ewe-aktuell 4/2017
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Seite 18 Seite 19<br />
Machtwechsel auf der anderen Seite des Sambesi – Hoffnung für Sambias<br />
Nachbarn Simbabwe?<br />
Bis zur Unabhängigkeit 1964 war die Geschichte Sambias<br />
eng mit der des südlichen Nachbarlandes Simbabwe<br />
verbunden. In der Föderation Rhodesien und Nyasaland<br />
stand Sambia gemeinsam mit Simbabwe und Malawi<br />
unter britischer Verwaltung. Doch während Sambia<br />
und Malawi offiziell in die Unabhängigkeit entlassen<br />
wurden, erklärten weiße Siedler in Simbabwe (damals<br />
noch Südrhodesien) 1965 einseitig ihre Unabhängigkeit.<br />
Erst nach einem langen Befreiungskampf bekam die<br />
schwarze Bevölkerungsmehrheit 1980 ihre Freiheit –<br />
und mit Robert Mugabe ihren ersten Regierungschef.<br />
Jener Robert Mugabe führte Simbabwe auch noch 37<br />
Jahre später an – zumindest offiziell, denn es war längst<br />
kein Geheimnis mehr, dass der inzwischen 93-Jährige<br />
nicht mehr umfassend Herr seiner geistigen Kräfte<br />
war. Insider berichteten, er brauche 20 Stunden Schlaf<br />
am Tag. Er war bisweilen in öffentlichen Sitzungen<br />
eingenickt, und dass er zu verschiedenen Anlässen<br />
dieselbe Rede vortrug, fiel zwar allen Anwesenden auf,<br />
ihm selbst aber wohl nicht. Doch nun ist Mugabe als<br />
Präsident Geschichte. Nach einem unblutigen Putsch,<br />
der am Abend des 14.11. diesen Jahres seinen Anfang<br />
nahm und offiziell nicht so heißen durfte, hat Simbabwe<br />
nun einen Präsidenten, der nicht mehr Mugabe heißt.<br />
Am 19.11. wurde der 75-jährige Emmerson Mnangagwa<br />
als neuer Präsident vereidigt. Auch der sambische<br />
Präsident Edgar Lungu war zugegen.<br />
Ist das eine gute Nachricht? Hört man den meisten<br />
Simbabwern zu, so muss die Antwort „ja“ lauten. Zu<br />
groß ist die Hoffnung, dass es nach dem<br />
Ende der Mugabe-Ära wirtschaftlich<br />
endlich wieder aufwärts geht. Nach<br />
hoffnungsvollem Start hatte Mugabe sich<br />
zunehmend zum Diktator gemausert und<br />
das Land komplett herunterwirtschaftet.<br />
Wahlen wurden systematisch gefälscht,<br />
die Opposition eingeschüchtert,<br />
tyrannisiert und verfolgt. So machte<br />
sich nach dem Putsch zwar zunächst<br />
gespenstische Stille auf den Straßen des<br />
Landes breit. Doch als Mugabe, den man<br />
unter Hausarrest gestellt hatte, offiziell<br />
abdankte, brandete großer Jubel im<br />
ganzen Land auf. Sogar die Opposition<br />
klatschte Beifall, und Exil-Simbabwer<br />
feierten wilde Partys.<br />
Und natürlich muss man den Abgang<br />
Mugabes mit der Hoffnung auf einen politischen und<br />
wirtschaftlichen Neuanfang verbinden. Doch diese<br />
Hoffnung nährt sich allein aus der Tatsache, dass es nun<br />
nicht mehr Mugabe ist, der Geschicke leitet. Bei näherer<br />
Betrachtung gibt es nicht viele Gründe zu Optimismus:<br />
1. Wie viel Macht Mugabe vor dem Putsch noch hatte,<br />
ist schwer zu beurteilen. Dass das Militär aber eine<br />
zentrale Rolle im simbabwischen Machtpoker spielt, ist<br />
offensichtlich. Solange Mugabe den Einfluss des Militärs<br />
und dessen Zugang zu Geld und Rohstoffen sicherte,<br />
bestand kein Grund zu einem Putsch. Als Mugabe<br />
jedoch Mnangagwa als Vize-Präsidenten entließ, um<br />
seine Ehefrau Grace für seine Nachfolge in Stellung<br />
zu bringen, überspannte er den Bogen. Mnangagwa<br />
selbst kommt aus dem Militär und genießt dort starken<br />
Rückhalt. Mit seiner Entlassung lieferte Mugabe dem<br />
Militär den Anlass für den Putsch. Ob sich nun also<br />
an den Machtverhältnissen und den Interessen der<br />
Regierenden etwas ändert, ist fraglich.<br />
2. Emmerson Mnangagwa steht für vieles, nicht aber<br />
für einen ehrlichen Neuanfang. Er war stets treuer<br />
Begleiter Mugabes und an dessen Seite schon in den<br />
achtziger Jahren mitverantwortlich für Massaker an der<br />
Volksgruppe der Ndebele, während derer mutmaßlich<br />
20.000 Menschen ums Leben kamen. Mnangagwa war<br />
treibende Kraft bei Farmenteignungen und zahlreichen<br />
Einschüchterungsaktionen der Opposition. Dass er sich<br />
nun plötzlich zum Demokraten<br />
wandelt, wäre eine große<br />
Überraschung.<br />
3. Eigentlich sendet der Putsch<br />
eine völlig falsche Botschaft aus.<br />
Auch wenn es offensichtlich war,<br />
dass die vergangenen Wahlen<br />
stets massiv manipuliert waren, so<br />
war Mugabe doch ein Präsident,<br />
der durch einen, wenn auch nicht<br />
demokratischen, Wahlprozess<br />
an die Macht kam bzw. sich dort<br />
hielt. Die Lektion nun ist: Wenn<br />
wir eines Herrschers überdrüssig<br />
sind, brauchen wir einen<br />
Militärputsch. Das öffentlich<br />
geäußerte Einverständnis der Opposition spiegelt die<br />
herrschende Meinung diesbezüglich eindrücklich<br />
wider. Nach demokratischem Verständnis muss es<br />
jedoch darum gehen, Wahlen zunehmend freier und<br />
fairer zu gestalten, um Machtwechsel zu ermöglichen.<br />
Dies mag westlich naiv klingen, doch welche Bedeutung<br />
sollen die Wahlen im kommenden Jahr in den Augen<br />
der Bevölkerung haben, wenn Machtwechsel nur durch<br />
den Einsatz des Militärs zustande kommen können?<br />
4. Die Wahlen im kommenden Jahr: Mugabe wollte<br />
wieder antreten, das Volk war ihm überdrüssig. Es<br />
hätte schon eines massiven Einschüchterungs- und<br />
Manipulationsapparats bedurft, um seinen Wahlsieg<br />
erneut zu sichern. Nun wird Mnangagwa als Kandidat<br />
der Regierungspartei ZANU-PF antreten, denn das<br />
er sich nur als Übergangspräsident versteht und im<br />
kommenden Jahr wieder abtritt, ist nicht zu erwarten.<br />
Er ist der Mann des Militärs. Dass er die Wahlen nicht<br />
gewinnt, wird das Militär nach dem Aufwand des<br />
Putsches kaum zulassen. Und im Volk kann er sich<br />
nun trotz seiner Vergangenheit an der Seite Mugabes<br />
als derjenige profilieren, der der Mugabe-Ära ein Ende<br />
gesetzt hat.<br />
5. Auch ein Blick auf den Zustand der Opposition<br />
stimmt nicht positiv. Zugegeben: Die Entbehrungen<br />
und Einschüchterungen waren hart in den letzten<br />
knapp 20 Jahren. Mehr als einmal wurde der Chef<br />
der wichtigsten Oppositionspartei MDC, Morgan<br />
Tsvangirai, Opfer von Gewalt. Doch musste die<br />
MDC immer wieder Abspaltungen hinnehmen, und<br />
ihr demokratisches Verständnis scheint, wie auch<br />
die Äußerungen zum Putsch zeigen, begrenzt. Viel<br />
schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass sich die MDC<br />
die Rolle des Herausforderers mit der erst kürzlich<br />
gegründeten Partei von Joice Mujuru teilen muss. Und<br />
Mujuru steht nun weder für Demokratie noch für einen<br />
wie auch immer gearteten Neuanfang. Sie stand lange<br />
Zeit genauso eng an der Seite Mugabes wie Mnangagwa<br />
und machte sich Hoffnung auf dessen Nachfolge. Erst<br />
als ihre Ambitionen zu offensichtlich wurden, wurde sie<br />
2014 aus der ZANU-PF ausgeschlossen.<br />
Es bleibt also nicht viel außer der Hoffnung, dass nun<br />
ein neuer Dialog mit Simbabwe entsteht. Ein Dialog,<br />
in dem die anderen Staats- und Regierungschefs im<br />
südlichen Afrika ihre Verantwortung wahrnehmen<br />
(von denen sich allerdings nur wenige bisher als<br />
Demokraten profiliert haben) und an dem vor allem<br />
auch Großbritannien und die Europäische Union<br />
wieder teilnehmen und somit sanften Druck ausüben<br />
können. Von China, immer noch ein treuer Partner<br />
Simbabwes, wird dieser Druck sicherlich nicht<br />
kommen. Den Simbabwern bleibt zu wünschen, dass es<br />
ihnen ermöglicht wird, auf vielfältige Weise selbst ihr<br />
Schicksal in die Hand zu nehmen, um den dringend<br />
benötigten Wandel einzufordern.<br />
Johann Heilmann