Ashanti - Der steinige Weg zum Gnadenbrotpferd
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Basierend auf einer wahren Geschichte
Autorin: Marion Krenz
DIGNITAS – Die Würde der Tiere
Vorwort
Viele Menschen hegen den Wunsch sich ein Tier anzuschaffen und
bedenken dabei nicht:
- die laufenden Kosten
- die tägliche Fürsorge
- die umfassende Verantwortung
Dieses führt leider oft dazu, dass eine große Anzahl dieser Tiere
zurückgelassen und verlassen wird!
Einige von diesen Tieren haben das große Glück und finden neue
Menschen, Gefährten und ein neues Zuhause.
Diese Geschichte, eine wahre Begebenheit, handelt von solchen
Tieren. In diesem Fall sind es Pferde, aber das Obengenannte lässt
sich auf alle Tiere anwenden.
Ein großer Dank gilt allen Mitwirkenden. Silvi, Jana, Ophira, Dogan
und Tashina. Und natürlich den beiden Pferden Ashanti und Bagira.
Nicht zu vergessen Angel.
Doch auch den anderen Akteuren sei hier der Dank ausgesprochen,
ohne deren Handeln "wie sie gehandelt haben", die Erkenntnisse in
dieser Geschichte nicht möglich wären.
Ein weiterer Dank an unsere Autorin Marion Krenz die, aus 3 ½
Seiten Stichpunkten, diese wunderbare Geschichte verfasst hat.
Eine Geschichte mit ernstem Hintergrund und so viel sei verraten,
einem glücklichen Ende.
Es lieg mir fern, andere Menschen zu belehren. Ich würde mich aber
freuen, wenn der eine oder andere nachdenkt, bevor er/sie sich ein
Tier anschafft.
Alle Namen und genannte Orte entsprangen der Fantasie,
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig.
Es grüßen Euch herzlich Tashina & Dogan
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
Dicke Schneeflocken hatten in den letzten Stunden die Landschaft in eine fast
unwirkliche Puderzuckerkulisse verwandelt. Ich konnte den Blick nicht vom
Fenster wenden – wie
vertraute Freunde begleitete
mich der Anblick der
Schneeflocken zurück in
meine Kindheit.
Wie oft hatte ich gemeinsam
mit meiner Großmutter Hanna
hier an genau diesem Fenster
gesessen, dem Tanz der
Schneeflocken zugeschaut,
am nah gelegenen Waldesrand
schemenhaft die Schatten
der Schneekönigin vermutet
und heißen Kakao mit selbstgebackenen Keksen verputzt.
So war es auch jetzt – heute, am 21. Dezember.
Seit ich denken konnte war der 21. Dezember, der Tag der Wintersonnenwende,
wo die Nacht sich am längsten in ihrer Dunkelheit zeigte, ein ganz besonderer
Tag für mich gewesen.
Wenngleich Hanna und ich des Öfteren im Winter zusammen saßen, hatte sie
doch jedes Jahr am 21. Dezember eine besondere Botschaft für mich.
Bereits als kleines Mädchen durfte ich von ihr lernen, dass diese Nacht eine
„magische“ Nacht war. Weit in der Geschichte der Menschheit zurück feierten
die Menschen die Wintersonnenwende als Geburt des Lichtes. Ab morgen würden
die Tage wieder länger werden und das machte den Menschen Mut und verlieh
Zuversicht.
Genau das war der Grund, warum Hanna immer eine besondere Geschichte für
mich ausgesucht hatte. Sie wollte das Ende der Dunkelheit oder auch die Geburt
des Lichtes mit einer besonderen Botschaft weitergeben.
Auf den ersten Blick wirkten ihre Erzählungen wie eine Geschichte – eine
Geschichte, die man den Enkelkindern so erzählt. Beim genaueren Hinhören
jedoch, erschloss sich daraus stets eine weise Botschaft, die ihren Weg in die
Welt finden sollte.
Inzwischen war ich lange nicht mehr das kleine Mädchen – doch an diesem mir
liebgewonnenen Brauch hielt ich fest.
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
Die Schneedecke wurde immer dichter und verlieh der hereinbrechenden
Dämmerung einen hellen Schein. Das Feuer im Kamin flackerte wohlig und Hanna
ging zu dem alten Sekretär, welcher noch aus der Gründerzeit stammte. Ihre
schlanken Hände drehten den kunstvollen Schlüssel des „Geheimfaches“, wie ich
es immer nannte, herum, und zum Vorschein kam ihre alte Kladde. Die Kladde war
in einem scheinbar uralten Leinenumschlag eingebunden, die Seiten waren zum
Teil ganz locker und vergilbt und die Geschichten darin handschriftlich
aufgezeichnet. Woher all diese Schätze stammten, blieb Hannas Geheimnis.
„Bist du bereit, meine Liebe?“ fragte sie mich mit einem sanften Lächeln und ich
nickte ihr erwartungsvoll zu.
Sie schlug die Kladde an einer bestimmten Stelle auf und auf der ersten Seite
der Geschichte befand sich ein Bild von einem eher heruntergekommenen Pferd.
Die Augen des Tieres wirkten leer, das schwarze Fell der Stute war stumpf und
an der gesamten Körperhaltung konnte man unschwer erkennen, dass sie sehr viel
Leid ertragen hatte.
Allein bei dem Anblick
traten mir Tränen in die
Augen und ich war
verwirrt.
„Hanna“ stammelte ich,
„was ist das für ein
schreckliches Bild? Das
arme Tier…“
„ beruhige dich, meine
Liebe und warte doch
erst einmal, was es zu
erzählen gibt. Werte
niemals nur nach dem
ersten Eindruck
sondern nimm dir stets
Zeit, dir ein eigenes Bild und eine eigene Meinung zu bilden. Bedenke, die Dinge
sind nicht immer wie sie scheinen.“
Und so begann Hanna mit ihrer Erzählung.
Die Geschichte begann vor ca. 20 Jahren, als ein schwarzes Stutfohlen, im
Süden des Landes, das Licht der Welt erblickte. Sie wurde auf den Namen
ASHANTI getauft und wenngleich der Name ein Königreich versprach, schien
doch ihr Leben vorerst unter keinem guten Stern zu stehen.
Als Jungpferd oft von Stall zu Stall gereicht, wurde dann ein gut situiertes
Ehepaar auf sie aufmerksam. Der Ehemann arbeitete im Vorstand einer
renommierten Firma und kam bei seiner 90 stunden Woche kaum dazu über sich
selbst, noch über seine Ehefrau und die gemeinsame 14jährige Tochter
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
nachzudenken. Gewinne erzielen für die Firma stand als oberstes Gebot auf
seiner ganz eigenen Lebensagenda.
Seine Ehefrau arbeitete als freie Journalistin und war ebenfalls sehr
beschäftigt und zudem viel auf Reisen. Wenn es an einem nicht fehlte, war es
Geld.
Die nunmehr 14jährige Tochter kannte seit Kleinkind an diese Situation. Teils
von einem Kindermädchen betreut, war sie sehr früh auf sich selbst gestellt und
durfte eine Persönlichkeit entwickeln, die ihr als Kind half in dem wenig
liebevollen Familienkonstrukt zu überleben. Das machte sie zu einer ehrgeizigen
jedoch eher egozentrischen jungen Dame, die gelernt hatte, dass man sich mit
Geld viel leisten und erlauben kann.
Um das unterbewusst, schlechte Gewissen der Eltern zu beruhigen und dem
Wunsch der Tochter ein Pferd zu besitzen nachzukommen, gelang Ashanti in die
Hände der Familie.
Ashanti wurde in einer Pferdepension untergestellt, die zweckmäßig in der Nähe
gelegen war. Schließlich erlaubte der Lebensstil der Familie keine unnötigen
Wege oder gar zusätzliches Zeitaufkommen.
So fand sich Ashanti in einem sehr dunklen Stall wieder. Sie war neugierig auf
ihre neue Besitzerin und freute sich immer sehr, wenn diese zum Stall kam. Doch
wenn sie wieder weg war, wurde zunehmend auch Ashanti bewusst, dass sie allein
in ihrer dunklen Box stand, in sehr stickiger Stallluft. Das Heu war staubig und
von minderer Qualität und es schmeckte ihr nicht wirklich gut. Vielmehr
entwickelte sie einen allergischen Husten durch den vielen Staub, der sich auch
in der Reithalle wiederfand. Geduldig hielt die Stute ihrer Besitzerin die Treue,
bis diese eines Tages nicht mehr zum Stall kam.
Die Eltern des Mädchens mussten feststellen, dass sie ihre scheinbar sicheren,
äußeren Werte auf Sand gebaut hatten. Für ein halbes Jahr stimmten die
Geschäftszahlen des Ehemannes nicht mehr, weswegen er in eine andere
Abteilung abdegradiert wurde. Mit ihm auch sein Gehalt. Die Raten für das Haus
und die 2 Autos drückten und waren nicht mehr zu finanzieren. Zudem blieben
die journalistischen Aufträge für die Ehefrau aus, was die finanzielle Situation
noch mehr einschränkte.
So kam es, dass die Stallgebühren nicht mehr gezahlt werden konnten, es aber
den Eltern zu peinlich war, dieses offen zuzugeben. Die Tochter konnte es nicht
mehr ertragen, ständig auf die fehlenden Gebühren angesprochen zu werden und
blieb letztendlich ganz vom Stall und von Ashanti fern. Die Eltern waren zu sehr
mit der eigenen Misere beschäftigt, um sich über den Verbleib des Tieres
kümmern zu können. Es war, wie sie es gelernt hatten, oder besser NICHT
gelernt hatten. Mit den scheinbar sicheren Werten leistete man sich bereits
sehr früh Hauspersonal in Form eines Kindermädchens und gab die
Verantwortung für ein Lebewesen, die eigene Tochter, ab. Ebenso war es mit
Ashanti. Doch nun waren die finanziellen Mittel nicht mehr gegeben und weder
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
die Eltern noch die Tochter hatten gelernt, wie es ist und was es heißt, die
Verantwortung für ein Lebewesen zu übernehmen – auch ohne Geld.
Ashanti blieb zurück im Stall. Nach mehrmaliger
Ermahnung an die Besitzer, die offenen Stallraten
zu zahlen, entschied der Stallbesitzer sich dafür,
das Pferd als Pfand zu behalten. Wenn schon nicht
die Gebühren gezahlt wurden und die Besitzer auf
nimmer Wiedersehen verschwanden, so wollte er
wenigstens das Pferd behalten. Die Stute war ja
noch jung und vielleicht, so dachte der
Stallbesitzer, lässt sich mit dem Verkauf des
Pferdes ein guter Preis erzielen.
Um mehr ging es ihm nicht. Schließlich verdiente er
sein Geld mit dem Vermieten von Stallungen – da
musste das Geld fließen. Ashanti war ihm vom
Aufwand her eher ein Dorn im Auge und so stand
sie in ihrer Box und niemand kümmerte sich um sie.
Die Tage waren sehr lang – und die Nächte in der
engen Box drückten sehr auf die Verfassung des
Pferdes. Es gab Tage, an denen sie die Box nicht verließ, weil niemand da war,
der sie auf die Wiese begleitete. Ihr fiel auf, dass es im Stall scheinbar eine
Leidensgenossin gab. Sie stand in der Box ganz am Ende des Ganges, wo es noch
dunkler war. Die Fenster waren dreckig und teilweise mit Strohballen zugestellt,
so dass kaum Tageslicht in
den Stall gelang. Doch an
manchen Tagen gelang es
Ashanti, Blickkontakt mit
der Stute am Ende des
Ganges aufzunehmen. Sie
nannte sich Angel, und das
war auch das, was man
diesem Pferd gewünscht
hätte. Einen Engel, der sich
dem bis auf die Knochen
abgemagerten Pferdes annahm. Angel war in einem
sehr schlechten Zustand, klapprig und kraftlos.
Trotz ihrer eigenen, unschönen Situation fühlte
sich Ashanti der Stute sehr nah und verbunden.
So nahmen die Stuten untereinander Kontakt auf
und erleichterten sich dadurch die langen Tage im
dunklen und stickigen Stall. Auf der Wiese
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
konnten sie dann die Köpfe zusammenstecken, sich gegenseitig bei der Fellpflege
unterstützen und Ashanti erfuhr, dass Angel durchaus im Besitz einer eher
einfachen Familie war. Auch diese Familie hatte eine 15jährige Tochter, die
früher viel mit Angel unternommen hatte. Da Angel aber gesundheitlich abbaute,
konnte sie nicht mehr als Reitpferd genutzt werden und somit blieb auch das
15jährige Mädchen weg.
Über die Eltern wusste man nicht viel zu berichten – sie kamen aus eher
einfachem Hause, fanden aber wohl Gefallen daran, sich über äußere Werte, in
diesem Fall über ein eigenes Pferd, darzustellen.
Eines Tages kamen die Eltern, die junge Dame und der Stallbesitzer zu Ashanti.
„Wenn sie wollen,
können sie den Gaul
haben – geben sie
mir einfach 50 Euro
mehr im Monat und
misten 2 x die
Woche die Ställe
aus. So ist uns allen
geholfen.“
So kam es, dass
Ashanti öfter aus
der Box genommen
wurde, um geritten
zu werden. Neu für
Ashanti war, dass
sie ohne Sattel
geritten wurde. Das
gefiel ihr. Jedoch
machte ihr der
enorme Druck auf
den empfindlichen
Kinnnerv sowie auf
Nase und Nacken zu
schaffen, der durch das Reiten mit einem Hackamore verursacht wurde. Das
junge Mädchen konnte sich zwar gut auf Ashanti halten, brauchte hierzu aber
offensichtlich diese Art Kandare, um sie lenken zu können.
Die Teenagerin war eine besessene Reiterin. Sie nutzte, oder besser „benutzte“
Ashanti rein für ihre Belange. Sie pflegte nur das an ihr, was nicht anders ging ,
ansonsten nahm ein egoistisches Teenagerdenken den Raum ein, was bedeutete,
dass sie Ashanti nicht langsam warm ritt, sondern direkt mir ihr los galoppierte.
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
Anfänglich machte ihr das keine großen
Beschwerden, doch nach geraumer Zeit bekam
sie Probleme mit den Sehnen. Sie merkte es am
Abend, wenn sie wieder in der Box stand - und
auch am Morgen, wenn sie sich nur schlecht
bewegen konnte. Freie Tage gab es für sie kaum
noch – ihre Atmung wurde zudem schwerer,
weil die Staubsituation sich im Stall nicht
verbesserte. Abgesehen davon, dass es ihrer
Besitzerin nicht einmal auffiel, hätte dieser für eine gute Behandlung bei einem
Tierarzt das Geld gefehlt. Auch die Hufbearbeitung wurde nicht durchgeführt.
„Aber Hanna, konnte denn niemand diesem Mädchen Einhalt gebieten? Wie kann
man nur so unglaublich egoistisch handeln. “ Ich war erbost über den Verlauf der
Geschichte, die meine Großmutter mir berichtete. Diese Geschichte musste wohl
eine ganz besondere Botschaft haben, aber wo war diese?
„Nun“, entgegnete Hanna, „das ist erstmal das, wie es war. Das junge Mädchen
hatte es nicht anders gelernt. Sie selber war viel auf sich alleine gestellt, weil
die Eltern offenbar nicht in der Lage waren, ihr entsprechende Wärme,
Zuwendung und Achtsamkeit entgegenzubringen, aus denen sie hätte geeignete
Werte erfahren und auch umsetzen können. Warum die Eltern nicht in der Lage
waren, sei dahingestellt. Möglicherweise sind sie selber als Kinder in einem
Mangelbewusstsein erzogen worden und haben es selber nicht gelernt. Aber uns,
meine Liebe, obliegt nicht darüber zu richten. Wir sehen nur das Ergebnis – hier
ein leidendes Pferd. Das möchte ich auch in keiner Weise gut heißen – es soll nur
aufzeigen, dass „unbewusstes“ Handeln oftmals einfach weitergegeben wird. Die
Eltern waren sich ihres Handelns nicht bewusst, somit ihre Tochter auch
gegenüber Ashanti nicht. „
„Aber ein Tier ist hilflos und kann sich nicht wehren“, entgegnete ich enttäuscht.
„Das ist richtig – aber das Mädchen ist in ihrer Familie in einer sehr ähnlichen
Situation wie Ashanti. Ich bin mir sicher, dass sie ihr Pferd sehr lieb hatte –
ebenso, wie ihre Eltern sie lieb hatten – aber auf einer sehr unbewussten Ebene.“
Auf dem Hof war es nebelig. Lautes Motorengeräusch ließ die die Pferde in den
Boxen aufschrecken. Stimmengewirr und letztendlich das Geklapper von Hufen
waren zu vernehmen. Angel und Ashanti warfen sich unsichere Blicke zu. Diese
Art Hufschlag kannten sie bislang nicht.
Im Stall war noch eine einzige Box frei – die, direkt neben Ashanti. Das schwere
Tor wurde aufgeschoben und die Stimmen wurden lauter.
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
Eine bildschöne Fuchsstute mit weißer Blesse tänzelte
unruhig am Führstrick einer ihrer Besitzerinnen. Die
zwei jungen Frauen unterhielten sich mit dem
Stallbesitzer, der sie zu der noch leeren Box führte.
Ashanti war aufgeregt – sie trat gegen die Boxenwände
und der Stallbesitzer schlug genervt mit der Hand gegen
das Boxentor. Irritiert schauten die Besitzerinnen der
Fuchsstute sich an – vielleicht war der Stallbesitzer nur
mit dem falschen Bein aufgestanden – wer konnte das
sagen.
„Sagen sie, dürfen wir unser eigenes Namensschild an der
Box anbringen? Wir hätten schon gerne dass jeder weiß, wo unsere Bagira steht,
“ fragte eine der Besitzerinnen.
…Bagira heißt sie also, dachte sich Ashanti. …
„Machen sie, was sie wollen. Hauptsache das Geld ist zum Monatsbeginn da“,
entgegnete der Stallbesitzer.
Die Besitzerinnen sahen sich wortlos an und der Stallbesitzer verschwand.
Freundlich sprachen die beiden Ashanti an – erklärten ihr, dass Bagira eine ganz
liebe Stute sei und sie sich bestimmt gut verstehen werden.
Bagira schlug wild mit dem Kopf, versuchte in der Box zu steigen. Ashanti war
genervt – es ging ihr nicht gut an dem Tag – der feuchte Nebel saß ihr in den
Knochen und sie wollte Ruhe haben.
Fast war sie froh, als ihre Teenagerbesitzerin sie aus der Box holte um sie
wieder gedankenlos durch das Gelände zu scheuchen.
Angel stand rat - und kraftlos in ihrer Box und fühlte sich sehr einsam.
Am nächsten Morgen mussten alle Pferde aus dem Stall. Für ein paar Euro hatte
der Stallbesitzer einen jungen Mann eingekauft, der für oberflächliche Ordnung
im Stall sorgen sollte. So kam es, dass Bagira einfach mit Angel und Ashanti auf
die Koppel gestellt wurde. Die Fuchsstute war außer sich – wie besessen raste
sie auf der Koppel entlang und trat nach Angel aus. Ashanti nahm ihre
entkräftete Freundin in Schutz und jagte Bagira immerzu fort – vor allen Dingen
zum Schutz von Angel. Sie hatte schon lange bemerkt, dass Angel immer mehr an
Kraft verlor. Während sie selbst immer noch die Aufmerksamkeit der
reitbesessenen Teenagerin bekam, wurde Angel, außer von Ashanti, nicht mehr
beachtet.
Ashanti machte Bagira deutlich, dass sie sich an die Spielregeln zu halten hatte
und dazu gehörte vor allen Dingen, sich von Angel fern zu halten.
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
Bagira verstand und hielt sich an die Ordnung. Oft stand sie abseits, wenn
Ashanti und Angel zusammen standen, die Köpfe zusammen steckten und Ashanti
ihrer Freundin bei der Fellpflege half. Angel selber war nicht mehr in der Lage,
sich um irgendetwas zu kümmern.
Es geschah ein paar Tage später, als die Pferde erneut auf die Koppel geführt
wurden. Angel knickte vor Schwäche ein, stürzte und stand nicht mehr auf.
Ashanti wich nicht von ihrer Seite, war nicht wegzubewegen. Angels Atem wurde
immer schwerer, jegliche Kraft schien aus ihrem geschundenen Körper zu
weichen. Hilflos musste Ashanti zusehen, wie sich mehrere Menschen um Angel
drängten.
Der herbeigerufene Tierarzt erlöste Angel schließlich von ihrem Leid – Ashantis
verzweifeltes Wiehern erfüllte die ganze Nacht mit dem unendlich tiefen
Schmerz über den Verlust der geliebten Freundin.
Die nächsten Tage und Wochen waren sehr schmerzlich für Ashanti. Sie fühlte
sich kraftlos und ihr war es egal, ob die Teenagerin ihr mit dem Hackamore
Schmerzen im Nacken und auf der Nase zufügte. Ihr Schmerz über den Verlust
von Angel war so tief, dass die körperlichen Schmerzen
sie wenig berührten. Sie tat, was man von ihr wollte und
wenn sie auf der Koppel stand, lief sie mit hängendem
Kopf unentwegt im Kreis herum. Das Futter rührte sie
nicht mehr an und sie verlor an Kraft und Lebensmut.
Bagira konnte ihren Schmerz fühlen, hielt sich aber von
ihr fern. Aus eigener Erfahrung wusste sie, wie
Schmerz und Leid sich anfühlten und das es Zeit
brauchte, wieder zu Kräften zukommen.
Nach einiger Zeit wagte sie es, sich Ashanti zu nähern,
als diese weiter mit hängendem Kopf nur im Kreis
herumlief. Sie beobachtete sie still und ging dann mitten
in den Kreis, um ihr von dort zu folgen. Zuerst reagierte Ashanti nicht, doch
irgendwann blieb sie stehen und Bagira stellte sich etwas
versetzt hinter sie. Nur der Atem des Pferdes war
fühlbar für sie – und er war ihr nicht unangenehm. Bagira
kam ein wenig näher und lehnte den Kopf an Ashantis
Hals – sie ließ es geschehen.
Ab diesem Moment sah man Ashanti und Bagira häufig
beieinander stehen, dösen, oder sich langsam mit der
Fellpflege annähern.
Nun war es ein Segen, dass sie in den Boxen direkt
nebeneinander standen und auch nachts im engen Kontakt waren.
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
Diese neue Freundschaft blieb auch den Besitzerinnen von Bagira, Silvi und
Jana, nicht verborgen und sie freuten sich sehr darüber. Sie selber waren mit
den Bedingungen in dem Stall und dem mürrischen Stallbesitzer auch nicht sehr
glücklich, aber derzeit war es schwierig, einen passenden und finanzierbaren
Platz zu finden. Vielleicht würde es im Frühjahr besser werden.
Für die beiden Stuten war es ein Segen, dass Silvi und Jana noch keinen anderen
Stall für Bagira fanden. Zunehmend freundeten sie sich an und waren auf der
Koppel jede Minute beisammen. Als der erste Schnee fiel, tobte Bagira
ausgelassen darin herum, warf sich auf den Rücken und schnaubte vor Vergnügen.
Anfänglich schaute Ashanti ihr skeptisch zu…dann scharrte sie zuerst vorsichtig
mit einem Huf im Schnee. Es dauerte nicht lange, da lag sie in der Nähe der
Freundin, ebenfalls mitten im Schnee und hatte sichtlichen Spaß. Gemeinsam
galoppierten sie über die Koppel, schlugen Haken.
Silvi und Jana entging die neu geschlossene Freundschaft nicht und sie freuten
sich jedes Mal darüber, diese bei den Tieren erleben zu dürfen. Auch versuchten
sie, mit der Teenagerin von Ashanti einen guten Kontakt aufzubauen, was sich
jedoch eher schwierig gestaltete. Diese kam zum Stall, um das Nötigste zu
erledigen und um mit Ashanti durch das Gelände zu jagen. Ansonsten zeigte sie
wenig Interesse am Kontakt zu anderen Pferdebesitzern.
Umso mehr Interesse zeigte Bagira an der Teenagerin – insbesondere dann, wenn
diese Ashanti aus der Box holte, um sie reiten zu wollen. Inzwischen war Bagira
so mit Ashanti verbunden das sie deren Unlust und deren Schmerzen fühlte und
wenn die Besitzerin auftauchte, schnaubte Bagira mächtig in der angrenzenden
Box herum, versuchte, das Mädel von Ashanti wegzulenken. Ashanti gefiel diese
Besorgnis der Freundin, signalisierte ihr jedoch, dass es wenig Sinn mache sich
dagegen aufzulehnen.
Ein Auflehnen war auch bald nicht mehr nötig, da die Besitzerin immer weniger
zum Stall kam. Das fiel insbesondere Jana und Silvi auf, die sich wunderten,
warum Ashanti knöcheltief in einer unsauberen, nicht
gemisteten Box stand.
Anfangs dachten sie, dass die Besitzerin möglicherweise
krank oder verreist sei – doch nachdem der Zustand der
unsauberen Box anhielt und sich offensichtlich auch noch
das Heu drastisch in minderwertiger Qualität von dem
unterschied, was Bagira bekam, beschlossen sie, den
mürrischen Stallbesitzer zu fragen.
„Entschuldigen sie bitte“, sprach Silvi den Stallbesitzer
an. „Wissen sie vielleicht, was mit der Besitzerin von
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
Ashanti ist? Ist sie krank“?
„Haben sie nicht genug mit ihrem eigenen Pferd zu tun?“, brummelte der Mann.
Energischer hob Jana dann an: „Das ist hier nicht die Frage, aber Ashanti steht
seit Wochen in einer dreckigen Box, die Hufe quellen schon auf, weil sie im
feuchten Mist steht und das Heu ist staubig und teilweise verschimmelt. Wenn
die Besitzerin krank ist, könnten wir gerne unterstützend helfen, darum unsere
Frage.“
„Da gibt es nicht mehr viel zu helfen – der Gaul kommt weg. Ist jetzt meiner. Die
Besitzerin ist über alle Berge und hat die letzte Stallmiete nicht gezahlt. Der
Abdecker kommt nächste Woche.“
Silvi und Jana sahen sich fassungslos an und als ob Bagira genau verstanden
hätte, was geredet wurde, legte sie den Kopf an den Hals der Freundin.
„Ich ertrage das hier nicht mehr“, sagte Silvi zu ihrer Freundin Jana. „Diese
miese Stimmung und Vorgehensweise überträgt sich doch unweigerlich auf jedes
Lebewesen. Ich rufe heute Abend noch mal bei dem Stall aus der
Zeitungsanzeige an – und wenn er auch etwas mehr kostet – es geht hier doch um
die Gesundheit von Bagira. “ „ Da hast du völlig Recht“, entgegnete die Freundin.
„Und apropos Gesundheit – gut dass du mich daran erinnerst – heute Nachmittag
kommt Ophira in den Stall, du erinnerst dich? Sie arbeitet heilenergetisch und
ich würde gerne wissen, ob sie uns etwas sagen kann, was wir noch für Bagira
machen können, so lange sie hier in diesem „Loch“ steht.“
Mitfühlend schauten sie auf Ashanti, die traurig den Kopf gesenkt hielt und sich
bei Bagira anlehnte.
Ophira stieg gut gelaunt aus ihrem Auto
aus. Ihr Hund folgte ihr auf Schritt und
Tritt und freundlich begrüßten sich die
Frauen auf dem Hof.
„Komm mit, wir zeigen dir unsere Bagira.
Wir haben ihr schon von dir erzählt“.
Ophira lachte und warf dabei ihr langes,
braunes Haar über ihre Schultern.
Als sie die Stallgasse entlang gingen, blieb
Ophira unweigerlich vor der Box von
Ashanti stehen. „Nein, die nächste Box ist
es“, sagte Jana.
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
„Was ist mit diesem Pferd?“, wollte Ophira wissen – es leidet ja fürchterlich. Die
Energie hat mich direkt eingenebelt.“
„Das ist eine ziemlich schräge und traurige Geschichte“, entgegnete Silvi. Wenn
du magst, erzählen wir sie dir“.
Ophira konnte nur schwer den Blick von Ashanti wenden. „Ja, bitte macht das“.
Dann wendete sie sich Bagira zu.
Die Sonne senkte sich langsam am Himmel aber noch fiel wunderschönes Licht
auf den Schnee und färbte ihn in sanften Orangetönen.
„Das ist ja unglaublich, was ihr mir über diesen Stall und über Ashanti erzählt“
bemerkte Ophira. „Ich erlebe es in meiner Praxis ja auch, dass ich es oft mit
mangelndem Bewusstsein der Menschen zu tun habe – aber zumindest
entscheiden sie sich dafür, ein gewisses Maß an Verantwortung für sich zu
übernehmen, wenn sie den Weg zu mir einmal eingeschlagen haben. Aber
letztendlich kann man niemanden dazu zwingen“.
„Nein, wohl nicht“, entgegnete Jana. „Es ist nur so traurig für dieses tolle Pferd.
Bagira und Ashanti verstehen sich so gut, sie teilen eine innige Freundschaft, wie
ich sie selten erlebt habe. Wir würden gerne etwas für sie tun und sie vor dem
Abdecker retten. Aber wir haben jetzt endlich den Zuschlag für den anderen
Stall bekommen, wo es Bagira deutlich besser gehen wird. Die Bedingungen sind
wesentlich besser, aber dafür kostet er auch ein wenig mehr“.
„Wisst ihr, ob es dort noch freie Plätze gibt?“ wollte Ophira wissen.
„Der Stall hat gerade erst eine Kernsanierung hinter sich und noch nicht viele
Einsteller dort – eben auch weil er etwas mehr kostet als die anderen. So weit
ich weiß, gibt es noch freie Plätze. Warum fragst du?“, wollte Silvi wissen.
„Nun“, entgegnete Ophira langsam, „was haltet ihr von einem
Gemeinschaftsprojekt?“
Neugierig schauten die Freundinnen auf Ophira.
„Wie meinst du das?“, wollten die beiden wissen.
„Wenn es in dem neuen Stall noch einen Platz gibt und ihr die Pflege für Ashanti
übernehmen würdet, werde ich so etwas wie eine zahlende Patin für sie. Ich
übernehme die Kosten und ihr die Pflege. Was haltet ihr davon?“
Die drei Frauen waren sich schnell einig. Während Silvi mit dem Besitzer des
neuen Stalls telefonierte, gingen Jana und Ophira zum mürrischen Stallbesitzer
und erklärten ihm, dass er den Abdecker abbestellen könne. Kopfschüttelnd
willigte er ein und nur zwei Tage später fuhren Bagira und Ashanti in ihre neue
Heimat.
„Was für eine rührende Geschichte“, sagte ich zu Hanna.
„Ja, mein Kind, dass ist es . Aber sie ist noch nicht beendet“.
„Nicht?“, fragte ich verwundert. „Aber es ist doch ein so schönes happy end“.
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„Nun“, entgegnete meine Großmutter nachdenklich. „Erinnerst du dich noch, was
ich ganz zu Anfang der Geschichte zu dir sagte? Als du das Bild von dem
heruntergekommenen Pferd Ashanti gesehen hast? Ich sagte zu dir, dass die
Dinge nicht immer so sind, wie sie scheinen und das es Sinn macht, nicht sofort
zu bewerten sondern sich alles anzuschauen. Erst dann kann man sich seine
Meinung bilden. Das habe ich als tragende Weisheit in meinem Leben erfahren
und weitertragen dürfen.“
„Das habe ich verstanden – zumindest glaube ich das“, entgegnete ich
nachdenklich. „ Ich war wütend über den Verlauf in der Geschichte, wo es um
die egoistischen, egozentrischen Besitzer von Ashanti, die nur ihren Kopf
durchsetzen wollten, kein Geld für das Pferd investierten und sich nicht richtig
kümmerten, ging. Ich ging direkt in die Verurteilung der Situation und auch von
alle den Menschen, die damit zu tun hatten.
Erst durch deine Hinweise verstehe ich jetzt, dass diese Menschen zwar
überhaupt nicht im Sinne und zum Wohle von Ashanti gehandelt haben, dieses
jedoch aus ihrer eigenen Lebensgeschichte heraus nicht besser konnten.
Wären sie in der Lage gewesen, besser auf sich selber zu schauen, sich selbst
achtsamer zu behandeln, ihre eigenen Themen anzuschauen und idealer weise zu
klären BEVOR sie sich ein Pferd angeschafft hätten, wäre es sicher auch für
Ashanti viel besser gelaufen.“
„Ich sehe, meine liebe Enkelin, du verstehst was ich sagen will. Mir sind im Laufe
meines Lebens so viele Geschichten begegnet, gerade auch viele, die mit Tieren
zu tun haben. Die Geschichte von Ashanti ist im Grunde nur stellvertretend für
alle Tiere. Wir lesen immer wieder davon, dass Tiere angeschafft werden, unter
dem Weihnachtsbaum liegen und dann mit Beginn des Sommerurlaubes am
Rastplatz angebunden werden, um sie zu vergessen. Dabei vergessen die
Menschen die Tiere im Grunde schon viel früher. Es fehlt zuweilen noch an der
Erkenntnis, dass Tiere mit uns Bindungen eingehen – enge Bindungen. Das geht so
weit, dass sie auch unsere Stimmungen, bis hin zu Krankheiten für uns
übernehmen. Ich weiß von einer Frau, die mit 23 Jahren eine Katze aus einer
fragwürdigen Zuchtstation rettete. Diese Katze sollte, weil sie die schwächste
aus dem Wurf war, mit 6 Wochen in die Toilette gespült werden. Doch während
die Frau sich mit der vermeintlichen Züchterin unterhielt, kletterte das
Kätzchen in die Jacke der Frau, welche sie im
Wohnzimmer auf den Tisch gelegt hatte. Als die
Frau gehen wollte, saß das kleine Kätzchen in
ihrer Jacke und für die Frau war klar, dass sie
diese nun mitnehmen wird. Das kleine und viel zu
junge Kätzchen schlief nachts bei der Frau am
Hals und wich nicht von ihrer Seite. Allerdings
diagnostizierte der Tierarzt ein Nierenleiden
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
bereist im Alter von einem halben Jahr. Die Frau lebte damals auch noch recht
unbewusst, lernte sich erst in der Welt der Erwachsenen zurechtzufinden,
suchte nach ihrem Weg.
Im Laufe ihres Lebens folgten holprige Phasen, Umzüge, gescheiterte
Liebesgeschichten, eine Scheidung und dann eine neue Liebe. All diese Dinge hat
die Katze treu an ihrer Seite mitgetragen. Die Frau hat ein Vermögen in
Tierarztkosten investiert, um das Nierenleiden der Katze zu behandeln.
Als die Katze im Alter von 21 Jahren dann immer schwächer wurde, nahm die
Besitzerin sie auf ihren Schoß und dankte ihr für die treue Begleitung in all den
Jahren. Die Frau konnte sich zuvor nicht im Ansatz vorstellen, diese
Herzenskatze jemals zu verlieren. Sie erklärte der Katze, dass sie in den letzten
Jahren ihr Leben grundlegend geändert und nun viele liebe Menschen an ihrer
Seite habe, die zu ihr stehen und wenn sie nun die Erde verlassen wolle, so dürfe
sie das tun.
Zwei Tage später schlief die Katze
friedlich ein.
Keine 4 Wochen später kam die Frau mit
starken Schmerzen in die Klinik. Bei ihr
wurden Nierensteine diagnostiziert.
Dieses führte bei der Frau zu einer
tiefen Erkenntnis – und während die
Ärzte im Krankenhaus der festen Ansicht
waren, einmal Nierensteine – immer
Nierensteine, klärte die Frau ihre Themen, die ihr offensichtlich schon sehr
lange „an die Nieren gegangen waren“ und lebt seither ohne Beschwerden. Das
ist nun fast neun Jahre her.
Dieses ist nur ein Beispiel dafür, dass Tiere eine Menge von unserer eigenen Last
übernehmen, sogar daran sterben können. So ist es wünschenswert, dass
Menschen vor der Anschaffung eines Tieres, egal wie groß oder klein es ist, in
sich gehen und schauen, was ist der Grund für die Anschaffung? Um was geht es
dem Menschen dabei – und wenn die Erkenntnis aus dem Herzen kommt, sich für
ein Tier zu entscheiden sollte geklärt werden, ob in richtiger und guter Weise
für das Tier gesorgt werden kann. Hierzu zählen nicht nur finanzielle Mittel
sondern auch die Zeit und Fürsorge – sowohl für das Tier wie auch immer für
sich selbst. Tiere sind meist ein guter Spiegel für uns – im Fall der Frau mit der
Nieren kranken Katze hätte diese sich sicher eine Menge Geld erspart für die
Nierenbehandlung, wenn sie rechtzeitig ihre eigenen Themen geklärt hätte.
Doch höre dir die Geschichte von Ashanti zu Ende an. Hier wirst du noch etwas
erfahren, dass scheinbar negative Begebenheiten auch immer eine gute Seite
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DIGNITAS – Die Würde der Tiere
haben und auch wie es sein kann, wenn
Tierbesitzer sehr bewusst, liebevoll
und aus dem Herzen handeln“.
Gespannt hörte ich Hanna weiter zu.
Ashanti und Bagira zogen in den
neuen Stall ein und freuten sich über
die weiten Wiesen, den hellen Stall
und das gute Heu. Sie schienen am
Ziel angekommen. Gemeinsam tobten
sie über die Wiesen, sprangen über
den kleinen Bachlauf, der sich durch
die Weiden schlängelte und waren
eins mit ihren Seelen. Ashanti gewann
wieder an Kraft und Glanz und Jana
und Silvi freuten sich über die
gesunden und in sich ruhenden Tiere.
Ophira besuchte Ashanti in dem
Rahmen, wie ihre Zeit es zuließ.
Auch unternahm sie Ausflüge mit
ihr. Endlich konnte Ashanti ihrem
eigenen Tempo nachgehen und wurde
nicht mehr an der Kandare durch
das Gelände gescheucht. Zwischen
den drei Frauen entstand ein herzliches Verhältnis und keine bereute je ihren
Entschluss, sich für Ashanti entschieden zu haben.
Diese Freude dauerte ein Jahr lang.
Dann trübten neue Wolken den Himmel, als der Schwiegersohn des
Stallbesitzers plötzlich verstarb. Er war die treibende Kraft auf dem Hof
gewesen und ohne ihn traute sich der Stallbesitzer die Tätigkeit nicht zu. So
kam es, dass darum gebeten wurde, neue Stallplätze für die einzelnen Pferde zu
finden, was nicht leicht war. Der Hof sollte schnellstmöglich verkauft werden
und somit war eine gewisse Eile geboten.
So sehr Ophira, Silvi und Jana sich auch bemühten und umhörten, nirgends gab
es einen Stall, in dem zwei Pferde hätten unterkommen können.
Ophira selber lebte auf einem alten Gutshof, wo sich auch ihre Praxis befand.
Dieser Platz, der Hof DIGNITAS, gehört einem Landlord und diente früher als
Lehrhof für die Landwirtschaft. Danach stand er einige Zeit leer und die
Gebäude verfielen zusehends.
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Mit Einzug von Tashina, einer weisen
Frau die sich zur Aufgabe gemacht
hatte, Pferden einen Platz zu gönnen,
der ihrem ureigenen Wesen und Gemüt
entspricht und der ihnen zusteht,
verwandelte sich der Hof DIGNITAS
allmählich zu einem Ort, an dem Mensch
und Tier Heilung erfuhren. Es war ein
langer Weg dort hin, weil der Hof
selber, die Gebäude und auch das Land,
auf dem er sich befand, in der
Vergangenheit viel Raubbau erfahren
hatten. Tashina und Ophira arbeiteten viel energetisch, um den Weg zu ebnen
für einen Platz, wo Heilung stattfinden konnte.
Das durfte auch Dogan erfahren, den Tashina kennen und lieben lernte, als er zu
ihr auf den Hof zog. Aus seinem alten Leben ausgestiegen mit dem Wunsch, neu
anzufangen, fand er auf dem Hof DIGNITAS für sich nicht nur neue
Betätigungsfelder, sondern auch eine nährende Art des inneren Friedens.
Die Suche nach Stallplätzen für Ashanti und Bagira schien endlos und schließlich
wurde auf dem Nachbargrundstück ein Platz frei, den Ashanti dann bezog. Bagira
blieb vorerst auf dem alten Hof, weil keine Lösung in Sicht war. Doch auch der
Nachbarhof stellte keine wirkliche Alternative dar, diente lediglich dazu, den
Platz auf dem alten Hof zu räumen.
Für die beiden Stuten war die Situation schier unerträglich. Wenn sie auf den
Koppeln waren, konnten sie sich zwar sehen, aber nicht zueinander laufen. Den
ganzen Tag war das flehende Rufen der beiden zu hören.
Ein paar Dörfer weiter wurde dann endlich für Bagira ein Platz gefunden – und
Ashanti verblieb zunächst noch auf dem Nachbarhof.
So kam es, dass die Stuten somit gänzlich Abschied voneinander nehmen
mussten. Alle waren mehr als unzufrieden mit der Situation und die Tiere
trauerten. Die Besitzer konnten es nur schwer ertragen, jedoch fand sich keine
adäquate Lösung, welche eine gemeinsame Unterbringung ermöglicht hätte.
Die generelle Situation in den Ställen war zu der Zeit sehr angespannt und für
jedes der beiden Pferde sollte die bestmögliche Unterbringung gefunden
werden.
Der Sommer ging ins Land und es blieb bei der getrennten Unterbringung der
Stuten. Die Ställe lagen zudem so weit auseinander, dass Jana und Silvi sich
nicht mehr um Ashanti kümmern konnten. Dieses übernahm Ophira nun selber.
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Bagira verlor, sicherlich mit bedingt durch die Trennung von der Freundin
Ashanti, an Kraft und Lebensmut. Auch sie hatte, bevor sie zu Silvi und Jana
kam, einen schweren Leidensweg, der stets ein hohes Maß an Fürsorge und
Achtsamkeit durch die Besitzerinnen forderte. Diese Aufgabe erfüllten beide
uneingeschränkt und zuverlässig.
Es war wohl einer heilsamen Fügung zu verdanken, dass die jungen Frauen über
Umwege davon erfuhren, dass auf dem Hof DIGNITAS unerwartet ein Platz
frei geworden war, den Bagira beziehen durfte.
Kurze Zeit später zog Bagira ein.
Tashina trat in einen engen Austausch mit Silvi und Jana, um mehr über die
Geschichte des leidgeprüften Tieres zu erfahren. Aber auch erspürte sie selber,
welchen schweren Weg Bagira vor der Ankunft bei Silvi und Jana gegangen war.
Sie bezeichnete Bagira als ein „sehr weises Pferd“, was bereits viele Aufgaben
zu erledigen hatte auf ihrem Lebensweg.
Nach einer Eingewöhnungszeit auf dem Hof DIGNITAS ließ sich erkennen, dass
Heilung an Körper, Geist und Seele und von Bagira eintreten durfte.
Ashanti verblieb in ihrem Stall und es zeichnete sich auch nicht ab, dass auf
dem Hof DIGNITAS ein weiterer Platz freiwerden würde. Ophira kümmerte
sich um sie, besuchte sie häufig und unternahm Spaziergänge und Ausritte mit
ihr. Bedingt durch ihre Tätigkeit als energetische Heilerin war sie jedoch
zeitlich sehr eingespannt, reiste beruflich bedingt in Nachbarländer und
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verfügte einfach nicht über die freie Zeit, welche sie sich, auch für den Umgang
mit ihrem Pferd, gewünscht hätte. Sie fühlte die Verbundenheit zu ihrer Stute
und wusste, dass auch sie in ihrer Nähe gut aufgehoben gewesen wäre.
Die Wochen vergingen und während sich der Zustand von Bagira weiter
verbesserte, verlor Ophira eigens an Kraft und Gesundheit und war gezwungen,
sich eine längere Auszeit zu nehmen. Gesundheitlich war sie sehr eingeschränkt,
durfte selber kein Auto fahren und war teilweise auf liebevolle Unterstützung
angewiesen. Auch hierfür war sie auf dem Hof DIGNITAS genau am rechten
Platz. Während die Schulmedizin keine wirklichen Antworten auf ihre
Erkrankung hatte, nahm sich Tashina ausreichend Zeit, um längst überfällige
Themen mit Ophira gemeinsam anzuschauen und auf den Weg in die Heilung zu
bringen.
Hierzu gehörte unweigerlich auch, dass Ashanti in Ophiras Nähe sein musste.
Nicht nur, weil Ophira den Fahrtweg zu ihr nicht bestreiten konnte, vielmehr
war es wichtig für den Heilungsprozess –
und nicht nur für Ophiras.
Tashina und Dogan organisierten das
Hofgeschehen um und schafften Platz –
Platz für Ashanti.
Es sollte ein denkwürdiger Tag werden, an
dem der Jeep mit dem Pferdehänger die
Kieszufahrt des Hofes DIGNITAS
entlangfuhr.
Auf dem Hof hatten sich einige
Menschen versammelt, unter ihnen
Silvi und Jana wie auch Ophira,
Tashina und Dogan. Aber auch einige
andere Einsteller waren gespannt auf
die Ankunft von Ashanti.
Der Jeep stoppte, die Heckklappe des Hängers wurde geöffnet und obwohl
Ashanti noch nicht ausgeladen war, ertönte ein jubilierendes Wiehern von Bagira
über den gesamten Hof. Unmittelbar stimmte Ashanti in das freudige
Wiedersehen mit ein und die meisten der beobachtenden Menschen konnten nur
noch durch Tränenschleier die freudige Wiedersehenszeremonie der beiden
Pferde miterleben. Endlich wieder vereint. Die Zeit der Trennung sollte vorbei
sein.
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Ophira wusste, dass es nun an ihr alleine lag, wie sie ihren Weg weitergehen
wollte – sowohl beruflich wie auch privat. Ihre Erkrankung hatte ihr den Hinweis
gegeben, dass in all der Zeit vorher bei ihr etwas aus dem Gleichgewicht geraten
war. Anspannung und Entspannung waren nicht mehr im Ausgleich und so nutzte
das Leben, was stets einen Ausgleich erzielen möchte, diesen Weg, um Ophira zu
helfen, sie aufmerksam auf sich selbst zu machen.
Nach ihrer körperlichen Genesung und vielen, schönen Stunden mit Ashanti, zog
sie sich für mehrere Wochen in einem Kloster ganz zurück, um Antworten auf
ihre noch offenen Fragen zu finden.
Erfrischt und klar kehrte sie auf den Hof DIGNITAS zurück. In der Zeit im
Kloster hatte sie Antworten gefunden – wenn auch anders, als erwartet.
Sie entschied sich dafür, einen ganz neuen Weg zu gehen und den Hof
DIGNITAS zu verlassen. So lieb ihr ihre Aufgabe und auch das Leben auf dem
Hof DIGNITAS waren, so deutlich zeichnete sich für sie der nun neue
Lebensweg ab.
Dabei war ihr, wenn auch schmerzlich, sehr wohl bewusst, dass sie Ashanti nicht
ein weiteres Mal von Bagira trennen wollte. Für Ophira stand fest, wenn sie für
sich das Beste aus ihrem Leben machen wollte, sollte auch Ashanti das Beste in
ihrem Leben erfahren.
Ophira und ihr Vater, der ihren neuen Lebensweg unterstützte, erklärten sich
bereit, die kosten für Ashanti zu übernehmen.
Silvi und Jana übernahmen gerne die pflegerische Verantwortung für sie.
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So kam es, dass nach einer umfassenden Absprache aller, Ashanti als erstes
„Gnadenbrotpferd“ einen unwiderruflich festen Platz auf dem Hof DIGNITAS
erhielt, und gemeinsam mit ihrer Freundin Bagira ihren Weg in den Frieden und
in die Heilung, stellvertretend für alle, gehen darf.
Hanna schlug die letzte Seite in ihrer alten Kladde auf, was ein Bild von zwei
wunderschönen Pferden, Bagira und Ashanti, zeigte.
Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. „Ich danke dir, meine liebe
Großmutter, für diese Geschichte. Ich denke, ich habe die Botschaften
verstanden.“
„Sehr schön, mein Mädchen, ich hatte es auch nicht anders erwartet“,
entgegnete Hanna.
„Es hat also auch eine Zeit bei Ophira gegeben“, entgegnete ich, „ in der sie
nicht achtsam auf sich selbst geschaut hatte – und dann kam ihre Erkrankung.
Fast jeder Mensch würde jedoch eine Erkrankung zuerst als etwas Negatives
sehen und nicht als Hilfestellung, für den Weg in die Heilung, Klarheit und
Bewusstwerdung. So habe ich das vorher noch nie gesehen. Wie du bereits
gesagt hattest….die Dinge sind nicht immer, wie sie scheinen.“
„Mein Kind, es lohnt sich immer, einen liebevollen Blick hinter die Geschehnisse
zu werfen und das in jeglichem Bereich. Durch Ophiras Erkrankung und auch die
damit zusammenhängende Bewusstwerdung ihrer selbst war es möglich, dass
auch Ashanti und Bagira in einen Heilungsprozess eintreten konnten. Alles ist mit
Allem verbunden, das zeigt diese Geschichte mehr als deutlich“.
Ich umarmte meine Großmutter, die mir mit dieser Geschichte einen
unvergesslichen 21.Dezember beschert hatte. Tief in meinem Herzen trage ich
die Botschaften in mir, gebe sie weiter wo ich spüre, dass es heilsam sein kann.
Möge jeder, dem eine unschöne, erschwerte, oder sonst wie geartete Situation
begegnet erst genau hinschauen, reinspüren um was es wirklich geht und das
Urteilen und Verurteilen hinten an stellen denn wisset,
“.die Dinge sind nicht immer, wie sie scheinen.“
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