sei ein Ergebnis des vom<br />
BMAS initiierten Dialogprozesses<br />
Arbeiten 4.0. Die Frage der Qualifizierung<br />
sei eine der großen Gestaltungsaufgaben<br />
für die Unternehmen<br />
und ihre Beschäftigten.<br />
Deshalb: „Die Vielfalt und die<br />
Stärken von regionalen Netzwerken<br />
zur Fachkräftesicherung zu<br />
würdigen, ist uns ein besonderes<br />
Anliegen“, betonte der Staatssekretär.<br />
Dies seien Vorteile, die<br />
dabei helfen würden, die zukünftigen<br />
Herausforderungen der<br />
Fachkräftesicherung und der Digitalisierung<br />
zu meistern.<br />
Angesichts des Vormarsches von<br />
Algorithmen und Robotern und<br />
den damit einhergehenden Jobverlusten,<br />
insbesondere bei einfachen<br />
Tätigkeiten, sagt Elke<br />
Lillich: „Ich denke, da sitzt unsere<br />
Aufgabe, zu qualifizieren.“<br />
Verbunden mit der Prognose der<br />
schwindenden Arbeitsplätze in<br />
den kommenden Jahren sieht sie<br />
eine „gesellschaftspolitische Herausforderung,<br />
die wir zu lösen<br />
haben“. Ob es dann eine Maschinensteuer<br />
gebe, ein Bedingungsloses<br />
Grundeinkommen oder andere<br />
Lösungen, ob Arbeit noch<br />
an Einkommen gekoppelt werden<br />
könne – wie auch immer, über Lösungen<br />
müsse auf allen Ebenen<br />
intensiv diskutiert werden. Mit<br />
den Jobverlusten gingen schließlich<br />
auch Kaufkraftverluste einher.<br />
Mit all dem bekräftigt Elke<br />
Lillich auch ihre Forderung nach<br />
mehr Steuergerechtigkeit. So<br />
sollten beispielsweise Gewinne in<br />
dem Land versteuert werden, in<br />
dem sie auch anfallen würden.<br />
NETZWERK<br />
70
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 71
Pforzheim-Enzkreis<br />
Revolutionärer Prozess<br />
Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht nach der Erfindung<br />
des Benz-Motorwagens in den selbst bewegenden Autos<br />
die nächste große gesellschaftliche Veränderung<br />
Foto: Daimler AG<br />
72
Automotive-Branche<br />
in den Spagat gezwungen<br />
Transformationsprozess von herkömmlicher zu digitaler<br />
Produktion nicht in einem Schritt möglich – Pforzheim<br />
schreibt automobile und goldglitzernde Geschichte<br />
Von Gerd Lache<br />
Zwischen beiden Ereignissen liegen<br />
zwar 125 Jahre – aber damals<br />
wie heute mit dramatischen Veränderungen<br />
für Wirtschaft und<br />
Gesellschaft in einer geradezu revolutionären<br />
Weise. Damals, das<br />
war im August 1888, als die gebürtige<br />
Pforzheimerin Bertha Benz<br />
mit ihren beiden Söhnen Eugen<br />
und Richard im ersten Automobil<br />
die weltweit erste Fernfahrt über<br />
eine Distanz von rund 100 Kilometern<br />
von Mannheim in ihre<br />
Heimatstadt unternahm, um die<br />
Familie zu besuchen.<br />
Zu dieser Zeit war die Uhren- und<br />
Schmuckherstellung in Pforzheim<br />
längst etabliert. In einem<br />
Edikt vom 6. April 1767 gestattete<br />
Markgraf Karl Friedrich von Baden<br />
dem Franzosen Jean Francois<br />
Autran die Errichtung einer Taschenuhrenfabrik.<br />
Im selben Jahr<br />
folgte die Erlaubnis zur Erweiterung<br />
in eine Schmuck- und feinen<br />
Stahlwarenfabrik. Heute ist die<br />
Goldstadt der größte Produktionsstandort<br />
der Branche in Deutschland.<br />
Das Jahr <strong>2017</strong> ist gefüllt<br />
mit zahlreichen Jubiläumsevents<br />
zur Feier von „250 Jahre Design,<br />
Schmuck und Uhren“.<br />
Im harten Strukturwandel der<br />
Schmuckindustrie ab den 70er-<br />
Jahren erwies sich der Automobilbereich<br />
zunehmend als Rettungsanker<br />
für viele der Unternehmen.<br />
Viele der innovativen Tüftler und<br />
Denker der Region stellten ihre<br />
Produktionen um und wurden Zu -<br />
lieferer und Dienstleister der großen<br />
Fahrzeughersteller und deren<br />
verwandte Branchen.<br />
Mit ihrem Familienausflug im<br />
August 1888 bewies Bertha Benz<br />
die Alltagstauglichkeit des Automobils.<br />
Erfunden hatte es ihr Ehe -<br />
mann Carl Benz, ein Maschinenbauingenieur,<br />
den die junge Bertha<br />
Ringer 1870 bei einem Ausflug in<br />
Maulbronn kennengelernt hatte.<br />
Mit der Fahrt im dreirädrigen<br />
Patent-Motorwagen Typ III – übrigens<br />
ohne Wissen ihres Gatten –<br />
„Die<br />
Entwicklungen<br />
zeigen, dass für die gesamte<br />
Automobilwirtschaft eine Ära zu<br />
Ende geht. Und die neue Dynamik<br />
im Markt wird von einer veränderten<br />
Erwartungshaltung<br />
der Kunden angetrieben.“<br />
Norbert Dressler, Partner der<br />
Unternehmensberatung Roland Berger,<br />
die den ersten „Automotive<br />
Disruption Radar“<br />
erstellt hat<br />
legte die Pionierin aus Pforzheim<br />
den Grundstein für die spätere<br />
Serienproduktion. Der Rest ist bekannt.<br />
Und heute, das ist die erste erfolgreiche<br />
autonome Fahrt, die ein<br />
Automobilhersteller im August<br />
2013 durch den Alltagsverkehr<br />
vornehmen ließ. Der Mercedes-<br />
Benz S 500 Intelligent Drive bestand<br />
auf eben der historisch-legendären<br />
Bertha-Benz-Route mit<br />
seriennaher Technik seine Bewährungsprobe<br />
im Überland- und<br />
Stadtverkehr. Im vergangenen<br />
Jahr unternahm dieser S-Klasse<br />
500er seine letzte Fahrt – ins<br />
Mercedes-Museum. Seit seiner<br />
Jungfernfahrt hat sich die Technik,<br />
beispielsweise intelligente<br />
Assistenzsysteme, weiter entwickelt,<br />
neue Prototypen testen das<br />
Fahren ohne Fahrer. Ende 2016<br />
erteilte das Regierungspräsidium<br />
Das Auto wandelt sich vom Fahrzeug hin zum privaten Rückzugsraum oder zum<br />
digital-technisch gut ausgerüsteten Arbeitsplatz. Foto: Daimler AG<br />
INNOVATION<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 73
Pforzheim-Enzkreis<br />
Wo einst Knöpfe zum Drehen und Drücken waren, befinden sich berührungsempfindliche<br />
Displays. Foto: Daimler AG<br />
Stuttgart dem Autobauer die Genehmigung,<br />
autonome Fahrzeuge<br />
der nächsten Generation auf öffentlichen<br />
Straßen zu testen.<br />
Und war es 1888 der ein oder andere<br />
Zweifler, der dem Transportmittel<br />
ohne Pferde nicht traute, so<br />
sind es heute Skeptiker, die sich<br />
ein fahrendes Auto so ganz ohne<br />
einen Piloten aus Fleisch und Blut<br />
auf unseren Straßen nicht vorstellen<br />
können. Laut Wolfgang<br />
Bernhart von der Unternehmensberatung<br />
Roland Berger müssen<br />
die Kunden erst Vertrauen in die<br />
neue Technik gewinnen. Derweil<br />
zeigen die beiden Ereignisse von<br />
1888 und 2013: Baden-Württemberg<br />
ist traditionell das Autoland<br />
schlechthin. Hier tüftelten neben<br />
Carl Benz auch Erfinder wie Gottlieb<br />
Daimler, Wilhelm Maybach<br />
und Ferdinand Porsche an den<br />
ersten Motoren und Kraftwagen<br />
der Welt. Zusammen mit dem Maschinenbau<br />
gehört die Automobilbranche<br />
laut dem landesweiten<br />
Netzwerk „automotive-bw“ zu den<br />
führenden und umsatzstärksten<br />
Branchen Baden-Württembergs.<br />
Das Statistische Landesamt weist<br />
für 2016 rund 250.000 Beschäftigte<br />
aus, die direkt bei Autobauern<br />
wie Daimler oder Porsche<br />
tätig sind oder die bei unmittelbar<br />
der Branche zuzuordnenden<br />
Unternehmen wie etwa Bosch tätig<br />
sind. Hinzu kommen die weit<br />
über 300.000 Arbeitsplätze im<br />
Maschinenbau und den Zulieferbetrieben<br />
– von denen eine nicht<br />
geringe Anzahl ihren Sitz in der<br />
Region Nordschwarzwald hat. Insgesamt<br />
werden dem Fahrzeugbau<br />
rund 800.000 Arbeitsplätze zugeordnet.<br />
Der Gesamtumsatz betrug<br />
im vergangenen Jahr rund 105<br />
Milliarden Euro.<br />
Unterdessen befindet sich die<br />
Branche in einem nie gekannten<br />
Umbruch. Digitalisierung und E-<br />
Mobilität, autonomes Fahren und<br />
Mobilitätsdienstleistungen wie<br />
Carsharing und Mitfahrmodelle<br />
erfordern teilweise völlig neue<br />
Strategien, Arbeitsweisen, Produktionen<br />
und Antriebstechniken.<br />
Der Daimler-Konzern investiert<br />
rund zehn Milliarden Euro in den<br />
Ausbau seines Elektro-Segments.<br />
Daimler-Vorstand Ola Källenius<br />
glaubt, dass der Wandel zu mehr<br />
Arbeitsplätzen führen wird, denn<br />
„jede industrielle Revolution hat<br />
Die technischen Voraussetzungen sind vorhanden, um Robotern das Fahren von Autos auf öffentlichen Straßen zu überlassen. Foto: Daimler AG<br />
74
Mir gefällt …<br />
INNOVATION<br />
Das autonom fahrende Forschungsfahrzeug F 015 Luxury in Motion hatte 2015 in Las Vegas<br />
seine Premieren-Vorstellung. Foto: Daimler AG<br />
zu mehr Beschäftigung geführt.“<br />
Doch sei es für eine exakte Vorher -<br />
sage noch zu früh, erklärte er beim<br />
„Tag der Automobilindustrie“ in<br />
Nürtingen. Daimler-Personalchef<br />
Wilfried Porth machte deutlich,<br />
dass sich Arbeitsplätze wandeln<br />
werden. „Es werden neue entstehen,<br />
aber auch andere wegfallen.“<br />
Bis 2025 will Daimler mehr als<br />
zehn Elektrofahrzeug-Typen anbieten.<br />
Als erstes Modell soll ein<br />
Stadtgeländewagen mit über 500<br />
Kilometern Reichweite auf die<br />
Straße rollen. Laut Daimler-Betriebsratschef<br />
Michael Brecht wür -<br />
de gerade mal noch einer von<br />
sieben Arbeitsplätzen in der Motoren-<br />
und Aggregate-Fertigung<br />
übrig bleiben, rechnete er im Manager-Magazin<br />
vor. „Da müssen<br />
jede Menge Beschäftigte umqualifiziert<br />
werden.“<br />
Die Disruption sei unaufhaltsam,<br />
sagt Roland-Berger-Experte Bernhart.<br />
Die weltweit agierende Unternehmensberatung<br />
hat den ers -<br />
ten „Automotive Disruption Radar“<br />
erstellt. Mehr als 10.000 Verbraucher<br />
in zehn Ländern wurden<br />
befragt. So würden sich beispielsweise<br />
46 Prozent der Befragten<br />
weltweit kein Auto mehr kaufen,<br />
sollten autonom fahrende Taxis,<br />
sogenannte Robocabs, kostengüns -<br />
tiger zur Verfügung stehen. Die<br />
Entwicklung von Robocabs als<br />
Alternative zum eigenen Fahrzeug<br />
wird sich laut Roland Berger<br />
in den kommenden Jahren noch<br />
deutlich beschleunigen.<br />
Ohnehin kämen neue Geschäftsmodelle<br />
zum Zuge. „Die Automobilindustrie<br />
muss viele disruptive<br />
Trends zeitgleich meistern<br />
und dieser radikale Wandel wird<br />
deutliche Folgen für die gesamte<br />
Branche nach sich ziehen“, mahnt<br />
Norbert Dressler, Partner von Roland<br />
Berger. Er sprach von einem<br />
Spagat: Sowohl Hersteller als auch<br />
Zulieferer müssten auf diese Umbrüche<br />
reagieren und neues Potenzial<br />
erschließen. Sie könnten<br />
sich aber nicht komplett von ihrer<br />
bestehenden Infrastruktur lösen,<br />
sondern müssten Transformationsprozesse<br />
durchlaufen. „Darin<br />
besteht die größte Herausforderung<br />
für die Firmen.“ Wer sich<br />
nicht jetzt schon intensiv darauf<br />
vorbereite, der werde langfristig<br />
keine Chance haben.<br />
Derartige Aussagen kann Ciscos<br />
Deutschlandmanager Dr. Bernd<br />
Heinrichs nur unterstreichen. Er<br />
geht noch weiter und provozierte<br />
beim IHK-Zukunftsforum 2030 in<br />
Pforzheim mit der Aussage, dass<br />
bis zum Jahr 2030 rund 40 Prozent<br />
der etablierten und derzeit am<br />
Markt dominierenden Firmen nicht<br />
mehr existieren würden. „Stattdes -<br />
sen erobern neue innovative Player<br />
die verschiedenen Industrien.“<br />
Angefangen habe dies im Handel<br />
und in den Banken und finde seine<br />
Fortsetzung im Automobilbereich.<br />
Peter Boch, Oberbürgermeister<br />
der Stadt Pforzheim,<br />
Foto: Janusch Tschech<br />
Die Stadt Pforzheim besitzt als<br />
innovativer Wirtschaftsstandort<br />
so manches „Aushängeschild“,<br />
welches mitunter nicht jedermann<br />
bekannt ist. Das betrifft<br />
beispielsweise die hoch innovative<br />
und leistungsstarke Zulieferbranche<br />
im Bereich Automotive.<br />
Dass Stuttgart als eine<br />
Hauptstadt des Automobils gilt,<br />
ist unumstritten. Mit seinen<br />
spezifischen Kompetenzen und<br />
Erfahrungen hält Pforzheim<br />
aber gekonnt mit der Landesmetropole<br />
Schritt: Unsere Unternehmen<br />
dieser Branche – vor<br />
allem der Metall verarbeitenden<br />
Präzisionstechnik – setzen<br />
in Produktion, Fertigung und<br />
Entwicklung ausgeprägte technisch-innovative<br />
Akzente und<br />
gestalten den „State of the art“<br />
verschiedenster Technologien<br />
aktiv und initiativ mit. Für die<br />
Wirtschaft unserer Stadt sind<br />
sie von großer Bedeutung und<br />
ein wichtiges Standbein, auf<br />
das wir mit Stolz blicken und<br />
das die Stadtverwaltung auch<br />
weiterhin unterstützen wird.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 75
Pforzheim-Enzkreis<br />
Wirtschaftlicher Kompetenz-<br />
Standort und attraktiver<br />
Lebensraum für Familien<br />
Pforzheim gilt als Hauptstadt der Präzisionstechnik –<br />
zu den Schwerpunktbranchen gehören Automotive,<br />
Medizin-/Dentaltechnik sowie Luft- und Raumfahrt<br />
Von Gerd Lache<br />
Aller Anfang war die Uhren- und<br />
Schmuckindustrie. Aus der Gründung<br />
dieses Wirtschaftszweigs im<br />
Jahr 1767 am Waisenhausplatz in<br />
Pforzheim haben sich Unternehmen<br />
entwickelt, die heute Produkte<br />
in höchster Präzision herstellen<br />
und weltweit erfolgreich<br />
am Markt agieren. Ob Zulieferer<br />
der Automobilindustrie oder des<br />
Medizintechnikbereichs – um nur<br />
einige zu nennen –, vieles hat sich<br />
aus den Produktionen der Schmuckbetriebe<br />
heraus entwickelt. Und<br />
längst gehört auch der Landkreis<br />
Enzkreis zu diesem Kompetenz-<br />
Gebilde, der die Stadt geografisch<br />
umrahmt. Über die Zukunftspläne<br />
als attraktiver Wirtschafts- und<br />
Lebensraum berichtet der Direktor<br />
des städtischen Eigenbetriebs<br />
Wirtschaft und Stadtmarketing<br />
Pforzheim (WSP), Oliver Reitz, im<br />
Interview mit <strong>WirtschaftsKRAFT</strong>.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Pforzheim in<br />
Hochform – Herr Reitz, was versteht<br />
der oberste Wirtschaftsförderer<br />
darunter?<br />
Oliver Reitz: HOCHFORM ist eine<br />
Netzwerk-Initiative unseres städtischen<br />
Eigenbetriebs Wirtschaft<br />
und Stadtmarketing Pforzheim<br />
(WSP) zur Unterstützung der Unternehmen,<br />
die ihren Schwerpunkt<br />
in der Metall verarbeitenden Präzisionstechnik<br />
haben und zum<br />
Teil weltweit zu den wichtigsten<br />
Zulieferbetrieben insbesondere in<br />
den Branchen Automotive und<br />
Medizintechnik zählen. Der Wirtschaftsraum<br />
in und um Pforzheim<br />
gilt als der führende Kompetenzstandort<br />
für Präzisionstechnik.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Wie ist diese<br />
Kompetenzbündelung entstanden?<br />
Oliver Reitz: Eine wesentliche<br />
Grundlage hierfür ist die aus der<br />
Schmuckbranche hervorgegangene<br />
Kompetenz, Metall mit größter<br />
Präzision zu bearbeiten. Beispiele<br />
für Technologiefelder, die wir<br />
unter ‚Präzisionstechnik‘ zusammenfassen,<br />
sind die Stanztechnik,<br />
die Umformtechnik, der Werkzeug-<br />
und Maschinenbau sowie<br />
die Oberflächentechnik. Relevante<br />
Märkte sind unter anderem die<br />
Bereiche Automotive, Medizinund<br />
Dentaltechnik oder die Luftund<br />
Raumfahrt.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Und wie ist<br />
der WSP hier aktiv?<br />
Oliver Reitz: Mit der Vernetzung<br />
der Akteure hat der WSP die Kontakte<br />
zwischen Unternehmen und<br />
Institutionen aus dem Bereich Forschung<br />
und Entwicklung initiiert<br />
und gefördert. Nicht zuletzt durch<br />
den fachlichen Austausch innerhalb<br />
des HOCHFORM-Netzwerkes<br />
wird die Innovationskraft bei<br />
der Entwicklung neuer Produkte,<br />
Verfahren oder Dienstleistungen<br />
gestärkt. Dank HOCHFORM ist<br />
Pforzheim überregional eine Marke<br />
geworden, was sich mittlerweile<br />
auch bei der Rekrutierung von<br />
Fachkräften für die Betriebe der<br />
Präzisionstechnik positiv bemerkbar<br />
macht.<br />
Zur Pforzheimer Präzisionsbranche gehört auch die Traditionsfirma G. Rau mit ihrer<br />
Produktion, die engste Maßtoleranzen und spezielle Geometrien ermöglicht. Foto: G. Rau<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Nun hat die<br />
Stadt nach längerem Anlauf grünes<br />
Licht für die Finanzierung<br />
76
Zur Person<br />
Sieht mit dem geplanten Zentrum für Präzisionstechnik (ZPT) eine optimale Möglichkeit,<br />
die Unternehmen bei Innovationen und Kooperationen zu unterstützen: Oliver Reitz,<br />
Direktor des städtischen Eigenbetriebs WSP. Foto: Janusch Tschech<br />
des geplanten ZPT, Zentrum für<br />
Präzisionstechnik, erhalten. Was<br />
waren die Hürden?<br />
Oliver Reitz: Um zusätzlich zu den<br />
kommunalen finanziellen Eigenanteilen<br />
auch die erfreulich hohe<br />
Förderung durch EU- und Landesmittel<br />
in einer Höhe von 5,2 Millionen<br />
Euro zu erhalten, musste zunächst<br />
der Gemeinderat der Stadt<br />
Pforzheim einen Beschluss fassen.<br />
In Zeiten einer schwierigen<br />
Haushaltslage wurde das Thema<br />
auf breiter Basis diskutiert, aber<br />
letztlich als wichtige und richtige<br />
Investition in die Zukunft betrachtet.<br />
Besonders hilfreich und<br />
erfreulich zur Finanzierung sind<br />
die zugesagten Beteiligungen des<br />
Landkreises Enzkreis und der im<br />
HOCHFORM-Netzwerk vereinten<br />
Unternehmen. Daneben hat der<br />
WSP weitreichende Einsparungen<br />
bei bestehenden Aktivitäten vorgenommen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Was soll mit<br />
dem Präzisionszentrum geleistet<br />
werden?<br />
Oliver Reitz: Mit dem ZPT wird<br />
für die Branche Präzisionstechnik<br />
in ihrer Hauptstadt Pforzheim<br />
nun auch ein sichtbares Zuhause<br />
geschaffen. Mit dieser industrienahen<br />
Anlaufstelle insbesondere<br />
für kleine und mittlere Unternehmen<br />
wird der Technologietransfer<br />
in idealer Weise umgesetzt. Die<br />
Betriebe erhalten vor allem eine<br />
optimale wissenschaftliche und<br />
technologische Unterstützung im<br />
Bereich Forschung und Entwicklung<br />
sowie bei Innovationen, aber<br />
auch spezifische Angebote zur<br />
Weiterbildung ihrer Beschäftigten.<br />
Als zentrale Plattform wird<br />
das ZPT den engen Austausch von<br />
Kompetenzträgern und Anwendungsbereichen<br />
zum Ziel haben<br />
und nicht zuletzt auch Betrieben<br />
in der Gründungs- und Wachstumsphase<br />
umfassende Hilfestellungen<br />
anbieten können.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Mit der ersten<br />
Fernfahrt eines Automobils<br />
im August 1888 von Mannheim<br />
nach Pforzheim hat Bertha Benz<br />
auch für ihre Heimatstadt Geschichte<br />
geschrieben – welche<br />
Bedeutung hat das Thema Automotive<br />
heute?<br />
Oliver Reitz: Im WSP-Unternehmensregister<br />
sind im Bereich<br />
Pforzheim und Enzkreis 757 Betriebe<br />
ausgewiesen, die in der<br />
Metall verarbeitenden Präzisionstechnik<br />
und hier insbesondere in<br />
der Automobilzulieferbranche tätig<br />
sind. Mit 21.380 sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten erreicht<br />
diese Branche einen Anteil<br />
von 19,7 Prozent. Neben den technologischen<br />
Kompetenzen unserer<br />
Betriebe und nicht zuletzt auch<br />
in verschiedenen Instituten der<br />
Oliver Reitz ist seit 2012 Direktor<br />
des Eigenbetriebs Wirtschaft<br />
und Stadtmarketing<br />
Pforzheim (WSP) mit den Geschäftsbereichen<br />
„Wirtschaftsförderung<br />
und Kommunale<br />
Statistik“, „Standortmarketing“<br />
(mit Innenstadtentwicklung,<br />
Citymarketing und Eventmanagement,<br />
Stadtmarketing und<br />
Kulturmarketing sowie Tourismusmarketing)<br />
und „Hallen<br />
und Messen“ (CongressCentrum<br />
und Eissporthalle St. Maur).<br />
Reitz wurde 1969 in Witten an<br />
der Ruhr geboren und studierte<br />
Wirtschaftsgeografie, Öffentliches<br />
Recht, Verkehrswesen und<br />
Raumplanung in Bochum. Als<br />
Wirtschaftsförderer war er in<br />
Essen, Hagen, Leverkusen sowie<br />
in den Landkreisen Starnberg<br />
und Miesbach tätig. Als<br />
Referent des Landtagsabgeordneten<br />
Oliver Wittke (NRW)<br />
sowie als Leiter des Berliner<br />
Business Location Centers und<br />
als Leiter der Universitätsentwicklung<br />
an der privaten Zep -<br />
pelin Universität in Friedrichshafen<br />
gewann er auch außerhalb<br />
der kommunalen Wirtschaftsförderung<br />
berufliche Erfahrun -<br />
gen. Der Fan des FC Bayern und<br />
Fachmann der Oldtimer-Szene<br />
wohnt mit seiner Ehefrau und<br />
seinem Sohn in Pforzheim. pm<br />
www.ws-pforzheim.de<br />
INTERVIEW<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 77
Pforzheim-Enzkreis<br />
Hochschule Pforzheim möchte ich<br />
gerne den weltweit geschätzten<br />
Studiengang Transportation Design<br />
erwähnen, der die Pforzheimer<br />
Absolventen befähigt, in<br />
entscheidenden Positionen bei den<br />
Automobilkonzernen das Design<br />
der Fahrzeuge von morgen zu gestalten.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Und welche<br />
Unternehmen können Sie als<br />
Leuchttürme benennen?<br />
Oliver Reitz: Bei dieser hohen Zahl<br />
an durchweg sehr leistungsstarken<br />
Betrieben fällt es schwer, ein -<br />
zelne namentlich herauszugreifen,<br />
zumal mir sehr wichtig erscheint,<br />
dass der Raum Pforzheim eine<br />
wirklich hoher Bandbreite an Zu -<br />
lieferprodukten der Automobilbranche<br />
abdeckt und somit nicht<br />
zu einseitig orientiert ist. Allein<br />
mit der Witzenmann GmbH, dem<br />
weltweit führenden Hersteller von<br />
flexiblen metallischen Elementen,<br />
der Kramski GmbH und ihrer<br />
Kompetenz in der Stanztechnologie<br />
und bei Hybridteilen sowie der<br />
G. Rau GmbH & Co. KG, der Conttek<br />
GmbH, der HMP Umformtechnik<br />
oder der Kleiner GmbH mit<br />
ihren jeweiligen Stärken, beispielsweise<br />
bei Kontaktteilen, im<br />
Werkzeugbau oder in spezifischen<br />
Fertigungsprozessen kommt zum<br />
Ausdruck, welche Bedeutung die<br />
lokale Wirtschaft in und um Pforz -<br />
heim für den globalen Automobilsektor<br />
hat.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Sie persönlich<br />
haben ja eine besondere Affinität<br />
zum Automobil, allerdings<br />
in die Vergangenheit gerichtet.<br />
Oliver Reitz: In den letzten drei<br />
bis vier Jahren sind Oldtimer ver -<br />
stärkt in den Fokus von Kapitalanlegern<br />
und Spekulanten gerückt.<br />
Für mich sind die Automobile<br />
von gestern jedoch ein Stück<br />
Erinnerung, die man sich – gerade<br />
in einer so schnelllebigen und dynamischen<br />
Zeit – gerne bewahrt.<br />
Als Vorsitzender des Vereins<br />
‚Freundeskreis Autokultur Pforzheim‘<br />
teile ich diese Leidenschaft<br />
mit Akteuren aus der Pforzheimer<br />
Wirtschaft und mit „infizierten“<br />
Privatpersonen – auch mit dem<br />
Ziel, dem automobilen Kulturgut<br />
gerade hier in der Geburtsstadt<br />
von Bertha Benz einen würdigen<br />
Stellenwert zu verleihen.<br />
Durch meine Vernetzung in der<br />
bundesweiten Oldtimerszene ist<br />
mir aber auch die beachtliche<br />
Wertschöpfung, die in dieser vermeintlichen<br />
wirtschaftlichen Nische<br />
generiert werden kann, bewusst.<br />
Daher freue ich mich, dass<br />
auch in Pforzheim das klassische<br />
Auto einen Mosaikstein im wirtschaftlichen<br />
Leben darstellt und<br />
insbesondere altbewährte Berufszweige<br />
im Handwerk – von der<br />
Sattlerei bis zum Karosseriebau –<br />
bei uns eine Zukunft haben.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Bleiben wir<br />
bei Zukunft. Die Digitalisierung<br />
sorgt auch in der Automobilbranche<br />
für einen gewaltigen Umbruchprozess.<br />
Können sich die<br />
Zulieferer auf die geänderten Bedingungen<br />
umstellen?<br />
Oliver Reitz: Dies ist eine wirklich<br />
spannende Frage, die wir uns<br />
immer häufiger stellen und die<br />
wir auch bei unseren Unternehmensbesuchen<br />
ansprechen. Vor<br />
Ort in den Betrieben gewinne ich<br />
sehr unterschiedliche Eindrücke.<br />
Oldtimer-Fan und oberster Wirtschaftsförderer der Stadt, Oliver Reitz, begrüßt Teilnehmer der Bertha-Benz-Fahrt. Die Veranstaltung findet<br />
zum Gedenken an die Autopionierin aus Pforzheim statt. Foto: WSP<br />
78
Es gibt durchaus eine recht hohe<br />
Zahl von Unternehmen, die sich<br />
bereits seit einigen Jahren mit<br />
neuen Antriebstechniken, neuen<br />
Trends oder neuen Märkten beschäftigen.<br />
Einige erweitern ihre<br />
Produktpalette hinein in Bereiche<br />
jenseits der Automobilbranche,<br />
andere entwickeln Lösungen, die<br />
für die zukünftige Fahrzeugtechnik<br />
neue Impulse setzen können.<br />
Gleichwohl wird es eine große Herausforderung<br />
sein, sich in immer<br />
kürzeren Zeiträumen neuen technologischen<br />
oder auch politischen<br />
Rahmenbedingungen zu stellen.<br />
Gerade dies ist der Anlass für den<br />
WSP, die Betriebe – unter anderem<br />
durch das Zentrum für Präzisionstechnik<br />
– enger miteinander<br />
und direkt mit der Hochschule<br />
Pforzheim zu vernetzen. Neue und<br />
gewinnbringende Akzente, die<br />
auch für die heimische Automobilbranche<br />
relevant sind, werden<br />
nicht nur durch unser Präzisionstechnologie-Cluster<br />
HOCHFORM,<br />
sondern auch durch unser WSP-<br />
Netzwerk ‚IT + Medien‘ aufgegriffen<br />
oder gesetzt. Das Automobil<br />
wird neben dem Wohnraum und<br />
dem Arbeitsplatz zum dritten<br />
Aufenthaltsort des Menschen. Darauf<br />
wird auch die Pforzheimer<br />
Wirtschaft reagieren müssen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Thema Gewerbeflächen<br />
– da wurde es in<br />
den vergangenen Jahren eng.<br />
Oliver Reitz: Im Bewusstsein, dass<br />
es eng wird und eigentlich seit<br />
geraumer Zeit schon recht eng ist,<br />
haben wir vor drei Jahren ein umfassendes<br />
Gewerbeflächenkonzept<br />
für die Stadt Pforzheim erarbeitet.<br />
Im Bereich der Autobahn -<br />
anschlussstelle Pforzheim-Süd so -<br />
wie nordwestlich der Anschlussstelle<br />
Pforzheim-Nord sind Flächenausweisungen<br />
für gewerbliche<br />
Nutzungen eingeleitet worden.<br />
Diese optimal gelegenen Areale<br />
sind bereits heute stark nachgefragt<br />
und werden mit der Zielsetzung<br />
erschlossen und vermarktet,<br />
eine neue Qualität von Gewerbeflächen<br />
und letztlich somit auch<br />
eine Adressbildung für den jeweiligen<br />
Betrieb zu erwirken.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Neue Qualität<br />
soll heißen?<br />
Oliver Reitz: Parken soll dann<br />
nicht mehr ebenerdig vor den einzelnen<br />
Betriebsstätten erfolgen,<br />
sondern in betriebsübergreifend<br />
genutzten Gemeinschaftsflächen;<br />
den Unternehmen soll durch eine<br />
erst bei den Ansiedlungsgesprächen<br />
anzupassende Detailerschließung<br />
eine größtmögliche Flexibilität<br />
bei der Grundrissgestaltung<br />
ihrer Gewerbeimmobilien eingeräumt<br />
werden, gleichzeitig wollen<br />
wir dafür sorgen, dass durch ansprechende<br />
Fassadengestaltung,<br />
verbindende Grünflächen und An -<br />
gebote für die Beschäftigten (Kin -<br />
derbetreuung, Gastronomie) ein in<br />
jeder Hinsicht attraktiver Standort<br />
für zukunftsorientierte Betriebe<br />
geschaffen wird. Analog zu<br />
den neuen Gewerbegebieten erarbeiten<br />
wir gegenwärtig auch<br />
Strategien für die bestehenden<br />
Flächen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Qualität wird<br />
der Stadt auch als Lebensstandort<br />
attestiert – mit Platz sieben,<br />
noch vor Wiesbaden, in einem<br />
Wirtschaftswoche-Ranking der<br />
besten Städte für Familien.<br />
Oliver Reitz: Eine solch schöne<br />
Platzierung zu erhalten, ist zum<br />
einen eine Ehre und Freude, andererseits<br />
auch Ansporn, an diesem<br />
Qualitätsmerkmal weiter zu<br />
arbeiten. Dies kann nur mit vereinten<br />
Kräften gelingen und ist<br />
eine gemeinsame Aufgabe verschiedenster<br />
Akteure. Aspekte wie<br />
Kinderbetreuung, Freizeitinfrastruktur,<br />
Bildungseinrichtungen<br />
oder auch die Förderung familienfreundlicher<br />
und bezahlbarer<br />
Wohnformen sind nur einige Aufgaben,<br />
denen sich verschiedene Be -<br />
reiche der städtischen Verwaltung<br />
mit hohem Engagement widmen.<br />
Ansiedlungsinteressierte Unternehmen<br />
und insbesondere deren<br />
Mitarbeiter blicken aber auch auf<br />
eine attraktive Innenstadt. Ebenso<br />
wird flächendeckend vorausgesetzt,<br />
dass sowohl ein betrieblicher<br />
Standort als auch der private<br />
Wohnbereich bestmöglich an eine<br />
Breitband- beziehungsweise Glasfaserinfrastruktur<br />
angeschlossen<br />
sind.<br />
„Das Automobil<br />
wird neben dem Wohnraum<br />
und dem Arbeitsplatz<br />
zum dritten Aufenthaltsort<br />
des Menschen. Darauf wird<br />
auch die Pforzheimer Wirtschaft<br />
reagieren müssen.“<br />
Oliver Reitz,<br />
WSP-Direktor<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Nun hat<br />
Pforzheim eine lange Geschichte<br />
seiner Traditionsbranche. Das<br />
Jubiläum ‚250 Jahre Design,<br />
Schmuck und Uhren‘ hat <strong>2017</strong><br />
weit mehr als 200 Events auf<br />
dem Programm. Was sind Ihre<br />
Highlights?<br />
Oliver Reitz: Für viele Pforzheimerinnen<br />
und Pforzheimer waren<br />
die Veranstaltungen in doppelter<br />
Weise bewegend, teils im öffentlichen<br />
Raum wie beim Straßentheater<br />
‚Goldrausch‘ oder bei unseren<br />
Stadtführungen, teils bei großen<br />
Events wie bei der Eröffnungsgala<br />
im CongressCentrum oder in<br />
kleineren Formaten bei Ausstellungen<br />
oder Lesungen. Für den<br />
WSP war unser Veranstaltungsformat<br />
‚Spätschicht‘ mit den Besichtigungen<br />
in sechs Betrieben<br />
eine gute Gelegenheit, den Bürgerinnen<br />
und Bürgern den Wandel<br />
vom Schmuckbereich zu den<br />
Unternehmen der Präzisionstechnik<br />
aufzuzeigen. Mein besonderes<br />
Augenmerk galt der Fotoausstellung<br />
des Fotografen Udo Spreitzenbarth<br />
– auch weil die Motive<br />
in großen Formaten für eine recht<br />
lange Zeit verschiedene Fassaden<br />
in der Pforzheimer Innenstadt in<br />
eine neue Perspektive rückten.<br />
Das Jubiläum wird hoffentlich als<br />
gestärkte Pforzheimer Identität<br />
mit bleibenden positiven Effekten<br />
nachklingen. Über das Jubiläumsjahr<br />
hinaus mag auch der vom WSP<br />
initiierte Imagefilm eindrucksvoll<br />
vermitteln, welches Alleinstellungsmerkmal<br />
die Schmuck -<br />
branche hier im Raum Pforzheim<br />
ausmacht.<br />
INTERVIEW<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 79
Region Schwarzwald<br />
Mit Emotionen und Humor<br />
die Klickzahlen pushen<br />
Schwarzwaldmilch setzt beim Marketing<br />
neben den traditionellen Kommunikationskanälen<br />
auch auf die Wirkung in Sozialen Medien<br />
Von Gerd Lache<br />
Das Logo mit dem roten Bollenhut<br />
über dem grün geschwungenen<br />
Balken mit der Aufschrift<br />
Schwarzwaldmilch ist Milliarden<br />
von Menschen ins Blickfeld geraten<br />
– und im günstigen Fall auch<br />
im Gedächtnis der Konsumenten<br />
haften geblieben. Wie es gelingt,<br />
derart hohe Aufmerksamkeit auf<br />
verschiedenen Kanälen zu erzielen<br />
und wie man einen Viral-Hit<br />
über die Sozialen Medien landen<br />
kann, das erläutert Marketingchefin<br />
Caroline von Ehrenstein im<br />
Interview mit <strong>WirtschaftsKRAFT</strong>.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Frau von Ehrenstein,<br />
die Schwarzwaldmilch<br />
Gruppe konnte mit einer Marketinginitiative<br />
4,4 Milliarden<br />
Kontakte zu potenziellen Kunden<br />
herstellen, wie Sie beim wvib-<br />
Marketingtag erklärt haben. Wie<br />
erzielt man ein solches Ergebnis?<br />
Caroline von Ehrenstein: Wir sind<br />
seit Juli 2016 Haupt- und Trikotsponsor<br />
des Bundes-Erstligisten<br />
SC Freiburg. Ein solches Sponsoring<br />
sorgt für eine hohe Medienpräsenz.<br />
Dank der Abbildung unseres<br />
Logos auf dem Trikot, den<br />
Banden, dem Mannschaftsbus, den<br />
Trainingsbekleidungen und vielem<br />
mehr erscheint unsere Marke im<br />
TV, in regionalen und nationalen<br />
Zeitungen, Zeitschriften, auf Plakaten,<br />
im Web und im Stadion.<br />
Durch aktive Vernetzungsmaßnahmen<br />
wie Promotions und Gewinnspiele<br />
kann man die Medienpräsenz<br />
darüber hinaus weiter<br />
ausbauen und unsere enge Verbindung<br />
zum SC Freiburg verdeutlichen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Wie haben<br />
Sie die Zahl berechnet?<br />
Caroline von Ehrenstein: Es ist<br />
ein Zusammenspiel aus allen Kontakten<br />
mit dem Haupt- und Trikotsponsor,<br />
die durch die relevanten<br />
Werbemittel in Bundesligapartien<br />
einer Saison erzielt werden: TV,<br />
Online, Print und Stadion. Die<br />
höchsten Kontakte kommen dabei<br />
aus dem TV. Die rund 4,4 Milliarden<br />
Kontakte beziehen sich auf<br />
eine Analyse aus dem Jahr 2015<br />
der Firma Nielsen Sports. Auch<br />
wir führen seit unserem Sponsoring<br />
kontinuierlich Media-Evaluationen<br />
und Marktforschungen<br />
durch, um die Sponsoring-Kontakte<br />
zu erfassen und unsere Entwicklung<br />
der Markenbekanntheit<br />
und unseres Markenimages analysieren<br />
zu können.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Welche Zielgruppe<br />
und welche Wirkung stehen<br />
mit diesem Sport-Sponsoring<br />
Besiegeln ihre Sponsoring-Partnerschaft mit einem Schluck Milch: Schwarzwaldmilch-Geschäftsführer Andreas Schneider (links)<br />
und SC-Freiburg-Präsident Fritz Keller mit dem Schwarzwaldmädel der Molkerei. Foto: Schwarzwaldmilch<br />
80
im Fokus – eigentlich bringt man<br />
Fußball eher mit Bier in Verbindung?<br />
Caroline von Ehrenstein: Unser<br />
Angebot an Milchprodukten ist<br />
vielfältig und bedient grundsätzlich<br />
eine breite Zielgruppe. Der<br />
Fußball ist die beliebteste Sportart<br />
Deutschlands und emotionalisiert<br />
wie kein anderer Sport. Für<br />
uns muss ein Sponsoring mehrere<br />
Punkte erfüllen: Es muss ein<br />
Partner sein, der hinsichtlich des<br />
Images, seiner Werte und seiner<br />
Herkunft optimal zu uns passt,<br />
der eine hohe Medienpräsenz hat<br />
und die Menschen emotional anspricht.<br />
Alle Punkte sehen wir bei<br />
unserem SC-Hauptsponsoring als<br />
erfüllt an. In diesem Mix sorgt<br />
ein Sportsponsoring nicht nur für<br />
eine Steigerung der Markenbekanntheit,<br />
sondern auch für einen<br />
Imagetransfer, der unser bestehendes<br />
Markenimage nicht verändert,<br />
sondern verfestigt.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Welche Sum <br />
me hat Schwarzwaldmilch dafür<br />
hingeblättert?<br />
Caroline von Ehrenstein: Der<br />
Sponsoringbetrag ist für uns tragbar<br />
und leistungsgerecht. Eine<br />
exakte Summe kommunizieren<br />
und kommentieren wir nicht, da<br />
es sich um einen zentralen Vertragsgegenstand<br />
handelt.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Nun haben<br />
Sie einen weiteren Coup gelandet:<br />
Das in der Stuttgarter Innenstadt<br />
produzierte Video „Schwarzwaldmilch<br />
bringt den Schwarzwald<br />
in die Stadt“ brachte via<br />
Facebook und Co. rund 600.000<br />
Kontakte. Wen haben Sie damit<br />
erreicht?<br />
Caroline von Ehrenstein: Die Ziel -<br />
gruppe unseres viralen Videos<br />
waren Frauen und Männer im<br />
Alter von 20 bis 40 Jahren aus<br />
Baden-Württemberg beziehungsweise<br />
aus Rheinland-Pfalz. Knapp<br />
Dreiviertel aller Views waren Personen<br />
im Alter zwischen 18 und<br />
44 Jahren. Davon kamen 66 Prozent<br />
aus Baden-Württemberg, 23<br />
Prozent aus Rheinland-Pfalz. Mit<br />
diesen Ergebnissen sind wir sehr<br />
zufrieden.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Was sollte<br />
mit diesem Viral-Marketing erreicht<br />
werden?<br />
Caroline von Ehrenstein: Unser<br />
Ziel war es, unsere Markenbekanntheit<br />
in der Zielgruppe zu<br />
steigern und unser Image zu<br />
schärfen. Die Markenbekanntheit<br />
konnten wir durch die über<br />
600.000 Kontakte ausbauen. Das<br />
Image sollte die Themen Regionalität,<br />
Natürlichkeit, das erfrischend-echte<br />
unserer Marke,<br />
die Sympathie und Authentizität<br />
widerspiegeln. Die zentrale Botschaft<br />
‚Wir holen den Schwarzwald<br />
in die Stadt‘ und die im Film<br />
umgesetzte Verbindung von Tradition<br />
und Moderne versucht genau<br />
diese Imagewerte zu kommunizieren.<br />
Die Marke Schwarzwaldmilch<br />
kann somit witzig und erfrischend<br />
sein und steht dennoch für Tradition<br />
und Natürlichkeit.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Wie hoch war<br />
der personelle und finanzielle<br />
Aufwand?<br />
Caroline von Ehrenstein: Wir haben<br />
das Video mit unserer Agentur<br />
umgesetzt. Die Vorbereitungen<br />
dauerten viele Monate, da jedes<br />
Detail vorab perfekt passen musste.<br />
Der Personalstab bestand aus<br />
über 40 Personen. Das Filmteam,<br />
die Agentur, unsere Markenbotschafterin<br />
Anna, Tänzerinnen, die<br />
Blaskapelle, Komparsen für das<br />
Einschieben der Schwarzwaldwelt<br />
und unsere zwei Trachtendamen.<br />
Der finanzielle Aufwand war sicherlich<br />
höher als ein Standardfilm,<br />
jedoch überschaubar, wenn<br />
man diesen in ein Kosten-Nutzen-<br />
Verhältnis setzt.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Was ist Ihr<br />
Rat für ein Unternehmen, das<br />
ebenfalls einen solchen viralen<br />
Hit anstrebt?<br />
Caroline von Ehrenstein: Ich<br />
empfehle mit einer Agentur zusammenzuarbeiten,<br />
die auf Erlebniskommunikation<br />
spezialisiert<br />
ist, denn die Vorbereitungen sind<br />
umfangreich. Wenn man einen erfolgreichen<br />
viralen Film produzieren<br />
möchte, muss man als Marke<br />
zum einen bereits seit einiger Zeit<br />
in den sozialen Medien aktiv sein<br />
Marketing-Chefin Caroline von Ehrenstein<br />
von Schwarzwaldmilch in Freiburg.<br />
Foto: Schwarzwaldmilch<br />
Zur Person<br />
Caroline von Ehrenstein<br />
Die studierte Kommunikationsund<br />
Wirtschaftswissenschaftlerin<br />
Caroline von Ehrenstein<br />
(32) war von 2011 bis 2014<br />
Trade Marketing Manager und<br />
Produkt Manager bei dem französischen<br />
Molkereikonzern Lac -<br />
talis am Standort Kehl am<br />
Rhein. Seit September 2014<br />
arbeitet sie bei der Schwarzwaldmilch<br />
Gruppe am Standort<br />
Freiburg. Begonnen als Produkt<br />
Manager, ist sie seit Juni 2015<br />
für die Leitung der Bereiche<br />
Marketing und Kommunikation<br />
verantwortlich. pm/gel<br />
INTERVIEW<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 81
Region Schwarzwald<br />
Fachbegriffe<br />
Virales Marketing bedient sich<br />
sozialer Netzwerke und Medien,<br />
um mit einer meist ungewöhnlichen,<br />
hintergründigen oder<br />
amüsanten Darstellung auf eine<br />
Marke, ein Produkt oder eine<br />
Kampagne aufmerksam zu machen.<br />
Als bekannteste Form<br />
dieser „Virus ähnlichen“ Verbreitung<br />
im Netz gilt das virale<br />
Video, auch Viralspot oder<br />
Viralclip genannt. Die gesamte<br />
Gestaltung der Viralclips ist in<br />
der Konzeptionsphase dem Ziel<br />
untergeordnet, im Internet leicht<br />
verbreitet werden zu können.<br />
Blickfang in Stuttgart bei den Filmaufnahmen für ein Viral-Marketing-Video: Schwarzwaldmilch-Botschafterin<br />
inmitten von Bollenhut-Trägerinnen. Foto: Schwarzwaldmilch<br />
und eine Grundbasis an Fans beziehungsweise<br />
Followern haben.<br />
Kooperationspartner sind darüber<br />
hinaus häufig eine gute Möglichkeit,<br />
um den viralen Effekt deutlich<br />
zu erhöhen. Falls dies noch<br />
nicht ausreicht, so kann man mit<br />
einem sogenannten „Viral Seeding“<br />
weitere große Plattformen<br />
– etwa Blogs, soziale Video -<br />
kanäle und Facebook-Fanseiten –<br />
gegen Bezahlung belegen und so<br />
die Zugriffszahlen in bestimmten<br />
Zielgruppen weiter ausbauen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Was haben Sie<br />
noch in der Marketing-Pipeline?<br />
Caroline von Ehrenstein: Wir<br />
haben viel vor. Am 20. August<br />
haben wir unser neues Video zur<br />
Saisoneröffnung des SC Freiburg<br />
veröffentlicht. Hier stellen wir<br />
ganz bewusst die wahren VIPs<br />
ins Zentrum: die SC-Fans. Der<br />
Film zeigt die Emotionen, die<br />
Vorfreude und die Verbindung<br />
zwischen der Schwarzwaldmilch<br />
und dem SC Freiburg. Dabei haben<br />
wir mit vielen SC-Sponsoren<br />
zusammengearbeitet. Den neuen<br />
Film kann man in allen unseren<br />
Onlinekanälen sehen und auf der<br />
SC Freiburg Facebookseite. Neben<br />
SC Freiburg Aktivierungen stehen<br />
selbstverständlich auch besondere<br />
Marken- und Produktmaßnahmen<br />
außerhalb des Sponsorings an. Wir<br />
möchten den Verbrauchern die<br />
Marke Schwarzwaldmilch und somit<br />
ihre Identität und Philosophie<br />
auf allen Wegen näherbringen.<br />
Link zum Viral-Video:<br />
www.schwarzwaldmilch.de/<br />
ueber-schwarzwaldmilch/<br />
aktivitaeten-unterhaltung<br />
Seeding kommt aus dem Englischen<br />
„impfen“ oder „aussäen“.<br />
Es bezeichnet das strategische<br />
und zielgruppengerichtete Platzieren<br />
und Verbreiten viraler<br />
Botschaften in einem relevanten<br />
Online- und Interessenumfeld.<br />
Neben einer effektvollen Kreatividee<br />
wird eine ausgeklügelte<br />
Seedingstrategie inzwischen als<br />
entscheidend für den Erfolg einer<br />
viralen Marketingkampagne<br />
gesehen. Die Platzierung der<br />
Werbebotschaft erfolgt beispielsweise<br />
über Video- oder Bildportale<br />
wie beispielsweise YouTube<br />
oder Flickr sowie über Blogs,<br />
Foren oder Internetseiten. Spezialisierte<br />
Agenturen, sogenannte<br />
Seeding-Agenturen, platzieren<br />
und verbreiten virale Inhalte<br />
im Netz. wiped<br />
82
Digitalisierung ist Teil der strategischen<br />
Ausrichtung<br />
Schwarzwaldmilch Gruppe agiert als wirtschaftliche Keimzelle<br />
der Genossenschaft mit ihren rund 1100 Mitgliedern<br />
Von Gerd Lache<br />
Das Dach ist eine genossenschaftliche<br />
Organisation mit rund 1100<br />
bäuerlichen Familienbetrieben als<br />
Mitglieder, darunter Bauern aus Baden-Württemberg<br />
mit dem Schwerpunkt<br />
Schwarzwald. Sie halten die<br />
Anteile an der operativen Einheit<br />
und wirtschaftlichen Keimzelle der<br />
Genossenschaft, der Schwarzwaldmilch<br />
GmbH in Freiburg mit ihrem<br />
Tochterunternehmen in Offenburg.<br />
Diesen beiden Unternehmen mit<br />
rund 370 Beschäftigten steht seit<br />
Oktober 2013 Andreas Schneider<br />
als Alleingeschäftsführer vor. Der<br />
Aufsichtsrat mit Markus Kaiser als<br />
Vorsitzendem ist genossenschaftlich<br />
besetzt.<br />
Am Standort Freiburg konzentriert<br />
sich Schwarzwaldmilch auf Markenartikel<br />
und Frischeprodukte<br />
(Milch, Butter, Joghurt, Sahne) mit<br />
Vertriebsschwerpunkt Baden-Würt -<br />
temberg und angrenzende Bundesländer,<br />
exportiert aber auch ins<br />
Ausland. Offenburg ist auf Pulverprodukte<br />
spezialisiert und vertreibt<br />
an Industriekunden weltweit. Zwei<br />
Drittel des Export-Umsatzes decken<br />
die Offenburger Produkte ab.<br />
Schwarzwaldmilch gilt als größter<br />
Biovermarkter für Milchprodukte<br />
im Südwesten. Mit der Marke LAC<br />
laktosefrei – sie wird deutschlandweit<br />
verkauft – „sind wir die Nummer<br />
eins in Baden-Württemberg<br />
und mit unserer Frischmilch Marktführer<br />
in Deutschland“, sagt Geschäftsführer<br />
Schneider.<br />
Im vergangenen Jahr erzielte<br />
Schwarzwaldmilch den zweithöchsten<br />
Auszahlungspreis an seine<br />
Mitglieder „und in Baden-Württemberg<br />
den höchsten“, sagt Schneider.<br />
Für <strong>2017</strong> rechnet der Geschäftsführer<br />
mit einem zweistelligen Umsatzplus.<br />
Im nicht ganz einfachen<br />
Jahr davor wurden 163,1 Millionen<br />
Euro erwirtschaftet. Der Konzernbilanzgewinn<br />
lag bei zwei Millionen<br />
Euro, die Eigenkapitalquote<br />
beträgt 46,8 Prozent. „Wir sind<br />
kerngesund“, konstatiert Schneider.<br />
Zu den strategischen Themenfeldern<br />
des Unternehmens zählt die<br />
Digitalisierung. Der weltweite digitale<br />
Wandel wird seiner Ansicht<br />
nach eher Arbeitsplätze im niedrig<br />
qualifizierten Sektor kosten, „aber<br />
dafür ist in höher qualifizierten<br />
Bereichen die Anforderung umso<br />
größer“.<br />
Entsprechend ist bei Schwarzwaldmilch<br />
die interne Weiterbildung ein<br />
Schwerpunkt mit verschiedenen<br />
Programmen. Für die Arbeitsplätze<br />
werden beispielsweise Qualifikationsprofile<br />
erstellt. Zeige ein Stelleninhaber<br />
beim Matching Schwächen,<br />
„dann wird er einer Schulung<br />
zugeführt“, erklärte Schneider.<br />
Vor zwei Jahren sei für die zweite<br />
Leitungsebene ein Führungskräftetraining<br />
etabliert worden, das<br />
seit Januar <strong>2017</strong> „auf die dritte und<br />
vierte Ebene ausgerollt worden ist“.<br />
Darüber hinaus begegne das Unternehmen<br />
dem leer gefegten Arbeitsmarkt<br />
mit dem Heranbilden seiner<br />
künftigen Fachkräfte im eigenen<br />
Haus. Die Ausbildungsquote bei<br />
Schwarzwaldmilch wird mit durchschnittlich<br />
zehn Prozent angegeben.<br />
In der Planung ist als eigenes Profit-Center<br />
eine Käserei. Rund acht<br />
Millionen Euro investiert Schwarzwaldmilch<br />
in das Projekt. 2018 soll<br />
mit der Realisierung begonnen<br />
werden. Wo der Standort sein wird,<br />
darüber hält sich Schneider noch<br />
bedeckt. Sicher sei lediglich, irgendwo<br />
im Schwarzwald. Geplant<br />
sei, dass diese Manufaktur maximal<br />
1000 Tonnen Käse pro Jahr<br />
herstelle. Der Fokus liege auf einem<br />
handwerklich und qualitativ hochwertigen<br />
Produkt.<br />
PORTRÄT<br />
Ihren „Rohstoff“ bezieht Schwarzwaldmilch von regionalen Familienbetrieben.<br />
Foto: Schwarzwaldmilch<br />
Zahlen und Fakten<br />
Rund 1100 bäuerliche<br />
Familienbetriebe beliefern<br />
die Schwarzwaldmilch.<br />
Jeder Bauernhof hat durchschnittlich<br />
30 Milchkühe.<br />
Jede Kuh gibt pro Tag durchschnittlich<br />
rund 20 Liter Milch.<br />
Bis zu 23.000 Liter Frischmilch<br />
passen in einen Milchtank-<br />
Lastwagen mit Anhänger.<br />
Pro Tag werden rund 600.000<br />
Liter Milch bei Schwarzwaldmilch<br />
veredelt.<br />
Es gibt weit über 100 Schwarzwaldmilch-Produkte.<br />
gel<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 83
Goldrausch im<br />
Nordschwarzwald<br />
Alpirsbacher Klosterbräu lässt die Konkurrenz<br />
bei internationalen Wettbewerben hinter sich –<br />
Gourmets kombinieren Bier mit Käse<br />
Von Gerd Lache<br />
Bei einem der härtesten Bier-<br />
Wettbewerbe der Welt, dem World<br />
Beer Award in London, hat sich<br />
eine Brauerei aus dem südlichsten<br />
Teil des Nordschwarzwaldes<br />
schon mehrmals gegen die Konkurrenz<br />
aus Deutschland, Europa<br />
und Übersee durchgesetzt. So<br />
wurde beispielsweise Alpirsbacher<br />
Klosterbräu Alkoholfrei als weltbestes<br />
Lager-Bier seiner Art ausgezeichnet.<br />
Beim European Beer<br />
Star hievte die Jury in der Königsklasse<br />
der Biere das Pils aus<br />
dem Schwarzwald auf Platz eins –<br />
um nur einiges zu nennen. Nicht<br />
genug dieses Medaillen-Goldrauschs:<br />
Mehrere weitere Biersorten<br />
aus Alpirsbach belegten einen<br />
der vorderen Plätze in Silber oder<br />
Bronze.<br />
Neben der Kunst seiner Brauer,<br />
den besonderen Rezepturen, den<br />
ausgewählten Rohstoffen und<br />
dem kompromisslosen Qualitätsanspruch<br />
nennt der Inhaber in<br />
vierter Generation, Carl Glauner,<br />
das „berühmte Brauwasser“ aus<br />
dem Schwarzwald als weiteren<br />
Bestandteil des Erfolgs. Baden-<br />
Württembergs drittgrößte Privatbrauerei<br />
kann aus eigenen Quellen<br />
aus einem Naturschutzgebiet in<br />
der Nähe der Brauerei-Standortes<br />
schöpfen. Das Wasser zeichnet<br />
sich durch seine Weichheit und<br />
Reinheit aus. Auch digitale Technologie<br />
hat Einzug gehalten.<br />
Die Biersommeliers bei Alpirsbacher Klosterbräu, Hartmut John (links)<br />
und Mehmet Yilmaz, empfehlen Käse zum Brauprodukt. Foto: Doris Löffler<br />
Entgegen dem allgemeinen Rückgang<br />
in der Branche sehen sich<br />
die Alpirsbacher als freie Brauer<br />
im Nischensegment Spezialitäten<br />
wirtschaftlich gut aufgestellt.<br />
Die Strategie lautet Qualität statt<br />
Quantität. Mit Premiumprodukten<br />
im oberen Preissegment setzen<br />
sich die Nordschwarzwälder von<br />
der Massenherstellung und der<br />
Billig-Discount-Philosophie deutlich<br />
ab. Dosenbiere sind längst<br />
aus der Produktion verbannt.<br />
Stattdessen wurden hochwertige<br />
Brau-Produkte wie das Gourmet-<br />
Bier Ambrosius eingeführt – in<br />
einer Aufmachung mit Kork und<br />
Drahtverschluss und in einer Geschmacksvariante,<br />
dass sie jedem<br />
Anspruch eines Feinschmecker-<br />
Restaurants standhalten können.<br />
Apropos Feinschmecker: Waren<br />
Wein und Käse früher in jedem<br />
guten Restaurant eine ausschließliche<br />
Symbiose, haben Gourmets<br />
inzwischen die Kombination von<br />
hochwertigen Biersorten und dem<br />
veredelten Milcherzeugnis entdeckt.<br />
Allerdings braucht’s dazu<br />
eine gute Kenntnis, denn nicht<br />
jedes Bier harmoniert mit jedem<br />
Käse, erklären die beiden geprüften<br />
Biersommeliers bei Alpirsbacher<br />
Klosterbräu, Hartmut John<br />
und Mehmet Yilmaz. „Bier ist<br />
kein reines Durstgetränk, sondern<br />
ein Kulturgut“, sagt John.<br />
Der gelernte Tourismuskaufmann<br />
und sein Kollege schulen unter<br />
anderem Angestellte in Gastronomie<br />
und Hotellerie sowie Kunden<br />
der Brauerei und Endverbraucher<br />
darin, welches Bier zu welchen<br />
Speisen serviert werden sollte.<br />
Beispiele: Ein spritziges helles<br />
Weizen zu Fisch oder Salat, zu<br />
Wild eher ein dunkles Bier. Und<br />
wie wird mit Käse kombiniert?<br />
Zu einem Schweizer Hartkäse wie<br />
dem Greyerzer könne hervorragend<br />
das charaktervolle „Ambrosius“<br />
kredenzt werden, Camembert<br />
harmoniere gut mit Starkbier<br />
und ein Weizen vertrage sich<br />
bestens mit Weichkäse. Selbst<br />
Schokolade könne mit Bier kombiniert<br />
ein besonders positives Geschmackserlebnis<br />
sein. Die beiden<br />
Sommeliers aus Alpirsbach empfehlen<br />
dazu ein edles obergäriges<br />
Gebräu.<br />
PORTRÄT<br />
84
METALLE SIND<br />
UNSERE WELT<br />
G.RAU GmbH & Co. KG ist ein weltweit agierendes, mittelständisches Unternehmen der metallverarbeitenden<br />
Industrie und spezialisiert auf dem Gebiet der Halbzeugfertigung aus Edelmetallen, Sonderlegierungen und<br />
Verbundwerkstoffen sowie der Herstellung von Teilen und Baugruppen.<br />
Mit rund 600 Mitarbeitern werden in drei Werken in Pforzheim, einer Niederlassung in den USA und einem Standort<br />
in Costa Rica Produkte entwickelt, produziert und vertrieben. Ebenfalls zur G.RAU-Unternehmensgruppe<br />
gehören die beiden in Pforzheim ansässigen Unternehmen EUROFLEX GmbH und ADMEDES GmbH. Beide<br />
Unternehmen sind Weltmarktführer in Teilbereichen der Medizintechnik.<br />
■ Bänder aus Kontaktbimetall und Thermobimetall<br />
■ Kontakt- und Stanzbiegeteile, Baugruppen<br />
■ Tiefziehteile, Fließpressteile und Kontaktniete<br />
■ Kontakt- und Miniprofile<br />
■ Rohre, Drähte und Profile<br />
■ Metall-Kunststoff-Verbund-Teile<br />
g-rau.de<br />
■ Aktoren aus Thermobimetall und Formgedächtnislegierungen<br />
■ Oberflächentechnik<br />
G.RAU GmbH & Co. KG, Kaiser-Friedrich-Str. 7, 75172 Pforzheim<br />
Tel.: +49 (0) 7231 / 208-0, Fax +49 (0) 7231 / 208-7599, info@g-rau.de
Region Nordschwarzwald<br />
Die Geschichte vom<br />
tapferen Holzhauer<br />
In Alpirsbach wird mit dem Schwarzwald-<br />
Michel ein exklusives Bier für Edeka gebraut,<br />
das an die Tradition der Region erinnert<br />
Brauereichef Carl Glauner präsentiert<br />
stolz das Schwarzwald-Michel-Bier.<br />
Foto: Doris Löffler<br />
Von Gerd Lache<br />
Seit März <strong>2017</strong> beliefert Alpirsbacher<br />
Klosterbräu die Edeka Südwest<br />
GmbH mit einer exklusiv für diesen<br />
Kunden hergestellten Biersorte<br />
namens „Schwarzwald Michel“.<br />
Das Unternehmen mit Sitz in Offenburg<br />
ist die zweitgrößte von<br />
sieben Regionalgesellschaften der<br />
Edeka-Gruppe. Das Absatzgebiet um -<br />
fasst Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz,<br />
das Saarland, Südhessen<br />
und Teile von Bayern. Über die -<br />
sen besonderen Auftrag von Edeka<br />
an die Brauerei im Nordschwarzwald<br />
spricht Inhaber Carl Glauner<br />
im Interview mit <strong>WirtschaftsKRAFT</strong>.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Herr Glauner,<br />
wie kam es zu dieser Zusammenarbeit<br />
mit Edeka?<br />
Carl Glauner: Wir stehen kurz vor<br />
dem 50-jährigen Jubiläum unserer<br />
Zusammenarbeit mit der<br />
Edeka. Die Edeka kam mit der<br />
konkreten Anfrage auf uns zu, für<br />
sie ein Produkt zu entwickeln, das<br />
der ‚guten alten Zeit‘ entstammt<br />
und die Werte unserer Marke aufnimmt,<br />
also Schwarzwald, handwerkliche<br />
Braukunst und das berühmte<br />
Brauwasser.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Gab es beson <br />
dere Herausforderungen bei der<br />
Umsetzung?<br />
Carl Glauner: Die neue Flaschenform,<br />
die es auch in unserem Haus<br />
bis in die 1990er-Jahre hinein gab,<br />
stellte uns vor die größte technische<br />
Herausforderung. Hier waren<br />
Umbaumaßnahmen an Maschinen<br />
notwendig, im Verpackungsbereich<br />
haben wir gar eine komplett<br />
neue Maschine angeschafft, die<br />
nun wesentlich flexibler mit den<br />
unterschiedlichen Flaschenformaten<br />
umgehen kann. Auch die Leergutberechnung<br />
ist für ein Sonderprodukt<br />
immer ein aufwendiger<br />
und risikoreicher Prozess. Stimmen<br />
die Erwartungen dann auch<br />
mit der Realität überein? Haben<br />
wir genügend oder zu viel Leergut?<br />
Gebraut mit dem „berühmten Wasser“ aus dem Alpirsbacher Naturschutzgebiet: das Klosterbräu. Bei der Produktion wird längst digitale<br />
Technologie eingesetzt. Foto: Jan-Philipp Strobel<br />
86
Die Lieferzeiten hier sind sehr<br />
lang, sodass man sehr vorsichtig<br />
sein muss.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Warum sollte<br />
es speziell ein Schwarzwald-<br />
Bier sein?<br />
Carl Glauner: Wir wollten eine<br />
glaubwürdige Schwarzwald-Geschichte<br />
aus unserer Heimat erzählen.<br />
Der nördliche Schwarzwald<br />
war immer sehr stark von der<br />
Forstwirtschaft geprägt und weniger<br />
landwirtschaftlich genutzt.<br />
Was liegt daher näher, als zu den<br />
Ursprüngen zurückzukehren und<br />
die Geschichte vom tapferen und<br />
fleißigen Holzhauer Michel zu erzählen,<br />
der sich nach getaner Arbeit<br />
auf ein kühles Bier freut.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Wie unterscheidet<br />
sich Schwarzwald-Michel<br />
geschmacklich von den anderen<br />
Alpirsbacher Bieren?<br />
Carl Glauner: Es ist ein klassisches<br />
Helles. Diese Sorte ist von<br />
der Typik her mild und insgesamt<br />
etwas leichter als unser Spezial<br />
oder unser Pils. Auch das passt<br />
zur Geschichte. Nach harter körperlicher<br />
Arbeit genießt man gerne<br />
ein leichtes, erfrischendes Bier.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Wie reagieren<br />
die Verbraucher auf das exklusive<br />
Gebräu?<br />
Carl Glauner: Wir erfahren sehr<br />
positive Resonanz von den Endkunden.<br />
Wöchentlich erreichen<br />
uns viele Mails, die das Produkt<br />
loben. Manchmal gibt es aber<br />
auch Kritik, dass das Produkt nur<br />
bei Edeka erhältlich ist und nicht<br />
in anderen Märkten. Das verstehen<br />
wir, aber hier stehen wir zu<br />
unserem Wort.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Und wo stehen<br />
die Biere in den Regalen?<br />
Carl Glauner: Der Schwarzwald-<br />
Michel ist in nahezu allen Märkten<br />
der Edeka Südwest vertreten.<br />
Dies umfasst das Gebiet Baden-<br />
Württemberg, Rheinland-Pfalz,<br />
Saarland und Teile von Hessen.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Welche Vertriebswege<br />
nutzt Ihre Brauerei<br />
insgesamt für die Produkte aus<br />
Alpirsbach?<br />
Carl Glauner: Wir sind strukturell<br />
sehr gut aufgestellt und verkaufen<br />
jeweils rund ein Drittel unseres<br />
Volumens über die Gastronomie,<br />
über den Getränkefachgroßhandel<br />
und über den Lebensmittelhandel,<br />
also über Edeka und die anderen<br />
Lebensmittelhändler, nicht jedoch<br />
über den Discounter.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Und wie sieht<br />
die grundsätzliche Produkt- und<br />
Vertriebspolitik Ihres Hauses aus?<br />
Carl Glauner: Die Erhaltung unserer<br />
natürlichen Ressourcen ist<br />
für uns besonders wichtig, insbesondere<br />
gilt das für das berühmte<br />
Brauwasser auf unseren eigenen<br />
Quellgebieten. Daher haben wir seit<br />
jeher Wert auf höchste Qualität ge -<br />
legt und allen Verlockungen wider -<br />
standen, mit Handels- oder Billigmarken<br />
zusätzliche Mengen zu be -<br />
wegen. Und deshalb ist jede Flasche<br />
Bier aus unserem Haus ein hoch -<br />
wertiges Qualitätsprodukt ohne<br />
Kompromisse.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Gibt es schon<br />
Pläne für weitere exklusive Partnerschaften?<br />
Carl Glauner: In einem anderen<br />
Projekt geht es um die Beschaffenheit<br />
besonderer Zutaten, jedoch<br />
nicht um eine Exklusivität.<br />
Dies kann man auch nicht ohne<br />
weiteres multiplizieren, es war daher<br />
von Beginn an nicht so ausgelegt.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong>: Angesichts<br />
des rückläufigen Pro-Kopf-Verbrauchs<br />
bei Bier, wie sehen Sie<br />
die Zukunft Ihres Unternehmens?<br />
Carl Glauner: Wir sehen auch in<br />
diesem rückläufigen Markt viele<br />
gute Möglichkeiten und blicken<br />
daher sehr optimistisch in die Zukunft.<br />
Auch in den vergangenen<br />
Jahren konnten wir uns von diesem<br />
negativen Markttrend lösen,<br />
indem wir mit innovativen Produkten<br />
und Verpackungen sowie<br />
höchster Bierqualität dem Markt<br />
immer neue Impulse gaben. Dies<br />
wird uns jährlich durch die Ergebnisse<br />
bei internationalen Wettbewerben<br />
attestiert.<br />
Daten und Fakten<br />
Name:<br />
Alpirsbacher Klosterbräu<br />
Glauner GmbH & Co. KG<br />
Gründungsdatum: 1880<br />
Besitzverhältnisse:<br />
Familienunternehmen,<br />
Inhaber Carl Glauner<br />
in vierter Generation<br />
Unternehmenssitz:<br />
Alpirsbach,<br />
Landkreis Freudenstadt<br />
Geschäftsführer:<br />
Carl Glauner und Markus Schlör<br />
Mitarbeiter:<br />
Über 80 Beschäftigte<br />
Umsatz 2016: 26 Millionen Euro<br />
Gesamter Absatz Bier 2016:<br />
190.000 Hektoliter<br />
Prognose für das<br />
Gesamtjahr <strong>2017</strong>:<br />
Leicht steigende Absatzund<br />
Umsatzentwicklung,<br />
leicht steigendes Rohergebnis<br />
Vertriebsanteile:<br />
95 Prozent Inland,<br />
5 Prozent Ausland<br />
Investitionen 2016:<br />
4,1 Millionen Euro<br />
in neue Kälteanlage,<br />
neue Entalkoholisierungsanlage<br />
für Bier, Gebinde, Vertrieb<br />
Vertriebsgebiete:<br />
Schwerpunkt Süddeutschland,<br />
7 Gebiete Inland Handel;<br />
6 Gebiete Inland Gastronomie;<br />
1 Ferngebiet Inland;<br />
zwei Exportgebiete<br />
Anzahl der Biere:<br />
19 Sorten<br />
Angebote am Firmensitz:<br />
Brauerei-Museum, Brau-Laden,<br />
Kloster-Destille, Brauerei-<br />
Führungen, Galerie mit<br />
wechselnden Ausstellungen,<br />
Trauung im historischen<br />
Sudhaus<br />
INTERVIEW<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 87
Region Nordschwarzwald<br />
Wirtschaftsförderung<br />
auf High-Tech-Niveau<br />
Sparkassen IT versorgt nicht nur den<br />
Nordschwarzwald mit schnellem Internet –<br />
Digitalminister Strobl sieht Baden-Württemberg<br />
in der Spitzengruppe bei der Breitbandversorgung<br />
Schnelle Internetanschlüsse gelten insbesondere<br />
für gewerbliche Standorte als<br />
Wettbewerbsvorteil. Foto: Daniel Reinhardt<br />
Von Gerd Lache<br />
„Die im Landkreis Calw gewählte<br />
Technik der glasfaserbasierten<br />
Infrastruktur bietet enorme Steigerungspotenziale<br />
für die Zukunft.<br />
Gut, dass Sie sich für diese modernste<br />
Technik entschieden haben.“<br />
Lob für Landrat Helmut<br />
Riegger von baden-württembergs<br />
Stellvertretendem Ministerpräsident<br />
und Minister für Inneres, Digitalisierung<br />
und Migration, Thomas<br />
Strobl (CDU). Dieser betont,<br />
dass das Land beim Versorgungsgrad<br />
mit mindestens 50 Mbit/s<br />
„deutlich zugelegt“ habe. Überdurchschnittliche<br />
77,3 Prozent aller<br />
Haushalte im Südwesten sind<br />
demnach an diese Bandbreite angeschlossen,<br />
bundesweit sind es<br />
75,5 Prozent. Allerdings könnten<br />
50 Mbit/s nur der Anfang sein.<br />
„Baden-Württemberg liegt bei der<br />
Breitbandversorgung in der Spitzengruppe<br />
bei den Flächenländern“,<br />
erklärt der Minister. Das<br />
zeige, dass die Förderung in der<br />
Fläche bei den Menschen ankommt.<br />
Immerhin hat das Land<br />
<strong>2017</strong> bereits 230 Breitband-Projekte<br />
mit rund 43 Millionen Euro<br />
Will die Wirtschaftsregion mit Lichtwellenleiter-Technologie überziehen: Jürgen Sautter,<br />
Geschäftsführer von S-IT, einer Tochtergesellschaft der Sparkasse Pforzheim Calw.<br />
Foto: Sparkasse<br />
gefördert. Insgesamt werde Baden-Württemberg<br />
in diesem Jahr<br />
wieder einen dreistelligen Millionenbetrag<br />
in den Breitbandausbau<br />
investieren. Denn: „Wie digital<br />
eine Kommune ist, ein innovatives<br />
und in die Zukunft gerichtetes<br />
Lebensumfeld – das entscheidet<br />
künftig mit darüber, für<br />
welchen Wohn- und Arbeitsort<br />
sich die Menschen entscheiden.<br />
Wir gehen die Digitalisierung deshalb<br />
im Schulterschluss mit den<br />
Kommunen an und fördern sie bei<br />
ihren Digitalisierungsprojekten“,<br />
betont der stellvertretende Ministerpräsident.<br />
Mit dem Programm „Städte und<br />
Gemeinden 4.0 – Future Communities“<br />
unterstütze die Landesregie -<br />
rung kommunale Digitalisierungsprojekte.<br />
Die Projekte reichen laut<br />
Strobl von Rathaus-Apps für das<br />
digitale Erleben der Verwaltung,<br />
über WLAN-Projekte bis hin zu<br />
einer digitalen Rathausassistenz<br />
mithilfe von künstlicher Intelligenz<br />
oder einem Testfeld für<br />
Parkraummanagement. Fördermittel<br />
für derartige Digitalisierungsprojekte<br />
flossen unter anderem<br />
an die Landkreise Calw,<br />
Freudenstadt und Enzkreis.<br />
Lange vor der digitalen Hochkonjunktur<br />
hat die Sparkasse Pforzheim<br />
Calw die Entwicklung erkannt<br />
und darauf reagiert, indem<br />
sie ein Breitbandnetz auf der Basis<br />
88
von „Glasfaser höchster Güte“<br />
knüpfen ließ. Mit ihrer hundertprozentigen<br />
Tochtergesellschaft<br />
Sparkassen Informationstechnologie<br />
GmbH und Co. KG (Calw), kurz<br />
Sparkassen IT, hat sie sich beispielsweise<br />
bereits 2002 die Verkehrswegelizenz<br />
der Bundesnetzagentur<br />
gesichert. Seither sorgt<br />
das – gemessen an der Bilanzsumme<br />
– größte öffentlich-rechtliche<br />
Geldinstitut über seine IT-Tochter<br />
dafür, dass nicht nur, aber insbesondere<br />
der ländliche Bereich und<br />
kleinere Gewerbegebiete mit dem<br />
digitalen Aufschwung Schritt hal -<br />
ten können. Denn große Telekommunikationsanbieter<br />
tun sich oftmals<br />
schwer, Gebiete außerhalb der<br />
Metropolen ausreichend zu versorgen.<br />
Die Breitbandinitiative bezeichnen<br />
Stephan Scholl, Vorstandsvorsitzender<br />
der Sparkasse Pforzheim<br />
Calw, und Jürgen Sautter,<br />
Geschäftsführer der Sparkassen<br />
IT, als „innovative Wirtschaftsund<br />
Strukturförderung auf Hightech-Niveau“.<br />
Die Erschließung<br />
der Gewerbegebiete mit Lichtwellen-Leiter-Technologie<br />
sei für die<br />
Landkreise, Städte und Gemeinden<br />
längst zum besten Verkaufs-<br />
förderer bei der Vermarktung von<br />
Gewerbeparks geworden. Ohnehin<br />
seien extrem hohe Geschwindigkeiten<br />
beim Übertragen großer<br />
Datenmengen heutzutage unverzichtbar.<br />
Sautter: „Schon bei der<br />
Standortwahl entscheiden Betriebe<br />
inzwischen nicht mehr nur<br />
nach der besten Straßenanbindung,<br />
sondern fragen nach einer<br />
breitbandigen Internetversorgung.<br />
Diese ist inzwischen ein wichtiger<br />
Produktionsfaktor.“ Und für viele<br />
Menschen, auch im privaten Bereich,<br />
sei die Breitbandversorgung<br />
in der Fläche längst „zu einer Frage<br />
des persönlichen Lebensstandards<br />
geworden“.<br />
Im Kernnetz mit rund 800 Kilometer<br />
eigenem Glasfaserkabel<br />
wird im Backbone eine Geschwindigkeit<br />
von 10 Gigabit/sec erzielt,<br />
also in etwa die tausendfache DSL-<br />
Geschwindigkeit, erklärt Sautter.<br />
Das lichtschnelle Netz erschließe<br />
das komplette Geschäftsgebiet im<br />
Nordschwarzwald. Darüber hinaus<br />
unterhalte die Sparkassen IT<br />
auch Netzknoten in Stuttgart und<br />
in Karlsruhe. Ebenso angeschlossen<br />
seien die großen Gewerbegebiete<br />
im Raum Böblingen und Sindelfingen.<br />
„Die Auffahrt zur<br />
‚Datenautobahn‘ ist heute<br />
genauso wichtig wie die<br />
schnelle Erreichbarkeit der<br />
Bundesautobahn.“<br />
Jürgen Sautter, Geschäftsführer<br />
der Sparkassen IT<br />
Eine Reihe von mittelständischen<br />
Unternehmen – angefangen vom<br />
Automobilzulieferer über große<br />
Handelsunternehmen bis hin zum<br />
Zeitungsverlag – nutzen dem Geschäftsführer<br />
zufolge den Service<br />
der Sparkassen IT. Sie „übertragen<br />
in Sekundenschnelle große Datenmengen<br />
über unser Lichtwellenleiter-Netz<br />
in alle Welt oder<br />
sichern die eigenen Unternehmens-Daten<br />
bei Recovery-Partnern.“<br />
Die Firmen seien damit für<br />
den steigenden Bandbreitenbedarf<br />
langfristig gerüstet. Und die<br />
Sparkasse erfülle zusätzlich einen<br />
wichtigen Beitrag, nämlich „zur<br />
Sicherung von Arbeitsplätzen<br />
und Unternehmensstandorten in<br />
unserem Geschäftsgebiet“, macht<br />
Jürgen Sautter deutlich.<br />
www.Sparkassen-IT.de<br />
TECHNOLOGIE<br />
Mit dem Programm „Städte und Gemeinden 4.0“ unterstützt die baden-württembergische Landesregierung kommunale Digitalisierungsprojekte.<br />
Foto: Uli Deck<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 89
Wilde Ideen und innovative<br />
Projekte für die digitale Welt<br />
Pforzheimer Full-Service-Dienstleister Medialesson<br />
ist als Partner für den Softwaregiganten Microsoft<br />
„Gold“ wert<br />
Von Gerd Lache<br />
Einige nennen ihn anerkennend<br />
den Mister Microsoft des Nordschwarz<br />
waldes. Doch Philipp Bau -<br />
knecht wehrt ab: Da gäbe es in der<br />
Region bedeutend größere Firmen,<br />
die als Partner mit dem Software -<br />
giganten zusammenarbeiten würden.<br />
Sein Unternehmen Media -<br />
lesson werde wohl durch die öffentlichkeitswirksamen<br />
Projekte<br />
deutlicher wahrgenommen, vermutet<br />
er als Grund für die schmeichelhafte<br />
Bezeichnung.<br />
Zu diesen Projekten zählen beispielsweise<br />
Szenarien, die das<br />
Pforzheimer IT-Unternehmen für<br />
den Messeauftritt von Microsoft<br />
in Hannover entwickelt hatte. Im<br />
einen CeBIT-Jahr war dies ein digitalgesteuertes<br />
intelligentes Regal<br />
für Handelsunternehmen.<br />
Im anderen Messejahr die Präsentation<br />
eines Fahrradverleihs, an<br />
dessen Stationen der Mieter das<br />
Drahtesel-Schloss digital mittels<br />
der NFC-Technik im Smartphone<br />
ent sperren konnte. Ein weiteres<br />
Thema für den Microsoft-Auftritt<br />
lautete „Internet of Your Things“,<br />
abgestimmt auf technische und<br />
kaufmännische Entscheider. Die<br />
Story: Der fiktive Autozulieferer<br />
Contoso Manufacturing stellt<br />
Lenkräder her, muss sich bei der<br />
Produktion aber zunehmend mit<br />
der Individualisierung – Stichwort:<br />
Losgröße 1 – auseinandersetzen.<br />
Medialesson ließ auf Groß -<br />
leinwand am Microsoft-Stand verschiedene<br />
Manufaktur-Stationen<br />
ab laufen und aufzeigen, welche<br />
di gitalen Lösungen es für die Herausforderung<br />
von Contoso gibt.<br />
Dass Zalando-Kunden auf allen Kanälen ordern können, dafür sorgte der<br />
Softwaredienstleister Medialesson aus Pforzheim. Foto: Medialesson<br />
„Technologien und<br />
Werkzeuge ändern sich<br />
ständig. Wir als Dienst leister<br />
werden uns diesen Veränderungen<br />
schnell und flexibel<br />
anpassen. Und wir wollen weiter<br />
wachsen, aber nachhaltig und mit<br />
Bedacht. Das ist unser Ziel.“<br />
Philipp Bauknecht,<br />
Gründer von Medialesson<br />
Komplexe Szenarien für Messen<br />
und Roadshows als interaktives<br />
Erlebnis zu entwickeln und umzusetzen,<br />
das ist lediglich eine<br />
von mehreren Spezialitäten des<br />
Full-Service-Dienstleisters, der<br />
nach eigenen Angaben den Kunden<br />
innovative Softwarelösungen<br />
bei Konzeption, Design und Entwicklung<br />
bis hin zum Cloudumfeld<br />
bietet. „Wir haben einen hohen<br />
Design-Anspruch und legen<br />
großen Wert auf die Anwenderfreundlichkeit<br />
bei der Mensch-<br />
Maschine-Interaktion“, sagt Bauknecht.<br />
„Next Generation User<br />
Experience“ lautet das Motto, es<br />
steht für Geschäftsanwendungen,<br />
die sich einfach und intuitiv nutzen<br />
lassen.<br />
Einer der jüngsten Aufträge befasste<br />
sich mit dem Einsatz von<br />
Augmented Reality für eine Möbelfirma.<br />
Deren Verkäufer werden<br />
nun für die Beratung vor Ort<br />
mit einer Datenbrille ausgestattet.<br />
Der Kunde sieht virtuell über<br />
die Microsoft HoloLens in hochauflösender<br />
3-D-Projektion, wie<br />
beispielsweise die geplante Büroeinrichtung<br />
im Raum wirkt. Änderungswünsche<br />
können in diesem<br />
Mixed-Reality-Projekt sofort<br />
übertragen und betrachtet werden.<br />
Die HoloLens ist über Gesten,<br />
Sprache und Kopfbewegung zu<br />
steuern.<br />
Die bisherigen Kundennamen lassen<br />
erahnen, in welcher Liga das<br />
Pforzheimer Unternehmen agiert:<br />
Nivea, BMW, Media Markt und<br />
Mazda gehörten schon zu den<br />
Auftraggebern, ebenso wie Telekom,<br />
SAP, Henkel und Reiseführer<br />
Marco Polo sowie HRS, einer von<br />
Deutschlands größten Online-Hotelreservierungsservices.<br />
Zalando,<br />
der Online-Versandhändler für<br />
Schu he und Mode, ließ seine<br />
90
Shop ping Apps von Medialesson<br />
als Windows Universal Plattform<br />
für Smarthpone, Tablet und<br />
Desktop generieren. Bauknecht:<br />
„Von der Konzeption über die Erstellung<br />
des Designs bis hin zur<br />
Programmierung, Tests und der<br />
Weiterentwicklung erfolgte alles<br />
Inhouse bei uns in Pforzheim.“<br />
Ähnliches leistete Medialesson bei<br />
der „Lernraum App“ des Landesmedienzentrums<br />
Baden-Württemberg.<br />
Mit ihr können Lerneinheiten<br />
digital vorbereitet werden.<br />
Außerdem ist kooperatives Arbeiten<br />
innerhalb der Lerngruppe<br />
möglich. Die App wurde 2015 mit<br />
dem Comenius EduMedia-Siegel<br />
ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt<br />
sie den renommierten Deutschen<br />
Bildungsmedien Preis in der<br />
Kategorie didaktische Werkzeuge.<br />
Mit dem Bildungsbereich fing ohnehin<br />
alles an, wie der Firmenname<br />
erahnen lässt. Philipp Bau -<br />
knecht und sein damaliger Geschichtslehrer<br />
entwickelten eine<br />
Lernsoftware für den Geschichtsunterricht.<br />
Zur Vermarktung des<br />
Produkts gründeten sie 2002 das<br />
Unternehmen Medialesson. Bauknecht<br />
studierte später Betriebswirtschaftslehre<br />
mit dem Fachbereich<br />
Werbung an der Hochschule<br />
Pforzheim. 2006 verließ sein Firmen-Mitgründer<br />
das Unternehmen.<br />
Die Betriebswirtschaftlerin<br />
Petra Schneider übernahm diesen<br />
Platz. Sie ist Geschäftsführerin,<br />
heißt inzwischen Bauknecht und<br />
Eines der Live-Szenarien, das Medialesson entwickelte, war ein digital-gestützter<br />
Fahrradverleih, auf der CeBIT präsentiert von Kay Mantzel (Zweiter von rechts),<br />
Enterprise Marketing Manager bei Microsoft. Foto: Medialesson<br />
freut sich seit Kurzem gemeinsam<br />
mit Ehemann Philipp über zweifachen<br />
Familiennachwuchs.<br />
Aus dem einstigen Zwei-Personen-<br />
Unternehmen hat sich ein Software-Dienstleister<br />
mit rund 20 Be -<br />
schäftigten plus externer Partner<br />
entwickelt, der unter anderem auch<br />
Trainings für Firmen anbietet, ih -<br />
nen Expertisten für Technologieauswahl<br />
und Realisierungsmöglichkeiten<br />
erstellt und das kom -<br />
plette Projektmanagement übernimmt.<br />
Als Dritter im Führungsteam<br />
kam 2015 der IT-Spezialist<br />
und ehemalige Microsoft-Manager<br />
Carsten Humm dazu. Seit September<br />
<strong>2017</strong> wird das Führungsdreigestirn<br />
durch den Vertriebsexperten<br />
Eckhard Voigt ergänzt, der sein<br />
Büro in München eingerichtet hat.<br />
Das Thema Fachkräftesuche sei natürlich<br />
ein großes Thema. „Aller -<br />
Das Medialesson-Führungsteam (von links): Philipp und Petra Bauknecht sowie Eckhard<br />
Voigt und Carsten Humm. Foto: Medialesson<br />
dings geht es uns nicht darum, wie<br />
viele Mitarbeiter wir bekommen<br />
können, sondern ob es Talente<br />
sind“, sagt Philipp Bauknecht.<br />
„Unsere Entwickler verfügen über<br />
langjährige Erfahrung und sind<br />
von Microsoft zertifiziert.“ Die<br />
Industrie- und Handelskammer<br />
Nord schwarzwald verlieh Medialesson<br />
das 1A-Gütesiegel „Ausgezeichneter<br />
Ausbildungsbetrieb“.<br />
Eine persönliche Ehrung für Petra<br />
und Philipp Bauknecht gab es 2016<br />
mit dem Pforzheimer Wirtschaftspreis<br />
in der Kategorie „Innovation<br />
und Idee“. Die Laudatio hielt Kay<br />
Mantzel, Enterprise Marketing Ma -<br />
nager bei der Microsoft Deutschland<br />
GmbH in München. Über<br />
die Stärke der beiden Preisträger<br />
sagte er, sie hätten die Fähigkeit,<br />
„wilde Ideen in innovative Projekte<br />
umsetzen zu können“ – sei es<br />
als Akteure in der Medien-IT-Initiative<br />
Pforzheim, im Rahmen von<br />
IT Afterwork Veranstaltungen, als<br />
Lehrbeauftragte an der Hochschule<br />
Pforzheim oder als Unternehmer,<br />
die umfassende Lösungen für<br />
die digitale Welt generierten.<br />
Mit dem Prädikat „Microsoft Gold<br />
Partner“ werden dem Pforzheimer<br />
Unternehmen höchste Qualitätsansprüche<br />
attestiert. Und den Status<br />
MVP (Most Valuable Professional)<br />
vergibt der Softwaregigant<br />
als Award ausschließlich an bewährte<br />
und hoch geschätzte Experten.<br />
Philipp Bauknecht ist einer<br />
von ihnen. Und da drängt sich<br />
nun doch wieder der schmeichelhafte<br />
Titel vom „Mister Microsoft<br />
des Nordschwarzwaldes“ auf.<br />
www.medialesson.de<br />
PORTRÄT<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 91
Region Nordschwarzwald<br />
Ein Sohn der Stadt<br />
Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse wurde 1877<br />
in Calw geboren. Die Stadt würdigt ihn im historischen<br />
Stadtpalais und einem Museum in seinem Geburtshaus.<br />
Foto: Ulrike Klumpp<br />
92
Phönix aus der Asche<br />
Landkreis Calw hat sich in den vergangenen<br />
fünf Jahren positiv entwickelt –<br />
Digitalisierung der Gesellschaft steht<br />
als zentrales Thema im Fokus<br />
Von Gerd Lache<br />
Das war der Landkreis Calw vor<br />
rund sechs Jahren: Nachlassende<br />
Dynamik, mit wichtigen Kennzahlen<br />
unter dem Landesdurchschnitt,<br />
starker Rückgang der<br />
Bevölkerungsentwicklung, Abwanderung<br />
der Jungen, drohende Verlagerung<br />
von Unternehmen – kurzum<br />
– im Vergleich zu benachbarten<br />
Regionen hatte der in der Region<br />
Nordschwarzwald gelegene Landkreis<br />
an Boden verloren, attestierte<br />
damals eine Studie der Prognos AG.<br />
Danach wurde kräftig Gas gegeben.<br />
Und das ist der Landkreis Calw<br />
heute: Das Gebiet in der Mitte der<br />
Nordschwarzwald-Landkarte – zwi -<br />
schen den Landkreisen Enzkreis und<br />
Freudenstadt gelegen – hat viele<br />
seiner Schwächen ausgemerzt.<br />
Der Vergleich des düsteren Ergebnisses<br />
vor sechs Jahren mit der<br />
Fortschreibung heute kommt einer<br />
Entwicklung wie Phoenix aus der<br />
Asche nahe. Durch viele Anfragen<br />
von Unternehmen aus Stuttgart<br />
und dem Raum Sindelfingen und<br />
Böblingen werde deutlich, „dass<br />
auch der Wirtschaftsstandort Landkreis<br />
Calw Fahrt aufnimmt“, sagte<br />
Landrat Helmut Riegger unlängst<br />
bei einer Veranstaltung mit rund<br />
350 Unternehmern aus seinem<br />
Kreis.<br />
Freilich war schon zuvor nicht alles<br />
trübe. In demselben Prognos-Papier<br />
wurden auch zahlreiche positive<br />
Eigenschaften aufgezählt: Der Land -<br />
kreis Calw besitzt eine ausgeprägte<br />
Mittelstandsstruktur mit verschiedenen<br />
Branchen. Die Industrieunternehmen<br />
sind innovativ. Wichtige<br />
Dienstleistungsbetriebe in den<br />
Bereichen Gesundheit und Tourismus<br />
sowie ein breit aufgestelltes<br />
Handwerk ergänzen die Wirtschaftsstruktur.<br />
Zudem verfügt der<br />
Landkreis über eine Vielzahl guter<br />
allgemeinbildender und beruflicher<br />
Schulen und besitzt ein breites Angebot<br />
an qualifizierten Fachkräften<br />
Eine gute Entwicklung im Tourismus<br />
wird dem Landkreis Calw attestiert.<br />
Foto: Teinachtal-Touristik<br />
„Unterhielten sich<br />
die Menschen früher<br />
über Schlaglöcher,<br />
so beherrschen heute<br />
Funklöcher die Diskussion.“<br />
Helmut Riegger,<br />
Landrat des Landkreises<br />
Calw<br />
und Mitarbeitern mit spezifischen<br />
Fach- und Branchenkompetenzen.<br />
„Wir konnten die negative Bevölkerungsentwicklung<br />
drehen und die<br />
hohen Abwanderungsverluste von<br />
jungen Erwachsenen stoppen“, sag -<br />
te Tobias Haußmann. Er betreut<br />
beim Landratsamt in Calw unter anderem<br />
die zentrale Steuerung und<br />
die Kreisentwicklung. Dank gestiegener<br />
Zuwanderung und Geburten<br />
wachse die Bevölkerung wieder.<br />
Und: Angesichts der Flächenknapp -<br />
heit in den nahliegenden Ballungszentren<br />
wie etwa Stuttgart und der<br />
entsprechenden Preisentwicklung<br />
dort stehe der Landkreis Calw als<br />
Wohnstandort „wieder ver stärkt im<br />
Fokus“, listet Prognos eini ge der<br />
positiven Entwicklungen auf.<br />
Ebenso erfreulich: der dynamische<br />
Beschäftigungsaufbau mit einem<br />
Zuwachs von rund 1700 Arbeitsplätzen<br />
bis 2015 sowie hohes wirtschaftliches<br />
Wachstum (Zunahme des BIP<br />
Bruttoinlandsprodukts bis 2013 von<br />
10,2 Prozent) und Rückgang der<br />
Die Prognos AG<br />
... wurde 1959 als Ausgründung<br />
der Universität Basel ins Leben<br />
gerufen. Es gibt eine starke Aus -<br />
richtung nach Deutschland. Von<br />
hier kommt ein Großteil des Umsatzes<br />
außerhalb der Schweiz.<br />
Neben dem Stammsitz in Basel<br />
befindet sich der größte Standort<br />
in Berlin. Büros sind in Bremen,<br />
Brüssel und Düsseldorf,<br />
seit 2008 in München und Stuttgart<br />
sowie seit 2015 in Freiburg.<br />
Neben Studien und Untersuchungen<br />
aller Art gehören ökonometrische<br />
Analysen und Prognosen<br />
zu den Kerntätigkeiten.<br />
Seit 1990 befindet sich die Prognos<br />
AG mehrheitlich im Besitz<br />
der Verlagsgruppe Georg von<br />
Holtzbrinck, Stuttgart. pm/gel<br />
www.prognos.com<br />
INFRASTRUKTUR<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 93
Region Nordschwarzwald<br />
Der Landkreis Calw<br />
Er präsentiert sich mit rund<br />
160 000 Einwohnern in insgesamt<br />
25 Städten und Gemeinden auf<br />
einer Fläche von 800 Quadratkilometern<br />
als wirtschaftlich star -<br />
ker Standort im Südwesten der<br />
Metropolregion Stuttgart und in<br />
zentraler Lage in der Region Nord -<br />
schwarzwald: der Landkreis Calw.<br />
Viele der hier ansässigen Unternehmen<br />
zeichnen sich durch langjährige<br />
Tradition und Innovationskraft<br />
aus, ebenso wie durch<br />
zahlreiche internationale Nieder<br />
lassungen und weltweite Ak -<br />
tivitäten. Und dies in den unterschiedlichsten<br />
Branchen. Zahlreiche<br />
der im Landkreis Calw ansässigen<br />
Unternehmen gehören<br />
zur Weltspitze.<br />
Für die Suche und das Binden<br />
von Fachkräften werden weiche<br />
Standortfaktoren immer wichtiger.<br />
Im Landkreis Calw finden<br />
sich hierzu beispielsweise intakte<br />
Natur und Umwelt, Freizeitmöglichkeiten,<br />
ein breit gefächertes<br />
kulturelles Angebot, Sport-Erholung-Wellness,<br />
die ausgeprägte<br />
Struktur der Aus- und Weiterbildungseinrichtungen,<br />
Kinderbetreuungseinrichtungen,<br />
bezahlbare<br />
Baugrundstücke, gastronomische<br />
und kulinarische Vielfalt.<br />
2013 gründete der Landkreis<br />
gemeinsam mit 14 Gemeinden<br />
die Tourismus GmbH Nördlicher<br />
Schwarzwald. Ihr Ziel: die stärkere<br />
gemeinsame Vermarktung der<br />
touristischen Angebote im Landkreis<br />
Calw sowie die Zusammenfassung<br />
des touristischen Potenzials<br />
der einzelnen Akteure,<br />
Gastgeber, Städte und Gemeinden<br />
in der Region. Beteiligt sind:<br />
Altensteig, Bad Herrenalb, Bad<br />
Liebenzell, Bad Wildbad, Bad<br />
Teinach-Zavelstein, Calw, Dobel,<br />
Enzklösterle, Höfen a.d. Enz,<br />
Nagold, Neubulach, Neuweiler,<br />
Schömberg und Wildberg. Gemeinsam<br />
mit den Touristikern aus<br />
den Städten und Gemeinden im<br />
Landkreis Calw werden die Be -<br />
sonderheiten herausgestellt und<br />
erlebbar gemacht, um die Gäste der<br />
Region zum Entdecken der touristischen<br />
Angebote zu animieren.<br />
Landrat des Landkreises Calw<br />
seit 2010 ist Helmut Riegger<br />
(CDU). www.kreis-calw.de gel<br />
ohnehin schon geringen Arbeitslosigkeit.<br />
„Wir haben Vollbeschäftigung“,<br />
sagt Haußmann. Der Anteil<br />
an Beschäftigten im Forschungsund<br />
Entwicklungsbereich (FuE) sei<br />
leicht überdurchschnittlich gestiegen.<br />
Auch die Intensität bei der<br />
Gründung neuer Unternehmen hat<br />
laut Prognos zugelegt.<br />
Im Tourismus und bei Gästeübernachtungen<br />
wurde eine Trendwende<br />
vollzogen. Rückläufige Übernachtungszahlen<br />
sind gestoppt<br />
worden, mehr noch: „Sie nehmen<br />
äußerst dynamisch zu“, heißt es<br />
bei Prognos. Allerdings gebe es<br />
noch Nachholbedarf beim Anteil<br />
ausländischer Übernachtungsgäste.<br />
Damit erreicht der Landkreis Calw<br />
im „Prognos Zukunftsatlas 2016“<br />
nun Rang 124, was einer Verbesserung<br />
um 88 Ränge entspricht (siehe<br />
Grafik).<br />
Für die nächsten Jahre lässt das<br />
Beratungsunternehmen dem Landkreis<br />
dennoch keine Pause. Einige<br />
Negativentwicklungen erforderten<br />
Handlungsbedarf. So sei der kommunale<br />
Verschuldungsgrad gestiegen.<br />
Die Zahl der Auspendler in die<br />
Ballungszentren (Stuttgart, Böblingen)<br />
sei derzeit noch höher als die<br />
der Einpendler.<br />
Bei der Verkehrsinfrastruktur (insbesondere<br />
S-Bahn) sind Ausbau<br />
Landkreis Calw holt auf<br />
und Erweiterung notwendig. Und<br />
für die Digitalisierung von Wirtschaft<br />
und Gesellschaft müssten<br />
„in weiten Teilen des Landkreises“<br />
die Lücken beim leistungsfähigen<br />
Breitbandanschluss geschlossen<br />
werden. „Wir sind auf einem guten<br />
Weg“, zeigt sich Tobias Haußmann<br />
optimistisch, dass auch hier die<br />
Wende ins Positive vollzogen wird.<br />
So sieht es auch Landrat Riegger:<br />
Im Hinblick auf die Suche nach gut<br />
ausgebildeten Fachkräften würden<br />
Veranstaltungen wie die Firmen-<br />
Infotage, der Junior-Manager-<br />
Contest oder die Top-Job-Messen<br />
organisiert, hohe Investitionen in<br />
Ausstattung und Gebäude der beruflichen<br />
Schulen getätigt und Kooperationen<br />
mit Hochschulen für<br />
Weiterbildungsangebote geschlossen.<br />
Zudem setze sich der Landkreis<br />
durch den Ausbau der Infrastruktur<br />
dafür ein, den Unternehmen optimale<br />
Rahmenbedingungen für ihre<br />
weitere Entwicklung zu bieten. Als<br />
zentrales Thema stehe hier die Digitalisierung<br />
im Fokus, sowohl den<br />
Ausbau der Breitband- wie auch<br />
der Mobilfunkversorgung betreffend.<br />
Dabei unterstützt das Land<br />
Baden-Württemberg den zügigen<br />
Breitbandausbau des Landkreises<br />
Calw mit finanziellen Zuschüssen.<br />
94
Ein Landkreis macht<br />
die Lücken dicht<br />
Von Gerd Lache<br />
„Schnelles Internet ist einer unserer<br />
wichtigsten Standortfaktoren.<br />
Ohne diese Grundlage findet die<br />
Digitalisierung nur im Schneckentempo<br />
statt. Deshalb hat die digitale<br />
Infrastruktur für unsere Landesregierung<br />
höchsten Stellenwert.<br />
Wir schließen, gemeinsam mit den<br />
Kommunen und Landkreisen in<br />
Baden-Württemberg, die weißen<br />
Flecken“, sagte der Stellvertretende<br />
Ministerpräsident und Minister für<br />
Inneres, Digitalisierung und Migration,<br />
Thomas Strobl (CDU), Mitte<br />
<strong>2017</strong> bei der Übergabe von Förderbescheiden<br />
über 1,06 Millionen<br />
Euro für den Breitbandausbau im<br />
Landkreis Calw. Der Landkreis wird<br />
damit ein kreisweites Glasfasernetz<br />
ausbauen. Längst sei das schnelle<br />
Internet – über glasfaserbasierte<br />
Hochgeschwindigkeitsnetze – nicht<br />
nur für Unternehmen ein wichtiger<br />
Standortfaktor. Auch bei der Wahl<br />
des Wohnorts, so Strobel, sei es<br />
mehr und mehr von großer Bedeutung.<br />
Der Landkreis Calw plant, ein Glasfasernetz über das gesamte Kreisgebiet legen zu lassen.<br />
Foto: Jan Woitas<br />
INFRASTRUKTUR<br />
Vergibt Fördermittel für den Ausbau der digitalen Infrastruktur: Thomas Strobl (CDU),<br />
Stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration.<br />
Foto: Patrick Seeger<br />
„Mit unserem Eigenbetrieb Breitband<br />
und dem großen Engagement<br />
unserer Kommunen verfolgen wir<br />
das Ziel, durch den Ausbau der<br />
Glasfaserinfrastruktur eine flächendeckende<br />
und leistungsfähige<br />
Breitbandversorgung im Landkreis<br />
Calw zu gewährleisten. Da dieses<br />
Vorhaben mit einem erheblichen<br />
finanziellen Aufwand verbunden<br />
ist, sind wir dem Land Baden-<br />
Württemberg und insbesondere<br />
Herrn Minister Thomas Strobl für<br />
die tatkräftige Unterstützung und<br />
das hervorragende Förderprogramm<br />
sehr dankbar“, erklärt der Calwer<br />
Landrat Helmut Riegger.<br />
Gerade die im Landkreis Calw gewählte<br />
Technik der glasfaserbasierten<br />
Infrastruktur bietet nach Ansicht<br />
von Digitalisierungsminister<br />
Strobel „enorme Steigerungspotenziale<br />
für die Zukunft“.<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 95
Führender Dienstleister<br />
S&M Simon und Matzer erfolgreich<br />
in allen Sparten der Luft-, Klima- und<br />
Kältetechnik tätig<br />
Das Unternehmen S&M Simon und<br />
Matzer GmbH & Co. KG wurde<br />
1990 in Pforzheim gegründet und<br />
ist seither erfolgreich in allen Sparten<br />
der Luft-, Klima- und Kältetechnik<br />
überregional tätig. Speziell<br />
im kältetechnischen Bereich sind<br />
wir einer der führenden Dienstleister<br />
in der Region. Als zertifiziertes<br />
Unternehmen nach der Chemikalienschutzverordnung<br />
sind wir der<br />
richtige Ansprechpartner für alle<br />
kältetechnischen Aufgaben.<br />
Mit unseren rund 50 Mitarbeitern<br />
erreichen wir einen Jahresumsatz<br />
von rund zehn Millionen Euro.<br />
Unser Ziel ist es, den Kundenwünschen<br />
entsprechend technisch<br />
hochwertige, energetisch optimierte<br />
Anlagen zu planen, zu liefern<br />
und zu montieren. Für diese Ziele<br />
stehen Ihnen sieben Ingenieure<br />
und Projektleiter, drei Konstrukteure,<br />
zwei Regeltechniker und fünf<br />
Obermonteure zur Verfügung. Im<br />
Bereich Kundendienst stehen für<br />
die Wartungsarbeiten und zur Störungsbehebung<br />
15 qualifizierte Servicetechniker<br />
bereit. Der Servicebereich<br />
ist 24 Stunden rund um die<br />
Uhr für Sie einsatzfähig.<br />
Für die Konstruktion, Berechnung<br />
und Visualisierung wird ein hochwertiges<br />
3D-CAD-System eingesetzt.<br />
Die Projektierung und Programmierung<br />
von DDC-Regelsystemen<br />
(zum Beispiel Siemens, Saia)<br />
wird im eigenen Haus durchgeführt.<br />
S&M Simon und Matzer<br />
GmbH & Co. KG<br />
Lindenstr. 81<br />
D-75175 Pforzheim<br />
Tel. +49 7231 9305-0<br />
Fax +49 7231 9305-32<br />
info@simon-matzer.de<br />
www.simon-matzer.de<br />
PORTRÄT<br />
96
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 97
Landkreis Enzkreis<br />
Preisgekrönte Innovation<br />
als Unabhängigkeitserklärung<br />
Europäisches Konsortium um OBE Ispringen<br />
entwickelt Verfahren zum Recyclen von seltenen Erden –<br />
Umweltministerium vergibt dem Projekt<br />
den ersten Preis<br />
Von Gerd Lache<br />
Es geht um ein neues Verfahren zur<br />
Herstellung von komplexen Neodym-Eisen-Bor-(NdFeB-)-Hochleistungsmagneten<br />
aus Recycling -<br />
material. Und es geht um die Unabhängigkeit<br />
der Industrie von<br />
knappen Ressourcen. Noch geht es<br />
bei der Neuentwicklung aber vor<br />
allem darum, aus alten Computer-<br />
Festplatten die wertvollen Rohstoffe<br />
in Volumina von lediglich<br />
10 bis 20 Gramm zu gewinnen. In<br />
naher Zukunft jedoch stößt die Innovation<br />
in größere Dimensionen<br />
vor: Ob Windkrafträder, Hybrid-<br />
Fahrzeuge oder Elektroautos, über -<br />
all werden Magneten eingesetzt,<br />
An der Entwicklung zum Recyceln seltener Erden sind 14 Partner aus fünf europäischen<br />
Ländern beteiligt. Professor Carlo Burkhardt nahm stellvertretend die Urkunde zur Verleihung<br />
des ersten Preises durch das Umweltministerium entgegen. Foto: Martin Stollberg<br />
Bindeglied zwischen der Firma OBE<br />
und der Hochschule Pforzheim<br />
ist der Werkstoffkundler Professor<br />
Dr. Carlo Burkhardt. Foto: OBE<br />
in denen sogenannte seltene Erden<br />
verarbeitet sind, unter anderem<br />
Neodym (Nd). Das Material<br />
wird überwiegend in China mit<br />
umweltzerstörenden Methoden<br />
und gesundheitsschädlichen Folgen<br />
für die Beschäftigten hergestellt.<br />
Jetzt kann es wiederaufbereitet<br />
werden. Elektromotoren der<br />
neuen Generation benötigen große<br />
Mengen des Materials, allein der<br />
Bedarf in einer Windkraftanlage<br />
beträgt bis zu 2,5 Tonnen.<br />
„REProMag“ heißt das Projekt, in<br />
dem 14 Partner aus fünf europäischen<br />
Ländern daran arbeiteten,<br />
die ressourceneffiziente Herstellung<br />
von Permanentmagneten auf<br />
Basis seltener Erden aus Recyclingmaterial<br />
zu erzielen. Geleitet<br />
wird das Konsortium vom Ispringer<br />
Unternehmen OBE Ohnmacht<br />
& Baumgärtner GmbH & Co. KG.<br />
Projektkoordinator: Professor Dr.<br />
Carlo Burkhardt, bis vor Kurzem<br />
Technik-Geschäftsführer bei OBE<br />
und seit April an der Hochschule<br />
Pforzheim Leiter des Schmucktechnologischen<br />
Instituts (STI) –<br />
sowie kürzlich stolzer Empfänger<br />
einer Urkunde des Umweltministeriums,<br />
dessen Jury die Innovation<br />
auf den ersten Platz in der<br />
Kategorie Materialeffizienz gehievt<br />
hat. Vereinfacht beschrieben<br />
ist es nun möglich, beispielsweise<br />
Neodym in nahezu 100-prozentiger<br />
abfallfreier Herstellung zu<br />
recyceln.<br />
Umweltminister Untersteller sagte<br />
bei der Preisverleihung in Fellbach:<br />
„Durch die Wiederverwendung<br />
gebrauchter Magnete soll<br />
die Abhängigkeit von Lieferungen<br />
seltener Erden insbesondere aus<br />
China reduziert werden.“ Hinzu<br />
komme, dass durch das Recycling<br />
der für die Umwelt stark belastende<br />
Abbau dieser Rohstoffe reduziert<br />
werde. Denn bei der Gewinnung<br />
entstünden unter anderem<br />
giftige Schlämme.<br />
„Das passende Recyclingverfahren<br />
haben wir nun“, sagt Professor<br />
Burkhardt. Aber um eine völlige<br />
Unabhängigkeit zu erlangen,<br />
müssten diese großen Quellen<br />
möglichst früh in eine Kreislaufwirtschaft<br />
eingebunden werden.<br />
98
OBE<br />
Seltene Erden werden häufig mit umweltzerstörenden Methoden und gesundheitsschädlichen<br />
Fol gen für die Beschäftigten gewonnen. Foto: Str<br />
„Dafür halten wir eine Kennzeichnungspflicht<br />
für erforderlich.“ Dies<br />
fehle derzeit noch. Derweil befinden<br />
sich erste Serienanwendungen<br />
in der Projektierungsphase.<br />
Die geplante Marktreife wird<br />
Ende <strong>2017</strong> erwartet.<br />
Nicht zum ersten Mal hat OBE bei<br />
einem Wettbewerb mit besonders<br />
ressourcenschonenden Entwicklungen<br />
auf sich aufmerksam gemacht.<br />
Mit dem jüngsten Erfolg<br />
nimmt das Unternehmen aus dem<br />
Enzkreis die Auszeichnung stellvertretend<br />
für das gesamte Konsortium<br />
entgegen, dessen Projekt<br />
„REProMag die sogenannte Horizon<br />
2020 Forschungs- und Innovationsförderung<br />
der Europäischen<br />
Union“ erhält. Das für drei<br />
Jahre geförderte Projekt ist mit<br />
einem Budget von 5,7 Millionen<br />
Euro ausgestattet. Zu den Partnern<br />
gehören unter anderem Siemens<br />
und Sennheiser sowie die<br />
Universität Birmingham.<br />
Derzeit sind zusammen mit der<br />
Hochschule die Anträge für drei<br />
weitere Forschungsprojekte bei<br />
der Europäsichen Kommission<br />
eingereicht, die sich u.a. mit der<br />
großserientauglichen Industrialisierung<br />
des Fertigungsprozesses,<br />
geeigneten Kennzeichnungssystemen<br />
für Magnetwerkstoffe sowie<br />
dem Recycling und recyclinggerechtem<br />
Design von E-Bike-Komponenten<br />
(Elektromotoren und Li-<br />
Ionen-Akkus) beschäftigen sollen.<br />
Das international tätige Familienunternehmen<br />
OBE Ohnmacht<br />
& Baumgärtner GmbH & Co. KG<br />
mit Hauptsitz in Ispringen gehört<br />
nach eigenen Angaben zu<br />
den weltweit führenden Herstellern<br />
präziser, feinmechanischer<br />
Metallteile und Baugruppen<br />
in hohen Stückzahlen. Seit<br />
der Gründung im Jahr 1904 hat<br />
sich OBE im Geschäftsbereich<br />
optic insbesondere durch die<br />
Entwicklung der Brillengelenktechnik<br />
und Sicherheitsschrauben<br />
als Schlüssellieferant der<br />
Brillenindustrie etabliert. Im<br />
Geschäftsbereich mimplus wer -<br />
den unter Verwendung des MIM-<br />
Verfahrens seit 20 Jahren komplexe<br />
und hochpräzise Bauteile<br />
aus Edelstahl, Titan und<br />
weiteren Materialien gefertigt.<br />
Zur Erläuterung: Das Metallpulverspritzgießen,<br />
auch MIM-<br />
Verfahren (englisch für Metal<br />
Injection Moulding) ist ein Urformverfahren<br />
zur Herstellung<br />
von metallischen Bauteilen komplexer<br />
Geometrie und hat seinen<br />
Ursprung in der Spritzgusstechnologie<br />
der Kunststoffe.<br />
OBE-Kunden sind in vielen<br />
Branchen angesiedelt, insbesondere<br />
Automotive, Luxury,<br />
Telekommunikation, Luftfahrt<br />
und Feinmechanik. Der Produktionsstandort<br />
in Ispringen<br />
bei Pforzheim zeichnet sich der<br />
Unternehmensbeschreibung<br />
zufolge durch modernste Fertigungsverfahren<br />
und hohe qualitative<br />
Maßstäbe aus. Weltweit<br />
beschäftigt OBE rund 500 Mitarbeiter,<br />
davon 200 in Ispringen.<br />
Das Unternehmen ist mit<br />
Tochterfirmen in Italien, Hongkong<br />
und China sowie weiteren<br />
Repräsentanzen in Japan, Südkorea,<br />
Frankreich und Brasilien<br />
vertreten. gel<br />
www.obe.de<br />
INNOVATION<br />
Aus einer Windkraftanlage können durch Recycling mehrere Tonnen an seltenen Erden<br />
wiederverwendet werden. Foto: Carsten Rehder<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 99
Tradition<br />
und Moderne<br />
Historische Bauwerke wie das geschichtsträchtige<br />
Sterne-Restaurant sowie neuzeitliche Architektur<br />
bestimmen das Stadtbild von Nagold<br />
Foto: Doris Löffler<br />
100
Lebens- und Wirtschaftsraum<br />
mit glänzenden<br />
Perspektiven<br />
Standort Nagold punktet mit hoher Kaufkraft,<br />
attraktiven Arbeitgebern sowie einem<br />
Wohlfühlambiente für Bewohner und Gäste<br />
Bereitet die Verwaltung im Rathaus<br />
für den Schritt in die virtuelle Welt vor:<br />
Nagolds Oberbürgermeister<br />
Jürgen Großmann. Foto: Doris Löffler<br />
PORTRÄT<br />
Von Gerd Lache<br />
Freitags um 13 Uhr gehen die Poller<br />
hoch. Seit Mai <strong>2017</strong> gehört die<br />
historische Altstadt von Nagold bis<br />
Montagfrüh 5 Uhr dem Fußvolk.<br />
Signalisiert die Stadtverwaltung mit<br />
dieser Wochenendsperre ihre Autofeindlichkeit?<br />
„Davon kann keine<br />
Rede sein“, wehrt Oberbürgermeister<br />
Jürgen Großmann (CDU) im Gespräch<br />
mit <strong>WirtschaftsKRAFT</strong> ab.<br />
Im Gegenteil: In der gesamten City<br />
sei das Parken für die Dauer von<br />
einer Stunde kostenlos und in einer<br />
Nagold-App werde auf verfügbare<br />
Stellplätze für den Individualverkehr<br />
hingewiesen. „Wir verbannen<br />
den Pkw nicht, aber wir wollen<br />
neben einer autogerechten auch<br />
eine Innenstadt für die Bürgerinnen<br />
und Bürger“, betont Großmann.<br />
Der Kompromiss sei die zeitlich begrenzte<br />
Pollersperre.<br />
Als ehemaliger Landesgartenschau-<br />
Standort (2012) ist Nagold mit seinem<br />
Flair besonders ansprechend.<br />
Der Fluss gleichen Namens zieht im<br />
Tal einen weiten Bogen um die hoch<br />
über der Stadt thronende Burgruine<br />
Hohennagold, schlängelt sich nahe<br />
der malerischen Altstadt zwischen<br />
kultivierten Ufern vorbei, die zum<br />
Verweilen und Erholen einladen. Die<br />
Einkehrmöglichkeiten sind vielfältig.<br />
Seit <strong>2017</strong> leuchtet auch wieder<br />
ein Michelin-Stern über der „Alten<br />
Post“, dem 1697 erbauten Gasthaus<br />
im heutigen Zentrum, das einst<br />
Stammlokal der württembergischen<br />
Könige war, wenn sie im Schwarzwald<br />
auf die Jagd gingen.<br />
Nagold, im Landkreis Calw gelegen,<br />
hat viel an Attraktivität zu bieten.<br />
Auch Tages- und Wochenend-Touristen<br />
– „das ist unsere Schwerpunkt-Zielgruppe“<br />
– wissen dies<br />
zu schätzen. Der Oberbürgermeister<br />
spricht darüber, Flüsse erlebbar zu<br />
machen und Stadt und Natur zusammenzubringen.<br />
Doch er hat<br />
mehr im Sinn: „In der durchgrünten<br />
Innenstadt liegt die Zukunft“, sagt<br />
der Rathauschef. London ist für<br />
ihn ein Vorbild, zumindest bezüglich<br />
der urbanen Grundhaltung.<br />
Dort soll auf der geplanten Garden<br />
Bridge kein Verkehr fließen, sondern<br />
ein Park entstehen – sozusagen<br />
ein hängender Garten über der<br />
Themse. Ein qualitativ hochwertiger<br />
„Digitale Innovation“ heißt ein Zertifizierungsprogramm der Hochschule Pforzheim,<br />
dessen Lehrbetrieb in Nagold eingerichtet wurde. Foto: Hochschule Pforzheim<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 101
öffentlicher Raum sei wesentlich<br />
mit bestimmend für das Einkaufserlebnis<br />
und somit für einen erfolgreichen<br />
Einzelhandel, erklärt<br />
Großmann.<br />
Diesbezüglich belegt die Ansiedlung<br />
am Rande des Oberen Gäus<br />
zum Schwarzwald eine Spitzenposition<br />
in der Region. Mit 176<br />
Prozent hat Nagold die höchste<br />
Zentralitätskennziffer unter den<br />
nordschwarzwälder Mittelzentren<br />
wie Mühlacker (85), Freudenstadt<br />
(164) und Horb (72). Zur Einordnung:<br />
Nur mehr als 100 bedeutet<br />
Kaufkraftzufluss. Dem Nagold-Einzelhandel<br />
stehen der Berechnung<br />
zufolge mit einem Markt- und<br />
Einzugsgebiet von über 100.000<br />
Einwohnern deutlich mehr als 500<br />
Millionen Euro an Kaufkraft zur<br />
Verfügung. Einer der Gründe dafür<br />
ist laut Großmann „der richtige<br />
Branchenmix“. Und er betont: „Ich<br />
glaube an den Bestand des stationären<br />
Einzelhandels, er ist das belebende<br />
Element einer Innenstadt.“<br />
Gleichwohl nimmt er den digitalen<br />
Wandel beherzt an, spricht im Hinblick<br />
auf die Handelslandschaft von<br />
Multichannel-Lösungen und darüber,<br />
den großen Filialisten mit eige -<br />
nen Konzepten entschlossen entgegen<br />
zu treten. Denn erst die inhaber-<br />
geführten kleinen und mittelständischen<br />
Geschäfte würden das besondere<br />
Flair einer Einkaufsstadt ver -<br />
mitteln. Die Antwort auf die Herausforderung<br />
ist ein gemeinsamer<br />
Online-Marktplatz. Eine App bündelt<br />
Angebote der Nagolder Einzelhändler.<br />
Mit ihr können die Kunden<br />
digital bei ihren vertrauten Läden<br />
ordern. Dabei haben sie die Wahl,<br />
die Ware im Geschäft oder unabhängig<br />
von den Öffnungszeiten am<br />
Paketautomaten, dem sogenannten<br />
Pack-Robot, abzuholen.<br />
Auch seine Verwaltung als Bürger-<br />
Dienstleister sieht Großmann in der<br />
digitalen Pflicht: „Wir werden als<br />
Rathaus in der virtuellen Welt mit -<br />
spielen, da führt kein Weg vorbei“,<br />
gibt er die Richtung vor. Unterdessen<br />
seien die Voraussetzungen bereits<br />
vorhanden. Weiße Flächen bei<br />
der Breitbandversorgung und lang -<br />
sames Internet seien in Nagold passé.<br />
In der Regel könnten Bürger mit<br />
einem Tempo zwischen 50 und 100<br />
Mbit/s durchs Netz surfen. Außerdem<br />
werde der Ausbau des leistungsfähigen<br />
Glasfaserkabels weiter vorangetrieben.<br />
Des Weiteren sorge<br />
beispielsweise die Sparkassen-IT<br />
(Calw) als Tochtergesellschaft der<br />
Sparkasse Pforzheim Calw dafür,<br />
dass die Unternehmen in Nagold<br />
ihre Daten mit Hochgeschwindigkeit<br />
in die Welt jagen können.<br />
Hidden Champions und bekannte<br />
Firmennamen finden sich Seite an<br />
Seite am Wirtschaftsstandort Nagold.<br />
Dazu gehört beispielsweise<br />
Häfele, weltweit agierender und<br />
führender Spezialist für Möbel- und<br />
Baubeschläge. Aus dem „größten<br />
Kleiderschrank Europas“ in Nagold<br />
stattet die Digel AG mit ihrer internationalen<br />
Modemarke die Herrenwelt<br />
aus. Und die Rolf Benz AG &<br />
Co. KG spielt als Design-Marke für<br />
Luxussofas „Made in Germany“ in<br />
der internationalen Top-Liga. Nicht<br />
minder bedeutende Zulieferer und<br />
Betriebe der Branchen Automotive,<br />
Metall, Holz, Textil und Elektronik<br />
gehören dazu, ebenso ein starkes<br />
Handwerk.<br />
Längst ist das 80 Hektar große Gewerbegebiet<br />
„Industriepark Wolfsberg“<br />
mit über 120 Unternehmen<br />
und rund 3000 Arbeitsplätzen weitgehend<br />
an der Kapazitätsgrenze angekommen.<br />
Dennoch kein Problem<br />
für expansive oder ansiedlungswillige<br />
Unternehmen: „Flexibel einteil -<br />
bare Gewerbeflächen finden Sie im<br />
zweiten Nagolder Industrie- und<br />
Gewerbepark INGpark“, verkündet<br />
die Stadt auf ihrer Website als Alternative.<br />
Malerisches Flair und inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte mit breitem Branchenmix sorgen in Nagold für Aufenthaltsqualität.<br />
Die Kunden der Geschäfte können aber auch online auf Shoppingtour gehen. Foto: Doris Löffler<br />
102
Dort, auf dem ehemaligen Kasernenareal<br />
Eisberg hätten sich bereits<br />
Unternehmen mit einem Volumen<br />
von rund 800 Arbeitsplätzen angesiedelt.<br />
40 Hektar stünden derzeit<br />
zur Verfügung, in den nächsten<br />
Jahren werde auf mehr als 70 Hektar<br />
aufgestockt, erklärte Oberbürgermeister<br />
Großmann. Bei 22.000<br />
Einwohnern zählt Nagold derzeit<br />
11.000 sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigte, Tendenz steigend.<br />
Es gebe mehr Ein- als Auspendler.<br />
Die Stadt liege verkehrsgünstig (9<br />
Kilometer zur Autobahn) im Einzugsbereich<br />
der Metropole Stuttgart.<br />
Im Bereich Bildung und Weiterbildung<br />
bietet der Standort unter anderem:<br />
Die LDT – Hochschule des<br />
Deutschen Textil-Einzelhandels, ein<br />
Berufsschulzentrum mit gewerblicher,<br />
kaufmännischer und hauswirtschaftlicher<br />
Ausrichtung, außerdem<br />
zwei Gymnasien sowie das<br />
Weiterbildungszentrum der IHK<br />
Nordschwarzwald und die Volkshochschule<br />
Oberes Nagoldtal. Auch<br />
die Arbeitsagentur hat hier ihren<br />
Sitz. Unterdessen will der OB das<br />
Wohnraum- und Kinderbetreuungsangebot<br />
in Nagold deutlich ausbauen.<br />
Einer der Gründe: Hoher<br />
Freizeitwert, ein angenehmes Lebensumfeld<br />
und attraktive Arbeitgeber<br />
führen zu erfreulichen Einwohnerzuwächsen<br />
– ganz im Sinne<br />
des Stadtslogans: „Nagold – glänzende<br />
Perspektiven.“<br />
www.nagold.de<br />
Zum Wohlfühl-Ambiente der ehemaligen<br />
Landesgartenschau-Stadt Nagold gehört<br />
viel Blumenschmuck im öffentlichen Raum.<br />
Foto: Doris Löffler<br />
Online-Weiterbildung für<br />
akademische Fachkräfte<br />
Hochschule Pforzheim etabliert in Nagold das<br />
Zertifizierungsprogramm „Digitale Innovation“<br />
Von Gerd Lache<br />
„Damit wird die Region Nordschwarzwald<br />
landesweit für<br />
Furore sorgen“, ist sich Professor<br />
Dr. Ulrich Jautz, Rektor<br />
der Hochschule Pforzheim, sicher.<br />
„Digitale Innovation“ heißt<br />
ein Zertifizierungsprogramm,<br />
bei dem sich bereits im Berufsleben<br />
stehende Akademiker –<br />
vorrangig Betriebswirte, Techniker<br />
und Designer – Kenntnisse<br />
aneignen können, die sie zum<br />
Schritthalten in ihrem Job bei<br />
den temporeichen Entwicklungen<br />
im Bereich „Industrie<br />
4.0“ benötigen. Als Standort des<br />
Lehrbetriebs haben die Pforzheimer<br />
die LDT – Hochschule<br />
des Deutschen Textil-Einzelhandels<br />
in Nagold gewählt. Dort<br />
müssen die Zertifikatsteilnehmer<br />
lediglich an zwei Tagen<br />
zur Präsenzveranstaltung erscheinen,<br />
in der übrigen Zeit<br />
erhalten sie den Lehrstoff via<br />
Internet vermittelt. „Das hauptsächliche<br />
Lernen findet online<br />
statt“, erklärt Jautz. Die Teilnehmer<br />
könnten diese Form der<br />
akademischen Weiterbildung<br />
individuell in ihren Alltag integrieren.<br />
Vorteil: Es gebe keine<br />
berufliche Unterbrechung.<br />
Und warum Nagold? „Wir haben<br />
uns bewusst für diesen Standort<br />
ausgesprochen und wollen<br />
unser Konzept, das von der Landesregierung<br />
gefördert wird,<br />
mit den hiesigen Unternehmen<br />
weiterentwickeln“, sagt der Rek -<br />
tor. Gerade im Nagolder Raum<br />
säßen die passenden Firmen<br />
als Ansprechpartner der Hochschule<br />
für das Weiterbildungsprogramm.<br />
Kooperationspartner<br />
der Hochschule sind der<br />
Landkreis Calw und die Stadt<br />
Nagold sowie die Unternehmen<br />
des Wirtschaftsstandorts.<br />
„Unser Ziel ist eindeutig: Wir<br />
möchten den Unternehmen vor Ort<br />
die Möglichkeit geben, ihre Mitarbeiter<br />
weiterzubilden und ihnen<br />
das nötige Know-how für die<br />
anstehenden Entwicklungen im<br />
Bereich der Wirtschaft mitgeben“,<br />
erklärt Helmut Riegger, Landrat<br />
des Landkreises Calw. Und Nagolds<br />
OB Jürgen Großmann macht deutlich,<br />
dass gut ausgebildete Mit -<br />
arbeiter das Kapital eines jeden<br />
Unternehmens seien. Sie müssten<br />
deshalb für die Herausforderungen<br />
im Umfeld von Digitalisierungs-<br />
und Automatisierungsprozessen<br />
und gesellschaftlichen<br />
Veränderungen wie Demografie<br />
und Umweltschutz entsprechend<br />
gerüstet sein.<br />
Bereits 60 Anmeldungen gab es für<br />
den Start Ende September 2016,<br />
rund 80 Prozent davon aus Betrieben<br />
des Landkreises Calw. Mitte<br />
März <strong>2017</strong> kamen weitere Module<br />
hinzu, neben Innovationsmanagement,<br />
Lean Production und Industrie<br />
4.0 auch Themen wie Brand<br />
Management und Leadership.<br />
Von Seiten der Start-Teilnehmer<br />
gab es positive Reaktionen: Die<br />
übersichtliche Struktur des Programms<br />
ermögliche nicht nur<br />
einen guten Zugang zu den Inhalten,<br />
sondern auch den persönlichen<br />
Kontakt mit den Professoren<br />
und den Ansprechpartnern<br />
an der Hochschule, lobte ein Ingenieur,<br />
der vor ein paar Jahren an<br />
der Universität Stuttgart seinen<br />
Abschluss gemacht hatte. Eine<br />
Teilnehmerin bekannte offen:<br />
Ohne das Angebot der Hochschule<br />
Pforzheim hätte sie sich ein Programm<br />
außerhalb der Region ge -<br />
sucht und wäre dafür weggezogen.<br />
Auch das sei Ziel des Projekts,<br />
erklärt Oberbürgermeister<br />
Großmann, „die Fachkräfte sollen<br />
in der Region gehalten werden“.<br />
PORTRÄT<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 103
Nachwuchsschmiede<br />
für die Region<br />
Maschinenbau-Ingenieur Stefan Bogenrieder führt<br />
die Geschäfte der „Centrum für Digitalisierung,<br />
Führung und Nachhaltigkeit Schwarzwald gGmbH“<br />
Soll das Campus-Schwarzwald-Projekt<br />
als Geschäftsführer mit Leben erfüllen:<br />
Stefan Bogenrieder. Foto: Privat<br />
PORTRÄT<br />
Hoch qualifizierte Kräfte für die Region<br />
Nordschwarzwald gewinnen<br />
und diese in der Region halten –<br />
außerdem die Digitalisierung und<br />
Datentechnologie als die größte<br />
technologische Herausforderung<br />
annehmen und umsetzen. Um diese<br />
Ziele zu erreichen, hat sich eine<br />
Initiative mit Vertretern namhafter<br />
Unternehmen aus dem Landkreis<br />
Freudenstadt zusammengeschlossen.<br />
Sie will mit dem Bildungsprojekt<br />
„Campus Schwarzwald“ ihren<br />
Nachwuchs schmieden. Dazu wurde<br />
eine gemeinnützige Gesellschaft<br />
mit beschränkter Haftung gegründet.<br />
Ihr Name „Centrum für Digitalisierung,<br />
Führung und Nachhaltigkeit<br />
Schwarzwald gGmbH“.<br />
Kooperationspartner ist die Universität<br />
Stuttgart, die nach Auskunft<br />
eines Mitglieds der Initiative für<br />
den Lehrbetrieb Professoren abstellen<br />
wird. In Freudenstadt ist dafür<br />
in Bahnhofsnähe ein Campus-Areal<br />
vorgesehen, auf dem die Stadt und<br />
der Landkreis ein bestehendes Gebäude<br />
umbauen lassen wollen.<br />
Die Studienschwerpunkte: „Es werden<br />
praxisnahe Lehrinhalte und<br />
-ziele, insbesondere im Kontext von<br />
Industrie 4.0, Digitalisierung, Führung<br />
und Nachhaltigkeit in Kooperation<br />
mit beteiligten Industrievertretern<br />
erarbeitet“, so die Auskunft<br />
der Industrie- und Handelskammer<br />
(IHK) Nordschwarzwald, bei der bisher<br />
die Koordination des Projekts<br />
über die Einrichtung eines Fördervereins<br />
lag. Seit 1. August hat die<br />
gGmbH mit Stefan Bogenrieder einen<br />
Geschäftsführer. Der 1967 in<br />
Spaichingen geborene Maschinenbau-Ingenieur<br />
hat nach eigenen<br />
Angaben mehrjährige Erfahrung in<br />
der Automotive-Branche (Daimler,<br />
Bosch) und im IT-Bereich (IBM,<br />
Bertrandt). Zu seinen Schwerpunkten<br />
zählen Softwareentwicklung,<br />
Diagnose, Data Analytics und Hard -<br />
wareentwicklung. „Die konzeptionelle<br />
und strategische Weiterentwicklung<br />
des Instituts in Kooperation<br />
mit dem Vorstand und den Mitgliedsunternehmen“<br />
wird eine seiner<br />
Aufgaben sein, wie der Stellen -<br />
ausschreibung zu entnehmen ist. gel<br />
104
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 105
Passwort statt<br />
Wohnungsschlüssel<br />
Arlinger Baugenossenschaft leistet Pionierarbeit<br />
mit dem Bau eines Smart Home in Pforzheim<br />
Von Gerd Lache<br />
„Wir spüren die Dynamik“, sagt<br />
Carsten von Zepelin und meint<br />
damit den technologischen Wandel<br />
unter dem Schlagwort Digita -<br />
lisierung, der nach und nach alle<br />
Bereiche des Lebens erfasst. Die<br />
Baugenossenschaft Arlinger ist<br />
schon mittendrin in der Gestaltung<br />
die ses Transformationsprozesses,<br />
wie der Vorstandsvorsitzende im<br />
Gespräch mit <strong>WirtschaftsKRAFT</strong><br />
deutlich macht. „Komplette Geschäftsabläufe<br />
werden sich ändern“,<br />
kündigt von Zepelin an. Das<br />
heißt für „den Arlinger“, wie die<br />
Pforzheimer die Genossenschaft<br />
nennen, unter anderem: Mieterakten<br />
werden digitalisiert, Wohnungsvergaben<br />
finden online statt<br />
und die Betriebskostenabrechnungen<br />
werden computergestützt<br />
erfasst, erstellt und zugestellt.<br />
Und „wir werden eine Digitalisierungsstelle<br />
schaffen“, sagt der<br />
Vorstandschef. „Wir überprüfen<br />
bestehende Prozesse und suchen<br />
zukunftsfähige Lösungen, die Mie -<br />
tern und Mitarbeitern Leben und<br />
Arbeiten vereinfachen. Zum Beispiel<br />
wird ein digitales Übergabeprotokoll<br />
am Anfang oder Ende der<br />
Mietzeit per iPad mit dem Mieter<br />
gemeinsam erstellt. Oder unser digitales<br />
Wohnungsarchiv für Plä -<br />
ne, Verträge, Abrechnungen und<br />
Gebrauchsanweisungen.“<br />
Mehr noch: In der Branche leisten<br />
die Bau-Genossen aktuell Pionierarbeit.<br />
Sie lassen derzeit ihr erstes<br />
Smart Home in der Brendstraße 77a<br />
in Pforzheim als Test-Objekt erstellen<br />
– ein „intelligentes“ Appartementhaus<br />
mit sechs Wohneinheiten,<br />
das mit zahlreichen<br />
Sinn machenden technologischen<br />
Hilfsmitteln und Services sowie<br />
Sicherheitseinrichtungen ausgestattet<br />
wird. „Da packen wir alles<br />
rein, was ein Smart Home bieten<br />
kann“, sagt von Zepelin. Geplanter<br />
Bezugstermin: Anfang 2018.<br />
Was erwartet die Mieter in ihrem<br />
künftigen Digitalheim? Zunächst<br />
werden Internet, Telefonie und TV-<br />
Anschluss beim Einzug bereits<br />
vorhanden sein. Mühsames und<br />
zeitaufwendiges Beantragen und<br />
Organisieren bei Anbietern fällt<br />
weg. Des Weiteren „statten wir das<br />
Gebäude mit Technik aus, die es<br />
erlaubt, bestimmte Funktionen<br />
komfortabel per Fernbedienung –<br />
etwa mit dem Smartphone oder<br />
dem Tablet – zu aktivieren oder<br />
zu kontrollieren“, erklärt der Vorstandschef.<br />
Beispiele der smarten Ausstattung:<br />
Ein Monitor in der Wohnung zeigt<br />
den Bewohnern ihren Energieverbrauch<br />
und dessen Tendenz an. Die<br />
Luftqualität im Raum wird über<br />
eine Mess- und Kontrolleinrichtung<br />
geregelt und meldet gegebenenfalls<br />
eine zu hohe Luftfeuchtigkeit.<br />
Zum Sicherheitspaket gehört<br />
das automatische Überwachen der<br />
Fenster – sind sie geschlossen,<br />
wenn der Mieter das Haus verlässt?<br />
Heizung, Sonnenschutz und Licht<br />
können zentral gesteuert werden.<br />
Auch der Zugang zum Haus wird bei<br />
Bedarf digital geregelt. „Im über -<br />
tra genen Sinne kann man sagen:<br />
Passwort statt Wohnungsschlüssel.“<br />
Chef der Arlinger Baugenossenschaft<br />
in Pforzheim: Vorstandsvorsitzender<br />
Carsten von Zepelin. Foto: Doris Löffler<br />
Zur Person<br />
Carsten von Zepelin, gebürtiger<br />
Pforzheimer Jahrgang 1960,<br />
ist Vorsitzender des Vorstandes<br />
der Baugenossenschaft Arlinger<br />
eG Pforzheim. Der zweifache<br />
Familienvater hat eine<br />
Ausbildung als Immobilienkaufmann<br />
und Diplom-Sachverständiger<br />
absolviert. Er ist<br />
Sprecher der Arbeitsgemeinschaft<br />
ARGE Pforzheimer Wo h -<br />
nungsunternehmen. Seit 2004<br />
ist Carsten von Zepelin Mitglied<br />
der CDU-Stadtratsfraktion und<br />
in verschiedenen Ausschüssen<br />
aktiv. Außerdem ist er Mitglied<br />
im Gutachterausschuss der Stadt<br />
Pforzheim sowie Erster Vorsitzender<br />
des Fördervereins Theater<br />
Pforzheim. gel<br />
Für den Vorstandschef wird das<br />
Projekt Brendstraße in Bezug<br />
auf Wohnqualität, Sicherheit und<br />
Energie-Effizienz wegweisend für<br />
weitere Neubauten des „Arlinger“<br />
sein. Komme hinzu: Bei den neuen<br />
Smart Homes kann auf Wunsch<br />
106
des Mieters ein Notrufsystem ergänzt<br />
werden mit den bekannten<br />
Notruffunktionen an Hilfsdienste<br />
und einer zusätzlichen Wohlfühlfunktion,<br />
die im Zweifelsfall<br />
Angehörige per SMS benachrichtigt,<br />
wenn über einen bestimmten<br />
Zeitraum in der Wohnung keine<br />
Bewegung stattgefunden hat. Das<br />
Smart Home leiste „einen wesentlichen<br />
Beitrag dazu, dass ältere<br />
Mieter so lange wie möglich in<br />
ihrer Wohnung bleiben können“.<br />
Dafür sorgt die Baugenossenschaft<br />
indes bereits bei ihren Bestandsimmobilien.<br />
„Wo es geht,<br />
bauen wir Aufzüge in die Häuser<br />
ein. Wir sehen darin auch eine<br />
Verpflichtung gegenüber unseren<br />
langjährigen Mitgliedern.“ Denn<br />
die Menschen wollen so lange wie<br />
möglich in ihrer gewohnten Umgebung<br />
bleiben.<br />
Mehr als die Hälfte der Mieteinnahmen<br />
werden jährlich in den<br />
Bestand der Baugenossenschaft<br />
investiert, zum Beispiel in Bäder,<br />
in die Erneuerung von Elektrik,<br />
Türen und Türrahmen sowie Fußböden.<br />
Auch die energetische Optimierung<br />
gehört zu den wichtigen<br />
Maßnahmen, angefangen von<br />
Photovoltaik und Pellet-Heizungen<br />
über Geothermie und Blockheizkraftwerke.<br />
Ob Sanierung oder<br />
Neubau, für den Vorstandsvorsitzenden<br />
gilt die Devise, „die Sache<br />
ordentlich machen“. Soll heißen:<br />
Nachhaltigkeit, Ästhetik, Wertigkeit<br />
und Langlebigkeit sind unbedingte<br />
Kriterien. Für den Vorstand<br />
sei es überdies eine Verpflichtung,<br />
positiv am architektonischen Bild<br />
der Stadt mitzuwirken.<br />
Die Baugenossenschaft achtet auf Stadtbild prägende Architektur. Foto: Arlinger<br />
Unterdessen wird die Bedeutung<br />
einer Baugenossenschaft für die<br />
Region „noch gar nicht so richtig<br />
wahrgenommen“, stellt von Zepelin<br />
fest. Indes: „Die Wohnraumversorgung<br />
wird durch uns stark<br />
abgebildet.“ Immerhin sei dies eine<br />
der Voraussetzungen, damit sich die<br />
begehrten Fachkräfte und ihre Fa -<br />
milien in Stadt und Kreis niederlassen<br />
können. Auch die Genossenschaft<br />
als Auftraggeber, bei -<br />
spielsweise für zahlreiche Gewerke<br />
im Handwerk und in der<br />
Dienst leistung, sei nicht zu unterschätzen.<br />
Was die regionale Wirtschaft<br />
betrifft, sagt von Zepelin,<br />
„da sind wir ein Hidden Champion“.<br />
Deshalb ist er mit Blick auf<br />
die Industrie- und Handelskammer<br />
auch der Meinung: „An der<br />
Zeit wäre es, dass die institutionelle<br />
Wohnungswirtschaft in der<br />
Vollversammlung vertreten ist.“<br />
Zum Thema<br />
Baugenossenschaft Arlinger<br />
Mit rund 3.200 Wohneinheiten<br />
in Pforzheim und im Landkreis<br />
Enzkreis ist „Arlinger“ nach ei -<br />
genen Angaben der größte Ver -<br />
mieter in der Region. Knapp<br />
über 6.000 Mitglieder haben<br />
derzeit Anteile an der 1914 im<br />
Pforzheimer Stadtteil Arlinger<br />
gegründeten Genossenschaft.<br />
Jährlich erhalten sie im Durchschnitt<br />
eine Dividendenauszahlung<br />
von 5 Prozent. Die Fluktuationsquote<br />
von knapp unter 10<br />
Prozent zeugt von einem vergleichsweise<br />
geringen Mieterwechsel.<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
der Baugenossenschaft mit 45<br />
Beschäftigten am Standort Hoh -<br />
lohstraße 6 in Pforzheim-Arlinger<br />
ist Carsten von Zepelin.<br />
Ihm zur Seite steht der nebenamtliche<br />
Vorstand Wolfgang<br />
Glatz. Die Geschäftsentwicklung<br />
gestaltete sich auch 2016<br />
erneut positiv. Im vergangenen<br />
Jahr hat sich die Bilanzsumme<br />
um 7 Millionen auf 149,8 Millionen<br />
Euro erhöht. Der Eigenkapitalanteil<br />
beträgt 48,7 Prozent.<br />
Unter anderem engagiert<br />
sich die Genossenschaft als<br />
Förderer der Kunst und ermöglicht<br />
beispielsweise Ausstellungen.<br />
gel<br />
www.arlinger.de<br />
PORTRÄT<br />
„Smart Home“-Technik kann in allen Bereichen des Wohnens installiert und eingesetzt<br />
werden. Foto: streamnow<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 107
Region Nordschwarzwald<br />
Wenn der Vorgesetzte<br />
als Stressfaktor wirkt<br />
Zum betrieblichen Gesundheitsmanagement<br />
gehört die Wertschätzung der Führungskräfte<br />
gegenüber den Mitarbeitern<br />
Von Gerd Lache<br />
Ausfallzeiten wegen Krankheit<br />
von Beschäftigten können für ein<br />
Unternehmen teuer werden: Die<br />
Produktion und somit die fristgerechte<br />
Belieferung der Kunden<br />
kann sich verzögern, das Einstellen<br />
und Einarbeiten einer Vertretung<br />
verursacht Kosten und sichert<br />
nicht zwingend die Qualität<br />
des eigentlichen Stelleninhabers –<br />
um nur einiges zu nennen. Mit<br />
durchschnittlich 400 Euro pro Tag<br />
Mit unterschiedlichen Angeboten sorgen verantwortungsvolle Unternehmen<br />
für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Foto: Ulrich Perrey<br />
Prävention muss im Fokus stehen,<br />
sagt Diplom-Psychologe Uwe Renz von der<br />
AOK Nordschwarzwald. Foto: AOK<br />
kann so ein Arbeitsausfall zu Buche<br />
schlagen. Nicht zuletzt genießt<br />
ein Unternehmen mit hohem<br />
Krankenstand und/oder wenig ge -<br />
sundheitsfördernden Arbeitsbedin -<br />
gungen einen zweifelhaften Ruf.<br />
Weitere Folgen können eine hohe<br />
Fluktuation, steigende Fehlerquoten<br />
im Betrieb und damit auch<br />
eine wachsende Zahl an Kundenbeschwerden<br />
sein.<br />
Angesichts des Fachkräftemangels<br />
spielen das Image und die gelebte<br />
Kultur eines Unternehmens ohnehin<br />
eine ebenso wichtige Rolle,<br />
wie die Erhaltung der Leistungsfähigkeit<br />
eines jeden Mitarbeiters.<br />
Die Lösung heißt: Betriebliches<br />
Gesundheitsmanagement (BGM).<br />
Für den Diplom-Psychologen Uwe<br />
Renz von der AOK Nordschwarzwald<br />
ist klar: „Die Geschäftsleitung<br />
muss hinter diesem Thema<br />
stehen. Denn die Führungskräfte<br />
beeinflussen durch ihr Verhalten<br />
und ihr Handeln auch die Gesundheit<br />
der Belegschaft.“ Inzwischen<br />
hätten viele Unternehmen im<br />
Nordschwarzwald die Bedeutung<br />
von BGM erkannt. Bei Arburg<br />
in Loßburg beispielsweise ist die<br />
Mitarbeitergesundheit traditionell<br />
ein wichtiger Aspekt. So entsteht<br />
derzeit auf einer Etage des im Bau<br />
befindlichen Schulungscenters ein<br />
Gesundheitszentrum. Auch Firmen<br />
wie beispielsweise Witzenmann in<br />
Pforzheim, Reichert Holztechnik<br />
in Pfalzgrafenweiler sowie Böhmler<br />
Drehteile in Pforzheim arbeiten<br />
eng mit der AOK zusammen.<br />
Die Fischer-Werke in Waldachtal<br />
haben nach AOK-Angaben bereits<br />
ein Gesundheitszentrum für die<br />
Beschäftigen.<br />
Uwe Renz spürt das Umdenken in<br />
den Betrieben deutlich: „Vor 20<br />
Jahren musste ich noch Klinken<br />
108
Werden gerne von den Beschäftigten angenommen:<br />
die jährlichen Gesundheitstage bei Arburg in Loßburg. Foto: Arburg<br />
putzen und harte Überzeugungsarbeit<br />
leisten. Inzwischen kommen<br />
die Führungskräfte auch auf<br />
uns zu.“ Beeindruckt war Renz<br />
von der Aussage eines Unternehmers,<br />
der sich bei ihm über das<br />
BGM mit den Worten informieren<br />
ließ: „Ich möchte gemeinsam<br />
mit meiner Belegschaft gesund alt<br />
werden. Was können wir tun?“<br />
Strategien von der Stange gibt es<br />
nicht: Jeder Betrieb habe eine eigene<br />
Ausgangssituation und jede<br />
Branche sei anders aufgestellt.<br />
Deshalb hat BGM mit der AOK<br />
folgenden Ablauf:<br />
1. Analyse: Um die richtigen Maßnahmen<br />
entwickeln zu können,<br />
wird zunächst mit Management<br />
und Mitarbeitern geredet.<br />
2. Konzeption: Daraus entsteht ein<br />
individueller Maßnahmekatalog<br />
für das Unternehmen.<br />
3. Umsetzung: Die Gesundheitsexperten<br />
der AOK beraten bei<br />
der Ein- und Durchführung der<br />
Maßnahmen.<br />
4. Optimierung: Das Konzept wird<br />
durch eine laufende Bewertungskontrolle<br />
ständig verbessert,<br />
BGM ist somit ein kontinuierlicher<br />
Prozess.<br />
Uwe Renz macht deutlich, dass vor<br />
allem die Prävention im Fokus stehen<br />
muss, also die Erhaltung der<br />
Gesundheit. Er unterstreicht dies<br />
mit einem Zitat des inzwischen<br />
verstorbenen israelisch-amerikanischen<br />
Professors der Soziologie,<br />
Aaron Antonovsky: „Die Medizin<br />
versucht, Menschen aus einem<br />
reißenden Strom zu retten – wobei<br />
es sinnvoller wäre, ihnen das<br />
Schwimmen beizubringen.“<br />
Wie ein solcher „Schwimmkurs“<br />
im betrieblichen Gesundheitsmanagement<br />
aussehen kann, macht<br />
die Pforzheimer Firma Witzenmann<br />
deutlich: „Neben unseren<br />
bewährten Präventionsangeboten<br />
aus der Arbeitssicherheit und der<br />
Betriebsmedizin bieten wir unseren<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern<br />
einen breiten Mix an<br />
Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung.<br />
Aktivitäten<br />
wie Yoga, Kraft- und Rückentraining,<br />
Klettern und Wandern sind<br />
nur einige beliebte Beispiele, die<br />
wir bereits seit Jahren anbieten.<br />
In unserer betriebseigenen Kantine<br />
wird auf besonders frische und<br />
gesunde Ernährung Wert gelegt.“<br />
Eine zentrale Bedeutung habe das<br />
Thema für die Witzenmann-Führungskräfte.<br />
Ihnen sei bewusst,<br />
dass Gesundheit eine wesentliche<br />
Voraussetzung für die Leistungserbringung<br />
darstelle. Sie würden<br />
deshalb fortlaufend darin geschult,<br />
wie auf die physische und<br />
psychosoziale Gesundheit ihrer<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
zu achten ist.<br />
Die Basis sei ein „respektvoller Umgang<br />
in der Zusammenarbeit, eine<br />
wertschätzende und offene Kommunikation,<br />
die Förderung von<br />
Kooperation und die gesundheitsorientierte<br />
Gestaltung von Arbeits -<br />
prozessen“. AOK-Experte Renz er -<br />
gänzt: „Ob der Vorgesetzte zur<br />
Ressource oder zum Stressfaktor<br />
für die Mitarbeiter am Arbeitsplatz<br />
wird, also positiv oder negativ Ein -<br />
fluss ausübt, das liegt entscheidend<br />
am Führungsverhalten.“<br />
Das Gesundheitsmanagement bei<br />
Arburg in Loßburg fußt auf den drei<br />
Säulen Bewegung, Ernährung und<br />
Entspannung. Georg Anzer, Be -<br />
reichsleiter Personal- und Sozialwesen,<br />
nennt unter anderem Maßnahmen<br />
wie Rückenkurse, Power<br />
Fitness, Yoga, wöchentliche Lauftreffs,<br />
jährliche Arburg-Laufmeisterschaften<br />
und Aktionen wie<br />
„Mit dem Rad zur Arbeit“. Gefragt<br />
seien auch die regelmäßig stattfindenden<br />
Gesundheitstage, an de nen<br />
die Mitarbeiter im Betrieb vielfältige<br />
Angebote zur Gesunderhaltung<br />
und Vorsorge in Anspruch<br />
nehmen können – „von der Grippe -<br />
impfung über eine Stressresistenz-<br />
Analyse bis zur persönlichen Beratung<br />
durch Experten.“<br />
Kontakt<br />
Burkhard Bantz<br />
BGM-Koordinator für<br />
die Region Nordschwarzwald<br />
Tel. 07231 41549-33<br />
burkhard.bantz@bw.aok.de<br />
www.aok-bw.de<br />
MANAGEMENT<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 109
Gesunde Nachrichten für Ihr Unternehmen.<br />
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Nachrichten rund um die Themen Sozialversicherung, Wirtschaft und Betriebliche<br />
Gesundheitsförderung. Jetzt anmelden unter aok-business.de/bw/newsletter<br />
ZGH 0882 · Foto: Getty Images<br />
AOK – Die Gesundheitskasse Nordschwarzwald
Ökonomie und Ökologie<br />
in Einklang bringen<br />
Erdenwerk corthum setzt hohe Qualitätsstandards bei der Herstellung<br />
von Substraten, Gärtnerischen Erden und Rindenprodukten<br />
Qualitätsdenken bestimmt die Arbeit<br />
der corthum Erdenwerke bei der<br />
Herstellung von Erden und Rindenmulch<br />
für die unterschied lichsten<br />
Anwendungen. Mit Fachwissen und<br />
dem Einsatz neuester Technik, gepaart<br />
mit ökonomischem und ökologischen<br />
Denken überzeugt das<br />
Erdenwerk mit Hauptsitz in Marxzell-Pfaffenrot<br />
(Landkreis Karlsruhe)<br />
seine Kunden im Umkreis von<br />
rund 200 Kilometern. Das Unternehmen<br />
beschäftigt derzeit 30 Mitarbeiter.<br />
„Erde gut, alles gut“, dieser Spruch<br />
soll mehr als ein Slogan sein, er<br />
steht als wichtiger Leitsatz für Produkt<br />
und Produktion. Zu den Abnehmern<br />
von corthum gehören vor<br />
allem Landschaftsgärtner in allen<br />
Größen, Baumschulen, Dachbegrüner<br />
und private/gewerbliche Selbstabholer<br />
im Werksverkauf. Über<br />
aus gewählte Gartencenter wird<br />
auch der private Gartenbesitzer angesprochen.<br />
„Die Herstellung von Erden ist bei<br />
uns ein Oberbegriff, unter dem wir<br />
die Produktlinien für Substrate,<br />
Humus- und Mulchprodukte zusammenfassen“,<br />
erklärt Geschäftsführer<br />
Uwe Schönthaler. Der ausgebildete<br />
Gartenbautechniker hat<br />
1987 den Betrieb von seinem Vater,<br />
dem Gärtnermeister Werner<br />
Schönthaler, übernommen. Dieser<br />
legte 1975 in Pfaffenrot (Landkreis<br />
Karlsruhe) den Grundstein für das<br />
mittelständische und familiengeführte<br />
Unternehmen.<br />
Unter Uwe Schönthaler wurde der<br />
Betrieb weiter aus- und aufgebaut.<br />
Neueste Technik kommt zum<br />
Einsatz und die Expansion wurde<br />
vorangetrieben. So erfolgte im<br />
Frühjahr 2014 der Spatenstich für<br />
ein Erdenwerk im Herbolzheimer<br />
Industriegebiet Birkenwald, verkehrsgünstig<br />
gelegen an der Autobahn<br />
A5 bei Freiburg. Die corthum<br />
Breisgau GmbH bedient von dort<br />
aus den Raum Südbaden und weiter<br />
über die Grenze hinweg auch<br />
das grenznahe Schweizer Gebiet.<br />
Außerdem gibt es im französischen<br />
Sand einen Vertriebsstandort für<br />
das Elsass, im bayerischen Au in der<br />
Hallertau befindet sich ein Regionalbüro,<br />
von wo aus die bayerischen<br />
Mischwerke gemanaged wer den.<br />
Laut Geschäftsführer Schönthaler<br />
ist es wichtig, nahe am Kunden zu<br />
sein, um Frachtkosten zu reduzieren<br />
und eine Liefer-Flexibilität zu<br />
garantieren. Zudem seien schnelle<br />
Transportwege, zuverlässige Lieferungen<br />
und regionale Vermarktung<br />
beim Einsatz möglichst regionaler<br />
Rohstoffe weitere wichtige Kriterien<br />
des Geschäfts. gel/pm<br />
PORTRÄT<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 111
Leuchtturm für die<br />
Produktion der Zukunft<br />
Arburg ist einem Top-50-Ranking zufolge<br />
als Maschinenbauer innovativster Mittelständler<br />
in Deutschland<br />
Mit annähernd 7000 Gästen aus 53<br />
Nationen über vier Tage hinweg<br />
waren die Technologie-Tage <strong>2017</strong><br />
von Arburg, Hersteller von Hightech-Maschinen<br />
für die Kunststoffverarbeitung<br />
weltweit, das<br />
größte Inhouse-Event der Kunststoff-Branche.<br />
Was wurde geboten<br />
bei dieser Kunden-Veranstaltung<br />
am Hauptstandort des Unternehmens<br />
in Loßburg, rund neun Kilometer<br />
von Freudenstadt entfernt?<br />
Zum Beispiel das Arburg-Produktprogramm<br />
der neuen Generation,<br />
Maschinen in Aktion, Trends der<br />
Kunststoffverarbeitung, Praxisbeispiele<br />
für Industrie 4.0 sowie<br />
Experten-Gespräche – und vor<br />
allem wichtige Impulse, die der<br />
Fachbesucher in sein eigenes Unternehmen<br />
mitnehmen kann.<br />
Geleitet wird das Familienunternehmen<br />
in dritter Generation von<br />
den geschäftsführenden Gesellschaftern<br />
Michael Hehl, Juliane<br />
Hehl und Renate Keinath. Hinzu<br />
kommt Eugen Hehl als geschäftsführender<br />
Senior-Gesellschafter.<br />
Produkte, die mit den Arburg-<br />
Maschinen hergestellt werden,<br />
begleiten die Menschen nahezu<br />
durch ihr ganzes Leben: Zahnbürsten<br />
und Kugelschreiber, Joghurtbecher<br />
und Autoschlüssel, Dübel,<br />
Stecker und Pipettenspitzen, auch<br />
Strahleinsätze im Duschkopf und<br />
Kunststoff-Einwegbohrer beim<br />
Zahnarzt oder Komponenten für<br />
Fußballschuhe und Mikroteile wie<br />
Uhr-Zahnräder. Im Automotive-<br />
Bereich finden sich viele Anwendungsbeispiele,<br />
etwa ein Regen-<br />
Licht-Sensor für die Frontscheibe,<br />
der im Mehrkomponenten-Spritzgießen<br />
gefertigt ist. In der Viehhaltung<br />
sind es die Ohrmarken der<br />
Milchkühe. Die Beispiele könnten<br />
weitergeführt werden.<br />
Die Vielseitigkeit der Arburg-Maschinen<br />
spiegeln auch deren Namen<br />
wider: Allrounder heißen die<br />
Spritzgießmaschinen und Freeformer<br />
das additive Fertigungssystem.<br />
Wen beliefert Arburg?<br />
Bei den Branchen ist das Unternehmen<br />
nach eigener Darstellung<br />
breit aufgestellt: Am stärksten sei<br />
der Automotive-Bereich. Hinzu<br />
komme die Medizintechnik, die<br />
optische und die Elektroindustrie<br />
sowie die Verpackungsbranche.<br />
Produktgrößen von kleinsten Teilen<br />
mit wenigen Hundertsteln Gramm<br />
Die geschäftsführenden Gesellschafter (v.l.): Eugen Hehl, Juliane Hehl, Michael Hehl und Renate Keinath. Foto: Arburg<br />
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In zahlreichen Branchen werden<br />
die Maschinen aus Loßburg zur<br />
Kunststoffverarbeitung eingesetzt.<br />
Foto: Arburg<br />
und Toleranzen im Mikrometerbereich<br />
bis hin zu größeren, rund 2,5<br />
Kilogramm schweren Kunststoffteilen<br />
produzieren die Maschinen<br />
aus Loßburg – angefangen von der<br />
Einzelfertigung in Losgröße 1 bis<br />
hin zur Massenherstellung.<br />
Im vergangenen Jahr habe der<br />
Hersteller seine bisher größte und<br />
stärkste Maschine mit einer<br />
Schließkraft von 6.500 kN (Kilonewton)<br />
vorgestellt. Dieses „Flagg -<br />
schiff“ der Loßburger besticht<br />
nach deren eigenen Angaben<br />
„nicht nur durch sein innovatives<br />
Maschinendesign, sondern auch<br />
durch die neue Steuerung mit<br />
Full-HD-Bildschirm und smarter<br />
Gestensteuerung“.<br />
Unter 3500 mittelständischen deut -<br />
schen Unternehmen, die 2016 von<br />
der „Wirtschaftswoche“ analysiert<br />
wurden, sei Arburg bei den „Top<br />
50“ als Maschinenbauer der innovativste<br />
Mittelständler. Insgesamt<br />
belegten die Nordschwarzwälder<br />
im Ranking den achten Platz, hinter<br />
Firmen wie Leica und Lamy.<br />
Der disruptive Wandel im Zuge<br />
der Digitalisierung stelle kein Bedrohungsszenario<br />
dar. Im Gegenteil:<br />
Das Unternehmen sieht sich<br />
als Trendsetter. Es befasse sich<br />
seit mehr als 30 Jahren mit der<br />
Digitalisierung – sowohl in der eigenen<br />
Fertigung als auch bei seinen<br />
Produkten. Bereits 1986 wurde<br />
demnach ein vollautomatisches<br />
Fertigungssystem realisiert, das<br />
aus mehreren verketteten Spritzgießmaschinen<br />
bestand und damit<br />
seiner Zeit weit voraus gewesen<br />
sei. Die Anlage sei damals<br />
durch eine frühe Version des<br />
Arburg Leitrechnersystems ALS<br />
gesteuert worden. Es sei seitdem<br />
kontinuierlich weiterentwickelt<br />
worden und heute zentraler Baustein<br />
von Industrie 4.0 für eine<br />
durchgängige informationstechnische<br />
Vernetzung der Spritzteilproduktion,<br />
so die Darstellung des<br />
Unternehmens. Zusammen mit<br />
den automatisierten Allrounder-<br />
Spritzgießmaschinen, der zentralen<br />
Selogica-Maschinensteuerung<br />
und dem Freeformer biete Arburg<br />
alle Komponenten für die Realisierung<br />
einer „Smart Factory“.<br />
Beim Wettbewerb „100 Orte für<br />
Industrie 4.0 in Baden-Württemberg“<br />
wurde das Unternehmen als<br />
eines der „Leuchtturmprojekte für<br />
die Produktion der Zukunft“ ausgezeichnet.<br />
Wirtschaftsstaatssekretärin<br />
Katrin Schütz (CDU) hob<br />
die herausragende Innovationskraft<br />
des Loßburger Maschinenbauers<br />
hervor.<br />
Unterdessen stünden die Zeichen<br />
in Loßburg laut Arburg weiterhin<br />
auf Wachstum: Im Juli <strong>2017</strong><br />
erfolgte demnach die Grundsteinlegung<br />
für ein neues Schulungscenter.<br />
Mit dem mehrstöckigen<br />
Neubau investiert das Unternehmen<br />
nach eigener Darstellung<br />
einen zweistelligen Millionenbetrag.<br />
Als Grund hierfür wird<br />
genannt: „Neben der erstklassigen<br />
Technologie schätzen die Kunden<br />
das erstklassige Dienstleistungsangebot,<br />
zu dem auch ein breit<br />
gefächertes Trainings- und Schulungsspektrum<br />
rund um Maschinen,<br />
Anwendungstechnik und<br />
Service gehört.“ Mehrere Zehntausend<br />
Fachleute seien in den<br />
vergangenen Jahrzehnten in Loßburg<br />
geschult worden – Tendenz<br />
steigend.<br />
Aus- und Weiterbildung spiele auch<br />
in den eigenen Reihen eine wichtige<br />
Rolle: In über 65 Jahren habe<br />
Arburg schon mehr als 1.700 jungen<br />
Menschen den Start ins Berufsleben<br />
ermöglicht. Im September<br />
<strong>2017</strong> gab es dem Unternehmen<br />
zufolge „einen neuen Rekord“: 63<br />
junge Frauen und Männer hätten<br />
ihre Ausbildung beziehungsweise<br />
ihr Duales Hochschulstudium begonnen.<br />
gel/pm<br />
Zum Thema<br />
Spritzgießen, auch Spritzguss<br />
genannt, ist ein Verfahren, das<br />
in der Kunststoffverarbeitung<br />
eingesetzt wird. Dabei wird<br />
mit einer Spritzgießmaschine<br />
das jeweilige Kunststoffgranulat<br />
verflüssigt und in eine<br />
Form, dem Spritzgießwerkzeug,<br />
unter Druck eingespritzt.<br />
Im Werkzeug geht die Kunststoffschmelze<br />
durch Abkühlung<br />
oder eine Vernetzungsreaktion<br />
wieder in den festen<br />
Zustand über. Nach dem Öffnen<br />
des Werkzeuges steht das<br />
Fertigteil zur Verfügung. Der<br />
Hohlraum des Werkzeuges bestimmt<br />
dabei die Form und die<br />
Oberflächenstruktur des fertigen<br />
Teiles. Es sind inzwischen<br />
Teile im Gewichtsbereich von<br />
wenigen Hundertstel Gramm<br />
bis zu einer Größenordnung<br />
von 150 Kilogramm herstellbar.<br />
Mit diesem Verfahren lassen<br />
sich direkt verwendbare<br />
Formteile in großer Stückzahl<br />
kostengünstig herstellen. Das<br />
Spritzgießen erlaubt eine nahezu<br />
freie Wahl von Form und<br />
Oberflächenstruktur. wik/pm<br />
Produkte, die mit Arburg-Maschinen<br />
hergestellt werden, begleiten die Menschen<br />
nahezu durch ihr ganzes Leben.<br />
Foto: Arburg<br />
PORTRÄT<br />
<strong>WirtschaftsKRAFT</strong> 113
PORTRÄT<br />
Der Hauptsitz von Arburg befindet sich in Loßburg in der Nähe von Freudenstadt. Foto: Arburg<br />
Im Schwarzwald zu Hause, weltweit vor Ort<br />
Die Arburg GmbH + Co KG ist<br />
ein deutsches Familienunternehmen,<br />
das weltweit zu den führenden<br />
Maschinenherstellern für<br />
die Kunststoffverarbeitung gehört.<br />
Zu den Kunden zählen unter<br />
anderem die Automobil- und<br />
Verpackungsindustrie, Kommunikations-<br />
und Unterhaltungselektronik,<br />
Medizintechnik und der<br />
Weißwaren-Bereich. Arburg ist<br />
mit eigenen Organisationen in 25<br />
Ländern an 33 Standorten und<br />
über Handelspartner in mehr als<br />
50 Ländern vertreten. Produziert<br />
wird ausschließlich im deutschen<br />
Stammwerk in Loßburg. Von den<br />
rund 2.700 Mitarbeitern sind rund<br />
2.200 in Deutschland beschäftigt,<br />
weite re rund 500 in den weltweiten<br />
Arburg-Organisationen.<br />
Die Mitarbeiter sind laut Firmenangaben<br />
durchweg hoch qualifiziert.<br />
Die Betriebszugehörigkeit liegt<br />
durchschnittlich bei 15,4 Jahren,<br />
das Belegschaftsalter bei 40,6<br />
Jahren. Aktuell werden 157 Azubis<br />
und DHBW-Studenten in 15<br />
Berufen ausgebildet.<br />
2016 belief sich der konsolidierte<br />
Umsatz auf 636 Millionen Euro<br />
(2015: 596 Mio. Euro). Der Exportanteil<br />
beträgt rund 70 Prozent.<br />
Alle Schlüsselkomponenten werden<br />
selbst hergestellt, so kommt<br />
Arburg nach eigener Darstellung<br />
auf einen hohen „marktuntypischen<br />
Eigenfertigungsanteil von<br />
rund 60 Prozent“.<br />
Die Firmengründung erfolgte 1923<br />
durch Arthur Hehl in Loßburg – daher<br />
der Firmenname, eine Zusammensetzung<br />
aus den ersten Buch -<br />
staben des Gründer-Vornamens so -<br />
wie den letzten Buchstaben des<br />
Standorts. Arthur Hehl fertigte zu -<br />
nächst medizinische Präzisionsinstrumente.<br />
Am Gründungssitz<br />
hält das Unternehmen seit jeher<br />
fest. Das Motto lautet: Im Schwarzwald<br />
zu Hause, weltweit vor Ort. gel<br />
Produktionsstandort inmitten der „grünen Lunge“ des Luftkurorts Loßburg. Foto: Arburg<br />
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QuaLität<br />
know-how<br />
maschinen technoLogien<br />
heimat des<br />
spritzgiessens<br />
marktführerschaft<br />
Leidenschaft<br />
weitbLick<br />
innovation<br />
Seitdem sich ARBURG mit dem Spritzgießen beschäftigt, geschieht das mit dem<br />
Anspruch, die Heimat dieses Verfahrens zu sein. Weil es in unseren Genen liegt,<br />
können wir gar nicht anders, als uns mit kompromissloser Konsequenz und Hingabe<br />
der Weiterentwicklung und Perfektionierung des Spritzgießens zu widmen. Dabei<br />
haben wir immer ein Ziel vor Augen: Ihren Erfolg.<br />
www.arburg.com
Das Wichtigste …<br />
… sind Vertrauen und Kompetenz.<br />
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