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2008-04

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Inhaltsübersicht / Aus der Redaktion<br />

Aus der Redaktion 03<br />

Gressdachs-Blätzjer 05<br />

Geschänke schänke 05<br />

Meine Advents- und Weihnachtszeit 1944 06<br />

Ein ungewöhnlicher Weihnachtsmorgen 08<br />

Das Fenster zur Stille 09<br />

Unser Krönchen 10<br />

Festlich war das Bild der Eintracht 12<br />

Die Hochseilartistenfamilie Johann Traber 14<br />

Senioren leben auch im Siegerland gefährlich 20<br />

Wie der Herr der Bienen die Zufriedenheit gewann 22<br />

Die Honigbiene 24<br />

Der etwas andere Laden 25<br />

Philipp Melanchthon 26<br />

Apollo spielt jetzt auch nachmittags 30<br />

Zum Kuckuck noch mal – Die verflixte Winterzeit! 31<br />

Das Ei und Ich 32<br />

Der Kommentar 33<br />

Dortmund – Dresden und zurück 35<br />

Kunstausstellung 39<br />

Gedächtnistraining 40<br />

Letzte Ausfahrt Heim 42<br />

Das erste Jahr 44<br />

Festtagszeit 44<br />

Friedhof: Stätte der Begegnung und der Trauer 46<br />

Eindrücke meiner Reise nach St. Petersburg 48<br />

Demnächst: „Tafel auf Rädern“ 50<br />

Wenn 351 Euro zum Leben reichen müssen 50<br />

Millennium in London 55<br />

Leserbriefe 56<br />

Es fiel uns auf / Lösungen 58<br />

Zu guter Letzt / Impressum 58<br />

Wir hatten zuerst die Bilder, danach fiel die Entscheidung dazu auch eine Geschichte<br />

zu machen. Gottfried Klör, der für viele gute Fotos und Titel im durchblick verantwortlich<br />

ist, brachte Bilder der Hochseilartisten Traber, die er während der diesjährigen SILA<br />

aufgenommen hatte. Wir wussten auch von dem schweren Unglück, das die Familie im<br />

Mai 2006 ereilt hatte. In Form eines Interviews wollten wir mit den Trabers die Frage<br />

klären: „Was veranlasst Eltern, die eigenen Kinder in lebensgefährliche Situationen zu<br />

bringen?“ Einer Einladung folgend, lernten wir die ungewöhnliche Familie kennen.<br />

Wir waren überrascht von dem herzlichen Empfang. An einem Sonntagvormittag<br />

Anfang September, bei strahlender Sonne, stellten Inge Göbel, Friedhelm Eickhoff<br />

und Eberhard Freundt die Fragen und versuchten die Antworten zu verstehen. Beeindruckt<br />

waren sie, mit welchem Respekt vor dem Leben diese Familie ihre Arbeit<br />

verrichtet. „Wir machen nichts was gefährlich ist“, so das Familienoberhaupt, „alle<br />

Nummern müssen absolut sicher sitzen, bevor wir sie auf dem Seil zeigen, und vor<br />

allem, wir sind stets so gesichert, dass eigentlich nichts Gefährliches passieren kann.“<br />

Aus dem Interview wurde ein Bericht, den Eberhard Freundt abgefasst hat (ab Seite 14).<br />

Ihnen fröhliche, besinnliche Weihnachten, einen guten Rutsch, ein schönes neues<br />

Jahr und, um im Jargon zu bleiben, „Hals und Beinbruch“.<br />

Jetzt aber viel Freude beim Lesen des neuen durchblick.<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 3


Siegener<br />

Weihnachtsmarkt<br />

24.11. - 23.12.<strong>2008</strong><br />

vor dem Unteren Schloss<br />

mit großer Eislaufbahn<br />

4 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Gressdachs-Blätzjer<br />

Afgeschbelt hät sech de Geschechde medde de<br />

drissicher Joarn em foarige Joarhondert;<br />

doch hozedach kennet noch genau so sinn,<br />

dänn net nuer Froue sin schnuckerich of Sesichkaide.<br />

Ain fa dä fenf Schwäsdern fa minner Modder,<br />

„os Wisset“ genannt, wail ät fast wisse Hoarn<br />

hadde, woar min Dande Leni.<br />

Usser, dat det „Wisset“ „Wissnäerai“ geloart hadde,<br />

och det Nämädche en d’r Familje woar,<br />

konn ät noch wane got Ko’che backe.<br />

Ech glauwe, d’r Fritz, d’r Ma fa äm, hädde och<br />

sost net em ät gefräjjt.<br />

Hä woar nämlich e arich groas „Schnuckmull”.<br />

Alles, wat met Zucker ze do hadde, wossde hä<br />

genesslich ze genese.<br />

Am Schlemmsde woar dat,<br />

wann d’r Hearbst sech agesät hadde on<br />

Gressdach neme witt.<br />

Bi dänn wuern nämlich schoa Afang Okdower de<br />

earschde Gressdachs-Blätzjer gebacke.<br />

Min Dande wossde genau, dat hä emmer so<br />

schnuckerich do drof woar,<br />

on feng dearwäje fre genoch mem Backe a.<br />

No hadde d’r Fritz so sin äjene A’gewonhaide.<br />

Äm schmackden de Gressdachs-Blätzjer am<br />

allerbesde, wann hä se stibitze konn.<br />

Dearwäje lefe da en dä Zitt och schdännich<br />

em ganze Huss rem,<br />

guckde en all Äcke, sochde on sochde, em dat<br />

Debbe met de Gressdachs-Blätzjer ze fenne.<br />

Dä Kennerschbass mossde hä dobi aifach ha.<br />

Am lebsde hädde hä det ganze Joar<br />

ewer Gressdach gehat.<br />

Dauernd wuer gebacke, dauernd e anner<br />

Fer’schdeck gesocht, on dauernd<br />

woar dat Blätzjes-Debbe leer. Mänchmo säde det<br />

Leni: „Hädden m’r doch bal Oasdern!“<br />

Nuer e par Dach foar Gressdach schannde min Dande:<br />

„Ma! Loss noch wat ewerich foar de Faierdache,<br />

sost grijjsdet met mier ze do.“<br />

Wat si domet no mainde, hät se ni ferroare,<br />

awer d’r Fritz zog nuer de Schollern hoch on<br />

grinsde woalwessend foar ser hin.<br />

Aimo, kuerz foar de Faierdache, do wossde det<br />

Leni sech neme annerscht ze helfe,<br />

als dat Debbe met de lätzde Gressdachs-Blätzjer<br />

onne em Huss em Wäschkässel end<br />

Fuerloch ze schdälln.<br />

En däm Joar hät d’r Fritz do dat Debbe net gefonne.<br />

Awer och nuer en däm Joar.<br />

Gerda Greis<br />

Geschänke schänke<br />

Mama, was soll ich Joachim zu Weihnachten schenken? Besorgst du was?<br />

Mama, was soll ich Wolfgang zu Weihnachten schenken? Besorgst du was?<br />

So geng dat jedes Joar foar Gressdach. Ni wossden de Jonge wat se sech zo Gressdach<br />

orrer och zom Gebuertsdach schänke sollden.<br />

E däm Joar, als d‘r Jengsde drutze on dä anner achze woar, do hadde ech foar jeden wat Besonnerschdes ussgesocht.<br />

D‘r Helje Owend kom, de Bescherong woar sowitt foarbi, nuer de zwai Jonge mossden sech noch<br />

beschänke. Ainer gob da huerdich d‘m annern sin Päckelche on zo glicher Zitt wuer ussgepackt.<br />

Itzend guckden baide sech ganz ferwonnert on merrem arich domme Gedsechde a.<br />

Se hadden sech gäjesaidich det „Otto-Boch“ geschänkt.<br />

All ha m‘r lache mosse, on ech bru‘chde fa do a niks me ze besorge.<br />

Gerda Greis<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 5


Siegen<br />

Meine Advents- und Weihnachtszeit 1944<br />

von Else Diezemann *Gläser<br />

Im Dezember 1944 befand ich mich zur Ausbildung<br />

in einem Kinderheim im Sauerland. Man lebte ständig in<br />

Angst vor Bomben-Angriffen. Aber dort – etwas abgelegen<br />

– fühlten wir uns einigermaßen sicher. So machte ich mir<br />

auch gar keine zu großen Sorgen, als ich in der allgemeinen<br />

Unterhaltung – ein eigenes Radio besaß ich natürlich nicht<br />

– erfuhr, dass am Samstag, dem 16. Dezember, ein Angriff<br />

auf Siegen stattgefunden hatte.<br />

Das Elternhaus der Autorin,<br />

nahe der AOK<br />

Hilfstrupps, DRK, SA, Technisches Hilfswerk und wie sie<br />

alle hießen. In wenigen Stunden wurden die Toten und auch<br />

ein Schwerverletzter herausgeholt.<br />

Am Mittwoch fuhren meine Mitschülerin und ich nach<br />

Siegen zurück. Meine Gefühle beim Anblick eines ungeheuren<br />

Trümmerhaufens anstelle meines großen Elternhauses<br />

– in der Nähe der AOK – kann ich nicht schildern.<br />

Am nächsten Tag fand in kleinstem Kreis die Beerdigung<br />

unserer beiden lieben Toten statt, die mein Bruder selbst<br />

auf einem Leiterwagen zum Lindenberg-Friedhof hinaufgebracht<br />

hatte – eine im Sarg, die andere nur in einer Holzkiste!<br />

– ; dazu bliesen die Sirenen schon wieder Voralarm.<br />

Mein Bruder und ich fanden provisorischen Unterschlupf<br />

bei lieben netten Menschen in der damaligen Waldstraße am<br />

Fischbacherberg. Von Verwandten oder Nachbarn, alle selbst<br />

schwer geschädigt, konnten wir keine Hilfe erwarten.<br />

Unser Tagesprogramm verlief folgendermaßen: zu<br />

Fuß – PKW gab es praktisch für Privat-Menschen nicht<br />

– also alles zu Fuß vom Fischbacherberg hinunter zur<br />

Trümmerstätte bei der AOK; da es nicht gebrannt hatte,<br />

wurden noch tagelang von einigen sehr zuverlässigen Männern<br />

aus den Hilfs-Trupps noch viele Gegenstände ausgegraben,<br />

die sie zum Teil in der Turnhalle des damaligen<br />

Lyzeums (wo sie später verbrannten), zum Teil in anderen<br />

Kellern abstellten, zum Teil sogar in unserer Badewanne,<br />

die noch wochenlang auf dem Bürgersteig stand.<br />

Aber dann war ich verwundert und zutiefst erschüttert,<br />

als am Dienstagnachmittag eine gute, sehr besorgte<br />

Mitschülerin aus Siegen mich im Heim aufsuchte und mir<br />

mitteilte, dass durch eine Luftmine meine Mutter und eine<br />

Schwester in unserem total zerstörten Haus getötet worden<br />

waren; mit ihnen noch sechs weitere Menschen. Mein Vater<br />

war schon 1937 gestorben. Telefonisch hätte man mich<br />

ja schon gar nicht mehr erreichen können, und die Post<br />

lief auch schon sehr unregelmäßig. Also hatte sie sich nach<br />

Rücksprache mit meinem älterem Bruder, den sie auf den<br />

Trümmern arbeiten sah, einfach aus Nächstenliebe in den<br />

Zug gesetzt, um mich – trotz sehr umständlicher Verkehrsverbindungen<br />

– persönlich benachrichtigen zu können.<br />

Meinem älterer Bruder war schon an der Front der rechte<br />

Ellenbogen durchschossen worden, wodurch sein Arm<br />

weitgehend gelähmt blieb, dadurch konnte er seinen Bürodienst<br />

in Siegen wieder aufnehmen. Am 16. Dezember war<br />

er eingeteilt worden, mit der Büchse auf der Straße für die<br />

„Winterhilfe“ zu sammeln. Bei dem Bombenalarm gegen<br />

15 Uhr suchte er Schutz in einem Bunker in Bahnhofs-Nähe.<br />

Als er nach der „Entwarnung“ „nach Hause“ kam, fand er<br />

nur noch ein steinernes Chaos vor. Zu seiner Erleichterung<br />

kamen sehr bald gut organisierte Sanitäts- und technische<br />

Von dem Elternhaus blieb nur noch ein ungeheurer<br />

Trümmerhaufen übrig.<br />

Dazwischen gab es immer wieder Alarm, und man musste<br />

sich entscheiden, ob man – mit Angst – bei der Arbeit blieb<br />

oder in den Stollenbunker im Häusling lief. Behörden, die<br />

sich oft in ganz anderen Dienstgebäuden als gewohnt befanden,<br />

mussten benachrichtigt werden, telefonisch ging<br />

gar nichts mehr. Lebensmittel besaßen wir natürlich nicht<br />

mehr. Für Brot, Milch, Butter, Fleisch, Gemüse usw. musste<br />

man mit Lebensmittelmarken vor den wenigen noch vor-<br />

6 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Siegen<br />

Heutige Spandauer Straße, hier steht das Gebäude,<br />

in dem später die Landeszentralbank untergebracht war<br />

handenen Bäckereien und Geschäften in langen Schlangen<br />

anstehen, manchmal letzten Endes vergebens! Zum Glück<br />

gab es von der NSV, der Frauenschaft und dem DRK Küchen<br />

und Ausgabestellen, wo man warmes Essen, warme<br />

Getränke, belegte Brote usw. bekam. Wir waren ja sowieso<br />

– infolge der jahrelangen knappen Lebensmittelzuteilungen<br />

auf Karten – schon unterernährt und hatten natürlich immer<br />

Hunger. Hinzu kam die kalte Witterung; es hatte schon<br />

leicht geschneit und es waren Minus-Temperaturen. Man<br />

fror. Zum Glück hatte ich noch warme Kleidung bei mir,<br />

was nicht für alle Menschen zutraf. Man bekam ja schon<br />

seit Jahren Kleidungsstücke nur auf Zuteilungskarten. Dasselbe<br />

galt für Schuhe: 1 Paar Schuhe für ein Jahr! Vielleicht<br />

haben damals viele Menschen – zu allem anderen Kummer<br />

– gefroren und auch oft kalte und nasse Füße bekommen.<br />

Abends trafen wir uns, weil wir beide oft verschiedene<br />

Dinge erledigen mussten, müde und erschöpft in unserer<br />

gemeinsamen Unterkunft, innerlich angefüllt vom Kummer<br />

vieler Menschen und mit den Bildern der vielen zertrümmerten<br />

Häuser.<br />

Am Heiligen Abend hörten wir am Radio der Hausbesitzerin<br />

gemeinsam der Goebbels-Rede zu – das Übliche:<br />

große laute Worte mit Pathos, Aufforderung zum Durchhalten<br />

und immer wieder Siegesversprechungen!<br />

Kein Weihnachtsbaum, keine<br />

Weihnachtskerzen, keine Weihnachtsgeschenke!<br />

Keine Weihnachtsstimmung!<br />

Aber ein „Geschenk“<br />

erhielten wir am Morgen<br />

des 2. Weihnachtsfeiertages: Unser<br />

jüngerer Bruder, von dem wir schon<br />

seit Wochen keine Nachricht mehr<br />

„aus dem Westen“ erhalten hatten,<br />

stand auf unseren Haustrümmern<br />

und wartete auf uns. Ihm war in<br />

seinem militärischen Unterstand<br />

am späten Heiligabend von seinem<br />

Vorgesetzten die Nachricht von<br />

unserem Unglück überbracht und<br />

14 Tage Bomben-Heimaturlaub erteilt<br />

worden. Von unserer ältesten<br />

Schwester, die mit Ehemann und<br />

einem Säugling in Hinterpommern<br />

lebte, erhielten wir noch eine Antwort<br />

auf unsere Unglücksnachricht,<br />

3 Fotos aus Familienbesitz Else Piegemann<br />

ehe sie selbst von der Ostfront überrollt wurden, zum Glück<br />

ohne größeren Schaden. Im Januar 1946 kehrten die drei als<br />

Vertriebene in den Kreis Siegen zurück.<br />

Mich bewegte später die Frage, warum wir wohl an<br />

Heiligabend nicht zum Gottesdienst gegangen waren, der<br />

wirklich noch in einer Kirche stattgefunden hat. Heute<br />

möchte ich einmal alle Schwierigkeiten aufzählen, mit denen<br />

wir damals zu kämpfen hatten: unendliche Traurigkeit,<br />

kein „Zuhause“, Hunger, Erschöpfung, Scheu vor Kälte<br />

und Nässe, Angst vor wiederholtem Alarm und etwaigem<br />

erneutem Luftangriff, keinerlei Fahrmöglichkeiten, dazu<br />

noch demolierte Straßen, teilweise mit Schutt bedeckt, und<br />

anbefohlene vollständige Verdunkelung, nachtschwarze<br />

Dunkelheit auf den Straßen, die wir uns bei der heutigen<br />

übergrellen Weihnachtsbeleuchtung überhaupt nicht mehr<br />

vorstellen können.<br />

Ein anderes „Geschenk“ tauchte für uns in Gestalt<br />

eines früheren Arbeitskollegen auf, der als sehr praktischer<br />

Handwerker in diesen Tagen in wenigen Stunden aus den<br />

zerfetzten Resten unserer eigenen guten Mahagoni- und<br />

Nussbaummöbel einige Kisten zimmerte, die wir dann auf<br />

einem – mit seiner Hilfe zauberhaft irgendwie herbei organisiertem<br />

– LKW bei mehreren Verwandten und Bekannten<br />

in Siegerländer Dörfern unterbringen konnten. Nach vielen<br />

Monaten konnten wir sie wohlbehalten zurückholen. Doch<br />

das war wirklich sehr viel später; wir mussten ja erst wieder<br />

ein sicheres Dach über dem Kopf haben und etwas zuversichtlicher<br />

in die Zukunft blicken.<br />

Meine so gute, menschenfreundliche Mitschülerin wurde<br />

später die Ehefrau meines Bruders; und wir konnten<br />

dann später zwei eigene Wohnhäuser auf das ehemalige<br />

Trümmergrundstück bauen.<br />

Der jüngere Bruder ist 1946 in einem russischen Gefangenenlazarett<br />

gestorben.•<br />

Kein Feinstaubfilt er<br />

nöti g !<br />

DIREKT VOM HERSTELLER<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 7


Weihnachten<br />

Ein ungewöhnlicher Weihnachtsmorgen<br />

Es war ein kalter, aber freundlicher Dezembertag. Die<br />

Sonne ließ die vielen kleinen Kristallsterne, die in der Nacht<br />

zu Boden gefallen waren, funkeln, wie tausend Diamanten<br />

es nicht schöner vermögen. Es war der Tag vor Heiligabend.<br />

Voller Vorfreude machten die Menschen in Reichenbach<br />

und Engelbach ihre letzten Besorgungen, grüßten einander<br />

freundlich und zogen weiter ihres Weges. Es war ein Tag<br />

wie kein anderer im Jahr, voller Stimmung und Frieden,<br />

und selbst die Tiere schienen gebannt von dieser bezaubernden<br />

Atmos phäre .<br />

Doch dann zerbrach ein markerschütternder Schrei die<br />

weihnachtliche Stille, die Zeit schien für einen Moment zu<br />

erstarren, und das Gefühl des Schreckens überfiel Mensch und<br />

Tier wie ein Eiseshauch. In diesem Augenblick fuhr Engel Gabriel,<br />

genauso erschrocken, aus seinem Himmelsthron hoch.<br />

Ahnungsvoll ging er eiligen Schrittes zur weihnachtlich,<br />

prunkvoll geschmückten Himmelspforte. Weit öffnete er<br />

das Tor. Eisiger Wind und dichtes Schneetreiben schlugen<br />

ihm ins Gesicht. Sie ließen kaum einen Blick zur Erde zu.<br />

Verzweifelt wollte er das Tor wieder schließen, doch seine<br />

Kräfte verließen ihn. Ehe er sich versah, packte eine gewaltige<br />

Windböe eine unter ihm schwebende Wolke und ließ<br />

ihn trudeln, wie in einem aufgewühlten Meer. Voller Angst<br />

versuchte er der mächtigen Gewalt Herr zu werden und<br />

steuerte auf eine riesige Wolkenwand zu, die ihn im letzten<br />

Moment wie eine Schutzhülle umgab.<br />

Wie von Geisterhand gestoppt ließ der Sturm nach. Vorsichtig<br />

setzte er einen Schritt vor den anderen. und lauschte.<br />

Unheimliche Stille umfing ihn. Plötzlich teilte sich eine<br />

Wolke unter ihm und ließ den Blick zur Erde frei. Das, was<br />

er sah, ließ ihn erstarren. Im hellen Schein der Sterne sah er<br />

die goldene Himmelsleiter. Vereist und kaum begehbar.<br />

Wollte nicht heute das Christkind zur Erde?, dachte er.<br />

Alle goldenen Schlitten, mit sechs weißen Hirschen bespannt,<br />

waren im Einsatz! Es musste also die Himmelsleiter<br />

nehmen, um pünktlich zum Fest die Pakete auszuliefern!<br />

Ich muss zur Erde!, hämmerte es in ihm. Es muss etwas<br />

Schreckliches passiert sein! Sein verzweifelter Hilfeschrei<br />

Am Dicken Turm<br />

Peter Müller | Kölner Straße 48 | 57072 Siegen | 0271 53616<br />

ging durchs gesamte Himmelreich, der von den vielen<br />

kleinen Engeln, die im Weihnachtslagerraum arbeiteten,<br />

vernom men wurde. Urplötzlich war Engel Gabriel von<br />

einer großen Engelschar umgeben. Entsetzen machte sich<br />

auf den kleinen, zarten Gesichtern breit, als sie die vereiste<br />

Himmelsleiter erblickten.<br />

„Ja, das Christkind wollte heute zur Erde!“, bestätigten<br />

sie erschüttert. „Nach Reichenbach und Engelbach!“ Ungestüm<br />

liefen sie zu ihren Wolkenkammern, schlüpften in<br />

ihre weichen, weißen Fellmäntelchen und setzten sich auf<br />

ihre zugeteilten Wolken. Engel Gabriel nahm ebenso auf<br />

einer Wolke Platz und steuerte auf das große, hell erleuchtete<br />

Himmelstor zu. Ein leichter Windhauch trug sie, der<br />

goldenen Himmelsleiter entlang, zur Erde.<br />

Vor einem tief verschneiten Wäldchen in Engelbach<br />

schwebten sie auf eine Lichtung. Erschrocken hielten sie inne.<br />

Überall im Schnee verstreut lagen bunt verpackte Päckchen.<br />

Leises Wimmern war zu hören. Engel Gabriel erstarrte.<br />

Da lag doch vor seinen Füßen im weichen Pulverschnee, rot<br />

angefroren, fast leblos, das Christkind. Behutsam hob er es<br />

heraus und setzte es auf seine Wolke. Leise kamen die anderen<br />

Engel hinzu und rieben die kleinen, erkalteten Glieder mit<br />

ihren Händen warm. Langsam öffnete es seine Äuglein und<br />

schaute erstaunt um sich. Zaghaft fasste es an seine goldenen<br />

zerzausten Flügel und strich über sein völlig zerknittertes<br />

goldbestäubtes Kleidchen. Sein zartes, mit feinen Locken<br />

umrahmtes Gesichtchen, lächelte. „Gott sei Dank!“, riefen<br />

die Engel erleichtert, „unser Christkind lebt!“ Aber was war<br />

geschehen? Ehe Engel Gabriel fragen konnte, erzählte das<br />

Christkind, dass es von der vereisten Himmelsleiter gefallen<br />

war. „Ich muss doch meine Aufgabe erfüllen! In diesem Jahr<br />

muss ich so viele Kinder bescheren, dass ich bei jedem Gang<br />

zur Erde mehr mitgenommen habe als ich eigentlich tragen<br />

kann!“, entschuldigte es sich leise. „Wir werden dir helfen,<br />

liebes Christkind! Wir bringen die Pakete zur Weihnachtssammelstelle,<br />

und das Verteilen der Geschenke übernehmen<br />

wir auch, dann kannst du dich etwas ausruhen!“, meinten die<br />

Engel spontan. Gemeinsam gruben sie die Päckchen aus dem<br />

glitzernden Schnee, luden sie auf ihre weichen, flauschigen<br />

Wolken und schwebten zur Sammelstelle, die ganz verborgen<br />

hinter dem Wäldchen lag.<br />

Glücklich nahm Engel Gabriel das noch ein wenig<br />

erschöpfte Christkind in den Arm, und beide folgten der<br />

himmlisch singenden Engelschar. Ihre zarten Stimmen<br />

klangen so rein, so überirdisch schön, dass die Men schen<br />

und Tiere, die sie in ihrem Ohr vernahmen, sich aus ihrer<br />

starren Schreckenshaltung lösten und andächtig lauschten.<br />

Der stimmungsvolle weihnachtliche Frieden kehrte langsam<br />

in ihre Herzen zurück.<br />

Und die Menschen in Reichenbach und Engelbach<br />

verbrachten ein Weih nachtsfest, wie es nicht schöner und<br />

glanzvoller hätte sein können. Edith Maria Bürger<br />

8 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Winter<br />

Das Fenster zur Stille<br />

von Edith Maria Bürger<br />

Gestern noch konnt’ ich es öffnen,<br />

das Fenster zur Stille – ganz weit.<br />

Gestern noch konnt’ ich es öffnen,<br />

zur Zeit der Besinnlichkeit.<br />

Dienstag, 4. November <strong>2008</strong><br />

DIE GALANACHT DER DEUTSCHEN TENÖRE<br />

Zauber der Musik<br />

Donnerstag, 4. Dezember <strong>2008</strong><br />

Weihnachten mit<br />

den Kastelruther<br />

Spatzen<br />

Sah draußen die Schneeflocken gaukeln<br />

im Takte des säuselnden Windes,<br />

sah Engel in Baumwipfel schaukeln<br />

und drinnen die leuchtenden Augen des Kindes.<br />

Freitag, 16. Januar 2009<br />

Das Überraschungsfest<br />

der Volksmusik<br />

präsentiert von Florian<br />

Silbereisen<br />

Sie saßen beim Kerzenlichte,<br />

das Kind in der Mutter beschützenden Arm,<br />

es andächtig lauschte der Weihnachtsgeschichte,<br />

verschwunden war Kummer und Harm.<br />

Ich öffne das Fenster zur Stille,<br />

heute, zur nächtlichen Stund’,<br />

ein Schwirren, ein Klirren empfängt mich,<br />

ein Hämmern, ein Pochen aus riesigem Schlund.<br />

Wo bist Du? Fenster zur Stille?<br />

Wo warst Du? Zu welcher Zeit?<br />

Öffne Dich, Fenster zur Stille!<br />

Zur Zeit der Besinnlichkeit!<br />

Die Antwort geht unter in schmerzlichen Lauten,<br />

versinkt im Dunkel der Nacht,<br />

ringsherum düster die steinernen Bauten,<br />

ein einsamer Wanderer lacht.<br />

Die Äste wie Krallen gen Himmel sich heben,<br />

gespenstisch erscheint mir des Nachbarn Baum,<br />

in meiner Brust verspür ich ein Beben.<br />

Das Fenster zur Stille – war nur ein Traum?<br />

Helene Fischer<br />

live mit Band<br />

Dienstag, 20. Januar 2009<br />

Donnerstag, 12. März 2009<br />

BAP<br />

Radio-Pandora-<br />

Tournee<br />

Donnerstag, 26. März 2009<br />

HELMUT LOTTI<br />

Tournee 2009<br />

Infos: www.siegerlandhalle.de<br />

Eintrittskarten erhältlich bei allen<br />

CTS-Vorverkaufsstellen.<br />

Telefonischer Kartenservice: 0271 5940-350<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 9


Siegen<br />

Unser Krönchen<br />

Foto: Fritz Fischer<br />

Siegen – Alt Nassaus „Aug und Zier“<br />

Hoch schwebt ein Krönchen über dir!<br />

Aus Eisen ward es einst gemacht,<br />

Das kam aus deiner Berge Schacht.<br />

Mit Schmiedekunst der Kranz verziert,<br />

Darin ein Pfeil das Wetter führt.<br />

So dauert es im Sturm der Zeit<br />

Wie Kreuz und Krone, Leid und Freud.<br />

(W. K. 1950)<br />

Handarbeiten<br />

Ihr Fachgeschäft in Siegen für den Bereich:<br />

• Stricken<br />

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Inh. Karin Tillner<br />

Löhrstraße 20 · 57072 Siegen<br />

Telefon: (0271) 52539<br />

Nachdem Johann Moritz von Nassau-Siegen 1652<br />

vom Grafen in den kaiserlichen Fürstenstamm erhoben<br />

wurde, schien ihm der rechte Augenblick gekommen, seinem<br />

Stande und seinem Lande ein Denkmal zu setzen. Es<br />

sollte weithin erkennbar sein. Er ließ von Weidenauer Hüttenleuten<br />

und Schmieden im Haardter Hammer eine große<br />

schmiedeeiserne Krone anfertigen, anschließend vergolden<br />

und am 17. August 1658 auf den Turm der Nikolaikirche<br />

aufsetzen. Für alle Zeiten hat der Fürst damit dokumentiert,<br />

dass ihm Siegen und das Siegerland besonders am Herzen<br />

gelegen haben. Er schenkte, vielleicht unbewusst, der<br />

Stadt und dem Land ein Symbol, das in späteren Zeiten als<br />

„Krönchen“ das Wahrzeichen der Stadt wurde. Diese Krone<br />

sollte nicht nur von der Standeserhöhung Kunde geben,<br />

sondern eine Zierde der Kirche, ja der ganzen Stadt sein.<br />

Das „Krönchen“ stellt eine Fürstenkrone dar, die in der<br />

Heraldik als Laubkrone bezeichnet wird. Die Krone hat eine<br />

Höhe von 1,90 m. Ihr Durchmesser beträgt oben an den<br />

Zacken 2,35 m, unten am Kronenrand 1,35 m. Die Kugel,<br />

auf der sie ruht, ist aus Kupferblech hergestellt und hat einen<br />

Durchmesser von 1,50 m. Im Innern der Kugel ist eine<br />

Inschrift angebracht, die in deutscher Übersetzung besagt:<br />

„Johann Moritz, Fürst von Nassau, Katzenelnbogen,<br />

Vianden und Diez, Herr zu Beilstein, Meister des Orden<br />

Sankt Johannis, ließ mich auf seine Kosten anfertigen und<br />

aufstellen im Jahre 1658.“<br />

Über der Krone dreht sich im Winde eine 3,5 m langer<br />

Wetterpfeil. Der Windpfeil symbolisiert, dass auch Fürstenkronen<br />

der Macht dessen unterstellt sind, der Wolken<br />

Luft und Winden Wege, Lauf und Bahn gibt. Der Stabeisen-<br />

Wetterpfeil mit einem aus acht Doppelblättern hergestellten<br />

Schweif dreht sich um ein Kugellager, das mit 19 Achatkugeln<br />

ausgestattet ist.<br />

Wind und Wetter haben unzählige Male die Krone umtobt.<br />

Ihr Äußeres war von Eis und Schnee, Hitze und Regen<br />

angegriffen und mancherlei Ausbesserungen mussten im<br />

Laufe der Zeit vorgenommen werden, immer aber behielt<br />

sie die Bedeutung als Wahrzeichen der Stadt Siegen.<br />

Im Sommer 1829 erhielt der Nikolaikirchturm einen<br />

neuen Pfeil, der den Bürgern Siegens die Windrichtung anzeigen<br />

sollte. Es war damals ein großes Wagnis, die Arbeiten<br />

durchzuführen. Dem Schieferdecker Prinz aus Siegen nebst<br />

seinen Gesellen vertraute man die schwierige Arbeit an.<br />

Der Pfeil selbst wurde – mit bunten Bändern geziert – im<br />

festlichen Zuge durch die Straßen der Stadt getragen, bevor<br />

man ihn in die Höhe hinaufschaffte.<br />

„Sehet hier den Pfeil vom Thurme!<br />

Hoch in Lüften soll er schweben.<br />

Von dem Winde, von dem Sturme<br />

Wird er treue Kunde geben.<br />

Aecht prophetisch klingt sein Wort:<br />

Osten, Westen, Süd und Nord.<br />

Werden einst die Enkel fragen:<br />

Welchem Kühnen ward’s gegeben,<br />

Diesen Pfeil zur Höh’ zu tragen?<br />

Sagt, wer wagte so sein Leben?<br />

Prinz, Steffe, Römer, Vogel sind bekannt,<br />

Sie beschirmte Gottes Hand.“<br />

(F. E. Steffe)<br />

Auch im Jahre 1889 gab es größere Reparaturarbeiten.<br />

Das Krönchen wurde ausgebaut und zur Erde geholt. Die<br />

Siegener Firma Friedrich Hinderthür baute eine Blitzschutzanlage<br />

ein. In eine Kapsel legten die Handwerker<br />

ein Dokument mit folgendem Text:<br />

„Im Jahre des Heils Eintausend achthundert neun und<br />

achtzig am neunten Tage des Monats Julius unter der Regierung<br />

des Deutschen Kaisers Wilhelms des Zweiten, als<br />

A. Delius Bürgermeister von Siegen war, wurde durch den<br />

Bürger Friedrich Hinderthür, Meister des Klempnergewerbes,<br />

diese Turmspitze nebst Wetterfahne und Blitzableiter<br />

angefertigt und die Aufstellung derselben durch dessen<br />

Sohn Gustav ausgeführt. Möge die Stadt Siegen, auf welche<br />

diese Turmspitze von hoher Warte herabsieht, wachsen,<br />

blühen und gedeihen bis in die fernsten Zeiten. Das walte<br />

Gott und wünscht: Friedrich Hinderthür.“<br />

Der Luftangriff auf die Innenstadt am 16. 12. 1944 zerstörte<br />

auch die Kirche mit Ausnahme ihres Turmes. Dass<br />

den Turm keine Bombe traf, war ein Glücksfall. Auf den<br />

Tag genau 10 Jahre nach ihrer Zerstörung konnte die Ni-<br />

10 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Foto: Fritz Fischer<br />

Die Krone auf dem Turm ist eine Nachbildung, das<br />

„echte“ Krönchen steht im Eingangsbereich der Kirche.<br />

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kolaikirche am 16. 12. 1954 wieder von der Gemeinde in<br />

Gebrauch genommen werden.<br />

Im Mai 1955 wurde das Krönchen mit einem echten<br />

24-karätigen Naturblattgold in allen seinen Feinheiten neu<br />

vergoldet. Zu diesem Anlass ließ die Ev. Kirchengemeinde<br />

Siegen weitere Schriftstücke und Zeitdokumente in eine<br />

Kapsel einlegen. Sie nennen die Mitglieder des damaligen<br />

Presbyteriums der Kirchengemeinde und skizzieren<br />

die Art der Erneuerungsarbeiten mit dem Namen der fünf<br />

beteiligten Firmen.<br />

„Möge die schützende und segnende Hand des allmächtigen<br />

Gottes fernerhin und alle Zeiten über diesem Gotteshaus<br />

und der Stadt Siegen walten und sie bewahren vor<br />

Krieg und vor neuer Zerstörung.“<br />

Das ist die Bitte, mit der diese Urkunde vom 7. Juni 1955<br />

schließt.<br />

Bei der Renovierung der Kirche im Jahr 1993 wurde<br />

festgestellt, dass die Krone Beschädigungen aufwies, die<br />

nicht repariert werden konnten. Die Krone wurde erst abgenommen<br />

und eine originalgetreue Nachbildung angefertigt<br />

und auf den Turm gebracht. Das „echte“ Krönchen steht<br />

heute im Eingangsbereich der Kirche und kann dort besichtigt<br />

werden.<br />

Zeitdokumente zeugen von der Sorgfalt und Liebe der<br />

Siegener Bürger um ihr Krönchen, das sie als ein ehrwürdiges<br />

Zeichen der Siegener Vergangenheit betrachten und<br />

pflegen. Auch die liebevolle Bezeichnung „Krönchen“ beweist,<br />

wie vertraut und befreundet die Siegerländer mit der<br />

Zier des Nikolaikirchtums sind, mit dem Symbol ihrer Heimat,<br />

das weit über deren Grenzen hinaus bekannt ist.<br />

Dorothea Istock<br />

Ein Paar auf die Ohren?<br />

Viel hören - Wenig verstehen?<br />

Von diesem Problem mit dem Gehör ist annähernd jeder<br />

Siebte betroffen. Der Anfang: Angestrengtes Verstehen und<br />

Verwechselung bei Neben<br />

geräuschen, wobei es bei<br />

Einzelgesprächen oft noch<br />

geht. Meist sind beide Ohren<br />

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durchblick 4/<strong>2008</strong> 11


Buchbesprechung<br />

Festlich war das Bild der Eintracht<br />

Leonhard Philipp Gläser (1797–1875) – Leben und Werk des Siegener Sozialreformers<br />

Leonhard Gläser,<br />

Gemälde vor dem<br />

Gläsersaal<br />

der Siegerlandhalle<br />

Foto: Fritz Fischer<br />

Die Liste derjenigen, deren<br />

Ideen während ihrer Lebzeiten von<br />

den Mitmenschen ignoriert, belächelt<br />

oder gar bekämpft wurden,<br />

ist endlos lang. Viele von ihnen hat<br />

man vergessen, das Wirken einiger<br />

erfährt hingegen erst Generationen<br />

später die entsprechende Würdigung.<br />

Zu Letzteren gehört ganz<br />

ohne Zweifel Leonhard Philipp<br />

Gläser (1797–1875).<br />

So erwähnt Heinrich von<br />

Achenbach, dessen umfangreiche<br />

„Geschichte der Stadt Siegen“ etliche<br />

Jahre nach dem Tod Gläsers<br />

aufgelegt wurde, seinen Zeitgenossen<br />

mit keinem Wort. Erst im 20. Jahrhundert erinnerten<br />

zunächst Fritz Fickeler (1911), Hans Kruse (1915) und Paul<br />

Fickeler (1950) in diversen Artikeln an Siegens inzwischen<br />

berühmten Wohltäter. Nach und nach wurde aus dem einstigen<br />

Saulus in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ein<br />

wahrhafter Paulus, dessen Name vor allem wegen seiner<br />

Eintracht-Stiftung vielen Bewohnern der Krönchen-Stadt<br />

geläufig ist. Neben dem in der Siegerlandhalle von den<br />

meisten Einheimischen wohl schon einmal aufgesuchten<br />

Gläsersaal erinnern im Stadtgebiet gleich vier Straßen an<br />

ihn. Es sind dies die Gläserstraße und die Gläserswende<br />

sowie die Eintrachtstraße und die Parkstraße.<br />

Dass Gläser zu seiner Zeit von vielen Städtern nicht<br />

so ganz ernst genommen wurde, lag zum Teil an seinen<br />

körperlichen Defiziten. Er hatte einen schaukelnden Gang<br />

und wurde darum „D’r schockelije Gläser“ genannt. Dazu<br />

war er schwerhörig und stotterte ein wenig. Andererseits<br />

beweisen die von ihm verfassten Schriftstücke eine hohe<br />

Intelligenz und eine überdurchschnittliche Bildung. Und<br />

gerade aus diesen Schriftstücken – Zeitungsartikel, Leserbriefe<br />

und Anzeigen – erfährt der Leser viel von dem, was<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts Gläser und die Siegener umtrieb.<br />

Als exemplarische Stichworte seien genannt: Volksfest für<br />

Siegen, Bürgerverein „Eintracht“, Volksbühne, Zoologischer<br />

Garten, Wasserleitungen, Turnhallenbau, rollende<br />

Sparbüchsen sowie Brandwache auf dem Turm der Nikolaikirche.<br />

Weil viele seiner Ideen auf spontanen Widerspruch<br />

stießen und im Intelligenz-Blatt für die Kreise Siegen,<br />

Wittgenstein und Altenkirchen (später: Siegener Kreisblatt<br />

und Siegener Zeitung) in der Regel den Beiträgen Gläsers<br />

prompt ein Contra-Leserbrief folgte (und umgekehrt), ging<br />

es mitunter wochenlang munter hin und her.<br />

Aber nicht nur diese Leserbriefe machen Christian<br />

Brachthäusers Buch „Festlich war das Bild der Eintracht“<br />

über das Leben und Werk des Sozialreformers interessant<br />

und lesenswert. Zwar ist das Werk keine Biografie im üblichen<br />

Sinne (und sollte es gemäß Angabe des Verfassers<br />

auch nicht sein). Dennoch lernt der Leser durch die zahlreichen<br />

Dokumente viel vom Leben Gläsers kennen – aber<br />

auch von den Zuständen in der Stadt. 602(!) Fußnoten auf<br />

den 340 Seiten unterstreichen den immensen Fleiß des Verfassers.<br />

Mannigfaltige Hintergrundinformationen ergänzen<br />

die Schriftstücke.<br />

Ein Exkurs über Stiftungen<br />

im Allgemeinen und über die<br />

Eintracht-Stiftung Gläsers im Besonderen<br />

sowie der Epilog über<br />

die Historie des Eintracht-Geländes<br />

bis zum Bau der Siegerlandhalle<br />

vervollständigen das Buch.<br />

Jedem, der für die Siegerländer<br />

Geschichte Interesse aufbringt,<br />

kann das Werk empfohlen werden.<br />

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12 durchblick 4/<strong>2008</strong>


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Die Hochseilartistenfamilie Johann Traber<br />

Ein Leben ohne Netz und doppelten Boden<br />

14 durchblick 4/<strong>2008</strong><br />

Foto und Bearbeitung: Gottfried Klör


Im Rahmen der diesjährigen Siegerlandschau Ende<br />

August war auch die „Original Johann Traber<br />

Show“ nach langer Zeit wieder einmal zu Gast in<br />

unserer Krönchenstadt. Anlass und Gelegenheit für<br />

den durchblick, der Familie Johann Traber einen Besuch<br />

abzustatten, um mit ihr über ihr Leben und den schweren<br />

Schicksalsschlag zu reden, der die Familie am 21. Mai 2006<br />

in Hamburg ereilte, als Johann Traber junior während einer<br />

spektakulären artistischen Darbietung auf dem 52 Meter<br />

hohen Peitschenmast vor den Augen von 100.000 Menschen<br />

plötzlich in die Tiefe stürzte. Die Spitze des Mastes<br />

war abgebrochen.<br />

Wir von der Redaktion haben uns gefragt: Was sind das<br />

für Menschen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen,<br />

indem sie ihr Leben riskieren durch halsbrecherische Darbietungen<br />

in schwindelerregender Höhe? Was sind das für<br />

Eltern, die das Leben ihrer Kinder aufs Spiel setzen, indem<br />

sie sie auf nur 14 Millimeter starke Drahtseile und<br />

riesig hohe biegsame Masten schicken, um für ein bisschen<br />

Ruhm und Beifall die Sensationslust und den Nervenkitzel<br />

von uns „normalen Menschen“ zu befriedigen? Wäre es<br />

nicht ratsamer, einem weniger gefährlichen bürgerlichen<br />

Beruf nachzugehen? Warum dieses hochriskante Spiel mit<br />

dem Leben, ohne Netz und doppelten Boden? Mit dieser<br />

etwas vorgefassten Einstellung und vielen Fragen im Kopf<br />

gingen wir zum vereinbarten Gesprächstermin und waren<br />

überrascht von der natürlichen Offenheit und Liebenswürdigkeit,<br />

mit der wir empfangen wurden. Im Nachfolgenden<br />

eine Beschreibung über den Eindruck und die Erkenntnis,<br />

die wir aus diesem Gespräch gewonnen haben.<br />

Artisten sind anders<br />

Es ist schnell zu erkennen: Menschen, die zwischen<br />

Himmel und Erde ihr Brot verdienen und dabei ihr Leben<br />

riskieren, sind anders. Man muss in diese Welt der Artistik,<br />

insbesondere in die Welt der Hochseilartistik, schon hineingeboren<br />

werden, um sie mit allem Für und Wider zu verstehen<br />

und lieben zu lernen. „Schon als kleines Kind lernst du<br />

den Respekt vor dem Beruf des Seiltänzers – ich lebe seit<br />

ich denken kann nur in der Welt der Hochseilartistik. Sie ist<br />

den meisten Menschen verschlossen, doch es ist eine außerordentliche<br />

Welt“, schreibt Johann Traber senior in seinem<br />

2007 erschienenen und lesenswerten Buch: „Absturz ins<br />

Leben“ – Glanz und Schicksal einer Artistenfamilie. 1)<br />

Artisten leben von der Sensation, vom Nervenkitzel<br />

der Zuschauer. Je höher, weiter, schneller und riskanter sie<br />

ihr Handwerk ausüben, umso besser. „Wir leben von der<br />

Sensation, das ist ein Gesetz, und mein Vater wusste das<br />

wie kein anderer. Die Leute kommen zu den Trabers, um<br />

Sensationen geboten zu bekommen, die ihresgleichen suchen.<br />

Dafür bezahlen sie, nicht weil sie eine Artistengruppe<br />

unterstützen wollen“ 1) und diese Sensationsdarstellungen<br />

der Familie Traber auf dem Hochseil können sich wahrlich<br />

sehen lassen. „Weltweit auf Draht“, so lautet ihr Slogan und<br />

dies zu Recht, wenn man bedenkt, wo auf den berühmten<br />

Plätzen dieser Erde sie mit ihren artistischen Hochseildarbietungen<br />

schon aufgetreten sind. Hochseilakrobatik, bei<br />

Gesellschaft<br />

dessen Anblick den meisten Zuschauern überall in der Welt<br />

ein kalter Schauer über den Rücken läuft und viele bei dem<br />

riskanten Spiel mit dem Leben hoch oben auf dem Seil oder<br />

dem Mast gar nicht hinschauen können.<br />

Dabei wird die Sicherheit, soweit dies im Beruf des<br />

Hochseilkünstlers möglich ist, so groß wie nur möglich<br />

geschrieben. Neben der körperlichen Fähigkeit, sich auf<br />

einem nur ca. 1,5 cm starken Drahtseil zu bewegen, eine<br />

Leistung, die nur durch eine jahrelang harte Arbeit und eiserne<br />

Disziplin zu erreichen ist, hat die Überprüfung der<br />

Materialbeschaffung eine herausragende Bedeutung. An<br />

diesen beiden Faktoren, dem Zustand der körperlich-geistigen<br />

Fitness des Artisten und der intakten Beschaffenheit<br />

des Materials, hängt das Leben des Artisten, wenn er in<br />

schwindelerregender Höhe seine Seilkunst darbietet. Auch<br />

wenn er nach vielen Jahren viel Erfahrung und Können<br />

aufzuweisen hat. „... kein Seiltänzer, und mag er noch so<br />

routiniert sein, kann die Einsamkeit auf dem Seil ignorieren“<br />

und diese Einsamkeit hoch auf dem Seil ist es auch,<br />

die die zuschauenden und staunenden Menschen anrührt<br />

und „... lässt sie den Atem anhalten und sie vergessen<br />

ihren Alltag, der immer so unsensationell gleich abläuft.<br />

Wir sind ihre Sensationsmacher, aber natürlich keine, die<br />

ihr Leben für ein bisschen Ruhm und Beifall riskieren, im<br />

Gegenteil. Wenn wir auf dem Seil und auf dem Mast arbeiten,<br />

geschieht dies immer im Respekt vor dem Leben,<br />

im Respekt vor unserem Beruf, der uns bei jedem Auftritt<br />

höchste Präzision abverlangt. Ich bete oft auf dem Seil,<br />

hoch oben über den Menschen. Ich bete, dass Gott mir, dass<br />

er uns beisteht, ich bete genauso wie ein Landwirt, der um<br />

eine gute Ernte bittet. Wir sind dem Himmel beide sehr nah.<br />

Vielleicht nennt man das Gottvertrauen.“ 1)<br />

Eine starke Familie mit langer Tradition<br />

Wenn man unter dem Begriff „Beruf“ eine Tätigkeit versteht,<br />

mit dem ein Mensch unter Aneignung bestimmter Fähigkeiten<br />

seinen Lebensunterhalt verdient, so ist der Beruf<br />

des „Seiltänzers“ wohl mit einer der Ältesten. Die Anfänge<br />

des Seiltanzes liegen im Altertum vermutlich in China und<br />

Indien vor ca. 4000 Jahren. Spuren des Seiltanzes finden<br />

sich schon bei den Griechen und Römern vor ca. 3000 Jahren<br />

und später in Frankreich, England und Deutschland.<br />

Von der schon in frühester Zeit hoch entwickelten Kunst<br />

des Seiltanzes geben Ausgrabungen (Abbildungen auf Vasen,<br />

Wandbilder und Münzen) ein eindrucksvolles Bild. So<br />

ist es kein Wunder, dass auch die Geschichte der Familie<br />

Traber weit zurückreicht. Im Jahre 1406 wird der Name<br />

Traber als Artistenfamilie erstmals nachweislich erwähnt,<br />

und im Jahr 1512 hat der damalige Landgraf des Elsass<br />

einen Wandergewerbeschein auf den Namen Traber ausgestellt.<br />

Als gesichert gilt, dass die Artistentradition der<br />

Familie Johann Traber mindestens bis 1799 zurückreicht.<br />

Seit mehr als 300 Jahren wird die Kunst des Seiltanzes von<br />

Generation zu Generation weitergetragen und fortgesetzt.<br />

So wie in früheren Zeiten die Bauern ihre Höfe immer an<br />

den ältesten Sohn weitervererbt haben, so vererbten und<br />

vererben die Trabers bis heute die Kunst des Seillaufens<br />

an die nachfolgende Generation. Die Hochseilartistik <br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 15


Gesellschaft<br />

der Familie Traber hat eine lange Tradition aus Stolz und<br />

Leidenschaft, die über Jahrhunderte hinweg nur aufrechterhalten<br />

werden konnte, weil ein tiefes und festes Familienband<br />

aus Vertrauen und Erfahrung von Generation zu<br />

Generation geknüpft wurde. Ein Zusammenhalt, der von<br />

jedem Familienmitglied von Kindheit an eine eiserne Disziplin,<br />

harte Arbeit mit viel Fleiß und Ausdauer und eine verantwortungsbewusste<br />

Zuverlässigkeit verlangt, um die stets<br />

präsenten hohen Risiken, die mit der vielfältigen Kunst der<br />

Hochseilartistik verbunden sind, kalkulierbar und damit so<br />

gering wie möglich zu halten. Auch wenn in der langen<br />

Tradition dem Ruf der Hochseilartistik nicht jedes Familienmitglied<br />

gefolgt ist, der bedingungslose Zusammenhalt<br />

innerhalb der Familie Traber, das Füreinander-da-sein, das<br />

sich hundertprozentig auf den anderen verlassen können,<br />

all diese Eigenschaften sind Familientugenden, die in unserer<br />

heutigen Gesellschaft aus vielerlei Gründen zunehmend<br />

verloren gehen. Von daher gesehen steht die Familie<br />

Traber in unserer Zeit beispielhaft für ein gut funktionierendes,<br />

intaktes und gelebtes Familienleben. „Wir Trabers<br />

haben den Beruf des Seilkünstlers gewählt, ganz recht: Die<br />

Familie hat ihn gewählt und alle sitzen in einem Boot. Das<br />

gemeinsame Schicksal, sich auf den anderen zu verlassen,<br />

dieses Band hält uns stärker zusammen, als dies vielleicht<br />

bei einer Familie der Fall ist, in der jeder jeden Tag etwas<br />

anderes erlebt.“ 1) An dieser Stelle sei erwähnt, dass es<br />

heute zwei Traberfamilien gibt, die das Hochseilerbe weiterführen,<br />

die Familie Johann Traber, bei der wir zu Gast<br />

waren, mit ihrer „Original Johann Traber Show“, und die<br />

Familie Falko Traber, ein Bruder von Johann Traber senior,<br />

mit der „Falko Traber Hochseilshow“. (Nachzulesen unter<br />

www.traber-show.de sowie www.sky-walker.de)<br />

Ein Leben mit der Angst<br />

„Das Außerordentliche ist das Normale, das ist, glaube<br />

ich, eine zutreffende Einordnung für das, was wir tun.“ 1)<br />

Und zu diesem außerordentlichen Normalen zählt auch die<br />

Angst. Sie ist der ständige Wegbegleiter der Hochseilartisten<br />

und somit auch der Familie Johann Traber. In seinem<br />

Buch spricht Johann Traber senior ganz offen über diese<br />

Angst. Und sie ist begründet, hat er doch in seiner über<br />

50-jährigen Berufserfahrung als Hochseilartist nicht nur<br />

Hunderte von Beinahe-Abstürze erlebt, sondern auch ungezählte<br />

Unfälle mit schweren körperlichen Verletzungen,<br />

bis hin zu tödlichen Abstürzen. Den letzten tödlichen Absturz<br />

erlebte die Familie Traber 1995 in Baden-Baden. Der<br />

befreundete Artist Lutz Schreyer, der, ausgestattet mit einer<br />

Helmkamera, hinter dem Bruder von Johann Traber, Falko,<br />

lief, um den neuen Längenweltrekord auf dem Seil „live“<br />

zu filmen, plötzlich strauchelte und 24 Meter in die Tiefe<br />

stürzte. „... es sind natürlich auch die Abstürze, die unser<br />

Artistenleben prägen. Die Unwägbarkeit, sicher übers<br />

Seil zu kommen, diese Unwägbarkeit gibt es. Es ist ein<br />

verdammt gefährliches Spiel, das wir treiben, auch wenn<br />

man viel Routine hat.“ ... „machen wir uns nichts vor. Wir<br />

können Abstürzen nicht ausweichen, auch wir nicht, die<br />

wir strikt professionell arbeiten“ .... „Auch als Vater und<br />

Trainer meiner Kinder ist die Angst für mich ein ständiger<br />

Begleiter ... sind unsere Kinder auf dem Seil unterwegs,<br />

besteht ein unsichtbares Band zwischen uns. Doch wir haben<br />

Angst, natürlich haben wir Angst. Wir wollen uns nie<br />

loslassen, denn wir können nur als Familie überleben.“ 1)<br />

Menschen wie die Familie Johann Traber, die ständig im<br />

Grenzbereich zwischen Leben und Tod, zwischen buntem<br />

Artistenkostüm und weißem Totenhemd ihren Lebensunterhalt<br />

verdienen, müssen es von Kindheit an lernen mit<br />

dieser Angst umzugehen. Sie in den Griff zu bekommen ist<br />

ein ständiger Prozess, der nie endet, solange der Beruf des<br />

Hochseilartisten ausgeübt wird, und nicht selten verbirgt<br />

sich hinter der Aussage des Artisten, er habe „Respekt vor<br />

der Höhe“ in Wahrheit die Angst vor der Tiefe. „Hochseilartistik<br />

ist ein ganz besonderes Geschäft – und das ist<br />

keine Hochstapelei. Wenn ich manchmal über Aktionen<br />

16 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Gesellschaft<br />

nachdenke, die ich gemacht habe, packt mich manchmal<br />

noch im Nachhinein die Angst. Schließlich sind wir keine<br />

Supermänner, sondern auch nur Menschen.“ 1)<br />

Absturz ins Leben 1)<br />

Tatort: Hamburg, Datum: 21. Mai 2006, Uhrzeit: 17.28<br />

Uhr, Wetter: typisch norddeutsches Schmuddelwetter. Ort,<br />

Datum und Zeitpunkt, an dem die Welt der Familie Johann<br />

Traber plötzlich stillsteht. „Papa schau mal, der Johann“.<br />

Mit einer Stimme, wie er sie von seiner Tochter Katharina<br />

so noch nie gehört hatte, wurde Johann Traber senior<br />

aufmerksam auf das, was kurz zuvor geschehen war. Während<br />

einer routinemäßigen artistischen Darbietung seines<br />

Sohnes Johann Traber junior auf dem 52 Meter hohen<br />

Peitschenmast war die Spitze des Mastes plötzlich abgebrochen.<br />

Sein Sohn Johann war, nur an einem Sicherungsseil<br />

hängend, in die Tiefe gestürzt und mit voller Wucht<br />

gegen den Stahlmast geknallt. Als Johann Traber senior<br />

hochblickte, sah er seinen Sohn leblos am Mast hängen.<br />

Er, der Senior, hatte bereits damit begonnen, sich aus dem<br />

aktiven Geschäft auf dem Hochseil und dem Peitschenmast<br />

zurückzuziehen und die artistischen Geschicke der<br />

„Original Johann Traber Show“ seinem Sohn überlassen.<br />

Er konnte dies ohne Bedenken tun, war doch sein Sohn<br />

auf dem Weg, die Tradition der Familie Traber als ein hervorragender<br />

Hochseilartist fortzuführen. Und nun hing die<br />

hoffnungsvolle Zukunft der Familie Johann Traber leblos<br />

am Sicherungsseil. Alles, was sich danach und in den darauf<br />

folgenden Monaten ereignete, wie eine Artistenwelt<br />

drohte zusammenzubrechen, wie die Familie eisern zusammenhielt<br />

und die große und gemeinsame Sorge um das<br />

Leben des schwerstverletzten Johann junior beschreibt Johann<br />

Traber senior eindrucksvoll in seinem Buch. Und die<br />

Familie, das ist die starke und stille Frau an seiner Seite,<br />

Maria-Vera, genannt Mitzi, die nie ein Hochseil betreten<br />

hat, und seine beiden Töchter Anna und Katharina, beide<br />

ebenfalls Hochseilartisten. Hier einige kurze Buchpassagen:<br />

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„Meine Frau kommt ins Krankenhaus und ich höre mich mit<br />

stockender Stimme einen Satz stammeln, den ich nie sagen<br />

wollte, einen Satz, der einer Mutter das Herz zerreißt: Es<br />

kann sein, dass wir ihn verlieren. Ihn, ein Kind, das sie geboren<br />

hat ...Wir wollen beten an diesem Mittwochnachmittag in<br />

Hamburg, beten wollen auch die, denen das eher fern liegt.<br />

Wir fahren durch die große Stadt, die wir ja ganz gut kennen.<br />

Die Kirchen in Hamburg sind geschlossen, jedenfalls finden<br />

wir an diesem ganz normalen Mittwochnachmittag kein<br />

offenes Gotteshaus. Ich habe dann gesagt: Lasst uns doch<br />

unter freiem Himmel beten. Unter freiem Himmel, dort wo<br />

wir Seilkünstler arbeiten, wo Johann immer gearbeitet hat.<br />

In Glinde, dem Hamburger Stadtteil, wo wir Quartier aufgeschlagen<br />

haben, beten wir. Und an diesem trüben Tag geht<br />

tatsächlich der Himmel auf. Vielleicht wollen wir es auch nur<br />

so sehen, aber es wurde tatsächlich hell. Eine Helligkeit, die<br />

sich auch in uns ausbreitete“ 1) .<br />

Und wirklich, es grenzt schon an ein Wunder, dass Johann<br />

Traber junior diesen schweren Unfall überlebt hat,<br />

bedenkt man die Diagnose: doppelter Schädelbasisbruch,<br />

Schädel-Hirn-Trauma. Linkes Jochbein, linkes Kiefer- <br />

4 Fotos: Gottfried Klör<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 17


Foto: Gottfried Klör<br />

Die Artistenfamilie<br />

Dieses Buch ist im Buchhandel erhältlich<br />

gelenk, sämtliche Rippen links, linker Oberschenkel und Unterschenkel<br />

gebrochen. Das Leben von Johann Traber hing<br />

lange Zeit an einem seidenen Faden. Bei unserem Gespräch<br />

spricht Johann selbst von einem „Totalschaden“, den er erlitten<br />

hat. Zwei Monate lag er im künstlichen Koma. Seine<br />

Familie wich nicht von seiner Seite und blieb in Hamburg.<br />

Alle Termine wurden abgesagt. Seine Mutter Mitzi und seine<br />

Schwester Anna führten heimlich und unabhängig voneinander<br />

ein Tagebuch. Sollte Johann doch später einmal wissen<br />

und nacherleben, was alles geschehen war.<br />

Neben dem Hoffen und Bangen um das Leben und die<br />

Genesung von Johann darf nicht unerwähnt bleiben, dass<br />

die Traber-Familie nicht nur auf dem Hochseil ohne Netz<br />

und doppelten Boden arbeitet, sondern auch im wirtschaftlichen<br />

Alltag. Keine Versicherung ist bereit, das Risiko<br />

eines Artisten auf dem Hochseil zu versichern, und ohne<br />

Engagement kein Geld, obwohl die Kosten, wie in jedem<br />

Betrieb und in jeder Familie, weiterlaufen. „Wir durchleben<br />

schlimme Phasen, auch Phasen der Depression und<br />

Verzweiflung. Was soll aus uns werden? Unsere wirtschaftliche<br />

Basis bröckelt rasant, geplante Auftritte, die die Kasse<br />

hätten füllen sollen, platzen. Wie sollen wir unsere Sensationskunststücke<br />

fröhlich präsentieren, wenn unser Johann<br />

im Wachkoma liegt? Er ist doch unser Hoffnungsträger.<br />

So denken wir, so drehen sich unsere Gedanken im Kreis.<br />

Es sind trübe Gedanken, gemischt mit Hoffnungen. Erst<br />

allmählich erreicht uns in diesen Wochen die Realität. Die<br />

Realität heißt: Ihr Trabers, ihr seid Artisten und ihr müsst<br />

zeigen, dass ihr nicht aufgebt. Gerade jetzt nicht. Das hat<br />

schließlich auch Johann nicht verdient. Wir brauchen ja<br />

schlicht auch Geld zum täglichen Leben ... und wir erkennen:<br />

Es wird weitergehen, es muss weitergehen. Die Basis<br />

unseres Lebens sind das Komödiantentum und unsere Fähigkeit,<br />

als Hochseilartisten Sensationen bieten zu können,<br />

Trübsal blasen gehört nicht dazu.“ 1)<br />

Und sie schaffen es, schließlich ist die Familie Johann<br />

Traber eine starke Artistenfamilie, die fest und bedingungslos<br />

zusammenhält, in guten wie in schlechten Zeiten. Tochter<br />

Anna hat den Part auf dem Peitschenmast mit großer<br />

Bravour übernommen und Vater Johann sitzt wieder auf<br />

dem Motorrad, unter ihm auf dem Trapez Tochter Katharina.<br />

Johann junior ist in den Kreis der Familie zurückgekehrt<br />

und arbeitet hart und eisern an seinem Comeback. Seine<br />

Rehabilitation macht langsam, aber stetig Fortschritte und<br />

mit seinem starken Willen, seiner zielstrebigen Sturheit und<br />

nicht zuletzt durch die Unterstützung seiner tollen Familie<br />

wird ihm dieses Comeback auf das Hochseil auch gelingen.<br />

Wir von der durchblick-Redaktion drücken dazu ganz fest<br />

die Daumen.<br />

Zum Abschluss noch ein Zeichen dafür, dass die Familienmitglieder<br />

von Johann Traber nicht nur bei ihrer Arbeit<br />

auf dem Hochseil dem Himmel nahe sind, sondern auch in<br />

ihren Herzen. Es ist der geplante Bau einer kleinen öffentlichen<br />

Kapelle auf ihrem Grundstück am Kaiserstuhl „... in<br />

der jeder beten kann, der das Bedürfnis hat, vielleicht auch,<br />

weil ihn ähnliche Sorgen bewegen, wie wir sie durch Johanns<br />

Absturz haben. Es ist nicht verrückt, es ist der angemessene<br />

Dank an den Schöpfer, der verhindert hat, dass wir unseren<br />

Sohn als 22-Jährigen verloren haben. Es ist der Dank an<br />

Gott, der ihm seinen 23.Geburtstag geschenkt hat und noch<br />

viele weitere schenken wird“. Die Kapelle soll den Namen<br />

Sankt-Georgs-Kapelle erhalten. Sankt Georg ist nicht nur<br />

der Schutzpatron der Artisten, sondern auch der Name des<br />

Hamburger Krankenhauses, in dem die Rettung von Johann<br />

begonnen hat. Die Pläne sind fertig und der Grundstein wurde<br />

bereits gelegt. Artisten sind eben anders.<br />

Wir danken der Familie Traber herzlich für das offene<br />

und freundliche Gespräch und die Genehmigung, Textpassagen<br />

aus dem Buch „Absturz ins Leben“ zu verwenden.<br />

Im Namen aller Redaktionsmitglieder<br />

Eberhard Freundt<br />

18 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Anzeiger<br />

Teilnehmer für Hörgerätetest gesucht<br />

Neue HörSysteme aus den USA streben nach der Perfektion des natürlichen<br />

Hörens. Das höchst entwickelte HörSystem der Welt verwendet die einzigartige<br />

nScience Technology die sich vollautomatisch und sicher auf jede Hörumgebung<br />

einstellt. Selbst in lauter Hörumgebung können Hörgeräteträger Sprache wieder<br />

klar und eindeutig verstehen. Für eine weltweite Studie werden jetzt Teilnehmer<br />

zum kostenlosen Test der neuen HörSysteme gesucht.<br />

Mehr als 15 Millionen Bundesbürger<br />

haben Hörprobleme<br />

und können gesprochene<br />

Worte nur sehr schwer<br />

richtig verstehen. Besonders<br />

schwierig wird es in wechselnden<br />

Hörsituationen, von<br />

laut zu leise oder vom normalen<br />

Gespräch zum Telefonat.<br />

Probleme beim Verstehen<br />

entstehen oft dadurch, dass<br />

das Hörvermögen bei hohen<br />

Tönen nachlässt. Die<br />

Alterung des Gehörs ist eine<br />

Ursache, aber auch Lärmbelastung<br />

und mangelnde<br />

Durchblutung führen zu<br />

einem Hochtonverlust. Die<br />

Folge: gesprochene Sprache<br />

klingt undeutlich dumpf und<br />

Konsonanten wie s, f, t, k, p,<br />

h und g sind schlecht zu verstehen<br />

und werden dadurch<br />

verwechselt. Wenn noch<br />

viele Hintergrundgeräusche<br />

dazu kommen, wird das Verstehen<br />

noch schwieriger.<br />

Das Heimtückische dabei:<br />

Da die meisten Betroffenen<br />

eines Hochtonverlusts tiefe<br />

Töne noch sehr gut hören<br />

können, empfinden sie sich<br />

oft gar nicht als schwerhörig.<br />

Wenn sie ihren Gesprächspartner<br />

nicht verstehen, wird<br />

das mit einer zu lauten Hörsituation<br />

oder der undeutlichen<br />

Aussprache begründet.<br />

Diese Entschuldigung<br />

muss vor allem in größeren<br />

Gesprächsrunden oder beim<br />

Telefonieren herhalten. Die<br />

Betroffenen wollen sich oft<br />

nicht eingestehen, dass sie<br />

bereits erhebliche Schwie-<br />

GUTSCHEIN Nehmen Sie kostenlos an einer weltweiten Hör-Studie teil.<br />

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Terminvereinbarung wählen Sie bitte:<br />

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dieser Hör-Studie teil<br />

In Zusammenarbeit mit der<br />

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Starkey Laboratories diese<br />

Studie durch, die wissenschaftlich<br />

vom Starkey<br />

Hearing Research Center in<br />

Berkeley, Kalifornien, begleitet<br />

wird. Während der Testphase<br />

können Sie das individuell<br />

angepasste Destiny<br />

1600-HörSystem in allen Lebenssituationen<br />

– zuhause,<br />

im Beruf oder in der Freizeit<br />

– beliebig ausprobieren. Es<br />

besteht keinerlei Verpflichtung<br />

zum Kauf. Dank der<br />

nScience Technology passt<br />

sich das HörSystem automatisch,<br />

schnell und sicher<br />

an jede neue Hörsituation<br />

an. Kein Pfeifen durch unangenehme<br />

Rückkopplungen,<br />

dafür optimales Verstehen<br />

von Sprache in lauter Umgebung.<br />

Intelligente, neue<br />

Funktionen erleichtern den<br />

Alltag mit dem HörSystem.<br />

Anstelle von Tonsignalen,<br />

die leicht verwechselt werden,<br />

informiert das HörSystem<br />

den Hörgeräteträger<br />

mit Sprachhinweisen über<br />

die Leistungsfähigkeit seines<br />

HörSystems. Schnell und einfach<br />

lässt sich der Verstärker,<br />

die Schaltung und der Empfänger<br />

per Diagnose-Check<br />

überprüfen. Ein Hinweiston<br />

erinnert an einen Nachsorgetermin<br />

beim Hörgeräte-<br />

Akustiker.<br />

Für die Studie werden Personen<br />

gesucht, die bisher<br />

noch kein Hörgerät tragen,<br />

aber in bestimmten Situationen<br />

nicht gut verstehen<br />

und sich optimalen Klang<br />

bei minimalem Bedienungsaufwand<br />

wünschen.<br />

Gerne laden wir Sie auch<br />

zum Testen ein, wenn Sie<br />

schon ein HörSystem haben<br />

und dieses durch ein neues<br />

ersetzen möchten. Wenn<br />

Sie von Ihrem HNO-Arzt bereits<br />

eine Verordnung erhalten<br />

haben, können Sie sich<br />

auch das Destiny 1600 anpassen<br />

lassen.<br />

Wir beraten Sie gerne und<br />

bieten Ihnen alternative, auf<br />

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zugeschnittene Lösungen.<br />

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durchblick 4/<strong>2008</strong> 19


Brutale Übergriffe nehmen zu:<br />

Senioren leben auch im Siegerland gefährlich<br />

Aber die älteren Mitbürger drehen oft den Spieß einfach um …<br />

Else (Name geändert) zum Beispiel. Den 20. März <strong>2008</strong><br />

wird sie nicht vergessen. Nichts ahnend betritt die auf den<br />

Rollator angewiesene Siegenerin den Flur eines Siegener<br />

Mehrfamilienhauses. Plötzlich wird sie von hinten angefallen<br />

und brutal zu Boden gestoßen. Schwer verletzt liegt<br />

die Frau neben ihrer Roll-Gehhilfe. Glücklicherweise wird<br />

sie kurze Zeit später von einem Hausbewohner gefunden.<br />

Dann geht alles sehr schnell: notärztliche Erstversorgung.<br />

Die Frau steht unter Schock. Die Täter hatten es auf Bargeld<br />

abgesehen. Die Handtasche ist weg. – Nur einer von vielen<br />

Fällen im Siegerland.<br />

Unter Seniorinnen und Senioren geht die Angst um.<br />

Trotz fieberhaften Einsatzes der Polizei kommt es zu immer<br />

neuen derartigen Delikten. Eines haben alle Fälle gemeinsam:<br />

Fast ausschließlich sind auf Gehhilfen (Krückstock<br />

oder Rollator) angewiesene ältere Mitbürgerinnen von den<br />

skrupellosen Übergriffen betroffen. Speziell die „Altersklasse“<br />

von 75 bis 88 (!) Jahren ist betroffen. Und ausgerechnet<br />

jene, denen das Schicksal gesundheitlich ohnehin<br />

keine Sonnenseiten mehr beschert. Gerade sie trifft es wie<br />

am Fließband.<br />

In allen Fällen haben es die meist unbekannt gebliebenen<br />

und jüngeren Täter auf Handtaschen mit vermuteten<br />

Wertgegenständen bzw. Bargeld abgesehen.<br />

Begonnen hat alles schon im Februar dieses Jahres. Da<br />

wird einer alten Dame im Hausflur zu ihrer Wohnung die<br />

Kriminalität<br />

Handtasche weggerissen. Täter und Komplizin türmen mit<br />

der Beute in Richtung Bismarckplatz. Die Zeugenaussagen<br />

haben Gehalt, ja, sind so dicht, dass die Polizei sogar ein<br />

Phantombild anfertigen kann. Aber: Fahndung ergebnislos.<br />

Ein paar Wochen später reißt ein Unbekannter einer gehbehinderten<br />

Frau einen Stoffbeutel vom Körper. Wie im<br />

Fall davor am helllichten Nachmittag.<br />

Brutal zu Boden gerammt<br />

Wenige Tage später dann das nächste Delikt. So gegen<br />

17.30 Uhr im Hainer Weg: Die Täter rammen eine Seniorin<br />

von hinten überaus brutal zu Boden. Die Frau erleidet<br />

schwere Verletzungen. Folge: stationäre Behandlung im<br />

Krankenhaus. Die Täter können sich absetzen. Verschwinden<br />

in Windeseile in Richtung Oberstadt. Und: Sie werden<br />

nicht nur von Zeugen gesichtet sondern auch von einer Videokamera<br />

gefilmt. Dennoch, wie gehabt: Fahndung überaus<br />

kompliziert.<br />

Schon einen Tag später der nächste Übergriff. Noch<br />

rund 15 Minuten, dann schlägt es 18 Uhr. In der Giersbergstraße<br />

liegt ein Dunkelmann auf der Laurer. Er erspäht<br />

sein Opfer, schleicht sich von hinten an, reißt ihm<br />

die Handtasche weg.<br />

Ja, und wenige Tage später dann: Der geschilderte brutale<br />

Überfall auf die Frau mit dem Rollator im Hausflur.<br />

Die Serie ist unheimlich. Die Angst<br />

nimmt zu. Die Polizei stellt sich immer<br />

wieder die Frage: Werden die Delikte<br />

vom gleichen Täterkreis ausgeführt?<br />

Und wenn ja, reisen die Räuber von<br />

außerhalb an oder kommen sie aus Siegen?<br />

Eine Belohnung für Hinweise, die<br />

zur Ergreifung der Täter führen sollen,<br />

wird ausgesetzt. Bringt alles nichts. Es<br />

ist wie verhext. Die Ermittler der Siegener<br />

Kripo treten auf der Stelle. Ins<br />

Visier der Fahnder geraten u. a. zwei<br />

mutmaßliche Täter aus Osteuropa.<br />

Foto (gestellt): Dieter Gerst<br />

Vorsicht: Speziell in dunklen Eingangsbereichen zu Haus oder Wohnung können Kriminelle<br />

auf der Lauer liegen, die ihren Opfern mit raschem Griff die Handtasche entreißen.<br />

Auch ein psychischer Knacks<br />

Die meisten Opfer erleiden neben<br />

ihren körperlichen Verletzungen auch<br />

einen psychischen Knacks. Bedürfen<br />

einer speziellen Betreuung. Eine<br />

Sprecherin des „Weißen Ringes“ (Organisation<br />

zu Betreuung von Kriminalitätsopfern)<br />

weiß: „Seniorinnen und<br />

Senioren, die überfallen worden sind,<br />

haben Angst, auf die Straße zu gehen.<br />

Das schränkt die Lebensqualität außer-<br />

20 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Kriminalität<br />

ordentlich ein. Wir wollen dabei helfen, diese Ängste abzubauen,<br />

um das Leben der Betroffenen wieder lebenswert<br />

zu machen.“<br />

Zwischendurch meldet die Polizei auch Fahndungserfolge.<br />

Wie beispielsweise in Erndtebrück. Dort hatten zwei<br />

Heranwachsende einer Seniorin die Handtasche geraubt<br />

und waren geflüchtet. Auf einer Landstraße wird einer der<br />

Burschen von einer Polizeistreife gestellt. Gerade mal 15<br />

Jahre alt. Sein Komplize geht einer weiteren Streifenwagenbesatzung<br />

kurze Zeit später ins Netz. Ein 14-Jähriger.<br />

Und der gesteht sofort, das Delikt mit seinem ein Jahr<br />

älteren Kumpel begangen zu haben.<br />

Wichtig: Ängste abbauen<br />

Wie können sich nun ältere Menschen vor Übergriffen<br />

schützen? Das „Kommissariat Vorbeugung“ der Siegener<br />

Polizei (Telefon 0271/70994300 oder E-Mail zkb-kv.siegen@polizei.nrw.de)<br />

hält jede Menge Tipps bereit und betreibt<br />

in großem Umfang Aufklärung.<br />

Wichtig ist es auf jeden Fall, die Ängste abzubauen.<br />

„Denn“, so eine Expertin: „Wer das nicht tut, der lässt sich<br />

außer der Handtasche auch ein Stück Lebensqualität rauben.“<br />

Der Gang zur Bank sollte in keinem Fall allein erfolgen.<br />

Immer in Begleitung (Freundin oder Freund z. B.)<br />

Fachleute: „Nur wer allein unterwegs ist, wird von Tätern<br />

als leichte Beute angesehen.“ Schlägt doch ein Räuber zu,<br />

sollte „man nicht den Helden spielen“. Ist klar: Nichts ist<br />

wertvoller als die Gesundheit. Grundsätzlich sollten Frauen<br />

beim Bummel oder Einkauf auf die Handtasche verzichten.<br />

Wertsachen, Ausweispapiere oder Bargeld sind am besten<br />

in sicheren Innentaschen von Jacken oder Mänteln aufgehoben.<br />

Wer auf die Handtasche allerdings nicht verzichten<br />

möchte, sollte sie „nur mit Krimskrams“ füllen. Ein solcher<br />

Verlust ist leichter zu verschmerzen.<br />

Tipps von der Polizei: Beim Abheben von Bargeld<br />

Umsicht walten lassen. Vor allen Dingen: Bankgeschäfte<br />

nicht an Rentenzahltagen (in der Regel der 1. oder 15. eines<br />

jeden Monats) tätigen. Grund: An derartigen Stichtagen liegen<br />

Handtaschen-Diebe und Räuber an Geldautomaten oft<br />

auf der Lauer und warten auf ihre Chance. Eine Polizistin:<br />

„Bitte, diese Stichtage umgehen. Und Geld nur in kleinen<br />

Portionen abholen – dann ist im Falle eines Falles nur ein<br />

Teil der Rente futsch.“ – Das sind an dieser Stelle nur einige<br />

Hinweise. Näheres beim „Kommissariat Vorbeugung“<br />

(Kontaktmöglichkeit siehe oben).<br />

Mit Knüppel Rente aufgebessert<br />

Jetzt ist es beileibe nicht so, dass Ruheständler stets nur<br />

Opfer sind. Sie sind auch kriminell aktiv. So wurde quer<br />

durch die Republik beobachtet, dass ältere Zeitgenossen<br />

mit „Ballermann“ oder solidem Holzknüppel ihre knappe<br />

Rente aufbessern. Der Leiter des Münchener Raubdezernates<br />

sagt klipp und klar: „Wir werden uns in Zukunft mehr<br />

mit älteren Tätern auseinandersetzen müssen.“ Das sagte<br />

der Fachmann vor dem Hintergrund folgenden Falles:<br />

Ein 72-jähriger Opa-Räuber marschiert in einen Schleckermarkt,<br />

sackt mehrere Hundert Euro ein und verschwindet.<br />

München ist ein teures Pflaster – und mit ein<br />

paar Hundert Euro kommt man nicht weit. Opa weiß das,<br />

und: macht in einem weiteren Schleckermarkt Kasse. Beim<br />

dritten Coup wird er schließlich festgenommen. Bei seiner<br />

Vernehmung gibt er an, „gleich ein ungutes Gefühl gehabt“<br />

zu haben. Und tatsächlich: Als er den Laden samt fetter<br />

Beute verlässt, wartet schon die Polizei mit Handschellen.<br />

Ende mit Kasse machen. Beim Prozess braucht er ohnehin<br />

keinen „Zaster“. Da ist der Eintritt frei.<br />

Und noch etwas: Es sind nicht nur Jugendliche oder Heranwachsende,<br />

die gegen ältere Menschen Gewalt anwenden.<br />

Umgekehrt kracht es auch schon mal gewaltig. Und<br />

wie! Ein erstaunlich prächtiges Beispiel ruheständlerischer<br />

Schlagfertigkeit lieferte ein überaus rustikales Altersheim-<br />

Trio kürzlich ab. Ausgerechnet in einer U-Bahn-Station<br />

blies die „Truppe“ im Alter von 79 bis 86 Jahren zum<br />

Roundup. Angesichts eines jungen Mannes, der rauchend<br />

dastand, legten die Opas Hexenschuss, Rheuma, Zipperlein<br />

und Jacketts ab. Die brennende Zigarette in der Hand<br />

des 19-Jährigen hatte das Blut der Altersheimer derart aufschäumen<br />

lassen, dass sie den jungen Mann nach Strich und<br />

Faden vermöbelten. Rentner Heinz B. sah sich im Recht:<br />

„Der hat es nicht anderes verdient. Bevor die uns verprügeln,<br />

schlagen wir zu.“ Weniger dämlich die Antwort des<br />

verletzten „Rauchopfers“ (Knochenbrüche und Schädeltrauma):<br />

„Ich rauche nie wieder in der U-Bahn.“<br />

… sieben, acht, neun, aus die Maus!<br />

Na ja, es gibt sogar Kurse für ältere Herrschaften, wie<br />

man glimpfliche Situationen „schlagartig“ bereinigen kann.<br />

Das DRK in Norderstedt beispielsweise, lernte in Zusammenarbeit<br />

mit der Polizei Senioren an, mit der asiatischen<br />

Kampfsportart WingTsun „zur Selbstbehauptung zu gelangen“.<br />

Selbst für Rollstuhlfahrer sei das eine angemessene<br />

Methode, einen eventuellen Gegner mit geringem<br />

Kraftaufwand ins Reich der Träume zu schicken. Einziger<br />

Trick sei dabei, die „Arme der Gegner so schnell wie möglich<br />

zu neutralisieren“. Allerdings wurde der Vorsitzenden<br />

des Norderstedter Seniorenbeirates angesichts mehrerer<br />

demonstrierter Neutralisierungsprozesse nicht nur leicht<br />

schummerig, sondern regelrecht angst und bange. Die<br />

Beirätin des guten Jahrgangs 1927 stellte derartige vom<br />

asiatischen Flair geprägte Kurse zunächst grundsätzlich<br />

infrage, ruderte dann jedoch ein wenig zurück: So sollte<br />

aber mindestens bei derart spektakulären Neutralisierungsbemühungen<br />

auf jeden Fall „ein Arzt anwesend sein“. Hoffentlich<br />

haben sie den Mediziner jetzt nicht im Eifer des<br />

Gefechtes ganz fürchterlich neutralisiert. Ringrichter sind<br />

ja öfter schon mal auf die Gegenfahrbahn geraten, wo ihnen<br />

plötzlich mit Volldampf ein unbeleuchteter Boxhandschuh<br />

entgegenkam … sieben, acht, neun, aus die Maus!<br />

Dieter Gerst<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 21


Personen<br />

Wie der Herr der Bienen die Zufriedenheit gewann<br />

Erhard Groß vor seinem Bienenstöcken<br />

„Es war einmal ein reicher König ...“<br />

Wenn ich an Erhard Groß denke, kommt mir stets die<br />

Geschichte vom Hemd des Zufriedenen in den Sinn. Warum<br />

ist das so? Erhard Groß besitzt doch jede Menge Hemden.<br />

Im Moment trägt er eines, das rot und weiß kariert ist.<br />

Es ist Dienstagnachmittag in der Dreisbach-Siedlung.<br />

Die Septembersonne strahlt mit voller Kraft vom wolkenlosen<br />

Himmel, so, als wolle sie einen verregneten Sommer<br />

vergessen machen. Wir sitzen am gedeckten Küchentisch.<br />

Hausherrin Therese hat uns Kaffee gekocht. „Wir tun immer<br />

einen Löffel Honig in die Tasse“, sagt sie und ich stelle<br />

fest, dass das eine gute Empfehlung ist. Es ist ein paar Wochen<br />

her, da wurde ein Beitrag in der „Aktuellen Stunde“<br />

über den Imker Erhard Groß gesendet. Was er dort sagte<br />

gefiel mir. Ich wollte mehr wissen, rief an, fand ihn aufgeschlossen<br />

und wir vereinbarten das Treffen. Nun sitzen<br />

wir uns gegenüber und er fragt: Womit fangen wir an? Und<br />

antwortet: Am besten mit der Krankheit.<br />

Anfang 2001 ist sie unumgänglich geworden, die Bypass-Operation.<br />

Die Herzkranzgefäße sind in einem entsprechend<br />

schlechten Zustand. Der damals 68-Jährige reist<br />

nach Bad Nauheim und wird in der dortigen Kerckhoff-<br />

Klinik operiert. Sein Zustand ist schnell stabil. „Prima, alles<br />

in Ordnung!“, sagt der hessische Professor und hat nichts<br />

gegen seine Verlegung ins Siegener Marienkrankenhaus<br />

einzuwenden. Und dort passiert das, was tief in sein Leben<br />

einschneidet. Und dass es gerade dort<br />

eintritt, ist pures Glück: „Wäre es nicht<br />

im Krankenhaus geschehen, dann gäbe<br />

es mich nicht mehr.“ Ein Blutgerinnsel<br />

hatte sich gebildet, war mit dem Blutstrom<br />

fortgespült worden und blieb im<br />

Gehirn stecken. Schlaganfall! Mit Medikamenten<br />

kann die Ursache beseitigt<br />

werden, doch eine Schädigung ist da.<br />

Als er wieder zu sich kommt, weiß er<br />

nichts mehr. Zumindest beinahe. „Das<br />

Erste und Einzige was ich denken<br />

konnte, war ,Biene‘. Dieses Wort kam<br />

mir unentwegt in den Sinn.“<br />

Sechs Wochen dauert die stationäre<br />

„Reha“ in Bad Berleburg. Erhard Groß<br />

lernt wie ein Kreis aussieht und wie<br />

ein Dreieck, kann irgendwann wieder<br />

schwarz und weiß unterscheiden. Wie<br />

eine Biene aussieht muss man ihm<br />

nicht beibringen. Das weiß er. Daheim<br />

übernimmt Gattin Therese die Rolle der<br />

Therapeutin, übt mit ihm, oft stundenlang.<br />

Er nennt sie seine unentbehrliche<br />

Helferin, ist ein lernbegieriger Schüler.<br />

Ein Mangel ist nicht zu beseitigen:<br />

„Dinge, die sich unmittelbar vor mir<br />

befinden, sehe ich wacklig.“ Obwohl er<br />

gestochen scharf schreiben kann, vermag er das Geschriebene<br />

nicht zu lesen. „Die Lieder, die wir im gemischten<br />

Chor neu einüben, muss ich zuvor auswendig lernen“,<br />

sagt er und auch bei dieser schwierigen Übung ist Gattin<br />

Therese, mit der er vor fünf Jahren die Goldene Hochzeit<br />

feierte, als „Eintrichterin“ gefragt. Er ist ein zielstrebiger<br />

Patient und er sagt: „Ich muss dem Herrgott danken, dass<br />

er mir den Willen zum Leben gegeben hat.“ Als er erstmals<br />

wieder auf dem Fahrrad sitzen kann und eine kleine Tour<br />

hinter sich hat, ist er grenzenlos glücklich. Seither radelt er<br />

beinahe täglich. Die Fahrrad-Herzsportgruppe, der er sich<br />

angeschlossen hat, wird in der Regel von einem Arzt mit<br />

Notfallkoffer begleitet.<br />

„Es war einmal ein reicher König, dem machte das Regieren<br />

so viel Sorgen, dass er darum nicht schlafen konnte<br />

die ganze Nacht.“<br />

Es war ein junger Mann in Seck, der heißt Erhard<br />

Groß. Seine Schulzeit auf dem Westerwald endet und er<br />

erlernt den schönen Beruf des Stuckateurs. Er ist kreativ<br />

und kann zupacken, dient sich in einer namhaften Firma<br />

hoch und ist schließlich Polier. Währenddessen heiratet<br />

er, baut ein Haus auf einer ehemaligen Schlackenhalde<br />

am Eichert, bekommt mit Therese drei Kinder. Als er ge-<br />

22 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Personen<br />

meinsam mit seinem von ihm selbst ausgebildeten Sohn<br />

ein Stuck- und Putzgeschäft eröffnet, wird alles das,<br />

was bislang seinen ruhigen Gang hatte, unendlich viel<br />

schwieriger. Das kleine Familienunternehmen wagt sich<br />

an alle Herausforderungen, endlich sogar an historische<br />

Fassaden, bei denen viele andere zuvor das Handtuch<br />

geworfen hatten. Vater und Sohn verschaffen sich dank<br />

sauberer Ausführungen einen guten Ruf bei Architekten<br />

und Bauämtern. Dass eine Selbstständigkeit auch mancherlei<br />

Nachteile hat, zeigt sich indes recht bald. Die von<br />

der miesen Zahlungsmoral mancher Kunden angeführten<br />

Plagegeister stellen sich ein. Vor allem nachts sind sie<br />

unterwegs, die kleinen Unruhestifter. Sie machen ihm<br />

das Leben sauer, sie piesacken und sie drangsalieren ihn.<br />

Zuerst nur manchmal, dann immer häufiger. Mal wecken<br />

sie ihn um vier Uhr, bisweilen noch früher. Der Kampf<br />

um die Preise, der ständige Termindruck, die ewigen Anrufe<br />

der Bauherren und die anhaltende Hektik zermürben<br />

und machen dünnhäutig.<br />

„Es war einmal ein reicher König, dem machte das Regieren<br />

so viel Sorgen, dass er darum nicht schlafen konnte<br />

die ganze Nacht. Das ward ihm zuletzt so unerträglich, dass<br />

er seine Räte zusammenrief und ihnen sein Leid klagte. Es<br />

war aber darunter ein alter, erfahrener Mann, der erhob<br />

sich, da er vernommen, wie es um den König stand, von<br />

seinem Stuhle und sprach: Es gibt nur ein Mittel, dass wieder<br />

Schlaf in des Königs Augen kommt, aber es wird schwer<br />

zu erlangen sein; so nämlich dem Könige das Hemd eines<br />

zufriedenen Menschen geschafft werden könnte und er das<br />

beständig auf seinem Leibe trüge, so halte ich dafür, dass<br />

ihm sicherlich geholfen würde.“<br />

Schon als Kind und als Jugendlicher hat Erhard Groß<br />

eine Schwäche für die Imkerei. Es ist vierzig Jahre her,<br />

da meldet er sich bei einer Imkerschule in Bayern an und<br />

reist gen Süden. Bei Bad Birnbach erfährt er, wie man<br />

Imker wird, was man für den Anfang benötigt, welcher<br />

Aufwand ansteht und welche Utensilien erforderlich<br />

sind. Als er das notwendige Wissen besitzt, ziert schnell<br />

ein großes Bienenhaus den Garten. Das Schmuckstück<br />

zieht auf Anhieb die bewundernden Blicke der Imkerkollegen<br />

auf sich. Nach Feierabend verbringt Erhard Groß<br />

zahlreiche Stunden bei den Immen. Er kann das abwechslungsreiche<br />

Hobby recht gut neben der Arbeit betreiben.<br />

Irgendwann stehen zusätzliche „Beuten“ aus Kunststoff<br />

im Garten. So nennen die Imker einzeln aufgestellte Bienenstöcke.<br />

Und letztlich wird ein zweites Bienenhaus<br />

im Freudenberger Ortsteil Hohenhain erstellt. Der Honig<br />

vom dortigen Waldesrand schmeckt anders und die Erträge<br />

sind höher. Jetzt hat er rund vierzig Bienenvölker zu<br />

betreuen. Sofort merkt er, wenn in einem Stock irgendetwas<br />

nicht stimmt und er ist mächtig stolz darauf, dass<br />

ihm noch nie ein Volk eingegangen ist. Als er sich einmal<br />

mit seinem Honig an einem Qualitätswettbewerb beteiligt,<br />

erobert er prompt die Goldmedaille. Die Urkunde<br />

hierzu hängt auf dem Flur neben etlichen zum Verkauf<br />

bestimmten Gläsern mit Honig.<br />

Nach der Firmengründung ändert sich manches. An<br />

vielen Abenden fehlt zu seinem großen Leidwesen die<br />

notwendige Zeit für das Steckenpferd. Es muss doch<br />

klappen, denkt er, ich muss die Bienen doch versorgen.<br />

Er nimmt seine Liebhaberei, die eigentlich schon lange<br />

eine Leidenschaft ist, sehr ernst. Rasch wird an den<br />

Werktagen das erledigt, was unerlässlich ist. Alles andere<br />

bleibt viel zu häufig bis zu den Wochenenden liegen. Das<br />

macht zusätzlich unzufrieden, und die Unannehmlichkeiten<br />

des Arbeitstages gehen ohnedies nicht aus dem<br />

Kopf. Er hadert insgeheim oft mit den Gegebenheiten.<br />

Eine Besserung wird erst nach dem Eintritt in den Ruhestand<br />

möglich sein. Und tatsächlich beginnt ab diesem<br />

Tag die Wende.<br />

„Da das der König vernahm, beschloss er, dem Rate des<br />

klugen Mannes zu folgen und wählte eine Anzahl Männer,<br />

die sollten das Reich durchwandern und schauen, ob sie<br />

nicht ein Hemd finden könnten, wie es dem Könige Not<br />

tat. Sie fragten von Haus zu Haus, von Hütte zu Hütte, sie<br />

gingen in das nächste Dorf und weiter von da, sie kehrten<br />

bei Armen und bei Reichen ein, aber keinen fanden sie, der<br />

ganz zufrieden war. Da kehrten die Männer traurig wieder<br />

um und begaben sich auf den Heimweg.“<br />

Erhard Groß nimmt mich mit in den Garten. Hier steht<br />

das Bienenhaus und hier befinden sich auch etliche von<br />

oben zu öffnende Kunststoff-Beuten. Im Mund hat er eine<br />

Imkerpfeife<br />

und bläst den<br />

Rauch in eine<br />

der Beuten.<br />

Die sich vor<br />

Feuer fürchtenden<br />

Bienen<br />

nehmen<br />

den Rauch<br />

rasch wahr,<br />

sie beginnen<br />

instinktiv,<br />

sich auf eine<br />

Flucht vorzubereiten<br />

und suchen<br />

eilends die<br />

Honigwaben<br />

auf. Eine<br />

dieser Waben<br />

nimmt<br />

Erhard Groß<br />

nun aus dem<br />

Gehäu- <br />

Der Imker bläst den Rauch in eine<br />

der Beuten<br />

2 Fotos: Uli Weber<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 23


se. Sie ist von unzähligen Bienen bevölkert. Er fasst die Wabe<br />

vorsichtig am Rand an, um keine der Einwohnerinnen zu<br />

zerdrücken. Seine Bewegungen sind langsam und gemessen.<br />

Ganz anders die Bienen. Es ist ein quirliges Volk, jedes<br />

einzelne Insekt hat seine Aufgabe und will diese anscheinend<br />

so rasch wie möglich erledigen. Stechen gehört nicht<br />

zu den Gewohnheiten der Pollensammler. „Eine Biene, die<br />

auf einer ruhigen Hand sitzt, sticht nicht“, sagt Erhard Groß.<br />

Und das ist der Schlüssel. Jede schnelle oder hektische Bewegung<br />

beunruhigt<br />

das Volk. Bienen<br />

spüren den Stress<br />

eines Imkers, der<br />

unter Anspannung<br />

seine Aufgabe erledigt.<br />

Daher sind sie<br />

gute Lehrer in Sachen<br />

„Ruhe“. Der<br />

Umgang mit ihnen<br />

lehrt zwangsläufig<br />

ruhiges und<br />

konzentriertes Arbeiten.<br />

Zwar sind<br />

die Völker mittlerweile<br />

auf Sanftmut<br />

gezüchtet, doch das<br />

wird sich demjenigen<br />

verschließen,<br />

der mit ihnen nicht<br />

bedachtsam und<br />

wohlüberlegt umgeht.<br />

Und so ergibt<br />

sich unwillkürlich,<br />

dass der Imker Erhard<br />

Groß immer<br />

ausgeglichener<br />

wird und endlich<br />

vom Scheitel bis zur Sohle Gelassenheit ausstrahlt. Er weiß,<br />

warum das so ist: „Die Bienen haben mich erzogen.“<br />

„Auf dem Heimweg trafen die Männer auf einen Schweinehirten,<br />

der da gemächlich bei seiner Herde lag, vergnüglich<br />

sein Essen verzehrte und mit seinem Kinde spielte. Das<br />

sahen die Männer des Königs mit Erstaunen, traten herzu<br />

und fragten den Mann, wie es käme, dass er so vergnüglich<br />

wäre und hätte doch nur ein so geringes Auskommen?<br />

Meine lieben Herren, sprach der Sauhirt, das kommt daher,<br />

weil ich mit dem, was ich habe, zufrieden bin.“<br />

„Ich kann stundenlang im Garten sitzen und den Bienen<br />

zuschauen“, sagt Erhard Groß und ergänzt: „Hier ist es so<br />

schön, hier fühle ich mich wohl und hier habe ich ständige<br />

Erholung. Über jeden Tag kann ich mich freuen. Eine Urlaubsreise<br />

ist für mich ganz und gar überflüssig, weil ich<br />

nirgendwo so gut ausspannen kann wie hier daheim bei den<br />

Personen<br />

Die Honigbiene<br />

Betrachtungen von Erhard Groß<br />

Sie leben zu Zehntausenden auf engstem Raum zusammen und<br />

doch funktioniert ihr Miteinander reibungslos. Denn der Staat der<br />

Honigbiene wird unglaublich schnell und fein abgestimmt, über<br />

Duftmoleküle gesteuert, die die Königin der Biene aussendet.<br />

Das Leben einer Arbeiterin im Staat der Honigbiene ist kurz, aber<br />

abwechslungsreich. Während der ersten Wochen macht sie Innendienst<br />

im Bienenstock. Sie reinigt die Zellen, nimmt der Flugbiene<br />

die gesammelten Pollen ab, stampft diese Pollen und füttert die<br />

Brut. Später versieht sie Wächterdienste am Flugloch und übernimmt<br />

erste Flugübungen. Erst ab dem 22. Lebenstag darf sie den<br />

Stock verlassen, um Nektar und Honigtau zu sammeln.<br />

Ihre Kolleginnen unterrichten sie in der Bienensprache, dem<br />

Rund- und Schwänzeltanz, über die besten Nektarpflanzen. In<br />

einem Garten oder Park mit blühenden Sträuchern und Blumen<br />

kannst du sehen, dass eine Honigbiene immer nur die Blüten einer<br />

einzigen Pflanzenart besucht. Die Hummel dagegen bummelt von<br />

einer Pflanzenart zur anderen. Darum ist das Pollenhöschen der<br />

Biene immer einfarbig, das der Hummel manchmal kunterbunt.<br />

Und deswegen ist die Bienenzucht einer der schönsten und edelsten<br />

Freizeitgestaltungen, birgt sie doch in sich die Wunder der<br />

Natur und vermittelt uns das Empfinden unseres Schöpfers.<br />

Bienen.“ Vor einigen Jahren hat er einmal aufgeschrieben,<br />

was ihm bei seiner Passion wichtig erscheint. Er gibt mir<br />

die Aufzeichnungen mit den Worten: „Eigentlich wollte ich<br />

das den hiesigen Zeitungen zusenden, doch daraus ist bisher<br />

nichts geworden.“<br />

Etwas bedrückt ihn trotz der vorherrschenden Fröhlichkeit:<br />

„Der Nachwuchs fehlt und ich fürchte, die Bienenzucht<br />

geht in den Keller.“ Derlei Mitgliederklagen sind heute bei<br />

vielen Freizeitbeschäftigungen nicht ungewöhnlich. Für<br />

den einen oder anderen<br />

mag ein Nachteil<br />

sein, dass die Imkerei<br />

in der Natur<br />

stattfindet und unabhängig<br />

vom Wetter<br />

ausgeübt werden<br />

muss. Wer sich daher<br />

in der Natur nicht<br />

wohlfühlt oder gar<br />

Angst vor krabbelnden<br />

Tieren hat, kann<br />

kein Imker sein.<br />

So ist es gut,<br />

wenn die Bienenzüchter<br />

zusammenhalten.<br />

Sie wissen<br />

um die Wichtigkeit<br />

ihrer Passion. Als<br />

Erhard Groß durch<br />

seine Krankheit ausfällt,<br />

übernehmen<br />

zwei Kollegen viele<br />

Monate lang wie<br />

selbstverständlich<br />

die Arbeit an seinen<br />

mittlerweile noch<br />

zwanzig Völkern.<br />

„Die Stöcke müssen erhalten bleiben und du musst weiter<br />

Imker sein“, so lautete ihre Begründung.<br />

Die Geschichte vom Hemd des Zufriedenen endet nicht<br />

so gut wie die Geschichte von Erhard Groß. Zwar hatten<br />

die ausgesandten Männer endlich einen Zufriedenen gefunden,<br />

doch dann stellte sich heraus, dass dieser gar kein<br />

Hemd besaß:<br />

„So gern ich Euch, meine lieben Herren, in Eurem Anliegen<br />

möchte zu Willen sein, so ist es mir doch nicht möglich;<br />

denn Zufriedenheit habe ich wohl, aber kein Hemd am<br />

Leibe. Als die Männer diese Worte des Sauhirten vernahmen,<br />

erschraken sie und gaben nun ganz die Hoffnung auf,<br />

ein Hemd zu finden, wie es dem Könige Not tat. So musste<br />

denn der König seine Sorgen ferner tragen und voll Unruhe<br />

oft Nächte lang auf seinem Bette liegen, ohne dass der<br />

Schlaf in seine Augen kam, und konnte ihm nicht geholfen<br />

werden.“<br />

Ulli Weber<br />

24 durchblick 4/<strong>2008</strong>


se. Sie ist von unzähligen Bienen bevölkert. Er fasst die Wabe<br />

vorsichtig am Rand an, um keine der Einwohnerinnen zu<br />

zerdrücken. Seine Bewegungen sind langsam und gemessen.<br />

Ganz anders die Bienen. Es ist ein quirliges Volk, jedes<br />

einzelne Insekt hat seine Aufgabe und will diese anscheinend<br />

so rasch wie möglich erledigen. Stechen gehört nicht<br />

zu den Gewohnheiten der Pollensammler. „Eine Biene, die<br />

auf einer ruhigen Hand sitzt, sticht nicht“, sagt Erhard Groß.<br />

Und das ist der Schlüssel. Jede schnelle oder hektische Bewegung<br />

beunruhigt<br />

das Volk. Bienen<br />

spüren den Stress<br />

eines Imkers, der<br />

unter Anspannung<br />

seine Aufgabe erledigt.<br />

Daher sind sie<br />

gute Lehrer in Sachen<br />

„Ruhe“. Der<br />

Umgang mit ihnen<br />

lehrt zwangsläufig<br />

ruhiges und<br />

konzentriertes Arbeiten.<br />

Zwar sind<br />

die Völker mittlerweile<br />

auf Sanftmut<br />

gezüchtet, doch das<br />

wird sich demjenigen<br />

verschließen,<br />

der mit ihnen nicht<br />

bedachtsam und<br />

wohlüberlegt umgeht.<br />

Und so ergibt<br />

sich unwillkürlich,<br />

dass der Imker Erhard<br />

Groß immer<br />

ausgeglichener<br />

wird und endlich<br />

vom Scheitel bis zur Sohle Gelassenheit ausstrahlt. Er weiß,<br />

warum das so ist: „Die Bienen haben mich erzogen.“<br />

„Auf dem Heimweg trafen die Männer auf einen Schweinehirten,<br />

der da gemächlich bei seiner Herde lag, vergnüglich<br />

sein Essen verzehrte und mit seinem Kinde spielte. Das<br />

sahen die Männer des Königs mit Erstaunen, traten herzu<br />

und fragten den Mann, wie es käme, dass er so vergnüglich<br />

wäre und hätte doch nur ein so geringes Auskommen?<br />

Meine lieben Herren, sprach der Sauhirt, das kommt daher,<br />

weil ich mit dem, was ich habe, zufrieden bin.“<br />

„Ich kann stundenlang im Garten sitzen und den Bienen<br />

zuschauen“, sagt Erhard Groß und ergänzt: „Hier ist es so<br />

schön, hier fühle ich mich wohl und hier habe ich ständige<br />

Erholung. Über jeden Tag kann ich mich freuen. Eine Urlaubsreise<br />

ist für mich ganz und gar überflüssig, weil ich<br />

nirgendwo so gut ausspannen kann wie hier daheim bei den<br />

Personen<br />

Die Honigbiene<br />

Betrachtungen von Erhard Groß<br />

Sie leben zu Zehntausenden auf engstem Raum zusammen und<br />

doch funktioniert ihr Miteinander reibungslos. Denn der Staat der<br />

Honigbiene wird unglaublich schnell und fein abgestimmt, über<br />

Duftmoleküle gesteuert, die die Königin der Biene aussendet.<br />

Das Leben einer Arbeiterin im Staat der Honigbiene ist kurz, aber<br />

abwechslungsreich. Während der ersten Wochen macht sie Innendienst<br />

im Bienenstock. Sie reinigt die Zellen, nimmt der Flugbiene<br />

die gesammelten Pollen ab, stampft diese Pollen und füttert die<br />

Brut. Später versieht sie Wächterdienste am Flugloch und übernimmt<br />

erste Flugübungen. Erst ab dem 22. Lebenstag darf sie den<br />

Stock verlassen, um Nektar und Honigtau zu sammeln.<br />

Ihre Kolleginnen unterrichten sie in der Bienensprache, dem<br />

Rund- und Schwänzeltanz, über die besten Nektarpflanzen. In<br />

einem Garten oder Park mit blühenden Sträuchern und Blumen<br />

kannst du sehen, dass eine Honigbiene immer nur die Blüten einer<br />

einzigen Pflanzenart besucht. Die Hummel dagegen bummelt von<br />

einer Pflanzenart zur anderen. Darum ist das Pollenhöschen der<br />

Biene immer einfarbig, das der Hummel manchmal kunterbunt.<br />

Und deswegen ist die Bienenzucht einer der schönsten und edelsten<br />

Freizeitgestaltungen, birgt sie doch in sich die Wunder der<br />

Natur und vermittelt uns das Empfinden unseres Schöpfers.<br />

Bienen.“ Vor einigen Jahren hat er einmal aufgeschrieben,<br />

was ihm bei seiner Passion wichtig erscheint. Er gibt mir<br />

die Aufzeichnungen mit den Worten: „Eigentlich wollte ich<br />

das den hiesigen Zeitungen zusenden, doch daraus ist bisher<br />

nichts geworden.“<br />

Etwas bedrückt ihn trotz der vorherrschenden Fröhlichkeit:<br />

„Der Nachwuchs fehlt und ich fürchte, die Bienenzucht<br />

geht in den Keller.“ Derlei Mitgliederklagen sind heute bei<br />

vielen Freizeitbeschäftigungen nicht ungewöhnlich. Für<br />

den einen oder anderen<br />

mag ein Nachteil<br />

sein, dass die Imkerei<br />

in der Natur<br />

stattfindet und unabhängig<br />

vom Wetter<br />

ausgeübt werden<br />

muss. Wer sich daher<br />

in der Natur nicht<br />

wohlfühlt oder gar<br />

Angst vor krabbelnden<br />

Tieren hat, kann<br />

kein Imker sein.<br />

So ist es gut,<br />

wenn die Bienenzüchter<br />

zusammenhalten.<br />

Sie wissen<br />

um die Wichtigkeit<br />

ihrer Passion. Als<br />

Erhard Groß durch<br />

seine Krankheit ausfällt,<br />

übernehmen<br />

zwei Kollegen viele<br />

Monate lang wie<br />

selbstverständlich<br />

die Arbeit an seinen<br />

mittlerweile noch<br />

zwanzig Völkern.<br />

„Die Stöcke müssen erhalten bleiben und du musst weiter<br />

Imker sein“, so lautete ihre Begründung.<br />

Die Geschichte vom Hemd des Zufriedenen endet nicht<br />

so gut wie die Geschichte von Erhard Groß. Zwar hatten<br />

die ausgesandten Männer endlich einen Zufriedenen gefunden,<br />

doch dann stellte sich heraus, dass dieser gar kein<br />

Hemd besaß:<br />

„So gern ich Euch, meine lieben Herren, in Eurem Anliegen<br />

möchte zu Willen sein, so ist es mir doch nicht möglich;<br />

denn Zufriedenheit habe ich wohl, aber kein Hemd am<br />

Leibe. Als die Männer diese Worte des Sauhirten vernahmen,<br />

erschraken sie und gaben nun ganz die Hoffnung auf,<br />

ein Hemd zu finden, wie es dem Könige Not tat. So musste<br />

denn der König seine Sorgen ferner tragen und voll Unruhe<br />

oft Nächte lang auf seinem Bette liegen, ohne dass der<br />

Schlaf in seine Augen kam, und konnte ihm nicht geholfen<br />

werden.“<br />

Ulli Weber<br />

24 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Im November 1997 lernte ich in einem<br />

Seminar eine junge Lehrerin kennen, die mir<br />

von ihrem Engagement im Eine-Welt-Laden<br />

der St.-Michael-Gemeinde in Siegen erzählte.<br />

Da ich Zeit erübrigen konnte, begeisterte<br />

ich mich sofort für diese Idee und erweiterte<br />

unsere Begegnung, indem ich mich dieser<br />

Gruppe anschloss. Ihre 20 Mitglieder beeindrucken<br />

mich durch ihren Einsatz, ihre hohe<br />

Motivation und ihren fürsorglichen Umgang<br />

mit ihren Mitmenschen, der Umwelt und ihren<br />

finanziellen Mitteln. Ich fühle mich dort<br />

gut aufgehoben. Die Räumlichkeiten des<br />

Ladens sind in die St.-Michael-Kirche integriert,<br />

vor Kurzem neu gestaltet, präsentieren<br />

sie sich hell und einladend.<br />

Das hehre Ziel des Vereins ist es, im Rahmen<br />

der Entwicklungshilfe, die Lebensbedingungen<br />

von Menschen zu verbessern, die<br />

durch die wirtschaftlichen Strukturen ihres<br />

Landes oder durch die Weltwirtschaft benachteiligt werden.<br />

Schwerpunkte der ehrenamtlichen Tätigkeit sind die<br />

Informations- und Öffentlichkeitsarbeit, Stände, sowie<br />

Veranstaltungen mit Gästen. Die Einkäufe werden, überwiegend,<br />

bei der Gepa, der Gesellschaft zur Förderung der<br />

Partnerschaft mit der Dritten Welt, getätigt. Diese GmbH<br />

hat sich dem Fairen Handel verpflichtet.<br />

Kriterien des Fairen Handels sind:<br />

Arbeitsrechtliche und ökologische<br />

Mindeststandards<br />

Verbot der Zwangs- und Kinderarbeit<br />

Gesunde Arbeitsbedingungen<br />

Demokratisch kontrollierte Organisationen<br />

Unabhängige Gewerkschaften<br />

Gewährung von Sozialleistungen<br />

Die Gepa fördert dies durch:<br />

Zahlung fairer Preise<br />

Beratung bei Produktentwicklung<br />

Förderung ökologischer Produktionsmethoden<br />

Aufbau von langfristigen Handelsbeziehungen<br />

Ehrenamt<br />

Der etwas andere Laden<br />

Öffnungszeiten des Eine-Welt-Ladens sind:<br />

Mo. bis Fr. von 16.30 bis 18.30 und So. nach dem Gottesdienst in der<br />

St.-Michael-Kirche in Siegen in der Kampenstraße<br />

und Glasentwürfe, echter Schmuck und Modeschmuck,<br />

Trommeln und eine sehr aparte Auswahl an Papierwaren.<br />

In der Adventszeit bieten wir geschmackvolle Weihnachtsartikel.<br />

Wir haben unser Angebot erweitert mit Geschenkkörben<br />

für Jubiläumsfeiern und dergleichen.<br />

Der Ladendienst macht Spaß und vermittelt das Gefühl<br />

einer sinnvollen Tätigkeit. Mehr Andrang wünschen wir<br />

uns oft. Auch werden immer wieder Mitglieder gesucht<br />

Erika Krumm<br />

GARDINEN<br />

UND TEPPICHE<br />

Foto:Fritz Fischer<br />

Der Gewinn, der im fairen Handel erwirtschaftet<br />

wird, geht in Projekte, bei uns zurzeit in ein Schulprojekt,<br />

ein Frauenprojekt in Peru und in die Behindertenarbeit.<br />

Die Palette der Produkte geht über Standard-<br />

Lebensmittel, wie Reis, Nudeln, Honig, Gewürze,<br />

Schokolade, Tee, Kaffee, Kakao, Saft und Wein hin<br />

zu Artikeln wie Seidentüchern, Tischdecken, Kerzen,<br />

Lederwaren Holzspielzeug, moderne Keramik<br />

BERATUNG · ANGEBOT · MUSTERSERVICE · MONTAGE<br />

Siegen-Geisweid • Marktstraße 29<br />

Telefon: 02 71/8 30 41 • www.mackenbach.de<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 25


Historisches aus dem Siegerland<br />

Humanist und Reformator<br />

Philipp Melanchthon (1497–1560)<br />

Sein Einfl uss auf das Schulwesen und Religion in Siegen<br />

Wir sind zum<br />

Gespräch miteinander<br />

geboren.<br />

Melanchthon (Bild)<br />

Die Kirchenreformation bedeutete Erneuerung der Kirche<br />

unter Rückgriff auf die Ursprünge. Grundgedanke war<br />

die Erneuerung der Kirche im Sinne urchristlicher Reinheit<br />

zur Überwindung der Missstände. Sie führte, gegen<br />

die Absicht der Reformatoren, zur Spaltung der universalen<br />

mittelalterliche Kirchen in vom Papsttum unabhängige<br />

Kirchengemeinschaften.<br />

Es ging ein neuer<br />

Geist durch die<br />

Welt. Das griechische<br />

Menschheitsideal<br />

(humanitas) war in<br />

Italien plötzlich wiedererstanden<br />

beim<br />

Lesen der Schriften<br />

der griechischen Denker<br />

und Dichter, beim<br />

Betrachten der griechisch-römischen<br />

Bauten und Bildwerke. Renaissance und<br />

Humanismus traten ihre Herrschaft an. Und diese Geistesströmungen<br />

drangen von den Fürstenhöfen Italiens zu Beginn<br />

des 16. Jahrhunderts über die Alpen auf die deutschen<br />

Universitäten, und von den Universitäten, sobald diese erst<br />

humanistische Lehrer ausgebildet und ins Leben gesandt<br />

hatten, auch in Schulen und Haus. Gleichzeitig entstand in<br />

Deutschland die durch Martin Luther ausgelöste religiöse<br />

Bewegung, gegen das Papsttum und kirchliche Institutionen<br />

für eine „reformierte“ Kirche. Humanismus und Reformation<br />

wirkten sich nachhaltig auf die politisch- soziale<br />

Entwicklung, die intellektuelle Kultur und selbst auf das<br />

Alltagsleben von Bauern, Bürgern und Adel der deutschen<br />

Gesellschaft aus. Renaissance und Humanismus bedeutete<br />

das Wiederaufleben des klassischen Altertums, bedeutete<br />

die Anerkennung des Menschen als eines Berechtigten und<br />

als des Höchsten in der Welt, forderte das Recht der Individualität<br />

und ihre Befreiung vom scholastischen Denken<br />

des Mittelalters. Sie brachten das Aufhören der mittelalterlichen<br />

Gebundenheit, bisher gültige Bindungen an Staat<br />

und Kirche lockerten sich und die Betonung der menschlichen<br />

Individualität, nach dem Vorbild der Antike, setzte<br />

sich durch. Die Renaissance drückte sich vor allem in den<br />

Künsten aus, die die Sinne ansprechen: Architektur und Malerei.<br />

Der Humanismus bezeichnete die wissenschaftliche,<br />

literarische Seite dieser Strömung. Für die Humanisten galt<br />

das antike Kultur- und Menschenbild als Wunsch und Zielvorstellung.<br />

Durch das Studium antiker Literatur und Philosophie<br />

glaubten die Humanisten zu den Quellen echten<br />

Menschentums zurückgekehrt zu sein. Sprachliche Bildung<br />

galt für sie als Weg zu diesem Menschentum.<br />

Einer der bedeutendsten deutschen Humanisten des 16.<br />

Jahrhunderts war Philipp Melanchthon. Er wurde 1497 als<br />

Philipp Schwarzerd in Bretten in der Kurpfalz geboren. An<br />

der Stelle des Geburtshauses wurde zwischen 1897 und 1903<br />

ein Gedächtnishaus im neugotischen Stil gebaut. Nach dem<br />

Tod des Vaters, eines kurfürstlichen Waffenmeisters, kam<br />

Philipp mit elf Jahren zu seiner Großmutter nach Pforzheim<br />

und stand dort unter der Obhut seines Großonkels, dem<br />

berühmten Humanisten Johannes Reuchlin (1455–1522),<br />

der ein hervorragender Kenner des Griechischen und Hebräischen<br />

war. Philipp war sehr sprachenbegabt, mit zwölf<br />

Jahren las und sprach er Latein, Griechisch und konnte Hebräisch.<br />

Reuchlin gab Philipp als Anerkennung für seine<br />

Sprachkenntnisse den Humanistennamen „Melanchthon“<br />

(griechische Übersetzung für „schwarze Erde“). Mit zwölf<br />

Jahren hörte er Vorlesungen über fast alle Wissensgebiete<br />

an der Heidelberger Universität, studierte später in Tübingen,<br />

mit sechzehn Jahren gab er eine griechische Grammatik<br />

heraus, mit siebzehn Jahren hielt er an der Universität<br />

Vorlesungen und im Jahre 1518, als er 21 Jahre alt war,<br />

erhielt er einen Ruf als Griechischprofessor an die Philosophischen<br />

Fakultät, der im Jahre 1502 vom Kurfürst Friedrich<br />

III., der Weise, gegründeten Universität in Wittenberg.<br />

Bis zu seinem Tod wirkte er hier als Erzieher und Lehrer,<br />

reformierte die Universität im humanistischen Sinne und<br />

wurde Mitstreiter und engster Mitarbeiter von Martin Luther,<br />

der auch ein Mann humanistischer Bildung war. Seit<br />

1509 war Martin Luther Professor der Theologie an der<br />

Universität von Wittenberg und wurde 1517, als er seine<br />

Thesen gegen den Ablass veröffentlichte – eine revolutionäre<br />

Kampfschrift gegen die römische Kirche – zum Mittelpunkt<br />

des geistlichen Lebens. Der Freundesbund Luthers<br />

und Melanchthons hat das deutsche Geistesleben umgestaltet.<br />

Luther wirkte mehr für Kirche und Staat, Melanchthon<br />

mehr für Universität und Schule.<br />

Melanchthon betrachtete die Bildung und Erziehung der<br />

Jugend als seine wichtigste Aufgabe. Er war der Meinung,<br />

dass Bildung nur durch sprachlich-literarische Ausbildung<br />

erreicht werden kann. Nur sie bringt den Menschen eruditio<br />

(„Bildung“, wörtlich übersetzt: „Ent-Rohung“). Durch<br />

sie vermag der Mensch geordnet zu denken und sich klar<br />

und sachgemäß auszudrücken. Ein gebildeter Mensch wird<br />

26 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Historisches aus dem Siegerland<br />

auch anständig handeln, sprachlich-literarische Bildung<br />

vermittelt also auch Sittlichkeit. Bildung führt zu Humanität,<br />

das heißt der Mensch erkennt die allgemein-menschlichen<br />

Moralgesetze an. Er fühlt sich verantwortlich für<br />

seine Mitmenschen und respektiert ihre Gewissensfreiheit.<br />

Er nimmt sich selbst zurück und versucht Konflikte durch<br />

Kommunikation und Gespräche zu überwinden. Alle Studenten<br />

sollten eine bessere sprachlich-literarische Bildung<br />

bekommen. Die philosophische Fakultät sollte deshalb<br />

durch neue Fächer wie Griechisch, Hebräisch, Dichtkunst<br />

und Geschichte ergänzt werden. Ziel dieser humanistischen<br />

Reform war die Rückkehr zu den Quellen. Melanchthon<br />

hielt Vorlesungen über die griechischen Philosophen der<br />

Antike (Aristoteles, Platon, Sokrates) und über römische<br />

Staatsmänner und Schriftsteller wie Cicero, Seneca und<br />

hielt die Studenten an, selber die Schriften dieser Männer<br />

zu lesen.<br />

„Widmet den Griechen einige Nebenstunden. Ihr werdet<br />

dabei gewahr werden, wie viel das Wortverständnis der<br />

Sprache zum Verständnis der heiligen Wahrheit selbst beiträgt,<br />

was für ein Unterschied ist zwischen einem Erklärer,<br />

der Griechisch versteht, und einem, der es nicht versteht.<br />

Habt den Mut der Einsicht!“ – So rief Melanchthon seinen<br />

Wittenberger Studenten zu.<br />

Die Studenten übten sich unter Anleitung Melanchthons<br />

in Disputationen und Festreden, um ihr Sprachvermögen<br />

zu entwickeln. Sie studierten Dialektik und Rhetorik, denn<br />

durch das Studium dieser Fächer wird nicht nur die Sprache<br />

verfeinert, sondern auch die Wildheit und Barbarei des<br />

menschlichen Geistes zivilisiert und gezähmt.<br />

Melanchthon war ein Universalgelehrter. Er beherrschte<br />

viele Disziplinen, schrieb Lehrbücher dafür und verfasste<br />

auch Schulbücher. Wegen seines Einsatzes für umfassende<br />

Bildung ehrte man ihn schon damals als „Lehrer Deutschlands“.<br />

Melanchthon prägte nicht nur die Universität Wittenberg,<br />

er selbst erhielt dort eine besondere Prägung. Er studierte<br />

seit seiner Berufung 1518<br />

Theologie bei Martin Luther<br />

und hielt selbst auch<br />

Vorlesungen an der Theologischen<br />

Fakultät. Auch<br />

für die Theologie nutzte<br />

er humanistische Methoden.<br />

Er betrachtete die<br />

Lektüre des hebräischen<br />

und griechischen Urtextes<br />

der Bibel als notwendige<br />

Voraussetzung für das theologische<br />

Studium. Das<br />

Studium der Bibel in ihren<br />

Ursprachen brachte viele<br />

Theologen zu einem radikalen<br />

Bruch mit der mittelalterlichen<br />

Theologie und machte sie zu Anhängern der<br />

Reformation. Die humanistische Wissenschaft gab Luther<br />

die Mittel in die Hand, zu den Quellen des Christentums<br />

im Alten und Neuen Testament zurückzugehen. Das war<br />

ohne ein eingehendes Studium des Griechischen und Hebräischen<br />

nicht möglich. Melanchthon als ein guter Kenner<br />

dieser Sprachen unterstützte Luther bei der Bibelübersetzung<br />

in deutscher Sprache. 1522 erschien in Übersetzung<br />

das Neue Testament und 12 Jahre später das Alte Testament.<br />

Da die Bibel zu einem Lesebuch für immer breitere<br />

Schichten wurde und in den protestantischen Schulen sich<br />

der gesamte Unterricht darauf stützte, trug Luthers und<br />

Melanchthons Übersetzung wesentlich zur Schaffung der<br />

Grundlagen einer neuhochdeutschen Schriftsprache bei.<br />

Weil alle Menschen die Bibel selbstständig lesen sollten,<br />

forderten Melanchthon und Luther Volksschulen, worin<br />

jedes Mädchen, jeder Knabe so viel lernen soll, um die Bibel<br />

selbst lesen zu können. Sie betrachteten den Schulunterricht<br />

als notwendige Grundlage des öffentlichen Lebens,<br />

aus dem die Kirche nicht wegzudenken war. Insbesonderes<br />

setzte sich Melanchthon für Lateinschulen ein.<br />

Im Jahr 1530 verlangte der Kaiser von den Anhängern der<br />

Reformation, dass sie sich auf dem Reichstag in Augsburg<br />

verantworteten. Im Auftrag des Kurfürsten von Sachsen<br />

und der anderen evangelischen Stände stellte Melanchthon<br />

eine Verteidigungsschrift zusammen. Darin zeigte er, dass<br />

reformatorische Glaubensüberzeugung und das Bemühen<br />

um Kirchenreform keine „ketzerischen“ Neuheiten sind. Sie<br />

sind biblisch begründet und deshalb allgemein-christlich.<br />

Humanistische Bildung und reformatorische Gesinnung<br />

kommen im Augsburger Bekenntnis zu einer eindrucksvollen<br />

Synthese. Der friedliche Weg, den Melanchthon im<br />

Bekenntnis zur Wiederherstellung der kirchlichen Einheit<br />

vorgeschlagen hatte, und auch seine weiteren Versuche, den<br />

Kaiser und die katholischen Fürsten um der Einheit willen<br />

zu einer Reform der Kirche zu bewegen blieben erfolglos.<br />

Melanchthon hat sich immer bemüht, Reformation und Humanismus,<br />

Bildung und Glauben zusammenzuhal- <br />

Foto: Fritz Fischer<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 27


Historisches aus dem Siegerland<br />

Erasmus Sarcerius, Begründer des heutigen Siegener<br />

Gymnasiums am Löhrtor<br />

ten. Humanismus und Religion, Bildung und Glaube – das<br />

war sein erfolgreiches Programm. Spuren und Wirkungen<br />

dieses Programms finden wir in allen Regionen Europas.<br />

Mit diesem Programm – so seine Überzeugung – ließen sich<br />

Grenzen überwinden und kriegerische Konflikte beenden.<br />

Auch nach einem halben Jahrtausend sind seine Visionen<br />

immer noch aktuell. Daran anzuknüpfen, Grenzen zu überwinden,<br />

die Religion mit dem „Humanum“ zu verbinden,<br />

ist heute uns allen auferlegte Aufgabe.<br />

Wie haben Humanismus und Reformation auf die weitere<br />

Entwicklung des Siegener Schulwesens gewirkt?<br />

Junge Siegerländer, die an den Universitäten Erfurt,<br />

Marburg und Wittenberg studierten, kamen mit der Lehre<br />

Luthers und Melanchthons schon früh in Berührung und<br />

brachten sie auch ins Siegerland. Der Landesherr Graf<br />

Wilhelm der Reiche von Nassau (regierte die nassauischen<br />

Lande von 1516 bis 1559) billigte die neue Lehre. Seit<br />

1531 hörte der katholische Gottesdienst in Siegen auf, in<br />

demselben Jahr berief der Graf den ersten lutherisch gesinnten<br />

Pfarrer Leonhard Wagner aus Kreuznach nach Siegen<br />

an die St.-Martin-Kirche (Martinikirche), führte 1533<br />

die Nürnberger Kirchenordnung ein, die in der Hauptsache<br />

auf Luthers Katechismus und Lehre beruhte, und löste 1534<br />

das Franziskanerkloster auf. Die Reformation im Siegerland<br />

war in vollem Gang. Mit der Kirchenreform hielt die<br />

Reform des Schulwesens gleichen Schritt, denn zwischen<br />

Humanismus und Reformation bestehen die engsten Verbindungen.<br />

Schüler Melanchthons, die als Schulmänner<br />

nach Siegen kamen, richteten die Schule nach humanistischen<br />

Grundsätzen ein. Die Lehrbücher und Schriften<br />

Melanchthons übten dabei den größten Einfluss auf die<br />

Gestaltung des Schulwesens aus.<br />

Der erste Rektor der Siegener Lateinschule, Johannes<br />

Thys, war ein Schüler Melanchthons. Er leitete die Schule<br />

von 1530–1533. Eine Lateinschule gab es in Siegen seit<br />

dem 14. Jahrhundert. Aber erst durch die humanistische<br />

Bildung der Lehrer und der Reformation wurde einem geordneten,<br />

höheren Schulwesen der Weg bereitet.<br />

Sein Nachfolger Jost Hammer, ebenfalls ein Schüler<br />

Melanchthons, leitete die Schule von 1533–1536. Er förderte<br />

vor allem die lateinische Sprachfertigkeit, sodass er<br />

mit seinen Schüler ein lateinisches Schauspiel im Rathaussaale<br />

aufzuführen wagte, zur Freude der Stadtväter. Beide<br />

Schulmänner suchten humanistische Bildung, wie sie bei<br />

Melanchthon gelernt hatten, auch der Siegener Jugend zu<br />

vermitteln. Der Humanismus war anfangs stark vom Geiste<br />

der Reformation geprägt und so war das nächste Ziel der<br />

Siegener „Reformschule“ gewiss nur das Verständnis des<br />

Neuen Testaments im Urtext (griechisch). Im Jahre 1536<br />

stellte Graf Wilhelm der Reiche die städtische Lateinschule<br />

unter seinen gräflichen Schutz und berief den von Melanchthon<br />

empfohlenen Magister Erasmus Sarcerius als<br />

Rektor der Lateinschule. Das Jahr 1536 kann als Anfang<br />

und Ausgangspunkt des heutigen Städtischen Gymnasiums<br />

in der Oranienstraße angesehen werden. Der Forderung<br />

Luthers entsprechend war es Sache des Landesherren, und<br />

nicht mehr der Stadt, das Schulwesen in die Hand zu nehmen.<br />

Dem Rektor waren noch zwei Unterlehrer unterstellt.<br />

Unterrichtsfächer waren Latein und „andere gebräuchliche<br />

Sprachen“, ferner die freien Künste und gute Sitten. Man<br />

kann annehmen, dass unter den anderen gebräuchlichen<br />

Sprachen Griechisch und unter freien Künsten Rhetorik<br />

und Logik zu verstehen waren. Der Unterricht in der Lateinschule<br />

dauerte 6–7 Jahre. Sarcerius war ein besonders<br />

begabter Pädagoge und Schriftsteller, hat viele pädagogische<br />

und theologische Schriften in Siegen verfasst. Sarcerius<br />

wurde mit der Einrichtung der Schule betreut, die sich<br />

jetzt evangelisches Pädagogium nannte. Er führte die von<br />

Melanchthon verfasste erste evangelische Schulordnung<br />

ein, die sogenannte kursächsische Schulordnung. Im Jahr<br />

1538 zog er nach Dillenburg und nahm das geistliche Aufsichtsamt<br />

des Superintendenten an und wurde der bedeutendste<br />

Reformator in der Grafschaft Nassau. Er arbeitete<br />

sehr gut mit Melanchthon und Luther zusammen, man kann<br />

sagen, die Reformation in Nassau-Dillenburg war ein Kind<br />

der Wittenberger Reformation. In den von ihm abgehaltenen<br />

Synoden fand er das richtige Mittel, die Lehre Luthers im<br />

Sinn Melanchthons derart zu festigen und übte auf die Glaubenstreue,<br />

Bildung und den Lebenswandel der Geistlichen<br />

einen nachhaltigen Einfluss aus. Des Sarcerius Verdienste<br />

um das höhere Schulwesen der Grafschaft sind:<br />

28 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Historisches aus dem Siegerland<br />

– die innere und äußere Umgestaltung der Siegener<br />

Lateinschule,<br />

– seine pädagogische und theologische Schriftstellerei,<br />

– die Gründung der Landesstipendien,<br />

– die Leitung der Synoden und Kirchen und<br />

Schulvisitation.<br />

Ein Bildnis des Sarcerius steht heute an erster Stelle<br />

in einer Reihe bedeutender Schulmänner im Städtischen<br />

Gymnasium in der Oranienstraße. Er gilt als Begründer<br />

dieser Anstalt.<br />

Der zweite Nachfolger Sarcerius war wieder ein Schüler<br />

Melanchthons, der dreizehn Jahre lang von 1540 bis<br />

1553 die Schule leitete, Magister Georgius Aemylius (zu<br />

deutsch: Oemeler). Er war Kenner des Griechischen, Lateinischen,<br />

Hebräischen, Französischen, dazu Freund der<br />

deutschen Sprache und selbst deutscher Liederdichter.<br />

Unter des Aemylius Rektorat verließen viele Absolventen<br />

die Schule, die später berühmt geworden sind. Zu nennen<br />

ist der Siegener Bürgersohn Tilmannus Stella, der spätere<br />

berühmte Geograf und Kartenzeichner, er ist der erste Kartograf<br />

Deutschlands.<br />

Im Jahre 1542 verfasste Aemylius die erste Geschichte<br />

der Lateinschule.<br />

Als Melanchthon am 3. Mai im Jahre 1543 Siegen besuchte,<br />

überreichte Aemylius seinem Universitätslehrer<br />

diese Schrift als Ehrung und gewissermaßen als Rechenschaftsbericht.<br />

Ob Melanchthon damals die Schule besucht<br />

hat, darüber fehlen leider die Nachrichten. Zum Empfang in<br />

Siegen waren der Bürgermeister, Magister Aemylius, und<br />

als Vertreter des Grafen Wilhelm dessen Sekretär Knutelius<br />

anwesend. Die Begrüßung erfolgte vor dem Rathaus,<br />

wo dem hohen Gaste mit seiner Begleitung auf Stadtkosten<br />

12 Ratskannen Wein ausgeschänkt wurden. Im Hause des<br />

Wilhelm Knutelius in Dillenburg fand Melanchthon Unterkunft.<br />

Seine Söhne studierten bei Melanchthon in Wittenberg.<br />

Wilhelm Knutelius begleitete Melanchthon am<br />

folgenden Tage, dem 3. Mai 1543, über die Berge westwärts<br />

nach Bonn und Köln. Sarcerius reiste ebenfalls zu<br />

Melanchthon nach Köln zur Mitarbeit an der Kölnischen<br />

Kirchenordnung. Nachdem Melanchthon die neue Kirchenund<br />

Schulordnung herausgegeben hatte, fuhr er von Bonn<br />

am 28. Juli zurück nach Wittenberg. Mit dem Grafen Wilhelm<br />

blieb Melanchthon auch von Bonn und Köln aus in<br />

regem Briefwechsel. Der Eindruck, den Melanchhon bei<br />

seinem kurzen Besuch von den kirchlichen Verhältnissen in<br />

Nassau-Dillenburg gewann, war äußerst positiv. Noch aus<br />

Bonn bedankte er sich herzlich für die ihm in Dillenburg<br />

erwiesene Gastfreundschaft. Auch in der Folgezeit blieben<br />

die Beziehungen zwischen Siegen und Wittenberg lebendig.<br />

Nicht wenige Siegener kamen nach Wittenberg, einige<br />

studierten unter Melanchthon. Johann der Ältere, der zweite<br />

Sohn des Grafen, studierte auch bei Melanchthon. Von<br />

Graf Johann ist bekannt, dass er ein sehr eifriger Beschützer<br />

und Freund des Schulwesens war. Im Jahre 1584 gründete<br />

er die Hohe Schule in Herborn.<br />

Melanchthon förderte die siegen-nassauischen Studenten,<br />

einige erhielten auf seine Fürsprache beim Grafen<br />

Stipendien, andere erhielten Einführungsbriefe, wie zum<br />

Beispiel Tillmann Stella, als er zum Absatz seiner Karte<br />

von Palästina auf die Wanderung zog.<br />

Im Laufe der Zeit änderte die Lateinschule ihren Namen<br />

in Pädagogium, Realschule, Höhere Bürgerschule,<br />

Realschule erster Ordnung, Realgymnasium, Reformrealgymnasium<br />

mit Realschule, Oberschule für Jungen und<br />

schließlich Gymnasium am Löhrtor an der Oranienstraße.<br />

Ebenso hatte die Schule verschiedene Standorte. Im ersten<br />

Jahrzehnt seit dem Amtsantritt von Sarcerius war die Schule<br />

in dem leer stehenden Franziskanerkloster untergebracht,<br />

danach jahrhundertelang in der Nikolaikirche, der Speicher<br />

wurde dazu ausgebaut, 36 Jahre lang am unteren Schlosshof<br />

im Marstallgebäude, und am 2. Mai 1873 erfolgte der<br />

feierliche Einzug in das Haus an der Oranienstraße, das im<br />

Krieg zerstört und wieder an derselben Stelle in der heutigen<br />

Form aufgebaut wurde.<br />

Melanchthon gab für den Ausbau der höheren Schule<br />

das Beste, was die Zeit kannte: das Studium der griechischrömischen<br />

Literatur. Denn die Gelehrtenschulen sollten zunächst<br />

zum Studium der Theologie vorbereiten, die damals<br />

ebenso den Mittelpunkt des gesamten Geistesleben bildete,<br />

wie heutzutage die Naturwissenschaft und die soziale<br />

Frage. Es wäre kurzsichtig, an dem, was einst nützliche<br />

„Reform“ war, für alle Zeiten festzuhalten.<br />

Die Diskussion über Reformpläne und das Bemühen,<br />

die Schule als Spiegelbild unserer Gesellschaft in ihrer<br />

Bildungsaufgabe den Erfordernissen der Zeit anzupassen,<br />

haben nicht aufgehört. Sie sind in jüngster Zeit umso lebhafter<br />

aufgeflammt. Die Entwicklung des Schulwesens ist<br />

ein fortdauernder Prozess.<br />

Der wissenschaftliche Ruf, der unter den Schülern Melanchthons<br />

von der alten Siegener Lateinschule ausging, ist<br />

durch alle Zeitläufe bis heute geblieben.<br />

Dorothea Istock<br />

Öffnungszeiten:<br />

11.00 - 14.00 Uhr<br />

17.30 - 24.00 Uhr<br />

Ruhetag: Montag und Samstagnachmittag<br />

Talblick 15<br />

57080 Siegen<br />

Tel. 0271/3 17 72 78<br />

Fax 0271/3 17 72 79<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 29


Frage: Wird im Apollo jetzt rund um die Uhr gespielt?<br />

Es gab ja in Siegens neuem Theater schon Vormittags-,<br />

Mittags- und sogar Mitternachtsveranstaltungen. Jetzt<br />

kommen noch Nachmittagsvorstellungen dazu. Warum?<br />

Reitschuster: Wir<br />

haben auf den<br />

immensen Ansturm<br />

zu Beginn der<br />

zweiten Apollo-<br />

Spielzeit mit einer<br />

ganzen Reihe von<br />

Zusatzvorstellungen<br />

reagiert, einfach<br />

weil wir niemanden<br />

abweisen möchten.<br />

Einige dieser<br />

Vorstellungen<br />

sind allerdings nur<br />

nachmittags zu<br />

realisieren. Da haben<br />

wir uns gesagt,<br />

wir probieren das<br />

Magnus Reitschuster, Intendant einfach einmal aus.<br />

Das könnte doch<br />

beispielsweise<br />

interessant sein für Menschen nach der<br />

Berufsphase oder für Leute, die beruflich ihre<br />

Zeit freier planen können. Außerdem finden diese<br />

Nachmittagsvorstellungen – mit einer Ausnahme – alle<br />

an Wochenenden oder Feiertagen statt.<br />

Theater<br />

Komödie – Musical – Tanztheater<br />

APOLLO spielt jetzt auch nachmittags<br />

Frage: Wäre es denn für Sie nicht viel werbewirksamer,<br />

möglichst oft das „Ausverkauft“-Schild an die<br />

Theaterkasse zu hängen?<br />

Reitschuster: Mag sein. Aber so kalkulieren wir im<br />

Apollo nicht. Unser Auftrag ist Theater, Oper, Konzert,<br />

Kindervorstellungen – und zwar auf bestmöglichem<br />

Niveau und für alle, die es möchten. Uns ist es viel lieber,<br />

wenn ein paar Sessel frei sind, als dass wir jemanden<br />

abweisen müssten. Das ist bislang übrigens kaum je<br />

passiert. Auch wer abends ganz kurz entschlossen ins<br />

Theater kommt, hatte beste Chancen – oft sogar zu „Last-<br />

Minute“-Preisen.<br />

Das hängt damit zusammen, dass wir die Plätze, die<br />

gebucht sind, aber dann aus irgendeinem Grund doch<br />

nicht besetzt werden, in den letzten zehn Minuten vor<br />

einer Vorstellung verkaufen können.<br />

Frage: Das Apollo-Theater ist ja wirklich<br />

„angekommen“. Hat Sie das überrascht?<br />

Reitschuster: Vor allem freut es mich sehr. Und wir<br />

arbeiten hart daran, dass unser Publikum sich im<br />

Apollo richtig wohlfühlt und sich aufs Wiederkommen<br />

freut: zum Beispiel mit unserem allabendlichen<br />

„Apollo begrüßt“ vor den Vorstellungen, mit einem<br />

freundlichen Abenddienst, vor allem mit einem<br />

überzeugenden Spielplan – und natürlich mit der ersten<br />

Siegener Biennale, die ab Karfreitag 23 Tage lang<br />

die großstädtischen Ensemble mit ihren wichtigsten<br />

Inszenierungen ins Apollo holt.<br />

Nachmittagsvorstellungen<br />

Mittwoch, 31. Dezember, 18 Uhr:<br />

Silvestervorstellung: „ABBA jetzt!“<br />

Eine unverschämte Hommage mit Tilo Nest,<br />

Hanno Friedrich und Alexander Paeffgen<br />

Sonntag, 1. Februar, 15 Uhr:<br />

„Cabaret“<br />

Musical von Joe Masteroff, John Kander<br />

und Fred Ebb<br />

Mittwoch, 22. April, 17 Uhr:<br />

„Carmen“<br />

Ballett von Peter Breuer mit dem Ballett des<br />

Salzburger Landestheaters<br />

Karten für diese und alle weiteren Vorstellungen<br />

gibt es an der Theaterkasse im Foyer des<br />

Apollo-Theaters an der Morleystraße 1<br />

(Tel. 021/770277-0, Öffnungszeiten: Dienstag<br />

bis Freitag: 13 – 19 Uhr, Samstag: 10 – 14 Uhr)<br />

sowie bei den Vorverkaufsstellen in der Region<br />

Bühnenbild<br />

von Carmen<br />

2 Fotos: APOLLO-Theater Siegen<br />

30 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Glosse<br />

Zum Kuckuck noch mal – Die verflixte Winterzeit!<br />

Wenn sich der Hans zur nächtlichen Stunde aus der aktiven<br />

Sommerzeit in die träge Winterzeit schleicht, dann<br />

macht er kleine Schritte, um nix zu vergessen. Verflixt akribisch<br />

ist der Hans. Der stellt alles um, was tickt oder gerade<br />

noch als Uhr durchgeht. Freunde behaupten, dass er sogar<br />

seine Eieruhr umstellt. Vom Küchentisch<br />

auf die Anrichte. Mehr<br />

geht ja nicht. Oder haben Sie<br />

schon mal rieselnden Sand um<br />

eine Stunde zurückgedreht?!<br />

Auch die Kuckucksuhr<br />

(Nussbaum aus dem Schwarzwald)<br />

stellte Hans um. Und damit<br />

begann das ganze Fiasko.<br />

Also, der Holz-Kuckuck, den<br />

Hans liebevoll Spätzchen nennt,<br />

blieb immer zwischen seinem<br />

Um Pannen wie bei Hans auszuschließen,<br />

sollten Kuckucksuhren nur vom Experten<br />

repariert werden. Wie auf unserem Foto vom<br />

Uhrenfachmann Walter Linschmann.<br />

Häuschen und der Klappe, durch<br />

die er zu jeder vollen Stunde<br />

herausschießen wollte, hängen.<br />

Das „Kuckuck“ kam zögerlich<br />

krächzend und die Klappe<br />

klappte ganz langsam wieder zu.<br />

Spätzchen halb drin, halb draußen. Das wollte Hans ändern.<br />

Zunächst ölte er den ganzen Kuckuck mit kaltgepresstem<br />

Bio-Olivenöl ein, damit er besser flutschte. Erfolg: Spätzchen<br />

glänzte wie eine Speckschwarte – blieb aber zur vollen<br />

Stunde wieder hängen. Bekam einfach den Ablauf nicht<br />

hin: raus, rein, Klappe zu.<br />

Hans ging der Sache jetzt mit Uhrenschraubenzieher und<br />

Pinzette auf den Grund. Vorsichtig öffnete<br />

er die kleine Luke. Ein kleines Spannfederchen<br />

– so groß wie ein Spiralnüdelchen –<br />

zammelte herum. In dem Augenblick, als<br />

Hans es einhängen wollte, legte der Kuckuck<br />

los. Schrie aus Leibeskräften und<br />

fegte wie der geölte Blitz aus dem Häuschen.<br />

Zack – und Hans hatte einen Vogel:<br />

direkt auf dem Auge! Klasse platziert.<br />

Im Spiegel sah er, dass das Auge seinem<br />

Schicksal entgegenschwoll und auch farblich<br />

an Reife gewann. Hans wusste: Rohes<br />

Fleisch auf die Beule packen, das hilft. Die<br />

Rouladen aus dem Eisfach? Erfrierungen<br />

zweiten Grades wären vorprogrammiert.<br />

Aber: Im Kühlschrank stand eine Schüssel<br />

mit Hackfleisch, halb und halb. Zwei<br />

Esslöffel davon klopfte Hans in ein Papiertaschentuch<br />

und rollte es zusammen. Diese<br />

gefüllte Papierwurst drückte sich Hans<br />

aufs Auge. Dass das Hackfleisch bereits<br />

angemacht war (kleingehackte Charlotten,<br />

Salz, Pfeffer…) war Hans egal. Schließlich<br />

war er ein Notfall! Zum Kuckuck noch mal! Damit die<br />

Met-Packung an Ort und Stelle blieb, pflückte Hans ein<br />

Gästehandtuch mit Veilchenmuster und dem zarten Duft indischer<br />

Blumenseife aus dem Kloraum und wickelte es sich<br />

halbschräg um den Kopf. Den Kuckuck, der immer noch<br />

völlig hilflos aus der Schwarzwälder<br />

„Voliere“ baumelte, würdigte er keines<br />

Blickes. Wie auch?!<br />

Am nächsten Tag: Sicher ist sicher<br />

denkt Hans und geht in seinem<br />

Piraten-Outfit zum Arzt. Der entfernt<br />

das Gehacktes-Röllchen ohne<br />

örtliche Betäubung vom lädierten<br />

Auge und warf es ungeöffnet in den<br />

Abfalleimer. Dafür bekam Hans eine<br />

mittlere Portion Kamillensalbe<br />

samt nachtschwarzer Kunstleder-<br />

Augenklappe mit Gummizug. Passform<br />

o. k., Gummizug ein bisschen<br />

stramm.<br />

„Übrigens“, sagte der Arzt beim<br />

Abschied, „Ihr Kuckuck ist offenbar<br />

ein sehr komischer Kauz.“<br />

„Wie bitte?“<br />

„Na ja, dem Geruch nach muss er vor der Landung auf<br />

Ihrem Auge mächtig viele Zwiebeln gefressen und hinterher<br />

mit Seife gegurgelt haben.“<br />

Da beschloss Hans, den Kuckuck mit einem gezielten<br />

Hammerschlag von allen Pflichten zu entbinden.<br />

Dieter Gerst<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 31<br />

Foto: Dieter Gerst


Der Capri verweigerte jede Verlässlichkeit<br />

Es war schon in den Anfängen eine gestörte Beziehung.<br />

Für mich galt immer: Geist beherrscht Materie. Ich kann<br />

die unterschiedlichen Geräte ja bedienen, aber die Chemie<br />

scheint nicht zu stimmen, wir finden einfach nicht zu einander.<br />

Die ersten dahingehenden Erfahrungen sammelte ich mit<br />

unzulänglichen Radioapparaten und Schallplattenspielern.<br />

Entweder ließ sich die Lautstärke nicht adäquat einstellen,<br />

ließen sich die Sender nicht scharf trennen, funktionierte<br />

die Antenne nicht oder das Kassettenfach erklärte sich für<br />

nicht zuständig.<br />

In meiner Eigen- und Leidenschaft als Autofahrerin<br />

sprengte ich auch den Rahmen der Normalität. 23 Jahre lang.<br />

Das tolle VW-Käfer-Cabrio, cremefarben mit schwarzem<br />

Verdeck, innig geliebt, entpuppte sich als Montagsauto.<br />

Ständiger Rostfraß, alle paar Jahre Komplett-Lackierung.<br />

Sein Nachfolger, ein roter Capri, versank zwar nicht im<br />

Meer, aber verweigerte sich jeder Verlässlichkeit. Über<br />

Jahre hinweg musste mich der ADAC immer wieder abschleppen.<br />

Batterien wurden erneuert, Lichtmaschinen ausgetauscht.<br />

Mein Hinweis auf unzulängliche Benzinzufuhr<br />

aufgrund eines defekten Kabels wurde negiert, bis letzteres<br />

verschmorte und man es wegen seines infernalischen Gestankes<br />

nicht mehr ignorieren konnte. Ein schwarzer Alfa<br />

Romeo war das Sahnehäubchen. Ich verliebte mich auch<br />

noch in den Verkäufer. Das Auto war schlicht undicht. Panik<br />

meinerseits begleitete jeden Regenguss, da sich sein<br />

Wasser hinter meinen Vordersitzen zu sammeln pflegte.<br />

Nach zwei Jahren erst und ungezählten Werkstattaufenthalten<br />

erkannte ein pfiffiger Meister, dass die Abflussrinnen<br />

des Sonnenverdecks verstopft waren. Mir war nur eine kurze<br />

Atempause vergönnt. Ein junger Mann wusste es nicht<br />

besser und verursachte Totalschaden an meinem Gefährt.<br />

Ich gehorchte endlich der inneren Stimme, die immer wieder<br />

gemahnt hatte: Du sollst nicht Auto fahren, es frisst dir<br />

die Haare vom Kopf.<br />

Philosophische Betrachtung<br />

Das Ei und Ich<br />

Meine Beziehung zur Technik<br />

Acht lange Jahre war ich nun technikabstinent. Die technischen<br />

Widerstandskräfte hatten Zeit zur vollen Wucht heranzureifen.<br />

Ich bin zwar immer noch autofrei, aber nun<br />

Laptop-bestückt. Ich wusste um meine Vorbelastung und<br />

verweigerte mich dem Surfen im Internet lange Zeit. Dann<br />

stellte die Redaktion des „durchblick“ einen alten Laptop<br />

zur Verfügung. Er funktionierte gelegentlich. Immer wieder<br />

überholt, sollte der Fehler beim Modem liegen. Sein<br />

Nachfolger mit integriertem Modem verhielt sich nicht<br />

minder bockig. DSL-Anschluss hieß das Zauberwort aus<br />

aller Munde. Ganz im Sinne dieser Aufforderung erhielt<br />

ich beinahe wöchentlich ein verlockendes Angebot meiner<br />

Kabelfirma Unitymedia. Man beachte den Namen. Ich tat<br />

den folgenschweren Schritt „Gesang der Geister über den<br />

Wassern“ – Vorhang auf zu dieser Tragödie. Techniker Nr. 1<br />

hatte seinen Auftritt. Die Installation schien zu gelingen,<br />

abgesehen vom digitalen Fernsehen. Sein Versprechen<br />

beim Abgang, nach einer Wartezeit von 60 Minuten würde<br />

sich jeder Sender frei schalten, klang wie nackter Hohn.<br />

Dennoch glücklich schaute ich immer wieder auf den Lichterbaum,<br />

der mir anzeigte, was alles funktionierte. Nach<br />

drei Stunden brach die Herrlichkeit zusammen. Mein Ich-<br />

Gefühl schrumpfte bis zur Nichtigkeit. War diese Wohnung<br />

wirklich verhext? Was mir hier schon alles geboten wurde.<br />

Wieder im Wartestand wie vor drei Jahren beim Einbau<br />

meiner Terrassentür. Es waren exakt die gleichen Monate.<br />

Meine Tage standen wieder unter dem Banne eines Vorganges,<br />

dem ich hilflos ausgeliefert war.<br />

Techniker Nr. 2 betrat die Bühne. Es waren glühend heiße<br />

Sommertage. Für sein Verständnis war die Hitze schuld<br />

an diesem Desaster. Dem Verstärker auf dem Dachboden<br />

waren die Temperaturen zu hoch. Er schlug die Komplett-<br />

Isolierung des Dachbodens vor oder die Verlegung des Verstärkers<br />

in die Wohnung meiner Nachbarin, die meinige lag<br />

nicht im Bereich der Einflugschneise. Ich sah meine Felle<br />

wegschwimmen bei diesen utopischen Überlegungen. Da<br />

würde doch nie etwas draus werden. Er schraubte hier und<br />

bohrte dort, das Ergebnis blieb das Gleiche. Drei Stunden<br />

pro Tag durfte ich die Segnungen der Technik genießen,<br />

falls mir der Sinn noch danach stand.<br />

Techniker Nr. 3 versetzte alles wieder in seinen Urzustand.<br />

Als er sich, zusätzlich, noch an der Außenbuchse<br />

des Verstärkers versuchen wollte, bremste ein Wespennest<br />

seinen Eifer. Mein zufällig anwesender Vermieter wedelte<br />

mit Tüchern, sprühte Insektentod, doch der junge Mann war<br />

nicht mehr zu halten.<br />

Es nahte der Tag, vor dem ich mich schon lange fürchtete:<br />

die Umstellung des Telefons, das Einzige, was bis jetzt noch<br />

funktionierte und mich aufrechthielt. Götterdämmerung.<br />

Zehn Tage lang im Niemandsland, lebendig begraben.<br />

Im Telefonhäuschen ließ ich schon Euro 10,- nur in der<br />

Warteschleife. Ich erwarb ein Handy, dessen Guthaben<br />

32 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Philosophische Betrachtung<br />

schon verrauchte, bevor ich es richtig angeschaut hatte. Ein<br />

junger Mieter aus dem Haus nahm sich meiner an. Er logiert<br />

in einer Junggesellenbude, sitzen konnte ich nirgends, stehen<br />

nur unter Vorbehalt, da ein riesiger Vogelkäfig die Maße<br />

des Raumes sprengte. Als ich zu telefonieren ansetzte,<br />

hob der Papagei mit lautem Gekrächze an. Es war stickig<br />

heiß und meine Nerven lagen blank<br />

Irgendwann, vorbei an diversen Terminabsprachen,<br />

tauchte ein Techniker- Duo auf. Sie hatten viel zu tun,<br />

bauten einen Verstärker vor den Verstärker, verstärkten die<br />

Fernsehbuchse, verstärkten hier, verstärkten dort. Das Ergebnis<br />

war auch ein starkes. Es war vollbracht, wenn auch<br />

das digitale Fernsehen hier und da leicht verzerrt ist. Das<br />

kann ja auch einen exotischen Reiz haben.<br />

Ich empfinde die Geschäftskultur in unserem Lande als<br />

total verwahrlost. Ich kann niemanden mehr haftbar machen,<br />

kein Chef ist mehr zu erreichen. Ich werde weiter<br />

gereicht, wenn, endlich, aus dem Off eine Stimme ertönt,<br />

verliere mich in einer virtuellen Welt, in der ich nirgends<br />

landen kann. Schriftliche Anfragen werden ignoriert. Ich<br />

werde keinen Vertrag mehr abschließen, es sei denn, es<br />

ginge um Leben oder Tod. Ich bin geknebelt, in völliger<br />

Abhängigkeit.<br />

Mein Kontoauszug weist eine erhöhte Abbuchung vonseiten<br />

besagter Firma aus, keine Mitteilung wieso und warum.<br />

Verweigere ich jetzt die Zahlung, stellen sie mir nicht nur das<br />

Kabelfernsehen ab, sondern auch Internet und Telefon. Gestern<br />

war ich erneut fassungslos. Nach acht Wochen erhielt ich<br />

einen Anruf von Unitymedia. Ein junger Mann fragte nach<br />

meiner Zufriedenheit. Meine Klagen gingen wieder ins Leere,<br />

da er ausgerechnet für die Art derselben nicht zuständig war.<br />

Nachdem er verkündet hatte, er würde sie weiterleiten, trat<br />

eine Störung auf und verschluckte ihn. Ich blieb, ebenfalls,<br />

verstört zurück ob dieser unerwarteten, wenn auch unvollständigen,<br />

menschlichen Geste.<br />

Erika Krumm<br />

Alles aus<br />

einer Hand:<br />

Mahlzeitendienst<br />

Hausnotrufdienst<br />

Fahrdienst<br />

Reisedienst<br />

Wir beraten Sie gern. Telefon 02738 / 17 17<br />

Ihr Malteserteam<br />

In einer Wohnanlage in Hamburg wurde vor Kurzem ein<br />

Rentner erst nach zehn Tagen tot gefunden. Der 73 Jahre<br />

alte Hans Josef H. war tot in seinem Badezimmer zusammengebrochen<br />

und erst zehn Tage später gefunden worden.<br />

Wie konnte so etwas passieren? In der Seniorenanlage der<br />

katholischen Kirche, die mit dem Begriff „Betreutes Wohnen“<br />

wirbt, war die einzige ständige Ansprechpartnerin,<br />

eine Sozialberaterin, im Urlaub, es gab keine Vertretung.<br />

Die Empörung war groß, wahrscheinlich auch weil es die<br />

Kirche betraf. In Leserbriefen wurde beklagt, dass sie das<br />

in sie gesetzte Vertrauen nicht einlöse.<br />

Nun muss man sicher von den Kirchen und anderen kirchenverwandten<br />

Trägern erwarten, dass sie gemäß ihrem<br />

christlichen Anspruch sich besonders den Menschen zuwenden.<br />

Aber der „Fall“ zeigt ein anderes Dilemma auf. In dieser<br />

Anlage für Betreutes Wohnen, in der rund achtzig Senioren<br />

in Ein-und Zweizimmerappartements wohnen, gibt es eine<br />

Betreuerin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zwanzig<br />

Stunden. So musste sich denn auch der Vertreter der Kirche<br />

fragen lassen, ob man hier noch von betreutem Wohnen<br />

sprechen könne. Es gab keinen hausinternen Notruf.<br />

Der Kommentar<br />

Das darf nicht passieren<br />

Deutlich werden an diesem Beispiel die ökonomischen<br />

Zwänge. Auf den ersten Blick erscheint das Argument des<br />

knappen Geldes unabweisbar. Die Kirchen und andere Träger<br />

von Seniorenanlagen weisen darauf hin, dass man infolge<br />

von Geldmangel weiteres Betreuungspersonal nicht<br />

einstellen könne. Aber es<br />

geht hier um Menschen,<br />

die Hilfe und Zuwendung<br />

brauchen. Von den<br />

Kirchen und humanitären<br />

Institutionen muss<br />

man erwarten, dass sie –<br />

wo die Bereitschaft, für<br />

Kranke, Alte, Schwache<br />

Geld auszugeben, abnimmt<br />

– sich um diese<br />

Menschen kümmern. Es<br />

wäre gut, wenn deutlicher<br />

würde: Wir sind zuerst für<br />

jene Menschen da, das ist<br />

unser Auftrag.<br />

Heute von Horst Mahle<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 33


Philosophische Betrachtung<br />

schon verrauchte, bevor ich es richtig angeschaut hatte. Ein<br />

junger Mieter aus dem Haus nahm sich meiner an. Er logiert<br />

in einer Junggesellenbude, sitzen konnte ich nirgends, stehen<br />

nur unter Vorbehalt, da ein riesiger Vogelkäfig die Maße<br />

des Raumes sprengte. Als ich zu telefonieren ansetzte,<br />

hob der Papagei mit lautem Gekrächze an. Es war stickig<br />

heiß und meine Nerven lagen blank<br />

Irgendwann, vorbei an diversen Terminabsprachen,<br />

tauchte ein Techniker- Duo auf. Sie hatten viel zu tun,<br />

bauten einen Verstärker vor den Verstärker, verstärkten die<br />

Fernsehbuchse, verstärkten hier, verstärkten dort. Das Ergebnis<br />

war auch ein starkes. Es war vollbracht, wenn auch<br />

das digitale Fernsehen hier und da leicht verzerrt ist. Das<br />

kann ja auch einen exotischen Reiz haben.<br />

Ich empfinde die Geschäftskultur in unserem Lande als<br />

total verwahrlost. Ich kann niemanden mehr haftbar machen,<br />

kein Chef ist mehr zu erreichen. Ich werde weiter<br />

gereicht, wenn, endlich, aus dem Off eine Stimme ertönt,<br />

verliere mich in einer virtuellen Welt, in der ich nirgends<br />

landen kann. Schriftliche Anfragen werden ignoriert. Ich<br />

werde keinen Vertrag mehr abschließen, es sei denn, es<br />

ginge um Leben oder Tod. Ich bin geknebelt, in völliger<br />

Abhängigkeit.<br />

Mein Kontoauszug weist eine erhöhte Abbuchung vonseiten<br />

besagter Firma aus, keine Mitteilung wieso und warum.<br />

Verweigere ich jetzt die Zahlung, stellen sie mir nicht nur das<br />

Kabelfernsehen ab, sondern auch Internet und Telefon. Gestern<br />

war ich erneut fassungslos. Nach acht Wochen erhielt ich<br />

einen Anruf von Unitymedia. Ein junger Mann fragte nach<br />

meiner Zufriedenheit. Meine Klagen gingen wieder ins Leere,<br />

da er ausgerechnet für die Art derselben nicht zuständig war.<br />

Nachdem er verkündet hatte, er würde sie weiterleiten, trat<br />

eine Störung auf und verschluckte ihn. Ich blieb, ebenfalls,<br />

verstört zurück ob dieser unerwarteten, wenn auch unvollständigen,<br />

menschlichen Geste.<br />

Erika Krumm<br />

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In einer Wohnanlage in Hamburg wurde vor Kurzem ein<br />

Rentner erst nach zehn Tagen tot gefunden. Der 73 Jahre<br />

alte Hans Josef H. war tot in seinem Badezimmer zusammengebrochen<br />

und erst zehn Tage später gefunden worden.<br />

Wie konnte so etwas passieren? In der Seniorenanlage der<br />

katholischen Kirche, die mit dem Begriff „Betreutes Wohnen“<br />

wirbt, war die einzige ständige Ansprechpartnerin,<br />

eine Sozialberaterin, im Urlaub, es gab keine Vertretung.<br />

Die Empörung war groß, wahrscheinlich auch weil es die<br />

Kirche betraf. In Leserbriefen wurde beklagt, dass sie das<br />

in sie gesetzte Vertrauen nicht einlöse.<br />

Nun muss man sicher von den Kirchen und anderen kirchenverwandten<br />

Trägern erwarten, dass sie gemäß ihrem<br />

christlichen Anspruch sich besonders den Menschen zuwenden.<br />

Aber der „Fall“ zeigt ein anderes Dilemma auf. In dieser<br />

Anlage für Betreutes Wohnen, in der rund achtzig Senioren<br />

in Ein-und Zweizimmerappartements wohnen, gibt es eine<br />

Betreuerin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zwanzig<br />

Stunden. So musste sich denn auch der Vertreter der Kirche<br />

fragen lassen, ob man hier noch von betreutem Wohnen<br />

sprechen könne. Es gab keinen hausinternen Notruf.<br />

Der Kommentar<br />

Das darf nicht passieren<br />

Deutlich werden an diesem Beispiel die ökonomischen<br />

Zwänge. Auf den ersten Blick erscheint das Argument des<br />

knappen Geldes unabweisbar. Die Kirchen und andere Träger<br />

von Seniorenanlagen weisen darauf hin, dass man infolge<br />

von Geldmangel weiteres Betreuungspersonal nicht<br />

einstellen könne. Aber es<br />

geht hier um Menschen,<br />

die Hilfe und Zuwendung<br />

brauchen. Von den<br />

Kirchen und humanitären<br />

Institutionen muss<br />

man erwarten, dass sie –<br />

wo die Bereitschaft, für<br />

Kranke, Alte, Schwache<br />

Geld auszugeben, abnimmt<br />

– sich um diese<br />

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wäre gut, wenn deutlicher<br />

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Heute von Horst Mahle<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 33


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34 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Dortmund – Dresden und zurück<br />

von Wilma Frohne<br />

Mittwochabend, 21.00 Uhr. Mein Sohn holte mich zu<br />

einer Fahrt nach Dresden mit der 420 PS starken Scania-<br />

Zugmaschine ab. Bevor wir losfuhren, führte Timmy mir<br />

stolz alle Lichtquellen vor. Er schaltete die Positionslampen<br />

in Stopfstange und Sonnenblende an, danach die Scheinwerferpaare<br />

über, in und unter der Stoßstange und als Krönung<br />

die Dachscheinwerfer. Welch eine Helligkeit. Ich war<br />

beeindruckt. Ein Lastwagen donnerte vorbei. Unsere Fahrerkabine<br />

schaukelte. Mir wurde angst und bange.<br />

„Na, dann wollen wir mal“, sagte Timmy und drehte<br />

den Zündschlüssel. Die Fahrerkabine erzitterte. „Was zischt<br />

da?“, fragte ich. „Die Sitze werden angehoben, du schwebst<br />

gleich“, erklärte er und setzte die Blinker.<br />

„Ich kann in die Fenster im ersten Obergeschoss sehen“,<br />

sagte ich. „Fast überall das gleiche Bild in den Wohnzimmern.<br />

An einer Wand der Schrank mit Fernseher und gegenüber<br />

die Sitzgruppe. Wie der Wind Fahnen zu einer Seite<br />

weht, so halten die Leute ihre Köpfe in eine Richtung.“ An<br />

der Ampel die nächste Überraschung. Sonst starrte ich zu<br />

den Signalen hinauf, jetzt leuchteten sie in Augenhöhe und<br />

so grell! Selbst das begehrte Grün war sehr unangenehm.<br />

„Ob die Brücke wirklich 4,30 m hoch ist? Der Auflieger<br />

hat eine Höhe von 4,20 m.“ Timmy „kroch“ vorwärts. Timmy<br />

wollte beim geringsten Widerstand des Verdecks halten<br />

können. Wir kamen durch.<br />

Auf der Autobahn schaltete Timmy den CB-Funk ein.<br />

„Hallo, kann mir einer der Kollegen sagen, wie es am Kreuz<br />

Dortmund-Unna aussieht?“ „Alles frei!“, antwortete eine<br />

Stimme. „Danke. Und wie ist die Kasseler Bahn?“ „An der<br />

Baustelle wird es langsamer, sonst ist alles frei. Wohin willst<br />

du?“ „Nach Dresden, aber erst nur bis Erfurt.“ „Wenn‘s so<br />

bleibt, wirst du es in fünf Stunden schaffen.“ „Dank dir!“<br />

„Mach’s gut und halt die Stoßstange sauber.“<br />

In unserer Fahrerkabine herrschte eine angespannte Atmosphäre.<br />

Timmy hatte schon bis mittags gearbeitet und<br />

durfte vor Erfurt weder von Polizei noch BAG, der Bundesanstalt<br />

für Güterfernverkehr, angehalten werden. „Falls<br />

wir gestoppt werden“, sagte mein Sohn zu mir, „der Fahrer<br />

ist an der letzten Raststätte ausgestiegen und hat vergessen,<br />

seine Tachoscheibe herauszunehmen.“ „Hoffentlich<br />

verheddere ich mich nicht. – Warum machst du denn keine<br />

Pause?“ „Ich würde zu lange schlafen. Ich parke in Erfurt<br />

vor dem Fabriktor, werde vom Hochziehen wach und kann<br />

sofort in die Halle fahren.“<br />

Gleichmäßig summte der Motor. Die Scheinwerfer<br />

zeigten uns den Weg über das schwarze Asphaltband der<br />

Straße. Auf der Gegenfahrbahn fuhren oft fantasievolle<br />

bunt strahlende Königskronen, Burgen, Schiffe oder Raubtiere<br />

heran. In der Nähe waren an den so geschmückten<br />

Lastern jedoch Ladung und Aufbauten zu erkennen und die<br />

Illusion vorbei.<br />

Leserseite<br />

„Auch das noch!“, sagte Timmy. „Was?“ „Da vor uns!<br />

Fahrzeuge mit Überbreite und Geleitschutz.“ Ich antwortete:<br />

„Die Polizei hat bei der Begleitung von Fahrzeugen<br />

keine Zeit andere Lkws anzuhalten.“ „Stimmt! Es sei denn,<br />

dass sie gerade ablösen und noch eben einen rausfischen<br />

wollen.“ Timmy zündete eine Zigarette an. Er raucht bestimmt<br />

viel zu viel.<br />

Timmy stöhnte: „Die Blitze der gelben Rundumleuchten<br />

an den Lastwagen dringen bis in den hintersten Winkel des<br />

Gehirns; die blauen Leuchten der Polizei sind dagegen<br />

richtig harmlos.“ Wir passierten unbehelligt den Konvoi.<br />

Wieder eine Zigarette – diese wegen Erleichterung.<br />

Der Mond war fast voll und leuchtete die Umgegend<br />

herrlich aus. Es war romantisch – doch auch gespenstisch.<br />

„Wir verlassen gleich die A 7 und fahren durchs Ulfetal“,<br />

sagte Timmy und fügte hinzu: „Hoffentlich kommt uns auf<br />

der engen Straße kein Auto entgegen.“ „Glaubst du daran?“<br />

Er schüttelte den Kopf. „Pkws sind nicht schlimm, aber<br />

so was Breites wie wir! Zwischen den Außenspiegeln hat<br />

oft nur eine Zeitung Platz. Manche Fahrer sind trotzdem<br />

ziemlich schnell.“ „Warum fährst du denn nicht weiter auf<br />

der Autobahn?“ „Wir erreichen auf dieser Strecke schneller<br />

die E 40.“<br />

Timmy trank Kaffee und rauchte; rauchte und trank Kaffee.<br />

Ich gähnte verstohlen. Unser Topliner fuhr, eingehüllt in<br />

sein eigenes Licht, gleichmäßig brummend Kilometer um Kilometer.<br />

In Erfurt ließ Timmy den Lkw vor dem Werktor der<br />

Anlieferfirma ausrollen, stellte den Motor ab und machte es<br />

sich auf den Sitzen bequem. Ich kletterte in die Schlafkabine<br />

und kroch in den Schlafsack.<br />

Zuerst sah ich nach dem Schließen der Augen nur Straßen,<br />

hatte das Gefühl, immer noch gewiegt zu werden. Doch<br />

dann träumte ich von Nebelschwaden, durch die Pappeln ihre<br />

langen Finger streckten, von Birkenkronen, die nur bis zur<br />

Hälfte sichtbar waren, einer kurvigen Straße am Fluss, in dem<br />

Trauerweiden ihre Zweige badeten und einem Berg mit angestrahlter<br />

Burg. – Über alldem stand der Mond und wachte.<br />

Wie vorausgesagt, weckte uns das Quietschen des Werktores.<br />

Verschlafen blinzelte ich und rutschte aus der Kabine.<br />

Timmy ließ den Motor an und fuhr in die Halle. Er griff<br />

nach den Arbeitshandschuhen, sprang aus dem Wagen und<br />

zog die Halteleine der Plane aus den Ösen. Danach schob er<br />

das Verdeck auf und kam wieder zu mir. Er hatte die Frachtpapiere<br />

abgegeben und wartete jetzt auf das Abladen. Wir<br />

frühstückten. Frische Brötchen und Kaffee gab es nicht,<br />

aber der Saft und die geschmierten Brote schmeckten uns.<br />

Am anderen Tor fuhren blaue Wagen rein und bald wieder<br />

raus. „Das sind die werkseigenen Fahrzeuge. Die werden<br />

immer dazwischengeschoben. So ist es nun mal.“<br />

Endlich waren wir dran. Als ich allein im Führerhäuschen<br />

saß, beobachtete ich Laufkran, Gabelstapler,<br />

hörte dem Geschepper hinter mir auf der<br />

<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 35


Leserseite<br />

Ladefläche zu und sah unten im Meisterbüro auf dem<br />

Monitor Zahlenkolonnen laufen.<br />

„Ich ziehe jetzt vor, mache Platz für einen anderen Lkw<br />

und dann koche ich Kaffee.“ „Das Abladen ging aber flott“,<br />

stellte ich fest. Timmy nickte. „Die Warterei dauert immer<br />

länger als das Abladen.“ Er parkte den Wagen im Hof und<br />

wir stiegen beide aus. Ich kletterte vorsichtig die Tritte herunter.<br />

Meinen Waschbeutel hatte ich vorher auf den Boden<br />

des Fahrerhauses gestellt, denn bis auf den Sitz hätte ich<br />

von der Erde aus nicht reichen können.<br />

Mein Sohn holte Wasser und während er die Plane<br />

schloss, blubberte die Kaffeemaschine. „Buh, ist der stark!“<br />

sagte ich. „Ich hab schon weniger Kaffeemehl genommen<br />

als sonst.“ Er füllte noch den Kaffee in die Thermoskanne,<br />

verstaute alles sicher und drehte den Zündschlüssel.<br />

Auf der E 40 erkundigte Timmy sich über Funk: „Hallo,<br />

Kollegen! Wie ist das Hermsdorfer Kreuz? Ich ...“ „In welche<br />

Richtung?“, fragte prompt jemand. „Nach Dresden.“<br />

„Und wo bist du jetzt?“ „Erfurt Ost aufgefahren.“ „Als ich<br />

vorhin durchs Kreuz fuhr, war alles frei.“ „Danke!“ Die<br />

Stimme erzählte weiter. „Bei Jena, auf deiner Gegenbahn,<br />

ist ein schwerer Unfall gewesen. Der Stau ist schon weg,<br />

aber Neugierige fahren noch langsam. Lass dich nicht ärgern.<br />

Gute Fahrt.“ „Wenn wir gut durchkommen, sind wir<br />

um halb eins, vielleicht sogar schon um zwölf, in Dresden.“<br />

„Meinst du, dass es trotz des Unfalls möglich ist?“<br />

„Da ist der Unfall!“ „Ach du meinte Güte!“ Das Heck<br />

eines Tiefladers steckte bis zur vorderen Achse unter einem<br />

Doppelstockbus. Von unserem hohen Sitz konnten wir gut die<br />

Unfallstelle einsehen. „So wie es da aussieht, hat es aber nur<br />

Blechschaden gegeben.“ Die ineinander verkeilten Blechriesen<br />

ließen mich an sich beißende Ungeheuer denken.<br />

Die Autobahn verlief zwischen saftig grünen Wiesen,<br />

durch die sich Bäche schlängelten, Felder und Waldstücke.<br />

Als ich den Förderturm einer Zeche, genau wie im Ruhrgebiet,<br />

entdeckte, glaubte ich meinen Augen nicht trauen zu<br />

können. Industrie, in dieser herrlichen Landschaft! Weiter<br />

hinten sah ich nun auch große Fabrikhallen, auf deren Dächern<br />

sich die Sonne spiegelte. Wir lieferten ja Rohmaterial,<br />

doch das hatte ich vergessen. Für mich war es ein Ausflug.<br />

Die E 40, Hauptverbindung zwischen Ost und West, war<br />

frei; die Stadt nicht. Timmy rutschte auf dem Sitz hin und<br />

her und sagte: „Hoffentlich können wir vor der Mittagspause<br />

abladen, damit wir nicht so viel Zeit verlieren.“ Kurz vor<br />

eins waren wir da. Timmy parkte am Straßenrand.<br />

„Hoffentlich ist der Lademeister nicht weg.“ Mit den<br />

Frachtpapieren in der Hand sprang er vom Wagen und verschwand<br />

im Pförtnerhaus. Ein Gabelstapler sirrte heran.<br />

Timmy hob die Plane an einer Stelle, und der Stapler schob<br />

seine Greifer unter eine Gitterbox von 85 x 125 cm, zog sie<br />

vor, fasste nach, setzte zurück und rumpelte mit ihr davon.<br />

Timmy kletterte zu mir in das Fahrerhaus. „War das schon<br />

alles?“, fragte ich. „Ja, die kriegen immer so Kleinzeug.“<br />

„Sah ja richtig mickerig aus gegen die Rohre und Bleche,<br />

die bei der anderen Firma abgeladen wurden.“<br />

Weiter ging’s nach Radebeul, vorbei an Fachwerkhäusern,<br />

umgeben von Blumengärten, Liguster- oder Hainbuchenhecken<br />

und einem Schild „Radfahrerparadies“. Ha!<br />

Rad fahren neben einem solchen Brummer? Was sollte da<br />

Paradiesisches dran sein? Und die Straßen aus Katzenkopfpflaster,<br />

stückweiser Teerdecke mit kreisrunden Löchern<br />

und tief liegenden Gullys. An der Kreuzung wurde die Straße<br />

enger statt breiter und durch spitzwinklige Einmündung<br />

schlecht einsehbar. „Das ist die Hauptstraße?“, fragte ich.<br />

Timmy nickte. Wir durften geradeaus weiter, doch an der<br />

nächsten Kreuzung mussten wir wegen Bauarbeiten links<br />

abbiegen und mit dem riesigen Lkw durch Altstadtgassen<br />

fahren. Wegen der gewölbten Straße neigte sich der Auflieger<br />

zur Seite und das Gestänge der Plane kratzte fast die<br />

Dachrinne eines Hauses. Über eine großzügig angelegte<br />

Zufahrt erreichten wir dann die Anlieferfirma, brauchten<br />

diesmal nicht auf das Abladen zu warten. Trotzdem war es<br />

aber für unseren nächsten Kunden schon sehr spät. Timmy<br />

rief dort an, gab durch, wo wir zurzeit standen und bat, dass<br />

man auf ihn warten möge.<br />

„Geschafft“, sagte Timmy erleichtert, als er sich wieder<br />

hinter sein Lenkrad setzte. „Nur noch Chemnitz.“ „Chemnitz?<br />

Warum hast du da nicht morgens abgeladen?“ „Öfter<br />

ist von hier was zu dem Werk dort mitzunehmen. Heute habe<br />

ich allerdings nichts bekommen.“ „Wenn du das gewusst hättest!“<br />

„Ich wäre genauso gefahren. Die Bleche für Chemnitz<br />

und das andere Material ließen sich nur so packen.“<br />

Wieder auf die E 40, aber Richtung Westen. Der Heimweg<br />

begann, obwohl wir noch bei einem Kunden anliefern<br />

mussten. „Hallo, Kollegen! Ich bin gerade Dresden-Altstadt<br />

aufgefahren. Wie sieht die E 40 Richtung Chemnitz aus?“<br />

„Oh Junge! Da hast du was vor dir. An der Großbaustelle<br />

Chemnitz-Nord haben sich auf der provisorischen Fahrspur<br />

zwei Personenwagen geküsst. Kein Blut, aber der Verkehr<br />

staut in alle Richtungen. Der Abschleppwagen steckt auch<br />

fest.“ „Dank dir und bleib sauber.“<br />

„Können wir da nicht drumrum?“ fragte ich. „Schlecht.<br />

Wenn wir ausfahren, müssen wir zu viel über Landstraßen<br />

und das dauert auch. Ich lasse mal den Funk eingeschaltet.<br />

Vielleicht erfahren wir was.“ Im Schneckentempo kamen<br />

wir voran, in Chemnitz war dadurch bereits Feierabendverkehr.<br />

Bergab auf eine Ampel zu, stehen – anfahren;<br />

stehen – anfahren. Bergauf genauso. Ich sorgte mich, dass<br />

die Bremsen unser Gewicht nicht halten könnten. Endlich<br />

erreichten wir uns Ziel. Timmy zog seinen Overal über und<br />

kletterte auf die Ladefläche. Ein Deckenkran rasselte heran,<br />

ließ seinen Haken herunter und nahm einige Bleche<br />

von der Ladefläche. Sie schaukelten beim Straffziehen der<br />

Drahseile und ich erwartete, dass sie fallen würden. Aber<br />

es passierte nichts. Langsam leerte sich der Laster. Timmy<br />

legte Kanthölzer und Spanngurte zusammen, schob das<br />

Verdeck zu und klemmte sich hinter sein Steuerrad. „So,<br />

jetzt geht’s nach Hause.“ „Bis du nicht müde?“ „Nein, ich<br />

bin richtig froh.“ Er log nicht. Man merkte ihm die Erleichterung<br />

an. Irgendwie hatte er Feierabend. „Und was ist<br />

36 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Leserseite<br />

mit deiner Fahr- und Pausenzeit?“ „Ich hatte doch Pause“,<br />

grinste er und fragte, „fahren wir denselben Weg aus der<br />

Stadt raus oder anders herum?“ „Wieso fragst du mich?<br />

Ich habe doch keine Ahnung.“ „Ich weiß, aber sag doch<br />

einfach was.“ „Möchtest du wie früher Pinnchen ziehen,<br />

wie rum wir fahren?“ Kurze Zeit später Stau. Blaulicht.<br />

Diesmal freuten wir uns über die Polizei. Sie sorgte an einer<br />

Kreuzung für fließenden Verkehr.<br />

Hinter dem Chemnitzer Dreieck schaltete Timmy Truckermusik<br />

ein und sang mit. Keine Terminfracht, kein Zeitdruck<br />

– nur Kapitän der Landstraße. Hobby: Autofahren!<br />

Ich kramte Schokolade, Erdnüsse und Saft aus dem Rucksack.<br />

Wir feierten eine Party!!!<br />

„Sieh mal die Lastwagenschlange“, sagte ich. Er hatte<br />

sie natürlich längst gesehen, antwortete: „Überholverbot für<br />

Lkws; vorn ist ein Langsamer.“ „Du könntest sie mit den 420<br />

PS gut am Berg überholen.“ „Natürlich. Ich schaffe leicht<br />

100 km/h. Mancher Pkw-Fahrer würde sich wundern.“ Ich<br />

hörte, wie gern er ein Rennen gefahren wäre. Vor uns Lastwagen,<br />

hinter uns Lastwagen, so krochen wir in der Schlange<br />

den Berg hinauf. „Oben veranstalten die Großen ein Wettrennen.“<br />

Timmy schüttelte den Kopf. „Da ist zwar kein Überholverbot,<br />

aber oft stehen da wegen der Geschwindigkeitsbegrenzung<br />

die grünweißen Abfangjäger.“<br />

„Hallo, ihr zwei!“, sagte eine Stimme im Lautsprecher.<br />

Pause. „Seid ihr sehr beschäftigt?“ Nach kurzer Zeit wieder.<br />

„Hallo! Rotweißer, bist du schwerhörig?“ „Der meint<br />

uns!“, sagte mein Sohn und griff nach der Sprechmuschel<br />

des Funkgerätes. „Ja? Was ist?“ „Du bist ja heute nicht<br />

allein?“ „Was dagegen?“ „Nein, aber was hälst du von Licht<br />

einschalten?“ Wir sahen uns an. „Hab ich gar nicht mitgekriegt,<br />

danke. Mach’s gut.“ „Mach’s besser.“<br />

Es wurde dunkel. Über den eingeschalteten Funk<br />

hörten wir gespenstische Stimmen, eine müde – und eine<br />

beschwörend. „Hör mal zu“, sagte mein Sohn und<br />

stellte lauter. „Was hast du denn?“, fragte eine dunkle<br />

Stimme. „Ich bin so müde. Ich kann nicht mehr.“ „Junge,<br />

fahr raus, mach Pause.“ „Ich habe Terminfracht.“ Die<br />

laute Frage: „Wo musst du denn noch hin?“ übertönte die<br />

Musik. „Nach Aachen?“ „Wie lange bist du denn schon<br />

unterwegs?“ „Dreißig Stunden.“ „Bist du verrückt! Fahr<br />

raus. Schlaf.“ „Neieiein, ich schaffe es schon.“ Ruhe!<br />

Dann wieder: „Hallo, Vero! Hallo, Vero! Wo bist du?“<br />

Ich konnte nicht mehr still sitzen. „Hör“, sagte Timmy.<br />

„Der Müde erklärt jemandem seinen Lkw. Er ist nicht<br />

allein.“ „Als wenn ich dein Auto fahren könnte.“ „Wenn<br />

es sein müsste, würdest du es bestimmt schaffen.“ Ich<br />

fühlte mich geschmeichelt. Energisch tönte es: „Hallo,<br />

Vero! Fahr aus! Nimm den Parkplatz bei km 252. Ich<br />

komme auch.“ „Die sind kurz vor uns“, sagte Timmy.<br />

Aber „Vero“ stand nicht auf dem nächsten Parkplatz, als<br />

wir vorbeifuhren.<br />

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durchblick 4/<strong>2008</strong> 37


Truckerglück: Manchmal findet man sogar noch freie Stellflächen auf einem Rastplatz.<br />

Foto: Hartmut Reeh<br />

„Vero, fahr nicht weiter“, sagte die dunkle Stimme.<br />

„Nimm den nächsten Parkplatz, mach Pause!“ Keine Antwort.<br />

„Vero! – Vero!“ „Jaaa? – Ich – fahre – gleich – raus.“<br />

„Gut! Komm, erzählt mir was bis dahin.“ „Der will den<br />

wach halten“, sagte Timmy.<br />

„Wenn ich mir vorstelle, wie lange du oft unterwegs bist<br />

und wenn mir dann das hier einfällt!“ „Ich mache Pause,<br />

wenn ich müde bin.“ „Ja, behauptest du jetzt. Wie oft hast<br />

du erzählt, dass du Schlangenlinien gefahren bist oder vor<br />

Müdigkeit die Abstände der Lampen nicht erkennen konntest?“<br />

„War immer halb so wild.“ Auf dieser Strecke liegen<br />

die Parkplätze nur wenige Kilometer auseinander, aber am<br />

nächsten Parkplatz hielten wir vergeblich Ausschau nach<br />

dem Vero-Wagen. Sollten wir ihn übersehen haben?<br />

„Vero!“ tönte es laut aus dem Lautsprecher. „Warum<br />

bist du nicht ausgefahren? Jetzt mach hinne. Raus mit dir.“<br />

Beim nächsten Parkplatz rief Timmy erleichtert: „Da steht<br />

er! Gut, dass der Kollege so drängelte. So was habe ich<br />

noch nicht erlebt.“ Die Lust auf Truckermusik war uns vergangen,<br />

doch der Topliner brummte gleichmäßig weiter.<br />

„Was ist denn da schon wieder los?“, fragte ich. „Hinter<br />

der Kurve ist bestimmt ein Unfall.“ „Wo siehst du<br />

eine Kurve?“ „Ich fahre die Strecke öfter“, strahlte Timmy<br />

mich an. Er fuhr langsam und ganz rechts auf den Stau<br />

zu. Von der für diesen Abschnitt zuständigen Funkstation<br />

kam die Durchsage. „Unfall von Pkw und Lkw. Eine Fahrbahn<br />

gesperrt, geringes Verkaufsaufkommen. Jung’s, fahrt<br />

aufmerksam und ganz rechts, damit der Abschleppwagen<br />

durch kann.“ Ein Kickser. „Der Laster hatte Seifenpulver<br />

geladen. Drückt die Daumen, dass es keinen Regen gibt,<br />

sonst werdet ihr eingeschäumt oder die Bahn wird wegen<br />

Rutschgefahr gesperrt.“ „Was hat die Durchsage da<br />

noch gesagt?“ „Schrott- und knitterfreien Flug.“„Wie viel<br />

Unfälle haben wir eigentlich gesehen?“ „Ich weiß nicht,<br />

jedenfalls eine Menge.“<br />

In weitem Bogen fuhren wir auf eine Autoschlange zu.<br />

Wieder ein Stau. „Aber sieht die Lichterkette nicht herrlich<br />

aus?“, sagte ich. „Die hellen Lichter sind Wachsperlen und<br />

die roten Rubine.“ Wir rollten nur. Pkws überholten. Ärgerlich<br />

blickten wir ihnen nach. „Die fädeln sich vorn rechts<br />

ein und daher geht es für uns nur langsam weiter.“ „Schließ<br />

doch jemand hinten die Lücke“, tönte es aus dem Laut-<br />

sprecher. Timmy zog links raus wie beim Überholen. Der<br />

Fahrer neben uns grinste und winkte. „Und jetzt?“, fragte<br />

ich. „Nichts. Es ist auch eigentlich verboten, aber ...“<br />

Ich seufzte, war durstig, müde und der Weg noch weit.<br />

„Schaffst du es noch bis zur Raststätte?“ Ich nickte. Einladend<br />

grüßten uns die Lichter der Raststätte Eisenach, ein<br />

Motel mit Panorama-Café, Brückenrestaurant, Truckerstube<br />

und Snack-Bar. Zwischen zwei Lastwagen fanden wir<br />

einen Parkplatz. Glück gehabt. Die großen Züge standen<br />

dicht an dicht mit zugezogenen Gardinen. Schlafenszeit!<br />

In der Truckerstube fühlte ich mich im Jogginganzug<br />

nicht wohl, stakste draußen ein paar Schritte. Timmy, das<br />

zusammengerollte Handtuch unter den Arm geklemmt,<br />

sagte beim Zurückkommen: „Eigentlich wollte ich mir nur<br />

die Hände waschen, habe dann aber doch kurz geduscht.<br />

Möchtest du was trinken?“ „Trinken ja, aber nicht hier sitzen.“<br />

Er kaufte ein paar Dosen Cola, Zigaretten und eine<br />

Schildkröte aus Plüsch. Die Schildkröte sollte ich seiner<br />

Nichte als Mitbringsel von ihm geben. Im Lkw zog Timmy<br />

trockene Wäsche an, trank Cola, steckte eine Zigarette an<br />

und inhalierte. „Jetzt geht es mir besser.“<br />

Die Scheinwerfer des Topliners beleuchteten für uns<br />

die Straße und gleichmäßig summten Motor und Räder.<br />

Wie auf dem Hinweg kamen uns auf der Gegenbahn geschmückte<br />

Laster entgegen. Neben mir klickte immer<br />

wieder das Feuerzeug. „Hallo, Kollegen! Wie sieht es am<br />

Kreuz Dortmund-Unna aus?“ „Alles frei“, kam die Antwort,<br />

„halte dich aufrecht.“<br />

Timmy unterdrückte ein Gähnen und sah mich an. „Wir<br />

haben es gleich geschafft.“ „Ja, ich bin gleich da, aber du?!“<br />

„Ich brauche auch nicht viel weiter.“<br />

Timmy parkte an der Haltestelle, denn um 1.15 Uhr fährt<br />

kein Linienbus. Er brachte mich in die Wohnung, trank<br />

Sprudel, drückte mich und ging. Vom Fenster sah ich ihm<br />

nach, beobachtete, wie er in den Lkw stieg, einmal alle<br />

Lichter für mich aufleuchten ließ und abfuhr.<br />

Lange starrte ich in die Dunkelheit. Ich wusste, er ist<br />

müde und fährt, würde noch bis zu seiner Firma fahren und<br />

sich dort zum Schlafen wieder vors Tor stellen.<br />

Bisher kannte ich die Sorgen des Fernfahrers nur vom<br />

Erzählen. Doch jetzt! Die Angst um meinen Sohn war wesentlich<br />

größer als vor dieser Fahrt.•<br />

38 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Die erste Kunstausstellung im Kulturbahnhof Kreuztal<br />

ist beim Publikum auf so große Resonanz gestoßen, dass<br />

sie um einen Monat verlängert wird. Wie viel Spaß die Besucher<br />

an der Kunstschau haben, belegen die zahlreichen<br />

Einträge ins Gästebuch. In Zukunft werden im Rahmen<br />

des Ausstellungskonzeptes „Szenenwechsel“ jährlich bis<br />

zu vier Ausstellungen von regionalen und überregionalen<br />

Künstlern präsentiert werden. So werden ab 07. November<br />

<strong>2008</strong> Werke von Annette Besgen unter dem Ausstellungstitel:<br />

IM VORBEI präsentiert.<br />

Kultur im Norden<br />

Kunstausstellung<br />

Ulrich Langenbach und Annette Besgen haben bereits<br />

Anfang des Jahres ihre Ateliers im renovierten Bahnhof bezogen.<br />

Beide gehören zu den renommiertesten Siegerländer<br />

Künstlern. Aber auch weit über die Grenzen unserer Region<br />

hinaus finden ihre Arbeiten Anerkennung.<br />

Annette Besgen absolvierte von 1977 bis 1984 ein<br />

Kunststudium in Siegen mit dem Schwerpunkt Malerei.<br />

1995 erhielt sie das Paris –Stipendium der Bundesrepublik<br />

und des Landes NRW. Mehrer Arbeitsaufenthalte in New<br />

York, Omaha und Rom folgten bis zum Jahr 20<strong>04</strong>. Die<br />

Künstlerin hält ihre Motive zunächst fotografisch fest, nutzt<br />

die Kamera wie in vergangenen Zeiten der Künstler den<br />

Skizzenblock. Es entstehen keine fotorealistischen Bilder,<br />

sondern eigenständige Bildwelten in vielen Formaten, für<br />

die die Faszination von Licht und Schatten von entscheidender<br />

Bedeutung ist.<br />

Ulrich Langenbach hingegen beschäftigt sich mit Installationen,<br />

Malerei, Zeichnungen, Fotos, Musik, Texten<br />

und auch Büchern. Er erhielt 1993 den Ida-Gerhardi-Preis<br />

der Stadt Lüdenscheid und zwei Jahre später ein Arbeitsstipendium<br />

des Kunstfonds Bonn. Er erfüllte Lehraufträge<br />

und Gastprofessuren an verschiedenen Universitäten. Seine<br />

fotografierten und gezeichneten Geschichten bestechen<br />

durch die Genauigkeit des Ungesagten und die Trivialität<br />

des Gesagten.<br />

Holger Glasmachers<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 39


Seltsame Regeln<br />

Ein Buchstabe in jedem Wort passt nicht und muss<br />

ausgetauscht werden – dann weiß jeder, welche Regeln<br />

für alle Besucher des Parks gelten!<br />

Beispiel: Rekeln = Regeln<br />

Trainiert werden Wortfindung und Konzentration.<br />

Gedächtnistraining<br />

Futter fürs Gehirn<br />

Tiere gesucht<br />

Welche Tiere sind hier einzusetzen, damit sinnvolle<br />

Wörter entstehen?<br />

Trainiert wird Denkflexibilität.<br />

Die Buchstaben in den Kästchen ergeben einen Begriff, der den<br />

verantwortlichen Umgang mit unserer Tierwelt beschreibt.<br />

__ __ __ __ __ __ __ __ __ __<br />

40 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Gedächtnistraining<br />

Logisches Denken: Tier-Master-Mind<br />

Es werden Tiere oder Fachbegriffe aus der Tierwelt mit<br />

einer jeweils vorgegebenen Anzahl von Buchstaben gesucht.<br />

Um herauszufinden, welche Buchstaben jeweils gebraucht<br />

werden, muss man das folgende Schema anwenden:<br />

Die Ziffer im grau unterlegten Feld nennt die Anzahl<br />

der Buchstaben, die auf dem richtigen Platz stehen.<br />

Die Ziffer im weißen Feld nennt die Anzahl der<br />

Buchstaben, die im gesuchten Wort vorkommen, aber<br />

nicht auf dem richtigen Platz stehen.<br />

Beispiel:<br />

Alle 5 Buchstaben kommen vor,<br />

suche die richtige Reihenfolge<br />

3 Buchstaben stehen auf dem richtigen<br />

Feld, das können nur GER sein<br />

4 Buchstaben stehen richtig, das<br />

können nur TI und ER sein<br />

Aufgabe 2<br />

Aufgabe 1<br />

Alten- und<br />

Pflegeheime<br />

Diakonische Altenhilfe<br />

Siegerland<br />

Haus Höhwäldchen<br />

Höhwäldchen 3<br />

57234 Wilnsdorf<br />

(0 27 39) 4 78 - 0<br />

Vermittlung von<br />

Seniorenwohnungen<br />

u. Service-Wohnen<br />

ganzjährig 12<br />

Kurzzeitpflegeplätze<br />

2 Seniorenwohnungen<br />

Altenzentrum Freudenberg<br />

Lagemannstr. 24<br />

51 Seniorenwohnungen<br />

57258 Freudenberg<br />

(0 27 34) 2 77 - 0<br />

Aufgabe 3<br />

Fliedner-Heim<br />

Luisenstr. 15<br />

57076 Siegen<br />

(02 71) 48 84 - 0<br />

Sophienheim<br />

Südstr. 11<br />

57074 Siegen<br />

(02 71) 66 03 - 0<br />

Seniorenresidenz<br />

Känerbergstr.<br />

26 Wohnungen<br />

24 Seniorenwohnungen<br />

Aufgabe 4<br />

Haus Obere Hengsbach<br />

Hengsbachstr. 156 12 Plätze für an<br />

57080 Siegen<br />

Demenz erkrankte<br />

BewohnerInnen<br />

(02 71) 77 0 19 - 0<br />

Aufgabe 5<br />

Alle Übungen gefunden<br />

beim Bundesverband<br />

Gedächtnistraining e.V.<br />

www.bvgt.de, zusammengestellt<br />

von<br />

Barbara Kerkhoff<br />

Diakonische Altenhilfe<br />

Siegerland<br />

Weitere Informationen im Internet unter<br />

www.diakonie-suedwestfalen.de<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 41


Diese Seiten stehen dem Seniorenbeirat der Stadt Siegen zur Verfügung. Die Redaktion des „durchblick“ hat keinen Einfl uss auf die Auswahl der Beiträge.<br />

Aus dem Seniorenbeirat<br />

Das Interview<br />

Letzte Ausfahrt Heim<br />

Die Zwischenstationen sind (nach-) gefragt<br />

Dr. Wolfgang Bauch berät mit Kopf, Herz und Hand.<br />

Dr. Horst Bach, Pressesprecher des Seniorenbeirates.<br />

befragt den Leiter des Arbeitskreises 3, Dr. med. Wolfgang<br />

Bauch, zum Thema „Leben und Wohnen im Alter“<br />

Was ist die ideale Lebenssituation im Alter?<br />

Die ideale Lebenssituation im Alter ist, dass beide Lebenspartner<br />

körperlich und geistig gesund sind und ihr Leben<br />

in allen Situationen gemeinsam planen und verwirklichen.<br />

Wenn ein Partner kränkelt, springt der andere ein, bis der<br />

vorherige Zustand wieder erreicht ist. Wenn aber einer der<br />

Partner dauerhaft durch Krankheit und Pflegebedürftigkeit<br />

ausfällt, übernimmt der andere sämtliche Funktionen, auch<br />

die bisher ungewohnten und wesensfremden, und führt den<br />

Haushalt allein weiter nach seinen selbstbestimmten Kriterien.<br />

In schwierigen Situationen kann er dann auf die Hilfe<br />

der Familie zurückgreifen.<br />

Was geschieht, wenn sich der Pflegebedarf erhöht?<br />

Um bei erhöhtem Pflegebedarf wunschgemäß noch in<br />

der eigenen Wohnung verbleiben zu können, gibt es die<br />

Möglichkeiten der Wohnungsanpassung und Umgestaltung<br />

wie z.B. Vermietung einzelner Räume an Helfende (Projekt<br />

Hilfe für Wohnen). Es bestehen viele Möglichkeiten,<br />

die häusliche Pflege verantwortungsbewusst und fachlich<br />

korrekt durchzuführen. Eine barrierefreie und angepasste<br />

Wohnung kann bei körperlicher Einschränkung den Umzug<br />

in ein Pflegeheim verhindern und die Selbstständigkeit<br />

erhalten.<br />

Welches sind die Kriterien für eine altersgerechte Wohnung?<br />

Antwort: Wohnungsanpassung oder barrierefreier<br />

Umbau werden durch staatliche Hilfen gefördert. Das<br />

Prinzip der Barrierefreiheit ist nicht hauptsächlich auf<br />

Foto: Dr. Horst Bach<br />

die Zielgruppe von behinderten Menschen gerichtet.<br />

Gutachten stellen immer wieder heraus,<br />

dass die Herstellung von Barrierefreiheit im Interesse<br />

aller Menschen und nicht einer bestimmten<br />

Personengruppe mit besonderen Anforderungen<br />

erfolgt. So ist bekannt, dass eine barrierefrei zugängliche<br />

Umwelt für etwa 10 % der Behinderten<br />

zwingend notwendig ist, für etwa 20–40 %<br />

notwendig und für 100 % komfortabel und wünschenswert.<br />

Kann gemeinschaftliches Wohnen gegen Krankheit<br />

und Pflegebedürftigkeit vorbeugen?<br />

Antwort: Diesen gemeinschaftlichen Wohnprojekten<br />

liegt die Idee zugrunde, ein selbstbestimmtes Leben<br />

und Wohnen in einer Gemeinschaft zu haben. Es ist<br />

eine innovative Wohnform, eine Alternative zum Alleinsein<br />

oder zum Leben in einem Pflegeheim. Der Idealtyp des gemeinschaftlichen<br />

Wohnens im Alter ist die selbst geplante<br />

und verwaltete Wohn- oder Hausgemeinschaft mit einer<br />

überschaubaren Anzahl älterer Menschen. Das aktive Gemeinschaftsleben<br />

beugt vor gegen Vereinzelung, gegen Depressionen<br />

und gegen Demenz, denn Einsamkeit ist ein wesentlicher<br />

Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz.<br />

Wohnung teilen und Wohnung gegen Hilfe, was sagen Sie<br />

zu diesen Konzepten?<br />

Es leben immer mehr ältere Menschen in zu groß gewordenen<br />

Wohnungen oder Häusern, die sie aber nicht<br />

aufgeben möchten. Viele vermissen das gute Gefühl, dass<br />

außer ihnen noch jemand im Hause ist oder wünschen sich<br />

einfach mehr Gesellschaft und Leben um sich herum. Der<br />

Gedanke war, dass ältere hilfebedürftige Menschen einen<br />

Wohnraum zur Verfügung stellen und dafür im Alltag von<br />

jungen Menschen unterstützt werden. Bisherige Erfahrungen<br />

haben gezeigt, dass das Modell dann funktioniert,<br />

wenn beide Beteiligten ein ehrliches Interesse an der Wohnpartnerschaft<br />

haben, wenn die Angehörigen in die Entscheidung<br />

mit einbezogen werden, die Wohnpartnerschaften<br />

sorgfältig ausgewählt und begleitet werden, Beratung durch<br />

Fachkräfte erfolgt, die Erwartungen beider Beteiligten im<br />

Vorfelde geklärt und die Bedingungen klar definiert und<br />

schriftlich festgelegt wurden.<br />

Wie funktionieren ambulant betreute Wohngruppen?<br />

Antwort: Das Grundkonzept ambulant betreuter Wohngruppen<br />

ist es, dass ungefähr 6 bis 12 Hilfe- und Pflegebe-<br />

42 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Verantwortlich für deren Inhalt ist nach dem Presserecht Dr. Horst Bach, der Pressesprecher des Seniorenbeirats der Stadt Siegen.<br />

Aus dem Seniorenbeirat<br />

dürftige in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben<br />

und von Betreuungskräften unterstützt werden. Es gibt<br />

zwei Wohnbereiche, private Räume und gemeinschaftlich<br />

genutzte Räume. Jeder Bewohner hat sein privat genutztes<br />

Wohn/Schlafzimmer von etwa 30 qm, das er nach eigenem<br />

Geschmack einrichtet und gestaltet. Gemeinsam werden<br />

ein großes Wohnzimmer – Mindestgröße 30 qm –, ein<br />

Speiseraum, die Küche und das Bad benutzt. Eine Betreuungskraft<br />

begleitet die Bewohner tagsüber, gegebenenfalls<br />

auch nachts. Diese Begleitperson ist zuständig für die Organisation<br />

des Haushaltes und des Gruppenzusammenlebens.<br />

Das ambulant betreute Wohnen soll eine Alltagsvertrautheit<br />

und individuelle Lebensgestaltung ermöglichen,<br />

die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung so weit wie<br />

möglich auch bei schwerer Hilfe- und Pflegebedürftigkeit<br />

erhalten und eine Versorgungssicherheit und Wohlbefinden<br />

gewährleisten.<br />

Betreutes Wohnen – Können Sie kurz diese Wohnform<br />

erläutern?<br />

Die Grundidee des betreuten Wohnens ist es, selbstständig<br />

in der eigenen Wohnung zu leben und bei Bedarf<br />

schnell und zuverlässig so viel Hilfe in Anspruch nehmen<br />

zu können, wie es nötig ist. Betreute Wohnungen sind in<br />

der Regel barrierefrei, altersgerecht ausgestattet und in eine<br />

Wohnanlage integriert, deren Architektur die Kontakte der<br />

Bewohner untereinander fördert. Abrufbare Serviceleistungen<br />

wie Pflege- und Reinigungsdienste, medizinische<br />

Versorgung sowie Gemeinschaftseinrichtungen gehören<br />

zum Angebot. Über eine Hausnotrufanlage kann Hilfe angefordert<br />

werden, wenn es nötig sein sollte.<br />

Wann lohnt sich ein solcher Umzug?<br />

Der Umzug in ein betreutes Wohnen lohnt sich dann,<br />

wenn die Lage und Ausstattung der neuen Wohnung plus<br />

die angebotenen Betreuungs- und Serviceleistungen eine<br />

deutliche Verbesserung gegenüber der bisherigen Wohnund<br />

Lebenssituation darstellen. Man muss sich über die<br />

eigenen Wünsche und Vorstellungen im Klaren sein und<br />

seine Ansprüche mit dem tatsächlichen Angebot messen.<br />

Dennoch ist der Umzug in ein Pflegeheim oft unumgänglich.<br />

Nennen Sie die Vorteile einer solchen Maßnahme.<br />

Für viele ältere Menschen kann die Vollversorgung in einem<br />

Heim trotz der Unterstützung durch die Angehörigen und professioneller<br />

anderer Hilfen große Erleichterung bedeuten. Sie sind<br />

von ihrer täglichen Sorge befreit, wie sie allein zurechtkommen<br />

sollen und wer ihnen dabei hilft. Medizinische Betreuung und<br />

pflegerische Unterstützung sind Tag und Nacht gewährleistet,<br />

es bestehen Kontaktmöglichkeiten und Freizeitangebote. Man<br />

sollte das Beste aus der schwierigen Situation machen, auch<br />

wenn der Umzug nicht immer aus freien Stücken erfolgt.<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 43


Verantwortlich für deren Inhalt dieser Seite ist nach dem Presserecht Dr. Horst Bach, der Pressesprecher des Seniorenbeirats der Stadt Siegen.<br />

Aus dem Seniorenbeirat<br />

Das erste Jahr<br />

Foto: Sabine Völkel<br />

Bernd Alberts, Vorsitzender des<br />

Siegener Seniorenbeirats<br />

Eine Bestandsaufnahme<br />

des ersten Jahres<br />

intensiver Arbeit für die<br />

älteren Mitbürger stand<br />

auf der Tagesordnung<br />

der neunten Sitzung<br />

des Siegener Seniorenbeirats.<br />

Wie groß das<br />

Interesse der Entscheidungsträger<br />

des Kreises<br />

Siegen-Wittgenstein<br />

und der Stadt Siegen an<br />

der Arbeit des bei einer<br />

Wahlbeteiligung von<br />

nahezu 40 % mit hoher<br />

Legitimation der Bevölkerung<br />

ausgestatteten<br />

Gremiums ist, machten<br />

die Gäste deutlich, die Beiratsvorsitzender Bernd Alberts<br />

begrüßen konnte. Neben Fachbereichsleiter Horst Fischer<br />

und der neuen Sozialdezernentin Brigitta Radermacher<br />

von der Stadt Siegen war erstmals auch Helmut Kneppe,<br />

der Sozialdezernent des Kreises Siegen-Wittgenstein, zu<br />

einer Sitzung des Siegener Seniorenbeirats erschienen.<br />

Und was die Gäste aus dem Munde der Arbeitskreissprecher,<br />

Bezirksvorsitzenden und Ausschussmitglieder der<br />

Seniorenvertretung zu hören bekamen, war in der Tat bemerkenswert.<br />

Den ausführlichsten Jahresrückblick hatte Günter Heinbach,<br />

der Sprecher des Arbeitskreises „Bauen und Wohnen“,<br />

zusammengestellt. Das Beiratsmitglied aus Obersetzen<br />

machte eindrucksvoll deutlich, wie intensiv die Anregungen<br />

des Seniorenbeirates im Hinblick auf altengerechten Wohnungsbau<br />

in die kommunalpolitischen Gremien Eingang gefunden<br />

haben. Auch Dr. Wolfgang Bauch, für die Bereiche<br />

soziale Infrastruktur, Heime und Pflege zuständig, konnte<br />

deutlich machen, mit welch großer Akzeptanz die Pflegeeinrichtungen<br />

der Seniorenbeiratsarbeit gegenüberstehen. In<br />

drei ganz unterschiedlich strukturierten Alteneinrichtungen<br />

konnten die Mitglieder des Arbeitskreises wichtige und<br />

durchweg positive Erfahrungen machen. Für den Bereich<br />

Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen konnten Ernst<br />

Göckus auf die eintägige Präsentation in der City-Galerie,<br />

die Mitarbeit beim Siegener „Tag der Begegnung“ sowie<br />

die erfolgreiche Kooperation mit dem Apollo-Theater verweisen.<br />

Die Einrichtung eines nachmittäglichen Neujahrskonzertes<br />

für Senioren und die damit verbundenen ermäßigten<br />

Eintrittspreise für Bedürftige sowie die Fortführung<br />

des Theatertaxis sind in der Tat Erfolge einer zielgerichteten<br />

Seniorenarbeit, die man vor einem Jahr kaum erwarten konnte.<br />

Wie man im Alter durch Sport und Bewegung gesund<br />

bleiben kann, machte Arbeitskreissprecher Heinz Rösner an<br />

den zahlreichen Wanderungen und Radfahrtouren deutlich,<br />

die inzwischen einen festen Platz im Veranstaltungskalender<br />

des Siegener Seniorenbeirats gefunden haben.<br />

Um die Sicherheit und Mobiliät der Siegener Senioren<br />

ist seit vielen Jahren mit großem Engagement der stellv.<br />

Beiratsvorsitzende Helmut Plate tätig. Insbesondere im<br />

Hinblick auf eine Verbesserung des Aufzugs am Weidenauer<br />

Bahnhof sowie des maroden Kofferbandes am Siegener<br />

Hauptbahnhof will der agile Seelbacher Seniorenvertreter<br />

nicht lockerlassen. Astrid E.Schneider, die Leiterin der<br />

Regiestelle Leben im Alter bei der Stadt Siegen, erläuterte<br />

die umfangreichen Planungen für die 2. Siegener Seniorenmesse,<br />

während Kreis-Sozialdezernent Helmut Kneppe die<br />

aktuelle Situation der Pflegeeinrichtungen auf Kreiebene<br />

darstellte. Eine würdevolle und liebevolle Pflege bei angemessener<br />

Einbeziehung des ehrenamtlichen Engagements<br />

sind für den erfahrenen Sozialpolitiker nach eigenen Worten<br />

wichtiger als angeblich pflichtbewusste Angebote von<br />

Billiganbietern im Pflegebereich.<br />

Zum Abschluss der gut dreistündigen Veranstaltung<br />

wurde auf Vorschlag der neuen Dezernentin Brigitta Radermacher<br />

eine Neustrukturierung der künftigen Abläufe<br />

der Seniorenbeiratssitzungen beschlossen, zu denen zeitnah<br />

für die Bevölkerung auch wieder aktuelle Fachvorträge von<br />

seniorenrelevantem Interesse angeboten werden sollen.<br />

Dr. Horst Bach<br />

Festtagszeit<br />

von Helga Düringer<br />

Wenn im Advent ein Lichtlein brennt,<br />

das alte Jahr – es rennt und rennt,<br />

dann ist es wieder mal so weit,<br />

Lichterglanz zur Weihnachtszeit.<br />

Tannenbäume reich geschmückt,<br />

voll Kugeln, Glanz und Glimmer,<br />

der Weihnachtsmarkt hat uns entzückt<br />

mit Mandelduft und Kerzenschimmer.<br />

Von fern hört man ein Glöckchen klingen,<br />

Kinder Weihnachtslieder singen,<br />

das Christkind scheint schon eingetroffen,<br />

denn alle auf Geschenke hoffen.<br />

Jeden hat es wohl bedacht,<br />

die Frohe Botschaft überbracht;<br />

Mistelzweig und Engelhaar<br />

begleiten uns ins neue Jahr.<br />

44 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Fahrbarer Mittagstisch<br />

Siegener Werkstätten, Weiherdamm 3, 57250 Netphen<br />

Montags - freitags frisch zubereitete Speisen bis zu 4 Wochen im Voraus bestellbar.<br />

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Lassen Sie sich<br />

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Wenn ...<br />

· das Herz stolpert<br />

· die Beine streiken<br />

· der Zucker entgleist<br />

· der Blutdruck schwankt<br />

· die Knochen schmerzen<br />

· das Gedächtnis nachlässt<br />

· das Gewicht zur Last wird<br />

Wir begleiten Sie fachärztlich und hausärztlich,<br />

damit die Richtung wieder stimmt.<br />

Medizinisches Versorgungs-Zentrum<br />

Herz–Gefäße–Diabetes<br />

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Telefon 0271/23652712 · Siegen, Pfarrstraße 2–4<br />

www.kardio-angio.de


Friedhof: Stätte der Begegnung und der Trauer<br />

Bestattungsformen wandeln sich<br />

Wenn ein Mensch stirbt, so sind dessen Angehörige,<br />

Verwandte und Freunde zunächst sehr betroffen. Das gilt<br />

umso mehr, wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen<br />

jungen Menschen handelt. Eine Welt zerbricht und die<br />

nächsten Angehörigen verfügen am wenigsten über einen<br />

klaren Kopf um wichtige Entscheidungen zu treffen. Um<br />

solchen Situationen vorzubeugen, schließen manche Menschen<br />

schon zu Lebzeiten ein individuelles Leistungs- und<br />

Vorsorgepaket ab. Die Hinterbliebenen müssen dann nur<br />

noch das Unternehmen über den Todesfall informieren.<br />

Ein Sache, die ansteht, ist die Frage der Grabstätte.<br />

Friedhöfe als Stätten der letzten Ruhe sind Orte der Trauer<br />

und Stille, aber auch der Hoffnung. Im Friedhofswegweiser<br />

der Stadt Siegen werden sie sogar als Orte des Lebens und<br />

der Begegnung bezeichnet: „Viele Menschen schätzen insbesondere<br />

aufgrund des alten Baumbestandes die Siegener<br />

Friedhöfe als grüne Erholungsräume …“ Es vollziehen sich<br />

Begegnungen zwischen Trauernden und Spaziergängern.<br />

Auch ein Teil der Stadtgeschichte wird auf den Stadtteilfriedhöfen<br />

lebendig.<br />

Der Seniorenbeirat unserer Stadt hat sich im März dieses<br />

Jahres in einer seiner Sitzungen mit dem Thema „Sterbefall<br />

– was ist zu tun?“ beschäftigt. Mitarbeiter der städtischen<br />

Friedhofsverwaltung informierten zu den Siegener Friedhöfen<br />

sowie den Kosten und Gebühren für den Trauer- und Bestattungsfall.<br />

Auch wurde über die neuesten Entwicklungen<br />

informiert. So ist die Zahl der Urnenbeisetzungen erneut<br />

gestiegen und machte im vergangenen Jahr 59 % der Bestattungen<br />

im Siegener Stadtgebiet aus. Auch der demogra-<br />

Gesellschaft<br />

Andachtsplatz in dem Friedhofswald am Hermelsbacher Friedhof<br />

fische Wandel macht sich bemerkbar.<br />

Da die Kinder oft wegziehen, können<br />

sie sich nicht mehr um die Grabpflege<br />

kümmern. Das hat zur Folge, dass die<br />

Nachfrage nach Familiengräbern abnimmt,<br />

dafür aber die Erdbestattung in<br />

Reihengräbern zugenommen hat. Auch<br />

Rasengräber werden immer beliebter,<br />

eine anonyme Bestattung ist nur auf<br />

dem Lindenbergfriedhof möglich.<br />

Eine relativ neue Möglichkeit ist der<br />

Platz unter Bäumen: ein Friedhofswald,<br />

manchmal auch Friedwald genannt. So<br />

gibt es in Siegen seit 2007 diese Bestattungsmöglichkeit<br />

in einem Wald<br />

oberhalb des Hermelsbacher Friedhofs.<br />

Der Friedhofswald liegt in einem alten<br />

Rotbuchenbestand mit einigen Eichen<br />

und Kirschbäumen und stellt von seiner<br />

Lage her eine Oase der Ruhe dar.<br />

Wesentlich für den Friedhofswald ist,<br />

dass er einen pietätvollen Ort der Stille<br />

für Bestattungen anbietet. Im Siegener<br />

Friedhofswald wird ein Andachtsplatz freigehalten, auf<br />

dem ein Holzkreuz als christliches Symbol steht.<br />

Die neuartige Bestattungsform, ursprünglich eine Idee<br />

aus der Schweiz, spricht hierzulande immer mehr Menschen<br />

jeden Alters an. So können sich einer neueren Umfrage<br />

zufolge 57 % der Bevölkerung vorstellen, außerhalb<br />

eines herkömmlichen Friedhofs beigesetzt zu werden. Die<br />

Demoskopen folgern daraus: „Dieses Ergebnis zeigt deutlich,<br />

dass einer der traditionsreichsten Bereiche menschlichen<br />

Lebens hinsichtlich der Rituale und Wertvorstellungen<br />

in starkem Umbruch begriffen ist.“ Ein Kriterium sich<br />

für eine solche Beerdigungsform zu entscheiden ist auch,<br />

dass man ein Grab nicht pflegen kann oder möchte – diese<br />

Aufgabe übernimmt hier die Natur. Auch die Kosten spielen<br />

eine Rolle: Eine Baumbestattung kann deutlich preiswerter<br />

ausfallen als ein klassisches Begräbnis. So spricht eine Befragte<br />

aus, was heute offensichtlich viele denken: „Ich halte<br />

die klassische Grabpflege für wenig zeitgemäß. Und wird<br />

sie nicht häufig weniger im Andenken an einen Verstorbenen<br />

als vielmehr zur Zufriedenheit anderer Grabbesucher<br />

betrieben? Eine Grabstätte im Wald, ruhen am Fuß eines<br />

Baumes, über die Asche wieder in die Natur eintreten – das<br />

gefiel uns viel besser.“<br />

Oft wird gesagt, der Friedhof sei ein Ort für Tote, doch<br />

für die Hinterbliebenen spielt er ebenfalls eine erhebliche<br />

Rolle. Am Grab hat der Trauernde die Möglichkeit seinem<br />

Schmerz durch aufwendige Grabpflege Ausdruck zu verleihen.<br />

Dabei muss er sich jedoch an gewisse Vorschriften<br />

halten, die in den Friedhofssatzungen festgelegt sind. Das<br />

46 durchblick 4/<strong>2008</strong><br />

Foto: Grünflächenamt der Stadt Siegen


Friedhof: Stätte der Begegnung und der Trauer<br />

Bestattungsformen wandeln sich<br />

Wenn ein Mensch stirbt, so sind dessen Angehörige,<br />

Verwandte und Freunde zunächst sehr betroffen. Das gilt<br />

umso mehr, wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen<br />

jungen Menschen handelt. Eine Welt zerbricht und die<br />

nächsten Angehörigen verfügen am wenigsten über einen<br />

klaren Kopf um wichtige Entscheidungen zu treffen. Um<br />

solchen Situationen vorzubeugen, schließen manche Menschen<br />

schon zu Lebzeiten ein individuelles Leistungs- und<br />

Vorsorgepaket ab. Die Hinterbliebenen müssen dann nur<br />

noch das Unternehmen über den Todesfall informieren.<br />

Ein Sache, die ansteht, ist die Frage der Grabstätte.<br />

Friedhöfe als Stätten der letzten Ruhe sind Orte der Trauer<br />

und Stille, aber auch der Hoffnung. Im Friedhofswegweiser<br />

der Stadt Siegen werden sie sogar als Orte des Lebens und<br />

der Begegnung bezeichnet: „Viele Menschen schätzen insbesondere<br />

aufgrund des alten Baumbestandes die Siegener<br />

Friedhöfe als grüne Erholungsräume …“ Es vollziehen sich<br />

Begegnungen zwischen Trauernden und Spaziergängern.<br />

Auch ein Teil der Stadtgeschichte wird auf den Stadtteilfriedhöfen<br />

lebendig.<br />

Der Seniorenbeirat unserer Stadt hat sich im März dieses<br />

Jahres in einer seiner Sitzungen mit dem Thema „Sterbefall<br />

– was ist zu tun?“ beschäftigt. Mitarbeiter der städtischen<br />

Friedhofsverwaltung informierten zu den Siegener Friedhöfen<br />

sowie den Kosten und Gebühren für den Trauer- und Bestattungsfall.<br />

Auch wurde über die neuesten Entwicklungen<br />

informiert. So ist die Zahl der Urnenbeisetzungen erneut<br />

gestiegen und machte im vergangenen Jahr 59 % der Bestattungen<br />

im Siegener Stadtgebiet aus. Auch der demogra-<br />

Gesellschaft<br />

Andachtsplatz in dem Friedhofswald am Hermelsbacher Friedhof<br />

fische Wandel macht sich bemerkbar.<br />

Da die Kinder oft wegziehen, können<br />

sie sich nicht mehr um die Grabpflege<br />

kümmern. Das hat zur Folge, dass die<br />

Nachfrage nach Familiengräbern abnimmt,<br />

dafür aber die Erdbestattung in<br />

Reihengräbern zugenommen hat. Auch<br />

Rasengräber werden immer beliebter,<br />

eine anonyme Bestattung ist nur auf<br />

dem Lindenbergfriedhof möglich.<br />

Eine relativ neue Möglichkeit ist der<br />

Platz unter Bäumen: ein Friedhofswald,<br />

manchmal auch Friedwald genannt. So<br />

gibt es in Siegen seit 2007 diese Bestattungsmöglichkeit<br />

in einem Wald<br />

oberhalb des Hermelsbacher Friedhofs.<br />

Der Friedhofswald liegt in einem alten<br />

Rotbuchenbestand mit einigen Eichen<br />

und Kirschbäumen und stellt von seiner<br />

Lage her eine Oase der Ruhe dar.<br />

Wesentlich für den Friedhofswald ist,<br />

dass er einen pietätvollen Ort der Stille<br />

für Bestattungen anbietet. Im Siegener<br />

Friedhofswald wird ein Andachtsplatz freigehalten, auf<br />

dem ein Holzkreuz als christliches Symbol steht.<br />

Die neuartige Bestattungsform, ursprünglich eine Idee<br />

aus der Schweiz, spricht hierzulande immer mehr Menschen<br />

jeden Alters an. So können sich einer neueren Umfrage<br />

zufolge 57 % der Bevölkerung vorstellen, außerhalb<br />

eines herkömmlichen Friedhofs beigesetzt zu werden. Die<br />

Demoskopen folgern daraus: „Dieses Ergebnis zeigt deutlich,<br />

dass einer der traditionsreichsten Bereiche menschlichen<br />

Lebens hinsichtlich der Rituale und Wertvorstellungen<br />

in starkem Umbruch begriffen ist.“ Ein Kriterium sich<br />

für eine solche Beerdigungsform zu entscheiden ist auch,<br />

dass man ein Grab nicht pflegen kann oder möchte – diese<br />

Aufgabe übernimmt hier die Natur. Auch die Kosten spielen<br />

eine Rolle: Eine Baumbestattung kann deutlich preiswerter<br />

ausfallen als ein klassisches Begräbnis. So spricht eine Befragte<br />

aus, was heute offensichtlich viele denken: „Ich halte<br />

die klassische Grabpflege für wenig zeitgemäß. Und wird<br />

sie nicht häufig weniger im Andenken an einen Verstorbenen<br />

als vielmehr zur Zufriedenheit anderer Grabbesucher<br />

betrieben? Eine Grabstätte im Wald, ruhen am Fuß eines<br />

Baumes, über die Asche wieder in die Natur eintreten – das<br />

gefiel uns viel besser.“<br />

Oft wird gesagt, der Friedhof sei ein Ort für Tote, doch<br />

für die Hinterbliebenen spielt er ebenfalls eine erhebliche<br />

Rolle. Am Grab hat der Trauernde die Möglichkeit seinem<br />

Schmerz durch aufwendige Grabpflege Ausdruck zu verleihen.<br />

Dabei muss er sich jedoch an gewisse Vorschriften<br />

halten, die in den Friedhofssatzungen festgelegt sind. Das<br />

46 durchblick 4/<strong>2008</strong><br />

Foto: Grünflächenamt der Stadt Siegen


Gesellschaft<br />

Recht der Toten auf Ruhe und die Trauer der Angehörigen<br />

stehen dabei im Mittelpunkt. Pressemitteilungen konnte<br />

man entnehmen, dass es über die Gestaltung, besonders die<br />

Anfertigung des Grabsteines, in letzter Zeit immer mal wieder<br />

Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen und den<br />

Friedhofsverwaltungen verschiedener Städte gab. So fordert<br />

Verbraucherinitiative Bestattungskultur Aeternitas die<br />

Friedhofsverwaltungen auf in ihren Satzungen Freiräume<br />

für farbenfrohe und formenreiche Grabmale einzuräumen.<br />

Jeder Mensch habe – im Rahmen der Pietät – Anspruch auf<br />

ein persönliches Grabmal. „Das Grabmal ist zentraler Bestandteil<br />

der Erinnerung an den Verstorbenen. In der Gestaltung<br />

sollte sich die Persönlichkeit widerspiegeln“, fordert<br />

Hermann Weber, der Vorsitzende der Initiative.<br />

Für die Trauerbewältigung und die Erinnerung an den<br />

verstorbenen Angehörigen mag es eher hilfreich sein, wenn<br />

man eine „Stätte des Tuns“ hat. Denn die Hinterbliebenen<br />

suchen in den Aufgaben rund um die Grabstätte auch Trost.<br />

So behauptet Günter Czasny, Autor der Broschüre „Erfolgreiche<br />

Friedhöfe …, die guttun“ – der kürzlich auch in der<br />

Siegerlandhalle zu diesem Thema gesprochen hat – dass<br />

Friedhöfe „eine nicht zu unterschätzende therapeutische<br />

Wirkung“ hätten.<br />

Mein persönliches Schlusswort: Bei der Beschäftigung<br />

mit diesem Thema hatte ich sehr ambivalente Gefühle. Auf<br />

der einen Seite ist es notwendig, dass man sich dem Thema<br />

Sterben und Bestattung stellt. Andererseits möchte man<br />

diese Gedanken selbst in meinem Alter (68) lieber wegschieben.<br />

Ich denke, dass es guttut, wenn man eine Stätte<br />

der Begegnung und der Trauer auf einem Friedhof hat. Ein<br />

bisschen fühlt man sich auch bei der Grabpflege dem Verstorbenen<br />

nahe und tut ihm einen letzten Liebesdienst.<br />

Horst Mahle<br />

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durchblick 4/<strong>2008</strong> 47


Reisen<br />

Eindrücke meiner Reise nach St. Petersburg<br />

Katharinen-Palast<br />

Eigentlich hatte ich diese Reise nicht eingeplant, aber es<br />

war ein Schnäppchen für mich, da ein Verwandter meinerseits,<br />

Herr Gerhard Weber, die Reiseleitung hatte. Ich wurde<br />

nicht enttäuscht; die Reise lief unter dem Motto „Kultur<br />

und Kontakte“. Unserer Reisegruppe, bestehend aus 12<br />

aufgeschlossenen Personen, wurden nicht nur Prunk- und<br />

Prachtpaläste und -kirchen der Stadt gezeigt, sondern wir<br />

hatten auch Einblicke in die Familien, deren Leben und<br />

Mentalität.<br />

St. Petersburg, ehemals „Leningrad“, ist seit 50 Jahren<br />

Partnerstadt der Stadt Hamburg. Die ersten Kontakte zwischen<br />

den beiden Städten entstanden 1954 durch Jugendaustausche<br />

seitens des CVJM (Christlicher Verein Junger<br />

Menschen). Ende der Sowjetunion durften private Kontakte<br />

entstehen, die dann auch durch Versendung von Paketen<br />

der Hamburger in Leningrader Familien immer mehr gefestigt<br />

wurden. Nach Umbenennung der Stadt „Leningrad“ in<br />

„St. Petersburg“ wurde diese ganze Aktion „Paketbrücke“<br />

und später auch „Briefbrücke“ genannt. Es entstanden viele<br />

private Freundschaften mit tiefen menschlichen Verbindungen.<br />

Wer einmal einen Russen zum Freund gewonnen<br />

hat, verliert ihn nicht wieder. Der Russe ist warmherzig,<br />

gastfreundlich, hilfsbereit und tief gläubig. Er gibt alles,<br />

wenn er dich als Freund gewonnen hat.<br />

Das konnten wir auf dieser Reise erfahren, da wir an<br />

einem Abend in unterschiedlichen Gastfamilien zum Essen<br />

eingeladen waren. Nach westlichem Standard sind die<br />

Wohnungen ärmlich ausgestattet. Der Tisch war reichlich<br />

gedeckt mit allem, was die Gastgeber erübrigen konnten.<br />

Dazu gehörte natürlich auch das Nationalgetränk, der „Wodka“.<br />

Dieser durfte nur getrunken werden, wenn einer der<br />

Anwesenden einen sogenannten „Toast“ gesprochen hatte;<br />

das heißt, man bedankte sich zum Beispiel für die Einladung,<br />

freute sich über die wiedergewonnene Freundschaft<br />

der beiden Nationalitäten, verabscheute Kriege zwischen<br />

den Ländern, die ja nur durch Politik hervorgerufen werden,<br />

man wünschte sich<br />

weiterhin Gesundheit<br />

und will die Freundschaft<br />

pflegen.<br />

Das Einkommen<br />

der Stadtbewohner ist<br />

sehr gering, obwohl<br />

die Preise für Lebensmittel<br />

und Obst in den<br />

Supermärkten teilweise<br />

höher liegen als bei<br />

uns. Eine Ärztin, so<br />

konnten wir erfahren,<br />

verdient 400 €.<br />

Die Menschen sind<br />

erstaunlich gut gekleidet,<br />

besonders die jungen<br />

Russinnen sind nicht nur hübsch, sondern auch gut „gestylt“.<br />

Gerne färben sie ihre Haare blond. Die alten Frauen<br />

dagegen tragen Kopftücher und einfache Stoffmäntel. In<br />

Russland treffen wir die ganz Reichen (Oligarchen), die<br />

Armen, aber keine gesunde Mittelschicht an. Die Rentner<br />

sind hier die Verlierer.<br />

Unter anderem besuchten wir die evangelisch-lutherische<br />

St.-Petri-Kirche, die während der Sowjetregierung<br />

zu einer „Schwimmhalle“ umgebaut wurde, jetzt aber wieder<br />

seiner eigentlichen Bedeutung dient. Der Boden der<br />

Kirche wurde seinerzeit tiefer gelegt, um die Tiefe für ein<br />

Schwimmbecken zu bekommen. An den Seiten brachte<br />

man Sitzränge an, die heute noch erhalten sind und jetzt<br />

als Sitzplätze für die Kirchenbesucher dienen. In den Katakomben<br />

dieser Kirche konnte man den tiefer gelegten<br />

Boden erkennen. Er wird jetzt durch Stahlgerüste zusammengehalten,<br />

damit die Kirche stabil bleibt. Ein russischer<br />

Künstler hat das Leben unter der sowjetischen Regierung<br />

an den Mauern in Bildern festgehalten. Die Kirchen wurden<br />

enteignet, Menschen nachts aus den Wohnungen geholt,<br />

verhaftet, verschleppt, – oft nach Sibirien – Kinder verloren<br />

die Eltern. Frauen, die meistens zurückblieben, beteten aber<br />

weiter in den Kellern und nahmen auch das Abendmahl.<br />

Die Kirche lebt ausschließlich von Spenden.<br />

Weiterhin konnten wir erfahren, dass auch heute noch<br />

sogenannte „Kommunalwohnungen“ existieren. Bis zu<br />

zehn Familien wird eine große Wohnung zugeteilt – eine<br />

gemeinsame Küche – ein gemeinsames Bad und ein privates<br />

Zimmer für jede Familie. Da staunt man nur! Diese<br />

Wohnungen sind oft in den großen, alten Häusern eingerichtet,<br />

die von außen vom Staat einigermaßen gepflegt<br />

werden. Durch eine Tür gelangt man in einen Hinterhof<br />

und von dort erreicht man dann ein altes Treppenhaus. Das<br />

Wasser der Dachrinnen wird durch dicke Rohre auf den<br />

Bürgersteig geleitet. Die Frostgrenze fällt nicht selten auf<br />

20 Grad unter Null und tiefer. Mit Salz und Sand rückt man<br />

Foto: Norbert Schulz<br />

48 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Reisen<br />

dann dem Glatteis zu Leibe. Es fiel mir und auch anderen<br />

meiner Gruppe auf, dass bei den Prachtbauten diese dicken<br />

Rohre in den Erdboden geleitet werden.<br />

Seit dem Niedergang der Sowjetunion erlebt die russisch-orthodoxe<br />

Kirche eine Renaissance. Heute hat sie<br />

wieder 100 Mill. Mitglieder. Der Religionsunterricht in<br />

russischen Schulen ist seit 2006 wieder eingeführt.<br />

Sehr beeindruckt hat mich der Besuch einiger russischorthodoxen<br />

Kirchen. Ich erwähnte schon die tiefe Gläubigkeit<br />

der alten aber auch jungen Menschen. Sie beten<br />

versunken vor den Ikonen und Bildern der Heiligen, küssen<br />

diese mehrmals, verneigen sich ehrfurchtsvoll bis zum<br />

Boden und zünden Kerzen an im Gedenken an verstorbene<br />

oder auch noch lebende Menschen. Die Liturgie wird singend<br />

zelebriert. Ich lernte selbst einen Priester und seine<br />

Familie kennen. Dieser erzählte mir, dass der Priester nach<br />

der Qualität seiner Stimme ausgesucht wird. Der Refrain<br />

wird dagegen von Laien, auch mit besten Stimmvoraussetzungen,<br />

gesungen, die sich aber mehr im Hintergrund des<br />

Hochaltars aufhalten.<br />

Durch die privaten Kontakte des Herrn Weber hatten wir<br />

auch die Gelegenheit, ein Künstlerhaus zu besuchen und<br />

bekamen dort Einblicke in das Atelier eines Malers. Der<br />

Künstler selbst zeigte uns viele seiner Bilder beim hausgemachten<br />

Buffet.<br />

Jetzt noch ein paar Eindrücke über die Stadt als Prachtstadt<br />

mit ihren einzigartigen Kirchen, Schlössern und Palästen. Im<br />

Jahre 2003 feierte St. Petersburg den 300. Jahrestag seiner<br />

Gründung. Im Mündungsbereich der Newa wollte „Peter der<br />

Große“ eine Verbindung zum Westen schaffen. Doch schon<br />

sehr schnell merkte er, dass der Boden schwammig und aus<br />

Sumpf und Wäldern bestand und von vielen Kanälen durchzogen<br />

wird; daher auch der Name „Venedig des Nordens“.<br />

Die Architekten kamen aus Italien. Als Erstes entstand die<br />

„Peter-Paul-Festung“ und die Kathedrale mit der goldenen<br />

Spitze, die zum Wahrzeichen der Stadt wurde. Hier konnten<br />

wir auch die Zarengräber besichtigen. Peter der Große ließ<br />

vornehmlich zweckdienliche Gebäude errichten. Erst unter<br />

seiner Tochter Elisabeth, aus zweiter Ehe mit Katharina, einer<br />

deutschen Prinzessin, flossen Mittel in den Bau von Kirchen,<br />

Schlössern und Palästen. Am beeindruckendsten ist der<br />

„Katharinen-Palast“, ca. 30 km südlich von St. Petersburg.<br />

Es ist ein überaus prunkvoller Barockpalast in Blau, Weiß<br />

und Gold, der im Zweiten Weltkrieg vollkommen zerstört und<br />

akribisch wieder aufgebaut wurde. Im Inneren besticht der<br />

Palast durch großzügige Räume mit Spiegeln und Goldverzierungen.<br />

Irgendwann, ganz plötzlich, steht man dann im<br />

legendären, rekonstruierten „Bernsteinzimmer“. Mich hat<br />

es fast erdrückt durch seine Farbenvielfalt und die unendlich<br />

zahlreichen Bernsteine.<br />

Über die Jordanstreppe schritten einst die Zaren und heute<br />

die Touristen in die Eremitage. Die Prunkgemächer der Zaren<br />

sind überwältigend. „ Katharina die Große“ gründete einst die<br />

Kunstsammlung. Von den heute fast 2,7 Mill. Ausstellungsstücken<br />

werden Meisterwerke von Leonardo, Raffael, Tizian,<br />

Foto: Norbert Schulz<br />

Isaak-Kathedrale<br />

Michelangelo, Rubens (ein ganzes Zimmer), französischen<br />

und Malern aus aller Welt gezeigt. Den Höhepunkt bildet der<br />

Matisse-Raum. Er beherbergt die größte Matisse-Sammlung<br />

der Welt. Man kommt aus dem Staunen nicht heraus.<br />

Fazit dieser Reise: Sie hat alle Teilnehmer der Gruppe<br />

sehr begeistert und auch zum Nachdenken angeregt – müssen<br />

die Kluften zwischen „Arm und Reich“ so tief sein?<br />

Normale Reisegruppen sehen nur Pracht und Herrlichkeiten<br />

dieser Stadt und sind sehr beeindruckt von ihrer Schönheit,<br />

die der Staat mit großzügigen finanziellen Mitteln erhält. –<br />

jedoch: „Wie’s drinnen aussieht, geht keinen was an.“<br />

Helga Siebel-Achenbach<br />

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durchblick 4/<strong>2008</strong> 49


Gesellschaft<br />

Wenn 351 Euro zum Leben reichen müssen ...<br />

Armut ist in unserem Land wieder zum Thema geworden.<br />

Altersarmut ist bereits ein soziales Problem.<br />

Die Senkung des Rentenniveaus, die Zuzahlungen für<br />

die Gesundheitsleistungen und letztlich die Regelsätze<br />

der „Hartz-IV-Gesetzgebung“ im Amt für Grundsicherung<br />

(früher Sozialamt) haben auch in Siegen ältere Menschen<br />

materiell und psychisch in Not gebracht. In den vergangenen<br />

Monaten haben Kirche und Diakonie, Einrichtungen wie<br />

„ALTERAktiv“ und der „Seniorenbeirat“ einen Stadtrundgang<br />

„Auf den Spuren der Armut“ unternommen.<br />

Erich Kerkhoff, Vorsitzender des Vereins „ALTER-<br />

Aktiv“, verwies dabei auf den gravierenden Unterschied<br />

zwischen den Opfern der Altersarmut und den Menschen,<br />

die im Alter nicht davon betroffen sind. Dem Rückzug in<br />

Passivität und Vereinsamung, mit Folgen psychischer und<br />

gesundheitlicher Beeinträchtigung, steht die lebendige<br />

Teilnahme am öffentlichen Leben, Mut zum Neubeginn<br />

im „dritten Lebensalter“, gegenüber. Da gibt es ein breites<br />

Spektrum von Angeboten, zum Beispiel im Mehrgenerationenzentrum<br />

Martini in der St.-Johann-Straße, mit vielseitigem<br />

Programm von „ALTERAktiv“. Praktische Hilfen<br />

durch die Diakonie mit dem Kleiderladen stehen allen<br />

Seniorinnen und Senioren offen. Aber auch hier sind es<br />

die verschämten Armen, die sich aus Scheu nicht aus der<br />

Anonymität wagen und die letzte sich bietende Hilfe, den<br />

Antrag auf Grundsicherung, aus Unkenntnis, Hilflosigkeit,<br />

Scham und Resignation nicht in Anspruch nehmen. Verschämte<br />

Arme wurden auf den „Spuren der Armut“ – wie<br />

der Name bereits verrät – nicht aufgespürt.<br />

Wir werden immer älter: „Unser Leben währet 70 Jahre,<br />

wenn es hoch kommt währet es 80, und wenn es köstlich<br />

gewesen ist, dann ist es Mühe und Arbeit gewesen.“<br />

Ein Bibelwort, das durch die Jahrhunderte seine Gültigkeit<br />

behalten hat, könnte durch den demografischen Wandel<br />

in unserer Zeit anders betrachtet werden, zum Beispiel so:<br />

„Wenn es hoch kommt, währet es 90 oder 100 Jahre –<br />

und wenn es köstlich gewesen ist, dann war es nicht von<br />

der Hartz-IV-Gesetzgebung betroffen.“<br />

Unser Ex-Bundespräsident Rudolf Herzog unkte im<br />

Frühjahr in den Medien: „Ich fürchte, wir sehen die Vorboten<br />

einer Rentnerdemokratie, in der am Ende die Älteren<br />

die Jüngeren ausplündern.“<br />

Ein erstaunlicher Satz, vor allem bei dem Gedanken an<br />

Rentner, die Arbeitslosengeld II oder gebräuchliches Hartz<br />

IV erhalten.<br />

Der „durchblick“ sprach mit Horst Fischer, Leiter des<br />

Fachbereichs Soziales, Familien, Jugend, Wohnen. Er ist<br />

zugleich auch der Demografiebeauftragte der Stadt Siegen<br />

und kann zukunftsweisende Einblicke in die Entwicklung<br />

der Altersstruktur der Siegener Bevölkerung geben. Fischer<br />

dazu: „In weniger als 20 Jahren werden mehr als 50 % der<br />

Siegener Einwohnerschaft älter als 60 Jahre sein. In Siegen<br />

gibt es schon jetzt 4.000 Häuser, in denen der jüngste Be-<br />

Demnächst: „Tafel auf Räder?“<br />

Praktische Soforthilfe gegen Hunger kann nicht<br />

amtlich geregelt werden. Es gibt keine Behörde, die Essenskörbe<br />

verteilt oder Tische und Tafeln deckt, aber es<br />

gibt bundesweit 800 Tafeln, Einrichtungen gegen den<br />

Hunger. In Siegen füllen ehrenamtliche Helfer seit zehn<br />

Jahren Körbe, Taschen und andere Behälter von Menschen,<br />

die Hilfe brauchen mit Lebensmitteln. Etwa 4000<br />

Gäste kommen wöchentlich Dienstag und Donnerstag<br />

zum Fabrikgebäude am Hammerwerk 1 in Weidenau.<br />

Die Schlange vor der Ausgabestelle wird immer länger.<br />

Aber es gibt auch Bedürftige, die nicht in der Lage sind<br />

zu kommen um die Hilfe dieser segensreichen Einrichtung<br />

in Anspruch zu nehmen. Es sind Gehbehinderte,<br />

Rollstuhlfahrer, oder aus anderen Gründen ans Haus<br />

Gefesselte, darunter viele von Altersarmut Betroffene,<br />

die die Hilfe dieser Einrichtung nicht in Anspruch nehmen<br />

können. Der Vorstand der Tafel sucht nun gemeinsam<br />

mit „ALTERAktiv und dem Sozialamt motorisierte<br />

„Tafelfreunde“, die bereit wären den Paketboten zu spielen<br />

so dass auch hier geholfen werden kann. Im nächsten<br />

durchblick mehr dazu.<br />

An den immer länger werdenden Warteschlangen vor den Aus<br />

50 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Gesellschaft<br />

wohner 75 Jahre oder älter ist, und die Zahl der über 80-Jährigen<br />

steigt beständig. Im Jahre 2020 wird voraussichtlich<br />

jeder 14. Siegener Bürger 80 Jahre oder älter sein, sodass<br />

sich die Zahl der Hochbetagten in einem kurzen Zeitraum<br />

verdreifacht.“<br />

Befragt zu der problematischen Situation vieler Empfänger<br />

von Arbeitslosengeld II fasste Fischer zunächst<br />

Grundsätzliches zur Gesetzgebung zusammen:<br />

In der Nachfolgestruktur des ehemaligen Sozialamtes,<br />

nunmehr u. a. als Abteilung für Grundsicherung im Alter,<br />

läuft ein Teil des Maßnahmenbündels aus dem sogenannten<br />

Hartz-IV-Paket zusammen.<br />

Zum 30.9.<strong>2008</strong> erhielten 926 Siegener Bürgerinnen und<br />

Bürger laufende Hilfe als sogenannte Grundsicherung im<br />

Alter bzw. wegen vorhandener Erwerbsminderung. Diese<br />

Hilfe können Rentner bekommen oder Erwachsene, die<br />

dauerhaft nicht voll arbeitsfähig sind. Dies ist eine Steigerung<br />

um 14 % gegenüber dem 1.1.2006. Daraus folgert<br />

der Fachbereichsleiter: „Schon dabei wird sichtbar, dass<br />

der Anteil der älteren Menschen, die jetzt und zukünftig<br />

auf Sozialhilfe angewiesen sind, steigen wird. Aufgrund der<br />

persönlichen Biografien eines jeden Einzelnen und der Entwicklung<br />

des Rentenrechtes – Stichwort: Rente mit 67 oder<br />

Rentenabschlag von bis zu 18 % bei vorzeitiger Inanspruchnahme<br />

– wird deutlich, dass insbesondere Frauen von der<br />

Altersarmut betroffen sind. Sparen fürs Alter, Rürup-Riester-Vorsorgeplanung,<br />

ist für viele nicht möglich gewesen<br />

und wird auch künftig nicht möglich sein, weil dazu einfach<br />

das vorhandene Einkommen nicht ausreichend ist.“<br />

Die Zusammenlegung der Arbeitslosenhilfe und der<br />

Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz<br />

war und ist – so Fischer – ein richtiger Ansatz gewesen.<br />

Insbesondere das Prinzip des Förderns und Forderns<br />

als Kernstück der Hartz-IV-Gesetzgebung ist unbestritten.<br />

Dann aber Kritik: „Eine Abfederung, gerade den Menschen<br />

gegenüber, die ihre Arbeit verloren haben und keine neue<br />

Arbeit finden können, ist aber mehr als reformbedürftig.<br />

Denn am Ende steht sehr oft, und damit unverschuldet. die<br />

Festlegung, von 351,00 € im Monat leben zu müssen. Hier<br />

kann man Arbeitsminister Laumann nur beipflichten, dass<br />

nach einem arbeitsreichen Leben niemand zum Bittsteller<br />

bei Vater Staat werden darf.“<br />

Zur Erläuterung der veränderten<br />

„Hilfe zum Lebensunterhalt“:<br />

Der notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere<br />

Ernährung, Unterkunft, Kleidung, Körperpflege und Hausrat<br />

sowie persönliche Dinge des täglichen Lebens. Die dazu<br />

benötigten Mittel werden zum Teil durch pauschalierte<br />

Beiträge und zum Teil in tatsächlicher Höhe zur Verfügung<br />

gestellt. Danach erhält ein Alleinstehender einen Regelsatz<br />

von 351,00 €, zuzüglich der angemessenen Unterkunfts- und<br />

Heizungskosten und gegebenenfalls einem Mehrbedarfszuschlag<br />

wegen Behinderung. Davon ausgehend kann man<br />

hier als Durchschnittswert von einem Betrag von knapp<br />

900,00 € ausgehen. Demgegenüber ist eigenes Einkommen<br />

bzw. unter Umständen Vermögen zu berücksichtigen, so<br />

dass sich daraus dann der tatsächliche monatliche Hilfebetrag<br />

ergibt. So ist z. B. der aktuelle Anteil eines <br />

gabeschaltern der Siegener Tafel wird die Armut auch in Siegen sichtbarer.<br />

Foto: Dieter Gerst, bearbeitet: durchblick-Photoshop-Club<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 51


Gesellschaft<br />

Foto: Gottfried Klör<br />

Leiter des Fachbereichs Soziales, Horst Fischer, im Gespräch<br />

mit unserer Redakteurin Maria Anspach<br />

Regelsatzes – bezogen auf Nahrungsmittel und Getränke<br />

– mit etwa 130,00 € pro Monat definiert. Horst Fischer hat<br />

da einen Vorschlag gemacht, den der durchblick gerne aufgegriffen<br />

hat (siehe Kasten): „Hierzu kann man nur jedem<br />

einmal empfehlen, in Form eines Selbstversuches zu klären,<br />

ob er tatsächlich seine Bedürfnisse nach Nahrung und<br />

Getränken mit täglich etwas mehr als 4,00 € sicherstellen<br />

kann.“<br />

In Zusammenhang mit der Situation der alten Menschen<br />

an der Armutsgrenze wird immer wieder die Frage nach<br />

der Unterhaltsverpflichtung der Kinder thematisiert. Dazu<br />

Horst Fischer: „Bei der Gewährung dieser Leistungen geht<br />

der Gesetzgeber von der Vermutung aus, dass das Einkommen<br />

der Unterhaltspflichtigen einen Betrag von 100.000 €<br />

jährlich nicht überschreitet. Erst dann würde es zu einer<br />

Heranziehung von Kindern führen.“<br />

In der Praxis gäbe es aber nach wie vor die Bewertung<br />

von „verschämten Armen“, die, obwohl sie ein Recht auf<br />

Sozialleistungen hätten, dieses aus Scham oder fehlender<br />

Kenntnis nicht in Anspruch nähmen. Die Aussage von älteren<br />

Menschen: „Ich will nicht zum Sozialamt gehen“,<br />

sei auch heute noch ein Satz, den die Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter der Sozialverwaltung oft hören. Manche<br />

heizen wieder nur den Wohnraum oder das Bad, weil sie<br />

ansonsten die Energiekosten nicht aufbringen können. Diese<br />

Menschen zu erfassen, die Bürgerinnen und Bürger zu<br />

beraten und ihnen zu helfen, einen Antrag auf Sozialhilfe<br />

zu stellen, sei auch heute noch – so Fischer – eine Aufgabe<br />

der Sozialverwaltung.<br />

Aber diese Behörde kennt auch die andere Seite, nämlich:<br />

Dass Hilfen beantragt werden, obwohl es darauf keinen<br />

Anspruch gibt, weil eben das vorhandene Einkommen<br />

oder Vermögen ausreichend ist, um den Lebensunterhalt<br />

selbst sicherzustellen.<br />

Insofern gehen immer mehr Sozialverwaltungen dazu<br />

über, den Anspruch auf Sozialleistungen durch entsprechende<br />

Überprüfungen vor Ort zu kontrollieren, um darum<br />

einem Missbrauch von Leistungen und somit<br />

dem Einsatz von Steuergeldern wirkungsvoll zu<br />

begegnen.<br />

Fischer zieht Bilanz: „Grundlage einer Sozialgesetzgebung<br />

muss es daher sein, den Zugang<br />

zu Sozialleistungen denen zu sichern, die Hilfe<br />

benötigen und somit auch verschämte Armut<br />

zu erfassen, zum anderen wirkungsvolle Mittel<br />

zu entwickeln, dass ein Missbrauch verhindert<br />

wird.“ Alte Menschen, die sich in ihrer Situation<br />

verstecken, bestehen nicht auf ihrem Anspruch<br />

und stellen auch keine Fragen. Wir müssen, so<br />

Fischer, auf sie zugehen. Dass passiert in hervorragender<br />

Weise schon jetzt durch den Seniorenbeirat<br />

und künftig durch die Senioren-Service-<br />

Stellen, die zurzeit für die Stadt Siegen aufgebaut<br />

werden Insoweit kann man dem NRW-Sozialminister<br />

Laumann nur beipflichten, dass nach einem<br />

arbeitsreichen Leben niemand mehr zum Bittsteller bei<br />

Vater Staat werden darf.<br />

Statistische Angaben:<br />

926 Siegenerinnen und Siegener erhalten gegenwärtig<br />

laufende Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.<br />

Die Zahl hat sich seit 2006 mit 817 Empfängern regelmäßig<br />

erhöht. Die Höhe der gewährten laufenden Leistung<br />

betrug 2006 insgesamt weit mehr als 4,2 Millionen Euro.<br />

2007 erhöhte sich die Summe auf fast 5,3 Millionen Euro.<br />

Mit den Regelsätzen ist der gesamte notwendige Bedarf,<br />

ausgenommen Unterkunft, Heizkosten und eventueller<br />

Sonderbedarf im Einzelfall, abgegolten.<br />

Zur Verdeutlichung hier eine Auflistung der errechneten<br />

monatlichen Beträge des gesetzlichen Regelsatzes nach<br />

Vorgaben von 2006 (in Euro):<br />

Nahrungsmittel, Tabakwaren, Getränke: 130,25<br />

Kleidung und Schuhe: 32,70<br />

Wohnen: 26,76<br />

Einrichtungs-Haushaltgegenstände usw.: 26,15<br />

Gesundheitspflege: 12,25<br />

Post / Telefon / Internet: 27,67<br />

Freizeit / Unterhaltung / Kultur: 32,89<br />

Bildung: 0,00<br />

Bewirtung und Übernachtung: 10,36<br />

Verkehr: 26,07<br />

Andere Waren und Dienstleistungen: 24,65<br />

Gesamt: 349,76<br />

52 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Gesellschaft<br />

Alle Hartz-IV-Empfänger, die nur auf diese<br />

Leistung angewiesen sind, auch diejenigen,<br />

die versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu<br />

machen, kommen da in Bedrängnis. Der Regelsatz<br />

spricht für sich:<br />

Nur einmal zur Probe: Ich packe in meinen<br />

Warenkorb für einen Tag und für einen Monat:<br />

2 Margarinebrötchen 50 Cent<br />

2 Teebeutel aus Monatspackung 15 Cent<br />

1<br />

/3 Päckchen Quark 15 Cent<br />

1 Scheibe Wurst oder Käse 20 Cent<br />

Für das tägliche Frühstück also: 1 Euro<br />

macht im Monat 30 €<br />

Für den Mittagshunger leiste ich mir monatlich<br />

20-mal etwas für 2 Euro, also<br />

Da ist zum Beispiel manchmal<br />

eine ganze Bockwurst mit Beilage<br />

im Angebot. Das gönne ich mir<br />

nicht alle Tage. Zehn Tage müssen<br />

mittags noch überbrückt werden,<br />

zum Beispiel mit einer kleinen Portion<br />

Pommes oder Pellkartoffeln mit<br />

Quark (der Rest vom Frühstück). Für<br />

die Überbrückung also noch einmal<br />

1 Euro am Tag, somit weitere<br />

Für das Abendessen komme ich<br />

mit zwei Wurstbroten hin. Dauerwurst<br />

am Stück reicht für einen<br />

Monat. Dazu vielleicht alle 14 Tage<br />

ein halbes Hähnchen. Insgesamt<br />

müssten für 20 Abendessen je 1,50<br />

Euro genügen, macht:<br />

10 Tage werden wieder ausgespart,<br />

man muss ja nicht übertreiben.<br />

Nun fehlen noch die Getränke.<br />

Für zwei Kästen Mineralwasser müsste<br />

es reichen. Es genügt aber vielleicht<br />

auch ein Kasten. Aber lassen wir mal<br />

zwei Kästen, der Gesundheit wegen,<br />

alte Menschen sollen ja besonders viel<br />

trinken. (Zur Not täte es ja auch unser<br />

Kranwasser, das ist ja auch gesund).<br />

Das reicht bei dem Regelsatz von<br />

130,25 Euro. Nun habe ich noch<br />

10 Euro und 25 Cent<br />

zur freien Verfügung. Und die werde<br />

ich sinnlos verprassen oder ganz<br />

viel Obst essen oder besser: Ich lege<br />

sie für den nächsten Monat zurück!<br />

Ich komme schon irgendwie<br />

durch die Tage.<br />

40 €<br />

10 €<br />

30 €<br />

10 €<br />

macht:<br />

120 €<br />

Aber die Ernährung ist ja schließlich<br />

nicht alles, wenn das Leben sonst erfreulich<br />

ist: Ein Blick auf den Regelsatz: Da hole ich<br />

nur mal vier Beispiele aus dem Angebot:<br />

Für Freizeit, Unterhaltung und Kultur<br />

sind 32,89 Euro angesetzt. Damit lässt<br />

sich schon etwas unternehmen. Zum Beispiel<br />

eine Wochenendfahrt nach Köln zur<br />

Tochter. Das kostet 20 € Fahrgeld. Aber<br />

dann ist fast alles weg. Da bleiben 8 € für<br />

eine Kinokarte oder einmal Ausgehen mit<br />

Freunden. Vielleicht reicht es noch für drei<br />

oder vier Tageszeitungen. Für Bildung sind<br />

allerdings nur drei Nullen vermerkt. Macht<br />

nichts, für Vorträge und ähnliche Veranstaltungen<br />

ist eh kein Geld übrig. Aber für<br />

10,36 € kann ich zwei Gäste einladen, mit<br />

Bewirtung und Übernachtung. Das langt<br />

für zwei Frankfurter Würstchen mit Kartoffelsalat,<br />

dazu ein Bier und morgens ein<br />

Frühstücksbrötchen. Knapp wird es bei<br />

Gesundheits- und Körperpflege, die mit<br />

12,25 € vermerkt ist. Da bekomme ich zwei<br />

Stück Seife, Zahnpasta, eine Dose Nivea,<br />

Verbandzeug, Tabletten. Einen Sonderposten<br />

für Medikamente, die jeweils auch auf<br />

Rezept oft sehr teuer sind, gibt es nicht.<br />

Also muss ich möglichst gesund bleiben.<br />

Für Post, Telefon, Internet darf ich 27,67 €<br />

ausgeben. Damit ist immerhin auch die<br />

Grundgebühr vom Telefon bezahlt, vielleicht<br />

noch drei Ortsgespräche und Briefmarken<br />

für zwei Briefe und ein Päckchen,<br />

wobei ich gar nicht weiß, was ich ohne<br />

Geld auszugeben, da hineinpacken soll!<br />

Von den rund zehn verbleibenden Euro<br />

könnte ich nicht mal die Druckpatrone für<br />

den Computer kaufen, also kein Computer,<br />

kein Internet. Soweit die vier Beispiele.<br />

Ähnlich wird es nun auch mit den<br />

Restposten (Kleidung und Schuhe 32,70<br />

€, Wohnen 26,76 €, Einrichtungs-Haushaltgegenstände<br />

usw. 26,15 €, Verkehr<br />

26,07 €, andere Waren und Dienstleistungen<br />

24,65 €, also: 136,33 €). Mit den<br />

übrigen, hier bereits aufgeführten Beträgen<br />

(für Nahrung, Kleidung usw.) komme<br />

ich auf einen Endbetrag von ca. 350 Euro,<br />

der dem Regelsatz entspricht.<br />

Ich tröste mich: In der Sahel-Zone<br />

könnte ich mit dieser Summe ein königliches<br />

Leben führen, wenn ... mir das Geld<br />

dorthin überwiesen würde.<br />

Maria Anspach<br />

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durchblick 4/<strong>2008</strong> 53


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54 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Als ich von Siegen fortging, war alles noch weihnachtlich<br />

geschmückt, und als ich in London ankam, empfing<br />

mich dort auch noch die gleiche Pracht, obwohl das Fest<br />

schon vorbei war und der Jahreswechsel kurz bevorstand.<br />

Ein besonderer Jahreswechsel, das Millennium! Ich war<br />

wieder mal Gast bei meiner Freundin, die mich auch am<br />

Flughafen abgeholt hatte.<br />

Zu Hause angekommen, ließen wir es ruhig angehen<br />

und suchten beizeiten unsere Betten auf, denn morgen wurde<br />

der Tag lang und aufregend.<br />

Am Silvestertag gings rund. Zuerst wurde ich von Paula<br />

(so heißt meine Freundin) entsprechend präpariert.<br />

Also: „Flache Schuhe, warme Strümpfe, Wollmütze“<br />

und an meinen Pelzmantel war gar nicht zu denken. Ich<br />

bekam Paulas Duffle Coat. Der war durch die vielen Taschen<br />

geeignet alles unterzubringen, was wir für die lange<br />

Nacht brauchten. Nun, in eine Tasche kam eine Banane,<br />

in die andere ein Sandwitch, Servietten, Taschentücher<br />

und die letzte Tasche wurde Träger eines kleinen Geheimnisses.<br />

– Einer handlichen Flasche „Apfelsaft“. „Warum<br />

Apfelsaft?“, widersprach ich, aber sie sagte mir: „Schnüffel<br />

dran!“ Oho, mir gingen die Augen und das Herz auf.<br />

Unser geliebter Gin!!! „Du Betrügerin“, sagte ich, aber<br />

sie lächelte nur. „Du wirst ihn noch lieben.“ Na, das tat<br />

ich jetzt schon, aber wir beherrschten uns. Wollten ja nicht<br />

schon mit einem Fähnchen ankommen. Natürlich war meine<br />

Freundin genauso ausgerüstet. Um 19 Uhr setzten wir<br />

uns in Marsch. Rundfunk und Fernsehen hatten Millionen<br />

Besucher angekündigt und je näher wir der City kamen,<br />

umso eher glaubten wir es gerne. Menschen, Menschen,<br />

Menschen. Alle Rassen, alle Hautfarben, alle Sprachen.<br />

Alles lief kreuz und quer, aber jeder hatte wohl sein festes<br />

Ziel. Man glaubte, die Stadt sei jetzt voll, aber die Busse<br />

karrten immer mehr Menschen an. Paula schien genau zu<br />

wissen, wo wir hin wollten, also trottete ich immer brav<br />

hinter ihr her. Mich wunderte nur, dass es nirgends einen<br />

Stau oder eine Rempelei gab. Nein, alles lief zügig und<br />

ohne besondere Hektik. Als Paula plötzlich rechts abdrehte,<br />

standen wir genau am Ufer der Themse. Da war sogar ein<br />

eisernes Geländer, für uns fantastisch zum Anlehnen. Der<br />

Anblick der beleuchteten Schiffe auf der Themse ließen mir<br />

den Atem stocken. So schön, so festlich!!! „Paula, du bist<br />

eine Zauberin!“, sagte ich, und drückte ihr einen Kuss auf<br />

die Wange. Bald waren wir umringt von lauter fröhlichen<br />

Menschen. Es wurde gelacht, gesungen und hin und wieder<br />

ging schon mal eine Rakete hoch, die von den Kindern, die<br />

auf Papas Schultern saßen, freundlich beklatscht wurden.<br />

Uns gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, war an<br />

einer Hauswand eine überdimensional große Uhr. So konnten<br />

wir den Jahrtausendwechsel gewiss nicht versäumen.<br />

Die Stunden vergingen und wir griffen immer mal wieder<br />

Unterhaltung<br />

Millennium in London<br />

Zwei „alte Damen“ mittendrin<br />

zu unserer „Apfelsaftflasche“. Die jungen Leute um uns<br />

herum hatten uns inzwischen als die ihren angenommen.<br />

Sie lachten und scherzten mit uns und ich hörte, wie ein<br />

junger Mann zu seiner Freundin sagte: „Guck mal, Darling,<br />

es geht auch ohne Alkohol, sieh dir nur mal die beiden alten<br />

Damen an, wie fröhlich und lustig die mit ihrem Apfelsaft<br />

sind!“ Oh – oh, wenn die gewusst hätten! Als ich das Paula<br />

sagte, mussten wir noch mehr lachen und unser Saft tat das<br />

Seine dazu.<br />

Die große Uhr gegenüber zeigte elf, also in Deutschland<br />

Mitternacht. Wir prosteten gen Westen und grüßten in Gedanken<br />

alle, die zu Hause waren.<br />

Allmählich steigerte sich die Stimmung überall. Es brodelte<br />

regelrecht in Erwartung auf das neue Jahrtausend. Unweit<br />

von uns sah man das neue Wahrzeichen, das „Londoner<br />

Eye“. Leider war es heute für Besucher geschlossen.<br />

Auf einmal zählte die Masse laut die letzten Minuten des<br />

Jahrtausends und dann erscholl der dumpfe Glockenschlag<br />

vom Big Ben – Mitternacht –. Jetzt fiel jeder jedem um<br />

den Hals. Die Bussis wurden verteilt, Glückwünsche gerufen,<br />

bis die Glocken der vielen Londoner Kirchen in dieses<br />

prächtige Konzert einfielen. Alles war traumhaft schön.<br />

Mich schauderte und dann lagen sich zwei alte Freundinnen<br />

in den Armen, als wollten sie sich nie mehr lösen.<br />

Inzwischen sind seit damals neun Jahre vergangen und<br />

ich wünsche Ihnen heute, liebe Leser, ein gutes 2009!<br />

Ihre Inge<br />

Inge Göbel<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 55


Als ich von Siegen fortging, war alles noch weihnachtlich<br />

geschmückt, und als ich in London ankam, empfing<br />

mich dort auch noch die gleiche Pracht, obwohl das Fest<br />

schon vorbei war und der Jahreswechsel kurz bevorstand.<br />

Ein besonderer Jahreswechsel, das Millennium! Ich war<br />

wieder mal Gast bei meiner Freundin, die mich auch am<br />

Flughafen abgeholt hatte.<br />

Zu Hause angekommen, ließen wir es ruhig angehen<br />

und suchten beizeiten unsere Betten auf, denn morgen wurde<br />

der Tag lang und aufregend.<br />

Am Silvestertag gings rund. Zuerst wurde ich von Paula<br />

(so heißt meine Freundin) entsprechend präpariert.<br />

Also: „Flache Schuhe, warme Strümpfe, Wollmütze“<br />

und an meinen Pelzmantel war gar nicht zu denken. Ich<br />

bekam Paulas Duffle Coat. Der war durch die vielen Taschen<br />

geeignet alles unterzubringen, was wir für die lange<br />

Nacht brauchten. Nun, in eine Tasche kam eine Banane,<br />

in die andere ein Sandwitch, Servietten, Taschentücher<br />

und die letzte Tasche wurde Träger eines kleinen Geheimnisses.<br />

– Einer handlichen Flasche „Apfelsaft“. „Warum<br />

Apfelsaft?“, widersprach ich, aber sie sagte mir: „Schnüffel<br />

dran!“ Oho, mir gingen die Augen und das Herz auf.<br />

Unser geliebter Gin!!! „Du Betrügerin“, sagte ich, aber<br />

sie lächelte nur. „Du wirst ihn noch lieben.“ Na, das tat<br />

ich jetzt schon, aber wir beherrschten uns. Wollten ja nicht<br />

schon mit einem Fähnchen ankommen. Natürlich war meine<br />

Freundin genauso ausgerüstet. Um 19 Uhr setzten wir<br />

uns in Marsch. Rundfunk und Fernsehen hatten Millionen<br />

Besucher angekündigt und je näher wir der City kamen,<br />

umso eher glaubten wir es gerne. Menschen, Menschen,<br />

Menschen. Alle Rassen, alle Hautfarben, alle Sprachen.<br />

Alles lief kreuz und quer, aber jeder hatte wohl sein festes<br />

Ziel. Man glaubte, die Stadt sei jetzt voll, aber die Busse<br />

karrten immer mehr Menschen an. Paula schien genau zu<br />

wissen, wo wir hin wollten, also trottete ich immer brav<br />

hinter ihr her. Mich wunderte nur, dass es nirgends einen<br />

Stau oder eine Rempelei gab. Nein, alles lief zügig und<br />

ohne besondere Hektik. Als Paula plötzlich rechts abdrehte,<br />

standen wir genau am Ufer der Themse. Da war sogar ein<br />

eisernes Geländer, für uns fantastisch zum Anlehnen. Der<br />

Anblick der beleuchteten Schiffe auf der Themse ließen mir<br />

den Atem stocken. So schön, so festlich!!! „Paula, du bist<br />

eine Zauberin!“, sagte ich, und drückte ihr einen Kuss auf<br />

die Wange. Bald waren wir umringt von lauter fröhlichen<br />

Menschen. Es wurde gelacht, gesungen und hin und wieder<br />

ging schon mal eine Rakete hoch, die von den Kindern, die<br />

auf Papas Schultern saßen, freundlich beklatscht wurden.<br />

Uns gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, war an<br />

einer Hauswand eine überdimensional große Uhr. So konnten<br />

wir den Jahrtausendwechsel gewiss nicht versäumen.<br />

Die Stunden vergingen und wir griffen immer mal wieder<br />

Unterhaltung<br />

Millennium in London<br />

Zwei „alte Damen“ mittendrin<br />

zu unserer „Apfelsaftflasche“. Die jungen Leute um uns<br />

herum hatten uns inzwischen als die ihren angenommen.<br />

Sie lachten und scherzten mit uns und ich hörte, wie ein<br />

junger Mann zu seiner Freundin sagte: „Guck mal, Darling,<br />

es geht auch ohne Alkohol, sieh dir nur mal die beiden alten<br />

Damen an, wie fröhlich und lustig die mit ihrem Apfelsaft<br />

sind!“ Oh – oh, wenn die gewusst hätten! Als ich das Paula<br />

sagte, mussten wir noch mehr lachen und unser Saft tat das<br />

Seine dazu.<br />

Die große Uhr gegenüber zeigte elf, also in Deutschland<br />

Mitternacht. Wir prosteten gen Westen und grüßten in Gedanken<br />

alle, die zu Hause waren.<br />

Allmählich steigerte sich die Stimmung überall. Es brodelte<br />

regelrecht in Erwartung auf das neue Jahrtausend. Unweit<br />

von uns sah man das neue Wahrzeichen, das „Londoner<br />

Eye“. Leider war es heute für Besucher geschlossen.<br />

Auf einmal zählte die Masse laut die letzten Minuten des<br />

Jahrtausends und dann erscholl der dumpfe Glockenschlag<br />

vom Big Ben – Mitternacht –. Jetzt fiel jeder jedem um<br />

den Hals. Die Bussis wurden verteilt, Glückwünsche gerufen,<br />

bis die Glocken der vielen Londoner Kirchen in dieses<br />

prächtige Konzert einfielen. Alles war traumhaft schön.<br />

Mich schauderte und dann lagen sich zwei alte Freundinnen<br />

in den Armen, als wollten sie sich nie mehr lösen.<br />

Inzwischen sind seit damals neun Jahre vergangen und<br />

ich wünsche Ihnen heute, liebe Leser, ein gutes 2009!<br />

Ihre Inge<br />

Inge Göbel<br />

durchblick 4/<strong>2008</strong> 55


Leserbriefe<br />

Preußendrill im Reichspostamt 3/<strong>2008</strong><br />

Den Artikel von Maria Anspach las ich mit Interesse.<br />

Lange Zeit hielt ich Post und Bahn für normale<br />

Einrichtungen des Staates bzw. des Bürgers. Das hat<br />

sich leider geändert. Ihr Artikel befasst sich mit dem<br />

sogenannten Preußendrill um 1900. Die Wahrnehmung<br />

der hoheitlichen Pflichten im Beamtentum mutet uns<br />

heute seltsam an, spiegelt diese jedoch die Pflichtauffassungen<br />

unserer Vorfahren wider. Dienst und nicht<br />

Verdienst galten etwas.<br />

Das hat sich geändert und das bekommt die Allgemeinheit<br />

im wahren Sinne des Wortes zu spüren. Wären<br />

früher so Menschen wie ein Herr Zumwinkel unter dem<br />

sogenannten Preußendrill geduldet oder überhaupt auf<br />

die Gehaltsliste gekommen? Die Antwort ist ein klares<br />

Nein! Ein holländischer Spaßmacher im deutschen Fernsehen<br />

Namens Carell sagte vor Jahren: „Alles ist schlechter<br />

geworden, nur eins ist besser geworden, die Moral ist<br />

schlechter geworden.“ Dieser Mann hatte „durchblick“<br />

und die Zuschauer haben bravo gerufen, haben Postaktien<br />

gezeichnet, viel Geld verloren, mussten Zwangspensionierungen<br />

von „Unterbeamten“ hinnehmen, Verkauf<br />

von Postämtern erleben, Schließungen von Poststellen<br />

in ihrer Nähe dulden und neuerdings dem Verkauf der<br />

Postbank ohnmächtig zusehen. Bürgereigentum (siehe<br />

Preußen) und Bürgerrechte gehen verloren, werden „privatisiert“.<br />

Eberhard W. Jung, Siegen<br />

Lesertexte in 1/<strong>2008</strong><br />

Auf diesem Wege möchte ich ein Dankeschön schreiben<br />

an die Autorin Helga Licher. Sie hat zwei hervorragende<br />

Texte geschrieben. Gerne würde ich ihr das persönlich<br />

schreiben, habe aber leider keinerlei Daten dafür. So bitte<br />

ich Sie den Dank, wenn möglich, weiterzuleiten. Ich finde<br />

Ihre Zeitung „echt gut“, und habe danach immer „einen<br />

guten Durchblick“. Bin selbst 57 Jahre und alles andere als<br />

ein Seniorin. (Nur Geduld, es wird schon.)<br />

Inge Krause, per E-Mail<br />

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Wir führen derzeit eine klinische Studie durch, um<br />

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Elisabeth Koch 2/<strong>2008</strong><br />

Eure aktuelle Ausgabe habe ich bei meinen Eltern gelesen.<br />

Dabei ist mir aufgefallen, dass das Foto von Hotel<br />

Koch’s Ecke niemals von heute sein kann, wie es die Bildunterschrift<br />

verkündet. Auf dem Bild sind gleich zwei VW-<br />

Käfer zu sehen, also tippe ich mal, das Foto ist gute 30 Jahre<br />

alt. Aber ansonsten ist die Zeitschrift tatsächlich auch für<br />

„Nicht-Senioren“ gut zu lesen.<br />

Sylvester Schneider, per E-Mail<br />

Organspende 3/<strong>2008</strong><br />

Mit Interesse habe ich Ihren ausführlichen Artikel gelesen<br />

und hoffe, dass sich viele Personen die Zeit nehmen, ihn<br />

auch zu lesen, um zur Erkenntnis zu kommen, dass Organspende<br />

mit der Tötung eines im Sterbeprozess Befindlichen<br />

zu tun hat und abzulehnen ist.<br />

Zum Thema habe ich mir folgende Bücher gekauft:<br />

1. Herzloser Tod. Das Dilemma der Organspende; von<br />

Baureithel/Bergmann 2. Das Leben danach. Was mit uns<br />

geschieht, wenn wir sterben; von Bernard Jakoby. Letzteres<br />

befasst sich mit Informationen aus dem Jenseits. Da Sie in<br />

der Hospiz tätig sind, könnte ich es Ihnen sehr empfehlen.<br />

Nach meinen eigenen übersinnlichen, nicht nachweisbaren<br />

Wahrnehmungen und Empfindungen ist Organspende<br />

nicht gottgewollt und daher abzulehnen. Wer spendet,<br />

verlangt damit aktive Sterbehilfe und trägt zur Tötung eines<br />

anderen bei. Der Mensch ist ja mit dem Hirntod nicht tot,<br />

sondern erst dann, wenn ihm der Odem genommen wird und<br />

die für uns unsichtbare Silberschnur, die uns mit dem Jenseits<br />

verbindet, zerreißt. Nachzulesen in Prediger 12, Vers 6.<br />

Sie als Redakteur haben sicherlich öfter die Gelegenheit<br />

auf den Irrtum der Organspende – fälschlicherweise als<br />

Nächstenliebe angepriesen – hinzuweisen, hoffentlich mit<br />

Erfolg! Jedenfalls steht es uns nicht zu, unser irdisches Leben<br />

durch Tötung eines anderen zu verlängern. Der hier erscheinende<br />

biologische Mensch besitzt neben der Leibseele<br />

auch eine Geistseele. Leider ist der wahre Glaube an die<br />

Lehre Jesus Christus abhanden gekommen und die Macht<br />

des Mammons überrollt die ethischen Werte.<br />

Renate Thiel, Kirchen<br />

Ich möchte Herrn Freundt zu seinem ausgezeichneten<br />

Artikel, der eine Menge Recherchen enthält, beglückwünschen.<br />

Nur einem Punkt kann ich nicht zustimmen: der<br />

Behauptung, die Transplantationsmedizin sei eine „Erfolgsmedizin“.<br />

Diese Hypothese entspricht einem Wunschdenken,<br />

auch wenn die Werbung um Organspende anderes<br />

behauptet und in diesem Kontext ausschließlich die „glücklichen<br />

Fälle“ gezeigt werden. Keineswegs zufällig jedoch<br />

werden in sogenannten Informationsschriften immer nur<br />

die Sterbequoten auf der Warteliste, also die Todesfälle vor<br />

einer Transplantation genannt, nie aber einmal die Statistik<br />

der Überlebensraten von Organempfängern der Öffentlichkeit<br />

preisgegeben. So entwickeln z. B. in den ersten drei<br />

Monaten nach einer Herztransplantation etwa 90 Prozent<br />

56 durchblick 4/<strong>2008</strong>


Leserbriefe<br />

aller Patienten eine akute Abstoßungsreaktion – bei 20 bis<br />

40 Prozent dieser Patientengruppe tritt innerhalb von fünf<br />

Jahren eine Koronarsklerose – das heißt, es kommt dann<br />

zu einer sogenannten chronischen Abstoßung. Außerdem<br />

gehören zu den gängigen Nebenwirkungen einer Herztransplantation,<br />

mit denen auch andere Organempfänger<br />

zu rechnen haben: chronische Nieren- und Leberschädigungen;<br />

Wirbelkörperfrakturen; Hüftgelenknekrose oder<br />

das parkinsonähnliche Beschwerdebild des Zitterns; auch<br />

äußerliche Körperveränderungen wie z. B. übermäßige<br />

Körperbehaarung oder das sogenannte Vollmondgesicht.<br />

Zudem ist das Krebsrisiko wegen der tagtäglich und lebenslang<br />

durchzuführenden Unterdrückung der Immunabwehr<br />

durch die Einnahme von Medikamenten sehr hoch<br />

und steht daher im Katalog der Nebenwirkungen mit an<br />

erster Stelle. So hat kürzlich eine Untersuchung über die<br />

Krebsanfälligkeit von Organempfängern ergeben, dass<br />

sich das Risiko, an einem Hautkarzinom zu erkranken,<br />

bei Transplantatempfängern „im Vergleich zur übrigen<br />

Bevölkerung um das 65-Fache erhöht“. Es steige „mit der<br />

Dauer der immunsuppressiven Therapie“ noch erheblich<br />

an. (Vgl. Kempf, Werner: Hautveränderungen bei Transplantatempfängern.<br />

In: Deutsches Ärzteblatt 103, 2006,<br />

H. 34-35, S. A2245-A2249, hier S. A2245)<br />

Auch hat eine Studie der Abteilung für Thorax-, Herzund<br />

Gefäßchirurgie der Hamburger Universitätsklinik<br />

ergeben, dass in Deutschland die Therapie der Herztransplantation<br />

in zwei Drittel aller Fälle vorschnell angeboten<br />

wird. Über einen Zeitraum von acht und vierzehn Jahren<br />

wurden in diesen beiden Untersuchungen Transplantationskandidaten,<br />

die auf der Wartelisten standen, aber kein<br />

fremdes Herz erhielten, stattdessen mit Medikamenten<br />

behandelt. Ihre Überlebenschancen ohne Operation waren<br />

in den ersten zwei Jahren deutlich höher als die der<br />

transplantierten Patienten. Nach sechs Jahren war ein<br />

Unterschied zugunsten der medikamentös behandelten<br />

Patienten zwar weniger ausgeprägt, aber immer noch zu<br />

vermerken. Die konservative Therapie ohne Operation<br />

gestattet, so resümiert der Kardiologe Wilfried Rödiger<br />

diese Studie, „doch ein halbwegs normales, wenn auch<br />

kein belastbares“ Leben zu führen.<br />

Zwar hat sich im öffentlichen Bewusstsein die Vorstellung<br />

festgesetzt, dass die Transplantationsmedizin eine Erfolgstherapie<br />

sei, wenn wir jedoch nach Überlebensstatistiken<br />

der Organempfänger suchen, müssen wir feststellen,<br />

dass mit diesen Zahlen niemals Werbung gemacht wurde.<br />

Warum nicht? Weil sich dann die Behauptung, „durch Organspende<br />

Leben zu retten“ sehr schnell relativiert: Immerhin<br />

sterben gegenwärtig 20 Prozent aller Herzempfänger<br />

noch im ersten Jahr nach der Verpflanzung, nach fünf Jahren<br />

sind 32 von hundert und nach 10 Jahren 44 Prozent<br />

tot. Nach einer Lungentransplantation sterben weltweit<br />

noch im ersten Jahr 28 von 100 Organempfängern und die<br />

Fünfjahresüberlebensrate liegt bei 43 Prozent, d. h., 57 von<br />

hundert Patienten sind nach fünf Jahren tot und haben häufig<br />

eine leidvolle Geschichte bis zu ihrem Tod hinter sich.<br />

Ich habe selbst Kontakt zu Organempfängerfamilien, aber<br />

auch in der Fachliteratur sind die vielen Komplikationen<br />

beschrieben, mit denen jeder Organempfänger zu rechnen<br />

hat. Auch kenne ich Familien, in denen ein Angehöriger<br />

entweder sofort noch auf dem Operationstisch an der Transplantation<br />

gestorben ist oder eben schon nach einem Jahr<br />

an Krebs als Folgewirkung der Immunsuppression. Solche<br />

Krankheitsverläufe sind sehr dramatisch, weil zunächst viel<br />

Hoffnung auf ein heiles Weiterleben entsteht, das Damoklesschwert<br />

des Todes aber dennoch über diesen Familien<br />

schwebt.<br />

Nierenempfänger haben die höchsten Überlebensraten,<br />

und zwar nicht, weil es sich um eine Erfolgsmedizin handelt,<br />

sondern weil die Dialyse eine Kompensationsmöglichkeit<br />

bietet, eine Abstoßung und die Zeit ohne eine Transplantation<br />

zu überbrücken. Daher gibt es nicht wenige Nierenempfänger,<br />

die bereits eine zweite oder gar dritte Niere haben<br />

(z.B. Niki Lauda: erste Niere von seinem Bruder, die zweite<br />

von seiner Lebensgefährtin). Vor diesem Hintergrund kann<br />

ich die Meinung von Herrn Freundt nicht teilen, dass auf<br />

der einen Seite die glücklichen Organempfänger stehen und<br />

auf der anderen Seite die betrübten Familien der Organspender.<br />

Nichtsdestotrotz hat Herr Freundt einen sensiblen<br />

Beitrag zur Diskussion über die Organtransplantationsmedizin<br />

geleistet. Priv.-Doz. Dr. Anna Bergmann, Berlin<br />

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durchblick 4/<strong>2008</strong> 57


Unterhaltung / Impressum<br />

Es fiel uns auf …<br />

… dass der Gedanke ans Älterwerden den Menschen<br />

heute weniger Angst macht.<br />

In einer Umfrage des Institutes für Demoskopie<br />

Allensbach antworteten nur 18 Prozent der über<br />

59-Jährigen: „Ja, ich habe Angst älter zu werden.“<br />

Immerhin 78 Prozent sagen, dass sie keine Angst vor dem<br />

Älterwerden haben.<br />

… dass Reiche und Gebildete länger leben.<br />

Nicht die erbliche Veranlagung scheint in den meisten<br />

Fällen entscheidend für unsere Lebenserwartung zu<br />

sein, sie mache nur etwa 25 Prozent aus. Wichtiger ist<br />

der Lebensstil, der durch gute medizinische Versorgung,<br />

bessere Ernährung und Bildung geprägt ist.<br />

… dass Senioren ein hohes Risiko durch Stürze haben.<br />

Die Zahl von Stürzen im Haushalt durch Senioren nimmt<br />

zu, dabei sind alleine 4800 im Jahre 2005 gestorben.<br />

Tipps, wie Senioren einen Sturzunfall vermeiden können,<br />

gibt die aktualisierte Neuauflage der Broschüre „Sicher<br />

leben auch im Alter. Sturzunfälle sind vermeidbar“.<br />

Die Broschüre kann man bestellen bei: Aktion DSH,<br />

Stichwort Senioren, Holsteinischer Kamp 62,<br />

22081 Hamburg.<br />

… dass man manchmal selber schuld ist.<br />

Gemäß einem Gerichtsurteil bekommt man kein Schmerzensgeld,<br />

wenn man auf dem Parkplatz eines Supermarktes<br />

über einen ein Zentimeter herausragenden Pflasterstein<br />

stürzt. Begründung: Auf diesem Gelände ist mit Unebenheiten<br />

und anderen Hindernissen zu rechnen.<br />

Gedächtnistraining: Lösungen von Seite: Seite 40/41<br />

Seltsame Regeln: Regeln im Park 1.HUNDE BITTE<br />

AN DER LEINE HALTEN, 2.NUR AUF DEN WEGEN<br />

GEHEN, 3.KEINEN ABFALL AUF DEN WEG WERFEN,<br />

4.FUTTER NUR AUS DEM AUTOMATEN KAUFEN,<br />

5.NICHT LAUT RUFEN ODER SCHREIEN, 6.NICHT<br />

ALLE TIERE ANFASSEN, 7.KEIN FEUER MACHEN,<br />

8.ELTERN HAFTEN FÜR IHRE KINDER. Tiere gesucht:<br />

1.ABSTAUBEN, 2.EIGELB, 3.PAPIERKLEBER,<br />

4.DREHTÜR, 5.UNSAUBERKEIT, 6.PFENNIGFUCHSER,<br />

7.LEBENSPHASE, 8.SCHUNDROMAN, 9.GEGENTEIL,<br />

10.NERVENKITZEL, Lösungswort: TIERSCHUTZ. Was<br />

gehört zusammen: Heu-Pferd; Regen-Wurm, Feuer-Salamander,<br />

Turm-Falke, Kegel-Robbe, Zitronen-Falter, Hauben-Taucher,<br />

Mauer-Segler, Zwerg-Kaninchen, Kreuz-Otter, Nasen-Bär,<br />

Kaiser-Pinguin. Logisches Denken: 1.Pfau, 2.Fasan, 3.Amsel,<br />

4.Hirsch, 5.Fuchs.<br />

Zu guter Letzt:<br />

Anlässlich des Interviews zu unserem Bericht (Seite 14)<br />

sagte uns der Artist Johann Traber, der mit Motorradstunts<br />

auf dem Hochseil weltberühmt wurde: In meiner<br />

Familie hat niemand den Motorrad-Führerschein, Motorradfahren<br />

auf der Straße ist uns viel zu gefährlich.<br />

durchblick<br />

Herausgeber:<br />

durchblick-siegen Information und Medien e.V.,<br />

Im Auftrag der Stadt Siegen – Regiestelle Leben im Alter<br />

Anschrift der Redaktion:<br />

„Haus Herbstzeitlos“, Marienborner Str. 151, 57074 Siegen<br />

Telefon 0271 61647, Mobil: 0171 6206413<br />

E-Mail: redaktion@durchblick-siegen.de<br />

Internet: www.durchblick-siegen.de<br />

Öffnungszeiten:<br />

dienstags bis donnerstags von 10.00 bis 12.30 Uhr<br />

dienstags auch von 15.00 bis 17.00 Uhr<br />

Redaktion:<br />

Maria Anspach; Friedhelm Eickhoff (verantw.); Fritz Fischer;<br />

Eberhard Freundt; Dieter Gerst; Inge Göbel; Gerda Greis;<br />

Dorothea Istock; Erich Kerkhoff; Erika Krumm; Horst Mahle;<br />

Helga Siebel-Achenbach; Ulli Weber<br />

Bildredaktion:<br />

Thomas Benauer; Friedhelm Eickhoff; Gottfried Klör; Tessie Reeh;<br />

Agnes Spar; Peter Spar; Sabine Völkel<br />

Internet:<br />

Thomas Benauer<br />

An dieser Ausgabe haben ferner mitgewirkt:<br />

Barbara Kerkhoff; Edith Maria Bürger; Julian Felgitsch (S. 5);<br />

Dr. Horst Bach; Jan Vering (S.30); Else Diezemann; Wilma Frohne.<br />

Fotos/Zeichnungen/Grafik (soweit nicht im Bild angegeben):<br />

M. Anspach, D. Istock, E. Freundt, Fritz Fischer, Hartmut Reeh,<br />

D. Gerst, S. Völkel, A. Spar, Dr. H. Bach; G. Klör; H. Mahle,<br />

T. Benauer, H. Siebel-Achenbach, ,,durchblick-Photoshop-Club;<br />

Grünflächenamt der Stadt Siegen, Norbert Schulz.<br />

Hör-CD: Helmut Drabe (verantwortlich); Hans-Peter Gebhardt;<br />

Kruno Schmidt; Hildburg Heinrich; Ingrid Drabe; Siegbert Ullrich;<br />

Helga Siebel-Achenbach; Horst Ehrenspeck; Inge Göbel<br />

Gestaltung, Satz und Layout:<br />

durchblick – Lektorat<br />

Herstellung und Druck:<br />

Vorländer, Obergraben 39, 57072 Siegen<br />

Erscheinungsweise: März, Juni, September, Dezember<br />

Verteilung: Helga Siebel-Achenbach (Ltg.), alle Redakteure, Ellen<br />

Schumacher, Fred Schumacher, Hannelore Münch, Paul Jochum,<br />

Elisabeth Flöttmann, Helga Sperling, Hermann Wilhelm, Dieter<br />

Wardenbach, Ingrid Drabe<br />

Auflage: 10000 – Der durchblick liegt kostenlos in Sparkassen,<br />

Apotheken, Arztpraxen, Zeitungsverlagen, City-Galerie, Geschäften<br />

des Siegerlandzentrums und öffentlichen Gebäuden aus.<br />

Für die Postzustellung berechnen wir für vier Ausgaben jährlich 8 Euro.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben<br />

nicht unbedingt die Meinung der Redaktion<br />

wieder. Die Redaktion behält sich<br />

vor, eingesandte Beiträge und Leserbriefe<br />

zu kürzen. Unverlangte Beiträge werden<br />

nicht zurückgeschickt.<br />

Für unsere Anzeigenkunden gilt die<br />

Preisliste 9/2007.<br />

58 durchblick 4/<strong>2008</strong>

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