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ZOOM<br />

Eine Expedition in ...<br />

... das Reich des Barts<br />

Bart zu tragen, wird immer populärer.<br />

Waren es vor ein paar Jahren noch vornehmlich Hippster, Islamisten oder Ökos, die Bart trugen, ist er heute für Männer aus den<br />

verschiedensten Milieus „in“. Anlass genug, um unseren Redakteur Marcus Ertle zum Barbier zu schicken.<br />

Der Mann und sein Bart. Das ist eine Beziehung, die Frauen nie verstehen<br />

werden. Das klingt jetzt etwas pathetisch, oder? Ich glaube, ich<br />

habe noch nie so intensiv über meinen Bart nachgedacht wie in den letzten<br />

Tagen. Oder, nein, falsch, es fing im letzten Sommerurlaub an, als<br />

ich beschlossen habe, mich nicht mehr zu rasieren und in den nächsten<br />

Monaten fasziniert die Entstehung meines Barts verfolgt habe. Allein so<br />

einen Satz kann eine Frau wohl kaum verstehen, denn in ihrer Lebenspraxis<br />

geht es ja genau um das haarauszupferische Gegenteil. Übrigens eine<br />

der wenigen Bereiche, bei denen ich mir denke, dass ich froh bin, ein<br />

Mann zu sein und keine Frau. Ich stelle mir das ständige Zupfen und Epilieren<br />

diverser unerwünschter Härchen ziemlich anstrengend vor. Immer<br />

im Wettlauf mit der Natur.<br />

Aber entlarvt mich diese Sicht der Dinge vielleicht schon als gestrig?<br />

Ist es nicht ausgemacht, dass auch wir Männer immer mehr auf unser<br />

Äußeres schauen müssen? Dass Behaarung nicht mehr per se als erstrebenswerter<br />

Ausdruck von Maskulinität gilt?<br />

Eines scheint mir sicher: Wir befinden uns in einer Übergangsphase.<br />

Die Männlichkeit befindet sich ja in einer Krise. Die Frauen werden<br />

zunehmend emanzipierter, männliche Körperkraft verliert in Alltag und<br />

Beruf immer mehr an Bedeutung und die neueste Sexismus-Debatte<br />

stellt das erotische Gebaren von Männern grundsätzlich in Frage. Eigentlich<br />

sollte man also meinen, dass der Bart sich als Ausdruck archaischer<br />

Männlichkeit auf dem Rückzug befindet, dass Männer auch optisch<br />

weiblicher werden. Allein: Das Gegenteil trifft zu. Aber wieso?<br />

Ich begebe mich auf eine Bartexpedition nach Kriegshaber. Dort<br />

hat Sezer Soylu, Deutschlands bester Barbier, seinen Salon. Ich trete<br />

ein. Rechts steht gleich ein Motorrad, links werkeln gepflegte Herren in<br />

Weste an den Bärten diverser männlicher Kunden herum. Sezer Soylu<br />

begrüßt mich freundlich. Er hat natürlich einen beeindruckenden Bart<br />

und wirkt wie der stolze kluge Wirt eines orientalischen Lokals. Man<br />

fühlt sich mehr als Gast denn als Kunde. Ich darf erst mal in einer Sofaecke<br />

Platz nehmen und lasse alles auf mich wirken. Was haben wir denn<br />

hier alles?<br />

Fast ein wenig aus der Zeit gefallen und damit natürlich genau das,<br />

was viele Männer gerne haben. Elvis Presley singt und schwingt die<br />

Hüften in einem Bildschirm an der Wand, viel dunkles Holz, sogleich<br />

wird schwarzer Tee serviert, das ist alles sehr schön. Links von mir sitzt<br />

ein müder Handwerker, rechts von mir ein südländischer Teenager mit<br />

beeindruckendem Bartwuchs, neben ihm ein Mann, der eine frappierende<br />

Ähnlichkeit mit Sami Khedira hat. Was völlig fehlt: Frauen.

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