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S O N D E R TEIL P ARAD ISE P A P E R S<br />

IMM OBILIEN<br />

A lfred Dürr, Hubert Grundner und Gianna Niewel<br />

über den Abriss eines denkmalgeschützten Hauses und<br />

die Frage: Wie wollen wir leben in unseren Städten?<br />

K OMM UNIKA TION<br />

Tim Neshitov besucht eine ganz normale Familie,<br />

in der jeder seinen eigenen digitalen Weg gefunden hat<br />

S Y S TEMKRITIK<br />

Jakob Biazza trifft Nico Semsrott, der als Kabarettist die AfD<br />

zerlegt und es nun selbst mit Politik versucht<br />

R E CHTS POPULISMUS<br />

Cathrin Kahlweit und Peter Münch über die Wahl in<br />

Österreich und das Ende der liberalen Welt, wie wir sie kennen<br />

S P ANIEN<br />

Sebastian Schoepp besucht die katalanischen Separatisten<br />

und trifft auf friedliche, furchtbar nette Menschen<br />

W OHN E N<br />

Gerhard Matzig fragt sich, ob das Leben auf dem Land<br />

ein Comeback erlebt<br />

BUNDE S T A G S W AHL<br />

Cornelius Pollmer fährt mit dem Zug durch Deutschland,<br />

um zu ergründen, wer diese Deutschen eigentlich sind<br />

S P ION A G E<br />

Ralf Wiegand berichtet vom überraschend milden Urteil<br />

gegen den Undercover-Agenten Werner Mauss<br />

VERST Ä NDNIS<br />

Peter Richter wundert sich, dass man für rechtes Getöse vor<br />

allem einen verantwortlich macht: den weißen Mann<br />

SHO W<br />

Rudolf Neumair erzählt von Franz Huber, der mal eben<br />

28 Schwerter schluckt<br />

LIEBE<br />

Ulrike Schuster trifft Lucie, die an Morbus Crohn leidet,<br />

und ihren Freund David, den das nicht abschreckt<br />

JUSTI Z<br />

Hans Holzhaider sitzt im Gerichtssaal vor einem Mann,<br />

der das Gericht nicht anerkennt<br />

7<br />

1 2<br />

1 8<br />

2 3<br />

3 0<br />

3 7<br />

4 1<br />

5 5<br />

5 8<br />

9 8<br />

1 0 1<br />

1 0 5<br />

STEUER TRICKS<br />

Mauritius Much und Ralf Wiegand sehen sich auf<br />

einer Insel um, auf der Briefkastenfirmen keinen<br />

Briefkasten haben<br />

MUSIK G ESCHIC HTE<br />

Kurt Kister weiß, warum man sich bei einem Konzert der<br />

Rolling Stones nicht schämen muss<br />

1 1 0<br />

KAPIT ALIS MUS<br />

Boris Herrmann begegnet in Kuba dem Sohn Che Guevaras,<br />

der eine ganz andere Bewegung anführt als sein Vater<br />

1 1 5<br />

M A CHT<br />

Kai Strittmatter beobachtet, wie Donald Trump sich bei<br />

seinem Besuch in China hofiert fühlt<br />

121<br />

L O KALPOLI TIK<br />

Roman Deininger und Andreas Glas über einen Politstar<br />

im Bayerischen Wald – jung, rot, schwul<br />

126<br />

MORD<br />

Tim Neshitov trifft auf Malta die Familie der getöteten<br />

Journalistin Daphne Caruana Galizia<br />

132<br />

Z W ÄNGE<br />

Johanna Adorján spricht mit dem Schriftsteller<br />

David Sedaris über seine Liebe zum Müll<br />

137<br />

ERIN NERUNG<br />

Holger Gertz besucht den Ort, an dem München dem<br />

Attentat während der Olympischen Spiele 1972 gedenkt<br />

1 4 1<br />

6 4<br />

R O Y A L<br />

Hannes Munzinger erklärt, wie sich das Geld von<br />

Queen Elizabeth II. zu einem Staubsaugerhändler<br />

verirrt<br />

7 2<br />

R OHST OFF HANDEL<br />

Katrin Langhans, Frederik Obermaier, Bastian<br />

Obermayer und Tobias Zick gehen der Frage nach,<br />

warum der Kongo trotz Bodenschätzen arm ist<br />

7 6<br />

HAL TUNG<br />

Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Nicolas<br />

Richter ärgern sich über asoziale Superreiche<br />

9 0<br />

S E I T E<br />

5


LANGSTRECKE 04 / 2017<br />

Phänomenal<br />

LESEDAUER: 10 MINUTEN<br />

MUSIKGESCHICHTE<br />

Rente mit 70? Aber nicht doch für Mick Jagger und Kollegen.<br />

Während andere Musiker ihrer Generation<br />

längst Geschichte sind, spielen die „Rolling Stones“<br />

einfach weiter. Weil sie es können<br />

von<br />

kurt kister<br />

Vor ein paar Monaten, genauer gesagt: am 13. Juni,<br />

starb Anita Pallenberg in einem Krankenhaus in<br />

Chichester, England. Sie war 75.<br />

Es ist vielleicht nicht besonders schlau, einen Text<br />

über die Rolling Stones mit einer zehn Wochen alten<br />

Todesnachricht zu beginnen. Sehr viele Leute nämlich,<br />

die zurzeit über die Stones sprechen und schreiben,<br />

weil die wieder mal eine Welt-, Europa- und Deutschlandtournee<br />

machen, sprechen und schreiben natürlich<br />

auch darüber, wie alt Keith, Mick, Charlie und<br />

Ronnie sind. Die durchschnittliche Stones-Konzertkritikgeschichte<br />

seit ungefähr 1990 erzählt zumeist<br />

ausführlich über die alten Männer auf der Bühne und<br />

im Publikum. („Alte Männer“ übrigens ist, nicht nur<br />

bei Frauen unter 50, eine beliebte Formulierung der<br />

scheinbar freundlichen Gruppendiskriminierung. Sie<br />

gilt außerdem als politisch korrekt. Alte Männer darf<br />

man und frau diskriminieren.) Wenn der Rezensent<br />

oder die Kritikerin selbst jünger als 47 ist oder sich so<br />

fühlt, gibt es gerne noch ein paar Beobachtungen zu<br />

alten Tournee-T-Shirts, die sich über Bäuche spannen,<br />

über die exorbitanten Eintrittspreise und irgendwas<br />

in Richtung too old to rock ’n’ roll too young to die<br />

oder auch only the good die young.<br />

Die Stones sind eigentlich gar nicht too young to<br />

die. Sie sterben nur nicht. Jeweils die Hälfte der Beatles,<br />

der Eagles und der Doors ist tot, zwei Drittel von<br />

Emerson, Lake and Palmer auch. (Wahrscheinlich fällt<br />

jetzt irgendjemandem gleich das Zitat von Bill Clinton<br />

ein, der bei einer Laudatio auf Richards 2011 gesagt<br />

hat, dass Keith Richards außer Kakerlaken die einzige<br />

Lebensform sei, die einen Atomkrieg überleben könne.<br />

Das wird auch gern von Konzertkritikern zitiert.)<br />

Ja, die Stones sind alt. Jagger ist am 26. Juli 1943<br />

geboren, Richards am 18. Dezember desselben Jahres,<br />

Watts am 2. Juni 1941 und Wood am 1. Juni 1947.<br />

Zusammen sind die vier 293 Jahre alt; Ronnie Wood<br />

ist mit gerade mal 70 der Jüngste, Charlie Watts mit<br />

76 der Älteste. Wäre Bill Wyman, der 1993 ausgestiegene<br />

Bassist, noch dabei, wäre er der Älteste. Wyman<br />

ist jetzt 80.<br />

Aber zurück zu Anita Pallenberg. 1965 traf sie zum<br />

ersten Mal auf die Stones, oder die Stones trafen auf<br />

sie. (1965, dies sei der Transparenz und des erkenntnisleitenden<br />

Interesses halber in diesem Klammersatz<br />

elegant aufgedeckt, war ich, also der Schreiber<br />

dieses Textes, acht Jahre alt. Ich neigte damals mehr<br />

Winnetou und den Beatles zu. Das hat sich geändert.)<br />

Die Stones traten am 14. September 1965 zum ersten<br />

Mal in München auf; ihre Deutschland-Premiere<br />

überhaupt war drei Tage vorher in Münster. Backstage<br />

im Münchner Circus Krone hielt sich damals<br />

Anita Pallenberg auf, Tochter eines Italieners und<br />

einer Deutschen, Teilzeitmodel und eine Art hippe<br />

Adabei. Sie baggerte Brian Jones an, den borderlinigen<br />

Gründungsgitarristen der Stones. Dies führte<br />

dazu, dass die beiden in einer sehr stürmischen Partnerschaft,<br />

befeuert von orientalischen und anderen<br />

Drogen, ein paar Jahre zusammen waren, bevor sich<br />

dann Pallenberg und Richards fanden. Die beiden<br />

lebten immerhin bis 1980 miteinander und bekamen<br />

drei Kinder.<br />

NEUGIERIG, WIE’S<br />

WEITER GEHT?<br />

Pallenberg wurde gerne als die „Muse“ der Band<br />

beschrieben, was angesichts der doch eher kontemplativen<br />

Rolle einer Muse nicht so recht passt. Sie nahm<br />

in ihrer Zeit mit Richards durchaus Einfluss auf die<br />

Musik der Band (bei „Sympathy for the Devil“ singt<br />

sie gemeinsam mit Jaggers damaliger Freundin Marianne<br />

Faithfull im Hintergrund). Sie war in den späten<br />

Sechzigern und den Siebzigern so präsent, dass sie<br />

den Lebensstil der Stones mitprägte, der sich wiederum<br />

in den Platten widerspiegelte.<br />

Wie ihr Partner Richards war Pallenberg zeitweise<br />

heroinabhängig. Einen ziemlich großen Skandal gab<br />

es, als 1979 ein 17-jähriger Gärtner tot im Haus und<br />

Bett der Pallenberg-Richards in Salem, New York, gefunden<br />

wurde. Er hatte sich erschossen. Pallenberg<br />

wurde von der Polizei des unerlaubten Waffenbesitzes<br />

beschuldigt; eine Untersuchung, ob sie und der Gärtner<br />

russisches Roulette „gespielt“ hatten, blieb ohne<br />

Ergebnis. Pallenberg, die als Schauspielerin auch mal<br />

mit Volker Schlöndorff drehte, gehört zu den Stones<br />

so wie „Exile on Main Street“, die Drogenrazzien und<br />

jenes Image der bad boys, das sich bis heute auch bei<br />

den Großvätern hält.<br />

SCHLECHTE<br />

BEATLES-<br />

PLATTEN GIBT<br />

ES NICHT,<br />

SCHLECHTE<br />

STONES-LPS<br />

SCHON<br />

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S E I T E<br />

110<br />

SEITE<br />

111


LANGSTRECKE 04 / 2017<br />

ERZFREUNDE<br />

ROHSTOFFHANDEL<br />

Ein machtbesessener Präsident, ein einflussreicher<br />

Ex-Minister, ein gewiefter Geschäftsmann und ein<br />

verschwiegener Schweizer Konzern: Warum der Kongo<br />

bettelarm ist, obwohl dort Bodenschätze für die ganze Welt<br />

liegen – ein Wirtschaftskrimi aus dem Herzen Afrikas<br />

Michels schwielige Finger greifen einen Steinbrocken, er reibt den Dreck weg, unter<br />

der Sandschicht schimmert es grün. „Shaba“, sagt er in seiner Sprache Swahili, das Wort<br />

für Kupfer. Die grüne Farbe verrät, dass der Stein davon strotzt. Dann nimmt er einen<br />

zweiten Brocken, grauschwarz schimmernd: Heterogenit, reich an Kobalt, einem viel<br />

selteneren Metall. „Heiß begehrt und teuer auf dem Weltmarkt“, sagt Michel.<br />

Um nach diesen Stoffen zu graben, dringt Michel immer wieder verbotenerweise auf<br />

das Minengelände in seiner Nachbarschaft vor. Es gehört mehrheitlich einem der größten<br />

Akteure auf dem globalen Rohstoffmarkt, dem Schweizer Konzern Glencore. „Was sollen<br />

wir sonst tun?“, fragt Michel. „Wir haben keine andere Wahl, wenn wir überleben wollen.“<br />

Michels Heimat, die Demokratische Republik Kongo, ist mehr als sechsmal so groß<br />

wie Deutschland, sie ist das Herz Afrikas. In ihren Böden stecken wertvolle Metalle, die<br />

unverzichtbar sind für Laptops und Handys und Elektroautos, das nächste große Ding.<br />

Für deren Antriebe und Ladestationen braucht man Kobalt und Kupfer, der Kongo hat<br />

das in gigantischen Mengen. Analysten nennen das Land schon das künftige Saudi-<br />

Arabien der Elektromobilität. Die Metalle lagern hier hoch konzentriert direkt unter<br />

der Erdoberfläche.<br />

Tag für Tag treibt Michel mit Hammer und Pickel Stollen in die Erde, steigt mit einer<br />

Stirnlampe in die Tiefe, hievt die kostbaren Steine in Säcken an die Oberfläche, zwölf<br />

Stunden am Stück oder mehr, oft bis in die Nacht. Er riskiert sein Leben für die Erze,<br />

und trotzdem reicht das, was ihm die Zwischenhändler zahlen, oft nicht einmal, um die<br />

Schulgebühren für seine Kinder zu bezahlen.<br />

DIE MINEN WERDEN BILLIG<br />

VERKAUFT. DEM VOLK BLEIBEN NUR<br />

EIN PAAR RESTE<br />

von<br />

katrin langhans,<br />

frederik obermaier, bastian obermayer<br />

und tobias zick<br />

LESEDAUER: 31 MINUTEN<br />

Am meisten fürchtet er die Hunde. Wenn er in der Dunkelheit ihr Hecheln und Bellen<br />

hört, die schweren Schritte der Wachleute, rennt Michel los. In der einen Hand Hammer<br />

und Meißel, in der anderen, fest umklammert, einen Sack mit Steinbrocken. Seine Beute.<br />

Die Steine sind es wert, dafür gejagt zu werden.<br />

Der Mann, der nur Michel genannt werden will, 41 Jahre, hohe Wangenknochen, die<br />

Augen rot von der staubigen Luft, sitzt in seinem Wohnzimmer in Kapata, einer alten<br />

Minenarbeiter-Siedlung im Süden der Demokratischen Republik Kongo. Neben den<br />

zerfurchten Sandpisten, die einmal Straßen waren, türmt sich der Müll, von den Hauswänden<br />

blättert der Putz.<br />

LUST AUF<br />

MEHR?<br />

Der Kongo könnte eines der reichsten Länder der Welt sein, aber er ist eines der<br />

ärmsten. Weniger als die Hälfte der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser,<br />

jedes siebte Kind erlebt seinen fünften Geburtstag nicht. Michel ist einer von mehr als<br />

hunderttausend, die im rohstoffreichen Süden des Kongo mit archaischen Werkzeugen<br />

nach den kostbaren Erzen graben, um nicht zu verhungern. Und es kommen immer mehr,<br />

während die Areale, auf denen die Behörden ihnen den Abbau erlauben, immer kleiner<br />

geworden sind. „Es ist viel zu eng für uns alle“, sagt Michel, „deshalb sind wir gezwungen,<br />

auch auf dem Gelände von Glencore zu graben.“<br />

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S E I T E<br />

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