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8 Kongress aktuell<br />

diabeteszeitung · 2. Jahrgang · Nr. <strong>12</strong> · 20. Dezember <strong>2017</strong><br />

Neue Konsensus-Leitlinie zu<br />

Diabetes im Alter<br />

Wie die Therapie bei älteren Patienten angepasst werden muss<br />

MANNHEIM. Die neue S2k-Leitlinie zu Diabetes im Alter, die<br />

auf dem Konsens der Fachgesellschaften für Diabetologie,<br />

Kardiologie, Geriatrie, Allgemeinmedizin und Palliativmedizin<br />

beruht und Anfang 2018 veröffentlicht werden soll, rückt<br />

nicht mehr vorrangig HbA 1c -Ziele in den Mittelpunkt, sondern<br />

fokussiert vielmehr auf Glukoseexkursionen und -verläufe.<br />

Die Klassifizierung älterer<br />

Menschen mit Diabetes in die<br />

Kategorien „go go – slow go –<br />

no go“ hat sich in der Praxis gerade<br />

erst durchgesetzt, doch nun wird sie<br />

schon wieder ad acta gelegt. „Diese<br />

Einteilung ist leider ein bisschen<br />

herabwürdigend und stark vereinfachend“,<br />

erklärte Privatdozent Dr.<br />

Dr. Andrej Zeyfang, Sana Klinik<br />

Bethesda Stuttgart. Die Klassifizierung<br />

nach der neuen konsensbasierten<br />

S2k-Leitlinie geht deshalb von<br />

den Kategorien „funktionell unabhängig“,<br />

„funktionell leicht abhängig“,<br />

„funktionell stark abhängig“<br />

und „End-of-Life-Situation“ aus.<br />

Neuroglukopenische Symptome<br />

werden relevanter<br />

Ein wichtiger Praxistest für die<br />

Einschätzung der Funktionalität<br />

ist hierbei der Geldzähltest nach<br />

Nikolaus, der Aufschluss über feinmotorische<br />

Fähigkeiten, Nahvisus<br />

und Kognition gibt. Dabei soll der<br />

Patient aus einem Geldbeutel den<br />

definierten Betrag von 9,80 Euro abzählen.<br />

Wer die Aufgabe in weniger<br />

als 45 Sekunden bewältigt, gilt als<br />

selbstständig, bei 45 bis 70 Sekunden<br />

liegt Hilfsbedürftigkeit und bei über<br />

70 Sekunden erhebliche Hilfsbedürftigkeit<br />

vor. Dr. Zeyfang berichtete:<br />

„Der Geldzähltest korreliert sehr gut<br />

mit der Fähigkeit zur eigenständigen<br />

Insulindosierung.“<br />

Auch die Therapieziele in der neuen<br />

S2k-Leitlinie wurden gegenüber der<br />

alten Leitlinie angepasst. So hat der<br />

HbA 1c -Wert einen geringeren Stellenwert<br />

als zuvor, der Fokus liegt<br />

vielmehr auf Glukoseexkursionen<br />

und -verläufen.<br />

Ein weiterer zentraler Punkt der<br />

neuen Leitlinie ist die Vermeidung<br />

von Hypoglykämien, deren Symptome<br />

im Alter häufig erst bei sehr<br />

niedrigen Blutzuckerwerten wahrgenommen<br />

werden. Die autonomen<br />

Symptome der Hypoglykämie wie<br />

Bei der Betreuung von<br />

geriatrischen Diabetespatienten<br />

rücken neue<br />

Aspekte in den Fokus.<br />

Fotos: istock/diane39<br />

»Therapie<br />

regelmäßig kritisch<br />

überprüfen«<br />

Heißhunger, Schwitzen oder Herzrasen<br />

treten im Alter häufig zurück,<br />

sodass neuroglukopenische<br />

Sym ptome wie Benommenheit,<br />

Verwirrtheit, Sprach- oder Sehstörungen<br />

in den Vordergrund treten.<br />

„Darüber hinaus mehren sich seit<br />

einigen Jahren die Hinweise, dass<br />

Hypoglykämien die Entstehung<br />

kardiovaskulärer Ereignisse und<br />

von Demenz im Alter begünstigen“,<br />

ergänzte Dr. Zeyfang.<br />

Neu ist auch die Empfehlung, bei<br />

der medikamentösen Therapie frühzeitig<br />

auf Insulin umzuschwenken,<br />

wenn ansonsten zu viele orale Antidiabetika<br />

eingenommen werden.<br />

„Es geht darum, Multimedikation<br />

zu vermeiden und die Arzneimitteltherapie<br />

regelmäßig kritisch zu<br />

überprüfen“, erklärte Dr. Zeyfang.<br />

Schließlich steigt bei Verordnung<br />

von mehr als fünf verschiedenen<br />

Medikamenten die Gefahr unerwünschter<br />

Arzneimittelwirkungen,<br />

während gleichzeitig die Therapieadhärenz<br />

abnimmt. Damit die Zahl<br />

der verordneten Arzneimittel nicht<br />

überhand nimmt, müssen Hausärzte,<br />

mitbehandelnde Fachärzte und<br />

Pflegekräfte sich austauschen und<br />

interdisziplinär zusammenarbeiten,<br />

betonte der Referent.<br />

Krankenhäuser gezielt zu dem<br />

Patienten informieren<br />

Genau an diesem Austausch hapert<br />

es nach Einschätzung einzelner Teilnehmer<br />

der Sitzung aber im Alltag<br />

häufig. So berichtete einer von ihnen:<br />

„Oft bekommen wir Patienten<br />

nach einem Krankenhausaufenthalt<br />

komplett anders eingestellt zurück,<br />

»Interdisziplinärer<br />

Austausch«<br />

weil sie in der Klinik vorrangig geriatrisch<br />

behandelt wurden. Doch<br />

diese vielen Medikamente vertragen<br />

sich häufig gar nicht mit der von<br />

uns verordneten Insulintherapie!“<br />

Aus dem Plenum gab es zu diesem<br />

Problem gleich einen praktischen<br />

Erstmals auch<br />

Empfehlungen für<br />

Typ-1-Diabetes im Alter<br />

Dank der besseren Therapiemöglichkeiten<br />

steigt die Lebenserwartung<br />

von Menschen mit Typ-<br />

1-Dia betes erfreulicherweise<br />

kontinuierlich an. Damit wächst<br />

auch die Bedeutung geriatrischer<br />

Behandlungspfade bei Typ-1-Diabetes.<br />

Aktuell sind Dr. Zeyfang<br />

zufolge in Deutschland mehr als<br />

100 000 Menschen mit Typ-1-Diabetes<br />

älter als 70 Jahre. Die neue<br />

S2k-Leitlinie enthält deshalb erstmals<br />

spezifische Empfehlungen<br />

für das Management von Typ-<br />

1-Diabetes beim alten bzw. geriatrischen<br />

Patienten. Einige der<br />

Kernaussagen: Geriatrische Symptome<br />

wie Demenz oder Störungen<br />

der Feinmotorik schränken<br />

die Fähigkeit zum Selbstmanagement<br />

ein. In solchen Fällen muss<br />

man abwägen, ob etwa die gewohnte<br />

Insulinpumpentherapie<br />

beibehalten werden kann oder ob<br />

es sinnvoller ist, auf eine einfachere<br />

Therapieform umzuschwenken<br />

– selbst wenn dabei ggf. stärkere<br />

Blutzuckerschwankungen in<br />

Kauf genommen werden müssen.<br />

Auch beim Typ-1-Dia betes<br />

könnten ein geriatrisches Screening<br />

oder ein Geldzähltest nach<br />

Nikolaus Hinweise darauf liefern,<br />

ob kognitive Störungen vorliegen,<br />

die eine eigenständige Insulindosierung<br />

erschweren.<br />

Tipp: „Krankenhausärzte haben<br />

bei Rückfragen zur Therapie oft<br />

Schwierigkeiten, die ambulant tätigen<br />

Hausärzte oder Diabetologen<br />

zu erreichen. Solchen Rückfragen<br />

kann man zum Teil vorbeugen,<br />

wenn man auf der Einweisung<br />

gleich vermerkt, dass z.B. an der<br />

praktizierten Form der Insulintherapie<br />

nichts verändert werden<br />

soll, oder dass z.B. auf keinen Fall<br />

DPP4-Hemmer eingesetzt werden<br />

sollen.“<br />

Antje Thiel<br />

11. Diabetes Herbsttagung<br />

Neu im<br />

Gesundheitsbericht 2018<br />

Neu mit eigenen Kapiteln sind die Themen<br />

„Diabetesschulung“, „Digitale Transformation<br />

in der Diabetologie“ und „Fettleber und<br />

disproportionale Körperfettverteilung: klinische<br />

Bedeutung für den Diabetes“ vertreten:<br />

http://bit.ly/2zrEAlM<br />

70<br />

Jahre lang lebt Erich Abt (80) bereits<br />

mit Typ-1-Diabetes. Für sein Selbstmananagement<br />

wurde er nun mit der<br />

Mehnert-Medaille <strong>2017</strong> ausgezeichnet.<br />

15 Minuten für eine bessere<br />

Diabetesprävention!<br />

Alle Erwachsenen sind dazu aufgerufen,<br />

beim Citizen Science-Projekt DIRIKO mitzumachen.<br />

Ziel ist es, die Risikokommunikation<br />

des DIfE – DEUTSCHER DIABETES-RISIKO-<br />

TEST® zu verbessern. Online-Befragung unter<br />

http://diriko.dife.de

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