ZESO_4-2015_ganz
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«Heute sagen wir: Es ist wichtig, dass<br />
es Sozialfirmen gibt und dass wir<br />
miteinander den Dialog suchen.»<br />
<br />
Sie ist im Vergleich mit anderen Ländern<br />
hoch, sie ist ein fester gesellschaftlicher<br />
Wert. Das zeigt sich auch darin, dass<br />
es in der Schweiz wenig sozialen Unfrieden<br />
gibt und wir wenig Streiks und Demonstrationen<br />
haben. Die Zufriedenheit der Bevölkerung<br />
ist relativ hoch. Das wiederum<br />
ist durch unser Staatssystem bedingt, das<br />
es dem Volk ermöglicht, seine Befindlichkeit<br />
genügend zum Ausdruck zu bringen.<br />
Welche Rolle spielen die Unternehmen?<br />
Sie tragen ihren Teil der Verantwortung.<br />
Unsere Unternehmen sind sich bewusst,<br />
dass es nicht tolerierbar ist, gezielt<br />
Arbeitnehmerkategorien abzubauen oder<br />
unfaire Löhne zu zahlen oder Standards<br />
bei den Arbeitsbedingungen zu verletzen.<br />
Sie haben vorhin die Arbeitsintegration<br />
der IV gelobt. Ein Problem ist hier<br />
aber, dass sich die RAV, die IV, die<br />
Sozialhilfe und die Asylbehörden<br />
bei der Suche nach Plätzen für die<br />
Arbeitsintegration gegenseitig im Weg<br />
roland a. müller<br />
Roland A. Müller (Jg. 1963) ist Rechtsanwalt<br />
und Titularprofessor für Arbeits- und<br />
Sozialversicherungsrecht an der Universität<br />
Zürich. Von 2007 bis zu seiner Wahl zum<br />
Direktor im Jahr 2013 leitete er das Ressort<br />
Sozialpolitik und Sozialversicherungen des<br />
Schweizerischen Arbeitgeberverbands.<br />
Roland A. Müller ist auch nebenamtlicher<br />
Arbeitsrichter am Arbeitsgericht Zürich. Er<br />
ist verheiratet und Vater von vier schulpflichtigen<br />
Kindern.<br />
stehen. Müssten sich die Arbeitgeber<br />
nicht stärker engagieren, indem sie<br />
wieder mehr niederschwellige Arbeitsplätze<br />
schaffen?<br />
Der primäre Zweck eines Unternehmens<br />
ist es nun einmal, dafür zu sorgen,<br />
dass das Geschäft läuft. Im Konkurrenzkampf<br />
zu bestehen, ist im Hochlohn- und<br />
Hochpreisland Schweiz eine herausfordernde<br />
Aufgabe. Entsprechend mussten<br />
aus Wettbewerbsgründen niederschwellige<br />
Arbeitsplätze zum Teil abgebaut oder<br />
ins Ausland ausgelagert werden. Aber<br />
natürlich haben die Unternehmer auch<br />
eine soziale Verantwortung. Oftmals übernehmen<br />
die Medien eine soziale Kontrolle.<br />
Als Beispiel, dass der öffentliche Diskurs<br />
Schranken setzen kann, sei auf die Abzockerdebatte<br />
hingewiesen.<br />
Der Abbau von Arbeitsplätzen für wenig<br />
Qualifizierte lässt sich kaum rückgängig<br />
machen. Wo lassen sich neue<br />
niederschwellige Stellen schaffen?<br />
Gewisse Arbeiten gibt es nicht mehr.<br />
In einer sich entwickelnden Gesellschaft<br />
Bilder: Daniel Desborough<br />
ist das der Lauf der Dinge. Neue Möglichkeiten<br />
dürften sich beispielsweise im Gesundheitswesen,<br />
im Schulwesen und im<br />
Bereich Betreuung anbieten – eigentlich<br />
überall, wo soziale Kompetenzen gefragt<br />
sind. Das sind gerade auch Jobs für Leute,<br />
die den Anschluss verloren haben, die aber<br />
bereit sind, zu unterstützen. Das hat nichts<br />
mit Ausnützen zu tun, sondern damit, dass<br />
jemand seinen Platz in der Gesellschaft<br />
finden kann.<br />
Eine Anstellung im Gesundheitswesen<br />
oder in einer Schule ist heute ohne<br />
Diplom kaum mehr möglich.<br />
Vielleicht müsste man mehr Ausbildungen<br />
vom Typ Anlehre schaffen. Warum<br />
sollen wir fähige Leute nicht beispielsweise<br />
im Rahmen von Ganztagesstrukturen in<br />
Schulen arbeiten lassen, wo sie Kinder betreuen,<br />
oder in Altersheimen, wo sie ältere<br />
Menschen unterstützen? Der gesellschaftliche<br />
und technologische Wandel erfordert<br />
die Bereitschaft von allen, sich auf Neues<br />
einzulassen.<br />
Wie soll die Gesellschaft mit «nichtintegrierbaren»<br />
Menschen umgehen?<br />
Wenn Systeme wie die IV oder die ALV<br />
optimiert werden, müssen wir uns im<br />
Arbeitgeberverband auch damit auseinan-<br />
28 ZeSo 4/15 Interview