VN-03-2017

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Editorial Liebe Berufskolleginnen, liebe Berufskollegen, Wie sieht eigentlich ein Steuerparadies aus? Die internationale Presse bringt in regelmäßigen Abständen Meldungen darüber in Umlauf, wie weltweit agierende Großkonzerne ihre Gesamtsteuerbelastung durch günstige nationale Steuergesetze und teilweise auch unter Ausnutzung von Lücken im Gesetz optimieren. Aktuell wurde mit den Paradise Papers die Isle of Man publik gemacht. Diese reiht sich neben Liechtenstein, den Niederlanden, Panama, Luxemburg, der Schweiz und den anderen Ländern, die dazu einladen, Vermögen geringer zu besteuern als andere Länder, in eine lange Reihe ein. Dass auf diese Weise Ländern wie Deutschland nicht unerhebliche Nachteile entstehen, liegt auf der Hand. In dem Wissen verwundert es nicht, dass regierungsseitig die Idee der Anzeigepflicht von Steuergestaltungen laut wird. Rein praktisch stellt sich allerdings die Frage, wo der Unterschied zwischen Gesetzesanwendung und anzeigebedürftiger Steuergestaltung liegen soll. Sind Sonder- oder leistungsabhängige Abschreibungen anzeigepflichtige Gestaltungen? Ist eine Eheschließung im Hinblick auf die mögliche Progressionsglättung vorab genehmigungspflichtig? Und wie hoch wird der Steuerspareffekt bei Produktionsverlegungen ins Ausland vor dem Hintergrund vieler anderer Faktoren wie Lohnkostenvorteile, bürokratische Hürden, staatliche Subventionen usw. zu gewichten sein? Die zeitliche Dimension sowohl im Hinblick auf den Mehraufwand für die Beraterschaft als auch die Finanzverwaltung ist vor dem Hintergrund schon fast zu vernachlässigen. Die deutschen Staatseinnahmen sprudeln aktuell auf hohem Niveau. Der Arbeitskreis Steuerschätzung der Bundesregierung hat darüber hinaus festgestellt, dass das mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter anhalten wird. Wenn also der geschäftsführende Bundesfinanzminister auf die zur Verfügung stehenden Mittel blickt, sollte der Begriff Steuerparadies für ihn eine ganz neue Bedeutung bekommen. Eine gute Basis jedenfalls für die angekündigte Unternehmenssteuerreform, die Deutschland im internationalen Vergleich aus steuerlicher Sicht wettbewerbsfähiger machen soll. Ein Weg Richtung Steuerparadies Deutschland? Die ursprüngliche Idee der Steuererklärung auf dem Bierdeckel erscheint möglicherweise dem einen oder anderen Steuerpflichtigen, der sich regelmäßig durch die Fälle an seitenlangen Erklärungen und Anträgen kämpft, ebenfalls als paradiesischer Zustand. Auch wenn hier das Ziel wohl so schnell nicht erreicht wird, bringt doch die vorausgefüllte Steuererklärung zumindest Erleichterung. Mit der rasant voranschreitenden Möglichkeit der Digitalisierung und Automatisierung gehören schon heute in Steuerkanzleien viele monotone Eingabearbeiten der Vergangenheit an. Technisch stehen wir damit noch reichlich am Anfang. Die Prophezeiungen der Softwareanbieter verheißen enorme Zeitersparnisse bei der Datenaufbereitung und Erstellung der Steuererklärungen und Raumersparnis durch digitale Archivierung. Für Steuerberater sind das doch angesichts des immer deutlicher werdenden Fachkräftemangels und der Entwicklung der Immobilienpreise paradiesische Aussichten. Auch die Finanzämter rüsten technisch auf. Die digitalen Daten eröffnen eine Bandbreite neuer Prüffelder. Die Kassenbuchprüfung wird ab 2018 sicher nicht selten vor Augen führen, wie gläsern wir sind. Aber auch alle anderen EDV-Vorerfassungssysteme werden seitens des Fiskus auf Unregelmäßigkeiten durchleuchtet. Vor dem Hintergrund der Grundsätze ordnungsgemäßer digitaler Buchführung, deren Praktikabilität sich derzeit erweisen muss, ergeben sich aktuell zumindest theoretisch unzählige Einstiegsmöglichkeiten für Hinzuschätzungen des Finanzamtes – ein Prüferparadies! Das Steuerparadies liegt wohl immer im Auge des Betrachters. Ihre Anett Böringer Verbandsnachrichten 3/<strong>2017</strong> | 3
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