NO2 / 2018
LIVINGLIFE
&
B A D E N - B A D E N
MAGAZIN DER IMMOBILIEN R EGIONAL AG · PRODUKTION: K O PPELSTÄTTER MEDIA GMBH
ARCHITEKTUR · MENSCHEN · KUNST
Lounge Chair & Ottoman Design: Charles & Ray Eames, 1956
www.vitra.com/loungechair
Möbel · Leuchten · Accessoires · Design · Ausstellung auf 4 Etagen · Showroom im Kurgarten · Kaiserallee 1
Merkurstr. 1, 76530 Baden-Baden, Telefon +49 (0) 72 21 / 28 12 00, info@candela-baden-baden.de, www.candela-baden-baden.de
EDITORIAL
LIEBE LESERINNEN,
LIEBE LESER,
Sie halten die neue Ausgabe des Baden-Badener Magazins „Living & Life“ in den
Händen. Ich muss offen sagen, wir sind alle von den vielen positiven Reaktionen der
ersten Ausgabe überrascht. Baden-Baden lebt von seinem Gesamtambiente, eingebunden
in das grüne Tal der Oos. Es sind die einzigartige Architektur, die Kunst, die
Baukultur und die kreativen Menschen, die diesen Fleck Erde so liebens- und lebenswert
machen. Wir versuchen, gemeinsam mit einem erfahrenen Journalistenteam,
diesem Zauber auf den Grund zu gehen. Internationale Architektur in Baden-Baden
spielt ebenso eine Rolle, wie die Bewerbung Baden-Badens zum UNESCO-Weltkulturerbe
oder die Kunst im Museum Frieder Burda und das Festspielhaus. Aber auch
die erfolgreichen Lichtdesigner Markus Wörgau und Wolfgang Langner sowie der
einzigartige Lampenanzünder vor dem Kurhaus kommen zu Wort.
Wald und Holz spielen eine große Rolle in diesem Heft, wir werfen einen Blick auf die
unglaubliche Faszination des Schwarzwaldes und auch des Baden-Badener Stadtwaldes
– mit der größten kommunalen Waldfläche in Süddeutschland. Wir haben den Landesforstpräsidenten
Max Reger zum Gespräch getroffen und einem der erfolgreichsten
Naturfotografen, Klaus Echle („Der mit dem Fuchs tanzt“), über die Schulter geschaut.
„Living & Life“ ist ein rein journalistisch geprägtes Magazin. Unsere Reporter sprachen
mit dem weltberühmten britischen Maler, Grafiker und Bühnenbildner David Hockney
und mit der japanischen Künstlerin Masayo Odahashi. Wir beleuchten außerdem die
einzigartige Kindermusikwelt Toccarion im Festspielhaus Baden-Baden. Und es gibt
noch ein Kuriosum: Der britische Komiker „Mr. Bean“ war in Baden-Baden. Er ist ein
ausgesprochener Liebhaber moderner Architektur und liebt das Wechselspiel zwischen
Natur und Wohnen. Der frühere Mannschaftsarzt der Fußball-Nationalmannschaft,
Professor Heinrich Liesen, lebt in Baden-Baden und berichtet über seine Sichtweise auf
diese Stadt. Ein Highlight ist auch die Begegnung mit dem aus Baden-Baden Steinbach
stammenden Innenarchitekten Gunter Fleitz: Seine Entwürfe und Ideen prägen Gebäude
in aller Welt, in allen Erdteilen – und auch mitten in Baden-Baden.
Viel Freude bei der Lektüre!
Ihr
MARTIN ERNST
Immobilien Regional AG
Vorstand
LIVING & LIFE 3
RUBR IK
58
12
INHALT
6
SCHEIBEN-
SCHLÖSSCHEN
Ein Juwel im Herzen
Baden-Badens
26
BR AHMSHAUS
Das Glück vergangener
Stunden
12
18
FÜRSTENBAHNHOF
Kindermusikwelt Toccarion
WELTKULTURERBE
Zukunft Baden-Badens
30
32
T IPPS
SEHNSUCHTSORTE
Gespräch mit dem Architekten
Gunter Fleitz
24
A M ERIKANISCHER
T R AUM
Museum Frieder Burda:
America! America!
38
42
L ICHT IST LEBEN
Candela-Leuchten
LAMPENANZÜNDER
Es ist, als ob er einen neuen
Stern erschafft
6 78
4 LIVING & LIFE
RUBR IK
46
32
46
HARALD WOH L FAH RT
Star-Koch unter Klassikstars
64
DER MIT DEM
F UCHS TANZT
Naturfotograf Klaus Echle
IMPRESSUM
HERAUSGEBER
Martin Ernst, Vorstand
Immobilien Regional AG
48
52
58
GESPRÄCH
mit dem Sportmediziner
Professor Heinrich Liesen
ER NST & ER NST
Interview mit Martin Ernst und
Theresa-Luisa Ernst
BEGEGN UNG
David Hockney
72
78
80
82
ÖKOLOGISCH E
V IELFALT
Gespräch mit Baden-
Württembergs Forstpräsidenten
Max Reger
M ASAYO ODA H ASH I
Es gibt immer ein Morgen
„ M R . BEAN“ I N
BADEN-BA DEN
IM GESPRÄCH
Zahnmediziner
Dr. Sven-Marcus Beschnidt
und Zwei-Sterne-Koch
Paul Stradner
R EDA KTIO N U ND
P RO D U KTIO N
Koppelstätter Media GmbH
Friedrichstraße 2, 76530 Baden-Baden
hok@koppelstaetter-media.de
www.koppelstaetter-media.de
Horst Koppelstätter (V.i.S.d.P.),
Ariane Lindemann, Stefan Tolksdorf
Gestaltung: Sabine Ostholt
Koordination: Judith Kirschner-Forcher,
Hanna Faust und Kristina Lott
TITELFO T O
Blick vom Florentinerberg auf die
Stiftskirche Baden-Baden
Foto: Monika Zeindler-Efler
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Judith Kirschner-Forcher
kirschner-forcher@koppelstaetter-media.de
Telefon: 07221-9737215
F O T O S
Koppelstätter Media GmbH, Immobilien Regional
AG, Privat, Monika Zeindler-Efler, Michael Bode,
TASCHEN GmbH / Mark Seelen, Museum
Frieder Burda Baden-Baden, Galerie B, Deutsche
UNESCO-Kommission / Sarah Larissa Heuser,
Oetker Collection, Shutterstock, Zooey Braun,
Sander & Bastian, Bundesministerium der
Finanzen / Thomas Koehler, Ippolito Fleitz Group,
iStockphoto, Ronny Schönebaum, Baden-Baden
Kur & Tourismus GmbH, picture alliance /
Photoshot, Matthias Vriens-McGrath, Klaus Echle
86
3 F R AGE N AN
Nora Waggershauser
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www.kraft-premium.de
© 2017
Alle Rechte für Idee, Gestaltung,
Texte, Fotos bei Koppelstätter Media GmbH.
Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit
Genehmigung der Redaktion.
64
LIVING & LIFE
5
RUBR IK
SCHEIBENSCHLÖSSCHEN
EIN JUW E L IM HER Z E N BA D E N-BA D E N S
6
LIVING & LIFE
PALAIS HAB ER
VON HORST KOPPELSTÄTTER
er Blick aus dem Fenster fällt auf ein heute eher
D unscheinbares Areal. Doch hier bewohnte einst
die badische Großherzogin Stephanie ihr wunderschönes
Gartenpalais inmitten eines großen englischen Parks. Das
war in den Jahren nach 1811, als die (vermutliche) Mutter
des sagenumwobenen Kaspar Hauser regelmäßig in ihrer
herrlichen Sommerresidenz wohnte. Stephanie liebte Baden-Baden.
Heute steht an dieser Stelle die Baden-Badener
Realschule. Die Stephanienstraße ist immer noch nach der
kaiserlichen Prinzessin Stéphanie Louise Adrienne de Beauharnais
– auch Stéphanie Napoléon – benannt, die ja
Adoptivtochter von Napoléon Bonaparte war.
Wir befinden uns genau gegenüber in der Stephanienstraße
7, im so genannten Scheibenschlösschen. Es handelt sich
um eines der ganz wenigen in Süddeutschland noch vollkommen
erhaltenen Stadtpalais nach französischem Vorbild.
Ein Juwel mitten in Baden-Baden in einer Umgebung,
die von einzigartigen biedermeierlichen Häusern geprägt
ist. Dieser Teil Baden-Badens gilt unter Experten als ausgesprochen
wichtig auf dem Weg der Stadt, Weltkulturerbe
der UNESCO zu werden.
Wir sind mit dem Eigentümer des Schlösschens, Alexander
Antonow, verabredet, der mit seiner charmanten Frau die
Gäste in der Beletage empfängt. Wann haben Sie dieses
Haus eigentlich gekauft? Antonow: „Nein, nein, ich habe
es nicht gekauft. Ich habe das Gebäude von meinen Eltern
im Jahr 1993 geerbt. Meine Familie lebt seit Generationen
in Frankfurt. Wir sind bis hin zu meinem Großvater
Bauingenieure und Baumeister. Das ist unsere Passion. Ich
liebe historische Gebäude und plane gerne Großprojekte
mit moderner Technik“, schmunzelt Antonow, dessen leiblicher
Vater ein Russe war.
Und dann kommt er ins Schwärmen: „Wo gibt es noch so
ein komplett erhaltenes Gebäude in Süddeutschland? Das
Anwesen ist ein vollständiges Ensemble mit Wohnbau,
Hofdurchfahrt mit Pförtnerwohnung, Innenhof und Remise
mit Bedienstetenwohnung darüber sowie hochgelegenem
Garten mit Zugang zum ersten Obergeschoss.“
LIVING & LIFE 7
RUBR IK
Es ist ein Palais wie aus einer anderen Zeit. Antonow und
seine Frau begannen in den 90er Jahren, das historische
Ensemble mit viel Geschick und Sachverstand umfassend
zu sanieren. Stück für Stück, Zentimeter um Zentimeter
wurde alles nach Originalvorbild erneuert. „Es hat ein
Vermögen gekostet“, entfährt es Antonow kurz und dann
fügt er hinzu: „ ... , aber es hat sich gelohnt.“ Heute sind alle
Wohnungen vermietet, lediglich ein Stockwerk bewohnt
Alexander Antonow mit seiner Familie selbst.
Welch hohen Rang das Gebäude hat, beschreibt auch Clemens
Kieser vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg
in einem Gutachten über das Scheibenschlösschen, auch
„Palais Haber“ genannt: „Das Anwesen zeichnet sich neben
seiner hohen baulichen Qualität durch seinen außergewöhnlich vollständigen
und guten Erhaltungszustand aus. Dies gilt insbesondere
für die hochwertige und denkmalgerecht restaurierte Innenausstattung.
Fast alle Holzteile besitzen noch ihre Originalsubstanz und
mussten nur selten materialgerecht nachgebildet werden. Dies gilt
für die Fenster der Wohnungen und des Treppenhauses, die Türen
und die Torfahrt, die Stuckdecken und die Fußbodenbeläge. So zeigt
die Tordurchfahrt noch den ursprünglichen Belag mit großen Sandsteinplatten
und das repräsentative Außentor mit reich dekorierten
Gittern aus Gusseisen.
Bemerkenswert ist, dass der Funktionszusammenhang des herrschaftlichen
Stadtpalais noch sehr gut ablesbar ist: In der Torfahrt
befindet sich noch das Fenster zur Pförtnerloge, dahinter die
Pförtnerwohnung. In der Durchfahrt konnten die aus der Kutsche
steigenden Besucher trockenen Fußes das Treppenhaus durch einen
Gang mit Kreuzgewölbe erreichen. Die Kutschen und Pferde fuhren
zum Wenden beziehungsweise Ausspannen in den Hof. Am heute
zu Wohnraum umgenutzten Seitengebäude befanden sich Remise
und Stallungen, die an den Gewänden des Untergeschosses noch
ablesbar sind. Darüber befand sich die Kutscherwohnung. Neben
der Haupttreppe im Wohnhaus kann in der heutigen Waschküche
8
LIVING & LIFE
RUBR IK
BELETAGE
noch der Verlauf einer Nebentreppe nachvollzogen werden, die den
Dienstboten vorbehalten war.
Die heute aufgeteilten herrschaftlichen Wohngeschosse zeigen im
ersten Obergeschoss unter anderem originale Bodenfliesen, Parkette,
Lamperien, aufwändige plastische Stuckgestaltungen und mehrere
stattliche historische Kachelöfen. Auch im zweiten, ebenfalls aufgeteilten
Obergeschoss findet sich eine ähnliche Ausstattungsfülle mit
zwei weiteren bauzeitlichen Öfen. Besonders bemerkenswert ist hier
der historische Ziererker mit farbigen Glasfenstern. Weiterhin zeigen
sich in den herrschaftlichen Wohnungen neben den Fensterläden
noch die historischen Fensterbeschläge und -verschlüsse.“
Eine Expertise des Landesdenkmalamtes, die nicht besser
ausfallen könnte und die für sich spricht. Eigentlich müsste
also alles eitel Sonnenschein sein, perfekter und schöner
kann man sich ein Leben in Baden-Baden kaum vorstellen.
Doch der ausgewiesene Architekturexperte Antonow sieht
manch dunkle Wolke am Himmel aufziehen: Es ist nicht
der Blick auf die Realschule gegenüber, der ihn stört, die
Schule ist längt Bestandteil des Stadtbildes, doch der Blick
aus dem Fenster auf der anderen Seite fällt auf den tristen
Beton des Parkplatzes der lokalen Zeitung Badisches Tagblatt.
Hier stand einst die Jüdische Synagoge Baden-Badens,
die von den Nazis zerstört wurde. Antonow mutmaßt,
dass nach dem Neubau des Zeitungsverlages im Industriegebiet
dieses innerstädtische Filetstück früher oder später
verkauft und einmal mit teuren Wohnblocks bebaut wird.
Noch schlimmer trifft ihn die aktuelle Planung des direkt
angrenzenden Vincenti-Areals. Das dortige Altenheim ist
in die Cité gezogen und nun sollen hier Luxuswohnungen
mit einer nach Antonows Dafürhalten „hässlichen“ Architektur
entstehen. Antonow: „Das wird diesem wunderschönen
historischen Areal überhaupt nicht gerecht. Hier wird
viel zerstört.“ Hören wollte seine Einwände bislang kaum
einer.
LIVING & LIFE 9
RUBR IK
PALAIS HABER
GESCHICHTE DES SCHEIBENSCHLÖSSCHENS
Der Werkmeister Ludwig Britsch erwarb 1853 das Grundstück
und errichtete hier bis 1855 nach eigenen Planungen
ein herrschaftliches Gebäude mit Seitenflügel, Hof und
Garten. Das Gebäude verkaufte Britsch dann bereits 1855
für 40.000 Gulden an den bedeutenden Karlsruher Bankier
Moritz Salomon von Haber (1798-1874), der es für seinen
Sohn Heinrich erwarb. Heinrich von Haber (geboren 1824)
diente als österreichischer Offizier in der nahen Bundesfestung
Rastatt und behielt das Gebäude bis zu seiner Übersiedlung
nach Paris im Jahre 1880. Sein Vater, Moritz Salomon
von Haber, hatte als Karlsruher Großfinanzier und
Berater des großherzoglichen Paares in den frühen 1840er
Jahren im Mittelpunkt der von Ehrenhändeln und öffentlichem
Aufruhr begleiteten „Haber-Affäre“ gestanden.
Seit 1880 war das Haus im Besitz des Arztes Dr. Emil
Knecht, der 1899 Stallungen und Remise zur Wohnnutzung
umbauen ließ. Nach dem 1920 erfolgten Erwerb führten die
renommierten Architekten Scherzinger und Härke als neue
Eigentümer 1926 neben kleineren Grundrissveränderungen
einen Ausbau des Dachgeschosses durch. Auch wurde 1935
nach eigenem Entwurf eine Haustüre eingesetzt, zumal der
Zugang vorher nur über die Torfahrt möglich gewesen war.
Bei dem Anwesen handelt es sich um ein besonders gutes
und gut erhaltenes Beispiel des privatwirtschaftlichen, gehobenen
Wohnungsbaus in der Blütezeit der europäischen
Kurstadt Baden-Baden.
Der zu Wohlstand gekommene Werkmeister Ludwig Britsch
(gestorben 1856) schuf hier auf einem topographisch ungünstigen
Eckgrundstück in Hanglage mit großem Geschick
ein repräsentatives Stadtpalais. Beispielhaft führte Britsch
vor, welches die ästhetischen und lebensweltlichen Bedürfnisse
der europaweit in das Modebad zuziehenden aristokratischen
und großbürgerlichen Oberschicht waren.
Ludwig Britsch, der den Titel „Werkmeister” führte, entwickelte
sich in den 1830er und 1840er Jahren zum erfolgreichsten
lokalen Baumeister in Baden-Baden. Formal von
der Karlsruher Bauschule – unter dem allmächtigen Heinrich
Hübsch – beeinflusst, führte er in der Kurstadt eine
Reihe von Um- und Neubauten durch, die in den Stadtgeschichtlichen
Sammlungen Baden-Baden dokumentiert sind,
darunter sogar einige Hotelbauten. Von der Hand des Ludwig
Britsch stammen weiterhin sein eigenes Wohnhaus in
der Stephanienstraße 14 (1835), das Fürstenbergische Palais
(Stephanienstraße 15, 1833/34), das Haus Stephanienstr. 16
(1832-35) und die Villa von Bose (Stephanienstr. 13, 1853).
10
LIVING & LIFE
P ALAIS
H A B ER
Weiterhin schuf Britsch das Wohnhaus des Gemeinderats
Ehinger in der Lichtentalerstraße 26 (1840, abgebrannt
1935). In ihrer Dissertation zum Villenbau in Baden-
Baden hebt Leni Niemann die Vorliebe des Entwerfers für
bauplastische Zierelemente hervor, die auch an der Fassade
des hier behandelten Hauses sichtbar sind. Weiterhin
bemerkte die Autorin die bemerkenswerte zeichnerische
Qualität der Planvorlagen sowie die Fähigkeit von Ludwig
Britsch, vorgegebene Grundrisstypen für seine anspruchsvollen
Wohnbauten repräsentativ zu interpretieren.
Die Karriere des Ludwig Britsch, er war zunächst Maurermeister,
dann erfolgreicher Architekt und Bauunternehmer,
ist auffallend. Er erwarb Baugrundstücke, schuf vornehme
Wohnbauten auf eigene Rechnung, die er dann gewinnbringend
veräußerte. Sein Erfolg steht damit beispielhaft für die
sozialen Umbrüche des 19. Jahrhunderts, die solche wirtschaftlichen
und sozialen Aufstiege vom Handwerker zum
nicht akademisch gebildeten Baumeister ermöglichten. Seinen
Erfolg verdankte Ludwig Britsch dabei auch dem beispielhaften
Aufstieg der Stadt Baden-Baden zum mondänen
Modebad und den damit einhergehenden Renditen.
Die dreigeschossige Straßenfassade des Hauses Stephanienstraße
7 zeigt eine gut gelungene Umsetzung eines
Stadtpalais des Historismus, das in seinem Stilempfinden
als romantisierende Neorenaissance mit biedermeierlichem
Einschlag charakterisiert werden kann. Das Untergeschoss
der Fassade bildet eine schwere Rustizierung, darüber wird
ein freieres, handwerklich ausgezeichnet umgesetztes Spiel
mit architektonischen Zierformen entwickelt. Die Geländeunterschiede
des Terrains sind durch ein rustiziertes Kellergeschoss
mit Toreinfahrt, die ursprünglich den einzigen
Zugang bildete (zusätzliche Tür 1920), ausgeglichen. Die
Fassaden sind im Gegensatz zu den schlichteren Rückfassaden
reich geschmückt: Rundbogenfenster werden zu den
beiden Mittelrisaliten zusammengefasst und von Säulen in
der Mitte getragen. Hier finden sich, von einem Sohlbankgesims
geteilt, unter einem umlaufenen Kranzgesims Pilaster,
Verdachungen, Brüstungsornamente, Voluten, Bänder,
Rosetten, Balkone auf Konsolen mit verzierten Brüstungen
und ein romantischer Eckerker. Insgesamt gelang dem Architekten
Britsch eine opulente, aber würdevolle, künstlerisch
stimmige Inszenierung eines repräsentativen, städtebaulich
wirksamen Eckgebäudes.
AUSZUG AUS „BEGRÜNDUNG DER DENKMALEIGENSCHAFT“ VON
DR. CLEMENS KIESER, LANDESDENKMALAMT BADEN-WÜRTTEMBERG
LIVING & LIFE 11
RUBR B LAU IK IN DER K UNST
2013 wurde das Toccarion im Alten Fürstenbahnhof eröffnet. Der Bau im italienischen Renaissancestil wurde dafür aufwendig restauriert.
ALTER
FÜRSTENBAHNHOF
IST HEUTE SPIELPLATZ
FÜR MUSIK
12
LIVING & LIFE
TOCCARION
VON A RIANE L INDEMANN
m Westflügel des alten Bahnhofs in Baden-Baden gingen
früher Staatsoberhäupter und weltweit bekannte
I
Künstler ein und aus: Großherzog Friedrich I. von Baden
empfing in dem repräsentativen Gebäude hochrangige
Gäste, die mit dem Zug in die Kurstadt reisten. Vom
Gleis aus ging es überdacht in die edlen Räumlichkeiten
des so genannten Fürstenbahnhofes – eine architektonische
Besonderheit, die man sonst nur in Residenzstädten und
wenigen Kurorten antraf. Der Hofzug des Kaisers hielt
damals exakt so am Baden-Badener Bahnsteig, dass sich
die Flügeltüren zum „Fürstenzimmer“ öffnen konnten, aus
denen der Großherzog seinen VIP-Gästen entgegentrat.
Seit der Stilllegung des Baden-Badener Bahnhofs 1977
wurden die Räumlichkeiten unter anderem mehrere Jahre
als „Automatenspiel“ des Casinos Baden-Baden genutzt,
erstrahlten aber nie wieder in ihrem alten Glanz. Der alte
Bahnhof, der seit 1998 als Vestibül in das Festspielhaus an
Stelle der Gleise einbezogen ist, hat viele prominente Gäste
gesehen, die bis 1918 mit schnaubenden Dampfloks vor
dem Prachtbau quietschend zum Stehen kamen.
Der Bahnhof wurde zwar stillgelegt, das Quietschen aber
ist nicht verhallt. Im Gegenteil. Wer heute vor dem eklektizistischen
Gebäude im italienischen Renaissancestil steht,
kann es ganz laut hören. Es kommt aus dem Inneren des
prächtigen Westflügels: Hier probieren sich Kinder an der
Posaune – das klingt manchmal schräg, macht aber großen
Spaß. Sie pusten in die Tuba, toben und tanzen, springen
auf einem begehbaren Piano, zaubern auf verschiedenen
Instrumenten tolle Klänge und Rhythmen hervor – dirigieren
sogar selbst Mozart und Bach.
DIE EINZIGARTIGE KIND E RMUSIK W E L T
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LIVING & LIFE 13
RUBR IK
14
LIVING & LIFE
TOCCARION
TOCCATA · TOCCARE
TOC CARION
Der ehemalige Fürstenbahnhof ist mittlerweile täglich
von Musik erfüllt: Die einzigartige Kindermusikwelt
„Toccarion“ der Sigmund-Kiener-Stiftung im Festspielhaus
Baden-Baden führt junge Menschen zwischen fünf
und zwölf Jahren spielerisch an die faszinierende Welt
der Musik heran.
Auf einer Fläche von 600 Quadratmetern können die Kids
hier nach Lust und Laune aktiv werden, ausprobieren,
selbst komponieren, Töne erzeugen, eine Klarinette auseinander
nehmen oder eine echte Geige streicheln. Spaß an
der Musik, am Erzeugen von Klangwelten, am Lauschen
und Staunen stehen dabei im Vordergrund. Der Name
Toccarion ist eine neue Wortkreation, in der zwei Begriffe
aus der Musik anklingen: „toccata“ (ein frei gespieltes Musikstück)
und „toccare“ (italienisch für berühren, betasten,
anfühlen).
„Es ist ein „Glücksfall“, dass der Originalzustand des Gebäudes
dank des Engagements der Sigmund-Kiener-Stiftung
an vielen Stellen wieder hergestellt werden konnte“, so
der für Baden-Baden zuständige Gebietstreferent des Landesdenkmalamtes,
Dr. Martin Wenz. „Unter den erhaltenen
Bahnhofsbauten der zweiten Generation (um 1890) ist
dies bestimmt der wichtigste in Baden-Württemberg“, so
Wenz zum seit 2013 vollständig restaurierten Gebäude.
Als es an die Planungen für das Toccarion ging, entschied
Stifter Sigmund Kiener, keine Kosten und Mühen zu
scheuen, diese Räume der Öffentlichkeit und vor allem
kommenden Generationen von Musikliebhabern zurückzugeben.
In enger Zusammenarbeit mit dem Landesamt
für Denkmalpflege führten mehrere Restauratoren die aufwendigen
Maßnahmen in den Prunkräumen und an den
Fassaden des früheren Fürstenbahnhofs durch.
Der Fürstenbau hatte den Krieg gut überstanden, entkam
in den Siebziger Jahren nur knapp der Abrissbirne
und gilt heute als Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung
gem. § 12 des Denkmalschutzgesetzes Baden-Württemberg.
Der Bau wies starke Verschmutzungen auf, der
Sandstein der Fassade war durch den Dampflok-Ruß zum
Teil stark beschädigt. Da der Großherzog und viele seiner
Gäste starke Zigarrenraucher waren, musste im Hauptempfangsraum
ein dicker Nikotinfilm mit aufwendiger
Ablösetechnik beseitigt werden. Die schmuckvollen Tapeten
wurden aufgearbeitet und angepasst. Deckenmalereien
und Wände konnten ausgebessert werden, die mit einer
zeittypischen Bierlasur überzogenen Holztäfelungen wurden
behutsam instandgesetzt – auch die Fenster, die alle
noch aus der Bauzeit stammen. „Dabei sollte eine gewisse
Patina ganz bewusst erhalten werden“, so Konservator
Wenz.
LIVING & LIFE 15
RUBR B LAU IK IN DER K UNST
„Es ist unglaublich wichtig, etwas für Kinder zu tun”, findet auch Udo Lindenberg, hier mit Stefan Kiener (rechts),
der die Kindermusikwelt gemeinsam mit seiner Frau Nicole leitet.
Heute führt ein Team aus 14 Musiklotsen täglich Gruppen
von Kindergärten, Schulklassen und Musikvereinen oder
Einzelbesucher durch den liebevoll restaurierten Bau. Das
Konzept ist einzigartig. Der Stifter Sigmund Kiener hat
die Kinderwelt ins Leben gerufen und mit 4,5 Millionen
finanziert. Ein erheblicher Teil des Geldes wurde für die
Restaurierung der historischen Räume eingesetzt. Zur
Eröffnung im Mai 2013 kam Sopranistin Anna Netrebko
und war nicht nur als gefeierter Star der Opernwelt begeistert,
sondern auch als Mutter sofort angetan von den
Möglichkeiten, die Kinder hier haben. Viele große Musiker
unterstützen das Projekt und zeigen den jungen Menschen,
was ihnen persönlich am meisten Freude bereitet,
sind hautnah dabei und machen selbst mit. Die deutsche
Band Glasperlenspiel hat das Toccarion ebenso besucht
wie der russische Geiger Maxim Vengerov oder Stars des
SWR-New-Pop-Festivals.
An den Wochenenden werden neben Führungen für verschiedene
Altersstufen auch Familienführungen für Erwachsene
und Kinder gemeinsam angeboten. Das Interesse
ist groß: Seit Bestehen hat das Toccarion mehr als
42.000 Besucher zu verzeichnen.
Virtuelle Spiele und physikalische Experimente zur Akustik
sind im „Dschungel der Klänge” zu entdecken. Das
„Abenteuer Musik” führt durch mehrere Räume. Selbst
ihren Bewegungsdrang können Kinder hier austoben.
„Lass' es krachen!“ heißt beispielsweise ein Workshop, bei
dem die jungen Menschen ordentlich auf Schlaginstrumente
trommeln, stampfen oder in einer Bodypercussion
ihren angestauten Frust loswerden. Wer will, kann munter
auf einem riesigen Walking-Piano hüpfen und es so zum
Leben erwecken. Über Kopfhörer, Mikro und Zerrspiegel
werden Stimme und Körper verfremdet, was immer wieder
Lachsalven hervorruft. Die jungen Musiker dürfen sogar
ein virtuelles Orchester dirigieren. Kein Wunder, dass
die Benotung der Besucher spitzenmäßig ausfällt: Zwischen
1,0 und 1,4 lag die Bewertung der bisherigen Nutzer.
Wer einmal da war, geht begeistert und beschwingt nach
Hause, mit Musik in den Ohren, einem Lied auf den Lippen
und Tönen im Herzen.
TOCCARION
im Festspielhaus Baden-Baden
Eintritt: Kinder drei Euro, Gruppen 60 Euro,
Erwachsene fünf Euro
Barrierefrei
Kindergeburtstage möglich
Toccarion ist nur innerhalb einer
Führung, eines Workshops oder einer
Veranstaltung zu besuchen.
WWW.TOCCARION.DE
16
LIVING & LIFE
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RUBR IK
WELTKULTURERBE
BADEN-BADEN?
18 LIVING & LIFE
WELTK ULTURERB E
VON S TEF AN T OLK SDORF
FOTOS: M ONIK A ZEINDLER-EFLER
ls 1978 die UNESCO ihre
A Weltkulturerbe-Liste eröffnete,
stand ein deutsches Bauwerk ganz
oben: der Dom zu Aachen. Ein Jahr
vor der Cheops-Pyramide war er als
Kulturdenkmal von „universeller
Bedeutung“ eingestuft worden. Inzwischen
stehen 1.073 Bau- und Naturdenkmäler
in 167 Ländern auf der
berühmten Welterbe-Liste, davon 42
in Deutschland, sechs befinden sich
allein in Baden-Württemberg. Sie
alle erfüllen nach Einschätzung des
Welterbe-Komitees die Kriterien
„Einzigartigkeit, Authentizität und
Integrität (Unversehrtheit)“. Entgegen
der landläufigen Meinung erhalten
im Falle der Anerkennung nur
die bedürftigsten Staaten finanzielle
Zuwendungen aus den UNESCO-
Fonds. Jeder einzelne Mitgliedsstaat
verpflichtet sich indes zum besonderen
Schutz und zur zeitgemäßen Präsentation
seines zum Weltkulturerbe
erklärten Kulturguts.
Seit einem knappen Jahrzehnt stellt
sich auch in Baden-Baden die Frage,
ob nicht die Stadt an der Oos berechtigten
Anspruch auf das begehrte
Prädikat hat. Steht doch die Bedeutung
der Stadt als international in
Kunst und Literatur gefeierter Kurort,
als einstige „Sommerhauptstadt
Europas“, außer Frage.
W I E IST D E R S T AND D E R BEWERB U NG?
LIVING & LIFE
19
RUBR B ADEN-B IK ADEN
Baden-Baden zeigt noch immer das
kulturhistorisch interessante und
baulich geschlossene Gesamtbild einer
der begehrtesten Bäderstädte des
19. Jahrhunderts. Die Idee einer Bewerbung
ging insbesondere auf das
Symposion „Kulturerbe als Grundlage
von Morgen“ zurück, das der
Freundeskreis Lichtentaler Allee e. V.
am 18. Oktober 2006 im Palais Biron
veranstaltete. Da das für die Denkmalpflege
zuständige Ministerium
für Wirtschaft und Finanzen von
einer Einzelbewerbung abriet, formierten
sich als Ergebnis einer internationalen
Fachtagung im Jahr 2010
zunächst 16, später elf europäische
Kurstädte unter dem Namen „Great
Spas of Europe“ zu einem seriellen,
transnationalen Auftragsprojekt. Es
handelt sich um die Kurorte Baden-
Baden, Bad Ems, Bad Kissingen, Spa,
Vichy, Bath, Montecatini in der Toscana,
Baden bei Wien sowie die tschechischen
Traditionsbäder Karlsbad,
Marienbad und Franzensbad. Der
tschechische Staat wird Ende Januar
2018 diesen Gemeinschaftsantrag bei
der UNESCO in Paris einreichen.
WELCHE NÄHEREN KRI-
TERIEN BEFÖRDERN NUN
DIE CHANCEN DER KUR-
STADT AN DER OOS?
„Der Reigen prominenter Kurgäste
in Baden-Baden wird dabei keinen
Ausschlag geben“, weiß Volkmar Eidloth
vom Landesamt für Denkmalpflege,
der für das UNESCO-Welterbe
in Baden-Württemberg zuständig
ist: „Was zählt, ist das unversehrte
Ensemble einer kulturhistorisch einflussreichen
Kurstadt.“ Der Antrag
konzentriert sich allein auf den innerstädtischen
Bereich. Das Festspielhaus
und die Ruine Hohenbaden bleiben
außen vor.
Bei den sechs Welterbestätten in
Baden-Württemberg handelt es
sich um das Zisterzienserkloster
Maulbronn (1993), die Klosterinsel
Reichenau (2000), den obergermanisch-raetischen
Limes (2005), die
prähistorischen Pfahlbauten um die
Alpen (2011), die beiden Le Corbusier-Häuser
in der Stuttgarter Weissenhofsiedlung
(2016) und seit 2017
die Höhlen und Eiszeitfundorte im
Schwäbischen Jura.
Mit dem „Weltkulturerbe“ ist die
Stadt an der Oos übrigens schon länger
verbunden. Im ehemaligen Südwestfunkstudio
wurde vom damaligen
Kulturchef Gustav Adolf Bär die Idee
zu einer Fernsehserie geboren, die seit
1995 erfolgreich über die Sender geht
– zunächst auf 3sat, dann von zahlreichen
deutschen Rundfunkanstalten,
20 LIVING & LIFE
WELTK ULTURERB E
schließlich international: „Schätze
der Welt – Erbe der Menschheit“. Für
die Produktion der beliebten Dokumentarfilme
ist heute ausschließlich
der SWR zuständig. Ein Bonus mit
Langzeitwirkung! Wie aber kam es
überhaupt zur Idee des Weltkulturerbe-Schutzes?
Der Begriff „Kulturerbe
– patrimoine culturel“ – wurde im
späten 18. Jahrhundert von dem lothringischen
Bischof Henri Grégoire geprägt,
der sich während der Französischen
Revolution erfolgreich für die
Abschaffung der Sklaverei einsetzte.
In der Konvention zum Schutz von
Kulturgut bei bewaffneten Konflikten
von 1954 (Haager Konvention)
wird erstmals im deutschsprachigen
Kontext von schützenswertem „kulturellen
Erbe“ gesprochen. Konkreter
Anlass für die Forderung der
UNESCO, eine Liste schätzenswerter
Bauten und Naturdenkmale von
singulärer Bedeutung zu erstellen,
war die Zerstörung altägyptischer
und nubischer Kulturdenkmäler
beim Bau des Assuan-Staudamms in
den frühen 60er Jahren.
LIVING & LIFE
21
RUBR IK
Der Aufruf der UNESCO hatte damals
unter anderem die Rettung der
herausragenden Tempel von Abu Simbel
und Philae zur Folge. Zwölf Jahre
später einigten sich 190 UN-Mitgliedsstaaten
auf die bis heute verbindliche
Welterbekonvention, 1978 eröffnete
die Liste. Seither befindet das 21-köpfige
„World Heritage Commitee“ über
die Vorschläge der Mitgliedsstaaten.
Für die Anerkennung als Weltkulturerbe
sind von der UNESCO vor allem
sechs Kriterien von Bedeutung:
1
Die Güter stellen ein Meisterwerk
der menschlichen Schöpferkraft
dar.
2
Die Güter zeigen, für einen
Zeitraum oder in einem Kulturgebiet
der Erde, einen bedeutenden
Schnittpunkt menschlicher Werte
in Bezug auf die Entwicklung von
Architektur oder Technologie, der
Großplastik, des Städtebaus oder der
Landschaftsgestaltung auf.
3
Die Güter stellen ein einzigartiges
oder zumindest außergewöhnliches
Zeugnis von einer kulturellen
Tradition oder einer bestehenden
oder untergegangenen Kultur dar.
4
Die Güter stellen ein hervorragendes
Beispiel eines Typus
von Gebäuden, architektonischen
oder technologischen Ensembles oder
Landschaften dar, die einen oder
mehrere bedeutsame Abschnitte der
Geschichte der Menschheit versinnbildlichen.
5
Die Güter stellen ein hervorragendes
Beispiel einer überlieferten
menschlichen Siedlungsform,
Boden- oder Meeresnutzung dar, das
für eine oder mehrere bestimmte Kulturen
typisch ist. Oder sie zeigen die
Wechselwirkung zwischen Mensch
und Umwelt, insbesondere, wenn diese
unter dem Druck unaufhaltsamen
Wandels vom Untergang bedroht
wird.
6
Die Güter sind in unmittelbarer
oder erkennbarer Weise mit Ereignissen
oder überlieferten Lebensformen,
mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen
oder mit künstlerischen
oder literarischen Werken von außergewöhnlicher
universeller Bedeutung
verknüpft.
Die „Great Spas of Europe“ werden
sich lediglich zu den Kriterien 2,3,4
und 6 bewerben. Diese Kriterien werden
entsprechend dem Antragsgegenstand
ausgewählt.
Dass die Stadt Baden-Baden zahlreiche
der genannten Kriterien erfüllt,
ist augenscheinlich. Dem künftigen
Welterbe-Status dürfte also an sich
nichts mehr im Wege stehen.
Ob er den Tourismus in Stadt und
Umgebung zusätzlich ankurbelt, ist
abzuwarten. Hierzulande nimmt
man´s gelassen. Wie auch immer man
sich in Paris entscheidet: Baden-Baden
bleibt unverwechselbar!
22 LIVING & LIFE
STIMMEN
ZUKUNFT
W E LTK U LTURERB E
F RANK M A RRENB A CH
Vorstandschef der „Oetker Collection“ und
Chef von Brenners Park-Hotel
„Die Bewerbung als Weltkulturerbe
Baden-Badens ist eine wichtige Zukunftsinitiative.
Es geht darum, im
Bewusstsein des universalen Wertes
der Stadt, den vor uns liegenden Weg
nachhaltig und werteschaffend zu gestalten.
Das ist eine Aufgabe, die Stadt
und Bürger in den unterschiedlichen
Rollen gemeinsam vorantreiben können.
Wie herausragend Modernität
und Historie in Einklang gebracht
werden können, zeigt beispielsweise
das Museum Frieder Burda.“
W OLFGANG N IED ERMEYER
Vorsitzender des Vereins Stadtbild Baden-
Baden e.V.
„Einen Welterbe-Status kann man
nicht erzwingen. Man ist es mit der
vorhandenen Substanz oder man ist
es nicht. „Outstanding universal value”,
also „Bedeutung für die gesamte
Menschheit”. Wichtig am Welterbegedanken
finde ich die Selbstverpflichtung.
Als Architekt denke ich an
die Kollegenschelte des Wiener Architekturlehrers
Georg Franck: „Man
haut der Umgebung eins in die Fresse
und demonstriert, dass man sich auf
ein Spiel mit der Tradition erst gar
nicht einlassen will.“ Liebe Bauherren
und Architekten, legt Euch als Selbstverpflichtung
eine qualitätvolle und
behutsame Auseinandersetzung mit
dem überkommenen Welterbestadtbild
Baden-Badens auf!“
LIVING & LIFE
23
M USEUM FRIEDER BURDA
AMERIKANISCHER TRAUM
M U SEUM F R IED E R BURD A ZEIGT: „A M ERICA! A M E R I C A ! “
ythen, Projektionen, Sehnsüchte:
In Zeiten von „Fake M
News“ und „Alternative Facts“ wird
deutlich, wie sehr der amerikanische
Traum mit emotional aufgeladenen
Bildern und Symbolen verwoben ist.
Zugleich ist sich wohl kaum eine andere
Nation der Wirkungskraft von
Bildern so bewusst. Die Images des
„American Way of Life“, die in den
Medien und der Unterhaltungsindustrie
produziert werden, können bestehende
Machtverhältnisse und Vorstellungen
von Wirklichkeit zementieren,
aber auch radikal in Frage stellen.
Mit rund 70 Meisterwerken der US-
Gegenwartskunst, wie Andy Warhols
„Race Riot“ (1964), Jeff Koons lebensgroßer
Skulptur „Bear and Policeman“
(1988) oder Jenny Holzers Leuchtschriftinstallation
„Truisms“ (1994)
zeigt „America! America! How real is
real?“, wie Künstler seit den 60er-Jahren
bis heute die amerikanische Realität
kommentieren. Mit Werken aus der
Sammlung Frieder Burda und zahlreichen
hochkarätigen Leihgaben lädt
die Schau zu einer Exkursion durch
die visuelle Kultur Amerikas ein.
AMERICA! AMERICA!
How real is real?
9. Dezember 2017 – 27. Mai 2018
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr
an allen Feiertagen geöffnet
WWW.MUSEUM-FRIEDER-BURDA.DE
Schon die Stars der Pop-Art, wie
Andy Warhol, Roy Lichtenstein oder
James Rosenquist, transformieren die
Oberflächen der Konsumkultur in
eine Kunst, die von ungeheurer Verführung
und kühler Distanz spricht.
Indem sie die Methoden der kommerziellen
Bildproduktion übernehmen,
verabschieden sie sich von den traditionellen
Vorstellungen von Authentizität.
Das Gefühl von Entfremdung
verkörpern auch die Werke der großen
US-Maler der 80er-Jahre.
Die psychologisch aufgeladenen Leinwände
von Eric Fischl, die hermetischen
Szenen von Alex Katz, die
riesigen Grafitzeichnungen von Robert
Longo sezieren die Träume und
Ängste einer verunsicherten weißen
Mittelschicht. Zur selben Zeit erobern
Künstler wie Jeff Wall oder Cindy
Sherman die Szene, die unsere medial
geprägte Wahrnehmung kritisch
reflektieren. Sie werden zu Vorbildern
für nachfolgende Generationen. Mit
den Strategien der Konzeptkunst,
Performance und Fotografie schaffen
sie Bildwelten, in denen die Grenzen
zwischen Wirklichkeit und Inszenierung
zerfließen: How real is real?
Kurator Helmut Friedel über die Ausstellung:
„Die amerikanische Kunst
trat in den 1960er Jahren mit einer
geradezu jugendlichen Frische auf,
die vieles vom überkommenen europäischen
Erbe hinter sich ließ. Mit der
Pop-Art wandten sich Andy Warhol,
Roy Lichtenstein, James Rosenquist,
aber auch Richard Artschwager und
der aus Schweden nach New York
übersiedelte Claes Oldenburg einer
ganz neuen Darstellungsform zu, bei
der das Banale, Alltägliche, bislang
Bildfremde hervorgehoben wurde.
How real is real? – dieser Frage nach
dem Abbild der Wirklichkeit in der
amerikanischen Kunst von der Pop-
Art bis heute stellt sich unsere Ausstellung.
Eine Frage, die zu stellen aktuell
umso dringlicher sein könnte, als sich
die amerikanische Realpolitik zumindest
verbal von festen Fakten zu entfernen
scheint.“
Henning Schaper, seit
Mai 2017 Direktor des
Museum Frieder Burda
in Baden-Baden:
„Wir freuen uns, dass
wir mit dieser Ausstellung
einen Gedankenaustausch
zu den aktuellen Themen „Umgang
mit der Wahrheit“ und „Respekt vor
der Wahrheit“ im individuellen, aber
auch im globalen Kontext motivieren
können.“
William N. Copley, Imaginary Flag for U.S.A., 1972 (c) VG Bild-Kunst, 2017
24 LIVING & LIFE
Alex Katz, Scott and John, 1966 (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2017
RUBR IK
DAS GLÜCK
VERGANGENER STUNDEN
VON S TEF AN T OLK SDORF
ann man einem Komponisten in seiner Wohnung
K nahe kommen? Die entscheidende Begegnung erfolgt
fraglos über das Werk: Beethoven und Mozart sind in
ihren Kompositionen allemal präsenter als in ihren Geburtshäusern
in Salzburg und Bonn oder in ihren häufig gewechselten
Wiener Wohnungen. Auch wer nicht an den genius
loci glaubt, löst aber dennoch gern die Eintrittskarte, umso
mehr, wenn das Haus über „Ambiente“ verfügt.
Von den Wohnstätten des großen Komponisten Johannes
Brahms (1833-1897) hat nur eine die Zeit überstanden: das
„hübsche Haus auf dem Hügel“ in Baden-Baden Lichtental.
Kein Wohnhaus, nur ein behagliches Sommerdomizil,
atmosphärisch dicht und unbedingt sehenswert. Von 1865
bis 1874 quartierte sich der in Wien wohnhafte Hamburger
immer wieder in den zwei oberen Giebelzimmern der Advokaten-Witwe
Clara Becker ein: „Manche glückliche Stunde
habe ich da verlebt und manche hübsche Noten geschrieben,
traurig und lustig. Was auf das Glück der Stunden keinen
Einfluss hat“, schreibt Brahms in einem Brief an seinen
Freund, den Karlsruher Hofkapellmeister Otto Dessoff: Das
„Glück der Stunden“ verdankte sich nicht nur der gesuchten
Ruhe und naturnahen Lage des Hauses, glücklich machte
den Komponisten wohl vor allem die räumliche Nähe zu der
von ihm hoch verehrten (und lange geliebten) Clara Schumann.
26 LIVING & LIFE
BRAH MSH AUS
Die Witwe seines großen Freundes und Förderers Robert
Schumann hatte von Madame Becker 1862 ein schmuckes
Häuschen an der Lichtentaler Allee erworben (heute
Hauptstraße 8), in dem sie auf drei Flügeln musizierte und
sich zahlreiche, teils illustre, Gäste die Klinke in die Hand
gaben: ihre Busenfreundin Pauline Viardot-García und deren
Dauerverehrer Iwan Turgenjew, Johann Strauss (Sohn),
der Geiger Joseph Joachim, der Chef der Kapelle des Karlsruher
Hoftheaters und nachmalige Wagner-Freund Hermann
Levi und viele andere. Brahms war Clara Schumann
in einer innigen, aber zeitweise komplizierten Freundschaft
verbunden. Ihre Karriere als Pianistin zog sie seinem Heiratsantrag
vor. Allein ihr verdankt Johannes Brahms, der
zeitweise auch in einigen Hotels der Kurstadt logierte, seine
Liebe zu Baden-Baden – und seine bescheidene Sommerwohnung:
„Ich kam, sah und nahm gleich das erste beste
Logis. Und wirklich ist es so sehr das beste, dass du deine
Freude haben wirst. Auf einer Anhöhe liegt´s und ich übersehe
alle Berge und Wege von Lichtenthal nach Baden ...“
Auch Claras Haus steht noch. Heute ist es eine Klinik, im
Vergleich mit früheren Abbildungen aber kaum mehr wiederzuerkennen.
Anders das Brahms-Domizil. Zwar liegt es
heute oberhalb einer belebten Hauptstraße – für die Maximilianstraße
wurde 1910 ein Teil des Felsenhügels gesprengt –,
mit seinem steilen Dach und der Schindelfassade bewahrt
es aber noch immer das pittoreske Erscheinungsbild des 19.
Jahrhunderts. Die Fundamente sollen noch aus dem 18.
Jahrhundert stammen, als die Zisterzienserinnen des nahen
Klosters Lichtenthal das damalige Dörfchen Beuern besaßen.
1854 erwarb es die Witwe eines Erfurther Advokaten,
Clara Becker, zwei weitere Besitzerwechsel folgten. Dass dieses
schon seit längerem als Brahms-Haus bekannte Anwesen
am Hang nicht wie geplant dem Abrissbagger zum Opfer
fiel, ist der Verdienst der eigens zu diesem Zweck gegründeten
Brahmsgesellschaft Baden-Baden e. V., die den stark renovierungsbedürftigen
Fachwerkbau 1967 käuflich erwarb
– für 80.000 DM! Zahlreiche Spender (darunter die Firma
Reemtsma) und der Erlös aus Benefizkonzerten ermöglichten
die Instandsetzung. Im vergangenen Jahr nun feierte die
Gesellschaft ihr 40-jähriges Bestehen. Unter Mithilfe des
damaligen Bürgermeisters Fritz Wurz und der unvergessenen
Baden-Badener Archivarin Margot Fuß machte man
sich sogleich daran, in den drei oberen Giebelzimmern ein
kleines, aber feines Museum einzurichten, 1968 wurde es eröffnet.
Exponate für die Dauerausstellung „Brahms – Leben
und Werke in Bildern und Dokumenten“ stellte das Brahmsarchiv
der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg zur
Verfügung. Unzählige Gäste und über 600 Stipendiaten hat
das Haus am Hügel seither beherbergt.
LIVING & LIFE
27
BRAH MSH AUS
Es kamen die Dirigenten Wilhelm Kempf, Karl Richter und
Daniel Barenboim, die Sängerin Elisabeth Schwarzkopf, die
Cellistin Jaqueline du Pré, der Starbariton Dietrich Fischer-
Dieskau und viele andere. „Nagelt die Tür zu, ich muss
Brahms tanken“, soll Kurt Masur bei seinem Besuch gesagt
haben. So weiß Imo Quero-Lehmann, die langjährige Kuratorin
und Seele des Hauses, zu berichten. Das Interesse, auch
der Interpreten, scheint jedoch rapide abzunehmen. Bis zu 20
Besucher täglich führt die Bewohnerin des Hauses im Sommer
mit gleichbleibendem Enthusiasmus durch die liebevoll
gestalteten Räume am Ende der
steilen Treppe, von der Wilhelm
Kempf meinte, man müsse sie
eigentlich auf Knien hinaufsteigen.
Im Winter wird es dann
sehr ruhig im Haus, die Stimmung
aber nimmt zu. Strahlt
doch die Mansarde das aus,
was ihr berühmtester Bewohner
immer sehr zu schätzen wusste:
„Behaglichkeit“.
Einige seiner berühmtesten Kompositionen hat Brahms hier
vollendet, darunter eine erste in Karlsruhe uraufgeführte
Symphonie und die zweite, genannt „Die Lichtenthaler“, die
er erstmals im Kurhaus zu Gehör brachte, und auch das nach
dem Tod der Mutter komponierte „Deutsche Requiem“. Anderes
komponierte Brahms komplett in Baden-Baden, wie die
Liebesliederwalzer Opus 52 und das beliebte Horntrio Opus
40, das er von einem Spaziergang auf den Schafberg mitgebracht
haben soll. Überdies war er ein eifriger Besucher des
Baden-Badener Konzertlebens, im Kurpark lauschte er gern
den Walzern des um zwei Jahre älteren Wiener Kollegen Johann
Strauss (Sohn). Aus den Fenstern von Brahms' Mansarde
blickt man auf den Turm der nahen Bonifatius-Kirche, in
der Clara Schumanns Tochter Julie den italienischen Grafen
Vittorio Radicati di Marmorito heiratete. Brahms, der die
hübsche Braut wohl gern selbst „heimgeführt“ hätte, fungierte
als Trauzeuge. In seiner bewegenden Altrhapsodie, die er den
Jungvermählten schenkte, soll er seiner Trauer Ausdruck verliehen
haben. Eine von unzähligen Episoden aus dem Fundus
von Imo Quero-Lehmann, die in der ehemaligen Küche der
Dachwohnung echte Brahms-Preziosen zeigt: Die Totenmaske
des Komponisten und einen Abguss von Claras Hand neben
originalen Lied-Partituren.
Dazu ein Ring mit einer Locke
von Robert Schumanns Freund
und Förderer Felix Mendelssohn
Bartholdy – ein Geschenk der
Familie. Ein Prachtstück des
Museums ist zweifellos die komplette
Litho-Mappe des Leipziger
Künstlers Max Klinger,
der Brahms Liebesliederwalzer
(reichlich pathetisch) illustrierte.
Zwar hat Johannes Brahms keines
der Möbel gekannt, nur der
Ofen und das wiederhergestellte
Wandmuster – eine hartnäckige
Brahms-Verehrerin hatte ein
Stück Tapete mitgehen lassen –
sind „original“. Doch fühlt man
sich wohl in seinem zeitgemäß
möblierten „blauen Salon“ –
und Brahms sofort nahe: Bilder
und Fotografien schmücken die
Wände und Schrankvitrine,
und es fällt nicht schwer, sich den
nur 1,60 Meter großen Mann, der seine wachsende Korpulenz
schließlich mit einem – von Clara missbilligten – Rauschebart
kaschierte, auf der Chaiselongue oder am Pianino
sitzend, vorzustellen, die obligate Zigarre schmauchend, den
Kopf voller Noten. Nur der Bart kam später.
" I C H KAM, SAH UND NAHM GLEICH
DAS ERSTE BESTE L O GIS. U N D
WIRKLICH IST ES SO SEHR DAS BESTE,
DASS DU DEINE FREUDE HABEN WIRST.
AU F EINER A N HÖHE LIEGT´S UND ICH
ÜBERSEHE ALLE B E RGE UND W EG E VO N
L I CHTENTHAL NACH B A DEN ..."
Johannes Brahms in einem Brief an
Hermann Levi, Lichtenthal, 7. Mai 1865
Ein Gesellschaftsmensch war Johannes
Brahms sicher nicht. „Es
tut mir leid, wenn ich versäumt
habe, einen ihrer Gäste zu beleidigen“
– mit diesen Worten soll
er sich nach dem Besuch eines
Salons von der Dame des Hauses
verabschiedet haben. Ein Hang
zum Eigenbrötlertum, übergroße
Empfindlichkeit und eine Liebe
zum schwarzen Humor sind
dem introvertierten Komponisten
gewiss nicht abzusprechen,
im Umgang mit Freunden erwies er sich aber immer wieder
als warmherziger Gemütsmensch, stets bereit, jungen Musikern
und Komponisten fördernd zur Seite zu stehen.
Im Andenken an diese Hilfsbereitschaft beschloss die Brahmsgesellschaft,
neben der kleinen Kustodenwohnung im Untergeschoss
auch ein voll möbliertes Studio für Musiker und
Brahmsforscher einzurichten. Den eigenen Stipendiaten wird
die mit einer umfangreichen Brahms-Bibliothek, einer Notenund
Tonträgersammlung sowie mit einem Flügel ausgestattete
Wohnung für einen Arbeitsaufenthalt von drei Monaten
zur Verfügung gestellt. Und wie finanziert sich das Haus? Aus
Spenden, Eintrittsgeldern und den Überschüssen aus den
Baden-Badener Brahms-Tagen, einer viertägigen Konzertreihe,
welche die Brahms-Gesellschaft alle zwei Jahre im Festspielhaus,
im Kurhaus und im Brenners Park-Hotel abhält.
Hier kommt man dem genialen Komponisten noch einmal
ungleich näher: „In meinen Tönen spreche ich!”
28 LIVING & LIFE
AUFUNSKÖNNEN SIEBAUEN SEITÜBER85JAHREN
•BAUSANIERUNG
•HOCHBAU
•TIEFBAU
SchnepfBauunternehmungGmbH &Co.KG
Pflostweg6•76532BadenBaden
Tel.:+497221504653 -
info@schnepf-bauunternehmung.de
www.schnepf-bauunternehmung.de
TIPPS
RAUCHMELDER
KÖNNEN LEBEN
RETTEN …
WIE VIEL WÄRME
BRAUCHT DER MENSCH?
Die optimale Temperatur eines Wohnraums liegt
laut Bundesumweltamt bei 20 Grad Celsius. Im
Schlafzimmer darf es mit rund 16 Grad auch etwas
kühler sein. Wer seine Wohnung überhitzt, zahlt
kräftig drauf. Dabei spart man mit jedem Grad weniger
rund sechs Prozent Energie und viel Geld. Je
nach Heizungsart, Quadratmetern und Gebäudetyp
reicht die Ersparnis für einen kleinen Wochenendtrip.
Unser Tipp: Wer sich erst ab 24 Grad in
seinen vier Wänden richtig wohlfühlt, ein warmer
Pullover oder Kuscheldecke schaffen Abhilfe. Die
nächste Heizkostenabrechnung kommt bestimmt.
… allerdings nur, wenn sie richtig angebracht
sind. Experten empfehlen, die
Rauchmelder in jedem Raum in der
Raummitte, mindestens aber auf jeder
Etage, mit einem Mindestabstand von
50 Zentimetern zu Wänden und Möbeln
zu befestigen. Sie sind in der Regel auf
Räume von 60
Quadratmetern
ausgelegt. Besonders
ratsam ist
die Anbringung
in zentralen Räumen
wie Fluren.
Für Küchen und
Badezimmer gibt
es Spezialmelder,
die normalen Wasserdampf von Rauch
unterscheiden können. Seit Januar 2017
sind Rauchmelder in allen Wohnungen
Pflicht.
WWW.RAUCHMELDER-LEBENSRETTER.DE
pin it
STAATLICHE FÖRDERUNG
FÜR DENKMALPFLEGE
Wer eine denkmalgeschützte Immobilie sanieren will, muss eine
Reihe rechtlicher Vorgaben beachten. Diese reichen von der
denkmalrechtlichen Genehmigung über Vorgaben zur Wärmedämmung
bis hin zur energieeffizienten Klima-Sanierung. Für
die Klima-Sanierung beispielsweise können Hauseigentümer
Finanzierungs- und Fördergelder der staatlichen KfW-Bank in
Anspruch nehmen. Die Förderbank vergibt zinsgünstige Kredite
für Komplettsanierungen und für Einzelmaßnahmen wie eine
Dach- oder Fassadendämmung. Vorausgesetzt, die Energieeffizienz
wird deutlich verbessert – je besser die Energieeffizienz,
desto mehr Förderung ist also drin.
30 LIVING & LIFE
TIPPS
Parkplatz Hausflur
Schuhe, Sprudelkasten oder Kinderroller – der Vermieter legt fest, was
im Hausflur alles stehen darf. Wichtigstes Kriterium ist das Freihalten
von Rettungswegen, damit im Notfall Blumenkübel oder ähnliches nicht
den Weg versperren. Kinderwagen, Rollstuhl und Gehhilfen dürfen laut
Bundesgerichtshof dann an geeigneter Stelle abgestellt werden, wenn
sie den Fluchtweg nicht behindern (Az.: V ZR 46/06). Garderoben und
Schuhschränke sind in der Regel nicht erlaubt (Az.: 15 Wx 198/08).
Ebenso dürfen Fahrräder nicht in den Hausflur, wie das Amtsgericht
Hannover entschieden hat (Az.: 71 II 547/05). Auch gilt: Mitbewohner
sollten generell nicht beeinträchtigt werden, wie zum Beispiel durch
kurzfristig vor der Haustür abgestellte Mülltüten.
LEGIONELLEN-PRÜFUNG STEHT AN
FÜR VOGELHÄUS-
CHEN AUF DEM
BALKON GIBT ES
REGELN
Im Winter freuen sich Spatzen,
Meisen und Amseln über eine
Futterstelle. Wer in einer Mietwohnung
wohnt und die Piepmätze
unterstützen möchte, sollte ein
paar Regeln beachten. Vogelhäuschen
dürfen ohne Zustimmung des
Vermieters nicht an der Fassade
verankert werden – außer an einer
bestehenden Verankerung für
eine Wäscheleine. Sie sollten so
aufgestellt sein, dass kein Vogelkot
auf andere Balkone fällt. Sollte es
dennoch zu größeren Verschmutzungen
kommen, kann der Vermieter
das Aufstellen der Futterstelle
verbieten. Tauben und Möwen
füttern ist grundsätzlich verboten.
Legionellen können in geringen Konzentrationen über das
Grundwasser in Trinkwasseranlagen gelangen und schwere
gesundheitliche
Folgen haben.
Gebäudeeigentümer
sind daher
verpflichtet,
alle drei Jahre
in Häusern, in
denen die Zentralheizung
auch
das Trinkwasser
erwärmt, eine Legionellen-Prüfung
durchzuführen.
Von der Prüfpflicht befreit sind Ein- und Zweifamilienhäuser.
Mieter können vorbeugen, indem sie regelmäßig drei
Minuten heißes Wasser laufen lassen und den Raum verlassen,
um das Einatmen des Wasserdampfes zu verhindern.
WWW.UMWELTBUNDESAMT.DE
LIVING & LIFE 31
GUNTER FLEITZ
SEHNSUCHTSORTE
G E SPRÄCH MIT D E M AUS BAD E N-BAD E N STAMMEND E N A R CHITEK T E N
G U NTER F L EITZ ÜB E R D I E F A SZINATION UND KRAFTQUELLE BAD E N-BAD E N S ,
Ü B E R A R CHITEK T UR IN UNTERSCHIED L ICHEN KULTUREN UND Ü B E R W O HL-
FÜHLRÄUME FÜR M I TARB E ITER IN U N TERNEHMEN / P L ANUNG UND G E STAL-
TUNG D E R BÜRORÄUME D E R I M MOB I LIEN R E GIONAL AG IN BAD E N-BAD E N
VON HORST KOPPELSTÄTTER
Showroom, Drubba Moments, Titisee-Neustadt
Was sind Sehnsuchtsorte für Sie?
Fleitz: Das ist sehr subjektiv und hängt von persönlichen
Vorlieben ab. Erinnerungen an Orte
werden oft auch von Erlebnissen und anderen
Menschen geprägt. Wir versuchen das natürlich
in unserem beruflichen Alltag einfließen zu
lassen. Wir haben gerade in Frankfurt in einem
sehr modernen Hochhaus eine Unternehmensberatung
gestaltet und da gibt es Kreativ-Räume,
die wir der Hochhausarchitektur entgegensetzen.
Die drei Kreativ-Räume dort bieten ganz zugespitzt
solche Sehnsuchtsräume.. Der erste ist der
„Dschungelraum“, dann die „Wunderkammer“
und passend zu Hessen eine „Appelwoistube“.
Also Räume, die ganz bewusst mit der effizienzgetriebenen
Bürostruktur brechen. Es ist auch
mit einem Augenzwinkern gemacht. Was wollen
wir erreichen? Vielleicht eine andere Atmosphäre
schaffen und ein bisschen Stress lösen bei den
Mitarbeitern. Das erzeugt eine entspannte Atmosphäre
und so etwas wie Gemütlichkeit als Inspirationsquelle.
32 LIVING & LIFE
G U N T E R
FLEITZ
studierte Architektur
in Stuttgart, Zürich
und Bordeaux. Er
war zunächst für
Steidle+Partner
in München tätig,
bevor er für das
Büro Prof. Stübler
die Projektleitung für
die Sanierung des
Bundesgerichtshofs
in Leipzig übernahm.
Gemeinsam
mit Peter Ippolito
gründete er 2002 die
Ippolito Fleitz Group,
die die beiden
seitdem gemeinsam
leiten. International
bekannt wurde das
multidisziplinäre
Designstudio mit
Innenarchitektur-,
Kommunikationsund
Produktdesignprojekten.
Viele der
Arbeiten wurden mit
namhaften Preisen
ausgezeichnet,
darunter mehrere
iF Gold, red dot
und ADC Awards.
2015 wurden Peter
Ippolito und Gunter
Fleitz als die ersten
deutschen Gestalter
aus dem Bereich der
Innenarchitektur in
die „Interior Design
Hall of Fame“ aufgenommen.
Gunter
Fleitz ist Mitglied
des BDA Baden-
Württemberg.
LIVING & LIFE 33
RUBR IK
Palace of International Forums »Uzbekistan«
Was ist für Sie Gemütlichkeit, was bedeutet Wohlfühlen?
Fleitz: Wohlfühlen ist heute für zeitgemäße Arbeitswelten
ganz wichtig geworden. Da gehört beispielsweise auch eine
gute Raumakustik dazu. Der schönste Raum kann unbehaglich
sein, wenn die Sprachverständlichkeit schlecht ist.
Das Thema Wohlfühlen prägt die Konzepte für moderne
Büros. Das hängt letztlich aber von den Menschen ab, die
dort arbeiten, und muss individuell aufgebaut sein. Das Arbeitsumfeld
ist heute stark inspiriert aus dem Bereich des
Wohnens, die Menschen sollen gerne an ihrem Arbeitsplatz
und in einem inspirierenden Umfeld sein. Die Unternehmen
investieren immer mehr in den Arbeitsplatz eines
jeden Mitarbeiters. Das sind wichtige weiche Faktoren der
Zukunft. Die Bezahlung allein reicht künftig nicht mehr
aus. Nur so lassen sich die besten Talente gewinnen.
Wie schaffen Sie es auf Ihre Kunden optimal einzugehen?
Fleitz: Zuhören ist der Schlüssel. Wir müssen sehr eng
an den Kunden herankommen, um ihn zu verstehen. Wir
stellen immer noch mal Fragen und überraschen die Auftraggeber
damit oftmals, dass wir vorhandene Strukturen
infrage stellen. So lernen wir unsere Auftraggeber immer
besser kennen und verstehen, was sie wirklich wollen. Briefings
werden heute immer kürzer. Wir gehen den anderen
Weg und versuchen am Anfang, längere Gespräche zu
führen und bauen eine große Nähe auf. Was uns auszeichnet,
sind starke Konzeptionen, Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit.
Daraus entsteht am Ende Vertrauen. Wir
müssen das natürlich auch gut vermitteln können.
Können Sie drei Gründe nennen, was ein gut gestaltetes Büro auszeichnet?
Fleitz: Erstens: Konzentriertes Arbeiten zulassen mit
Funktionalität und Akustik im Open-Space und zusätzlich
ein breites Angebot an Rückzugsräumen schaffen.
Zweitens müssen wir es schaffen, den Zusammenhalt zu
fördern innerhalb des Unternehmens, also gute Kommunikation
anbieten. Das kann durch vielfältige Angebote
informeller Kommunikation erfolgen, wie beispielsweise
Stehbesprecher, Lounges und Treffpunkte mit Getränkeangeboten
um den Teamgeist zu fördern und über Fachbereiche
hinaus die Menschen in einem Unternehmen
34
LIVING & LIFE
GUNTER RUBR FLEITZ IK
IDENTITY
ARCHITECTS
Die Ippolito Fleitz Group ist ein
multidisziplinäres Studio für Gestaltung
mit Sitz in Stuttgart, Shanghai
und Berlin. Anspruch des Büros
ist es, die komplexe Identität der
Kunden in eine angemessene
Gestaltung zu übersetzen. Dabei
verstehen sich die Gestalter und
Kreativen als „Identity Architects“.
Identität ist für sie ein fließender
Prozess, den sie in Architektur,
Produktdesign und Kommunikation
begleiten. Die Basis des
Gestaltungsprozesses bildet eine
starke konzeptuelle Idee, die sich
in Raum wie Kommunikation
übertragen lässt. Derzeit besteht
das Team aus 80 Architekten,
Innenarchitekten, Produkt- und
Kommunikationsdesignern aus 16
Nationen.
Das Gerber,
Stadtkaufhaus,
Stuttgart
zusammenzubringen und somit die Unternehmenskultur
zu fördern.
Woher beziehen Sie Ihre Inspirationen?
Fleitz: Wir reisen viel. Wir haben unsere Handschrift,
haben aber keine sich wiederholende Designsprache und
gehen immer wieder aufs Neue auf unsere Kunden ein.
Viele Inspirationen kommen aus dem Kunstbereich, wir
schauen uns sehr viele Ausstellungen an. Und wir arbeiten
natürlich auch international und da fließt vieles ein. Es ist
extrem inspirierend, sich von anderen Kulturen anstecken
zu lassen. Wir versuchen, immer wieder neues Design,
neue Materialien und Materialkonzepte zu entwickeln
oder auch zu entdecken.
Wie passen Sie sich anderen Kulturen international an, etwa in China
oder Russland?
Fleitz: Wir haben ein sehr internationales Team mit 80
Mitarbeitern aus 16 Nationen. Es ist uns wichtig, die andere
Kultur zu verstehen und darin einzutauchen. Wir haben
beispielsweise in Usbekistan ein neues Regierungsgebäude
gebaut. Es war eine Herausforderung, dieses Land zu
verstehen, aber es ist uns gelungen – gemeinsam mit den
Menschen, die dort leben. Das ist ein kulturell reiches Land
an der Seidenstraße, mit einer unglaublichen ornamentalen
Kultur. Das haben wir aufgenommen, aber dann versucht,
selbst zu interpretieren. Es wurden moderne Räume
geschaffen, die auch mit der Historie verbunden sind. Das
waren 45.000 Quadratmeter, die wir in Rekordgeschwindigkeit
geplant und gebaut haben. Das lässt sich auf alle
Länder übertragen, auch auf Russland und China. Wir haben
auch immer einheimische Mitarbeiter im Team.
Können Sie uns etwas zur Planung des Büros der Immobilien Regional
AG in Baden-Baden sagen? Wie war da Ihre Herangehensweise?
Fleitz: Zunächst haben wir uns intensiv mit dem Gebäude
auseinandergesetzt, haben uns der Firma genähert. Die
Frage lautete: Was wollen wir verändern? Geplant war ein
Büro auf zwei Ebenen. Aber auch eine angemessene Empfangssituation
war wichtig, da die Zielgruppe sehr unterschiedlich
ist. Es kann jemand vorbeikommen, der bei der
Wohnungsverwaltung einen Schlüssel abholt, aber auch
LIVING & LIFE 35
RUBR IK
Büro Immobilien Regional AG in Baden-Baden
GEMÜTLICH K E IT ALS I N S P I RATIONSQUELLE
Denkerzelle
ein ausländischer Kunde, der eine große repräsentative
Villa kaufen will. Dennoch soll es nicht zu elitär sein, aber
eine Hochwertigkeit ausstrahlen. Die Showroom-Situation
im Erdgeschoss gibt einen Blick in die Zukunft und die
nächste Generation. Deshalb waren da die Töchter und
Mitarbeiter von Firmeninhaber Martin Ernst eingebunden.
Zum Konzept gehört ebenso der Treffpunkt für die
Mitarbeiter, wo alle locker zusammenkommen können –
ein Platz, der sehr gut angenommen wird. Die große Aufgeschlossenheit
des Auftraggebers hat uns sehr geholfen.
Es ist eine Chance für das Unternehmen, dieses in eine
nächste Qualitätsstufe zu entwickeln. Uns war es wichtig,
dass die Räume eine Wohnkompetenz ausstrahlen, die
sich auf die Kunden überträgt und die Besucher inspiriert.
Wir haben mit Holz und behaglichen Teppichen gearbeitet.
Es gibt viele farbenfrohe Akzente und eine große Lebendigkeit.
Letztlich geht es auch um Lebensfreude und
eine Inspirationsquelle für alle, die hier arbeiten und sich
hier aufhalten. Das darf man natürlich nicht übertreiben,
denn es handelt sich ja um ein sehr seriöses Unternehmen,
das für Tradition und Vertrauen steht. Zu bunt sollte es
also auch nicht sein. Das hat uns sehr viel Spaß gemacht
in der Umsetzung.
Sie sind in Baden-Baden Steinbach geboren und aufgewachsen, heute
sind Sie in der ganzen Welt unterwegs. Was ist das Besondere an
dieser Stadt an der Oos?
Fleitz: Baden-Baden ist für mich Heimat. Da leben meine
Eltern. Ich bin immer noch sehr gerne dort. Es ist die
außergewöhnliche Lage, die Landschaft, diese Ausstrahlung,
die Emotionen weckt. Und die mediterrane südliche
Stimmung. Baden-Baden ist historisch sehr gut erhalten
– vom Friedrichsbad bis zum Museum Frieder Burda
oder der Kunsthalle und dem Festspielhaus. Welche Stadt
in dieser Größe hat schon ein solches kulturelles Angebot?
Baden-Baden hat einen großen Erlebnisraum, etwa in der
Lichtentaler Allee oder bei der Stourdza-Kapelle. Das sauge
ich auf. Letztlich sind es aber die Menschen. Es gibt wenige
Ecken in Deutschland, wo die Menschen so viel Wärme und
Herzlichkeit ausstrahlen. Baden-Baden hat im Übrigen eine
enorme Internationalität und Eleganz, man spürt die Nähe
zu Frankreich und der Schweiz. Ich kann dort Kraft tanken.
Mit dem Weg ins Studium zunächst in Stuttgart, dann
in Zürich und Bordeaux, habe ich Baden-Baden verlassen.
Aber ich komme immer gerne zurück. Ich habe die Stadt
besonders schätzen gelernt, als ich einige Jahre weg war. Sie
strahlt Lebensfreude aus und hat eine besondere Energie.
36
LIVING & LIFE
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RUBR IK
C ANDELA
W O LFGANG L A NGNER UND M A R K U S W Ö R G A U
38
LIVING & LIFE
CANDELA
LICHT IST DIE
VORAUSSETZUNG
FÜR UNSER LEBEN
G E SPRÄCH MIT D E N L I CHTD E SIGNERN UND G R ÜND E RN VON „C A N D E L A “ I N
BAD E N-BAD E N, M A R K U S W Ö RGAU UND W O LFGANG L A NGNER, ÜB E R BEHAGLICHK E I T ,
A R CHITEK T UR, FEHLEND E S V I TAMIN D UND D I E GUTE ALTE G L ÜHB I RNE
VON HORST KOPPELSTÄTTER
Licht macht uns die Welt sichtbar - warum ist Licht so elementar
wichtig?
Markus Wörgau: Licht ist eine Voraussetzung für das
Leben an sich. Ob wir uns in unserem Lebensraum wohlfühlen,
hängt auch von der bewussten und unterbewussten
Wahrnehmung des Lichts ab. Behaglichkeit zuhause, Freude
am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, das richtige Licht
spielt dabei eine große Rolle. Licht beeinflusst unseren
Tag-Nacht-Rhythmus, unsere Motivation und die Gesundheit.
Heißt also auch, dass die falsche Beleuchtung negative
Folgen für uns hat. Wenn wir zu wenig in der Sonne sind,
fehlt es uns an Vitamin D. Wenn die Beleuchtung zuhause
am Abend zu kühl ist, fahren wir nicht runter.
Wie beeinflussen oder verändern Sie Architektur mit Licht?
Wolfgang Langner: Mit Licht können wir den Betrachter
oder den Besucher durch ein Gebäude führen. Wir können
auf Gestaltungselemente hinweisen, die dem Architekten
wichtig sind. Über die Beleuchtung können wir stilprägende
Elemente – etwa in einem historischen Altbau – hervorheben
oder weniger Imposantes in den Hintergrund treten
lassen. Wir können schwere Gebäudeteile leichter wirken
lassen, indem wir beispielsweise ein Lichtband am Boden
entlang planen. Große Wandflächen lassen sich ebenfalls mit
Licht sehr gut unterteilen. Wir können mit Licht bei Bedarf
auch mehr Tiefe schaffen, als vielleicht vorhanden ist. Oder
durch richtig gesetzte Lichteffekte eine Fassade oder einen
Garten nachts ganz anders erscheinen lassen als tagsüber.
Wie eng hängen Licht und die Wirkung eines Raumes zusammen?
Wörgau: Unserer Meinung nach definiert das Licht erst
den Raum. Zum einen über die Anordnung und Verteilung
des Lichts. Wir können mit gerichtetem Licht raumprägende
Objekte wie Erker, Treppen oder Kunstwerke hervorheben
oder eine komplette Wand als Reflexionsfläche nutzen.
Der Raumeindruck ist dadurch ein ganz anderer. Ebenso
kann man über die direkte oder indirekte Beleuchtung bestimmter
Flächen das empfundene Raumvolumen beeinflussen,
insbesondere die Raumhöhe. Zum anderen aber
auch über die Art des Lichts, die Lichtfarbe, die Blendfreiheit.
Wärme und Behaglichkeit empfinden wir in unserem
Wohnraum nur mit dem richtigen Licht. Die Gestaltung
und Möblierung eines Raumes alleine reicht dafür nicht
aus. Genauso wenig können Angestellte in ihrem Büro produktiv
arbeiten, wenn das Licht nicht stimmt. Sie ermüden
schneller oder werden vielleicht sogar krank.
LIVING & LIFE 39
RUBR CANDELA IK
„Licht beeinflusst unseren Tag-Nacht-Rhythmus,
unsere Motivation und die Gesundheit“
Reden wir über Licht und Stimmungen: Wann ist Licht eher technisch
und wann eher sinnlich? Trauern Sie auch der alten Glühbirne nach?
Langner: Natürlich trauern wir der Glühbirne nach –
das tun wir doch alle. Uns fehlt das warme Licht. Neben
dem Sonnenlicht war die erste Lichtquelle von uns Menschen
das Feuer. Alles Positive, was wir damit verbinden,
die Wärme, die Behaglichkeit, Sicherheit in der Nacht und
eben auch diese warme Lichtfarbe, waren mit der Glühbirne
doch perfekt verpackt. Ihr Licht war im wahrsten Sinne
des Wortes sinnlich und hat Stimmung erzeugt. Wir planen
diese Art Licht hauptsächlich im privaten Wohn- und
Schlafbereich ein, in Gärten, Restaurants, eben überall
dort, wo wir uns zuhause fühlen wollen. Das technische
Licht spielt für uns im Objektgeschäft eine große Rolle,
etwa im gesamten Officebereich, bei der Praxisbeleuchtung,
in Geschäften mit Lichtstärken, die sich dem Tageslichteinfall
anpassen, Lichtfarben, die sich je nach Tageszeit
verändern lassen. Das gesamte Thema Orientierung
und Sicherheit fällt hier rein, Notbeleuchtung, beleuchtete
Hinweisschilder und Fluchtwege, Licht im öffentlichen Bereich.
Technisches Licht ist meist kühler, es hat eine Funktion
oder unterstützt uns beim Funktionieren.
Woher beziehen Sie Ihre Inspirationen für neue Arten von Licht?
Langner: Neben einigen anderen Messen besuchen wir
die light + building in Frankfurt und die Euroluce in Mailand,
das sind mit Abstand die wichtigsten Veranstaltungen
zum Thema Licht und Beleuchtung. Ansonsten gilt es,
mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und aufzusaugen,
was geht.
Also ist Italien nach wie vor der Maßstab für gutes Design im Lichtund
Leuchtenbereich?
Wörgau: Italien ist nach wie vor en vogue. Aber auch aus
Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern
haben wir inzwischen tolle Entwürfe in der Ausstellung.
Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, als Lichtdesigner zu arbeiten?
Wörgau: Da hat uns das Leben zufällig beide hingespült.
Beleuchtung hat uns interessiert, wobei Licht zu meiner
Studienzeit an der Uni in Stuttgart leider noch kein Thema
war. Unsere Wege haben sich dann in einem Einrichtungshaus
in Stuttgart gekreuzt, Herr Langner war dort Abteilungsleiter
der Leuchtenabteilung. Dass in diesem Markt
und in dieser Branche ein riesiges Vakuum existiert, wur-
40
LIVING & LIFE
CANDELA
de uns schon vor über 20 Jahren klar. Licht und Beleuchtung
war mehr als nur der klassische Einzelhandel und das
Verkaufen von Leuchten. Die Kunden wollten Beratung,
Hausbesuche, Lichtplanung und Beleuchtungskonzepte,
und das hat uns gereizt.
Verraten Sie uns ein Projekt, auf das Sie besonders stolz sind, vielleicht
in Baden-Baden?
Wörgau: Da gibt es ein paar, die wirklich unglaublich viel
Spaß gemacht haben und ganz toll geworden sind. Es ist
schwierig, eines hervorzuheben. Vielleicht die Kinderkrippe
im Klostergarten in Lichtental, die wir für Rolf Metzmaier
gestalten durften. Das war in seinem gesamten Verlauf
schon außergewöhnlich harmonisch und warmherzig,
und es hat vielen Menschen gezeigt, dass die Candela keineswegs
nur eine Institution für Superreiche ist, sondern
dass wir tolle Lösungen anbieten, auch wenn das Budget
eben nicht gegen unendlich geht.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welches Beleuchtungsprojekt
würde Sie besonders reizen?
Wörgau: Die Ruine des Alten Schlosses hoch über Baden-
Baden mit Licht in Szene zu setzen.
Welchen Trend sehen Sie beim Lichtdesign?
Langner: Licht wird in Zukunft zu einem ganz wesentlichen
Gestaltungsmittel in der Architektur. Ein schönes, aktuelles
Beispiel dafür ist die Elbphilharmonie. Das Licht wird
in Zukunft noch kleiner, noch flacher verpackt sein. Es wird
viel effizienter und wird dabei noch heller, noch brillanter.
Wir können dadurch Licht noch besser als Werkzeug einsetzen,
um Atmosphäre zu schaffen, es auf unsere Bedürfnisse
abstimmen, und es wird sich viel einfacher steuern lassen.
Ich denke, dass wir Licht viel häufiger an allen möglichen
Produkten wiederfinden werden, an Schmuck, Kleidung,
wahrscheinlich sogar an Lebensmittelverpackungen. Licht
wird unseren Alltag noch mehr durchdringen.
LEUCHTENSTUDIO CANDELA
Im August 2000 eröffnete das Leuchtenstudio
Candela im Gebäude des Steigenberger Hotels
Europäischer Hof. Für die beiden Firmengründer
Wolfgang Langner und Markus Wörgau war die
individuelle Lichtplanung neben dem klassischen
Einzelhandel Teil des Konzepts.
Durch zunehmende Aufträge im Objektgeschäft
wurde das Sortiment schon bald um das Haller-
System von USM und die VITRA-Möbelkollektion
erweitert.
2010 erfolgte der Umzug in die neuen Räume
am Augustaplatz. Vier Etagen Ausstellung mit
Designleuchten und -möbeln in einem liebevoll
und aufwendig restaurierten denkmalgeschützten
Galeriehaus aus dem Jahr 1870. Der Umgang der
Inhaber Wörgau und Langner mit der historischen
Gebäudesubstanz gilt inzwischen weit über Baden-
Baden hinaus als vorbildlich.
Als weiteres Standbein besteht seit 2004 die Filiale
in den Kurhaus-Kolonnaden mit dem Schwerpunkt
Designaccessoires.
WWW.CANDELA-BADEN-BADEN.DE
LIVING & LIFE 41
DER LAMP ENANZ ÜNDER
„ES IST, ALS OB ER
EINEN NEUEN STERN
ERSCHAFFT …“
V ON A RIANE L INDEMANN
W
enn es dunkel wird in Baden-Baden, dann springt in der Kurstadt im wahrsten Sinne
des Wortes der Funke über. Das Casino wird langsam belebt, Restaurants und Bars ziehen
Gäste aus aller Welt an. Spaziergänger schlendern in der Dämmerung durch den Kurpark.
Klaus Peter von der Bäder- und Kurverwaltung Baden-Baden ist gerade dabei, das letzte Gaslicht
anzuzünden. Rund 20 Minuten hat er gebraucht, bis er durch Zünden aller sechs Gaslaternen den
Platz vor dem Kurhaus in eine romantische Stimmung versetzt hat. Passanten sehen ihm gerne zu.
Von Hellrosa bis Pastellorange schimmern die Lichter, bevor ihr warmes Gelb den Platz vor dem
Kurhaus erhellt. Rund 700 dieser stilvoll verzierten Gaskandelaber gibt es noch in Baden-Baden.
Bis auf die sieben Rundmantellaternen vor dem Kurhaus werden mittlerweile alle anderen automatisch
gezündet und frühmorgens um sechs Uhr wieder gelöscht.
WIE VOR 100 JAHREN
Mit einer langen Stange legt Peter an jeder einzelnen Lampe einen Hebel, den Gashahn, um, der
die Gaszufuhr steuert. Er ist einer von 13 Hauswarten des Kurhauses, die abwechselnd jeden Abend
mit langen Stangen zur Tat schreiten. Es zischt leise. Mit einem entzündeten Docht am Ende einer
anderen Stange werden jetzt die eigentlichen Lampen, also die Glühstrümpfe, angezündet, die sich
zuvor vollständig mit Gas füllen müssen. „Schwierig wird es bei Regen oder Wind, wenn die Flamme
immer wieder erlischt“, erklärt Peter. Bei schönem Wetter wird Peter oft von Touristen, die ihm
fasziniert zusehen, um ein gemeinsames Foto gebeten.
BESONDERE AUSSTRAHLUNG
„Wenn er seine Laterne anzündet, ist es, als ob er einen neuen Stern erschafft oder eine Blume.
Wenn er seine Laterne löscht, wiegt er Blume oder Stern in den Schlaf.“ So beschreibt der Schriftsteller
Antoine de Saint-Exupéry in seinem Buch „Der Kleine Prinz“ den Beruf des Laternenanzünders.
Dabei war der Beruf in früheren Zeiten wenig beschaulich. Heute geht es mehr um das
Bewahren einer langen Tradition, die mit dem Gaslicht verbunden ist. Denn das Licht, das durch
die Mischung von Gas und Luft entsteht, hat eine ganz besondere Farbtemperatur, die ein heimeliges
Flair erzeugt.
42 LIVING & LIFE
RUBR IK
D ER LAMPENANZÜND ER
LIVING & LIFE 43
RUBR IK
WIE VIELE L I C HTE R
V E R DAN K E N NUR I H R E M L E U C HTE R ,
D A S S MAN S I E S I E H T !
Christian Friedrich Hebbel (1813–1863)
Den Hauch Nostalgie, den sich die Stadt mit den echten
Gaslichtern vor dem Kurhaus bewahren möchte, lässt sie
sich einiges kosten. Gas, regelmäßige Wartung und Beschaffung
der nicht gerade billigen Glühstrümpfe, die immer
wieder ausgetauscht werden müssen, gehen ganz schön
ins Geld. Rechnet man die Arbeitszeit obendrauf, wird
deutlich, weshalb die Bäder- und Kurverwaltung (BKV),
der die Lampen gehören, lieber heute als morgen auf LED
umrüsten würde.
Auch andere Städte müssen aus Kostengründen um den
Erhalt der Gaslichter bangen. Allein in Berlin leuchten allabendlich
über 42.000 Gaslaternen. Baden-Baden gehört
zu den letzten Bastionen der Gasbeleuchtung in Deutschland.
Hier eingeführt hatte die Laternen der Unternehmer
und Pächter der Spielbank Edouard Bénazet im Jahr 1845.
„Irgendwann werden wohl auch diese Lampen automatisiert,
wie die meisten anderen in Baden-Baden“, sagt Peter.
Einerseits als „Stangenmänner“ verspottet, aber vielfach
auch romantisch verklärt – die Umstellung auf Fernzündung
hat den Beruf des reinen Lampenanzünders inzwischen
überflüssig gemacht. Für die Stadt Baden-Baden sind
die Gaslaternen vor dem Kurhaus und die damit verbundenen
Rituale des Anzündens ein sympathisches Bekenntnis
zum Bewahren liebgewonnener Traditionen. Denn wie
heißt es so schön am Ende des „Kleinen Prinzen“: „Das ist
ein schöner Beruf. Das ist wirklich sehr nützlich, weil es
schön ist.“
44
LIVING & LIFE
RUBR IK
STAR
KOCH
UNTER KLASSIK - S T ARS
H A RALD W OHLFAHRT,
DEUTSCHLAND S
B E RÜHMTESTER KOCH,
VERFEINERT AB
S A ISONB E G I N N
D I E S P EISEN D E R
A I D A - G A S T R O N O M I E
IM F E STSPIELHAUS
er Drei-Sterne-Koch Harald
D Wohlfahrt berät seit Mitte
2017 das Festspielhaus Baden-Baden
in kulinarischen Fragen. Das Festspielhaus
und der Spitzenkoch, der
mehr als drei Jahrzehnte die berühmte
„Schwarzwaldstube“ im Baiersbronner
Hotel „Traube Tonbach“
und damit eines der besten deutschen
Restaurants leitete, vereinbarten eine
entsprechende Zusammenarbeit.
„Ich weiß von Künstlerinnen und
Künstlern, aber auch von Konzertbesuchern,
die ihren Aufenthalt
verlängert haben, um einen
Abend bei Harald Wohlfahrt in der
„Schwarzwaldstube“ zu verbringen“,
erklärt Festspielhaus-Geschäftsführer
Michael Drautz. Der Coup, den
Küchenkünstler als Berater zu gewinnen,
passt in die Strategie des größten
deutschen Opernhauses, seinen Gästen
einen rundum gelungenen Abend
zu bereiten. Harald Wohlfahrt kochte
natürlich auch schon in seiner Funktion
als Küchenchef der „Schwarzwaldstube“
für Künstler, die auch im
Festspielhaus Baden-Baden auftraten
– darunter unter anderem Anne-
Sophie Mutter. Sabine Bernhard,
Leiterin der Festspielhaus-Gastronomie,
erinnert sich noch gern an
eine erste intensive Zusammenarbeit
im März 2017. Für das Dinner zum
musikalischen Ausklang des G20-Finanzgipfels
im Festspielhaus bereitete
Harald Wohlfahrt den Hauptgang:
Kalbsmedaillon und geschmortes
Kalbsbäckchen im Kräutermantel
mit Parmesan-Chip, Hummus und
Spitzmorcheln an Schalottenjus.
„Unser Team erstarrte fast vor Ehrfurcht“,
so Bernhard.
Die Gäste waren begeistert und Gastgeber
Wolfgang Schäuble bedankte
sich persönlich bei den Köchen. Harald
Wohlfahrt: „Wir haben natürlich
auch auf andere Kulturen Rücksicht
genommen, deshalb war der Hauptgang
ohne Schwein und es gab einen
vegetarischen Hauptgang: Risotto
mit gebratenen Kräutersaiblingen
und glacierten Spitzmorcheln.“ Aber
Harald Wohlfahrt ist nicht nur Perfektionist,
sondern auch Pragmatiker,
Allüren sind ihm fremd, er geizt nicht
mit seiner Kunst.
46 LIVING & LIFE
HARALD
W O H L F A H RT
Wohlfahrt weiß, dass er im AIDA-
Restaurant im Festspielhaus an eine
erfolgreiche Entwicklung anknüpfen
kann. Er will Ideen entwickeln und
mit dem Team um Küchenchef
Andreas Hack weiter vorankommen.
Trends hinterherzulaufen war ohnehin
nie die Sache des bodenständigen
Kochkünstlers, der seine Karriere im
Baden-Badener Restaurant „Stahlbad“
begann. Harald Wohlfahrt
schwärmt von den Zwetschgen, den
Himbeeren, dem Spargel der Region,
von den Jahreszeiten, die er in der
AIDA-Karte „einfangen“ möchte.
Es geht um Verfeinerung – und wie
im Konzertsaal sind auch in der
Küche die letzten Schritte die größte
Herausforderung. „Die Festspielhaus-
Gastronomie will diese Schritte mit
Harald Wohlfahrt gehen“, erläutert
Michael Drautz die Zusammenarbeit.
„Wir möchten unseren Gästen auf
allen Ebenen Perfektes bieten: mit den
weltbesten Künstlern und nun auch
mit einem der weltbesten Köche.“
Als Harald Wohlfahrt kürzlich in
einem Interview gefragt wurde, welchen
Spruch er seinen Mitmenschen
gern ans Herz legen wolle, lautete
seine Antwort: „Wer nicht genießt,
wird ungenießbar.“
Und was ist das Geheimnis seines
anhaltenden Erfolgs? Harald Wohlfahrt:
„Ich gehe mit der Jahreszeit
und schaue, was es auf dem Markt
gibt: Wild, Milchlamm, Rebhühner,
Fasane, Zitrusfrüchte. Das muss
wirklich zur Zeit passen. Ich lege
doch nicht bei 30 Grad Hitze im
August eine Mandarine in einen
Sternanisgewürz-Sud. Dieser Duft,
dieses Aroma sind typisch Winter.
Ich setze mich irgendwann hin
und schreibe eine jahreszeitliche
Menükarte. Das ist vielleicht wie
bei einem Musiker, der ein Stück
schreibt. Er schlägt auf dem Klavier
einen Ton an, einen Akkord, er
versucht Melodien zueinander zu
bringen.“
Harald Wohlfahrt ist in Loffenau
geboren und gilt inzwischen auch
europaweit als einer der besten Köche.
Eine Lebensweisheit hat Harald
Wohlfahrt für unsere Leser noch
bereit: „Nimm Dir die Zeit zum Kochen,
sie ist die Quelle des Glücks!“
Frage an den begnadeten Spitzenkoch:
Was schätzen Sie an Baden-Baden?
Wohlfahrt: „Baden-Baden ist eine
wunderbare Kleinstadt mit einem
Großstadtflair. Baden-Baden bietet
eine unglaublich große kulturelle und
auch gastronomische Vielfalt. Wo gibt
es das auf engstem Raum: Festspielhaus,
Südwestrundfunk, Museum
Frieder Burda, Spielbank, Thermen,
Theater und eine der schönsten
Parkanlagen weltweit? Dann der
Rosengarten oder eine Fahrt mit
der Merkurbahn mit Besuch beim
Wildgehege. Baden-Baden ist doch
einmalig! Ich habe ja schon mal zwei
Jahre in der Stadt gelebt und habe
immer gesagt, Baden-Baden ist meine
zweite Heimat.“
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im Gespräch mit Andreas Hack, Küchenchef des Festspielhauses Baden-Baden, Drei-Sternekoch Harald Wohlfahrt,
Martin Herrmann, Küchenchef des Hotels Dollenberg, und Bernd Werner, Küchenchef von Schloss Eberstein (von rechts nach links).
LIVING & LIFE
47
RUBR M ENSCH IK EN
48
LIVING & LIFE
PROF ESSOR HEINZ L IESEN
DAS NEUE SCHLOSS ALS
KULTURZENTRUM FÜR
DIE DEUTSCH-FRANZÖSISCHE
FREUNDSCHAFT?
G ESPRÄCH MIT D E M RENOMMIER-
TEN S P ORTMED I ZINER P R O F E S S O R
H E INRICH L I ESEN ÜB E R D I E Z U K U N F T
BAD E N-BAD E NS, D I E EINSTIGE
S OMMERRESID E NZ VON C L A R A
S CHUMANN, D A S OBSTGUT L E ISB E R G
UND SEINE Z E IT MIT D E R F U S SBA LL-
NATIONALMANNSCHAFT UND F R A N Z
BECK E N B AUER
er Blick aus dem Fenster fällt auf einen wunderschönen
Garten mit einem riesigen Redwoodbaum in der
D
Mitte und mehr als 200 Rosen. Direkt dahinter die Oos,
mit einer kleinen Brücke zur Lichtentaler Allee und der
Klosterwiese. Die Szene wirkt wie aus einem Bilderbuch.
Hier lebt der emeritierte Sportprofessor Heinz Liesen mit
seiner Frau Viola. Liesen hatte einst als Arzt die Fußballnationalmannschaft
unter Franz Beckenbauer medizinisch
betreut. Heute engagiert sich der 76-Jährige im Stadtrat in
Baden-Baden.
Professor Liesen, was ist eigentlich das Einmalige an Baden-Baden?
Professor Heinz Liesen: Baden-Baden kennt man auf
der ganzen Welt. Diese Stadt hat sich das Flair des 19. Jahrhunderts
erhalten. Mit einer einzigartigen Einbindung in
die Natur. Heute sind noch viele Attraktionen dazugekommen,
die einmalig sind. Es sind natürlich das Museum Frieder
Burda und das Festspielhaus, aber auch das Spielcasino
und die Nähe zu Frankreich und die großen Gemeinsamkeiten
mit dem Nachbarland. Baden-Baden müsste wieder
eine Position wie damals, als einstige Sommerhauptstadt
Europas, erlangen.
Und wie ist Ihre persönliche Beziehung zu Baden-Baden?
Liesen: Am Anfang vor 16 Jahren habe ich mich, ehrlich
gesagt, gar nicht so richtig wohlgefühlt hier. Ich hatte vorher
einen kleinen Bauernhof aus dem 13. Jahrhundert in
der Nähe von Köln, den ich über 30 Jahre Zug um Zug
renoviert habe. Renovieren ist mein Hobby. Erst als ich
hier in Baden-Baden das Glück hatte, wenige Meter von
unserem Wohnhaus entfernt, ein ziemlich heruntergekommenes
Gebäude zu erwerben, hat sich das geändert. Das
Haus direkt an der Oos hat für mich ein faszinierendes
Flair und sollte eigentlich abgerissen werden, um Appartementhäuser
zu bauen. Dort hatte jahrelang die Pianistin
und Komponistin Clara Schumann ihre Sommermonate
verbracht. Ich habe das alte Haus über zwei Jahre in Eigenarbeit
komplett renoviert. Erst damit bin ich eigentlich hier
in Baden-Baden angekommen. Und natürlich auch wegen
meiner Frau, die mich hierher geholt hat.
Sie waren weltweit unterwegs, sind jetzt hier in Baden-Baden gelandet
und politisch im Stadtrat tätig, was läuft gut und was läuft
schlecht in dieser Stadt?
Liesen: Womit soll ich anfangen? Ich finde, die Verwaltung
hier in Baden-Baden ist total aufgebläht. Es kommen
oft viel zu lange keine Entscheidungen zustande und es
fehlen ein Konzept und ein roter Faden für die Stadt. Im
Baubereich sind viele Fehler gemacht worden, es gibt unglaubliche
Bausünden ...
LIVING & LIFE 49
PROF ESSOR HEINZ L IESEN
Können Sie Beispiele nennen?
Liesen: Was jedem Besucher sofort auffällt,
ist die Deutsche Bank. Das kann doch nicht
wahr sein, solch ein Klotz mitten im Herzen
der Stadt. An der Stelle war ursprünglich ein
traumhaft schönes Gebäude, das abgerissen
wurde. Es gibt viele negative Beispiele. Das
schadet uns auch bei der Bewerbung, Weltkulturerbe
zu werden.
Welche Hoffnungen verbinden Sie mit einer Ernennung
Baden-Badens als Weltkulturerbe?
Liesen: Ich setze große Hoffnungen darauf,
dass dann solche Bausünden nicht mehr begangen
werden. Was mich auch sehr stört, ist
der massive Sanierungsstau, den wir haben.
Die Fieserbrücke und andere Brücken dürften
eigentlich schon gar nicht mehr von Lastwagen
befahren werden. Das wurde alles verschlafen.
Sie sehen ja auch das Drama am Leopoldsplatz
oder auch am Augustaplatz und der Lichtentaler
Straße. Wenn wir nicht aufpassen, gerät
Baden-Baden in eine kritische Phase. Wir haben
heute schon extrem hohe Leerstände in
den Geschäften. Damit fehlt den Gästen eine
wichtige Attraktion. Was ich auch kritisiere:
Baden-Baden ist keine Bäderstadt mehr. Es
gibt nicht mal mehr 50 Patienten jährlich, die
zu einer Bäderkur kommen, es gibt kaum noch
Bäderärzte und es gibt kein Konzept dafür.
Ich finde es schlecht, dass das jahrtausendealte
Thermalwasser im Original gar nicht mehr zu
bekommen und zu trinken ist. Die Bäderkultur
geht verloren.
Liegt das auch an Privatisierungen?
Liesen: Sicherlich auch. Die Privatisierung
führt dazu, dass die Betreiber Geld verdienen
wollen und nicht mehr die Frage im Vordergrund
steht, was für diese Stadt wichtig ist.
Und noch ein Problem: das Neue Schloss. Das
ist doch Namensgeber und einer der Ursprünge
hier in Baden-Baden. Ein Jammer, was da
passiert.
PROFESSOR
HEINZ LIESEN
war jahrzehntelang
einer der bekanntesten
Sportmediziner
im deutschen Raum.
Mehr als 20 Jahre
war er an der Sporthochschule
in Köln.
18 Jahre betreute
er die Feldhockey-
Nationalmannschaft.
Franz Beckenbauer
hat ihn vom Hockey
zum Fußball geholt.
Liesen war als
Sportmediziner auch
in anderen Sportarten
wie Radfahren oder
Ringen, ja sogar in
der Nordischen Kombination
engagiert.
Liesen: „Ich habe
viel Wissenschaft
gemacht, habe das
aber auch angewandt.
Das war meine
Philosophie, das war
mein Weg.“
Wie ist der Lösungsansatz?
Liesen: Das kann nicht von Baden-Baden
allein gelöst werden. Dieses Schloss und diese
Stadt haben einen sehr starken Bezug zu Frankreich.
Hier ist die deutsch-französische Freundschaft
nach dem Zweiten Weltkrieg besiegelt
worden. Es gibt nirgendwo in Deutschland einen
Ort, der so eng mit Frankreich verbunden
ist. Ich meine, wir brauchen ein Zentrum für
deutsch-französische Freundschaft. Das könnte
das Neue Schloss in Baden-Baden sein. Es gibt
für diese Idee Unterstützung der EU und der
Bundesregierung. Dafür sind auch europäische
Fördergelder vorhanden. Das Neue Schloss
wäre eine Begegnungsstätte, ein Kulturzentrum,
da lässt sich sehr viel daraus machen. Das
muss dann auch für die Bürger geöffnet und
belebt werden. Auch der Florentinerberg und
der Marktplatz – da muss in den nächsten Jahren
unbedingt etwas passieren.
Und was läuft gut in Baden-Baden?
Liesen: Was unheimlich gut läuft, ist das Engagement
privater Leute im kulturellen Bereich.
Das Festspielhaus in dieser Form, privat
getragen und auf eigene Initiative, ist weltweit
einmalig. Die Berliner Philharmoniker kommen
von Salzburg nach Baden-Baden. Das ist
doch ein Wert, der immens ist. Das, in Verbindung
mit dem Museum Frieder Burda, dem
Museum und Schachzentrum von Wolfgang
Grenke, sucht Seinesgleichen. Wer weiß schon
wirklich, dass die Baden-Badener Mannschaft
quasi Bayern München im Schach ist. Es gibt
in Deutschland nichts Vergleichbares.
Wenn Sie schon Bayern München ansprechen, was
können Sie denn aus Ihrer Zeit mit Franz Beckenbauer
und der Betreuung der Fußball-Nationalmannschaft
erzählen?
Liesen: Meine Erfahrungen hatte ich als
Hochschullehrer an der Sporthochschule Köln
in verschiedenen Sportarten gesammelt. Dann
kam Franz Beckenbauer und hat mich für die
Fußball-Nationalmannschaft engagiert. Ich
wollte das ursprünglich nicht. Ich hatte vorher
schon Bundesligatrainer ausgebildet in einem
neuen Fach: in Sportmedizinischer Trainingslehre.
Das war genau das, was Beckenbauer für
seine Mannschaft wollte. Ich habe viele neue
Methoden eingeführt und wir waren erfolgreich
damit. Damals ging es ja zur WM nach
Mexiko. Da waren Trinken, also ausreichend
Flüssigkeit für den Körper, Aufwärmprogramme
und Regeneration von großer Bedeutung.
50 LIVING & LIFE
ANNE-SOPHIE MUTTER
RUBR IK
Das gab es damals so noch nicht. Ich habe eingeführt, dass
die Kreativität des Gehirns bei den Sportlern durch ganz
andere Dinge als Fußballspielen regeneriert wird, beispielsweise
durch Golfspielen. Franz Beckenbauer hat das
sofort verstanden. Aber da gab es zunächst große Widerstände
beim DFB. Am Ende waren alle glücklich damit,
auch wenn wir in Mexiko nur Vizeweltmeister wurden.
Nach dem Endspiel bekamen dann alle die Silbermedaille,
Franz auch. Franz Beckenbauer holte alle Spieler zusammen,
sie waren deprimiert, weil es nicht für den WM-Titel
gereicht hatte. Franz rief mich dazu und hielt eine kleine
Rede. Er sagte, wir sind viel weiter gekommen als jeder geträumt
hat und wir haben das Endspiel erreicht, was für
eine Leistung. Dann sagte er, einer, dem wir das Meiste zu
verdanken haben, das wäre ich. Er kam zu mir und hängte
mir seine Silbermedaille um den Hals. Das hat mich unglaublich
berührt. Mit Franz Beckenbauer ist bis heute eine
enge Freundschaft geblieben. Vier Jahre später wurden wir
in Rom gemeinsam Weltmeister.
Kommen wir nochmal zurück nach Baden-Baden. Wie ist die Geschichte
vom Obstgut Leisberg?
Liesen: Das liegt ja gerade hier gegenüber von unserem
Haus. Das Obstgut ist so romantisch, das kann doch nicht
einfach geschlossen bleiben. Es bedurfte großer Überzeugungsarbeit,
bis sich die Stadt entschlossen hat, dieses Gelände
der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da sind
tolle Bäume und eine kleine Scheune drin, wunderschöne
Wiesen, einfach eine Idylle hier in der Stadt. Das kann
man den Menschen doch nicht einfach vorenthalten. Das
ist gelebte Politik. Das Gelände ist auch im Kerngebiet
des Weltkulturerbes. Aber jetzt ist es wieder für alle zugänglich.
Und wie kam es zu den Blumen auf den öffentlichen Brücken?
Liesen: Ende Oktober leert die Stadt alle Blumenkästen
an den öffentlichen Brücken. Das finde ich unmöglich.
Gerade im Winter, wenn alles so trostlos, tot, wirkt. Bei
meinem türkischen Freund, dem Blumenhändler auf dem
Lichtentaler Markt, habe ich winterharte Blumen gekauft
und eingepflanzt. Die Bürger und Gäste freuen sich, sind
darüber glücklich. Hoffentlich motivieren solche kleinen
Aktionen auch andere.
Noch eine letzte Frage, wie hält sich der Sportprofessor fit?
Liesen: Mit Sport geht nicht mehr so viel, ich hatte vier
Hüftoperationen, aber mich halten vier bis sechs Stunden
Gartenarbeit oder das Renovieren unseres Hauses fit. Das
ist meine beste Medizin!
DAS GESPRÄCH FÜHRTE HORST KOPPELSTÄTTER
LIVING & LIFE 51
RUBR INTERV IKIEW
WIE
WOHNEN
UND
ARBEITEN
WIR
MORGEN?
Moderne Büroräume: Immobilien Regional AG in Baden-Baden
52 LIVING & LIFE
RUBR IK
G E SPRÄCH MIT D E M I N HAB E R D E R I M MOB I LIEN R E GIONAL AG, M A RTIN E R N S T ,
UND SEINER T OCHTER T H ERESA-L U ISA E R NST ÜB E R EINE GUTE W O R K - L I F E - B A L A N C E ,
ATTRAK T IVE BÜROWELTEN, D E N RASANTEN N A TUR- UND F L ÄCHENVERB R AUCH UND
D I E Z U K U NFT BAD EN-BAD ENS
LIVING & LIFE 53
INTERV IEW
Wie werden wir künftig wohnen?
Martin Ernst: Vorhersagen sind immer
sehr schwierig. Überlegen müssen
wir uns alle, ob wir den Natur- und
Flächenverbrauch in diesem Tempo
fortführen, wie wir dies momentan
tun. Zu erhalten ist meiner Ansicht
nach ein historischer Stadtkern. Was
spricht allerdings dagegen, in genau
definierten Quartieren, in die Höhe
zu bauen? Wichtig ist, in allen Bereichen
die Erholung der Menschen in
Natur- und Flussauen zu sichern. Das
geht nicht mehr, wenn wir die gesamte
Grünfläche dem Beton opfern.
Theresa-Luisa Ernst: Wahrscheinlich
in einem komplett automatisierten
Haushalt.
Wird Besitz überhaupt noch diese Bedeutung
haben? Es gibt eine Sharing-Tendenz,
etwa etwa beim Auto. Wird das beim Haus
auch einmal kommen?
Martin Ernst: Es liegt in den Urgenen
der Menschen, dass sie sich ihr
eigenes Nest bauen. Kein Vogel ist
bereit, sein Nest mit anderen zu teilen.
Genauso ist dieses Grunddenken
in jedem Menschen vorhanden. Er
will sein eigenes Nest bauen und seine
eigene Familie gründen. Ich glaube
beim Wohnen nicht an den Sharing-
Gedanken.
Theresa-Luisa Ernst: Das sehe
ich etwas anders. Die Autorin Rachel
Botsman hat sich in ihrem Buch
„What‘s mine is yours“ intensiv damit
befasst. Das Thema ist ja schon seit ein
paar Jahren in aller Munde und wird
sich auch im Bereich Wohnen oder
Häuser weiterentwickeln. Airbnb ist
ja bereits ein erfolgreiches Unternehmensmodell.
Besonders in Großstädten,
wo es viele Pendler beziehungsweise
Berufstätige gibt, und auch mit
der Zunahme an Singlehaushalten
wird das Thema sicherlich signifikanter
werden. Nicht jeder möchte dann
viel Geld in die Miete stecken oder
gar über Eigentum nachdenken, wenn
man nur eine geringe Zeit in den „eigenen“
vier Wänden verbringt. Die
Relevanz des Wohneigentums rutscht
somit einfach in eine spätere Lebensphase,
wenn entschieden wurde, wo
man sich final niederlässt.
Wie verändern sich Arbeitswelten?
Martin Ernst: Ein Büro ohne Klimatisierung
ist für die Zukunft nicht mehr
denkbar. Jeder Investor von Büroimmobilien
muss dies in seiner Planung
berücksichtigen. Die Mobilität, also
das kostenlose Parken für die Mitarbeiter,
halte ich auch für sehr wichtig und
dann muss die Umgebung im Büro
selbst attraktiv sein und den Menschen
mit allen Sinnen ansprechen.
MAN MUSS SICH DARAUF
E INSTELLEN, DASS ES
WENIGER GROS S E B Ü R O S
GEBEN UND ES MEHR
AUF G EMEINSCHAF T LICHE
„ W O R K S P A C E S “
HINAUSLAUF E N WIRD
Theresa-Luisa Ernst
Theresa-Luisa Ernst: Arbeitswelten
müssen sich den neuen Generationen
anpassen. Work-Life-Balance ist nun
auch schon seit Jahren in aller Munde
und viele Unternehmen haben sich
durch flexible Arbeitsmodelle, wie der
Möglichkeit, sich von zuhause oder
unterwegs in die Server einzuloggen,
umgestellt. Dies geht natürlich nicht in
allen Branchen. Der Generation Y, zu
der ich auch gehöre, ist es auch wichtig,
dass die Arbeit Spaß macht. Das
kann nur passieren, wenn dadurch das
Privatleben nicht zurückstehen muss.
Ich denke, dass wir aber durch unsere
Technologieaffinität, Multi-Tasking-
Fähigkeit und frühe Selbstständigkeit
auch effizienter geworden sind. Das
heißt, man muss sich darauf einstellen,
dass es weniger große Büros geben
wird und es mehr auf gemeinschaftliche
„Workspaces“ hinauslaufen wird.
Viele Themen werden jetzt und auch
in Zukunft sicherlich ausschließlich
mit Videotelefonie und keiner persönlichen
Anwesenheit geregelt werden.
Spart Zeit und Geld.
Sie haben ein altes Gebäude komplett zum
modernen Büro umgebaut, wie war hier Ihr
Ansatz?
Martin Ernst: Ein Grundsatz von
mir ist: Ich mache etwas entweder
richtig oder gar nicht. Nachdem unser
ursprünglicher Plan, das Objekt
abzureißen, daran scheiterte, dass die
Stadtverwaltung meinte, dass dieses
Objekt stadtbildprägend für den Augustaplatz
ist, mussten wir diesbezüglich
vollkommen umdenken. Ich bin
heute sehr glücklich, dass ich das Designbüro
Ippolito Fleitz kennenlernen
durfte und wir den Umbau gemeinsam
realisieren konnten. Qualität kostet
immer Geld, hat allerdings auch
den längsten Bestand.
Wie sind Sie auf die internationalen Architekten
Ippolito Fleitz gekommen?
Martin Ernst: Ich habe von Ippolito
Fleitz gelesen und diese wurden
mir auch empfohlen. Ich rief Herrn
Fleitz einfach an und fragte ihn, ob
er sich vorstellen könnte, in der „Weltstadt“
Baden-Baden tätig zu werden.
Er sagte sofort: „Warum nicht, ich
bin gebürtig aus Baden-Baden Steinbach.
Mein Vater wohnt heute noch
dort.“ Das Büro baut in der ganzen
Welt und wurde kürzlich in die Hall
of Fame des internationalen Designs
aufgenommen. Die erfolgreichen Architekten
sind absolut natürlich, sympathisch
und bescheiden geblieben.
Was ist diesen Architekten in Ihrem neuen
Büro gelungen?
Martin Ernst: Aus unserer Sicht ein
absoluter Wurf. Man sieht sofort die
Handschrift eines einzigartigen Innenarchitekten
und wir können das
ganze Werk nur als absolut gelungen
bezeichnen.
54 LIVING & LIFE
ERNST & RUBR ERNST IK
LIVING & LIFE
55
INTERV IEW
Theresa-Luisa Ernst: Das Büro
hat wirklich Wohlfühlcharakter und
ist modern, stylisch und repräsentativ.
Die offene Gestaltung fördert den
Austausch zwischen den Mitarbeitern
und es gibt genügend Rückzugsorte
für Meetings oder diverse Lounges, in
denen man in unkomplizierter Atmosphäre
einmal Dokumente durchlesen
oder Gespräche führen kann. Ich
selbst war vor meinem Einstieg hier
bei der Immobilien Regional AG bei
einem internationalen Unternehmen
in Frankfurt angestellt. Dort sind wir
vor drei Jahren auch in ein komplett
neues Büro gezogen. Unser Büro hier
in Baden-Baden steht diesem in gar
nichts nach und man merkt sofort,
dass hier renommierte Architekten
am Werk waren.
Wo steht Baden-Baden heute?
Martin Ernst: Leider nicht mehr
dort, wo es vor 50 Jahren stand. Baden-Baden
muss erhebliche Anstrengungen
unternehmen, um das Niveau
im Blick auf Sauberkeit, Gartenpflege,
die Substanz der Straßen und Brücken
wieder zu erreichen. Der Name
Baden-Baden strahlt nach wie vor in
die ganze Welt und ist bekannter als
unsere Landeshauptstadt Stuttgart.
Wer Baden-Baden allerdings kennt
wie wir, sieht, dass sich vieles nicht
zum Besseren verändert hat.
Wie erklären Sie einem Fremden irgendwo
in der Welt, was Baden-Baden ausmacht?
Theresa-Luisa Ernst: Baden-Baden
is so nice that they had to name it twice!
Baden-Baden ist eine einzigartige Stadt
mit vielen tollen Bauten und Einrichtungen.
Es ist landschaftlich wunderschön
am Fuße des Schwarzwalds gelegen
und hat herrliche Grünflächen.
Durch das Museum Frieder Burda und
das Festspielhaus ist Baden-Baden international
bekannt und die Stadt wird
auch für junge Leute interessanter.
Bleibt der Markt für Immobilien in Baden-
Baden so stark?
Martin Ernst: Nennen Sie mir eine
mit Baden-Baden vergleichbare Stadt
in Europa. Ihnen wird keine einfallen.
Damit beantwortet sich Ihre Frage
von selbst.
Wie ist die Situation mit ausländischen und
speziell russischen Immobilienkäufern?
Martin Ernst: Baden-Baden hatte
immer Villen, in denen ein ganz bestimmtes
Land extrem vertreten war.
Nach dem Krieg gab es die arabische
Welle, die japanische Welle, die amerikanische
Welle. Kürzlich die russische
Welle. Jeder Insider weiß, dass
jedem Wellenberg auch wieder ein
Wellental folgt. Deswegen war uns
schon lange klar, dass die russische
Welle auch wieder abnehmen wird.
Dies ist bei den sehr hochpreisigen
Immobilien geschehen – bei den niederpreisigen
nicht. Aber was ist daran
verkehrt, wenn der Markt sich bei realen
Preisen stabilisiert?
Was wird sich in Baden-Baden in den
nächsten zehn Jahren verändern?
Martin Ernst: Ich hoffe sehr, dass
sich die Pflege der Parks, die Sauberkeit
der Innenstadt und der Sanierungsstau
bei Straßen, Brücken und
Plätzen wesentlich verbessern lässt.
Was wünschen Sie sich für Baden-Baden?
Theresa-Luisa Ernst: Ich wünsche
mir für Baden-Baden, dass die Stadt
weiterhin durch Entwicklungen wie
das Roomers und The Grill noch attraktiver
für junge Leute wird und
auch einen Hauch von Großstadtflair
erhält. Zudem können solche Magnetpunkte
sicherlich auch unserem
Einzelhandel helfen, der ja momentan
sehr leidet.
Was ist die Stärke eines Familienunternehmens?
Martin Ernst: Man hat nicht jedes
Quartal Bilanzzahlen zu veröffentlichen
und muss hungrige Kapitalanleger mit
immer größeren Renditenversprechen
ködern. Der Famlienunternehmer
denkt eher wie ein Forstwirt. Dieser
weiß, dass er die Baumsetzlinge, die er
heute in den Boden bringt, frühestens
in 50 bis 60 Jahren ernten kann – also
zwei Generationen später. Ich denke,
dass Qualität und Solidität an oberster
Rangstelle stehen.
Theresa-Luisa Ernst: Ein Familienunternehmen
denkt nicht in Quartalen
sondern in Generationen und ist
deswegen langfristig orientiert. Es gibt
kurze Entscheidungswege und viel Eigenverantwortung,
die Arbeitnehmer
sicherlich schätzen. Es wird meiner
Meinung nach auch eine größere Bindung
zum Unternehmen aufgebaut
und macht die Mitarbeiter loyaler.
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RUBR IK
DAVID HOCKNEY
DIE L U ST AN D E R F R EIHEIT
58 LIVING & LIFE
D A V ID HOCK NEY
DER M A LER DAVID H O C K N EY LIEB T BA D E N-BAD E N
UND AN D E R O O S ENTSTAND E N ERSTE I P A D - Z E ICHNUNGEN
J E TZT WURD E ER 80 JAHRE ALT
VON S TEF AN T OLK SDORF UND HORST KOPPELSTÄTTER
ein anderer hat den Moment des Verschwindens so
K kongenial ins Bild gesetzt. „A Bigger Splash“ heißt
das erste Gemälde, das einem beim Namen „David Hockney“
in den Sinn kommt: ein Swimmingpool kurz nach
dem Köpfer vom Sprungbrett, der Moment des Abtauchens
einer Person, von der nur das aufspritzende Wasser
zeugt – man hört es förmlich spritzen – umso mehr, als
die Umgebung des Pools von fast aseptischer Stille ist. Ein
Sekundenbruchteil, wie ihn nur die Kamera festzuhalten
vermag. Tatsächlich malte Hockney das Bild 1967 nach einem
Foto, erstaunt darüber, dass er für die Abbildung einer
Sekundensequenz ganze zwei Wochen brauchte.
Der junge Engländer war fasziniert von der Sonne und der
Weiträumigkeit Kaliforniens, die er drei Jahre zuvor gegen
das rußschwarze Bradford und die Enge des Elternreihenhauses
eingetauscht hatte. Auch die körperliche Freizügigkeit
gefiel dem bekennenden Homosexuellen. Zuvor an der
Royal Academy hatte er seinem Bedürfnis nach Körperlichkeit
in frechen halbabstrakten Bildern mit Schriftzügen
und becketthaften Figuren Ausdruck verliehen, sämtlich
von gedeckter Farbigkeit. Hier nun, unter dem blauen
Himmel Kaliforniens, in Santa Monica und in Hollywood,
lebte er sich aus. In einigen Bildern aus jenen Jahren der
Befreiung lässt er nackte Männer im Pool schwimmen.
Umso erstaunlicher, dass das Objekt der Begierde in „A
Bigger Splash“ ganz in die Malerei abtaucht, ja darin verschwindet.
Ein programmatisches Bild.
Denn eben darum geht es Hockney in seiner berühmten
Swimmingpool-Serie: eine Malerei zwischen Figürlichkeit
und Abstraktion oder, besser gesagt, um den Einbruch eines
anderen Sehens in die Alltagswelt. Die zu Kringeln
und tanzenden Linien abstrahierten Lichtmuster auf dem
Boden des Pools oder an der Wasseroberfläche – sie verändern
nicht nur die Wahrnehmung, sondern den gesamten
Bildraum. Er war und ist das Dauerthema im ebenso vielseitigen
wie überzeugenden Werk dieses Malers, Zeichners,
Grafikers, Fotografen und Bühnenbildners.
VERSTECKTE SPIEGEL
Es geht ihm um die Erweiterung der Perspektive durch
die Öffnung des Raums. „Der Raum ist eine Illusion, im
Gegensatz zur Zeit, die ich nachweislich dafür brauche,
ihn zu gestalten“, sagte Hockney. In seinem spannenden
Buch über die Geheimnisse der Alten Meister („Secret
Knowledge: Rediscovering the Lost Techniques of the Old
Masters“, 2001) führt uns der Autor zurück zum Beginn
des zentralperspektivischen Zeichnens – zu Filippo Brunelleschi,
den genialen Erbauer der Domkuppel von Florenz.
Hockney zufolge soll er bei der ersten perspektivischen
Zeichnung der europäischen Kunstgeschichte technische
Hilfsmittel – versteckte Spiegel – verwendet haben. Der
Maler, der sich ein Leben lang zur gegenständlichen Malerei
bekannte, sieht in der um 1420 entwickelten Zentralperspektive
indes eine Verengung des Blicks.
LIVING & LIFE 59
RUBR K UNST IK
David Hockney „Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)“ 1972, Acrylic on canvas, 84 x 120", © David Hockney
Photo Credit: Art Gallery of New South Wales / Jenni Carter
In vielen seiner großformatigen, in Kalifornien entstandenen,
farbintensiven Bilder bricht er mit diesem Seh-Prinzip
und bietet, ebenso wie in seinen Fotocollagen („Ein Foto
reicht mir nicht!“), mehrere mögliche Perspektiven und
Standpunkte an. Damit gibt er dem Betrachter eine neue
Freiheit. Dieser soll sich nun selbst in Beziehung zum Bild
setzen, statt nur den Vorgaben des Malers zu folgen. Eine
perspektivische Öffnung des Raumes, die der nach England
Heimgekehrte in den 2000er-Jahren durch seine
Neuentdeckung der Landschaftsmalerei fortsetzte: menschenleere
Ausschnitte von Feldern und Baumgruppen,
weitflächige Panoramen von Yorkshire, die farblich an sein
frühes aperspektivisches Bild „Mulholland drive“ anknüpfen.
Nur scheint der Blick auf die klar konturierte Landschaft
hier konventioneller, weiter entfernt von der Grenze
zur Farbfeldmalerei. Was wie eine Neuauflage des Naturmalers
John Constable im Gewand des virtuellen Zeitalters
anmutet, ist aber keineswegs frei von Romantik.
Der Maler, der in L.A. oder New York so oft und gern ins
Club- und Partyleben eintauchte, genießt nun die Stille.
Diese meist großformatigen Panoramen – das Bild „Bigger
trees near water“ misst etwa 12,2 mal 4,4 Meter und besteht
aus 50 einzelnen Leinwänden – schmeicheln durchaus
dem Auge. Hockney scheut sich nicht, die Schönheit
der Baumformen und eine scheinbar vollkommene Landschaft
zu feiern, die gleichwohl immer auch Nutz-Natur ist:
Gefällte Bäume ragen uns entgegen, von Hecken gezirkelte
Wiesen und Felder segmentieren den Blick.
Die Augen des Malers aber suchen die Weite – seinen
höchsteigenen Begriff von Freiheit. Natur, sagt Hockney,
sei für ihn das Synonym für Unendlichkeit. Konservativ
ist der Brite nur auf den ersten Blick. Als erster Künstler
von Weltrang begann er auf iPhone und iBook zu malen
– Bilder, die wirken, als wären sie mit dem Aquarellpinsel
aufgetragen.
60
LIVING & LIFE
DAVID HOCKNEY
„Der Raum ist eine Illusion, im Gegensatz zur Zeit,
die ich nachweislich dafür brauche, ihn zu gestalten“
Jahrzehnte zuvor hatte sich der kongeniale Zeichner schon
als Druckgrafiker und Fotograf einen Namen gemacht. Für
große Opernhäuser wie die Metropolitan Opera entwarf
er phantastische Bühnenbilder, etwa für „Die Zauberflöte“,
Benjamin Brittens „The Rake´s Progress“ oder Erik Saties
„Parade“. Im letzteren Fall, wie auch auf vielen Bildern
der 90er-Jahre, ist der Einfluss von Henri Matisse unverkennbar.
Hockneys Hero aber bleibt Picasso. An dessen
kubistische Raumauffassung erinnern viele von Hockneys
oft mehrteiligen Bildern. Im Gegensatz zum Spanier spielt
die Figur im Werk des Briten aber eine eher untergeordnete
Rolle. Doch gibt es bei Hockney Paarkonstellationen
von der rätselhaften Statik eines Edward Hopper und der
traumhaften Entrücktheit eines Balthus.
Immer aber bleibt er sich und seiner unverwechselbaren
malerischen Handschrift treu. Wie bei seinem eindringlichen
Portrait der 1999 verstorbenen Mutter – so alt wie das
Jahrhundert, dessen künstlerische Entwicklung die Kunst
des Sohnes eindrucksvoll spiegelt. Stets ging es ihm weniger
um das Motiv, als um die Möglichkeiten der Malerei,
die alte Frage, wie wir eigentlich sehen – und wie sich die
Suche nach Freiheit visualisieren lässt. Man mag diesem
„letzten Meister der Klassischen Moderne“ einen gewissen
Konservativismus attestieren, ja eine Liebe für Sujets des
19. Jahrhunderts. Es ist seine Sinnlichkeit, seine farbliche
Frische, seine malerische Akkuratesse, die David Hockney
zu den gefragtesten und herausragenden Künstlern der
Gegenwart machen. Nur mit Pop-Art, wie immer wieder
zu hören, hat seine Kunst denkbar wenig zu tun. Hockney
ist und bleibt ein Solitär, der sich jeder Einordnung entzieht:
ein Anarchist, wie er sich selbst nennt – wenngleich
alles andere als ein „angry old man“.
Im vergangenen Jahr war er der Star der Frankfurter
Buchmesse, wo er das im Taschen-Verlag erschienene
„A Bigger Book“ vorstellte, seinen 500-seitigen Oeuvre-
Katalog, der im aufgeklappten Zustand mit einem eigens
designten Buchständer ganze zwei Meter misst und sage
und schreibe 2.000 Euro kostet. Ein grandioses Buch, das
seinesgleichen sucht.
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Im Taschen-Verlag ist ein außergewöhnliches
Buch zu David Hockney erschienen:
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Hardcover, 498 Seiten, 13 Ausklappseiten,
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Buchständer und einem illustrierten
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Limitierte Collector’s Edition von 9.000
signierten Exemplaren. Ebenfalls erhältlich in
vier verschiedenen Art Editionen von jeweils
250 signierten Exemplaren mit einer iPad-
Zeichnung.
Cover Artwork by David Hockney „Garden with Blue Terrace“ 2015 (detail)
Acrylic on canvas, 48 x 72", © David Hockney
LIVING & LIFE 61
RUBR B LAU IK IN DER K UNST
David Hockney ist regelmäßig in Baden-Baden: Hier vor dem Museum Frieder Burda.
David Hockney liebt Deutschland, am meisten Baden-Baden.
Seit vielen Jahren kommt er regelmäßig ins legendäre
Brenners Park-Hotel direkt an der Lichtentaler Allee. Von
da ist es nur ein Steinwurf rüber ins schneeweiße Museum
Frieder Burda, dessen Ausstellungen der berühmte Maler
regelmäßig besucht. Er macht nie ein großes Aufhebens
darum, dass er weltweit zu den Stars der zeitgenössischen
Malerei zählt. Er kommt einfach vorbei, plaudert mit den
Damen an der Kasse, schaut sich alles an und geht oft wieder,
ohne dass ihn jemand erkannt hat. Frank Marrenbach,
Chef des Brenners Park-Hotel, kann von vielen sympathischen
Begegnungen mit David Hockney erzählen. Eines
Tages brachte Marrenbach David Hockney und Sammler
Frieder Burda zusammen und beide haben sich prächtig
verstanden bei einer spontanen Einladung, die Burda für
den erfolgreichen Künstler in seinem Privathaus mit herrlichem
Blick über die Stadt gab.
Hockney besucht auch mal gerne die Thermen oder bummelt
einfach durch die Stadt. In der Kulturstadt an der Oos
entstanden auch die ersten iPad-Zeichnungen von Hockney.
Im Brenners Park-Hotel hatte er die Idee und deshalb
kann man heute beispielsweise ein Stillleben Hockneys aus
dem Hotel („Nachttisch am Bett“) oder das Bild „Baden-
Badener Villa in Höhenlage“ bewundern. Eine Hommage
an eine Stadt, in der sich der Maler wohlfühlt und die
Hockney aus vielen Gründen sehr schätzt.
Seit einigen Jahren hat der britische Künstler seinen
Hauptwohnsitz wieder am Mulholland Drive über der
Skyline von Los Angeles. Leuchtend farbig wie seine Bilder
sind auch die Wände seines Hauses, das sich hinter Palmen
und subtropischer Vegetation versteckt. Da liegt er
nun, die ehedem blondierten Haare grau, mit seiner noch
immer unverkennbaren schwarzgerahmten runden Brille,
schmaucht ein Zigarettchen und erfreut sich seines rundum
erfüllten Lebens – natürlich an seinem Swimmingpool.
Im Sommer 2017 wurde er 80 Jahre alt.
Chapeau David Hockney!
62
LIVING & LIFE
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RUBR IK
64
LIVING & LIFE
RUBR IK
DER MIT
DEM FUCHS
TANZT
B E GEGNUNG MIT DEM S CHWARZWÄLDER
N A TURF OTOGRAF E N K L AUS E CHLE
LIVING & LIFE 65
KLAUS
E C H LE
VON HORST KOPPELSTÄTTER
Warum taucht der Fuchs so oft in Ihren Motiven auf?
Klaus Echle: In meinen Augen ist der Fuchs ein sehr
schönes Tier, er ist charismatisch, aber auch umstritten.
In der Literatur hat der Fuchs fast nie eine positive Stellung.
Bei vielen Menschen gibt es Ängste vor dem Fuchs,
das reicht von Tollwut bis zum Fuchsbandwurm. Für mich
ist der Fuchs ein faszinierendes Tier. Jeder, der schon mal
junge Füchse beim Spielen gesehen hat, ist davon ergriffen.
Dieser Zwiespalt ist sehr spannend. Vielleicht kann ich zu
einem etwas besseren Image des Fuchses beitragen.
Es gibt ein Foto, das zeigt, wie Sie hinter der Kamera am Boden
liegen und gespannt beobachten. Hinter Ihnen steht ein Fuchs, der
scheinbar ebenso neugierig schaut, was Sie da eigentlich tun. Ist das
eine Montage?
Echle: Das ist natürlich keine Montage. Das war 2010, da
hatte ich so etwas wie eine Affäre mit einer Füchsin. Ich
hatte eine junge Füchsin ein halbes Jahr begleitet. Sie wurde
am Schluss so vertraut mit mir, dass ich sehr nah an
sie herangekommen bin. Dennoch blieb sie anderen Menschen
gegenüber extrem scheu …
… das heißt, Sie haben die Füchsin sehr früh getroffen und es ist so
etwas wie eine Prägung entstanden …?
Echle: … ja, es war eine persönliche Bindung auf mich
fixiert.
… aber wie hat sich die Füchsin später wieder allein zurecht gefunden?
Echle: Das war kein Problem. Es ist ja mein Anliegen,
dass der Fuchs selbstständig bleibt und selbst jagen muss.
Leckereien, die ich mitgebracht habe, sollten also eher nur
ein kleines Dessert sein und nicht mehr. Wir haben auch
ein Buch darüber geschrieben: „Fuchs ganz nah“. Es ist im
BLV-Verlag erschienen und ist sehr erfolgreich.
Welche Eigenschaften braucht ein erfolgreicher Tierfotograf?
Echle: Eine gewisse Verrücktheit gehört dazu, Leidenschaft
und viel Geduld. Der Naturfotograf ist ja fast ständig
draußen. Und man will immer besser werden. Das ist
wie bei einem Sportler. Eigentlich bin ich eher unruhig und
ungeduldig, aber beim Fotografieren habe ich das nötige
Sitzfleisch.
Wenn Sie bei schlechtem Wetter unterwegs sind und vergeblich warten,
verfluchen Sie dann Ihr Hobby nicht manchmal?
Echle: Der Vorteil ist, man kommt ja schnell wieder an die
Wärme, selbst wenn es nass und kalt sein sollte beim Foto-
66 LIVING & LIFE
RUBR IK
grafieren. Es ist ja nur eine begrenzte Zeit. Ich genieße es,
auch bei schlechtem Wetter, ja bei richtig starkem Regen,
draußen zu sein. Dann entstehen auch faszinierende Fotos.
Und ich erlebe Dinge, die es sonst bei schönem Wetter
nicht gibt.
Wie gelingt es, den Tieren sehr nahe zu kommen und sie dennoch
nicht ernsthaft zu stören?
Echle: Grundsätzlich beschäftige ich mich sehr viel mit
Biologie. Wenn ich an eine Tierart fotografisch rangehe,
muss ich zuvor sehr viel darüber wissen. Ich lese sehr viel.
Dann ist es zunächst eine Annäherung ohne Fotoapparat.
Manche Tiere sind vertrauter als die anderen. Ich muss die
Grenze herausfinden: Wie nah kann ich ran? Natürlich
setzen wir auch mal Hilfsmittel ein, wie Lichtschranken,
Fernauslöser oder Tarnverstecke. Aber Kameras sind auch
laut und ein Störfaktor. Letztlich steht immer das Tierwohl
im Vordergrund.
Was ist das für ein Gefühl, wenn Ihnen ein toller „Fotoschuss“
gelingt? Merken Sie sofort, das ist jetzt ein ganz besonderes Bild?
Echle: Das ist unterschiedlich. Wobei, ich komme fast immer
nach Hause und sage, heute habe ich die besten Fotos
gemacht. Das ist sehr emotional. Manchmal spüre ich sofort,
das ist ein Super-Bild, aber oft braucht es eine gewisse
Zeit, um das zu erkennen. Es kann aber sein, dass ein Foto
nach vier Wochen, wenn die Emotionen weg sind, auch
verliert. Naturfotografie ist immer mit Adrenalin verbunden,
auch wenn gar kein Foto zustande kommt. Wenn ein
Tier auftaucht, ist das immer etwas Besonderes.
LIVING & LIFE 67
KLAUS
E C H LE
Sie waren ursprünglich Koch und haben dann Forstwirtschaft studiert.
Ist Förster ein Traumberuf?
Echle: Ja, absolut. Das ist auch eine Berufung. Ich genieße
es, draußen zu sein. Wir arbeiten täglich mit dem Produkt
Holz.
Was fasziniert Sie an unserer heimischen Landschaft im Schwarzwald?
Sie sind ja viel gereist und haben viel gesehen.
Echle: Unsere Natur wird unterschätzt. Wir haben eine
unglaublich schöne Landschaft hier im Schwarzwald. Ich
war schon in den tropischen Regenwäldern. Das sind wunderbare
Landschaften mit einzigartigen Ökosystemen,
aber über den Schwarzwald lasse ich nichts kommen. Wir
haben vier Jahreszeiten bei uns. Unsere Natur ist weltweit
unvergleichlich, wir müssen das nur entdecken.
Also nach dem Motto „Der Prophet gilt nichts im eigenen Lande“.
Wie würden Sie denn das ganz Besondere am Schwarzwald beschreiben?
Echle: Man muss in alles eintauchen. Es ist vor allem der
Wald, es sind Tannenwälder, die es in dieser Prägung sonst
eigentlich nirgendwo gibt. Die Weißtanne ist der klassische
Baum des Schwarzwaldes mit sehr vielfältigen Waldgesellschaften.
Ein Beispiel sind die bäuerlichen Plenterwälder.
Das sind große und kleine Bäume nebeneinander, wie
eine Großfamilie unter einem Dach. Bei diesen Wäldern
leben mehrere Generationen in einem engen Gebiet zusammen.
Es gibt auch andere Tierpopulationen. Bei uns
ist es beispielsweise der Auerhahn, der ein Kulturgut unserer
Landschaft ist. Nirgendwo in Deutschland gibt es so
viele Auerhähne wie im Schwarzwald. Hier gibt es noch
viele Tiere. Die brauchen einen ganz bestimmten Wald. Es
ist unglaublich reizvoll im Schwarzwald. Der Wald ist oftmals
unterbrochen von offener Landschaft und bäuerlicher
Landwirtschaft, das ist sagenhaft schön.
Also sind die vielen Tannen nicht eintönig?
Echle: Nein, wer genau hinschaut, entdeckt diese unglaubliche
Vielfalt. Wir haben auch eine andere ganz besondere
Geologie. Im Nordschwarzwald sind es eher nährstoffarme
Böden, im Süden dagegen extrem nährstoffreiche, auch
das ist ein Auslöser für eine große Vielfalt. Anders als in
vielen Regionen in Deutschland. Im Nordschwarzwald ist
es überwiegend Buntsandstein, dazwischen Granit, und im
Südschwarzwald Gneis. Teilweise gibt es auch Vulkangestein
mit Lösauflagen.
68 LIVING & LIFE
RUBR IK
K L AUS E C HLE,
geboren 1964 in Oberwolfach, Schwarzwald. Von 1979 bis 1988 Ausbildung
und verschiedene Anstellungen als Koch mit dem Ziel, später den
elterlichen Gaststättenbetrieb zu übernehmen. Von 1988 bis 1994 jedoch
Weiterbildung und Studium zum Dipl. Ing. FH Forstwirtschaft, bekannter
als „Förster“. 1994 bis 2002 Revierleiter im Staatlichen Forstamt Alpirsbach.
Seit 2002 Revierleiter im Städtischen Forstamt Freiburg, Revier
Günterstal.
Die Fotografie betreibt Klaus Echle bereits seit der Jugend. Anfänglich
mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen und überwiegend Landschaftsmotiven
und Reisefotografie. Schon während des Studiums ist er im Naturschutz,
besonders im Fledermausschutz, aktiv. Hier kamen oft Anfragen für
Vorträge, die mit ausgeliehenen Bildern stattfinden mussten. Seit 1996
ist er von der Naturfotografie ernsthaft „infiziert“. Sein Schwerpunkt:
Verhaltensweisen und ökologische Zusammenhänge ästhetisch und
künstlerisch darzustellen. Hierbei liegt ihm die heimische Natur besonders
am Herzen. 2002 wurde er als Vollmitglied in die Gesellschaft deutscher
Tierfotografen (GDT) aufgenommen. Preise beziehungsweise Highlights
bei verschiedenen Fotowettbewerben wie „Glanzlichter“, BBC „WPY“,
London (Gartenschläfer) und viele anderen. 2003 „Europäischer Naturfotograf
der Jahres“ (ENJ).
Echles Fotos werden regelmäßig in der in der Galerie Ulrich Marx in
Offenburg ausgestellt: www.marx-galleries.de
LIVING & LIFE 69
KLAUS
E C H LE
Wie sorgsam – oder auch nicht – gehen wir heute mit der Natur um?
Spüren Sie ein Umdenken?
Echle: Es gibt viele Verbesserungen. Beispielweise in der
Forstwirtschaft kommt man vollkommen vom Einsatz von
Pestiziden ab. Wir werden bewusster und naturnäher. Das
ist keine Frage. Ich sehe aber mit Sorge, dass wir einen fast
unaufhaltsamen Flächenfraß haben. Da gibt es auch einen
Egoismus im Blick auf die Natur. Hier muss jeder für sich
persönlich seine Linie finden. Ich war 2002 zum letzten
Mal auf einer großen Reise. Da bin ich zurückgekommen
und habe mir vorgenommen, nicht mehr zu reisen, auch
nicht als Fotograf. Gerade als Fotograf habe ich die Möglichkeit,
die Natur hier zu zeigen. Ich will einen möglichst
kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen. Das habe
ich gut 15 Jahre durchgehalten. Ich will natürlich nicht ein
Leben lang auf Reisen verzichten. Das bildet ja auch. Aber
im Blick auf die Rücksicht unserer Lebensräume muss jeder
selbst handeln und nicht darauf warten, dass es die Anderen
für einen erledigen.
Und wie verändert sich das Bewusstsein?
Echle: Das ist wirklich eine schwierige Güterabwägung.
Viele Städte in unserer Region wachsen sehr stark. Da wird
guter Wohnraum gebraucht und neue Arbeitsplätze. Es ist
eine Abwägung mit dem Naturschutz. Man kann sich da
nicht auf eine Seite schlagen. Es geht um Kompromisse und
die sind nicht einfach. Jeder muss bei sich selbst anfangen.
Es gibt einen neuen Heimatgedanken in der Gesellschaft.
Die Wertschätzung für unsere Natur ist unglaublich gewachsen.
Dazu kann ich auch als Fotograf ein wenig beitragen.
Wie schön ist es bei uns. Wir müssen nicht nach Afrika oder
sonst wohin reisen, um herrliche Natur zu erleben. Ich kann
nur sagen, wenn wir genau hinschauen, werden wir staunen
über das Wunder unserer Natur im Schwarzwald.
70 LIVING & LIFE
BRENNERS AUSAVA CLUB
STADTWALD
„ÖKOLOGISCHE VIELFALT
IST UNSERE BESTE
RÜCKVERSICHERUNG“
BEGEGNUNG MIT BAD E N-W Ü RTTEMB E RGS F ORSTPRÄSID E NTEN M A X R E G E R
Ü B E R S I TUATION UND Z U K U NFT D E R D E UTSCHEN W Ä L D E R UND D I E BESOND E R -
HEITEN D ES BAD EN-BAD ENER S T A D T WALD ES
VON HORST KOPPELSTÄTTER
Baden-Baden verfügt über die zweitgrößte Kommunalwaldfläche in
ganz Deutschland. Was zeichnet diesen Stadtwald aus?
Max Reger: Die Stadt Baden-Baden ist der größte kommunale
Waldbesitzer in Baden-Württemberg und der
zweitgrößte in der Bundesrepublik. Der Stadtwald besitzt
eine große Bandbreite an unterschiedlichsten Waldbeständen,
vom Auewald der Rheinebene über den Bergmischwald
bis in die hohen Lagen rund um die Badener Höhe.
Auf den unterschiedlichen Standorten finden sich praktisch
alle in Baden-Württemberg vorkommenden Baumarten.
Der Stadtwald rahmt die Stadt Baden-Baden in einer sehr
sympathischen Form ein – ein Schutzwald im besten Sinne
des Wortes. Neben dem klimaschonenden Rohstoff Holz
liefert der Stadtwald ausgezeichnetes Trinkwasser, gute
Luft und viel lebendigen Raum für Freizeitaktivitäten in
einer großartigen Natur-Atmosphäre. Und zu guter Letzt:
Die Stadt Baden-Baden und ihre Bürgerinnen und Bürger
stehen zu ihrem Stadtwald. Die Baden-Badener haben eine
hohe Waldgesinnung – das spürt und sieht man.
Weshalb ist Holz so faszinierend und wie sehen Sie die Zukunft von
Holz als Material für Bauwerke?
Reger: Ich selbst bin voller Leidenschaft und Begeisterung
für dieses Material. Und ich bin sicher, jeder Mensch, der
sich damit beschäftigt, teilt dies bereits nach kurzer Zeit
mit mir. In den vergangenen Jahren hat Holz als Baumaterial
eine rasante Entwicklung genommen. Holz ist der
Champion unter den Materialien, ein richtiger Hightech-
Baustoff, geworden.
Wir wissen, die anspruchsvollen Ziele im Klimaschutz sind
nur mit modernem Holzbau zu erreichen, denn über 50
Prozent unserer Primärenergie verbrauchen wir mit unseren
Bauten. Zugleich speichert die Verwendung von Holz
beim Bauen über Jahrzehnte, teils über Jahrhunderte, CO ² .
Selbst wenn wir ein Gebäude abbrechen, haben wir im
Holz immer noch einen vollständig verwertbaren Rohstoff.
Und dieser Rohstoff wächst als einziger Baustoff ganz
natürlich in unseren Wäldern ständig nach. Das bewirkt
unsere nachhaltige Waldwirtschaft. Alle fünf Sekunden
wächst praktisch ein Einfamilienhaus in unseren deutschen
Wäldern nach. Holzbau ist die Bauform, die alle Umweltauflagen
auch im Recycling problemlos erfüllt.
Mit keinem anderen Baustoff können Sie dank Vorfertigung
so präzise, wirklich auf den Millimeter genau, und
72 LIVING & LIFE
ANNE-SOPHIE MUTTER
RUBR IK
so schnell bauen. Damit ist selbst in eng bebauten Städten
jeden Tag ein neues Stockwerk fertig und die Umgebung
nur minimal beeinträchtigt. Dazu schaffen Sie mehr Fläche,
da mit Holz deutlich schlankere Wandaufbauten möglich
sind. Und dieser gesunde, trockene Bau ist sehr schnell
bezugsfertig. Nichts muss erst trocknen. Mit innovativem
Holzbau sind mittlerweile enorme Spannweiten und Höhen
möglich. In Kürze wird in Heilbronn das erste Holzhochhaus
in Baden-Württemberg entstehen. Dazu ist Holz
unser leichtester tragender Baustoff. Das ist ideal für alle
Aufstockungen, An- oder Ausbauten. Ressourcenschonender
geht es nicht. Mit keinem Material erzielen Sie eine
so hohe Wohn- und Arbeitsqualität wie mit Holz, das ein
geradezu therapeutisches Innenklima schafft. All das mit
verlässlichen Kosten.
Und bevor ich nicht mehr aus dem Schwärmen herauskomme:
Auch im gekonnten Mix mit anderen Baustoffen
präsentiert sich Holz von seiner besten Seite. Mittlerweile
entsteht jedes vierte Bauwerk in Baden-Württemberg aus
Holz. Die intelligente Zukunft im Bauen wird auf Holz
basieren, ebenso wie unsere künftige bioökonomische
Wirtschaftsweise. Materialien auf Holzbasis werden erdölbasierte
Materialien immer mehr ersetzen. Davon bin ich
überzeugt.
Im Ausland gilt die deutsche Forstwirtschaft als ausgesprochen vorbildlich.
Weshalb?
Reger: Deutschland hat sehr vielfältige und naturnahe
Wälder. Im Gegensatz zu vielen Regionen weltweit sind
auch unsere bewirtschafteten Waldflächen von einer großen
biologischen Vielfalt geprägt. Unsere Wälder sind
Heimat für über 20.000 Pflanzen und Tiere, viele davon
haben im Wald ihren letzten Lebens- und Rückzugsraum.
Dazu kommt, dass viele Menschen diese reichhaltigen
Wälder auch als besonders schön empfinden. Der Grund
dafür ist die lange Tradition einer geordneten Forstwirtschaft.
Die Nachhaltigkeit, heute Grundprinzip für viele
Lebensbereiche, wurde vor fast 300 Jahren in Deutschland
für die Forstwirtschaft erfunden. Heute ist dieses
System vielfach weiterentwickelt und ausgebaut worden
und umfasst alle Bereiche der Waldbewirtschaftung. In
Baden-Württemberg wurde dies mit einem strategischen
Nachhaltigkeitsmanagement in die praktische Arbeit vor
Ort integriert, ein Ansatz, den Sie so eigentlich nirgends
auf der Welt wiederfinden.
LIVING & LIFE 73
STADTWALD
Was macht die besondere Faszination des Schwarzwalds aus?
Reger: Seine Vielfalt und die abwechslungsreichen Landschaften.
Der Schwarzwald ist das größte Mittelgebirge
in Deutschland, er umfasst über ein Viertel der Fläche
Baden-Württembergs. Die fast baumfreien Gipfellagen
mit ihrer faszinierenden Fernsicht, der Übergang aus den
warmen Regionen des Rheintals mit den Weinbergen und
den Obstbaumregionen, die Nadelwaldgebiete im Nordschwarzwald,
die mächtigen Weißtannen mit einer Höhe
von über 50 Metern, die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt,
die mal engen, mal weiten Täler mit ihren Bächen und
Flüssen, all dies und noch viel mehr macht den Schwarzwald
mehr als besonders.
Vor welchen Herausforderungen stehen die Wälder?
Reger: Der Klimawandel wird die Wälder und vor allem
die Baumartenzusammensetzung verändern. Die Effekte
nehmen wir jetzt schon wahr, aber leider gibt es keine
zuverlässigen Prognosen für das Klima in 50 oder 100
Jahren. Diese für uns Menschen sehr lange Zeitspanne ist
für den Wald eher kurz. Wir pflanzen heute Bäume, die
erst 2150 geerntet werden. Auch die Belastung durch Luftschadstoffe
setzt dem Wald noch immer zu. Auch wenn in
den letzten 30 Jahren Vieles erreicht wurde, können wir
keine Entwarnung geben.
Was ist zu tun?
Reger: Zentrales Ziel ist der Aufbau von stabilen und
vielfältigen Waldbeständen. Ökologische Vielfalt ist unsere
beste Rückversicherung gegenüber dem Klimawandel.
Dies sind in der Regel Mischbestände aus Baumarten, die
optimal zum Standort passen. Damit dies gelingt, investieren
wir viel in die Forschung und die Standortuntersuchung.
Verbunden ist dies mit der Hoffnung, dass der Klimawandel
gebremst werden kann und die Waldbestände
sich anpassen können.
Max Reger leitet als Landesforstpräsident seit 2007 die
Abteilung Waldwirtschaft und ist gleichzeitig Leitender
Geschäftsführer des Landesbetriebs ForstBW in Baden-
Württemberg. Er ist damit verantwortlich für die gesamte
Waldfläche des Landes und hat wichtige Steuerungsfunktionen
für den Staatsforstbetrieb.
74 LIVING & LIFE
STADTWALD
RUBR IK
DEN SCHWARZWALD ENTDECKEN
Mit knapp 1.500 Metern ist der Schwarzwald das höchste deutsche Mittelgebirge.
Von Pforzheim im Norden erstreckt er sich Richtung Süden über 160 Kilometer
bis zum äußersten Südwesten Deutschlands. Der Schwarzwald ist das größte geschlossene
deutsche Waldgebiet und gehört zu den beliebtesten Erholungsräumen
in Deutschland. Weit mehr als 24.000 Kilometer Wanderpfade lassen sich zu beliebig
langen Touren kombinieren. Auch auf dem Fahrradsattel ist der Schwarzwald ein
wahres Eldorado für Mountainbiker und Radwanderer.
WEITERE INFORMATIONEN: WWW.SCHWARZWALD-TOURISMUS.INFO
LIVING & LIFE 75
Herrlicher Blick von der Badener Höhe
über den Baden-Badener Stadtwald
G E SPRÄCH MIT D E M L E ITER D E R BAD E N-BAD E NER F O RSTB E HÖRD E , T H OMAS H A UCK
Was schätzen Sie am Baden-Badener Stadtwald?
Thomas Hauck: Der Stadtwald Baden-Baden hat eine
sehr lange Tradition in der touristischen Nutzung. Seit gut
180 Jahren gibt es eine eigene städtische Forstverwaltung,
die den Wald im Sinne der Stadt bewirtschaftet. Es ist ein
sehr naturnaher Wald, in dem auch der Naturschutz und
die Waldästethik eine bedeutende Rolle spielen.
Wirft solch eine große Waldfläche auch jährlich gute Erträge ab?
Hauck: Betrachtet man nur den Produktbereich Holzproduktion
und klammert die umfangreichen touristischen
Einrichtungen aus, so würden gute Erträge erwirtschaftet
werden. Leider hat der Orkan Lothar im Jahr 1999 etwa
ein Drittel des Waldes geworfen und die neu entstandenen
artenreichen Mischwälder benötigen einige Jahrzehnte an
Pflege – mit den entsprechenden Kosten.
Welche Bedeutung hat der Wald hinsichtlich Erholung und für den
Tourismus?
Hauck: Die Erholungs- und Freizeitnutzung hat eine sehr
hohe Bedeutung. Neben einem umfangreichen Wanderwegenetz
gibt es auch Angebote für Mountainbiker, Schutzhütten
und Einrichtungen, wie unser vielbesuchtes Wildgehege.
Besonders hervorzuheben ist, dass die Stadt gute 400 Hektar
ihres Waldes als Nationalpark zur Verfügung gestellt hat und
dort zwei sehr attraktive Erlebnispfade eingerichtet sind.
Gibt es eine Stelle, die Sie im Baden-Badener Stadtwald besonders
lieben?
Hauck: Eine schwierige Frage, da der Wald so unterschiedliche
Facetten hat, aber besonders schön ist sicherlich der
Blick vom Turm der Badener Höhe auf gut 1.000 Meter
über Meereshöhe über den Stadtwald bis hin in die benachbarten
Vogesen.
Welchen Wanderweg in Verbindung mit dem Baden-Badener Stadtwald
würden Sie empfehlen?
Hauck: Ein sehr schöner Weg ist unser Panoramaweg, der
auf 40 Kilometern die Stadt umrundet, dabei herrliche
Ausblicke eröffnet und sich zwischen Streuobstwiesen und
dem Wald bewegt. Natürlich ist er auch in Teilabschnitten
zu begehen.
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Erfahrungen, die wir alle teilen, die aber nicht immer bewusst
wahrgenommen werden. Dies alles steht am Beginn
meiner künstlerischen Ausdrucksweise. Ich wähle davon
einiges aus und kombiniere es, bevor ich daraus schließlich
ein Kunstwerk kreiere. Für mich ist das eine Art und Weise
meine Lebenseinstellung zu teilen. Meine Objekte aus Glas
sind eine Möglichkeit, ohne Worte und darüber hinaus
miteinander zu kommunizieren“, sagt Odahashi.
ie Künstlerin Masayo Odahashi ist 1975 in der japanischen
Präfektur Mie geboren. Diese Präfektur
D
liegt im Zentrum der japanischen Inselkette, auf der Pazifikseite,
zwischen Osaka und Kyoto im Südwesten und
Nagoya im Nordosten. Masayo Odahashi fasziniert die
Menschen mit der Ausdrucksweise ihrer Skulpturen. Sie
wirken meditativ, nach innen gekehrt, und strahlen große
Ruhe und Kraft aus. Oft sitzen sich Paare gegenüber, in
schmalen, kleinen Booten oder auf Sockeln. Für Masayo
Odahashi ist es jedoch immer eine Person im Spiegelbild,
zwei Seiten des Lebens, zwei Seiten einer Persönlichkeit.
Ihre Kunstwerke sind Kommunikation ohne Worte.
„Ich finde oft viele verschiedene Inspirationsquellen im
Alltag und sammle sie in meinem Gedächtnis. Das können
Farben oder Formen sein, Texte, alte Geschichten,
Erinnerungen, der Gesichtsausdruck von Menschen oder
Vorwiegend in einem Studio in Kanazawa entstehen ihre
faszinierenden Pâte-de-Verre-Arbeiten, die Menschen aus
aller Welt und aus unterschiedlichen Kulturen begeistern.
Mädchen, nachdenklich und fast meditierend, junge Frauen
mit hochgestecktem Haar oder seitlich gewellter, flügelgleicher
Haarpracht, die teilweise wie Engel aussehen. Und
dann die Dualität: das Mädchen und der Hase und gegenüber
in einem Boot der Mann und der Hase. Sie erzählt
Märchen von dem weißen Hasen und von den Fahrten mit
ihren Eltern zum Ise-Schrein, dem höchsten japanischen
Heiligtum, zu dem jährlich etwa sechs Millionen Menschen
pilgern.
Die meditativen kleinen Skulpturen von Masayo Odahashi
machen großen Eindruck auf alle, die sie sehen. Sie erzeugen
eine intensive Nähe und laden den Betrachter zum
Reflektieren ein. Die Künstlerin ist mit zahlreichen Preisen
geehrt worden, unter anderem mit dem Internationalen
Glaspreis von Kanazawa.
Die Faszination der alten Materie Glas ist in der Galerie
B in Sinzheim/Baden-Baden in den abstrakten und figurativen
Arbeiten neu zu entdecken: transparent wie nichts
oder lichtundurchlässig, glänzend wie poliertes Silber oder
rauh wie Sandstein. Geheimnisvoll schimmernde, vielfältige
Kunst, die einen nicht so schnell wieder loslässt.
78 LIVING & LIFE
M ASAYO
O DAH ASH I
Living & Life sprach mit Masayo Odahashi
bei ihrem Besuch in Baden-Baden.
Wie viel Einfluss haben Ihre Reisen auf Ihre
Werke?
Masayo: Meine Erfahrungen im Ausland
geben mir oftmals einen anderen
Blick auf das Leben. Ich habe verschiedene
Kulturen und die Natur außerhalb
Japans erlebt. Ich erkannte die Unterschiede
zwischen Japan und anderen
Ländern. Das beeinflusst auch meine
Kunst.
Worüber können Sie lachen?
Masayo: Ich lache oft, wenn ich mit
meinen Freunden rede. Wenn ich meine
Zeit mit einem Hund oder einer Katze
verbringe, fühle ich mich glücklich und
lache oft.
Gibt es in der künstlerischen Welt ein Vorbild
für Sie?
Masayo: Das ist der Professor aus meiner
Universitätszeit: Michael Rogers.
Außerdem die Künstler Katsura Funakoshi,
Hideki Maekawa, Paul Delvaux,
Joseph Cornell, Friedensreich Hundertwasser,
Mario Giacomelli, Anna Gaskell,
Judy Hill, Ann Wolff.
Kann Kunst als Brücke zwischen Menschen
und Kultur dienen?
Masayo: Ja, das hoffe ich. Das ist unglaublich
wichtig.
Was hat sich für Menschen und auch für
Künstler in Japan nach dem Fukushima-
Unfall verändert?
Masayo: Nach dem Erdbeben dachte
ich: Es gibt immer ein Morgen und dass
der Mensch nicht allmächtig ist. Ich
möchte mit einem Blick auf die Zukunft
handeln und nicht für den unmittelbaren
Gewinn.
T H E E N TRANCE TO THE I N NER W O RLD
Was gefällt Ihnen an Baden-Baden?
Masayo: Die herzlichen Menschen,
der warme Frühling, die Natur und die
Weinberge.
HOK
MEHR INFORMATIONEN: WWW.GALERIEB.DE
LIVING & LIFE 79
RUBR NATALIE IK
R O WAN A T K I N S O N
ALIAS M I STER BEAN
80
LIVING & LIFE
R OWAN
A T K INSON
„MR. BEAN“ IN
BADEN-BADEN
R OWAN A T K INSON ZU BESUCH IM M USEUM F RIED ER BURD A / A NREGUNGEN
FÜR SEINE VILLA VON R ICHARD M EIER IM ENGLISCHEN O XFORD SHIRE
er sieht ja aus wie Mister Bean“, tuscheln zwei
„D Besucher im Museum Frieder Burda und deuten
auf den Mann, der gerade die Rampe hochläuft. Und
tatsächlich war es Rowan Atkinson alias „Mr. Bean“
höchstpersönlich, der vor einiger Zeit zu einem Besuch
nach Baden-Baden kam. Großes Aufsehen wollte der weltberühmte
Schauspieler und Komiker nicht haben: „Keine
Presse bitte“, sagte er mit einigermaßen ernster Miene,
aber schmunzeln muss man dennoch bei seinem Anblick.
Millionen von Menschen hat er zum Lachen gebracht mit
seiner in viele Sprachen übersetzen Comedyserie. „Mr.
Bean“ verkörpert einen weltfremden Mann, der herrlich
tollpatschig kein Fettnäpfchen auslässt. Das Besondere:
Atkinson gewinnt seine Zuschauer fast ausschließlich mit
Gestik und Mimik, er spricht fast nie. Seine häufigsten
Begleiter sind sein Teddy, das mit Ellbogenschützern besetzte
altmodische Sakko und sein grüngelb-schwarzer
Mini Cooper. Oftmals entsteht aus der normalen Alltagssituation
eine kleine Katastrophe. Vorbilder sind für den
mit unzähligen Preisen geehrten Schauspieler Charlie
Chaplin und Buster Keaton.
„Mr. Beans“ Hauptaugenmerk in Baden-Baden galt
freilich nicht dem Humor, sondern der Architektur von
Richard Meier, der 2004 das Museum Frieder Burda als
„ein Juwel im Park“ vollendet hatte. Das Museum Frieder
Burda gilt bis heute als Maßstab für die vielfach preisgekrönte
klare Architektur von Richard Meier, zu dessen
Markenzeichen die Farbe Weiß gehört und der von sich
selbst sagt, zu den wichtigsten Elementen seines Schaffens
gehöre das Licht.
Genau das interessiert auch den 62-jährigen „Mr. Bean“,
der sich von Richard Meier eine schneeweiße Villa im
englischen Ipsden in Oxfordshire bauen ließ. Das alte historische
„Handsmooth House“, das auf diesem Traumgrundstück
mit 16 Hektar Land stand, musste für das
dreistöckige, großzügige Wohngebäude aus Stahl und
Glas weichen, das einen atemberaubenden Blick auf die
„Chiltern Hills“ freigibt.
Für den mit dem renommierten Pritzker-Preis geehrten
Richard Meier war es eines der ersten Gebäude in Großbritannien
und die eine oder andere Anregung und Inspiration
holte sich Atkinson mitten in Baden-Baden in der
Lichtentaler Allee im Museum Frieder Burda.
Dass Rowan Atkinson nicht nur Komiker ist, bewies er
erst kürzlich mit der Verfilmung von Krimis des legendären
französischen „Kommissar Maigret“. Und Atkinson
findet große Worte für seine Rolle als Maigret: „Ich war
mir sicher, dass ich seine Nachdenklichkeit wiedergeben
kann. Sein Grübeln, das Gedankenvolle, seine Hingabe
haben mich eingenommen. Er ist kein Selbstdarsteller, er
ist nicht exzentrisch oder verrückt.“
HOK
LIVING & LIFE 81
RUBR ANNE-SOPHIE
IK
M UTTER
GENIESSEN
MIT ALLEN
SINNEN
G ESPRÄCH MIT D E M Z A HNMED I Z I N ER
DR. S V EN M A RCUS BESCHNIDT UN D D E M
BAD E N-BAD E NER Z W EI-S T ERNE-KOCH PAU L
S T RAD N ER ÜB ER GESUND E S ES SEN, A N G S T
VOR D E M Z A HNARZT, DA S ER R EI C H E N V O N
S P ITZENLEISTUNGEN UND D I E S U CHE NACH
AU SGLEICH IN D ER N ATUR
Was bedeutet Genießen für Sie?
Dr. Sven Marcus Beschnidt: Meinen Sie „kulinarisch
genießen“? Genießen kann ich ja auf unterschiedliche
Weise. Ich genieße eine Massage ebenso sehr wie ein leckeres
Essen. Beim Kulinarischen geht es darum, das Essen
mit allen Sinnen wahrzunehmen. Ein Essen muss im Geschmack
gut sein, aber auch im Geruch, in der Optik, und
man fühlt sehr viel im Mund – übrigens ist da der Gaumen
sehr wichtig. Ich fühle eine sämige Soße. Zum Genuss gehören
viele Faktoren.
DR. SVEN MARCUS BESCHNIDT
(Jahrgang 1969) gilt als einer der herausragenden
Zahnmediziner in Deutschland. Seit 2004
betreibt er eine privatzahnärztliche Praxis im
Brenners Park-Hotel in Baden-Baden. Beschnidt
ist spezialisiert auf Mikrochirurgie, Implantologie
und ästhetische Zahnheilkunde.
Der Baden-Badener Zahnarzt hat einen Lehrauftrag
im Fach Implantatprothetik am Universitätsklinikum
in Freiburg und ist unter anderem
Mitglied der European Academy of Esthetic
Dentistry (EAED). Seit 1998 hat Dr. Beschnidt
mehr als 500 Vorträge, Tageskurse, Live-OPs
und Hands-on-Kurse zum Thema Implantologie
und Implantatprothetik gehalten.
Paul Stradner: Für mich bedeutet Genießen, mir mal
Zeit zu nehmen, worauf ich gerade Lust habe. Das heißt,
stressige Situationen lassen sich nicht genießen. Natürlich
hat bei mir Genuss meistens auch mit Essen zu tun, und da
schätze ich auch die Zeit, die man dabei verbringt. Man
sitzt mit anderen Menschen am Tisch zusammen, unterhält
sich und kommt anderen Menschen näher – wenn man
sich nicht so gut kennt. Das gilt aber auch für die Familie:
Am Esstisch passiert sehr viel, da wird viel besprochen, am
besten Positives. Aber Genießen kann bei mir auch einfach
Zeit mit meiner Frau und meinen beiden kleinen Kindern
sein.
Weshalb sind gesunde Zähne so wichtig für die Lebensqualität?
Stradner: Gesunde Zähne sind unglaublich wichtig beim
Essen. Ohne Kauen gibt es wenig Genuss. Meine Oma
konnte viele Speisen einfach nicht mehr essen. Da ist dann
auch Schluss mit dem Spaß am Essen.
Beschnidt: Wenn einem das Gebiss den Speiseplan vorschreibt,
dann wechselt der Genuss in Askese. Es geht ja
nicht nur ums Zerkleinern der Nahrung, sondern es geht
darum, dass wir auch viele Geschmacksrichtungen und
82
LIVING & LIFE
ANNE-SOPHIE MUTTER
RUBR IK
Aromen wahrnehmen. Das geht nur über das Kauen. Und
die Kunst eines Sternekochs wie Paul Stradner käme beim
Gast gar nicht richtig an. Es geht ums Schmecken: Zunge,
Gaumen, Nase sind sehr wichtig, aber eben auch die Zähne.
Es gibt viele medizinische Studien, die genau zeigen,
dass jemand, der sein Essen gut zerkleinern kann, damit
auch die Nährstoffe überhaupt erst ins Blut aufnimmt.
Schlechte Zähne bedeuten also auch schlechte Blutwerte
und umgekehrt.
Wie kann falsche Ernährung die Zähne schädigen? Zu viel Zucker
richtet ja beispielsweise Schaden an …
Beschnidt: … der Zucker ist es eigentlich nicht. Der
Zucker ist eher schlimm, weil er auf den Hüften landet.
Schlimmer sind die Säuren. Damit werden die Zähne geschädigt.
Das kann durch Wein kommen, Dressings, Obstsorten.
Also nach dem Essen nicht sofort die Zähne reinigen.
Das gibt Schäden. Man kann niemandem verbieten,
das Glas Wein zu trinken. Aber nach dem Essen eine halbe
Stunde mindestens warten bis zum Zähneputzen und am
besten auch viel Wasser trinken, das neutralisiert.
Können Sie denn als Spitzenkoch darauf Rücksicht nehmen, Herr
Stradner?
Stradner: Die Gesundheit spielt in der Küche von heute
eine immer größere Rolle. Das gilt auch für die Zähne.
Grundsätzlich sind wir körper- und gesundheitsbewusster
geworden im Alltag. Da müssen wir Köche mit der Zeit gehen
und auch eine Vorreiterfunktion einnehmen. In einem
Sterne-Restaurant koche ich natürlich für Gäste, die einen
höchstmöglichen Genuss haben wollen, das geht nicht ohne
süß, salzig, sauer. Da müssen wir auch einen guten Mittelweg
finden …
Sie stehen beide für Spitzenleistungen. Was ist das Geheimnis hinter
dem Erfolg?
Stradner: Ich brauche ein klares Ziel, wo ich hin will, und
muss mir dann den Weg dazu suchen. Gute Partner im
Rücken sind sehr wichtig. Und noch ein Punkt: Kochen
ist wie Fußball. Wenn nur ein einziger Spitzenstürmer auf
dem Feld steht, funktioniert das nicht, es ist ganz klar die
Mannschaft, die zählt.
Beschnidt: Was mir sehr geholfen hat, war, dass ich extrem
gute – durchaus harte – Lehrer hatte. Dann kam die
Chance, hier ins Brenners Park-Hotel zu kommen, um das
Qualitätsniveau dann auch umzusetzen und zu halten.
Hier kann ich umsetzen, was alles möglich ist und nicht
nur, was medizinisch notwendig ist ... mein oberstes Ziel
bei der Behandlung von Patienten: Ich muss auf die Menschen
eingehen. Das Geheimnis ist zunächst einmal Zuhören.
Ich will das Problem verstehen und es dann zusammen
mit dem Patienten lösen. Zeit ist heute unser höchstes Gut.
Ich habe drei, maximal fünf Patienten am Tag.
PAUL STRADNER
(Jahrgang 1981) war von August 2012
bis Oktober 2017 Küchenchef im Brenners
Park-Restaurant in Baden-Baden.
Bereits im November 2012 erhielt er
den ersten Michelin-Stern. Im November
2014 erkochte sich Stradner als
einer der jüngsten deutschen Spitzenköche
den begehrten zweiten Michelinstern.
Zuvor war der in Graz geborene
Koch weltweit in erstklassigen Häusern
tätig – unter anderem mehrere Jahre
bei Deutschlands bestem Koch Harald
Wohlfahrt in der Schwarzwaldstube
der Traube Tonbach in Baiersbronn.
Stradner gilt als eines der ganz großen
Kochtalente im deutschsprachigen
Raum.
LIVING & LIFE 83
RUBR ANNE-SOPHIE
IK
M UTTER
Noch eine Frage an Herrn Stradner. Was ist eigentlich schwieriger:
Zwei Sterne zu erreichen oder diese zu verteidigen?
Stradner: Wenn man 20 Jahre zwei Sterne verteidigen
will, ist das doch sehr aufwendig und mühselig. Ich selbst
sehe das Thema Sterne nicht als Belastung. Es macht einfach
Spaß. So lange man Freude an der Sache hat, ist das
eine gute Grundlage für den Erfolg.
Wie tanken Sie auf?
Stradner: Ich würde gerne noch wesentlich mehr Sport
machen. Meine Energie hole ich mir bei meiner Familie
und draußen in der Natur. Meine Kinder nehmen mich
voll in Beschlag. Da fahren wir gerne bei den ersten Sonnenstrahlen
in den Schwarzwald mit meiner Frau, den
Kindern und unserem Hund. Das entschleunigt auch. Ich
bin sehr naturverbunden. Bei meinem Lieblingshobby –
Mountainbiken im Schwarzwald – muss ich gerade etwas
zurückstecken.
Beschnidt: Sport spielt eine sehr große Rolle bei uns. Meine
Tochter ist sechs Jahre alt und sie möchte jetzt schon mit
mir joggen. Das ist der Ausgleich zum Sitzen. Die Tiefenentspannung
finde ich, wenn ich meine Bonsaibäume pflege.
Ich habe eine große Sammlung Bonsais. Da überlegt
man sich, bevor man einen Ast abschneidet: Der ist viel
älter als Du. Es ist meditativ und entspannt mich.
Was essen Sie besonders gerne, Herr Dr. Beschnidt?
Beschnidt: Zunächst mal muss ein Gericht mit Herzblut
gekocht sein. Das schmeckt man. Wenn meine Frau zuhause
frisches Gemüse mit gutem Olivenöl und Zwiebeln und
einem Hauch Knoblauch anbrät, läuft mir das Wasser im
Mund zusammen. Das ist ein wunderbarer Geruch und es
schmeckt auch grandios.
Herr Stradner, ich frage Sie jetzt nicht nach Ihrem Lieblingsgericht,
das sind Sie schon 100 Mal gefragt worden, aber haben Sie Angst
vor dem Zahnarzt?
Stradner: Na ja, nicht wirklich. Wir Köche sind vermutlich
für Zahnärzte eine gute Kundschaft, also, es ist wirklich
so, dass wir den ganzen Tag am Probieren und Essen
sind. Da sind wir schon ständig übersäuert im Mund und es
ist für uns auch nicht ganz so leicht, die Zähne immer auf
Vordermann zu halten. So gesehen gibt es eine Partnerschaft
zwischen Köchen und Zahnärzten.
… und hat der Zahnarzt Angst vor dem Zahnarzt?
Beschnidt: Ja, ich habe Angst vor dem Zahnarzt. Ich
habe mal schlechte Erfahrungen gemacht und seitdem ist
es so, dass ich in der Nacht vor dem Zahnarzttermin sehr
schlecht schlafe … nicht , dass ich meinem Kollegen nicht
vertraue, sondern ich mag einfach das Gefühl des Ausgeliefertseins
nicht. Man muss sehr viel Vertrauen aufbringen.
Ich habe übrigens auch Angst vor Spritzen, aber es ist
immerhin deutlich besser geworden in den vergangenen
Jahren.
Dann geben Sie uns doch noch einen Tipp: Wie lässt sich die Angst
vor dem Zahnarzt überwinden?
Beschnidt: Es muss ein Vertrauen entstehen zum Zahnarzt
und der Zahnarzt muss sich viel Zeit nehmen für den
Patienten und sich mit ihm und seiner Angst auseinandersetzen.
Die Angst nicht kleinreden, mit der Angst umgehen
und sie annehmen. Das hilft. Im schlimmsten Fall auch
erwägen, eine Behandlung in Sedierung oder Narkose zu
machen. Dann bekommt der Patient gar nichts mit.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE HORST KOPPELSTÄTTER
84
LIVING & LIFE
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ist einfach.
Wenn man einen Immobilienpartner
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auf hohem Niveau und die prachtvolle Natur, gepaart
mit einem außergewöhnlichen kulturellen, erstklassigen Angebot,
wird Sie begeistern und immer wieder nach Baden-
Baden locken.
Was braucht Baden-Baden, um auch in den nächsten Jahrzehnten
konkurrenzfähig zu sein?
Wir müssen uns mit unserem Angebot keinesfalls verstecken
und sind uns unserer Einzigartigkeit bewusst. Eine Weiterentwicklung
und zukunftsorientierte Ausrichtung ist jedoch
absolut notwendig. Wie erreichen wir künftig unsere Gäste?
Wie sprechen wir sie an? Was erwartet man von einer Stadt
wie Baden-Baden? Themen wie Lifestyle, Erlebnisse, Freizeittrends
werden immer wichtiger. Auch die Digitalisierung
leistet einen Beitrag zur Veränderung unserer Wünsche und
Ansprüche. All dem müssen wir gerecht werden: Produkte
schaffen, welche begeistern, welche „anders“ sind und
unserer schönen Stadt eine besondere Erlebbarkeit geben.
Unsere Angebote müssen den Zeitgeist treffen und unsere
Zielgruppe ansprechen – dann machen wir alles richtig.
In welchen Ländern sehen Sie das größte Entwicklungspotential für
Besucher der Stadt in der Zukunft?
Alle Auslandsmärkte spielen für uns touristisch gesehen eine
große und sehr wichtige Rolle. Baden-Baden genießt einen
internationalen Ruf und das macht unsere kleine Stadt kosmopolitisch,
interessant und belebt sie ungemein. Unsere
Bädergeschichte, die kulturellen Leuchttürme, das weltberühmte
Casino und alle Besonderheiten der Stadt bringen
uns auf den Weltmärkten große Aufmerksamkeit. Sicher
gibt es Zukunftsmärkte, wo wir in den nächsten Jahren große
Reisetrends erwarten (zum Beispiel Brasilien, China, Indien).
Wir bespielen alle relevanten Reisemärkte und bringen
Baden-Baden immer wieder weltweit in den Fokus.
HOK
NORA WAGGERSHAUSER,
1972 in Rheinfelden geboren, verheiratet.
Lange berufliche Hotelkarriere in Baden-Baden
als Hoteldirektorin und acht Jahre Mitglied im
Aufsichtsrat der Baden-Baden Kur & Tourismus
GmbH. 2014-2016 Konzernerfahrung in der Europazentrale
von Best Western Hotels Central Europe
als Direktorin für den Bereich Hotelentwicklung.
86 LIVING & LIFE
Was nahe liegt, ist oft am besten. Das finden
auch wir. Deshalb beziehen wir viele unserer Produkte
aus der Region. Auf diese Weise sparen
wir uns nicht nur lange Transportwege, sondern
sorgen auch dafür, dass wir Ihnen unsere Waren
immer frisch und knackig anbieten können.
Überzeugen Sie sich selbst in unseren EDEKA
Märkten vor Ort. Die Märkte in Ihrer Region finden
Sie unter www.edeka-suedwest.de
Wir freuen uns auf Ihren Besuch.