08 Rapide Entwicklung eines Hirnödems infolge einer fulminanten Hyponatriämie

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Kasuistiken Abb. 1 8 Zum Zeitpunkt der klinischen Aufnahme abgeleitetes 12-Kanal-Oberflächenelektrokardiogramm der Patientin Abb. 2 8 Zerebrale Computertomographie nativ bei Aufnahme. (Mit freundl. Genehmigungvon PD Dr. Christoph Kabbasch, Radiologie der Universitätsklinik Köln) Präklinischer Befund Um 19.26 Uhr, 6 min nach Alarmierung, erfolgt die Türöffnung durch die Feuerwehr. Der Rettungsdienst findet eine bewusstlose und zyanotische Patientin vor (Glasgow Coma Scale [GCS] 3, Blutdruck 115/70 mm Hg, Herzfrequenz 70/min, Atemfrequenz 8/min, periphere Sauerstoffsättigung 70 % unter Raumluft, Blutzucker 200 mg/dl). Die Patientin hat eingenässt. Die Pupillen weisen eine beidseitige Mydriasis auf und zeigen keine Lichtreaktion. In der Wohnung finden sich keine Hinweise, die auf eine Selbsttötung hinweisen. Durch assistierte Beatmung und Insufflation von 15 l Sauerstoff steigt die periphere Sauerstoffsättigung auf 96 %. Es lässt sich ein vesikuläres Atemgeräusch bei seitengleicher Belüftungssituation auskultieren. Das präklinisch abgeleitete 12- Kanal-Oberflächenelektrokardiogramm (EKG) zeigt eine Sinusbradykardie mit ventrikulärem Bigeminus. Darüber hinaus kommen ST-Strecken-Hebungen in den Ableitungen I und aVL sowie biphasischeST-SenkungenindenAbleitungen V3-V6 zur Darstellung. Es erfolgt die komplikationslose orotracheale Intubation ohne die Notwendigkeit einer Analgosedierung. Während des Transports appliziert der Notarzt bei diskretem Hustenreiz 3 mg Midazolam sowie 700 ml kristalloide Vollelektrolytlösung. Der Pupillenstatus ist weiterhin unverändert. Das Verlaufs-EKG zeigt einen normofrequenten Sinusrhythmus, die Endstreckenveränderungen sind regredient. Um 20.00 Uhr erfolgt die Übergabe der Patientin in der zentralen Notaufnahme der Uniklinik Köln. Klinischer Befund Bei Aufnahme präsentiert sich eine tief komatöse Patientin (GCS 3) mit erloschenen Hirnstammreflexen (170 cm, 59 kg, Body-Mass-Index 20 kg/m 2 ). Die maschinell beatmete Patientin ist ohne kreislaufunterstützende Medikamen- 46 Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2018
Zusammenfassung · Abstract te kardiopulmonal stabil (Blutdruck beidseits 95/65 mm Hg, Herzfrequenz 70/min, Atemfrequenz 15/min, periphere Sauerstoffsättigung 98 % bei einem F IO 2 von 0,5; Temperatur 35,5 °C). Der übrige klinische Untersuchungsbefund ist unauffällig. Diagnostik Die initiale venöse Blutgasanalyse ergibt folgenden Befund: 4 Natrium 111 mmol/l 4 Kalium 2,3 mmol/l 4 Chlorid 84 mmol/l 4 Glukose 224 mg/dl 4 HCO 3 17,1 mmol/l 4 BE –8,30 mmol/l 4 Laktat 3,2 mmol/l 4 pH 7,28 Die Anionenlücke ist mit 12,2 mmol/l nicht vergrößert. Die übrigen Parameter der Blutgasanalyse sind unauffällig. Das klinisch abgeleitete 12-Kanal-Oberflächen-EKG ist in . Abb. 1 zu sehen. In der orientierenden transthorakalen Echokardiographie zeigt sich eine normale linksventrikuläre Funktion ohne regionale Störungen der Wandkinetik. Die rechten Kavitäten kommen normal groß zur Darstellung, die Vena cava inferior misst 20 mm (Normwert < 21 mm), eine paradoxe Septumbewegung lässt sich nicht verifizieren. Die „tricuspid annular plane systolic excursion“ (TAPSE) beträgt 21 mm (Normwert < 17 mm). Höhergradige Klappenvitien zeigensichnicht.EinPerikardergusswird ausgeschlossen. Die FAST-Sonographie ergibt keinen Hinweis auf freie abdominelle Flüssigkeit. Die zerebrale Computertumorgraphie ist in . Abb. 2 zu sehen. Therapie und Verlauf Als Konsequenz aus den Ergebnissen der Blutgasanalyse erfolgt unmittelbar nach der Abnahme von Serum- und Urinproben die intravenöse Substitution von 100 ml einer 3 %igen NaCl-Lösung als Bolus. Die Serumosmolalität ist mit 243 mosmol/kg deutlich reduziert (Referenzbereich 280–296 mosmol/kg). Die Natriumkonzentration im Spontanurin liegt bei 38 mmol/l, die Urinosmolalität bei 308 mosmol/kg. . Tab. 1 zeigt einen Auszug des Aufnahmelabors im Vergleich mit den Vorwerten vom Vormittag. In der zerebralen Bildgebung kommt ein massives generalisiertes Hirnödem mit transtentorieller und transforaminaler Einklemmung und bereits eingetretenem zerebralen Perfusionsstillstand zur Darstellung (. Abb. 2). Die hinzugezogenen Kollegen der Neurochirurgie sehen keine sinnvolle chirurgische Interventionsmöglichkeit. Der Serumnatriumspiegel steigt innerhalb der ersten Stunde um 6 mmol/l auf 117 mmol/l, im Verlauf der nächsten Stunden auf 123 mmol/l. Die Patientin wird zur weiteren Überwachung aufdie neurologische Intensivstationaufgenommen. Duplexsonographisch kann ein Pendelfluss in den hirnversorgenden Gefäßen als Ausdruck eines Zirkulationsstillstands nachgewiesen werden. Das Nulllinen-EEG bestätigtebensonachformalisierter Diagnostik die Irreversibilität des klinischen Funktionsausfalls des gesamten Gehirns, die Patientin verstirbt einen Tag nach Aufnahme an den Folgen des generalisierten Hirnödems. In Zusammenschau der vorliegenden Befunde ergibt sich zu diesem Zeitpunkt der Verdacht auf eine nichtnatürliche Todesart, sodass die Kriminalpolizei informiert und eine rechtsmedizinische Obduktion veranlasst wird. Rechtsmedizinische Untersuchungen DasDrogenscreeningimUrinergibtzum Zeitpunkt der Aufnahme ein positives Ergebnis für die im Drogenpanel enthaltenen Wirkstoffe bzw. deren Metabolite von Benzodiazepinen sowie von trizyklischen Antidepressiva. Zur quantitativen Bestimmung werden Serum- und Urinprobenindas rechtsmedizinische Institut versandt. Die chemisch-toxikologischen Untersuchungen ergeben für beide Stoffgruppen Konzentrationen im therapeutischen Bereich, sodass ein Missbrauch ausgeschlossen werden kann. Befunde, die auf eine Fremdeinwirkung hindeuten könnten, waren bei der Obduktion nicht nachweisbar. Hinweise auf Substanzen/ Medikamente, die eine Hyponatriämie auslösen können (z. B. Thiaziddiuretika, Med Klin Intensivmed Notfmed 2018 · 113:45–49 DOI 10.1007/s00063-017-0308-7 © Springer Medizin Verlag GmbH 2017 C.Adler·V.Suarez·R.Blomeyer· C.Dohmen·U.Bethe·V.Burst Rapide Entwicklung eines Hirnödems infolge einer fulminanten Hyponatriämie Zusammenfassung Die schwere akute Hyponatriämie ist eine lebensbedrohliche Erkrankung. Wir berichten über den Fall einer 38- jährigen Patientin, die im Rahmen einer isovolämischen Hyponatriämie innerhalb kurzer Zeit ein Hirnödem mit letaler Einklemmung entwickelte. Schlüsselwörter Bewusstlosigkeit · Elektrolytstörungen · Polydipsie · Flüssigkeitshaushalt · EKG- Veränderungen Rapid progress of a cerebral edema due to fulminant hyponatremia Abstract Severe acute hyponatremia is a lifethreatening illness. We report the case of a 38-year-old woman with lethal cerebral edema due to acute isovolemic hyponatremia. Keywords Unconsciousness · Electrolyte imbalance · Polydipsia · Fluid balance · ECG changes Opioide etc.) ergaben sich in der erweiterten Analyse ebenfalls nicht. Kommentar Auch wenn die Hyponatriämie die häufigste Störung des Wasser- und Elektrolythaushaltes überhaupt ist, sind Todesfälle glücklicherweise selten [7]. Dieser Fall zeigt jedoch auf eindrucksvolle Weise, dass der rasche Abfall des Serumnatriums innerhalb von wenigen Stunden zu einem osmotisch bedingten Wasserübertritt vom Extra- in den Intrazellularraum führt, was innerhalb des Schädelknochens aufgrund der fehlenden Ausdehnungsmöglichkeit des Gehirns zu einer Steigerung des Hirndrucks Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin 1 · 2018 47
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