GESPRÄCH MIT RAMON MARIK AR AR Die Arbeitskollegen von Ramon Marik im Portrait ZUFRIEDEN S E I N Text RINO BORINI Fotografie BORIS GASSMANN 55 Menschen mit Behinderung sind am Arbeitsmarkt gleichgestellt, so will es das Gesetz. Dank dieser Gleichstellung sind sie in der Lage, selber für ihren Lebensunterhalt aufzukommen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So wie der 38-jährige Zürcher Ramon Marik. AR AR Augmented Reality (AR-) Inhalte (Anleitung Seite 8) PUNKTmagazin TRUMPF
GESPRÄCH MIT RAMON MARIK Ramon Marik, Sohn einer Schweizerin und eines indischen Einwanderers, ist 1979 in Zürich zur Welt gekommen. Er leidet an einer kognitiven Beeinträchtigung und wird ab und an von Schwindel- und Gleichgewichtsstörungen eingeholt. Doch der aufgeweckte Zürcher beklagt sich nicht, im Gegenteil. Seit einigen Jahren lebt er zusammen mit seiner Lebenspartnerin in einer eigenen Wohnung, ohne externe Betreuung. Diesen Frühsommer hat Marik seinen Arbeitsplatz gewechselt und arbeitet nun in der Produktionswerkstatt der Zürcher Stiftung RgZ. Diese unterstützt seit über 60 Jahren die Entwicklung, Lebensgestaltung und die soziale Integration von Menschen mit Behinderungen, ungeachtet des Schweregrades. Über 240 Mitarbeitende betreuen und unterrichten in neun Beratungsund Therapiestellen, zwei Heilpädagogischen Schulen, zwei Tagesstätten, einer geschützten Werkstatt und einem Wohnheim mehr als 2500 Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Stiftung betreibt auch das Restaurant Rauti inklusive Catering-Service in Zürich-Altstetten und bietet damit weitere geschützte Arbeitsplätze für Menschen an, die in der Regel eine IV-Rente beziehen und den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes noch nicht oder nicht mehr gewachsen sind. 56 A uch Menschen mit Behinderungen sollen, wenn immer möglich, am Arbeitsleben teilnehmen können, so verlangt es die entsprechende UNO-Konvention. Das Recht auf Arbeit zementiert den Anspruch von Personen mit Handicap, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Obwohl das eigentlich klar sein sollte, redet man meistens trotzdem über Menschen mit Einschränkungen statt mit ihnen. Wenn wir aber wissen wollen, was sie denken, sollten wir statt mit irgendwelchen Experten das direkte Gespräch suchen. Denn sie sind Teil der Gesellschaft, Teil unserer Wirtschaft. Ramon Marik ist einer von ihnen. Er lebt seit seiner Geburt in Zürich – er liebt das Stadtleben. Gemeinsam mit seiner Freundin wohnt er in der Drei- Zimmer-Wohnung, in der früher seine Eltern lebten, mitten im pulsierenden Zürich West. Die beiden können ihren Tagesablauf und den Haushalt weitgehend selbständig bestimmen. Im Frühsommer 2017 wechselte der 38-Jährige in die Produktionswerkstätte der Zürcher Stiftung RgZ, wo er seine Arbeiten auf eigene Faust erledigt. Die unterschiedlichen Aufträge stammen von Vereinen, kleinen und mittleren Unternehmen sowie Grosskonzernen. Die Stiftung RgZ macht aber immer wieder mit Eigenkreationen auf sich aufmerksam. Etwa als sie zusammen mit den Studierenden der Zürcher Hochschulde der Künste (ZhdK) einen kleinen Bögg entwickelte. Der Original-Pocket-Bögg wurde zu 100 Prozent in der geschützten Werkstätte Rauti hergestellt. Auch Marik ist in der Produktion dabei, auch wenn es nicht seine Lieblingsbeschäftigung ist. «Aber das gehört halt auch dazu», sagt er. Trotzdem ist er sehr zufrieden mit seiner Arbeitsstelle und generell mit seinem Leben, obwohl er derzeit wieder von stärkeren Gleichgewichtsstörungen und Schwindelattacken heimgesucht wird. Im Gespräch erzählt der ÖV-Freak mit einer Leidenschaft für Computer offen und unverblümt über sein Leben und seinen Arbeitsplatz. Sie arbeiten bei der Stiftung RgZ in der Produktionswerkstätte. Wissen Sie, wie viel Ihr Betrieb zur Wirtschaftsleistung beiträgt? Schwierig. Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Was ist Geld für Sie? Mit Geld kann ich meine Wohnung finanzieren und Lebensmittel kaufen, die ich täglich brauche. Wenn ich mir zusätzlich etwas wünsche, dann spare ich darauf hin. Und sobald ich das Geld zusammen habe, kann ich mir diesen Wunsch erfüllen. Das ist dann ein ganz besonderer Moment und ich habe dann grosse Freude an meiner Neuanschaffung. Andere nehmen Kredite auf und können sofort ihren Wunsch erfüllen. Das mache ich nicht. So landet man schnell in der Schuldenfalle, da man Teilbeträge mit hohem Zins zurückbezahlen muss. Sparen Sie momentan auf etwas hin? Im Moment nicht. Ich bin glücklich, so wie es gerade ist. Wie sparen Sie? Ich habe ein Sparschwein. Nutzen Sie Internetbanking? Ich brauche das nicht. Wie sieht es aus mit mobilen Bezahlsystemen wie ApplePay oder Twint? Dazu braucht man meist eine Kreditkarte. Doch eine solche will ich nicht, da ich keine Schulden machen möchte. Kennen Sie die Vermögenspyramide? Ganz wenige Menschen haben enorm viel Geld, andere fast nichts. Wenn die Reichen das Geld selber verdient oder ehrlich erhalten haben, dann sollen sie glücklich sein. Auch Manager, die teils ohne Verantwortung Millionenboni und extrem hohe … (unterbricht) Ich weiss. Aber vielleicht geht es auch mit weniger Geld. Herr Marik, wie definieren Sie Wirtschaft? Es geht um viele Arbeitgeber und ganz viele Menschen, die vor allem im Hintergrund tätig sind. Sie haben gesagt, die Menschen im Hintergrund gehören auch zur Wirtschaft ... (unterbricht) Genau und diese sieht man meist gar nicht. Institutionen mit Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung werden gemäss dem nationalen Branchenverband INSOS als «Werkstätten» bezeichnet. Dabei handelt es sich um geschützte Arbeits- und Beschäftigungsplätze. Ob die Arbeiten in einer Werkstatt, in einem Büro oder in einer Gärtnerei erledigt werden, spielt dabei keine Rolle. PUNKTmagazin TRUMPF