34 ZOOM „Du redest Scheiße!“ Die Trikont-Story Der Münchner Verlag feiert sein 50-jähriges Jubiläum! Eine Geschichte über fünf Jahrzehnte Unangepasstheit. Zu Beginn lebte der Trikont-Verlag den Traum von der Revolution. Man veröffentlichte Bücher für die 68er-Bewegung. Bestseller waren Schriften von Che Guevara und die Mao-Bibel. Die erste LP enthielt Kampflieder der Arbeiterklasse. Jetzt feiert der Trikont-Verlag sein 50-jähriges Bestehen. Von Alexander Edin.
ZOOM 35 Wer sich mit 74 Jahren durch einen Faustschlag eine blutige Lippe einfängt, ist offensichtlich keiner, der sich wegduckt. Im Gegenteil, für Achim Bergmann ist die Verletzung sinnbildlich für seinen Charakter. Bergmann leitet den Münchner Musikverlag Trikont und er ist in den letzten Jahrzehnten selten einem Streit aus dem Weg gegangen. Als er Ende Oktober auf der Frankfurter Buchmesse bei einer Veranstaltung des rechten Verlags „Junge Freiheit“ einen Redner krude Meinungen über die 68er-Generation verbreiten hörte, schleuderte er diesem ein klares: „Du redest Scheiße!“ entgegen. Die Folge war eben die aufgeplatzte Lippe, die ihm ein Zuhörer mit einem gezielten Kinnhaken verpasste. Für den Augsburger Schriftsteller Franz Dobler eine typische Achim Bergmann-Aktion: „Er würde niemals das Maul halten, wenn er auf Nazitypen trifft. Der Mann hat Courage und Erfahrung.“ Dobler ist ein treuer Wegbegleiter von Trikont, hat dort selbst einige Compilations herausgegeben und Texte für den Verlag verfasst. Seit den 70ern verfolgt er dessen Geschichte und hat eine intensive emotionale Bindung: „Ohne Institutionen wie Trikont, Achternbusch oder Polt wären wir in Bayern immer noch auf dem kulturellen Stand von Ende Mai 1945“, so Dobler. Geschichten über die Unangepasstheit in einem Bundesland, deren Obrigkeit es mit dem Unangepassten so gar nicht hat der Verlag einige Jahre später Pleite ging, kam in den 80ern die beste Zeit in Sachen Musik. Bands wie die österreichischen Attwenger wurden unter Vertrag genommen und natürlich Hans Söllner. Die Fraunhofer Saitenmusik, Koferlgschroa und LaBrassBanda, für die das Trikont-Album „Habediehre“ den Durchbruch bedeutete, sind weitere Namen einer langen Liste, die hier den Rahmen sprengen würden. Wichtig war und ist aber immer das Ungewöhnliche. Musik, die man niemals sonst entdecken würde. Oder wer sucht speziell nach Tango aus Finnland? Achim Bergmann tat es und veröffentlichte kurzerhand eine musikalische Zusammenstellung des finnischen Tangos. Außerdem auch Trauermärsche aus aller Welt, was man auch nicht gerade als alltagstauglich bezeichnen würde. Von Bands wie „Drei Eier“ oder „Ich schwitze nie“ ganz zu schweigen. Trotzdem waren es vor allem die LP- und CD- Kompilationen dieser ungewöhnlichen Musik, die bis heute auch den kommerziellen Erfolg garantieren. Denn, dass die Musikwelt unheimlich groß und vielfältig ist, daran erinnert einen Trikont ein ums andere Mal. Und deswegen gibt es auch unzählige Fans dieses Münchner Labels. Pionierarbeit in Sachen bayerische Kultur 500 Bücher und Tonträger Trikont wurde 1967 in Köln gegründet, aber bereits ein Jahr später zog der Verlag nach München. Und seit nun 50 Jahren steht Achim Bergmann zusammen mit Lebens- und Arbeitspartnerin Eva Mair-Holmes an der Spitze des Verlages. Seitdem wurden rund 500 Bücher und Tonträger veröffentlicht. Als Trikont 1968 nach München kam, war es auch dort die Zeit der Rebellion und die Macher stürzten sich mittenrein in den politischen Kampf. Trikont verlegte die Schriften von deutschen Anarchisten und Linksextremisten. Musikalisch war es zu Beginn teilweise skurril. Auf Platte gepresst wurden z.B. „Indianische Texte aus dem Widerstand“ oder die grandiosen antifaschistischen „Songs from the Greek Underground“ aus den Jahren 1925-1947. Im Jahr 1975 druckte Trikont dann ein Buch, das zum Eklat führte. „Wie alles anfing“ von Bommi Baumann, Mitglied der „Bewegung 2. Juni“. Darin schildert Baumann schonungslos seinen Weg in den bewaffneten Kampf und rechnet sowohl mit dem Staat als auch mit einigen Weggefährten ab. Drohungen der RAF waren die Folge, die das Buch eines, in ihren Augen Verräters, nicht veröffentlicht sehen wollten. Und auch der Staatsanwalt schaltete sich ein. Der Verlag wurde durchsucht, das Buch verboten und die gedruckten Exemplare beschlagnahmt. Vor allem diese Geschichten über den anarchischen Charakter der Macher machen Trikont so unvergleichlich. Geschichten über die Unangepasstheit in einem Bundesland, deren Obrigkeit es mit dem Unangepassten so gar nicht hat. Zusammen mit Christoph Meueler hat Franz Dobler daraus ein dickes Buch mit rund 500 Seiten gemacht. „Die Trikont-Story. Musik, Krawall & andere schöne Künste“ ist eine wunderbare Zeitreise durch 50 ereignisreiche Jahre. „Trikont ist aus einer starken emanzipatorischen Protestbewegung entstanden und diese Zusammengehörigkeit war das Kapital, das vom politisch-kulturellen Gegenwind eher gestärkt wurde. Als diese Konstellation in den 1980ern zerbröselte, hat sich Trikont breiter aufgestellt, sie waren ja auch hedonistisch-bodenständig und keine linken Sektierer“. Franz Dobler beschreibt im Buch auch die Umbruchphase, als es darum ging, wirtschaftlich zu überleben. Denn 1979 trennte sich das Plattenlabel vom Buchverlag. Und während Die Trikont-CDs zelebrieren das Ungewöhnliche. Das Buch von Meueler und Dobler begleitet diese 50 bunten Jahre und auch der Mensch Bergmann wird durchleuchtet. Ein gebürtiger Westfale, der Bayern und seine Menschen irgendwie doch lieben lernte. „Es ist ein großartiger Witz, dass ausgerechnet dieses Label die bayerische Kultur erforscht und präsentiert wie niemand sonst, von Kraudn Sepp bis Bally Prell, ein Berg mit raren Schellackaufnahmen oder die Serie „Stimmen Bayerns“. Auch um zu zeigen, dass die Geschichte Bayerns spannender ist, als es die Partei gern hätte. Von unserem Heimatministerium und seinem Hausmeister Söder kommt ja nichts. Dieses verschwendete Geld wäre besser in neue Skilifte investiert.“ Franz Dobler hat eine klare Meinung, wer seit Jahrzehnten die Pionierarbeit in Sachen bayerische Kultur leistet. Eine Arbeit, auf deren Erfolg sich niemand ausruhen darf. „An Hans Söllner, Trikonts bekanntestem Künstler und als Hassobjekt bei Politikern und Richtern beliebt, hat sich eine Liberalisierung gezeigt: bis vor wenigen Jahren wurde er vom Bayerischen Rundfunk komplett boykottiert, inzwischen wird er gespielt. Angesichts eines massiven Rechtsrucks dürfen wir uns jetzt auf Veränderungen gefasst machen. Die Dresdner Kapelle Banda Internationale bekommt es schon zu spüren, wenn sie gegen Pegida auftritt.“ Umso wichtiger ist es sowohl für den Schriftsteller Dobler als auch den Label-Chef Bergmann, solchen Bands eine Plattform zu bieten und nicht zurückzuweichen. Auch wenn Achim Bergmann nach eigener Aussage ruhiger geworden und die Zeit der Revolution vorbei ist. Inzwischen bezeichnet er sich in manchen Dingen sogar als konservativ, auf seine eigene Art selbstverständlich. Ein deftiges „Du redest Scheiße!“ zu abstrusen Verschwörungstheoretikern ist trotzdem jederzeit drin. Ab und zu konservativ bedeutet nicht, sich anpassen zu müssen. Auch mit 74 Jahren nicht. Lesung zum Jubiläum am 19.<strong>12</strong>. mit Dobler und Meueler Wer mehr interessante Geschichten aus der Trikont-Historie erfahren will, dem ist die Lesung mit Franz Dobler am Dienstag, den 19.<strong>12</strong>.17 in der Glimmer Bar zu empfehlen. Ab 20.30 Uhr stellt der Autor das Buch mit Musik, Texten und Videos vor. Und natürlich läuft der typische Trikont-Sound.